Eröffnung der Internationalen Maifestspiele im Wiesbadener Staatstheater am 30. April 2023

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Am Sonntag den 30. April werden die Internationalen Maifestspiele 2023 offiziell eröffnet. Vorab findet im Foyer eine Podiumsdiskussion mit Amnesty International statt, gefolgt von der Doppelpremiere der beiden Janáček-Opern »Die Sache Makropulos« und »Aus einem Totenhaus«.
Der 1. Mai steht ganz im Zeichen der Jungen Maifestspiele und endet abends mit »Big Brecht«.

Am 30. April 2023 lädt die Landeshauptstadt Wiesbaden zur feierlichen Eröffnung der diesjährigen Internationalen Maifestspiele zwischen den beiden Premieren um 18.30 Uhr ins Foyer des Großen Hauses. Im Rahmen der Eröffnung überreichen die Freunde der Internationalen Maifestspiele (FIM) einen Spendenscheck an das Hessische Staatstheater Wiesbaden.
Bereits um 11.00 Uhr gibt es unter dem Motto »Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen« eine Podiumsdiskussion mit Amnesty International zur Situation von politischen Gefangenen, denen die Internationalen Maifestspiele in diesem Jahr gewidmet sind. Podiumsteilnehmer sind: Michael C. J. Landgraf (Generalsekretär PEN Deutschland), Dr. Michael Rediske (Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen), Paula Zimmermann (Fachreferentin für Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Amnesty International Deutschland) und Uwe Eric Laufenberg (Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden).

Am selben Tag feiern die beiden Janáček-Opern »Die Sache Makropulos« und »Aus einem Totenhaus« Premiere. Ausführliche Informationen dazu in unserer Premiereneinladung hier. Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt: Den ganzen Tag über wird es im Foyer und den Kolonnaden Speisen und Getränke der Foyergastronomie geben.

 Programm am 1. Mai 2023

»Big Brecht – Berliner Ensemble & Fine Arts Big Band«

Ein Big Band-Abend mit Songs von Bertolt Brecht und der Musik von Hanns Eisler und Kurt Weill. In deutscher Sprache.

Am 1. Mai 2023 um 19.30 im Großen Haus.

Wer weiß schon, wie beliebt Bertolt Brecht heute noch wäre, wenn es da nicht die Songs gäbe? Jene aus der »Dreigroschenoper« natürlich, in denen Soldaten auf Kanonen wohnen oder Haifische ihre Zähne im Gesicht tragen. Auch andere Stücke haben Ohrwürmer hervorgebracht, die meisten von Brechts wichtigsten Komponisten Kurt Weill und Hanns Eisler.
Nun kommen die bekannten und auch weniger bekannten Brecht-Songs noch einmal in einem neuartigen Gewand daher, im Big Band-Sound nämlich: »Big Brecht«, jawohl! Produziert an Brechts Stammhaus, dem Berliner Ensemble, mit den beiden Schauspielstars Constanze Becker und Tilo Nest, die dafür sorgen, dass auch die darstellerische Seite nicht zu kurz kommt. Und mit der 16-köpfigen Fine Arts Big Band ist fetter Sound garantiert!

Mit Constanze Becker, Tilo Nest Live-Musik Fine Arts Big Band Arrangements Stephan Genze, Ferdinand von Seebach

 »Eröffnungsfest der Jungen Maifestspiele«

Am 1. Mai 2023 von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr am Warmen Damm

Feiern Sie mit uns und der ganzen Familie den Start der Jungen Maifestspiele auf dem Warmen Damm mit Aktionen rund um die Welt des Theaters. Neben Spiel- und Bastelstationen für Groß und Klein erwarten Sie zwei kostenlose Aufführungen des Theaters »The100Hands« aus den Niederlanden, die Kunstkoffer, verzaubernde Walk-Acts und die eine oder andere Überraschung. Der Eintritt ist frei!

 »Out of the Box 2.0 – The 100Hands«

Open Air Performance ab 6 Jahren. Ohne Sprache.
Am 1. Mai 2023 um 14.00 Uhr und 17.00 Uhr am Warmen Damm.

In einer Abfolge von athletischem Tanz, visuellem Stillleben und akrobatischem Einfallsreichtum streben die Tänzer:innen nach Freiheit und individueller Entfaltung. »Out of the Box 2.0« ist eine unbeschwerte Reflexion über Anpassung und Abstandhalten, vor allem aber eine Ode an die Kreativität, die sich im Eingeschränkt – Sein finden lässt. Während eine Person sich anstrengt, in die »Box« zu gelangen, will eine andere den kompletten Raum für sich, die nächste Person versucht wiederum, all die Begrenzungen loszuwerden. Das Publikum wird dazu eingeladen, an der Performance teilzunehmen, die innerhalb und »out of the box« stattfindet.

Konzept Jasper Džuki Jelen & Mojra Vogelnik Škerlj Choreografie Jasper Džuki Jelen Musik ArthurMusic Kostüme Esther Sloots Box-Design Menno Boerdam Box-Bau Jitze Wils Mit Bryan Atmopawiro, Alison Duarte, Myrthe Marchal, Nathalie Schmidt

 »Body Rhythm Factory«

Konzert ab 5 Jahren. Ohne Sprache.
Am 1. Mai 2023 um 15.00 Uhr und um 18.00 Uhr im Kleinen Haus.
Weitere Vorstellung am 2. Mai 2023 um 10.00 Uhr.

Peter Stavrum und Sune Vraa Nielsen waren viele Jahre mit der international bekannten Percussion-Show »Stomp« auf Welttournee und gründeten zusammen mit Rune Thorsteinsson die »Body Rhythm Factory«. Zusammen haben die drei dänischen Musiker zahlreiche international prämierte Konzerte gegeben. Mit einem Instrumentarium aus alltäglichen Gegenständen, das sie mit Bodypercussion, Klavier und Schlagwerk kombinieren, erschaffen sie mit reißende Rhythmen, faszinierende Melodien und hinreißenden Slapstick-Einlagen ein mitreißendes -Konzert für die ganze Familie.

Mit Rune Thorsteinsson, Sune S. Vraa, Peter S. Nielsen

Weitere Informationen unter www.maifestspiele.de

Theaterkasse: Telefon 0611.132 325 | E-Mail: vorverkauf@staatstheater-wiesbaden.de | www.staatstheater-wiesbaden.de Abo-Büro: Telefon: 0611.132 340 | abonnement@staatstheater-wiesbaden.de Gruppenbüro: Telefon 0611.132 300 | gruppenticket@staatstheater-wiesbaden.de

Künstlerische Kreativität statt künstliche Intelligenz – 26. Minipressen-Messe, Buchmesse der Kleinverlage u. Künstlerbücher – 18. – 26. 05. 2023, Rheingold-Halle

26MMPM2023_2-plakat250Bereits zum 26. Mal heißt die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz Kleinverlage und Buchkünstler und Buchkünstlerinnen aus über 10 Ländern herzlich willkommen zur Mainzer Minipressen-Messe (MMPM) vom 18. bis 21.05.2023 in der Rheingoldhalle.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1970 steht die MMPM traditionell vor allem für Vielfalt und Toleranz. Der Bogen reicht vom anspruchsvollen Pressedruck engagierter Kleinverlage bis zum individuell gestalteten Einband, vom Kinderbuch zum Klassiker, von Kalligrafie zu Pop Art und vom liebevollen Handwerk zum digitalen Publishing der Gegenwart. Auf der MMPM wird ein breites Spektrum künstlerischer Kreativ- und Schaffenskraft präsentiert, für jeden etwas, außer Massenware und Werke künstlicher Intelligenz. Ob Bücher, Buchobjekte, Grafiken, Drucke oder Papierkunst in allen Farben, Formaten und Preisklassen – Besucher finden hier alles, was berührt,  erfreut und inspiriert, vielleicht auch zum Kaufen.  Denn kein Künstler, Kleinverleger und Druckpressen-Drucker lebt von Kreativität allein, wenn er nicht dann und wann mal einen geneigten Käufer findet.

Über 200 Verlage, Künstler und Künstlerinnen, Autoren und andere Buchbegeisterte freuen sich besonders nach der Corona bedingten Zwangspause darauf, ihre Resultate und hingebungsvollen Arbeiten zu präsentieren und mit Besuchern aller Alters- und Interessensgruppen ins Gespräch zu kommen.

Zusätzlich haben das Gutenberg-Museum und das dort beheimatete Mainzer-Minipressen-Archiv (MMPA) ein umfangreiches Rahmenprogramm konzipiert, welches die Messe begleitet: Lesungen, Workshops und Seminare, einer Literaturbörse für Autorinnen und Autoren sowie das Drucken vor Ort wie es Johannes Gutenberg seinerzeit erfand vor über 500 Jahren.

Ein besonderer Höhepunkt der MMPM ist wieder die Verleihung des Victor Otto Stomps-Preises der Landeshauptstadt Mainz. Der nach der bedeutendsten Verlegerpersönlichkeit aus der Mitte des 20.Jahrhunderts benannte Preis wird alle zwei Jahre an eine oder mehrere Personen für außergewöhnliche kleinverlegerische Leistungen oder für besondere buchgraphische oder literarische Leistungen, die in einem Kleinverlag erschienen sind, vergeben.

Im Anschluss trifft sich die Kleinverlags-Szene und Gäste im Foyer des Gutenberg-Museums zu einem interessierten Kennenlernen oder freudigen Wiedersehen. Es spielt das „Mebus-Duo“ bei Brezeln und Wein.

Die Vernissage der Minipressenmesse findet am 18. Mai 2023, 14.00 Uhr, im Foyer der Rheingold-Halle statt.
Die Verleihung des Stomps-Preises ebenfalls am 18.Mai, um 20:00 Uhr, im Vortragssaal des Gutenberg-Museums.

Der Eintritt ist frei.

Öffnungszeiten der Messe (Rheingold-Halle:
Donnerstag, 18.5. 14.00 – 19.00 Uhr
Freitag, 19.5. 14.00 – 19.00 Uhr
Samstag, 20.5. 10.00 – 19.00 Uhr
Sonntag, 21.5. 10.00 – 17.30 Uhr

Weitere Informationen zu Angebot und Programm

Urknall Jam – Street Art-Event vor dem Museum mit Live Sprayen und Street Food- 29. 04.2023, 14 bis 23.00 Uhr, Landesmuseum Darmstadt

Urknall Jam im Rahmen der Ausstellung »Urknall der Kunst. Moderne trifft Vorzeit« © Foto Diether von Goddenthow
Urknall Jam im Rahmen der Ausstellung »Urknall der Kunst. Moderne trifft Vorzeit« © Foto Diether von Goddenthow

Street Art und Graffiti sind die aktuellste Übersetzung von Felskunst und Höhlenmalerei im öffentlichen Raum. Das Erschaffen von Kunstwerken an großen Freiflächen und scheinbar zeitlose, prähistorische Motive üben bis heute einen ungebrochenen Reiz auf Künstler*innen aus.

Durch den »Urknall Jam« erweitert das Landesmuseum Darmstadt die aktuelle Sonderausstellung »Urknall der Kunst. Moderne trifft Vorzeit« bis in die künstlerische Gegenwart. Eingebettet in die Atmosphäre eines lockeren Open Air Jams bietet das Event sechs Street Art Künstler*innen die Möglichkeit, ihre Kunst öffentlichkeitswirksam und im musealen Kontext vor dem Museum zu präsentieren.

Die Auswahl der Künstler*innen und ihrer Motive erfolgte erstmals mit einem öffentlichen Aufruf über die Onlineplattform nextmuseum.io. Alle Interessierten konnten dort ihre Entwürfe einreichen und das Publikum hat darüber abgestimmt. Am Eventtag werden die unter enormer Beteiligung (wir hatten über 5400 Stimmabgaben) ausgewählten Motive von den lokalen und überregionalen Künstler*innen an sechs Stellwände live gesprayt. Diese bleiben bis zum Ende der Ausstellung am 25. Juni 2023 stehen.

Der Jam entstand in Zusammenarbeit mit dem Team vom Lincoln Wall e.V. und wird unterstützt vom Railslide Darmstadt. Am Eventtag sind verschiedene lokale Unternehmen beteiligt: Berry’s Café Bar, Hussen’s Falafel und Thildas Eis. Für die musikalische und tanzbare Komponente sorgt DJ Steevott. Das Museumcafé »Herzblut und Zinke« bietet Kaffeespezialitäten und Kuchen.

Zur Ausstellung
Wo liegt der Ursprung der Kunst? Dieser Frage ging nicht nur der deutsche Ethnologe Leo Frobenius Anfang des 20. Jahrhundert nach. Die einzigartigen Felsbildkopien, die auf seinen weltweiten Expeditionen entstanden, waren ein Schlüsselerlebnis für die Künstler der Moderne.

Die Ausstellung »Urknall der Kunst« entsteht in Kooperation mit dem Frobenius-Institut, Frankfurt und geht dieser künstlerischen Auseinandersetzung erneut nach.
Sie bringt sieben Positionen der Klassischen Moderne in einen Dialog mit den Felsbildern der Vorzeit: Joseph Beuys, Joan Miró, Paul Klee, Pablo Picasso, Hans Arp, Willi Baumeister und André Masson.

Eintritt
Zwischen 15.00-17.00 Eintritt in die Ausstellung »Urknall der Kunst. Moderne trifft Vorzeit« zum reduzierten Sonderpreis von 6 Euro

Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1
64283 Darmstadt
www.hlmd.de

Inflation 1923. Krieg, Geld, Trauma Sonderausstellung im Historischen Museum Frankfurt

Schlangestehen um Lebensmittel im Frühjahr 1919 in Frankfurt, Fotografie von Leonhard Kleemann, Historisches Museum Frankfurt.
Schlangestehen um Lebensmittel im Frühjahr 1919 in Frankfurt, Fotografie von Leonhard Kleemann, Historisches Museum Frankfurt.

„Die Mark sinkt immer weiter. Es ist unheimlich. Heute steht der Dollar über 1000 Mark! Der Schweizerfranken auf 200! Das Volk tut einem in der Seele leid. Man sieht das Elend förmlich um sich greifen […]“, schrieb die in Frankfurt lebende Schweizer Studentin Lilly Staudenmann-Stettler im August 1922. Nichtsahnend, dass Ende des Jahres 1923 ein Dollar 4,2 Billionen Mark kosten sollte. Das Krisenjahr der Hyperinflation wird nun 100 Jahre später vom Historischen Museum Frankfurt mit einer Sonderausstellung im Neubau des HMF bundesweit zum ersten Mal in den Blick genommen.

Die Ausstellung ergründet die Begleiterscheinungen und die vielfältigen Folgen der großen Geldentwertung von 1923 in Deutschland und stellt die Frage nach dem Zusammenhang von Krieg und Inflation – ein Thema mit hochaktuellen Bezügen. Die Vernichtung von Werten und die daraus resultierenden Versorgungskrisen, Produktionseinbrüche und zerstörten Existenzen waren traumatische Erfahrungen, die noch Jahrzehnte nachwirkten. Rentiers, Geldbesitzende, Angestellte und der Mittelstand mit seinen Ersparnissen verloren alles. Einzig der Staat blieb schuldenfrei zurück.

Die Inflationserfahrung wird, immer wieder am Beispiel der Stadt Frankfurt skizziert, anhand von künstlerischen und literarischen Zeugnissen belegt. Darunter Zeitzeugenberichte, Karikaturen aus den zeitgenössischen populären politisch-satirischen Zeitschriften, Fotografien, Plakate und frühe Filmaufnahmen. Das Inflationserleben um 1923 rahmt die Ausstellung mit der Darstellung historischer Teuerungen, dem nachfolgenden Aufstieg Hitlers und einer zweiten Inflation, um anschließend über die Währungsreformen 1948, 1990 und 2001 in die Gegenwart zu führen: Wie sieht es heute mit der Inflation aus?

Im Rahmen der Ausstellung „Inflation 1923. Krieg, Geld, Trauma“ entsteht ein umfangreiches Begleitprogramm, das sowohl Vorträge, Podiumsdiskussionen, Filmbeiträge sowie Führungen beinhaltet.

Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1
60311 Frankfurt am Main
Tel. +49 69 212-35599

Frankfurt feiert mit Paulskirchenfest 175 Jahre Demokratiegeschichte Vom 18. bis 21. Mai findet das große Bürgerfest statt

Paulskriche © Foto Diether von Goddenthow
Paulskriche © Foto Diether von Goddenthow

Frankfurt am Main, 24.04.2023 (tcf) Vom 18. bis 21. Mai feiert Frankfurt die Demokratie. Vor 175 Jahren trat das erste frei gewählte Parlament Deutschlands in Form einer Nationalversammlung in der Paulskirche zusammen. Mit einem Ziel: eine freiheitliche Verfassung für ganz Deutschland zu entwerfen. Auch wenn diese nie in Kraft trat, legte die Paulskirchenverfassung 1848/1849 den Grundstein für die deutsche Demokratie. Denn sie beinhaltete bereits wichtige Grundrechte, die das heutige Grundgesetz wesentlich geprägt haben. „Die Frankfurter Paulskirche ist eines der wichtigsten Symbole unserer heutigen Demokratie“, betont Bürgermeisterin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg. „Gerade in der heutigen Zeit, die von globalen Umbrüchen geprägt ist, wird deutlich, dass die Erinnerung an die Ursprünge der Demokratie von erstaunlicher Aktualität sind.“

Besucherinnen und Besucher dürfen sich auf zahlreiche musikalische Bühnenhighlights, abendliche Inszenierungen, Theateraufführungen, Sonderausstellungen, Mitmach- und Informationsangebote, Vorträge und Diskussionen freuen. Die Ereignisse um die erste deutsche Nationalversammlung werden in unterschiedlichsten Formaten aufgegriffen und in zahlreichen Projekten erlebbar. In und um die Paulskirche können Gäste auf Zeitreise gehen, etwa bei einer Schaudebatte der Fliegenden Volksbühne Frankfurt, mit Virtual-Reality-Brillen von TimeRide oder in den Telefonzellen des Cockpit Collectives bei einem Live-Videocall mit nahmhaften Persönlichkeiten aus der Vergangenheit. Im Rahmen des Festes wird auch der Dokumentarfilm „Die Frankfurter Paulskirche – ein singulärer Ort“ im Kino des Deutschen Filmmuseums uraufgeführt. Dieser beleuchtet die einzigartige Bedeutung der Paulskirche als „Wiege der Demokratie“.

„Vier Tage Jubiläumsfeierlichkeiten sind auch für die Frankfurter Museumslandschaft sowie zahlreiche weitere Akteurinnen und Akteure aus dem kulturellen Leben und der freien Szene unserer Stadt ein Grund zu feiern. Sie bereichern das Jubiläumsprogramm mit ihren jeweiligen Perspektiven auf Geschichte und Gegenwart der Paulskirche sowie der deutschen Demokratie und 19 Museen bieten kostenlosen Eintritt“, bekräftigt Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Dr. Ina Hartwig. Wer sich mit zertifizierten Guides der Stadt auf Spurensuche der Demokratiegeschichte begeben will, kann an einem der Jubiläumsrundgängen teilnehmen. Diese sind bereits buchbar unter www.frankfurt-tourismus.de.

Ausgerichtet werden die Jubiläumsfeierlichkeiten durch die Tourismus+Congress GmbH Frankfurt am Main (TCF). So blickt auch TCF-Geschäftsführer Thomas Feda erwartungsvoll auf die Feierlichkeiten: „Das 175. Jubiläum der ersten Nationalversammlung in der Paulskirche ist ein großartiger Anlass, nationalen und internationalen Gästen ein besonderes Demokratiefest mit einem herausragenden Programm zu bieten.“

Für ausgelassene Feststimmung sorgt das Bühnenprogramm: Am Römerberg und am Mainkai treten sowohl bekannte Künstlerinnen und Künstler wie die hr-Bigband mit Stargast Alice Merton, Max Herre, Joy Denalane und Patrice, Leslie Clio oder Loi, aber auch Newcomer und Chöre auf. Auch an die Kleinsten ist mit vielen Mitmachangeboten und Musik zum Mitsingen und Tanzen gedacht.

Besondere Höhepunkte des Festes bieten die Abendinszenierungen: Bei der „Ode an die Demokratie“ erleben Zuschauerinnen und Zuschauer eine eindrucksvolle Auseinandersetzung mit allen Facetten der Demokratie bei skulptural anmutenden Lichtprojektionen auf dem Main. Und der Walking Act DUNDU – Stuttgarts Riesen der Demokratie nimmt die Gäste mit einer leuchtenden Großpuppe auf eine Reise in die Geschichte.

Um die zahlreichen Facetten der Demokratie geht es auch im Rahmen von Symposien, Vorträgen, Diskussionen und Workshops etwa im Haus am Dom, der Evangelischen Akademie oder der Volkshochschule Frankfurt im Stadthaus. Das „Europa-Fest 2023 – Europe is yours!“ (19. Mai), organisiert von der Koordinierungsstelle EU-Angelegenheiten, richtet den Blick über die deutschen Grenzen hinaus. „Frieden und Demokratie in Europa sind untrennbar mit der Gründung der Europäischen Union verbunden, daher wollen wir die europarelevanten Aktivitäten in Frankfurt sichtbar machen und auch feiern“, so Eileen O’Sullivan, zuständige Dezernentin für Digitalisierung, Bürger:innenservice, Teilhabe und EU-Angelegenheiten. An den Ständen des Europa-Festes, dem „Europäischen Marktplatz“, präsentieren sich dabei u.a. EZB, EIOPA, EUNIC, EuropeDirect Darmstadt, Pulse of Europe, die EuropaUnion Frankfurt und die Städtepartnerschaften Frankfurts. An weiteren Ständen der Infomeile am Mainkai, beispielsweise beim Marktplatz der zivilgesellschaftlichen Organisationen `mitreden´ (20. und 21. Mai) können Gäste mit verschiedenen Vereinen, Verbänden, Institutionen und der Stabsstelle Bürger:innenbeteiligung ins Gespräch kommen. Neben dem Feiern der Gemeinschaft und der Vielfalt kommen so gesellschaftliche Teilhabe und gelebter Austausch nicht zu kurz.

Zum Demokratiejubiläum öffnet auch Frankfurts Rathaus seine Türen: Beim „Römer Open“ können Besucherinnen und Besucher am Samstag, 20. Mai, von 11 bis 19 Uhr „Demokratie erleben“. Auf vier Etagen präsentieren sich städtische Ämter, Betriebe, Gesellschaften und die Stadtpolitik. An allen vier Veranstaltungstagen finden darüber hinaus im Rathaus weitere Programmunkte wie Ausstellungen und Theatervorführungen statt.

Das gesamte Programm wird unter www.frankfurt-tourismus.de/paulskirchenfest veröffentlicht. Gedruckte Programmhefte sind ab dem 8. Mai in den Tourist Informationen am Hauptbahnhof und am Römer sowie in teilnehmenden Institutionen verfügbar (so lange der Vorrat reicht).

Landesregierung feiert „175 Jahre Paulskirche: Unsere Demokratie – Deine Freiheit“ mit umfangreichem Programm in ganz Hessen

Paulskirche Innenraum mit Empore, Farblithografie 1933. Historisches Museum Frankfurt.
Paulskirche Innenraum mit Empore, Farblithografie 1933. Historisches Museum Frankfurt.

Wiesbaden/Hanau. Mit einem umfangreichen Programm aus Veranstaltungen und Projekten wird die Hessische Landesregierung bis zum 21. Juli das Jubiläum „175 Jahre Paulskirche: Unsere Demokratie – Deine Freiheit“ hessenweit begleiten. „Die Paulskirche steht für den Ort, an dem vor 175 Jahren in Deutschland die Demokratie ihre Geburtsstunde erlebte, nachdem Bürgerinnen und Bürger zuvor unter Einsatz ihres Lebens für die Teilhabe an der politischen Willensbildung gestritten hatten“, sagte Ministerpräsident Boris Rhein am Montag bei der Eröffnung einer von der Landesregierung präsentierten PLAYMOBIL-Ausstellung in Schloss Philippsruhe, die den Auftakt zur Veranstaltungsreihe des Landes Hessen bildet.

„Auch wenn die erste deutsche Demokratie am Ende scheiterte und es nach 1848/49 noch viele Jahrzehnte dauern sollte, bis die parlamentarische Demokratie zur Staatsform wurde: Was in der Paulskirche gesagt und aufgeschrieben wurde, prägt bis heute unser Zusammenleben. Die Frankfurter Paulskirche ist die Wiege der deutschen Demokratie“, sagte der Regierungschef und ergänzte: „Mit unserer Veranstaltungsreihe aus PLAYMOBIL-Familienausstellung, Vorträgen, Konzerten, einem Poetry Slam und einem Theaterstück an rund 50 Schulen möchten wir die Menschen auf unterschiedliche Weise dafür begeistern, sich mit diesem wichtigen Teil deutscher Geschichte, der in Hessen seinen Anfang nahm, näher auseinanderzusetzen.“

Zu den Höhepunkten der mehr als 100 Veranstaltungen, die in der Zeit vom 24. April bis zum 21. Juli 2023 in ganz Hessen stattfinden, zählen im Einzelnen:

  • PLAYMOBIL-Familienausstellung in Schloss Philippsruhe in Hanau

Der Hamburger Künstler Oliver Schaffer nimmt große und kleine Besucherinnen und Besucher in der PLAYMOBIL-Ausstellung in die Zeit der ersten deutschen Demokratie mit. In elf Dioramen, die aus 5.000 Figuren und 20.000 Einzelteilen gebaut sind, trifft deutsche Demokratiegeschichte auf detailreiche Bilderwelten. Für die Zeit zwischen 1815 und 1848 werden neben dem Wiener Kongress auch die industrielle Revolution und vor allem die Nationalversammlung nachgestellt.

Die Ausstellung ist vom 25. April bis zum 21. Juli im Schloss Philippsruhe in Hanau zu sehen. Für Kinder und Jugendliche ist der Eintritt frei.

  • Theaterstück „Einigkeit und Recht und Freiheit“ an Hessens Schulen

Unter dem Motto „Einigkeit und Recht und Freiheit“ nimmt der Autor und Schauspieler Tino Leo Schülerinnen und Schüler mit auf eine informative und humorvolle Reise zur ersten Revolution auf deutschem Boden. Das Ein-Personen-Theaterstück wird vom 27. April bis 12. Juli an rund 50 Schulen in Hessen aufgeführt.

  • Poetry Slam „Poetry for Democracy“

Wie gehen junge Menschen mit Demokratie um? Was bedrückt sie? Ist unsere Freiheit selbstverständlich? Die Hessische Staatskanzlei hat junge Menschen in Hessen aufgerufen, am Wettbewerb „Poetry for Democracy“ teilzunehmen und Poetry-Slam-Beiträge zum Thema Demokratie einzusenden. Die besten von ihnen nehmen am 29. April an einem Workshop mit professionellen Poetry Slammern teil und haben die Chance, ihr Können am 24. Juni im Theater im Pariser Hof in Wiesbaden vor Publikum unter Beweis zu stellen.

  • Konzerte des Landesjugendsinfonieorchesters Hessen

Das Landesjugendsinfonieorchester Hessen vereint die besten Nachwuchsmusikerinnen und Nachwuchsmusiker des Landes. Am ersten Mai-Wochenende gibt das Orchester drei Konzerte mit Werken aus der Zeit der Paulskirche (5. Mai Paulskirche Frankfurt, 6. Mai Stadthalle Wetzlar, 7. Mai Wilhelmsgymnasium Kassel). Das Konzert in Frankfurt findet vor geladenem Publikum statt, die Konzerte in Wetzlar und Kassel sind frei zugänglich.

  • Vortragsreihe

Welche Rolle spielten Frauen in der Paulskirche? Wie kam es zu Schwarz-Rot-Gold? Welche Bedeutung hat die Paulskirche heute noch? Diese und weitere Fragen beantworten namhafte Referentinnen und Referenten vom 24. April bis 26. Juni in einer 20-teiligen Vortragsreihe. Beteiligt sind unter anderem das Staatsarchiv Darmstadt, das Schloss Philippsruhe sowie die evangelische Kirche Wanfried.

  • Paulskirchenfest

Vom 18. bis 21. Mai findet am Mainufer in Frankfurt das Paulskirchenfest der Stadt Frankfurt statt. Am Eisernen Steg wird sich das Land Hessen mit einem eigenen Informationsstand beteiligen. Im Mittelpunkt stehen die Themen Demokratie, Frieden und Freiheit. Ein Rahmenprogramm ergänzt den Auftritt.

  • Comic-Lesungen an Schulen

Der Comic „Skizzen einer Revolution“ vom Jungen Museum Frankfurt zeigt die Geschichte einer jungen Frau in der Zeit um 1848. Die Landesregierung hat den Autor Christoph Tauber und die Zeichnerin Annelie Wagner engagiert, drei Lesungen des Comics zu machen. Auch beim Paulskirchenfest werden die beiden im Zelt der Landesregierung auftreten.

  • „Paulskirche trifft Kino“

Das Lichtspielhaus Lauterbach, das Murnau Filmtheater Wiesbaden und das Kino Heppenheim zeigen vom 7. Mai bis 8. Juni Werke zum Thema Freiheit. Auf dem Programm stehen unter anderem „Die Unbeugsamen“, „Und morgen die ganze Welt“ und „Film ohne Titel“.

  • Zusammenarbeit mit der Stadt Kelkheim

Kelkheim würdigt den berühmtesten Sohn der Stadt, den liberalen Politiker Heinrich von Gagern, mit einer Veranstaltungsreihe. Die Sonderausstellung unter dem Titel „Demokratie weiter denken – Die Freiherren von Gagern – Wegbereiter der parlamentarischen Demokratie in der Alten Kirche Hornau“ läuft vom 4. Mai bis 25. Juni.

Weitergehende Informationen und Termine zur gesamten Veranstaltungsreihe finden Sie unter paulskirche.hessen.de.

Alte Museums-Artefakte inspirieren zu neuer Kunst und werden dabei selbst wieder lebendig – Kunst trifft Archäologie im Mainzer Landesmuseum

Mit diesem Ausstellungsprojekt LIKE A VIRGIN – touched für the very first time – Kunst trifft Archäologie“ vom 21. April bis 18. Juni 2023 im Mainzer Landesmuseum kommt es erstmals zu einem Experiment zwischen der Archäologischen Abteilung des Landesmuseums und der Kunsthochschule Mainz.  Bild: Professorin Sabine Groß, Leiterin der Klasse für Bildhauerei, erläutert mit Studenten die Ausstellung.  © Foto Diether von Goddenthow
Mit diesem Ausstellungsprojekt LIKE A VIRGIN – touched für the very first time – Kunst trifft Archäologie“ vom 21. April bis 18. Juni 2023 im Mainzer Landesmuseum kommt es erstmals zu einem Experiment zwischen der Archäologischen Abteilung des Landesmuseums und der Kunsthochschule Mainz. Bild: Professorin Sabine Groß, Leiterin der Klasse für Bildhauerei, erläutert mit Studenten die Ausstellung. © Foto Diether von Goddenthow

Vielen jungen Menschen geht es beim Betrachten archäologischer Fundstücke im Museum so wie der Kunststudentin Yvonne Delfendahl: „Wenn ich die sehe, kann ich gar keinen richtigen Bezug dazu aufbauen“. Doch seitdem die Studentin beim Ausstellungsprojekt „Kunst trifft Archäologie“, ein Experiment zwischen der Archäologischen Abteilung des Landesmuseums und der Kunsthochschule Mainz, mitgemacht hat, ist das nun alles ganz anders geworden. Als eine von 13 ausstellenden Künstlern und Künstlerinnen hatte  Yvonne aus dem Museumsfundus für ihr eigenes Projekt 4000 bis 6000 Jahre alte Faustkeile ausleihen können, um hiervon eine eigene Kreation ableiten zu können. Ihre Kommilitonen hatten ganz andere Original-Artefakte als Inspiration für ihre Werke ausgewählt. Ziel war es, diese Artefakte aus einem der Archäologie fremden Blickwinkel zu betrachten und sie in einen neuem Kontext zu stellen, der herkömmliche Sichtweisen und museale Umgangsformen erweitern und bereichern sollte. Das ist gelungen, was nun die soeben im Landesmuseum Mainz eröffnete Ausstellung „LIKE A VIRGIN – touched für the very first time – Kunst trifft Archäologie“ mit ihren wunderbaren, mitunter beinahe skurril wirkenden Werken zeigt. Die Ausstellung geht noch bis zum 18. Juni 2023.

Kunststudentin Yvonne Delfendahl war von den 4000 bis 6000 Jahre alten Faustkeilen aus Mainz-Gonsenheim so affiziert, dass sie sich hiervon zu ihrem Projekt mit Open-Air-Vitrine anregen ließ. © Foto Diether von Goddenthow
Kunststudentin Yvonne Delfendahl war von den 4000 bis 6000 Jahre alten Faustkeilen aus Mainz-Gonsenheim so affiziert, dass sie sich hiervon zu ihrem Projekt mit Open-Air-Vitrine anregen ließ., von der in der Ausstellung ein Foto zu sehen ist, dahinter die Original-Faustkeile des Museums © Foto Diether von Goddenthow

Yvonne Delfendahl hatten es, wie gesagt, die 4000 bis 6000 Jahre alten Faustkeile aus Mainz-Gonsenheim, ihrem Wohnort, sofort angetan. Sie war so fasziniert von der Vorstellung, dass diese „so alten, wertvollen Stücke  einfach an einen normalen Tage von Bauern beim Arbeiten in Gonsenheim gefunden wurden“, dass sie die Idee hatte, Kopien davon in Speckstein anzufertigen, und diese in Fundortnähe in einer Plexiglas-Vitrine auf einer öffentlich zugänglichen Wiese zu platzieren, um Spaziergänger und Wanderer auf das uralte Siedlungsgebiet und die dort gemachten Funde hinzuweisen. Mehr noch: Sie stellte eine zweite „Blanko“-Plexiglas-Vitrine auf, in die Leute, die vielleicht am Wegesrand oder in der Nähe etwas Archäologisches finden,  deponieren können. In der Ausstellung selbst ist von ihrer spannenden Arbeit „nur“ ein Foto zu sehen, in der Vitrine daneben befinden sich die Originalfaustkeile aus graugrünlichem Jadeit-Gestein. Ihre Faustkeil-Nachempfindungen aus Speckstein können ausschließlich in ihrer Open-Air-Plexiglas-Vitrine auf der Wiese in Gonsenheim besichtigt werden. Da die Wiese nahe des vielbelaufenen Spazierwegs dem Gonsenheimer Fahr- und Reitverein gehört, gab es auch keine bürokratischen Hemmnisse mit der Aufstellung. Am Sonntag, 23. April 2023 präsentierte die Studentin in einer kleinen Vorort-Vernissage ihr Werk. Yvonne möchte mit ihrem Projekte „Geschichte in den Alltag wieder zurückzuholen“. Eine Besonderheit ihres Projektes liegt nicht nur in der Gegenüberstellung ihrer Eigenkreation mit einem Original-Museums-Exponat, sondern zudem darin, durch die Auslagerung ihres Kunstwerkes in Fundortnähe, dort ein wenig „Steinzeit“ wieder lebendig werden zu lassen, und „die Spaziergänger vielleicht dazu zu motivieren, sich später auch die Originalfunde im Museum anzuschauen“.

Amelie Reinholdt war fasziniert vom Gedanken, dass Römer mit ihren Riemenlatschen praktisch ganz Europa erlaufen haben, weswegen sie nun ein modernes poppiges Pendant schuf, mit denen ja heutzutage quasi die Welt erlaufen wird. © Foto Diether von Goddenthow
Amelie Reinholdt war fasziniert vom Gedanken, dass Römer mit ihren Riemenlatschen praktisch ganz Europa erlaufen haben, weswegen sie nun ein modernes poppiges Pendant schuf, mit denen heutzutage quasi die Welt erlaufen wird. © Foto Diether von Goddenthow

Wer die Ausstellung betritt, schreitet zunächst durch ein Löwentor, beinahe, lägen da nicht die übergroßen Riesen-Flip-Flop-Latschen, die Amelie Reinholdt, zugleich Romanistin und Lateinaffin, römischen genagelten Riemensandalen aus dem 1. Jh. n. Chr. „nachempfunden“ hat. „Ich weiß nicht, mich hatte dieses Schuhwerk so angesprochen, weil ich es eben so witzig fand im Nachhinein, mir vorzustellen, dass mit diesen römischen Sandalen doch ganz Europa quasi belaufen wurde“, ähnlich wie sich in heutiger Zeit die Flip-Flops-Latschen in allen Varianten weltweit durchgesetzt haben.

Kunststudentin Jeong Lee (mi) erläutert Dr. Heike Otto, Generaldirektorin der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (li.) und Museumsdirektorin Dr. Birgit Heide (r.) dass der steinerne alte Originallöwe einst für äußere stand, heutzutage es aber mehr auf innere Stärke ankäme. Diese innere Stärke und Kraft solle ihr nachempfundener, äußerlich weichwirkender Löwe symbolisieren. © Foto Diether von Goddenthow
Kunststudentin Jeong Lee (mi) erläutert Dr. Heike Otto, Generaldirektorin der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (li.) und Museumsdirektorin Dr. Birgit Heide (r.) dass der steinerne alte Originallöwe einst für äußere Kraft stand,  es  heute aber mehr auf innere Stärke ankäme. Diese innere Stärke und Kraft solle ihr nachempfundener, äußerlich weich wirkender Löwe symbolisieren (vorne im Bild). © Foto Diether von Goddenthow

Man muss also, um diese Riesenlatschen nicht zu beschädigen, um das Löwentor herumlaufen. Rechts brüllt der Originallöwe aus einem römischen Gräberfeld und Weisenauer Kalkstein seinem aus Epoxidharz erschaffenen „Klon“ linker Hand entgegen. Dieser brüllt leiser zurück. Für Jeong Lee, die sich gleich von der Symbolik des Königs der Tiere angesprochen fühlte, steht die Original-Löwenfigur für äußere Stärke. Ihr aus Epoxidharz, Kerzengel, Ton und Acrylspray erschaffener heller glasähnlicher ausschauender Löwe zeige hingegen das Gegenteil: äußere Weichheit, aber innere Stärke. Innere Stärke, Überzeugung und Substanz seien in der Gesellschaft wichtiger geworden als das Äußere, als äußerliche Stärke, so die Überlegung der Künstlerin.

Die archäologischen Objekte aus der Vorgeschichte und der Römerzeit verdeutlichten dabei ihrerseits unterschiedliche Aspekte des menschlichen Lebens, wie Alltag, Luxus oder kultisch-religiöse Aspekte, vertieft Dr. Heike Otto, Generaldirektorin der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz.

Wie Flip-Flop-Latschen und das Löwen-Pärchen „äußere Stärke /innere Stärke“ darstellen, haben die Studentinnen und Studenten  eine überaus lebendige Präsentation künstlerischer Neuschöpfungen geschaffen, die fantasievolle Verbindungen zwischen lang vergangenen und heutigen Kulturen herstellen möchten. Dieses reizvolle Zusammentreffen der teils Jahrtausende alten Exponate mit den zeitgenössischen Kunstwerken ermöglicht den Besuchern einen völlig anderen Blick auf die achäologischen Objekte und regt zu einem neuen und frischen Auseinandersetzen mit scheinbar Bekannten an.

Aaron Nora Kappenberger, aus dem Schwarzwald stammend, und als Queerer dort oft nicht beachtet, oder eher negativ wahrgenommen, wie in Zeiten der schwäbisch-alemannischen Fasent, als eine Person, die nicht dazu gehört, zur nicht queeren Mehrheitsgesellschaft, hat diese Ambivalenz zwischen vorurteilsbefördernder fester und ausdrucksoffener Masken dargestellt, indem er einer römischen Büste eine konturenarme Wachsmaske gegenüberstellte. © Foto Diether von Goddenthow
Aaron Nora Kappenberger, aus dem Schwarzwald stammend, und als Queerer dort oft nicht beachtet, oder eher negativ wahrgenommen, wie in Zeiten der schwäbisch-alemannischen Fasent, als eine Person, die nicht dazu gehört, zur nicht queeren Mehrheitsgesellschaft, hat diese Ambivalenz zwischen vorurteilsbefördernder fester und ausdrucksoffener Masken dargestellt, indem er einer römischen Büste eine konturenarme Wachsmaske gegenüberstellte. © Foto Diether von Goddenthow

Aaron Nora Kappenberger stellte sich einer Identitätsfrage, nämlich, was sichtbar ist und was nicht? Welche Realitäten werden unsichtbar und welche zum Narrativ? „despised seer“, so der Projekttitel, befasst sich mit diesen Fragen von Sichtbarkeit im musealen Kontext und schlägt subversive Parallelen zu heutigen Sehgewohnheiten. Im Kontext von Wertungen bedient sich die Arbeit queerer popkultureller Elemente als auch der traditionellen schwäbisch-alemannischen Fasent.

Am Anfang, als den Studenten Exponate zur Auswahl bereitgestellt wurden, gab es keinerlei Informationen über die Artefakte. Denn, so Museumsdirektorin Dr. Birgit Heide, ging es nicht darum, gleich zu hinterfragen: „Was ist das? Was bedeutet das? Von wann ist das? Nein, es ging erst mal darum, sich inspirieren zu lassen, und einfach mal zu schauen. Und das ist sozusagen auch ein ganz wichtiger Kern von diesem Projekt, dass wir hier auf die Beine gestellt haben“. Hierbei haben die Künstlerinnen und Künstler ganz individuelle Projekte erschaffen, „die sich aber alle mit dem Thema Archäologie beschäftigen, und das auf ganz unterschiedliche Weise. Entweder sind das Neuinterpretationen, fantasievolle Arrangements, oder ist es das Thema im weiteren Sinne „Museum, Ausstellung – was heißt es überhaupt? Was bedeutet es, dass ein Gegenstand prominent einen Wert erhält? Wie dauerhaft sind Wertzuschreibungen? Oder sind es geographische Herangehensweisen, wo man sozusagen eine eigene archäologische Recherche anstellt, und das in Verbindung gebracht hat mit dem entsprechenden Exponaten“, erläutert die Museums-Direktorin. Dabei zeigt sie auf eine Vitrine, in der einige der verbliebenen, nicht von den Studenten ausgewählten Exponate zu sehen sind. Hier können die Besucher kreativ werden, und sich überlegen, welches museale Artefakt davon sie eventuell auswählen würden als Anregung für ihr Kunstwerk.

„Neue Blickwinkel, künstlerische Neuschöpfungen, überraschende Herangehensweisen – es war allen Studierenden ein großes Vergnügen, archäologischen Artefakten, die in Museen unberührbar erscheinen, auf wundersame Weise neues Leben einzuhauchen und buchstäblich eine andere Bühne zu bieten,“ freut sich die Leiterin der Klasse für Bildhauerei der Kunsthochschule Mainz, Professorin Sabine Groß.

(Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Prof. Zeidler begeistert mit Vortrag „Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“ zum Auftakt des Patiententages

Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende u. DGIM-Vorstandsvorsitzender  Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner ehren die mit 103 Jahren wohl älteste Wiesbadenerin und frühere Chefärztin der Gerontologischen Klinik. © Foto Diether von Goddenthow
Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende u. DGIM-Vorstandsvorsitzender Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner ehren die mit 103 Jahren wohl älteste Wiesbadenerin und frühere Chefärztin der Gerontologischen Klinik. © Foto Diether von Goddenthow

Beim Empfang zum Auftakt des 16. Wiesbadener Patiententages begeisterte Festredner Professor Dr. med. Henning Zeidler, ehemaliger Direktor der Klinik für Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover, mit seinem Vortrag „Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“. Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende hatte am Freitagabend, 21. April, den Auftaktempfang zum 16. Wiesbadener Patiententag im Rahmen des 129. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im Festsaal des Rathauses eröffnet.

„Zum 16. Mal haben sich die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin und die Stadt Wiesbaden zusammengetan, um im Rahmen des jährlichen Internistenkongresses zum einen die Fachthemen der versammelten Ärztinnen und Ärzte den Wiesbadener Bürgerinnen und Bürgern nahe zu bringen und gleichzeitig auf einem lebendigen Gesundheitsmarkt verschiedene Organisationen zu präsentieren, die zu vielen klinischen Fragen Gespräche, Informationen, Tests und auch Antworten bieten“, sagte Mende. „Der Internistenkongress ist das Flaggschiff der medizinischen Tagungen in Wiesbaden. Der gute Ruf Wiesbadens als exzellenter Standort für Gesundheitsthemen ist mit ihm untrennbar verbunden.“

„Der Patiententag ist eine echte Publikumsveranstaltung, gedacht für alle Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger. Er bietet Informationen von Fachleuten, medizinischen Organisationen und Selbsthilfegruppen für Patienten. Der Patiententag bietet den Bürgerinnen und Bürgern einen ‚niedrigschwelligen‘, also einen leichten und entspannten Zugang, die medizinische Wissenschaft besser nachzuvollziehen. Die hier gehaltenen Fachvorträge und Podiumsdiskussionen werden den Besucherinnen und Besuchern nicht nur Alltagshilfe sein, sondern sie auch mit neuen Erkenntnissen der medizinischen Forschung vertraut machen und sicher einen Beitrag zur Prävention leisten.“ bekräftigte der Oberbürgermeister.

Hocherfreut war der  Oberbürgermeister, die mit 103 Jahren wohl älteste Wiesbadenerin, die gebürtige Hamburger Ärztin, Dr. Inge-Maria Haeckelmann, im Ratssaal begrüßen zu dürfen. Anfang der 1980er Jahre war die Alternsmedizinerin nach Wiesbaden gekommen, wo sie als Chefärztin in der Geriatrischen Klinik bis zu ihrer Pensionierung tätig war. Gemeinsam mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM), dem Gießener Internisten und Rheumatologen Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner, überreichte der Oberbürgermeister Dr. Haeckelmann eine Ehrenurkunde der „Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).

„Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“

Festredner Professor Dr. med. Henning Zeidler, ehemaliger Direktor der Klinik für Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover. Professor Zeidler sprach zum Thema „Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“  © Foto Diether von Goddenthow
Festredner Professor Dr. med. Henning Zeidler, ehemaliger Direktor der Klinik für Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover. Professor Zeidler sprach zum Thema „Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“ © Foto Diether von Goddenthow

Der Gießener Internist und Rheumatologe Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner, neuer Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) und Kongresspräsident, skizzierte die Themen des Patiententages und stellte  Professor Dr. med. Henning Zeidler, den Festredner des Auftaktempfangs  vor.

Bereits vor seiner Emeritierung 2007 hatte Prof. Zeidler begonnen, intensiv die Biographien großer Künstler vor dem Hintergrund ihrer Krankheiten aufzuarbeiten, insbesondere Lebensverläufe von rheumageplagten bekannten  Malern. In seinem Festvortrag „Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“ ging er auf die   Kranken- und Leidens-Geschichten von Auguste Renoir, Alexej von Jawlensky, Raoul Dufy sowie von Niki des Saint Phalles ein. Letztere litt  unter Lungenerkrankungen.
Dabei hinterfragte er, wie die Künstler zu ihrer Zeit mit  ihrer Krankheit umgingen, wie sie ihr Kranksein bewältigten, zu welchen schöpferischen Leistungen sie vor und nach Ausbruch ihrer Krankheit fähig waren. Wichtig war ihm auch zu erfahren, wie die betroffenen Künstler ihre Krankheit in ihren Bildern verarbeiteten, wie sie ihre Leiden selbst wahrnahmen im Vergleich zu den medizinischen Dokumenten. Zudem spann Prof. Zeidler einen Bogen zum Wandel in der Rheumatherapie von Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute.

 Auguste Renoir

Besonders schwer von rheumatoider Arthritis war einst der französische Maler Auguste Renoir (1841 – 1919) betroffen. Er war 54 Jahre alt, als die Krankheit bei ihm ausbrach. Aber aller Pein zum Trotz malte er immer weiter, täglich in seinem Garten und mit positivem Gemüt:   „Vor allem will ich die Menschen erfreuen mit allem, was schön ist“. Damit er das konnte, versuchte er die Beweglichkeit seiner Hände zu erhalten, unter anderem mit Jonglieren, Lederbällen werfen und Klavierspielen und ähnlichem. „Damit war Renoir quasi der Erfinder der Physiotherapie“, erklärte Zeidler. Zudem erhielt er  Medikamente wie Antipyrin, später dann Acetylsalicylsäure. Zudem: Wassergüsse, Bäderkuren. Irgendwann benötigte er Stock, Krücken und schließlich einen Rollstuhl mit Kissen und einen Tragestuhl, mit den man ihn vom Haus in den Garten heben konnte. Seine Schuhe musste er aufschneiden, um seinen schmerzenden Füße Platz zu verschaffen.
Als er nur noch vom Rollstuhl aus malen konnte und seine Finger sich zusehends verkrümmten, ließ sich Renoir die Pinsel zwischen seine bandagierten Hände und den mit Schlauchverband aus Leinen umwickelten Daumen stecken. Aus einer Fahrradmechanik baute er eine drehbare Staffelei. So konnte er selbst vom Sitzen aus durch Weiterkurbeln des mit Leinwand bespannten Untergrundgrundes weiterhin auch große Format malen. Sein größtes Ölgemälde „Les Baigneuses“ (1918/19) maß 160 x 110 cm, und hängt heute im Musée d’Orsay, Paris. Dass Renoir seine Krankheit damals dennoch so positiv bewältigen konnte lag sicher auch mit  auch an der guten Pflege und an dem Umstand, dass er praktisch täglich in seinem Garten sitzend, malen konnte.

Alexei Jawlensky 

Ausschnitt aus "Große Meditation" 1937
Ausschnitt aus „Große Meditation“ 1937

Einen sehr schweren Verlauf nahm die rheumatoide Arthritis beim Maler Alexej Jawlensky (1865 – 1941).  Sie brach 1929 aus, da war er 65 Jahre alt. Trotz zahlreicher Kuren und Behandlungen, zunächst mit Spermin-Injektionen, Röntgenstrahlen und Goldspritzen, später mit Pyramidon, Radiophan-Spritzen, Elektrobädern usw. war Jawlensky ab 1938 völlig gelähmt. Anders wie Renoir hat  Jawlensky ständig auch materielle Existenzsorgen, was sicherlich auch zum Verlauf seiner Krankheit mit beitrug.
An seiner speziell entwickelten Staffelei mit zwei Brettern waren acht Ölpapiere, oben und  unten je vier, mit Reißzwecken befestigt. Unten an der Staffelei waren zudem zwei Pflöcke so angebracht, dass  seine Palette sogleich an der Staffelei und seinen Knien aufliegen konnte, so dass er sie nicht mit einer Hand halten musste. Denn er benötigte beide Hände, um den Pinsel führen zu können.  Pinsel und Farben waren ebenfalls in unmittelbarer Reichweite positioniert. Diese krankheitsbedingten Einschränkungen sind auch der Grund dafür, weswegen Jawlensky seither nur noch in kleineren Formaten malte. Die Krankheit beeinflusste also Jawlenskys Werk gewaltig, viel stärker als im Fall Renoir, der unter größerer Anstrengung und mit „Tricks“ immerhin bis zuletzt seinem Stil treubleiben konnte. Bei Jawlensky entstanden erst durch die Bilder seine abstrakten Gesichter, etwa die Serie  „Meditationen“ in maximalen Bildformaten von 18 x 13 cm bis 24 x 10 cm. Aber seinem Ruhm tat dies keinen Abbruch, vielleicht im Gegenteil: Die abstrakten Gesichtern wurden fast so etwas wie sein „Markenzeichen“.

Raoul Dufy

Einen wiederum völlig anderen, sehr wechselhaften Verlauf nahm Raoul Dufys (1877 – 1953) rheumatische Erkrankung. Der französische Maler des Fauvismus, der 1937 das mit 600 m²  größte Bild der Welt „La Fée Electricité“ zur Weltausstellung schuf, wurde 1935 im Alter von 58 Jahren vom Rheuma erwischt. Sein Glück im Unglück war, dass  1950  der Bostoner Arzt Dr. Homburger in einer Kunstzeitung über ihn von  seinem Rollstuhlschicksal lass, und anbot, ihn mit der neuen Cortison-Therapie zu behandeln. Die Therapie war zunächst sehr erfolgreich. Schon innerhalb weniger Tage wurde er mobil, begann wieder zu malen, konnte Farbtuben selbst ausdrücken. Aber es gab Komplikationen. Er entwickelte das typische angeschwollene Cortinson-Gesicht, das so genannte Chushinggesicht. Er bekommt Osteoporose und ein Abszess am Gesäß. Dufy, so Prof. Zeidler, war einer der ersten mit Kortison behandelten Patienten, weswegen auch noch nicht viel über die Nebenwirkungen bekannt war. Zunächst verlief also seine Behandlung recht erfolgreich. Dufy konnte ohne erkennbare Veränderungen weiter malen. Aber es  gab schwere, später gar tödliche Nebenwirken wie innere  Darmblutungen. Diese wurden verursacht durch die gleichzeitige Gabe von    „hochdosiertem Aspirin“ und „Kortison“.

Niki des Saint Phalle

Niki des Saint Phalles Exponat der aktuellen Ausstellung NIKI DE SAINT PHALLE 3. FEBRUAR – 21. MAI 2023 in der Schirn  Kunsthalle Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow
Niki des Saint Phalles Exponat der aktuellen Ausstellung NIKI DE SAINT PHALLE
3. FEBRUAR – 21. MAI 2023 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow

Niki des Saint Phalle (1930 – 2002) war eine der populärsten Künstlerinnen ihrer Generation. Sie startete 1953 nach einem Nervenzusammenbruch ihre Künstlerkarriere. Das Ex-Modell wurde zunächst mit ihren Schießbildern und später mit ihren großformatigen Frauenfiguren, den Nanas, weltberühmt. In ihrer Selbstwahrnehmung der Krankheit glaubte Niki des Saint Phalles stets, dass vor die giftigen Dämpfe, die beim Schneiden von Styropor für ihre Großfiguren entstanden,  „ihre Lungen verätzt“ hätten. Professor Zeidler fand beim Studium ihrer Krankenakte jedoch heraus, dass Niki des Saint Phalles Leiden schon viel weiter in ihrer Biographie zurückreichte: So litt die Künstlerin  seit 1949 nach einer Bilddarmentzündung bereits unter schweren Atemproblemen, 1958 wurde eine erste Diagnose Pneumonie gestellt. Und, was auch kaum bekannt ist: Niki des Saint Phalles litt an einem angeborenen selektiven Immunglobulin-A-Mangel. Dies war eventuell eine der Hauptursachen ihres lebenslangen Leidensweges, so Prof. Zeidler. Denn zirka 30 Prozent der von diesem Immundefekt Betroffenen (1 zu 1000) leiden verstärkt unter Infektionen wie Sinusitis, Bronchitis, Lungenentzündung, manch einer auch unter Durchfall und  Autoimmunkrankheiten wie z.B. Lupus, rheumatoide Arthritis, Immunthyreoiditis, Morbus Crohn.

Die Lungenerkrankung beeinflusste auch Niki des Saint Phalles  künstlerisches Schaffen. Beispielsweise entstanden, nachdem sie in St. Moritz wieder gelernt hatte, frei durchatmen, ab 1979 ihre ersten berühmten Luftskulpturen „Skinnies“. Und nicht von ungefähr lebte Niki des Saint Phalles wegen des für ihre Lunge angenehmen Klimas am Ende ihres Lebens in San Diego, Kalifornien. Hier schuf sie ihren, von indianischen und mexikanischen Symbolen inspirierten Park „Califa“. Diesen konnte sie nicht mehr vollenden. Sie verstarb nach fünfmonatigem Klinikaufenthalt 2001 an akutem Atemnotsyndrom infolge ihrer Pneumonie.

Selten erhielt ein Vortragsredner einen solch lang andauernden Applaus wie Professor Dr. med. Henning Zeidler für seine hochinteressanten Ausführungen zum Auftakt des Patiententages.

Patiententag 

patiententag-2023Der Patiententag am Samstag, 22. April, von 9.30 bis 16 Uhr im Rathaus, Schlossplatz 6, war traditionell gut besucht und gab Laien wie Fachleuten Auskunft zu aktuellen Gesundheitsthemen. Vertreten waren Ärzte, Gesundheitsexperten von medizinischen und pflegerischen Einrichtungen sowie Vertreter von Selbsthilfegruppen. Einige der Vorträge wurden als Hybridveranstaltung durchgeführt und live ausgestrahlt.

(Diether von Goddenthow /Rhein-Main. Eurokunst)

129. Internisten-Kongress: Update Long COVID Professor Dr. med. Clara Lehmann, Leiterin Infektionsschutzzentrum (ISZ), Infektionsambulanz & PostCOVID-Ambulanz,Innere Medizin I, Uniklinik Köln

Endlich wieder ohne Corona kann der Internisten-Kongress im Wiesbadener RheinMain-KongressCenter stattfinden. Für Entspannung während des eng getakteten Kongress-Programms sorgen vielfältige kulturelle Angebote. © Foto Diether von Goddenthow
Endlich wieder ohne Corona kann der Internisten-Kongress im Wiesbadener RheinMain-KongressCenter stattfinden. Für Entspannung während des eng getakteten Kongress-Programms sorgen vielfältige kulturelle Angebote. © Foto Diether von Goddenthow

Professor Dr. med. Clara Lehmann, Leiterin Infektionsschutzzentrum (ISZ),Infektionsambulanz & PostCOVID-Ambulanz,Innere Medizin I, Uniklinik Köln

Von Long COVID  sind allein in der europäischen Region der WHO in den Jahren 2020 bis 2021 17 Millionen Menschen betroffen, weltweit sind es schätzungsweise 65 Millionen. Prognosen gehen davon aus, dass bis März 2023 20 Millionen Europäer an Long COVID leiden werden. Im Durchschnitt werden bis zu 10 Prozent der mit SARS-CoV-2 infizierten Personen die Krankheit entwickeln.

Die Krankheit ist definiert durch eine bestätigte oder wahrscheinliche SARS-CoV-2-Infektion in der Anamnese, wobei die Symptome in der Regel drei Monate nach Beginn der COVID-19-Infektion vorhanden sind und mindestens zwei Monaten andauern. Zu den Symptomen gehören Müdigkeit, Kurzatmigkeit, kognitive Störungen, aber auch viele andere Symptome können auftreten, die nachweislich die Lebensqualität beeinträchtigen. Die Symptome können neu auftreten oder seit der Infektion mit COVID-19 andauern und lassen sich nicht auf eine andere Diagnose zurückführen. Mehrere persönliche und umweltbedingte Faktoren beeinflussen die Prävalenz von Long COVID in der europäischen Bevölkerung. Was die individuellen Faktoren anbelangt, so ist die Prävalenz bei Frauen, in der Altersgruppe von 25 bis 69 Jahren und bei Personen, die wegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, am höchsten. Sozioökonomische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle und Bewohner benachteiligter Gebiete, wirtschaftlich inaktive Personen und Personen, die an aktivitätseinschränkenden Gesundheitszuständen leiden, scheinen stärker betroffen zu sein. Andererseits scheint die Impfung das Risiko einer Long-COVID-Erkrankung um 15 bis 50 Prozentzu senken. Long COVID kann alle Organsysteme betreffen, darunter Herz, Lunge, Nieren, Milz, Leber, Bauchspeicheldrüse, das Immunsystem, den Magen-Darm-Trakt, das neurologische System, die Blutgefäße sowie das männliche und weibliche Fortpflanzungssystem. Dieser multisystemische Charakter macht die Forschung noch komplizierter.

Kosten von Long COVID für die Gesellschaften Es wird geschätzt, dass Long COVID in den USA und im Vereinigten Königreich wirtschaftliche Kosten in Höhe von 3,7 Billionen US-Dollar(über 5 Jahre) beziehungsweise 2,5 Milliarden GBP (pro Jahr) verursacht. Arbeitsplätze und Arbeitsmärkte werden in Mitleidenschaft gezogen, und Arbeitnehmer:innen werden arbeitslos. Es mangelt an standardisierten Konzepten für den Arbeitsplatz.

Aktueller Stand des Wissens über die Krankheit Derzeit werden eine Reihe verschiedener Hypothesen als mögliche Ursachen für Long COVID untersucht, darunter: Persistenz des Virus im Körper, Überreaktion (Hyperinflammation) des Immunsystems, mitochondriale Dysfunktion, dysfunktionale neurologische Signalübertragung, Befall des autonomen Nervensystems, endotheliale Dysfunktion, EBV-Reaktivierung oder gestörte Blutgerinnung). Ein besseres Verständnis der Ursachen von Long COVID ist entscheidend für die Entwicklung einer optimalen Behandlung und Betreuung der Patienten:innen.

Long COVID kann mit ähnlichen „postakuten Infektionssyndromen“ (PAIS) verglichen werden, wie denen, die durch Viren wie Ebola, Dengue, Epstein-Barr-Virus (EBV), MERS-CoV, SARS-CoV-1 oder Influenza verursacht werden. Es können Synergien mit der Forschung zu diesen postakuten Infektionssyndromen gezogen werden. Das beispiellose Ausmaß der Long COVID gibt der Forschung zu PAIS neue Impulse.

Pflege und Behandlung von Patient:innen Personen, die von Long COVID betroffen sind, stoßen in ihrem Familien- und Arbeitskreis oft auf Skepsis und werden von den Ärzten oft falsch diagnostiziert. Da noch keine Biomarker für die Routinediagnose zur Verfügung stehen, stützt sich die Diagnose von Long COVID bisher hauptsächlich auf klinische Untersuchungen. Derzeit ist die Behandlung der Krankheit kostspielig und komplex. Die derzeitigen Behandlungen sind nur individuell und symptomorientiert. Da das medizinische Wissen über Long COVID noch am Anfang steht, werden den Patient:innen nicht immer angemessene Behandlungen angeboten, und manchmal werden von Mediziner:innen immer noch kontraproduktive Therapien empfohlen.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

• Long COVID ist eine schwere somatische Krankheit mit biologischen Ursachen. Es handelt sich nicht um eine psychosomatische Krankheit.

• Verschiedene Symptome beeinträchtigen die Organsysteme der Patienten auf multisystemische Weise. Die häufigsten Symptome sind extreme Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Kurzatmigkeit, kardiovaskuläre Probleme und Konzentrationsschwierigkeiten. Long COVID ist auch durch eine Belastungsintoleranz gekennzeichnet, was bedeutet, dass körperliche oder geistige Anstrengungen oder Stress die Symptome verschlimmern.

• Bei Long COVID handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die sich über mehrere Monate oder Jahre hinzieht, wobei die Rekonvaleszenz durch Schwankungen mit Rückfallphasen gekennzeichnet ist.

• Die wichtigsten Prävalenzfaktoren für Long COVID sind das weibliche Geschlecht, die Altersspanne (25 bis 69 Jahre) und Krankenhausaufenthalte nach einer Infektion mit SARSCoV-2. Während die Impfstoffe in einigen Fällen Komplikationen verursachen können, scheint die Impfung gegen COVID-19 die Prävalenz von Long COVID deutlich zu verringern.

• Die Ursachen von Long COVID sind noch nicht vollständig geklärt, und es werden derzeit mehrere Hypothesen untersucht.

• Die derzeitige Behandlung von Long COVID ist symptomorientiert und nicht kurativ. Eine Reihe von Arzneimitteln wird derzeit untersucht.

Literatur: https://www.bmj.com/content/376/bmj.o158. BMJ 2022; 376:o158, Baraniuk C, Covid-19: How Europe is approaching long COVID, 20 January 2022.

WHO, A clinical case definition of post COVID-19 condition by a Delphi consensus, 6 October 2021, https://www.who.int/publications/i/item/WHO-2019-nCoV-Post_COVID-19_conditionClinical_case_definition-2021.1.

Davis HE, McCorkell L, Vogel JM et al. Long COVID: major findings, mechanisms and recommendations. Nat Rev Microbiol 21, 133–146 (2023), https://doi.org/10.1038/s41579-022- 00846-2.

Politico, Collis H, WHO urges action as 17M long COVID cases estimated in Europe region, September 13, 2022, https://www.politico.eu/article/who-urges-action-as-17m-long-covidcases-estimated-in-europe-region/.

See also the study published in the International Journal of Infectious Diseases, Characteristics of long-COVID among older adults: a cross-sectional study, DaitchV, September 30, 2022, https://www.ijidonline.com/article/S1201-9712(22)00535-5/fulltext.

129. Internisten-Kongress zum aktuellen Wandel der Medizin – Übergewicht, Stoffwechsel und Immunsystem bilden eine unheilige Allianz, aber auch Ansatz für neue Therapien

Endlich wieder ohne Corona kann der Internisten-Kongress im Wiesbadener RheinMain-KongressCenter stattfinden. Für Entspannung während des eng getakteten Kongress-Programms sorgen vielfältige kulturelle Angebote. © Foto Diether von Goddenthow
Endlich wieder ohne Corona kann der Internisten-Kongress im Wiesbadener RheinMain-KongressCenter stattfinden. Für Entspannung während des eng getakteten Kongress-Programms sorgen vielfältige kulturelle Angebote. © Foto Diether von Goddenthow

Während  Bürger  am Patiententag im Wiesbadener Rathaus von Experten, Organisationen des Gesundheitswesens und Selbsthilfegruppen  medizinisch-praktischen Rat einholen konnten, eröffnete der 129. Internisten-Kongress   Wiesbaden. Noch bis zum 25.04. 2023  werden wieder mehrere tausend Ärzte neueste Erkenntnisse und Entwicklungen zu zentralen Themen der Inneren Medizin untereinander austauschen.  Ein Schwerpunkt  galt am Samstag, 22.04.23,  unter anderem dem Gegenstand aktueller Forschung wie sehr  starkes Übergewicht als ein  Risikofaktor mit einen schweren Verlauf der Infektionskrankheit COVID-19 zusammenhängen?   Es könnte, so der Forschungsstand, an der engen Interaktion zwischen Stoffwechsel und Immunsystem liegen –dieser Zusammenhang wird von Forschenden nicht nur bei der „COVID-19-Verlaufsfrage“ zunehmend in den Blick genommen. Bekannt ist schon länger: Adipositas, insbesondere das viszerale Fett, löst eine chronische Entzündung im Körper aus, und betrifft somit auch das Immunsystem. Expertinnen und Experten bezeichnen Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes deshalb inzwischen auch als chronischentzündliche Erkrankungen. Warum Fettstoffwechsel und Immunsystem sich gegenseitig so stark beeinflussen und wie dies neue Therapieansätze für die Folgeerkrankungen von Übergewicht ermöglichen könnte, ist Thema der heutigen Kongress-Pressekonferenz sowie des Symposiums „Novel concepts in obesity-related metabolic diseases” im Rahmen des Internistenkongresses 2023.

Evolutionär haben Stoffwechsel und Immunsystem einen gemeinsamen Ursprung. „In einfachen Lebewesen wie etwa der Fruchtfliege lässt sich erkennen, dass es Interaktionen zwischen immunologischen und metabolischen Signalwegen gibt“, erklärt Professor Dr. med. Andreas Schäffler, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III, Universitätsklinikum Gießen. Diese sogenannten Crosstalks seien bis heute auch beim Menschen erhalten geblieben. „In unserem menschlichen Organismus steuern identische Moleküle sowohl Stoffwechsel- als auch Entzündungsvorgänge.“ Die enge Verknüpfung ist oft wichtig und nützlich: So versorgen Zellen des Fettgewebes bei einer akuten Infektion oder Entzündung die Immunzellen mit Energie, um die Immunreaktion zu unterstützen. Vice versa bewirken Erkrankungen, die den Stoffwechsel betreffen, Reaktionen im Immunsystem,wie etwa erhöhte Entzündungswerte.

Großes Interesse an den neuesten Erkenntnissen der Inneren Medizin und gutbesuchte Veranstaltungen /Vorträge kennzeichnen den 129. Internistenkongress. © Foto Diether von Goddenthow
Großes Interesse an den neuesten Erkenntnissen der Inneren Medizin und gutbesuchte Veranstaltungen /Vorträge kennzeichnen den 129. Internistenkongress. © Foto Diether von Goddenthow

Problematisch wird die enge Interaktion, wenn Fettgewebe, insbesondere im Bauchraum, das normale Maß überschreitet. Die erhöhte Aktivität der Fettzellen lässt Makrophagen, also Zellen des Immunsystems, in das Gewebe einwandern. „Dies führt zu einer leichten aber fortwährenden chronischen Entzündungsreaktion, die sowohl im lokalen Fettgewebe als auch im gesamten Körper auftritt.“ Das zeige sich dann im Blut unter anderem durch einen Anstieg des C-reaktiven Proteins, auch „Adipositas-CRP“ genannt. Zudem kommt es zur Insulinresistenz, bei der die Zellen Insulin nicht mehr ausreichend aufnehmen können und somit der Blutzucker steigt. Diese durch den Stoffwechsel (Metabolismus) ausgelöste lokale und systemische Entzündungsreaktion (Inflammation) bezeichnen Forschende als „Metaflammation“. „Die chronische Aktivierung des Immunsystems hat eine reduzierte Infektionsabwehr zur Folge, aber auch Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, metabolisches Syndrom und ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfälle“, erklärt Schäffler.

Praxisnahe vor Ort-Präsentationen gibt es bei der Industrieausstellung in der Halle Süd. © Foto Diether von Goddenthow
Praxisnahe vor Ort-Präsentationen gibt es bei der Industrieausstellung in der Halle Süd. © Foto Diether von Goddenthow

„Metaflammation“ ist aber auch zum Ansatz für die Erforschung neuer Behandlungsmethoden ebendieser Erkrankungen geworden. Die Idee: Mittels Kontrolle der Entzündungsreaktion die Risiken für die Folgeerkrankungen der Adipositas zu reduzieren. „Zu den wichtigsten Studien gehören dabei zwei Arbeiten aus 2017 und 2019“, erklärt Schäffler. Der CANTOS Trial 2017 war die erste prospektive, randomisierte, klinische Phase-III-Studiean über 10 000 Patientinnen und Patienten. Hierbei wurden Hochrisikopatientinnen undpatienten aufgenommen, die einen Myokardinfarkt erlitten hatten und ein erhöhtes CRP aufwiesen. Sie bekamen den entzündungshemmenden Antikörper Canakinumab. Zwar konnte das Diabetesrisiko dadurch nicht vermindert, dafür aber die kardiovaskuläre Sterblichkeit deutlich reduziert werden. „Hingegen zeigte sich im CIRT-Trial von 2019, bei dem adipösen Patienten eine anti-entzündliche und das Immunsystem unterdrückende medikamentöse Therapie mit dem Wirkstoff Methotrexat erhielten, keine kardioprotektive Wirkung.“ „Das zeigt, dass wir noch viel mehr Erkenntnisse darüber erlangen müssen, wie genau – auf Ebene der Organe, Zellen, Organellen – die immuno-metabolische Schnittstelle funktioniert“, so Schäffler. „In Zukunft könnten molekular maßgeschneiderte anti-entzündliche Therapien ein wichtiger neuer Therapieansatz sein, mit einem ganz neuen Wirkmechanismus als die bisherigen Therapien des metabolischen Syndroms – nämlich über das Immunsystem.“