2021 löste Bernie Sanders bei der Amtseinführung des US Präsidenten mit ihnen einen regelrechten Hype aus; die kürzlich verstorbene Queen Elizabeth II. trug sie zu jedem ihrer Outfits passend abgestimmt; Audrey Hepburn hat sich mit langen schwarzen im Film Frühstück bei Tiffany in das Gedächtnis ihrer Fans eingebrannt und Karl Lagerfeld sah man in den letzten Jahrzehnten vor seinem Tod nie ohne. Allen gemeinsam war der Handschuh ein guter Begleiter.
Das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Mode gekommene Kleidungsstück, erfährt derzeit ein Comeback auf den internationalen Laufstegen und erhält auch durch die mit der Corona-Pandemie zusammenhängenden Hygiene-Maßnahmen mehr Aufmerksamkeit. Mit über 90 Exponaten zeigt das Deutsche Ledermuseum in Offenbach am Main ab dem 12. November 2022 in der Ausstellung DER HANDSCHUH: Mehr als ein Mode-Accessoire die umfangreiche Kulturgeschichte der Handbekleidung und den Facettenreichtum eines unterschätzten Accessoires.
Im deutschsprachigen Raum kommt dies einer Premiere gleich, da sich dem besonderen Kleidungsstück mit jahrtausendealter Tradition bislang keine Ausstellung umfassend widmete. Auch international haben nur wenige Museen dieses Thema präsentiert.
Die Ausstellung
Der Großteil der ausgewählten Handschuhe und Handschuhpaare war noch nie in einer Ausstellung zu sehen. Dabei offenbart die Sammlung des Deutschen Ledermuseums eine Bandbreite an Handschuhtypen aus verschiedenen Zeiten und Kulturen, die in abwechslungsreiche Themenbereiche gegliedert immer wieder neue Einsichten ermöglichen.
Werkzeuge und Utensilien der Handschuhproduktion gewähren überdies Einblicke in das seit dem Mittelalter bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts rein manuell betriebene Handwerk. Sinnlich erfahrbar wird die vergessene Mode des Handschuhparfums mit einer eigens kreierten Duftstation.
Mehr als ein Mode-Accessoire – Geschichte und Bedeutung
Luxus und Notwendigkeit Während der Fingerhandschuh bereits im Alten Ägypten als Luxusgut Status und Macht der tragenden Person ausdrückte, dienten Fausthandschuhe primär dem Schutz vor äußeren Einflüssen. Fäustlinge der Inuit zeigen exemplarisch wie Hände mit Leder und vor allem mit Pelz warmgehalten wurden. Neben konventionellen Handschuhtypen beleuchtet die Präsentation zudem besondere Formen. So kamen im 15. wie auch im 19. Jahrhundert fingerlose Halbhandschuhe in der Damenmode auf und der Muff war seit dem 16. Jahrhundert als luxuriöse Alternative beliebt.
Instrument und Symbol
Darüber hinaus zeigt die Ausstellung, wie Fingerhandschuhe über Jahrhunderte hinweg einen symbolischen Charakter als Rechtszeichen oder als Aufforderung zu einem Duell hatten. Fein gearbeitete Handschuhe eines Bischofs aus dem 18. Jahrhundert betonen die Würde des Amtes. Panzerhandschuhe einer Ritterrüstung aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts verweisen stellvertretend auf das heute als Redewendung geläufige Fehdehandschuh-Werfen in der einst höfisch-ritterlichen Kultur.
Etikette und Konsum
Für die elegante Garderobe gehörten Handschuhe lange Zeit zur Etikette. Das adäquate Tragen regelten geschlechtsspezifische und kontextabhängige Vorschriften. Anlässe oder Tageszeiten verlangten nach unterschiedlichen Schnitten, Farben und Lederarten, wie Nappa-, Glacé-, Velours oder Sämischleder aus Ziege, Rind und Hirsch. Zahlreiches Zubehör begleitete den Kauf: Exponate aus der Sammlung zeigen dekorative Handschuhkästen aus Leder oder Holz. Knöpfhaken oder Dehner, die das Anziehen – Glacéhandschuhe sollten wie eine zweite Haut sitzen – erleichterten, erweitern die Ausstellung.
Moden und Trends
Modelle namhafter Designer*innen wie Marc Jacobs und Dries Van Noten sowie bedeutender Modehäuser wie Chanel, Hermès, Maison Margiela oder Prada ergänzen die Sammlungsschau und illustrieren wiederkehrende Moden. Doch auch Persönlichkeiten, Film und Fernsehen oder die Sozialen Medien kreieren bis heute Sinnbilder und stoßen Trends an. Nicht nur an Karl Lagerfeld wird mit Halbhandschuhen der limitierten Tribute-to-Karl-Edition des Traditionsunternehmens Roeckl erinnert, ebenso ist ein weißer Handschuh als Markenzeichen für die Zeichentrickfigur Mickey Mouse in der Präsentation zu sehen.
Schutz und Leistung
Bis heute sind Handschuhe in unterschiedlichsten Berufen zum Schutz unentbehrlich. Den größten Markt bilden dabei Einmalhandschuhe aus Gummi oder Latex, die auch in der Ausstellung auf ihre diversen Einsatzbereiche hinweisen. Zudem ist der skandalträchtige Pinky Glove als gescheiterter Hygieneartikel für Frauen zu sehen. Die steigende Beliebtheit sowie Reglementierung und Kommerzialisierung von Sportarten im 20. Jahrhundert brachte eine Vielzahl an Handschuhtypen hervor. Unter anderem verdeutlichen Schwimmflossen aus Gummi, Eishockeyhandschuhe der 1960er Jahre oder die Boxhandschuhe des deutschen Schwergewichtsboxers Max Schmeling, wie Sportler*innen durch diese zum einen geschützt werden, zum anderen aber auch ihre Leistung effizienter steigern können. Der für Nintendo in den 1980er Jahren auf den Markt gebrachte Power Glove erweitert das Themenspektrum um den Bereich Hightech.
Kooperation mit dem Studiengang Accessoire Design der Hochschule Pforzheim
Im Rahmen der Ausstellung kooperiert das Deutsche Ledermuseum mit der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim, die den deutschlandweit einzigen Bachelorstudiengang
Accessoire Design‘ anbietet. Studierende der Klasse von Prof. Madeleine Häse entwickelten unter dem Titel PANTOPIA semesterübergreifende Kollektionen. Ideenskizzen, Prototypen und Endprodukte aus neun ausgewählten Arbeiten betonen darin nicht nur ästhetische und funktionale Aspekte des Kleidungsstücks, sondern setzen Handschuhe – auch im Zusammenspiel mit der Corona-Pandemie – in einen gesellschaftlichen Kontext mit aktuellem Zeitbezug.
Begleitband
Begleitend zur Ausstellung erscheint im Verlag arnoldsche Art Publishers eine umfassende, zweisprachige (dt./engl.) Publikation mit über 90 neu aufgenommenen Fotografien und über 100 Referenzabbildungen, herausgegeben von Inez Florschütz.
Die Ausstellungen des Deutschen Ledermuseums im Überblick
TSATSAS
Einblick Rückblick Ausblick
1. April 2022 bis 30. Oktober 2022, verlängert bis 26. März 2023
DER HANDSCHUH
Mehr als ein Mode-Accessoire
12. November 2022 bis 30. Juli 2023
DAS IST LEDER! Von A bis Z
Projektraum
LEDER.WELT.GESCHICHTE.
Sammlungspräsentation zum 100-jährigen Jubiläum des Deutschen Ledermuseums
Ort:
DEUTSCHES LEDERMUSEUM
Frankfurter Straße 86
63067 Offenbach am Main
Telefon +49 69 82 97 98 0
info@ledermuseum.de
www.ledermuseum.de
Mittwoch bis Freitag 10:00 bis 17:00 Uhr
Samstag bis Sonntag, Feiertag 11:00 bis 18:00 Uhr
Am zweiten Donnerstag im Monat bis 20:00 Uhr geöffnet