Kategorie-Archiv: Buchtipps

„Das wächst in deiner Stadt – #Krautschau“ Neues Stadtnatur-Buch von Julia Krohmer und Alexandra-Maria Klein erschienen

das-waechst-in-deiner-stadt-kosmosFrankfurt, 17.03.2023. Mauerblümchen, Ritzenrebellen und Co: Das neue Buch „Das wächst in deiner Stadt“ bietet urbane Vielfalt buchstäblich zum Niederknien. Der Naturführer von Senckenbergerin Dr. Julia Krohmer und Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein von der Universität Freiburg richtet den Blick auf die unzähligen kleinen Kräuter und Gräser in den Ritzen, Fugen und Ecken der Städte. Das Bestimmungsbuch lädt alle Menschen dazu ein, genauer hinzusehen – denn viele nehmen Pflanzen, wenn überhaupt, nur als grünen Hintergrund oder Straßenbegleitgrün wahr. Dies soll sich nun dank des gerade erschienenen Buches ändern.

An das letzte Tier, das sie gesehen haben, erinnern sich die meisten Menschen. Aber wie ist das bei der letzten Pflanze? Viele nehmen Pflanzen eher als Hintergrund oder grüne Dekoration war. Nur die wenigsten achten auf die Form der Blätter oder eine besondere Wuchsform. Diese sogenannte „Plant Blindness“ führt zur mangelnden Wertschätzung von Pflanzen und zu einem begrenzten Interesse an ihrem Schutz und ihrer Bewahrung – fatal gerade in den Städten, wo Pflanzen dringend gebraucht werden, um die Folgen des Klimawandels abzumildern. Ein neuer Stadtnaturführer lädt dazu ein, gegen diese „Pflanzenblindheit“ vorzugehen, den Blick vom Smartphone eine Etage tiefer zu richten – und zu staunen, was am Boden alles wächst!

„Wer hinschaut, findet sogar in unseren von Beton und Asphalt geprägten Innenstädten überall Leben: Winziges, zähes Grün wächst, zwischen Pflastersteinen, in Rinnsteinfugen und Mauerritzen. Und eben nicht nur Grün, sondern eine Vielzahl von Kräutern, Gräsern und Moosen“, erläutert Krohmer und fährt fort: „In Deutschland haben sich etwa 500 Arten an diese extremen Bedingungen angepasst und stellen, in dem sie Tritt- und Fahrbelastung, Hitze, Bodenverdichtung und Verschmutzung trotzen, wertvolle Mikro-Ökosysteme für zahlreiche Insekten und andere Organismen dar. Die meisten der städtischen ‚Unkräuter‘ liefern reichlich Nektar und Pollen. Viele blühen schon sehr früh im Jahr und sind deshalb als Nahrungsquelle gerade dann wichtig, wenn es noch wenige Blüten für Insekten gibt. Kaum zu unterschätzen ist auch die Bedeutung der Pflasterfugenvegetation als Trittsteinbiotop für die Verbindung von Lebensräumen in der stark zerschnittenen Stadtumgebung.“

Auch für den Menschen sind die „Ritzenrebellen“ laut der Autorinnen vielfältig nützlich: Ein dichter Bewuchs in den Fugen des Kopfsteinpflasters erhöht dessen Festigkeit. Grüne Fugen nehmen Oberflächenwasser auf, erhöhen die Versickerung und binden Staub. An heißen Sommertagen tragen sie beträchtlich zur Kühlung der gepflasterten Flächen bei – sogar im zweistelligen Grad-Bereich. „Und außerdem sind sie, spätestens auf den zweiten Blick, auch einfach schön, nicht nur durch ihre Blüten, sondern auch durch die Formenvielfalt ihrer Blätter“, ergänzt die Senckenbergerin.

Am Beispiel von Frankfurt am Main lässt sich zeigen, dass die Flächen, um die es hier geht, gar nicht unbeträchtlich sind. Im öffentlichen Raum nehmen die gepflasterten Areale circa zwei Prozent der Stadtfläche ein, das sind rund sechseinhalb Quadratkilometer. Bei den 63 verschiedenen Pflastertypen beträgt der Anteil der Fugenfläche je nach Typ 15 bis 35 Prozent, was dann stadtweit ein bis zwei Quadratkilometern entspricht – zum Vergleich: die sieben Frankfurter Naturschutzgebiete haben eine Gesamtfläche von etwas über einem Quadratkilometer. Im Rahmen einer 2013 bei Senckenberg durchgeführten Masterarbeit wurden in diesem Habitat 317 Pflanzenarten gefunden, was fast einem Viertel der gesamten Flora Frankfurts entspricht – auf weniger als einem Prozent der Stadtfläche!

„Dieses Beispiel verdeutlicht, wie vielfältig und wertvoll dieser von den meisten Menschen komplett übersehene Habitattyp ist. Durch die Klimaerwärmung verändert sich die städtische Flora beträchtlich. Gleichzeitig bietet die Fugenvegetation ein großes Potential, den Anteil von Grün im besiedelten Bereich zu erhöhen, etwa durch breitere Fugen oder die Verwendung von Rasengittersteinen. Vor diesem Hintergrund ist es wünschenswert, dass sich künftig viel mehr Menschen mit diesem buchstäblich mit Füßen getretenen Lebensraum und seinen Pflanzen beschäftigen“, so Klein.

Die Autorinnen Klein und Krohmer führen in ihrem Buch einladend und niederschwellig an die omnipräsenten pflanzlichen Überlebenskünstler heran. Das handliche Bestimmungsbuch stellt die häufigsten Stadtpflanzen anschaulich und originell vor. Zwei Abbildungen zu jeder Art zeigen die Pflanzen in ihrem städtischen Lebensraum und als „Idealform“ mittels einer Illustration. Kurze Texte liefern die wichtigsten Erkennungsmerkmale und Eigenschaften sowie Wissenswertes zu jeder Art.

„Das wächst in Deiner Stadt“ ist zudem ein Mitmachbuch zur Stadtbotanik-Aktion #Krautschau, die seit 2020 auch in Deutschland immer beliebter wird und mehr Bewusstsein für die Präsenz von Wildpflanzen im urbanen Raum und für die Bedeutung von Natur in den Städten schafft. Senckenberg lädt auch dieses Jahr, rund um den Internationalen Tag der biologischen Vielfalt am 22. Mai, zu einer bundesweiten Aktionswoche vom 18. bis 29. Mai zum Mitmachen ein und möchte alle Botanik-Begeisterten und Mauerblümchen-Fans dazu animieren, den pflanzlichen „Ritzenrebellen“ mit bunter Kreide vor Ort Aufmerksamkeit zu verschaffen, die Beschriftung zu fotografieren und in den sozialen Medien zu teilen. Der neu erschienene Naturführer ist hierbei eine perfekte Hilfe! Mehr dazu unter: www.senckenberg.de/krautschau

Deutscher Buchpreis 2022: Die 20 nominierten Romane stehen fest

© Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.
© Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.

20 Romane hat die Jury für den Deutschen Buchpreis 2022 nominiert. Seit Ausschreibungsbeginn hat sie 233 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2021 und dem 20. September 2022 (Bekanntgabe der Shortlist) erschienen sind oder noch erscheinen.

Jurysprecherin Miriam Zeh, Deutschlandfunk Kultur:
„In der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur rumoren die großen Fragen unserer Zeit: nach Herkunft und Identität, nach Formen und Zukunft unseres Zusammenlebens. Sie können sich in der deutschen oder österreichischen Provinz ebenso entfalten wie in Kabul oder Pjöngjang, in einer herannahenden Dystopie oder der real-historischen Ostberliner Vorwendezeit. Aus über 200 Titeln und so vielen Einreichungen wie noch nie haben wir epische Erzählungen ausgesucht, poetische Sprachschöpfungskaskaden sowie formale Experimente, die klassische und realistische Formen des Romans aufbrechen. Die Auswahl auf unserer Longlist folgt dabei verschiedenen Kriterien, so wie auch in der Jury Perspektiven aus Literaturvermittlung und -kritik zusammenfinden. Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2022 sind etablierte Autor*innen ebenso wie eine Vielzahl noch weniger bekannter und jüngerer Stimmen. Und wenn wir die so verschiedenen Romane damit einem neugierigen Lesepublikum näherbringen können, freuen wir uns umso mehr.“

Die nominierten Romane (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Fatma Aydemir: Dschinns (Carl Hanser, Februar 2022)
  • Kristine Bilkau: Nebenan (Luchterhand, März 2022)
  • Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter (Kiepenheuer & Witsch, August 2022)
  • Carl-Christian Elze: Freudenberg (edition AZUR, Februar 2022)
  • Theresia Enzensberger: Auf See (Carl Hanser, August 2022)
  • Jan Faktor: Trottel (Kiepenheuer & Witsch, September 2022)
  • Marie Gamillscheg: Aufruhr der Meerestiere (Luchterhand, März 2022)
  • Kim de l’Horizon: Blutbuch (DuMont, Juli 2022)
  • Yael Inokai: Ein simpler Eingriff (Hanser Berlin, Februar 2022)
  • Reinhard Kaiser-Mühlecker: Wilderer (S. Fischer, März 2022)
  • Anna Kim: Geschichte eines Kindes (Suhrkamp, August 2022)
  • Esther Kinsky: Rombo (Suhrkamp, Februar 2022)
  • Dagmar Leupold: Dagegen die Elefanten! (Jung und Jung, Februar 2022)
  • Eckhart Nickel: Spitzweg (Piper, April 2022)
  • Gabriele Riedle: In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg. (Die Andere Bibliothek, März 2022)
  • Slata Roschal: 153 Formen des Nichtseins (homunculus, Februar 2022)
  • Anna Yeliz Schentke: Kangal (S. Fischer, März 2022)
  • Jochen Schmidt: Phlox (C.H.Beck, September 2022)
  • Andreas Stichmann: Eine Liebe in Pjöngjang (Rowohlt, März 2022)
  • Heinz Strunk: Ein Sommer in Niendorf (Rowohlt, Juni 2022)

Der Jury gehören neben Miriam Zeh an: Erich Klein (freier Kritiker, Wien), Frank Menden (stories! Die Buchhandlung, Hamburg), Uli Ormanns (Agnes Buchhandlung, Köln), Isabelle Vonlanthen (Literaturhaus Zürich), Selma Wels (Kuratorin und Moderatorin, Frankfurt) und Jan Wiele (Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Im nächsten Schritt wählen die Jurymitglieder aus den Titeln der Longlist sechs Romane für die Shortlist aus, die am 20. September 2022 veröffentlicht wird. Erst am Abend der Preisverleihung erfahren die sechs Autor*innen, an wen von ihnen der Deutsche Buchpreis geht. Der oder die Preisträger*in erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalist*innen erhalten jeweils 2.500 Euro. Die Preisverleihung findet am 17. Oktober 2022 zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt und wird live übertragen.

Der Deutsche Buchpreis wird von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels vergeben. Hauptförderer des Deutschen Buchpreises ist die Deutsche Bank Stiftung, weiterer Partner ist die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland.

Die nominierten Romane kennenlernen: Leseproben, Hörproben, Videoclips, Blogger*innen-Rezensionen

Ab dieser Woche ist das Taschenbuch „Deutscher Buchpreis 2022: Die Nominierten“ deutschlandweit in vielen Buchhandlungen kostenlos erhältlich. Es enthält Leseproben aller Bücher und weiterführende Informationen, kuratiert vom Fachmagazin Börsenblatt des Technologie- und Informationsanbieters MVB, und lädt zum Entdecken der Geschichten und ihrer Autor*innen ein.

Das Podcast-Radio detektor.fm hat Hörproben der 20 nominierten Titel produziert. Die Podcast-Episoden sind abrufbar unter www.deutscher-buchpreis.de/longlist oder detektor.fm/deutscher-buchpreis und über die detektor.fm-App. Auf den Plattformen Amazon Music, Apple Podcasts, Google Podcasts, Deezer und Spotify sind alle Audios als Podcast direkt zu hören. Als Kooperationspartner des Deutschen Buchpreises bespricht Papierstau Podcast ab dem 31. August alle nominierten Titel, die Shortlist und den Roman des Jahres. Der Podcast ist kostenlos auf allen gängigen Streaming-Plattformen sowie über die Website www.papierstaupodcast.de abrufbar.

Ab September stellen kurze Videoclips die nominierten Autor*innen und ihre Romane vor. Sie stehen dann auf der Website des Deutschen Buchpreises, auf YouTube und Instagram zur Verfügung.

Unter dem Hashtag #buchpreisbloggen stellen in den kommenden Wochen 20 Literaturblogger*innen je einen nominierten Titel vor. Die Rezensionen werden unter www.deutscher-buchpreis.de/news veröffentlicht und über die Social-Media-Kanäle des Deutschen Buchpreises geteilt.

Illusionistische Schaukästen der Natur Neues Senckenberg-Buch „Senckenbergs historische Dioramen“ erschienen

© E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung oHG
© E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung oHG

Frankfurt am Main, 08.12.2020. Sie erschaffen die Illusion eines Lebensraumes, sind echte Kunstwerke mit langer Geschichte und gehören weltweit zu den Hauptattraktionen in Naturkundemuseen: Dioramen. Wie eine Art Bühnenbild stellen sie die Tier- und Pflanzenwelt eines Ökosystems dreidimensional und naturgetreu nach. Im heute erschienenen Senckenberg-Buch „Senckenbergs historische Dioramen“ gibt der langjährig bei Senckenberg beschäftigte Zoologische Präparator Udo Becker einen Einblick in die Entstehung dieser einzigartigen Naturszenen im Frankfurter Naturmuseum, die zum großen Teil bis heute zu sehen sind. Dabei rollt er neben der Geschichte der Dioramen auch die des ersten Museums am Eschenheimer Turm – dessen Gründung vor 200 Jahren 2021 gefeiert wird – und des neu erbauten Museums an der Senckenberganlage auf. Zudem stellt er Techniken beim Aufbau und der Präparation von Dioramen vor.

Ein Giraffenjunges trinkt auf weit gespreizten Beinen an einer Wasserstelle, beschützt von der Mutter und dem riesigen, fast viereinhalb Meter großen Giraffenbullen, der in einiger Entfernung wartet. Antilopen und Gazellen umringen die Gruppe, Affen klettern umher, ein Waran liegt in der Abendsonne. Am Horizont leuchten die schneebedeckten Gipfel des Kilimandscharo-Massivs. Am 13. Oktober 1908 konnten die Besucher*innen das erste Diorama im neu erbauten Museum an der Senckenberganlage bestaunen und wie durch ein Fenster in eine ferne Welt blicken. Dem „Ostafrika-Diorama“ folgten 1910 das Diorama „Arktische Gruppe“, das das Tierleben im Grönländischen Eismeer zeigte, sowie 1935 die „Frankfurter Urlandschaft“ und 1936 das „Riesenelch-Diorama“. Diese eindrucksvollen Momentaufnahmen der Tier- und Pflanzenwelt, exisitieren heute leider nicht mehr – sie wurden im zweiten Weltkrieg zerstört. Die von 1936 bis 1942 nach und nach eröffneten zehn kleineren Dioramen „Tiere der Heimat“ wurden nach dem Krieg wieder aufgebaut und sind heute mit fünf neu gestalteten Lebensgruppen in ähnlicher Weise im Senckenberg Naturmuseum zu sehen.

Der Entstehungsgeschichte der Senckenberg-Dioramen ist Autor Udo Becker in seinem Buch nachgegangen. Er erläutert detailliert die Entscheidungsprozesse der beteiligten Direktoren und Mitarbeiter*innen vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse, schildert die Herkunft der Exponate und die Arbeit der Präparatoren und Künstler. Anekdoten machen die Geschichte der Dioramen lebendig. So erfahren die Leser*innen, dass sich die Präparationswerkstatt für die Arbeit am Giraffenbullen des Ostafrika-Dioramas als zu niedrig erwies. Kurzerhand wurde ein Loch in die Decke geschlagen, so dass der Kopf der Giraffe vom oberen Raum präpariert werden konnte. Ebenso bemerkenswert ist die Geschichte des Dioramas „Frankfurter Urlandschaft“. Dieses zeigte die Umgebung am heutigen Standort des Senckenberg Naturmuseums vor mehreren tausend Jahren: Ein sumpfiger See, an dessen Uferzone Elche und Biber lebten. Im Vordergrund die Skelette eines Auerochsen und eines Wildhundes, die im Morast versanken. Die rund 11.000 Jahre alten Skelette wurden 1914 bei Ausschachtungsarbeiten neben dem heutigen Museum gefunden und sorgfältig geborgen.

Ergänzt wird die Geschichte der Dioramen durch Informationskästen zu beteiligten Persönlichkeiten wie Präparatoren, Künstlern und Museumsdirektoren. Den Rahmen setzen Kapitel zur allgemeinen Historie der Dioramen, der Entwicklung der Schausammlungsinhalte und der Ausstellungskonzeption in naturkundlichen Museen, Erläuterungen der Präparationstechniken sowie eine Zusammenfassung der Geschichte der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und dem Frankfurter Senckenberg Naturmuseum. Historische Fotografien, zahlreiche Skizzen, Berichte von Zeitzeug*innen und eine umfangreiche Literatur- und Quellensammlung komplettieren den Band. Annette Scheersoi, Professorin für Biologiedidaktik an der Universität Bonn, greift im Abschlusskapitel „Dioramen – Zeitzeugen oder zeitlos?!“ die Frage auf, welchen didaktischen Wert Dioramen naturkundlicher Museen in der heutigen Zeit erfahren.

Udo Becker absolvierte an der Senckenberg-Schule eine Ausbildung zum technischen Assistenten für naturkundliche Museen und Forschungsinstitute und erlernte anschließend den Beruf des Zoologischen Präparators. In dieser Profession ist er seit 1985 bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung tätig. Seine Leidenschaft gilt neben diesem vielfältigen Beruf der Beschäftigung mit der Historie der zoologischen Präparation sowie der Geschichte der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, des Frankfurter Naturmuseums und dessen historisch bedeutsamen Exponaten.

Annette Scheersoi ist Professorin für Biologiedidaktik an der Universität Bonn. Ihr Forschungsschwerpunkt ist das Biologielernen an außerschulischen Lernorten. Hierbei befasst sie sich vor allem mit Fragen der Interessenentwicklung. Mit Museen verband sie schon immer eine besondere Affinität.

cover-senckenbergs-historische-dioramen-160-2020Udo Becker (mit einem Beitrag von Annette Scheersoi) Senckenbergs historische Dioramen
2020, 132 Seiten, 106 Abbildungen
durchgehend farbig, 20 x 22,5 cm, broschiert,
ISBN 978-3-510-61417-2,
Senckenberg-Buch 85, 14,90 Euro
www.schweizerbart.de/9783510614172

Deutscher Wirtschaftsbuchpreis 2020: Gute Ökonomie für harte Zeiten von Abhijit V. Banerjee und Esther Duflo ist das beste Wirtschaftsbuch des Jahres

deutscher-wirtschaftsbuchpreis2wFür ihr Buch Gute Ökonomie für harte Zeiten. Sechs Überlebensfragen und wie wir sie besser lösen können, erschienen bei Penguin, haben die beiden Ökonomen Abhijit V. Banerjee und Esther Duflo den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2020 gewonnen. Die Jury wählte das Buch aus einer Shortlist von zehn Titeln. Das Preisgeld beträgt 10.000 Euro.

Die Jury aus hochrangigen Vertretern aus Wirtschaft, Medien und Wissenschaft entschied sich für das Buch, weil die Autoren eine realistische Bestandsaufnahme der drängendsten wirtschaftlichen Probleme unserer Zeit mit praktischen Handlungsempfehlungen und Lösungsmöglichkeiten verbinden. „Das Buch hat uns beeindruckt, weil es sehr intensiv, ausbalanciert und gut verständlich die großen Themen wie die wachsende Ungleichheit, Migration, Freihandel, Wachstum und Klimaschutz behandelt“, urteilte die Jury über das Buch der beiden miteinander verheirateten Ökonomen, die 2019 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurden.

Hereinhören ins Werk "Gute Ökonomie für harte Zeiten"!
Hereinhören ins Werk „Gute Ökonomie für harte Zeiten“!

„Zwei Nobelpreisträger schaffen es, ökonomische Theorien auf ihre praktische Anwendung herunterzubrechen, das ist sehr gut gemacht“, erklärte der Jury-Vorsitzende Hans-Jürgen Jakobs, Senior Editor und Autor des Handelsblatts. „Das Buch ist in gewisser Weise eine Werbeschrift für die Ökonomie, eine Rehabilitierung der Wirtschaftswissenschaften, weil es zeigt, was gute Ökonomie zu leisten vermag.“

Die Autoren sehen die Ökonomie in der Pflicht, gerade in Krisenzeiten Vorschläge zu machen, um das Leben der Menschen zu verbessern. Konkret geht es um diejenigen, die in den Industrieländern vom technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt abgehängt werden.

Abhijit V. Banerjee und Esther Duflo arbeiten in Boston am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in ihrem Spezialgebiet Armutsforschung. International bekannt wurden sie durch ihren 2011 erschienenen Bestseller Poor Economics. Plädoyer für ein neues Verständnis von Armut.

Als Premiere vergibt die Jury in diesem Jahr einen undotierten Sonderpreis für das beste Unternehmerbuch des Jahres. Ausgezeichnet wird Verena Pausder für ihr Buch Das neue Land. Wie es jetzt weitergeht, erschienen im Murmann-Verlag. Die Jury lobte den Appell der Autorin, etwas zu tun, statt zu klagen, als überzeugend und innovativ. „Das ist das Thema der Stunde“, so das Urteil der Jury, „eine Unternehmerin schreibt über ihr Leben, schreibt über Wirtschaft und wie sie Wirtschaft erlebt und verändern möchte. Das ist authentisch und mitreißend.“

Der Deutsche Wirtschaftsbuchpreis wird verliehen vom Handelsblatt, der Frankfurter Buchmesse und der Investmentbank Goldman Sachs, die das Preisgeld stiftet. Die Partner wollen mit der Auszeichnung die Bedeutung des Wirtschaftsbuches bei der Vermittlung ökonomischer Zusammenhänge unterstreichen und einen Beitrag zur ökonomischen Bildung in der Gesellschaft liefern. Verständlichkeit ist ein wichtiges Kriterium. Das Motto des Preises lautet deshalb „Wirtschaft verstehen“.

Deutscher Buchpreis 2020 – Die Autoren der Shortlist stellten in einer Livesendung im Literaturhaus Frankfurt ihre Werke vor

 (v.l.): Anne Weber, Deniz Ohde, Bov Bjerg, Dorothee Elmiger.© Foto: Diether v. Goddenthow
(v.l.): Anne Weber, Deniz Ohde, Bov Bjerg, Dorothee Elmiger.© Foto: Diether v. Goddenthow

Wegen Corona ein wenig in abgespeckter Version, aber dafür als Live-Stream produziert, präsentierten am27. September 2020 das Kulturamt der Stadt Frankfurt und das Literaturhaus Frankfurt in Kooperation mit der Stiftung Buchkultur und Leseförderung
des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels traditionell die Autoren der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2020. Der stets am Montag vor Eröffnung der Buchmesse verliehene Deutsche Buchpreis sei „die wirkungsmächtigste Auszeichnung für deutschsprachige Literatur seit 15 Jahren“, begrüßte Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhauses, die über 700 Zuschauer in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie die rund 50 Gäste des Auditoriums, unter ihnen die vier angereisten Shortlist-Nominierten: Dorothee Elmiger, Deniz Ohde, Bov Bjerg und Anne Weber und die Kritiker Miriam Zeh und Christoph Schröder. Christine Wunnicke („Die Dame mit der bemalten Hand“) und Thomas Hettche („Herzfaden“) fehlten wegen der Pandemie.

Vom Glück im Zuckerland

Dorothee Elmiger © Foto: Diether v. Goddenthow
Dorothee Elmiger © Foto: Diether v. Goddenthow

Zum Auftakt des Literaturnachmittags stellte Christoph Schröder, Freier Autor und Kritiker sowie Dozent für Literaturkritik an den Universitäten Frankfurt am Main und Köln, die Schweizer Schriftstellerin Dorothee Elmiger mit ihrem Buch „Aus der Zuckerfabrik“ (Hanser) vor. Elmiger ist gleich zweimal nominiert. Sie steht auch auf der Shortlist des Schweizer Buchpreises. Zuckerfabrik ist das dritte Buch von ihr. Es trüge keine Gattungsbezeichnung und habe auch keinen ganz so leicht nachvollziehbaren stringenten Plot, eröffnete Schröder das Gespräch. Sehr vereinfacht gesagt, so Schröder, sei die „Zuckerfabrik“ (Hanser) eine hochspannende Mischung aus Essay und erzählenden Text „Das ist der Versuch, Kolonialismus, Kapitalismus. Literaturgeschichte, Lektüre und das eigene Leben, Denken und Erleben der Erzählerin immer wieder in neuen Konstellationen zueinander zu bringen, um daraus selbst wiederum Text zu generieren“. Ausgangspunkt zur ihrer Geschichte, so Elmiger, war eine Reportage über den ersten Schweizer Lottomillionär Werner Bruni 1979, der relativ schnell das Geld wieder verloren hat. In seinen Memoiren, die er zusammen mit einem Ghostwriter verfasst hat, erzählt er, dass die glücklichste Zeit seines Lebens, die er verbracht hat, eine Reise in die Karibik nach Haiti war, nicht um dort Urlaub zu machen, sondern um für eine Bekannte aus der Schweiz in deren Ferienhaus die Duschen und Toiletten zu installieren. Bruni‘s Lebensgeschichte nachzuspüren, und das Aufeinandertreffen seiner glücklichsten Zeit auf Haiti als eine historisch sehr wichtige Insel, der Geschichte von Kolonialismus und des Zuckeranbaus, haben mich interessiert. Hier greifen Kolonialismus, Kapitalismus und Literaturgeschichte unerwartet ineinander.

Die verinnerlichte Abwertung und der erfolgreiche Versuch von Selbstbefreiung

Deniz Ohde  © Foto: Diether v. Goddenthow
Deniz Ohde © Foto: Diether v. Goddenthow

Deniz Ohde, die vor einem Jahr noch am Rande eines feministischen Literaturfestivals ein Buch signierte, hat ihren ersten Roman als erzählerische Bildungsbiografie eines Frankfurter Mädchen mit Migrationshintergrund verfasst. Ihre Gesprächspartnerin ist Miriam Zeh, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungskolleg „Schreibszene Frankfurt“ der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und freie Redakteurin und Moderatorin in der Buchredaktion des Deutschlandfunks, hat Ohde zuvor schon begleitet.

Ohde zeigt am Beispiel ihres eigenen Erfolgs, dass sie, die Tochter eines deutschen Industriearbeiters und einer türkischen Einwanderin, die einst am Identitätsabgrund stand und schmerzhaft das Ausgeschlossensein des „abgehängten Prekariats“ durchlitt, dennoch nicht Opfer wurde. Vielmehr avancierte sie zur Akteurin ihres Schicksals, ihres eigenen Erfolges inmitten  und trotz all der vorhandenen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft.

In ihrem Werk geht die Autorin weit zurück in ihre Kindheit, und während sie die alten Wege geht, so beschreibt es der Klappentext, „erinnert sie sich: an den Vater und den erblindeten Großvater, die kaum sprachen, die keine Veränderungen wollten und nichts wegwerfen konnten, bis nicht nur der Hausrat, sondern auch die verdrängten Erinnerungen hervorquollen. An die Mutter, deren Freiheitsdrang in der Enge einer westdeutschen Arbeiterwohnung erstickte, bis sie in einem kurzen Aufbegehren die Koffer packte und die Tochter beim trinkenden Vater ließ. An den frühen Schulabbruch im Gymnasium und die Anstrengung, im zweiten Anlauf Versäumtes nachzuholen, an die Scham und die Angst – zuerst davor, nicht zu bestehen, dann davor, als Aufsteigerin auf ihren Platz zurückverwiesen zu werden. Deniz Ohde erkundet in ihrem Debütroman die feinen Unterschiede in unserer Gesellschaft. Satz für Satz spürt sie den Sollbruchstellen im Leben der Erzählerin nach, den Zuschreibungen und Erwartungen an sie als Arbeiterkind, der Kluft zwischen Bildungsversprechen und erfahrener Ungleichheit, der verinnerlichten Abwertung und dem Versuch, sich davon zu befreien.“
„Keiner ist nur depressiv“

Bov Bjerg © Foto: Diether v. Goddenthow
Bov Bjerg © Foto: Diether v. Goddenthow

Bov Bjerg, insbesondere durch seinen früheren Bestseller „Auerhaus“ bekannt, las zunächst aus seinem Roman „Serpentinen“ (Claassen-Verlag) der – nach dem Leipziger Buchpreis – in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal für einen Buchpreis nominiert ist. In seiner Geschichte, in der ein Vater von Berlin aus mit seinem kleinen Sohn seine Heimat, die schwäbische Alb bereisen, geht es vor dem Hintergrund einer vom Fluch der Depression verfolgten Familie, um die Bodenlosigkeit dieser Krankheit, auch als Metapher für die Serpentinen gesellschaftlicher Abgründe deutscher Vergangenheit. Urgroßvater, Großvater, Vater des Erzählers haben sich allesamt das Leben genommen: „ertränkt, erschossen, erhängt“, und dennoch, so Christoph Schröder, habe dieser Roman immer wieder auch heitere Passagen.– „Es gibt keinen Menschen, der nur depressiv und suizidgefährdet ist – ich wollte keinen Roman schreiben, der nur aus Düsterkeit besteht“, betonte Bjerg, der es mit seiner Erzählweise sehr gut versteht,“ finster-komische Momente“ so zu setzen, dass er es schafft  vom eigentlich Unaussprechlichen zu erzählen.

Über die Wichtigkeit des Ungehorsams

Anne Weber  © Foto: Diether v. Goddenthow
Anne Weber © Foto: Diether v. Goddenthow

Den Abschluss im Reigen der Buchvorstellungen bestritten Miriam Zeh und Annette Weber mit „Annette, ein Heldinnenepos“ (Matthes & Seitz), worin sie die Lebensgeschichte der 96-jährigen französischen Widerstandskämpferin Anne Beaumanoir als Epos erzählt und in ein grandioses Stück Literatur verwandelt. . „Das Buch ist mein Blick auf ihr Leben, es ist nicht ihr Leben“ betont sie. Die Protagonistin war Weber durch ein Zuhörer-Redebeitrag bei einem NS-Gedenksymposium in Südfrankreich aufgefallen, als sie merkte, dass diese alte Frau viel mehr über all das wusste, als sie selbst. Und sie bemühte sich, später beim Dinner den Platz neben ihr zu bekommen. Aus diesem Gespräch entstand die Idee zu diesem Buch. Unzählige Male besuchte sie Anne Beaumanoir zu Interviews und setzte ihr mit „Annette, ein Heldinnenepos“ ein literarisches Denkmal. Obgleich ein Roman, verzichtete Weber darauf, ihrer Protagonistin irgendwelche erfundenen Wörter oder Sätze in den Mund zu legen. „Ziel war es, fiktiv zu bleiben und nur zu erzählen, was ich von ihr weiß“, unterstrich die Autorin.
Anne Beaumanoir wurde 1923 in der Bretagne geboren, wuchs auf in einfachen Verhältnissen und wurde schon als Jugendliche Mitglied der kommunistischen Résistance. Sie rettete zwei jüdische Jugendliche, wofür sie von Yad Vashem später den Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ erhält. Sie arbeitete nach dem Krieg als Neurophysiologin in Marseille. 1959 wurde Beaumanoir zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wegen ihres Engagements auf Seiten der algerischen Unabhängigkeitsbewegung. Sie ist noch heute an Schulen ein lebendiges Beispiel für die Wichtigkeit des Ungehorsams. In „Annette, ein Heldinnenepos“ erzählt Anne Weber das turbulente Leben der Anne Beaumanoir in einem biografischen Heldinnenepos, wobei die geschilderten Szenen viele Fragen aufwerfen, unter anderem: „Was treibt jemanden in den Widerstand? Was opfert er dafür? Wie weit darf er gehen? Was kann er erreichen?“

Informationen Deutscher Buchpreis

Literaturhaus Frankfurt – Seit 30. September wieder geöffnet

„Ich habe kein Problem damit, Donald Trump als Narzissten zu bezeichnen“ – Mary L. Trump zeichnet Psychogramm ihres Onkels

Mary L. Trump: Zu viel und nie genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf (deutsche Ausgabe von Too Much and Never Enough), Heyne Verlag, München 2020, Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten, € 22,00 [D] inkl. MwSt. ISBN: 978-3-453-21815-4
Mary L. Trump: Zu viel und nie genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf (deutsche Ausgabe von Too Much and Never Enough), Heyne Verlag, München 2020, Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten, € 22,00 [D] inkl. MwSt. ISBN: 978-3-453-21815-4
2017 hatten die politisch motivierte Gruppe Citizen Therapists for Democracy und der renommierte US-Psychotherapeut Dr. John Gartner von der John Hopkins University Medical School, Baltimore, (Maryland) Donald Trump eine narzisstische Persönlichkeitsstörung bescheinigt und im Nachrichtenmagazin US-News gewarnt, dass der 45. Präsident der USA an einen unheilbaren „malignen Narzissmus“ leide .

„Donald Trump ist gefährlich geistig krank und charakterlich unfähig, Präsident zu sein“, so Dr. John D. Gartner. Damit verstieß Gartner bewusst gegen die Goldwater-Regel, die Psychiatern eine Diagnose aus der Ferne untersagt. Tausende Psychologen, Psychiater und Psychotherapeuten hatten sich den Citizen Therapists angeschlossen und gemeinsam in einem Manifest die Überzeugung vertreten, dass die „ Freiheit der Menschen in den USA, gar weltweit, durch Narzissten wie Trump bedroht“ sei.

Stellten die Citizen Therapists Ferndiagnosen, so präzisiert nunmehr die  promovierte Expertin für Klinische Psychologie Mary L. Trump aus familiärer Insiderposition Donald Trumps Psychogramm in ihrem in diesen Tagen erschienenen Buch „“Zu viel und nie genug“, Heyne-Verlag, München 2020:„Ich habe kein Problem damit, Donald Trump als Narzissten zu bezeichnen – alle neun Merkmale, wie sie im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) dargelegt sind, treffen auf ihn zu – aber die Rubrizierungen allein reicht nicht“ (Mary L. Trump 2020, S. 25). Nach ihrer fachärztlichen Einschätzung erfülle ihr Onkel möglicherweise ein ganzes Bündel weiterer psychischer Störungen, wie etwa Kriterien einer antisozialen Persönlichkeit Fakt sei, dass Donalds Pathologien so komplex seien und sein Verhalten so unerklärbar, das es für eine genaue und umfassende Diagnostik einer ganzen Batterie an psychologischen und neurologischen Tests bedürfe, resümiert die Autorin.

Wenngleich Mary L. Trump ihren Onkel Donald aufgrund seiner mangelnden psychischen Voraussetzungen mit dem Präsidentenamt für  überfordert hält, entschuldigt sie dessen Verhalten – zumindest indirekt –  mit seiner  traumatischen Kindheit, in der aus ihm wurde, was er heute darstellt. Auf rund 245 Seiten beschreibt und kommentiert die Autorin fachlich kompetent die Leiden der Trump-Kinder an ihren „Problem-Eltern“. Insbesondere das Leiden unter Donald Trumps Vater Fred, dem die Autorin eine antisoziale Persönlichkeitsstörung bescheinigt, was sie anhand zahlreicher, unglaublicher Beispiele plausibilisiert.

„Ein Soziopath in der Elternrolle“, so die Autorin, sei ein Garant für schwere Störungen im kindlichen Selbstverständnis, der Emotionssteuerung und der Beziehung zur Welt, schon gar, wenn niemand da ist, der die Auswirkungen abfedern könne. Und da war niemand. Denn Freds Frau Mary „sei die Art Mutter gewesen, die nicht ihre Kinder tröstete, „sondern sich an ihnen tröstet“. „Sie kümmerte sich um sie, wenn es ihr passte, nicht wenn sie das brauchten“, und sie hatte einen Hang zu Selbstmitleid und flüchtete sich in Märtyrertum „und war sich selbst die Nächste“.

„Wenn wir Glück haben, haben wir als Säuglinge und Kleinkinder mindestens einen Elternteil, der emotional erreichbar ist“, so die Autorin. Mary und Fred seien aber von Anfang an „Problem-Eltern“ gewesen.  Am schlimmsten habe es den zweieinhalbjährigen Donald und den neun Monate alten Robert, die  verletzlichsten, getroffen in der Zeit als die Mutter über ein Jahr in einer Klinik weilte.

Mary L. Trumps Buch „Zu viel und nie genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf“, erschienen im Heyne-Verlag, München 2020, 287 Seiten, 22,00 Euro. Das Werk ist nicht nur ein brillantes Psychogramm des mächtigsten Mannes der Welt,   sondern auch  eine  fundierte Dokumentation über mögliche fatale  Folgen narzisstischen Missbrauchs von Kindern.  Was die Autorin hier an haarsträubenden Familiengeheimnissen ausplaudert, ist kein Einzelfall, sondern geschieht so oder ähnlich  in zig Familien aller Schichten.  Tröstlich bleibt vielleicht die Erkenntnis, dass nicht alle Menschen mit schwerer Kindheit später in ihrem Leben auf die schiefe Bahn geraten oder gar das Zeug zu  narzisstischen Autokraten  entwickeln.  Und nicht jeder Narzisst ist nicht im klinischen Sinne krank, solange er unter seinem Sosein nicht leidet.

So hält der  US-Psychiater Otto Kernberg, Wegbereiter der Erforschung und Behandlung von schweren Persönlichkeitsstörungen, wie dem Narzissmus und dem Borderlinesyndrom,  Donald Trump keineswegs für krank, sondern für „einen gefährlichen Politiker“ .
Als Steigerung der narzisstischen Störung gilt der maligne, der „bösartige Narzissmus“. Betroffene halten sich für großartig, sind unehrlich, aggressiv, misstrauisch, paranoid, rachsüchtig. „Diese Züge können Sie öffentlich bei Trump beobachten. Kein Zweifel!“.(zit. n.: Kerstin Kullmann Der Unermüdliche. Spiegel Nr. 38, 12.09.2020)

Spätestens  nach Mary L. Trumps Lektüre „Zu viel und nie genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf“ kann sich kein Trump-Fan später einmal  aus seiner Verantwortung,  herausreden,  „nichts gewusst zu haben“.

(Rhein-Main.Eurokunst)

Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5)
DSM-5® ist das weltweit anerkannte und etablierte Klassifikationssystem für psychische Störungen,
Diagnostische Kriterien des NARZISSMUS nach DSM-IV bedeuten 5 oder mehr der diagnostische Kriterien müssen erfüllt sein: Laut Donald Trumps Nichte, der Klinischen Psychologin Mary L. Trump, erfüllt ihr Onkel Donald sämtliche Kriterien:

1. Person zeigt ein übertriebenes Selbstwertgefühl (übertreibt die eigenen Fähigkeiten und Talente und erwartet, selbst ohne besondere Leistung als „etwas Besonders“ Beachtung zu finden)
2. Person beschäftigt sich ständig mit Phantasien grenzenlosen Erfolges, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe.
3. Person ist der Meinung, dass er oder sie besonders und einzigartig ist, dass nur Personen mit hohem Status oder in besonderen Institutionen ihn verstehen.
4. Person verlangt ständig Bewunderung
5. Person legt ein Anspruchsdenken an den Tag, stellt Ansprüche an die Behandlung oder unmittelbare Zustimmung zu den eigenen Erwartungen.
6. Person nützt zwischenmenschliche Beziehungen aus, um mit Hilfe anderer die eigenen Ziele zu erreichen.
7. Person zeigt Mangel an Einfühlungsvermögen, kann z.B. nicht erkennen oder empfinden, wie sich andere fühlen und welche Bedingungen diese haben.
8. Person ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, dass andere neidisch auf ihn sind.
9. Person zeigt arrogantes, überhebliches Verhalten oder hat entsprechende Einstellungen

Einige Kriterien sind nicht direkt beobachtbar und lassen sich nur aus der Innenperspektive der Person erschließen.

Die narzisstische Persönlichkeit zeigt Defizite
– in der Selbstwahrnehmung
– in Sprache und Organisation des Denkens
– in der Intentionalität und Volition
– in der Stimmungsregulation
– in der Wahrnehmung von Zeit, Raum und Kausalität.

MALIGNER NARZISSMUS bedeutet zusätzlich
– Antisoziale Merkmale
– Paranoide Züge
– Ich-Syntone Aggressivität
– pathologische Eigenliebe
– übernormale Selbstbezogenheit und Selbstzentriertheit
– exhibitionische Grandiosität
– Gefühle der Überlegenheit
– Rücksichtslosigkeit
– Diskrepanz zwischen übermäßigen Ansprüchen und Rivalität
– infantile Wertvorstellungen (Wohlhabenheit, Kleidung, Attraktivität)
– übermäßige Abhängigkeit von Bewunderung
Quelle: Dr.med.Thomas G. SchaetzlerDonald Trump maligner Narzisst, https://www.aerzteblatt.de/studieren/forum/134802
Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5®. Deutsche Ausgabe herausgegeben von P. Falkai und H.-U. Wittchen, mitherausgegeben von M. Döpfner, W. Gaebel, W. Maier, W. Rief, H. Saß und M. Zaudig, Hogrefe Verlag, ISBN: 9783801728038, 2., korrigierte Auflage 2018, LXIV/ 1,298 Seiten, 169,00 Euro
https://www.hogrefe.de/shop/diagnostisches-und-statistisches-manual-psychischer-stoerungen-dsm-5r-88625.html

„Code Kaputt“ – Anna Wiener entlarvt in ihrem neuesten Buch die toxisch-gierige Parallelwelt des Silicon-Yalley

code-kaputt-coverWer Anna Wieners Job-Tour durch die Silicon-Valley-Parallelwelt des goldrauschgetriebenen Hightech-Kapitalismus gelesen hat, dürfte nicht länger unkritisch profitorientierter und blinder Digitalisierungswut gegenüberstehen,  gerade nicht in Zeiten von Corona, wo oftmals mit angeblichem „Schutz vor der Pandemie“ digitalem Missbrauch Tür und Tor geöffnet wird: Stichwort „Abschaffung des Bargelds“. Dies bedeutete totale Konto-Kontrolle und NegativZins-Zwang.  Wer weiß, dass solche Dinge wie „Abschaffung des Bargelds“ von  Finanzdienstleistern à la Wirecard durch gezielte Lobby-Arbeit bis hin zum Bundesfinanzministerium vorangetrieben werden, durchschaut rasch, dass es oftmals eben nicht um die eigentlichen Bedürfnisse von Menschen geht, sondern schlichtweg um Profit,  Kontrolle, Markt- und Verbraucher-Manipulation, oftmals auf Kosten  breiter Gesellschaftsgruppen, etwa älterer, kranker, bildungsferner oder wenig technikaffiner Menschen, die mit all den digitalen Segnungen vielfach selbständig kaum zurechtkommen oder sich auch von diesen nicht entmündigen lassen möchten.

So segensreich verantwortungsvoll verwendete „Algorithmen“ das Leben vereinfachen und bereichern können, so toxisch kann jedoch auch ihr Missbrauch wirken.

Wiener versammelt in ihrer literarisch brillianten Coming-of-Age-Geschichte nicht nur unzählige Beispiele solcher dysfunktionaler IT-Monster. Vielmehr entlarvt die Autorin die oftmals menschenverachtende Machtbesessenheit und die Dekadenz jener Start-up-Elite mit zum Teil tendenziell autistischen Chefs, die unseren digitalen Alltag bestimmen. Dabei erzählt sie nicht nur präzise von der Geburt des Start-up-Kapitalismus aus dem Geist der Überheblichkeit. Sie protokolliert, wie eine Generation ihre Illusionen verlor.

Gleich in ihrem ersten Beispiel legt Wiener den Daumen in die Wunde eines zum weltweiten Monopolisten avancierten digitalen „Online-Kaufhaus“, welches wir alle wohl kennen „das in den Neunzigern angefangen hatte, Bücher übers Internet zu verkaufen – nicht etwa aus Liebe zur Literatur, sondern aus Liebe zum Kunden und zum effektiv organisierten Konsum -, hatte sich zu einem digitalen Schnäppchenmarkt ausgewachsen, auf dem Haushaltsgeräte, Elektrotechnik, Lebensmittel, Massenmode, Spielwaren, Essbesteck und allerlei Unnützes made in China verkauft wurde. Nachdem das Onlinekaufhaus den gesamten Einzelhandel erorbert hatte, besann es sich wieder auf seine Wurzeln und probierte offenbar verschiedene Wege aus, die Verlagsbranche in den Ruin zu treiben (…) Innerhalb weniger Jahre sollte der Gründer, ein schildkrötenähnlicher ehemaliger Hedgefonds-Manager, zum reichsten Mann der Welt werden (…). Ich wusste nicht, dass das Onlinekaufhaus in der Tech-Branche für seine gnadenlose, datengetriebene Unternehmenskultur verehrt wurde oder dass die proprietären Algorithmen, die neben Romanen über dysfunktionale Familien Kaufempfehlungen für Staubsaugerbeutel und Windeln anzeigten, als hochmodern, bewundernswert und Avantgarde in Sachen angewandtes maschinelles Lernen galten. Ich wusste nicht, dass ein lukratives Schwesterunternehmen dieses Onlinekaufhauses außerdem Cloud-Computing-Services verkaufte – die gebührenpflichtige Nutzung eines weitläufigen internationalen Netzwerkes von Serverfarmen – und damit die Back-End-Infrastruktur für die Websites und Apps anderer Firmen bereitstellte. Ich wusste nicht, dass man das Internet praktisch nicht mehr nutzen konnte, ohne dieses Onlinekaufhaus und seinen Gründer noch reicher zu machen“ (Auszug aus Anna Wiener, CODE KAPUTT, München 2020, SS.11 u. 12) Es dürfte sich hierbei wohl um das Online-Kaufhaus handeln, welches bekanntermaßen zunächst den Namen „Relentless“, „unerbittlich“, erhalten sollte, bevor die Wahl auf Amazon fiel. „Amazone“ war übrigens der Spitzname, den Jeff Bezos seiner Frau MacKenzie gab, weil er es wohl ihrer Hartnäckigkeit verdankt hatte, nicht aufzugeben, als sein  Online-Kaufhaus in den Anfangszeiten kurz vor der Pleite stand.

Anna Wiener legt mit „Code Kaputt“ ein sehr empfehlenswertes Insider-Buch vor, das nicht nur sprachlich wunderbar zu lesen ist, sondern als wichtiger Diskussionsbeitrag über Chancen und Grenzen von Digitalisierung und die Gefahren unregulierter Überwachung gute Argumente liefert.

(Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Anna Wiener. Code kaputt. Macht und Dekadenz im Silicon Valley,
Droemer/Knaur, München (2020),Kartoniert, 320 Seiten, 18,00 Euro, ISBN 9783426277737

 

Interview mit Anna Wiener

Anna Wiener © Droemer Knaur GmbH & Co. KG
Anna Wiener © Droemer Knaur GmbH & Co. KG

Anna, Ihr Buch “Code kaputt” ist kein reines Sachbuch über die Technik-Industrie des Silicon Valley – es ist in erster Linie Ihre ganz
persönliche Geschichte. Wieso haben Sie sich entschieden, dass Buch in dieser Form zu schreiben und haben Sie je daran gezweifelt?

 

Die meisten Geschichten, die über die Tech- Industrie erzählt wurden, handelten von Gründern, Investoren, Führungskräften – triumphale Erzählungen, Geschäftsbüchern. Mein Interesse galt dem Silicon Valley aus der Sicht eines Angestellten. Ich wollte die Bräuche, Werte und das Lexikon dieser Kultur
dokumentieren, aber ich wollte auch erklären, wie es sich anfühlte, dort zu sein – mein eigener Kreislauf aus Verführung und Ernüchterung.
Arbeit kann emotional sein, insbesondere in einer Branche, die junge Menschen dazu ermutigt, ihr persönliches und berufliches Leben vollständig in den Dienst des Unternehmens zu stellen. Ich hoffe, dass meine persönlichen Geschichte einen Teil der strukturellen Dynamiken im Silicon Valley zu diesem speziellen Zeitpunkt der Geschichte in ein anderes Licht rücken kann.

Noch immer träumen viele junge Menschen vom Silicon Valley. Was glauben Sie, woher rührt diese Faszination?

Es ist natürlich verführerisch zu hören, dass Sie die Zukunft gestalten. Einige Menschen haben eine echte Begeisterung für die Transformationsfähigkeit der Technologie oder eine intellektuelle Neugier für die Arbeit selbst; Das möchte ich gar nicht kleinreden. Andere möchten vielleicht dort sein, wo die Action stattfindet, sei es aus dem Wunsch nach Wohlstand oder Macht. Ich denke, für viele Menschen ist die Arbeit in der Tech-Branche einfach eine Möglichkeit, in einem Land, in
dem das soziale Sicherheitsnetz in Trümmern liegt, zahlungsfähig zu bleiben. Persönlich wollte ich das Gefühl haben, einen Platz auf der Welt und eine gewisse Dynamik zu finden: Ich wollte Sicherheit im Moment und Sicherheit für eine Zukunft.

Was war für Sie die größte Ernüchterung des Start-up-Hypes? Gab es einen speziellen Auslöser?

Es gab für mich keinen bestimmen Wendepunkt – es war eher ein langsames Verbrennen. Einiges davon war persönlich und einiges hatte mit den Werten der Branche zu tun. Der tollwütige Individualismus und die allgegenwärtige Vorstellung, dass deine Wirtschaftsleistung deinem Wert als Person entspricht, haben mich sehr getroffen und mir geschadet. Ich habe nie wirklich daran geglaubt, dass das Wichtigste, das eine Person zur Gesellschaft beitragen kann, ein Start-up ist. Ich hatte viele Zweifel und Bedenken – wozu das alles, was ist das Ziel.

Über die Autorin
Anna Wiener ist Journalistin und schreibt für den New YorkerThe Atlantic und Wired über das Silicon Valley, Start-Up-Kultur und die digitale Welt. Sie lebt und arbeitet in San Francisco, Code kaputt ist ihr erstes Buch und sorgt seit Erscheinen in den USA und Großbritannien für Furore.

DAS BUCH: 8 Autoren. 8 Fiktionen. Acht Visionen.

8-Visionen-Cover_Interims250„Die Literatur war schon immer ihrer Zeit voraus.“ Doch gilt dies auch noch in Zeiten einer weltweiten Pandemie? Ob Thomas Morus 1516 in „Utopia“ oder Aldous Huxley 1932 in „Schöne neue Welt““ – schon immer haben Autorinnen und Autoren ihren literarischen Blick auf die Zukunft gerichtet und gefragt, wie unsere Welt, unsere Gesellschaft, aussehen könnte. Genau diese Frage stand am Anfang des Projekts „Acht Visionen. Zukunft. Arbeit. Literatur“, das 2019 vom Literaturhaus Frankfurt und dem Museum für Kommunikation Frankfurt ins Leben gerufen wurde. Diese Frage ist derzeit spannender denn je, denn mit Homeoffice, Homeschooling und anderen hybriden Arbeitsweisen hat die Zukunft der Arbeit im digitalen Transformationsprozess durch die Corona-Krise über Nacht begonnen, beginnen müssen. Und eventuell sogar die Literatur überholt. Welch unterschiedlich literarische Blicke in die Zukunft die acht Autorinnen und Autoren Katharina Adler, Isabelle Lehn, Mariana Leky, Lukas Rietzschel, Jochen Schmidt, Thomas von Steinaecker, Daniel Wisser und Julia Wolf geworfen haben, lässt sich jetzt im Buch „8 Autoren. 8 Fiktionen. Acht Visionen“, herausgegeben von Hauke Hückstädt und Dr. Helmut Gold, nachlesen.

„Dies ist kein Buch über eine Krise. Diese »Acht Visionen« ragen aber in eine Krise hinein. Wir haben Kontaktverbot. Und das hätte eine mögliche Szenerie für eine der Visionen sein können, die Beschreibung einer heruntergekühlten Arbeitswelt, in der man einander nur noch virtuell begegnen darf. Die entworfenen Visionen, denen wir im Buch begegnen, sind in Summe eher kritischer Apparat. Also vielmehr Skepsis, Analyse und Überspitzung anstatt Jubelstimmung, Technologieglaube und Fortschrittsdoktrin“, so Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhaus Frankfurt e.V.

Dialog zwischen Gegenwart und Zukunft
Aufgerufen waren die acht Autorinnen und Autoren zu einem Dialog zwischen Gegenwart und Zukunft, zwischen Realität und Fiktion, zwischen Kommunikation und Literatur. Thomas von Steinaecker formuliert seine Teilnahme an dem Projekt so: „Über die Dinge, die mir wichtig sind, kann ich mir nur klar werden, wenn ich eine Geschichte über sie erfinde.“ Daniel Wisser führt aus: „In einem Großteil der literarischen Werke verschwindet die Arbeit der Protagonist*innen, das Projekt Acht Visionen hingegen will Arbeit in der Literatur sichtbar machen und sie in die Zukunft weiterdenken.“

Leben & Lernen X.0
Thematisch inspiriert wurden die Visionen von dem Projekt „Leben & Lernen X.0. Digitale Bildung– Unsere Zukunft“, welches das Museum für Kommunikation 2017 angestoßen hat. „Eine bemerkenswerte Überraschung war für mich bei dem Projekt »Acht Visionen«: Dass der Blick nach vorne oft mit dem Blick zurück verbunden ist“, so Dr. Helmut Gold, Direktor des Museums für Kommunikation. Und weiter: „In den Texten der Autorinnen und Autoren werden Relikte aus der Jugendzeit in Verbindung gebracht mit gegenwärtigen und zukünftigen Diskussionen. Das ist genau das, was wir im Museum für Kommunikation unter Storytelling versuchen: Geschichte und Geschichten zu erzählen, die in den Objekten schlummern, in Dialog treten mit der Gegenwart und Zukunft wie bei den Leseabenden.“

Sechs der acht Autorinnen und Autoren trafen zwischen September 2019 und Februar 2020 im Museum in Premierenlesungen auf ihr Publikum, die Veranstaltungen mit Mariana Leky und Lukas Rietzschel sowie die für Juni geplante Buchpremiere werden aufgrund der Kontakteinschränkungen zusammengefasst und auf 2021 verschoben.

Informationen zur Publikation
„8 Autoren. 8 Fiktionen. Acht Visionen. Zukunft. Arbeit. Literatur“ Texte von Katharina Adler, Isabelle Lehn, Mariana Leky, Lukas Rietzschel, Jochen Schmidt, Thomas von Steinaecker, Daniel Wisser und Julia Wolf
Herausgegeben von Hauke Hückstädt und Helmut Gold
Preis: 12 Euro // ISBN 978-3-96320-029-8
Erscheinungstermin: 15.06.2020 // Verlag Henrich Editionen

ACHT VISIONEN ist ein Projekt des Literaturhauses Frankfurt mit dem Museum für Kommunikation in Zusammenarbeit mit hr2-kultur. Gefördert von „experimente#digital“, einer Kulturinitiative der Aventis Foundation, sowie dem Kulturamt Frankfurt am Main.

Über den Geist hinaus – Alan Watts über Möglichkeiten, sich von Selbsttäuschungen für ein höheres Bewusstsein zu befreien

alan-watts-ueber-den-geist-hinausKaum ein anderer  hat die einstige New Age-Szene der 1970er und 1980er Jahre so prägend beeinflusst und inspiriert wie der berühmte Religionsphilosoph und Altmeister Alan Watts, der zudem die geniale Gabe besaß, neben Sendungsbewusstsein komplizierte Sachverhalte klar  auszudrücken.  Alan Watts gilt zu Recht als einer der größten spirituellen Denker und Lehrer. Und seine Bücher gehören bis heute zu den Juwelen der Weisheitsliteratur.

Posthum erschien in diesen Tagen  im O.-W. Barth-Verlag ein Meisterwerk des weltberühmten Weisheitslehrers Alan Watts „Über den Geist hinaus – Die östliche Weisheit der Befreiung“ (288 Seiten,  SU € [D] 20, – / € [A] 20,60), in dem Watt höchst inspirierend  und humorvoll  uns zur Essenz der Weisheitstraditionen Japans, Chinas und Indiens als auch des europäisch geprägten Westens führt mit der Intension, uns die  Grenzen des rationalen Verstandes aufzuzeigen und wie wir sie durchbrechen und  mehr Bewusstsein und Wertschätzung für das großartige Spiel des Lebens entwickeln könnten.

„Über den Geist hinaus“, ein Werk, das auf den Radio­features von Alan Watts beruht, lässt die Stimme des bekannten Weisheitslehrers wieder lebendig werden – und sie ist beeindruckender und in diesen Zeiten vielleicht wichtiger denn je. Denn es geht immer wieder auch um die Fragen, wie und auf welche Weise wir lernen können, besser mit dem Leiden in der Welt, also mit unserem eigenen inneren Zuständen, umzugehen? Und wie schaffen wir es, die existenzielle Unsicherheit und die Vergänglichkeit unseres Lebens zu akzeptieren und einen tieferen Sinn zu finden? Dies sind grundlegende Fragen im Leben eines jeden Menschen, vor allem in schwierigen Zeiten wie diesen, mit denen sich auch die großen spirituellen Traditionen der verschiedenen Religionen beschäftigen. Alle spirituellen Anschauungen drehen sich um die Kernfrage: Wie können wir uns von Selbsttäuschungen befreien, höhere Bewusstheit erlangen und echte Verbundenheit mit allem Leben spüren? Alan Watts führt in Über den Geist hinaus die Weisheitslehren des Buddhismus aus Japan und Tibet, des Daoismus aus China und des Hinduismus mit Yoga und Advaita Indiens und der christlichen Tradition des europäischen Westens zusammen. Der einzigartige spirituelle Lehrer und Vermittler zwischen Ost und West macht deutlich, dass die Grenzen des rationalen Verstandes zu eng sind, um allen Facetten des Menschseins gerecht zu werden. Durch seine sehr pointierte Art vermittelt er Einsichten mit großer Weisheit wie kein anderer Denker, und es sind Erkenntnisse, die die Kraft haben, die Sicht auf einen selbst und auf die Welt zu verändern. Ein brillant und unkonventionell geschriebener Führer durch die spirituellen Traditionen der Welt.

Das Buch ist sehr empfehlenswert und inspiriert zu Selbstreflexionen und heißen Diskussionen. Besonders befreiend wirkt es gegen Langeweile und Gefühle von Ausweglosigkeit, weil es zeigt: es gibt immer noch eine Welt hinter unserer Welt.

Diether  v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst

 

Allen-Watts © -Margo-Moore
Allen-Watts © -Margo-Moore

Alan Watts (1915–1973) war welt­berühmter Religionsphilosoph und Autor von über 25 Büchern. Der anglikanische Theologe war fünf Jahre Priester in der Episkopalkirche in den USA, bis eine außereheliche Affäre seine Ehe wie seine Priesterkarriere beendete. Daraufhin widmete er sich mit wachsender Intensität den östlichen Weisheitstraditionen, vor allem dem Zen und dem Daoismus. Er ist eine der markanten Persönlichkeiten, die die östlichen Weisheitslehren in den 60er- und 70er-Jahren in der westlichen Welt bekannt gemacht haben. Weitere Informationen: www.alanwatts.org

Alan Watts
buchcover-ueber-geist-hinaus160Über den Geist hinaus
Die östliche Weisheit der Befreiung
Übersetzt von Horst Kappen
288 Seiten, Hardcover mit SU
€ [D] 20, – / € [A] 20,60
ISBN 978-3-426-29304-1
O.W. Barth, München

Coronavirus: Deutscher Sachbuchpreis 2020 wird nicht vergeben – Erste Verleihung der Auszeichnung startet mit dem Preisjahr 2021

© Diether v Goddenthow
© Diether v Goddenthow

Der Deutsche Sachbuchpreis wird aufgrund der unklaren Entwicklungen im Hinblick auf das Coronavirus in diesem Jahr nicht vergeben. Das hat der Vorstand der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels nach Beratung mit dem Vorstand des Börsenvereins entschieden. Der Deutsche Sachbuchpreis wird somit mit dem Preisjahr 2021 das erste Mal verliehen werden.

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins: „Mit der Eindämmung des Coronavirus stehen wir aktuell vor einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung immensen Ausmaßes. Die damit verbundenen Unwägbarkeiten und die sich laufend verändernde Lage verhindern eine zuverlässige Planung, sodass wir eine angemessene Durchführung des Deutschen Sachbuchpreises in diesem Jahr nicht gewährleisten können. Wir bedauern es sehr, in diesem Jahr nicht das Sachbuch des Jahres auszeichnen zu können. Wir freuen uns schon jetzt auf den Deutschen Sachbuchpreis 2021, auf die nominierten Titel und vielfältige Debatten über gesellschaftlich relevante Themen.“

Die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels verleiht den mit insgesamt 42.500 Euro dotierten Deutschen Sachbuchpreis an ein herausragendes, in deutscher Sprache verfasstes Sachbuch, das Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung gibt. Hauptförderer des Preises ist die Deutsche Bank Stiftung, weitere Unterstützer sind der Technologie- und Informationsanbieter MVB und die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss.