Kategorie-Archiv: 70 Jahre Hessen

Festliches Finale „70 Jahre Hessen“ in Wiesbaden am 30.11. u. 1.12.2016

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Am 30. November und 1. Dezember 2016 fand das große Finale zum Jubiläum „70 Jahre Hessen“ in Wiesbaden statt. Im Zentrum der Feierlichkeiten standen die Verleihung der Wilhelm Leuschner-Medaille in Schloss Biebrich, eine Sondersitzung des hessischen Landtags, die Kurhausgeburtstagsparty, der Ökumenische Gottesdienst in der Marktkirche, der Staatsakt im Hessischen Staatstheater, das Feuerwerk auf dem Bowling-Green und das feierliche Abschlusskonzert im Staatstheater.

Die Veranstaltungen am 30. November 2016

Langjähriger Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann von Ministerpräsidenten Volker Bouffier mit höchster hessischer Auszeichnung, der Wilhelm-Leuschner-Medaille, geehrt. Foto: Heike  v. Goddenthow
Langjähriger Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann von Ministerpräsidenten Volker Bouffier mit höchster hessischer Auszeichnung, der Wilhelm-Leuschner-Medaille, geehrt. Foto: Heike v. Goddenthow

Leuschner-Medaille an Bischof Karl Kardinal Lehmann
Auftakt zum großen Hessengeburtstags-Finale bildete am 30. November gegen 10 Uhr der Festakt zur Verleihung der Wilhelm Leuschner-Medaille im Wiesbadener Schloss Biebrich an den früheren Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann durch Ministerpräsident Volker Bouffier (hier).

Sondersitzung des Hessischen Parlaments
Gegen 14 Uhr würdigten die Abgeordneten das bevorstehende Jubiläum der hessischen Landesverfassung mit einer Sondersitzung des Landtags im großen Plenarsaal. Am 1.Dezember 1946 hatten sich die Hessen in einer großen Volksabstimmung für die Annahme der neuen Landesverfassung ausgesprochen. Seither gilt der 1. Dezember als Geburtsstunde Hessens. Übrigens trat die Hessische Verfassung als zweite deutsche Landesverfassung der Nachkriegszeit (nach der des 1952 aufgelösten Württemberg-Badens) in Kraft. Sie ist die älteste noch geltende Landesverfassung Deutschlands.

© Hessischer Landtag
© Hessischer Landtag

Begrüßung durch den Präsidenten des Hessischen Landtags

Während der 2-stündigen Sitzung erinnerte Norbert Kartmann, Präsident des Hessischen Landtags, an die ersten Jahre des Parlaments, als Wiederaufbau und der Wunsch nach einem vereinten Deutschland im Vordergrund standen.

Michael Boddenberg, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, sprach vom hessischen Landtag als eines der „härtesten Parlamente der Republik“, in dem jedoch an der Sache orientiert gerungen und nach der besten Lösung gesucht werde. Er erinnerte an die Entstehung der Grünen-Partei, mit denen „man aber streiten konnte“, nicht so mit den heutigen Parteien aus dem rechtspopulistischen Spektrum, sagte Boddenberg.

Mathias Wagner, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen, betonte, dass Hessen oft ein Politiklabor war, das eine Vorreiterrolle eingenommen habe, wie etwa beim Datenschutzgesetz, mit dem Amt für Multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt, mit den ersten rot-grünen Koalitionen sowie dem ersten Bündnis aus CDU und Grünen.

Thorsten Schäfer-Gümbel, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, unterstrich, dass das Land Hessen sich aufgrund guter Startchancen durch die alliierten Streitkräfte ungeachtet der Verwüstungen durch Nazi-Herrschaft und den Zweiten Weltkrieg habe gut entwickeln können.

Janine Wissler, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag, mahnte ein gerechtes Wirtschaftssystem an und den Verfassungsauftrag „ernst zu nehmen“.

Florian Rentsch, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, rief ins Gedächtnis, dass vor allem unternehmerischer Mut und die Leistungsbereitschaft der Hessen für den Erfolg verantwortlich seien, denen an diesem Tag gedankt werden sollte.

Volker Bouffier, Hessischer Ministerpräsident appelliert eindringlich gegen rechten Populismus. Zwar gehöre eine kritische Opposition zu einer erfolgreichen Demokratie. Politik sei aber nicht das wilde Behaupten, das Manipulieren und Missachten von Fakten, sagte der Ministerpräsident.

Festlich illuminiertes Wiesbadener Kurhaus zum 70-Jahre Hessen-Finale. Foto: Diether v. Goddenthow
Festlich illuminiertes Wiesbadener Kurhaus zum 70-Jahre Hessen-Finale. Foto: Heike v. Goddenthow
Großes Bürgerfest im Wiesbadener Kurhaus
Im 50er-Jahre Look präsentierten sich  Schauspieler des Staatstheaters und animierten später zum Tanz. Foto: Heike v. Goddenthow
Im 50er-Jahre Look präsentierten sich Schauspieler des Staatstheaters und animierten später zum Tanz. Foto: Heike v. Goddenthow

2300 Gäste feierten in allen Sälen des Kurhauses von 19.00 bis 0.15 Uhr  die große Hessen-Party mit Riesentorte, einer musikalischen Zeitreise durch die vergangenen 70 Jahre, Tanz im hr1 Hessen-Dancefloor, der Band Niteshit, dem Blauen Bock und Infoständen in der Hessen-Geburtstags-Lounge.

Volker Bouffier (l) und Norbert Kartmann eröffneten das große Bürgerfest. Foto: Heike v. Goddenthow
Volker Bouffier (l) und Norbert Kartmann eröffneten das große Bürgerfest. Foto: Heike v. Goddenthow

Der Hessische Landtagspräsident Norbert Kartmann und der Ministerpräsident Volker Bouffier begrüßten die Gäste im Eagle-Club, wozu der Friedrich-von-Thiersch-Saal in rötliche Farben getaucht und entsprechend dekoriert worden war.

Bill Ramsey: Foto: Heike v. Goddenthow
Bill Ramsey: Foto: Heike v. Goddenthow

Hier spielten abwechselnd das Landesjugendjazzorchester Hessen und der Musikkorps der Bundeswehr mit Solistenauftritten von Bill Ramsey, Madeline Bell und Humphrey Campbell. Umringt von Schauspielern des Hessischen Staatstheaters im 50-Jahre-Look oblag es Volker Bouffier die Hessen-Geburtstagstorte anzuschneiden. Vorsorglich hatten die Veranstalter mit 50 Käsekuchen-Barren im dicken Zuckergussmantel ausreichend vorgesorgt, so das jeder Gast in den süßen Genuss kam.

Die Veranstaltungen am 1. Dezember 2016

Ökumenischer Gottesdienst in der Marktkirche
Am 1.Dezember 2016 zelebrierten von 9.30 bis 10.30 Uhr Bischof Martin Hein von der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, und Bischof Heinz-Josef Algermissen vom Bistum Fulda gemeinsam einen ökumenischen Gottesdienst . Nach dem Gottesdienst gingen die Gäste  zu Fuß ins Staatstheater, wo sie  gegen 11.30 Uhr gemeinsam den  Staatsakt zu Hessens 70. begingen.

Staatsakt im Hessischen Staatstheater Wiesbaden
Foto: Heike v. Goddenthow
Foto: Heike v. Goddenthow

Gut 1000 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft, unter ihnen zahlreiche Vertreter hessischer Tanz- und Trachtenpflege in Originalkostümen, feierten im Wiesbadener Staatstheater  das 70. Jubiläum Hessens mit einem eindrucksvollen, unterhaltsamen, aber auch nachdenklichem Bühnenprogramm. In einer bunten Geschichts-Revue wurde die Entwicklung des Bundeslandes Hessen aus Ruinen mit Hilfe der Amerikaner bis hin zum internationalen Hightech-Land mit Europas größtem Datenknoten und der Raumfahrt eindrucksvoll umrissen.

Szene: Vertriebene ziehen mit einem Bollerwagen nach Weilburg. Foto: Diether v. Goddenthow
Szene: Vertriebene ziehen mit einem Bollerwagen nach Weilburg. Foto: Diether v. Goddenthow

Das Musikkorps der Bundeswehr und Violinist Thomas Bilowitzki gedachten zum Einstieg mit Musik aus „Schindlers Liste“ von John Williams würdevoll den Opfer der Nazi-Diktatur vor einer Großprojektion des Konzentrationslagers Auschwitz. Bedrückend auch  die nächsten Bühnenszenen von Kapitulation und Flucht, symbolisiert mit weißen Kapitulationsfahnen und einer nachempfundenen Szene Vertriebener, die mit Bollerwagen ihre letzte Habe bis nach Hessen gerollt hatten.  Über eine Millionen  Ostvertriebener fanden nach dem zweiten Weltkrieg in  Hessen nicht nur eine neue Heimat, sondern trieben mit ihrem Know-how und dem unbedingten Willen, Flucht und Elend hinter sich zu lassen, ganz  entscheidend den  Wiederaufbau und Hessens Weiterentwicklung mit voran. In den 50er Jahren war schon jede  vierte Ehe , die in Hessen geschlossen wurde, eine mit einem Vertriebenen-Partner.

Musik- und Tanzszene Elvis und die verrückten 50er Jahre. Foto: Diether v. Goddenthow
Musik- und Tanzszene Elvis und die verrückten 50er Jahre. Foto: Diether v. Goddenthow

Das Bühnenbild wechselte: „Hessen wird von den Amerikanerin befreit“! Elvis Presley platze herein,   gefolgt von lauten, lebhaften Fans, unter ihnen jede Menge hysterischer Mädchen, die im Original-Outfit der 50er zu Rock-’n’-Roll-Klängen durch die Luft gewirbelt wurden. Reihenweise fielen sie in Ohnmacht beim Anblick des „King of Rock ’n’ Roll“.

Landtagspräsident Norbert Kartmann ging in seiner anschließenden Begrüßung auf die zentrale wie segensreiche Rolle der Amerikaner für den Neuanfang Hessens nach dem Krieg ein. So waren die Hessen mit Hilfe der Amerikaner das erste Mal nach dem Krieg aufgerufen, ein frei gewähltes Parlament zu bestimmen. Das war die die Geburtsstunde der Demokratie und des Parlamentarismus in Hessen, so Kartmann.

Norbert Kartmann
Norbert Kartmann

Damit legten die Bürgerinnen und Bürger, so Kartmann, selbst den Grundstein für ein demokratisches und rechtsstaatliches Land und bildeten eine freiheitliche Gesellschaft nach der verherrenden Diktatur des Nationalsozialismus. Auf dieser Grundlage von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, so der Hessische Landtagspräsident, wuchs das Bundesland Hessen in der Gemeinschaft mit den anderen Bundesländern in der seit 1949 durch die Bundesländer begründeten Bundesrepublik Deutschland und auf dem Fundament des Grundgesetzes zu einem blühenden und erfolgreichen Bundesland mitten in Deutschland heran.

Ausschnitt aus Woyzeck.
Ausschnitt aus Woyzeck.

Den „Großen Hessen“ gedachten Maximilian Pulst und Benjamin Krämer-Jenster mit einem Ausschnitt aus dem Theaterstück „Woyzeck“ dem „aufmüpfigen“ Schriftsteller Georg Büchner (1813 – 1837), der Zuflucht vor der Obrigkeit in Straßburg fand, nachdem er im Landboten  mit seiner Schrift „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ die hessische Landbevölkerung zur Revolution gegen die Unterdrückung der Obrigkeit aufgerufen hatte.
Christopher Bolduc (Bariton) sang in Begleitung von Julia Palmova am Klavier Johann Wolfgang von Goethes Lied „Erlkönig“ mit Musik von Franz Schubert. Den Brüdern Grimm gedachte eindrucksvoll das Hessische Staatsballett unter Leitung von Tim Plegge mit Ausschnitten aus dem Ballett „Aschenputtel“.

70 Jahre Frieden, Freiheit und Wohlstand – Hessen eine Erfolgsgeschichte im Herzen Europas

Volker Bouffier, Hessischer Ministerpräsident. Foto: Heike v. Goddenthow
Volker Bouffier, Hessischer Ministerpräsident. Foto: Heike v. Goddenthow

In seiner vielbeachteten Festrede hob der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hervor, dass der heutige Wohlstand in Frieden, Freiheit und Sicherheit keinesfalls eine Selbstverständlichkeit sei.
Die Rede von Volker Bouffier im Wortlaut:

„Sieben Jahrzehnte Hessen, das bedeutet sieben Jahrzehnte Frieden, Freiheit, Sicherheit und nie gekannten Wohlstand. Ein großartiges Bundesland ist entstanden. Dafür sind wir an diesem Tag besonders dankbar. Und ich sage es bewusst: Wir sind auch stolz auf unsere Heimat Hessen. Ich gratuliere unserem Land, und vor allem seinen Bürgerinnen und Bürgern – es ist ihr Jubiläum! Das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger, so wie sie es in Hessen geführt haben, das ist es, was unser Land zum dem gemacht hat, was es heute ist.

Niemand konnte vor 70 Jahren ahnen, was aus unserem in Trümmern liegenden Land werden würde. Die Zeit nach dem Krieg, das war eine Zeit großer Ängste und Sorgen und eine Zeit unglaublichen Mangels. Viele wussten nicht, ob sie den Hunger und den Winter überhaupt überleben würden. Aus Stahlhelmen wurden Nudelsiebe, aus Granaten Wasserkannen und aus Fallschirmseide Kleider. Papier war so knapp, dass die Verwaltung in Wiesbaden die alten Briefumschläge mit dem Nazi-Reichsadler weiter verwendete. Hunderte Druckplatten, mit denen zuvor Hitlers „Mein Kampf“ gedruckt worden war, wurden eingeschmolzen. Aus ihnen wurden Druckplatten für die ersten freien Zeitungen. Auch in Hessen erschienen neue Zeitungen, die über wichtige Ereignisse des Tages, heute vor genau 70 Jahren, berichteten.

Die Zeitungen enthielten damals nur Text, einige wenige Überschriften, keine Werbung – für was sollte auch geworben werden. In unserer digitalen Welt scheint uns nicht mehr viel mit einer solchen Zeitung zu verbinden. Doch der Eindruck täuscht: Die Schlagzeile von damals verweist auf den Grund unserer heutigen Feierlichkeiten: Zu 77 Prozent hatten sich die Hessen in der Volksabstimmung für die neue Verfassung ausgesprochen, vermeldet die Titelseite, zum Beispiel des Wiesbadener Kuriers. Fast zwei Drittel der Wahlberechtigten waren zur Urne gegangen.

Damit war die erste demokratisch legitimierte Landesverfassung Deutschlands nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft angenommen. Das Fundament eines der erfolgreichsten Bundesländer der kommenden Republik war gelegt. Das Bemühen der Amerikaner, dem Land demokratisch auf die Beine zu helfen, war aber längst nicht bei allen willkommen. Die Soldaten ihrer Armee hatten die Innenstädte von Frankfurt, Kassel, Offenbach oder Gießen ausgelöscht, auch viele kleinere Städte wie Dietzenbach, Bensheim oder Bad Vilbel waren in Schutt und Asche gelegt worden.

Die gleichen Soldaten standen nun vor den Deutschen und unterrichteten sie über Grundsätze der neuen Staatsform. Aber die militärische und moralische Niederlage war vielen Hessen schmerzlich genug. Sie wollten jetzt nicht auch noch belehrt und umerzogen werden. Viele wollten nicht akzeptieren, dass die alliierten Bomben eine Folge des von den Deutschen mit äußerster Brutalität geführten Krieges war. Und so äußerten 50 Prozent der Hessen nach dem Krieg, der Nationalsozialismus sei nach wie vor eine gute Idee, die einfach nur schlecht ausgeführt worden sei. Heute völlig unverständlich und nicht ansatzweise zu tolerieren.

Unser Land lag nicht nur in Trümmern, viele Millionen Tote waren zu beklagen, viele Familien bangten um ihre Söhne, Väter, Männer, die vermisst oder in Kriegsgefangenschaft waren. Das Land war auch moralisch diskreditiert und aus der Gemeinschaft der Völker ausgeschlossen.
Doch die Amerikaner glaubten an unser Land. Sie legten trotz allem das Schicksal zurück in die Hände der Bürgerinnen und Bürger. Ein mutiger Schritt und ein enormer Vorschuss an Vertrauen nur wenige Monate nach Ende des Krieges.

Sie wurden nicht enttäuscht. Nach und nach wurden aus den Kriegsgegnern und der Besatzungsmacht Befreier, Verbündete und Freunde. Immer mehr Hessen verstanden die Befreiung und neue Demokratie als das, was sie war: Eine Chance für persönliche Entfaltung und einen Neubeginn in Freiheit. Die Demokratie festigte sich. Hessen wurde ein weltoffenes, ein tolerantes Land.

Wir Hessen haben aus den Verbrechen des Krieges Lehren für den Frieden gezogen. Der Weg dorthin war nicht leicht. Die Titelseiten der Zeitungen vor 70 Jahren berichten nicht nur über die erfolgte Zustimmung zur Verfassung. Es findet sich auch eine Meldung über eine Änderung des Kontrollrates bei der Verordnung zum Wohnungsgesetz. Das klingt heute wie eine unbedeutende Nebensache. Aber für die Menschen vor 70 Jahren waren Regelungen darüber wer, wie und wo wohnen durfte, existentiell. Wohnraum war knapp und er wurde noch knapper, nachdem die Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem Osten nach Hessen kamen.

Es gehört zu den größten Leistungen der hessischen Nachkriegsgeschichte, dass trotz der schwierigen Verhältnisse fast eine Million Flüchtlinge und Vertriebene aufgenommen wurden. Und so schlägt auch diese Meldung, über die Wohnraumnutzung 70 Jahre später, die Brücke in unsere Zeit. Die Vorbehalte waren ähnlich hoch, wie in der Flüchtlingskrise unserer Tage, ja sogar noch größer. Denn das Teilen der knappen Nahrung, das Teilen der kaum vorhandenen Arbeit, und vor allem der noch verbliebenen intakten Wohnungen stieß auf größte Ablehnung. Mit der Schaffung des „Hessenplans“ aber wurde die Eingliederung vorangebracht – und sie wurde zu einem großen Erfolg. Der kulturellen, konfessionellen und landsmannschaftlichen Aussöhnung wurde der Weg bereitet. Im Jahr 1953 zeigte sich sogar: Bei jeder vierten Ehe-schließung war nun einer der beiden Partner ein Heimatvertriebener. Hessen wuchs zusammen! Damals wie heute gilt der legendäre Satz von Ministerpräsident Georg August Zinn: Hesse ist, wer Hesse sein will. So zeigt der Blick zurück, dass wir keinen Zweifel haben sollten, dass auch uns – mit weitaus größeren Ressourcen – die Integration der Flüchtlinge gelingen kann.

Eine große Herausforderung für viele Jahre, die wir aber meistern werden, wenn sowohl Einheimische als auch Neubürger es ernsthaft wollen. Aus Nebeneinander ein fruchtbares Miteinander, aus Flüchtlingen, denen die Heimat zur Fremde und die Fremde noch nicht zur Heimat geworden ist, Mitbürger werden zu lassen, das ist unser Ziel. So muss es dann auch gelingen, erneut eine gemeinsame Identität und eine gemeinsame Heimat entstehen zu lassen.

Hessen gelang es nach dem Krieg, nicht nur die Integration voran zu bringen, sondern unser Land wurde auch Teil des Wirtschaftswunders. Industrie und Handel expandierten, die Menschen hatten Arbeit und schon Anfang der sechziger Jahre kamen die ersten Gastarbeiter. Der neue Wohlstand erreichte nun auch viele Familien. Das erste Auto, vielleicht ein Opel aus Rüsselsheim oder ein VW-Käfer aus Baunatal, an denen die Väter selbst mitgeschraubt hatten, und bald sogar wieder eine Urlaubsreise und ja sogar ins Ausland, bevorzugt nach Österreich oder Italien, waren die sichtbarsten Zeichen dieses Aufschwungs. Aus Hessen wurde einer der stärksten Regionen Deutschlands und Europas.

Das Wirtschaftswunder und das zunehmende Wachstum riefen aber auch Konflikte zwischen Mensch und Natur hervor, die uns bis heute beschäftigen. Die heftigen Auseinandersetzungen um die Atomkraft oder den Bau der Startbahn West am Frankfurter Flughafen prägten das politische und gesellschaftliche Leben in Hessen ganz wesentlich und mögen als Beispiele genügen. Es waren Vorboten eines notwendigen Ausgleichs zwischen Ökologie und Ökonomie. Ein solcher Ausgleich war und ist anspruchsvoll. Den technischen Fortschritt zu ermöglichen, die Umwelt zu wahren und gleichzeitig den Wohlstand der Gesellschaft zu erhalten, wenn möglich zu mehren, muss das Ziel sein. Hier galt und gilt es immer wieder, innovative Lösungen zu finden.

Hessen hat sich dabei immer als eines der innovativsten Länder gezeigt. Gesellschaftliche und technische Herausforderungen fanden in Hessen schon früh erfolgreiche Antworten: Hierzu gehörte zum Beispiel die Idee der Dorfgemeinschaftshäuser, als Treffpunkt für alle in den Dörfern. Oder auf der anderen Seite unsere Vorreiterrolle bei neuen technischen Entwicklungen. Hessen war Sitz der ersten deutschen Zentrale für Datenverarbeitung und Hessen hatte den ersten Datenschutzbeauftragten der Welt. Und heute wollen wir mit unserem Leistungszentrum für Sicherheit und Datenschutz in der digitalen Welt in Darmstadt die Chancen der Digitalisierung mit den Erfordernissen eines sicheren Datenaustauschs erfolgreich verbinden.

Hessen war auch politisch besonders innovativ. Nach jahrzehntelanger sozial-demokratischer Dominanz wandelte sich auch in Hessen die politische Landschaft. Hessen wurde mit der ersten rot-grünen und später ersten schwarz-grünen Regierung in einem Flächenland zum Politlabor der Republik.

Hessen setzte auch in anderer Hinsicht besondere Akzente, die für die ganze Republik große Bedeutung hatten. In der Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders blieb wenig Raum sich mit dem Krieg, der Nazidiktatur und ihrer Verbrechen näher auseinander zu setzen. Und mancher wollte es auch nicht.

Es war der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der sich gegen dieses Vergessen stemmte. Seine Arbeit im Frankfurter Auschwitzprozess trug mit dazu bei, dass das NS-Unrecht nicht vergessen und ungesühnt blieb. Er holte in Hessen nach, was anderenorts verdrängt wurde. Wie kaum ein anderes Land hat Hessen sich gegen die Schlussstrich-Mentalität gewandt und sich für die Aussöhnung mit den jüdischen Bürgern engagiert.

Dass wir in Hessen wieder eine lebendige und reiche Kultur jüdischer Gemeinden haben, dafür bin ich außerordentlich dankbar. Aber Hessen hatte sich nicht nur mit dem rechten Terror auseinanderzusetzen. Es galt auch, dem Terror von links entgegenzutreten. Die Studentenunruhen an den hessischen Universitäten waren fast schon wieder vorbei, als das Protestpotential sich zu radikalisieren begann. Die ersten Anschläge der Roten Armee Fraktion erfolgten in Hessen: mit dem Angriff auf Frankfurter Kaufhäuser und sie endeten auch in Hessen mit dem Anschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt.

Unser Land ist den extremistischen und terroristischen Angriffen stets entschlossen entgegengetreten. Das galt und es gilt auch heute, zum Beispiel, wenn der islamistische Terror uns vor neue Herausforderungen stellt. Wir werden wachsam sein, damit Extremismus und Terrorismus egal welcher Art auch in den nächsten 70 Jahren keinen Platz in unserem Land haben. Unsere Demokratie ist stark geworden und wird stark bleiben. Sie hält Widerspruch und Gegensätze aus. Was sie nicht aushält, sind Gleichgültigkeit, Hass und Gewalt. Deshalb brauchen wir auch in Zukunft Menschen, die sich engagieren und für Demokratie und Freiheit eintreten.

So wie die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR, die mit ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit friedlich eine Diktatur überwandten. Mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 öffnete sich auch die Grenze zwischen Hessen und Thüringen und so kam unser Land zurück in die Mitte Europas. Deutschland wurde wieder vereinigt und die Spaltung Europas überwunden. Extremismus und Nationalismus haben die Länder Europas in den Abgrund geführt. Gerade jetzt ist es notwendig, daran wieder zu erinnern. Eine Zukunft in Frieden, Freiheit und Wohlstand kann es nur in einem geeinten Europa geben.

Wir feiern unsere Verfassung in einer Zeit großer Verunsicherung und krisenhafter Entwicklungen innerhalb und außerhalb der EU. Aber gerade das Glück der Wiedervereinigung zeigt uns, es lohnt sich, auch in schwierigen Zeiten an der Idee des friedlichen Miteinanders festzuhalten. Im Übrigen war die Lage zur Zeit der Verabschiedung unserer Verfassung weit schwieriger.

Auf derselben Titelseite, die über die Verfassung und die Wohnungsverordnung informierte, findet sich an diesem Tag eine weitere kleine Meldung, die keine gute Zukunft verhieß: „Unerwünscht und gefährlich“, so lautete die Überschrift. Gemeint war Deutschland. Es wird über die ablehnende bis feindliche Auffassung der niederländischen Regierung berichtet. Die Teilnahme Deutschlands an einem Block westeuropäischer Staaten wurde von der niederländischen Regierung radikal zurückgewiesen. Mehr noch: Zitat: „Die Keimzelle aller europäischen Probleme sei Deutschland“, so die zitierte Agenturmeldung und die damalige Auffassung unseres Nachbarlandes.

Heute hingegen unterhält Deutschland nicht nur ausgezeichnete Beziehungen zu den Niederlanden, sondern ist entscheidender Motor in Europa geworden, wirtschaftlich und politisch. Eine solche Stellung musste dem Leser vor 70 Jahren unvorstellbar erscheinen.

Gerade beim gegenwärtigen Blick auf die Vereinigten Staaten sollten wir nie vergessen, es waren die Amerikaner, die uns den Weg zur Selbstbestimmung und Demokratie öffneten, die uns Vertrauen schenkten und auch kulturell unser Land stark beeinflussten. Auf der Basis unserer freiheitlichen Grundwerte verbindet uns deshalb viel mehr, als uns trennt. Weder Europa noch Amerika hätten alleine das erreichen können, was wir gemeinsam erreicht haben. Dieses Erreichte mahnt uns auch, auch an jene zu denken, die heute unsere Unterstützung brauchen, die sich heute für Demokratie und Menschenrechte in ihren Ländern einsetzen. Der Blick auf die Schlagzeilen der Zeitung vor 70 Jahren zeigt, dass sich die Anstrengungen gelohnt haben.

Wir haben Herausforderungen gemeistert und Chancen wahrgenommen. So wollen wir es auch in der Zukunft halten.

Meine Damen und Herren,
über unseren Tag informieren heute in Echtzeit Fernsehen, Facebook oder Twitter. Doch auch morgen werden in Hessen wieder eine Reihe Zeitungen erscheinen, die über das Tagesgeschehen berichten. Ich maße mir nicht an, die Schlagzeilen vorweg zu nehmen. Aber eine besonders zutreffende könnte durchaus lauten: „70 Jahre Frieden, Freiheit und Wohlstand – Hessen eine Erfolgsgeschichte im Herzen Europas“.

Hessen im Umbruch

Von den Hesselbachs über Blaue-Bock-Legende Heinz Schenk (Lied: „Es ist alles nur geliehen“) bis hin zum Hessentag, erinnerten zahlreiche Filmausschnitte sowie ein bunter Auftritt des jungen Hessischen Staatsmusicals mit Intendant Uwe Eric Laufenberg an Hessens Entwicklung, die letztlich nur durch 70 Jahre Frieden in Freiheit und Weltoffenheit möglich waren.

Foto: Diether v. Goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow

Großprojektionen, musikalisch mit Kompositionen von Guido Rennert umrahmt, ermahnten, dass Freiheit auch nach dem Krieg nicht in ganz Deutschland  selbstverständlich war. Gezeigt wurden rasch wechselnde Bildfolgen von der ehemaligen Zonengrenze zum DDR-Nachbarland Thüringen, von der friedlichen DDR-Revolte mit dem Fall der Berliner Mauer, von den Mauerspechten, die sich in die Freiheit durch die Mauer klopften, von Trabi-Kolonnen, berührenden Umarmungen  Wildfremder und der Erfolgsgeschichte deutsch-deutscher Wiedervereinigung.

Michael Quast. Foto: Diether v. Goddenthow
Michael Quast. Foto: Diether v. Goddenthow

Dass aber auch bei manchem Ernst der Lage  die Dinge in Hessen stets auch mit Humor gesehen wurden und werden, inszenierte eindrucksvoll der bekannte hessische Schauspieler, Kabarettist und Regisseur Michael Quast. In vier Minuten „ritt“ Quast grandios, kenntnisreich und pointiert durch „20 (wilde) Jahre Politik“, inklusive  parodistischen Gedenkens an Frankfurter Sponti-Szene, Häuserkampf ,  Startbahn-West-Schlachten und Räumung des Hüttendorfes.

Astronaut Thomas Reiter
weltraumNoch atemlos vom Quast’schen  historischen Vier-Minutengalopp, war das Festpublikum reif dafür,  in die unendlichen Weiten des Weltalls entführt zu werden. Vor einem auf Großleinwand  projizierten Planeten Erde schwebte ein Astronaut quer durch den Bühnenhimmel, während Hessens berühmtester Raumfahrer, Thomas Reiter, am Stehpult von seinen grandiosen Eindrücken und Erkenntnissen im All  berichtete. Zweimal habe er die Gelegenheit erhalten, in den Weltraum zu fliegen und „unseren Planeten aus einer Höhe von etwa 400 Kilometern zu bewundern“. Aus dieser Entfernung auf die kleine Erde geblickt, erkenne man die Anfälligkeit unseres Planeten, den wir Menschen nur gemeinsam bewahren könnten.  In der unendlichen Weite des Weltalls  schrumpfe unsere Erde auf die Größe eines einsamen Sandkorns unter Milliarden anderer Sterne in der Galaxie. So betrachtet, schrumpften   auch „von hier oben“ die irdischen Probleme, weswegen die Menschen all das Elend verursachten und Kriege gegeneinander führten, statt gemeinsam die Erde als Lebensgrundlage für den Menschen zu bewahren, so Reiter.
Bislang habe noch jeder der insgesamt 550 Astronauten die Erfahrung gemacht, am ersten Tag seine Heimatstadt zu suchen, am zweiten Tag sein Land, aber schon am dritten oder vierten Tag zeige jeder auf seinen Kontinent, „und am 5 Tag achteten wir auch nicht mehr auf die Kontinente, wir sahen nur noch die Erde als den einen ganzen Planeten.“ Aus dieser großen Überblicks-Entfernung nivellierten sich nationale Grenzen und ethnische Unterschiede. Und es zeige wie Perspektivenwechsel Probleme und Konflikte mit einem Mal  völlig anders und unerheblich erscheinen ließen.

Hessen heute – Multinationale Tradition

Foto: Heike v. Goddenthow
Foto: Heike v. Goddenthow

War zu Beginn die  Vertreibung Millionen Deutscher nach dem Kriege aus den Ostgebieten Thema, bildete die Erinnerung an die multinationale Tradition Hessens den Abschluss des feierlichen Staatsaktes im Hessischen Staatstheater. Hierzu betrat eine Gruppe junger Menschen mit verschiedenen National-Fahnen die Bühne, während der palästinensisch-syrische Pianist und Beethoven-Preisträger 2015 Aeham Ahmad über den Schmerz seines in Trümmern liegenden Heimatortes Jarmuk als Mahnung an die Welt für Freiheit, Frieden und Integration sang.

Die Hessische Vereinigung für Tanz- und Trachtenpflege vertritt rund 17 000 Mitglieder  aus  Volkstanz, Trachten und Brauchtum in Hessen. Zahlreiche Vertreter nahmen in entsprechender Tracht am Staatsakt im Wiesbadener Staatstheater teil. Foto: Heike v. Goddenthow
Die Hessische Vereinigung für Tanz- und Trachtenpflege vertritt rund 17 000 Mitglieder aus Volkstanz, Trachten und Brauchtum in Hessen. Zahlreiche Vertreter nahmen in entsprechender Tracht am Staatsakt im Wiesbadener Staatstheater teil. Foto: Heike v. Goddenthow
Großes Jubiläumsfeuerwerk auf dem Bowling-Green
Foto: Diether v. Goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow

Gut 7000 Menschen verfolgten zum Abschluss der Jubiläums-Feierlichkeiten das große Jubiläumsfeuerwerk auf dem Bowling-Green. Das von Radio FFH gesponserte Lichterspektakel war perfekt auf die Musik abgestimmt. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier startete den fulminanten Abschluss mit einem Druck auf den „grünen Knopf“. Zu sehen waren 15 Minuten lang bunte Raketen und unterschiedliche Feuerfontänen vor dem von etwa 120 Strahlern in den Hessenfarben illuminierten Kurhaus. Dies war zudem links und rechts umrahmt von zwei Heizluftballons.

Abschluss-Festkonzert „70 Jahre Hessen“
Pausieren im herrlichen Theater-Foyer. Foto: Diether v. Goddenthow
Pausieren im herrlichen Theater-Foyer. Foto: Diether v. Goddenthow

Im Anschluss zum Feuerwerk hatte das Hessische Staatstheater zum großen Festkonzert anlässlich der Feierlichkeiten zum 70. Jubiläum der hessischen Verfassung eingeladen. Gespielt wurden Werke von Ludwig van Beethoven, Alban Berg, Engelbert Humperdinck, Fazil Say, Richard Wagner & Hans Zender unter Leitung von Patrick Lange, der mit Beginn der Spielzeit 2017.2018 als Nachfolger von Zsolt Hamaran sein Amt als Generalmusikdirektor antreten wird. Katja Leclere, Dramaturgin am Staatstheater, führte mit kulturhistorischen Einblicken und Anmerkungen unterhaltsam durchs Programm.

Festkonzert »70 Jahre Hessen« In der ersten Reihe v.r. Dirigent Patrick Lange (hinter Podest), Bariton (Mahler-Lieder) Benjamin Russell, Dramaturgin (Moderation) Katja Leclere, Sopran (Fazil Say Goethe-Lieder) Nihan Inan, Sopran (Clärchen-Lieder) Katharina Konradi, im Hintergrund das Hessisches Staatsorchester und der Jugendchor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Foto: Diether v. Goddenthow
Festkonzert »70 Jahre Hessen« In der ersten Reihe v.r. Dirigent Patrick Lange (hinter Podest), Bariton (Mahler-Lieder) Benjamin Russell, Dramaturgin (Moderation) Katja Leclere, Sopran (Fazil Say Goethe-Lieder) Nihan Inan, Sopran (Clärchen-Lieder) Katharina Konradi, im Hintergrund das Hessisches Staatsorchester und der Jugendchor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Foto: Diether v. Goddenthow

Dokumentation: Diether v. Goddenthow (Rhein-Main.Eurokunst)

 

 

Bischof der Herzen, Kardinal Lehmann, ist mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille im Wiesbadener Schloss Biebrich geehrt worden

Langjähriger Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann von Ministerpräsidenten Volker Bouffier mit höchster hessischer Auszeichnung, der Wilhelm-Leuschner-Medaille, geehrt. Foto: Heike v. Goddenthow
Langjähriger Mainzer Bischof Karl Kardinal  Lehmann von Ministerpräsidenten Volker Bouffier mit höchster hessischer Auszeichnung, der Wilhelm-Leuschner-Medaille, geehrt. Foto: Heike v. Goddenthow

Der frühere Mainzer Bischof Karl Kardinal  Lehmann ist während eines Festaktes am 30. November 2016 mit der Wilhelm Leuschner-Medaille ausgezeichnet worden. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, der auch die Laudatio hielt, überreichte Lehmann die höchste Auszeichnung des Landes Hessens im Wiesbadener Biebricher Schloss.

Bouffier  würdigte Lehmann als „Idealbesetzung im Amt des Bischofs“ ,als  einen „herausragenden Brückenbauer“ und als einen „Mittler zwischen den Welten“. Wörtlich sagte der Hessische Ministerpräsident: „Sie haben die Fähigkeit zu verbinden und sowohl menschlich als auch intellektuell Gegensätze zu überwinden. Ihnen ist es gelungen, ein Mittler zwischen der Wissenschaft und dem Glauben, der katholischen und der evangelischen Kirche, zwischen den christlichen und nichtchristlichen Religionen, zwischen Gesellschaft und Politik, ja sogar zwischen Kirche und Sport“, sagte der Ministerpräsident in seiner Laudatio im Wiesbadener Schloss Biebrich. „Sie sind ein Mann unserer Zeit und waren als Bischof von Mainz eine Idealbesetzung. Die Menschen in und um Hessen haben ‚ihren Karl‘ tief ins Herz geschlossen und Ihre Arbeit sehr geschätzt.“

Ministerpräsident Bouffier  würdigte Lehmann als „Idealbesetzung im Amt des Bischofs“ ,als  einen „herausragenden Brückenbauer“ und als einen „Mittler zwischen den Welten“. Foto: Heike v. Goddenthow
Ministerpräsident Bouffier würdigte Lehmann als „Idealbesetzung im Amt des Bischofs“ ,als einen „herausragenden Brückenbauer“ und als einen „Mittler zwischen den Welten“. Foto: Heike v. Goddenthow

In Anspielung auf das auf Georg August Zinn  zurückgehende Zitat „Hesse ist, wer Hesse sein will“, sei auch Lehmann ein Hesse, selbst wenn er bekennender Mainzer sei, so Bouffier. Immerhin befänden sich  zwei Drittel des Mainzer Bistums auf hessischer Seite. So  war Kardinal Lehmann als Bischof von Mainz auch für den größten Teil der in Hessen lebenden Katholiken das geistliche Oberhaupt. „Karl Kardinal Lehmann war wie kein anderer in mehr als drei Jahrzehnten, fast 33 Jahren, der Repräsentant des Katholizismus in der Diözese Mainz. Von 1987 bis 2008 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. An seinem 80. Geburtstag trat er im Mai als Bischof von Mainz zurück. Durch sein fundiertes theologisches Wissen und seine mitmenschliche Ausstrahlung hat er dem Bistum und seinen Gläubigen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus eine geachtete Stimme verliehen. Kardinal Lehmann war und ist für gesellschaftliche und politische Fragen stets ein wichtiger und allseits geschätzter Ratgeber. Er war ein beliebter Verwalter und Gestalter eines jahrtausendealten Erbes. Für sein Lebenswerk bei der Erneuerung der Kirche und den gelebten Geist der Ökumene erhält Kardinal Lehmann die höchste Auszeichnung des Landes Hessen“, sagte der Ministerpräsident.

Volker Bouffier hob in seiner Laudatio Kardinal Lehmanns Standfestigkeit in Glaubensfragen hervor. Als Sprecher der deutschen Bischöfe habe Lehmann mit Entschiedenheit und großem Engagement die Interessen der deutschen Katholiken auch immer wieder vor dem Vatikan vertreten.

„Sie haben den Menschen auch außerhalb der katholischen Kirche Ihre Hand gereicht und sich mit Einfühlungsvermögen, Kraft und Beharrlichkeit für das Miteinander eingesetzt. Das Zusammenführende von katholischer und evangelischer Kirche war immer Triebfeder, um sich mit Beharrlichkeit für die Gemeinsamkeiten der Christen im Glauben einzusetzen. Ihr Wort war stets geschätzt und hat auch weiterhin für die Katholiken in Hessen, in Deutschland, und für unsere gesamte Gesellschaft Gewicht. So wurden Sie zum Gesicht einer menschenfreundlichen Kirche“, sagte Regierungschef Volker Bouffier und betonte, dass Lehmann stets zum wertschätzenden Miteinander eintreten sei, das Gemeinsame unter Menschen zu suchen, ohne das Trennende zu missachten. Lehmann sei ein „Glücksfall“ für sein Bistum und sein Land gewesen.

Seine Eminenz Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz: "Ich verstehe die Verleihung der Medaille als Dank für die Anerkennung meines Dienstes für die Demokratie und das Gespräch zwischen Staat und Kirche“  Foto: Diether v. Goddenthow
Seine Eminenz Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz: „Ich verstehe die Verleihung der Medaille als Dank für die Anerkennung meines Dienstes für die Demokratie und das Gespräch zwischen Staat und Kirche“ Foto: Diether v. Goddenthow

In seinem Dankwort sagte Kardinal Lehmann, die Verleihung als „Dank für die Anerkennung meines Dienstes für die Demokratie und das Gespräch zwischen Staat und Kirche“ zu verstehen. Er wolle sich für die „Art und Weise des Umgangs miteinander im politischen Geschäft und zumal mit den Kirchen und Religionen“ bedanken. „Es gibt in diesem Land klare Konturen der einzelnen Parteien und der verantwortlichen Persönlichkeiten, auch gelegentlichen Streit und – gar nicht so selten – ein erstaunliches, geradezu friedliches Miteinander. Dies ist gewiss nicht alle Tage so. Aber ich meine darin doch etwas von den bleibenden Errungenschaften der Widerstandskämpfer für uns und – wie es schon in der Gründungsurkunde des Preises heißt – vom Geist Wilhelm Leuschners‘ zu erkennen“, betonte der Kardinal.

Dem Lande Hessen sei er seit 1983 in besonderer Weise verbunden, sagte Lehmann: „Weit über zwei Drittel der katholischen Christen im Bistum Mainz, für die ich 33 Jahre Bischof sein durfte, leben in Hessen. Ich lernte Land und Leute schätzen und nicht selten lieben. Dies gilt besonders auch für die wirtschaftlichen und sozialen, die kulturellen und wissenschaftlichen Beiträge von vielen Frauen und Männern.“

Kardinal Lehrmann ist der 226. Träger der Wilhelm Leushcner-Medaille, die der  ehemalige Ministerpräsident Georg August Zinn am 29. September 1964 anlässlich des 20. Todestages Wilhelm Leuschners stiftete. Wilhelm Leuschner war von 1928 bis 1933 hessischer Innenminister. Leuschner zählte zu den wichtigsten Persönlichkeiten des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler wurde Leuschner zum Tode verurteilt und am 29. September 1944 hingerichtet. Die nach ihm benannte Medaille wird an Persönlichkeiten vergeben, die sich beispielhaft für Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit eingesetzt haben. Die Medaille wird seit 1965 verliehen. Zu den Trägern der Medaille gehören etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Philosoph Jürgen Habermas und der vor drei Jahren verstorbene Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki.

Die Ehrung markiert den  Auftakt der  Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag des Landes, der am 30. November und 1. Dezember mit vielen Programmpunkten in der Landeshauptstadt gefeiert wird.

 

 

Nach Feuerwerk auf Bowling-Green großes Festkonzert »70 Jahre Hessen« am 1. Dezember im Großen Haus Wiesbaden

Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

 

 

Festkonzert »70 Jahre Hessen« am 1. Dezember im Großen Haus
Werke von Ludwig van Beethoven, Alban Berg, Engelbert Humperdinck, Fazil Say, Richard Wagner &Hans Zender

Vor 70 Jahren trat die Hessische Verfassung in Kraft, es war die Geburtsstunde des Bundeslandes. Das Hessische Staatstheater Wiesbaden ist ein zentraler Ort der Feierlichkeiten. Das Jubiläum wird mit einem Festkonzert am Donnerstag, den 1. Dezember, um 19.30 Uhr im Großen Haus begangen. Patrick Lange, designierter Generalmusikdirektor, dirigiert das Hessische Staatsorchester Wiesbaden. Es erklingen Werke mit Reminiszenz an bedeutende Hessen: den gebürtigen Wiesbadener Komponisten Hans Zender, der 2016 seinen 80. Geburtstag feiert; den Dichterfürsten und gebürtigen Frankfurter Johann Wolfgang von Goethe, zu dessen »Egmont« Beethoven eine Schauspielmusik schrieb (Ouvertüre und Clärchen-Lieder, gesungen von Sopranistin Katharina Konradi); den hessischen Schriftsteller und Revolutionär Georg Büchner (mit Ausschnitten aus der Oper »Wozzeck« nach Büchners Textfragment). Außerdem werden die am Frankfurter Scheffeleck komponierte Ouvertüre zu Engelbert Humperdincks »Hänsel und Gretel« sowie Ausschnitte aus Richard Wagners Oper »Die Meistersinger von Nürnberg« geboten, die er in Teilen in Wiesbaden-Biebrich schrieb. Sopranistin Gloria Rehm singt Lieder aus Goethes »West-östlichem Divan«, komponiert vom türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say; Bariton Benjamin Russell »Lieder eines fahrenden Gesellen« von Gustav Mahler, der Kapellmeister in Wiesbaden war.

Theater-Foyer, während der Biennale zum Grand Hotel verwandelt wird am 1.Dezember 2016 zum Hessenschau-Live-Studio. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Theater-Foyer, während der Biennale zum Grand Hotel verwandelt, wird am 1.Dezember 2016 zum Hessenschau-Live-Studio. Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Live-Übertragung der Hessenschau aus dem Theaterfoyer: Hessen wird 70 – Der große Festtag
Die Hessenschau wird an diesem Tag live aus dem Theaterfoyer übertragen. Sendezeit ist von 20.15 bis 21.00 Uhr. Es moderiert Claudia Schick.

Dirigent Patrick Lange Sopran (Clärchen-Lieder) Katharina Konradi Sopran (Fazil Say Goethe-Lieder) Gloria Rehm Bariton (Mahler-Lieder) Benjamin Russell
Jugendchor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, Hessisches Staatsorchester Wiesbaden

Donnerstag, 1. Dezember 2016
19:30 Uhr
Im Großen Haus
Um 19.00 Uhr findet ein Feuerwerk auf dem Bowling Green statt. Das Theaterparkhaus ist deshalb nur über die Paulinenstraße erreichbar

Karten sind erhältlich an der Theaterkasse, telefonisch unter 0611.132 325 oder auf www.staatstheater-wiesbaden.de

 Das Programm des Sonderkonzertes im Überblick

Ludwig van Beethoven
»Egmont«, Musik zum Schauspiel von Johann Wolfgang von Goethe: Ouvertüre
Clärchen-Lieder für Sopran und Orchester: »Die Trommel gerühret« und »Freudvoll und leidvoll«

Hans Zender
Kalligraphie IV

Gustav Mahler
»Lieder eines fahrenden Gesellen« für Bariton und Orchester, daraus:
Wenn mein Schatz Hochzeit macht
Die zwei blauen Augen von meinem Schatz

Engelbert Humperdinck
»Hänsel und Gretel«, Oper nach dem Märchen der Brüder Grimm: Ouvertüre

Pause

Fazil Say
»Goethe-Lieder« für Sopran, Streichorchester und Schlagwerk nach Texten aus »West-östlicher Divan« von Johann Wolfgang von Goethe
I Offenbar Geheimnis
II Fetwa
III Zu besserem Verständnis
IV Tefkir Nameh
V Betrogener, betrüge!
VI Finale

Alban Berg
»Wozzeck«, Oper nach dem Text von Georg Büchner
Orchesterzwischenspiel und letztes Bild
Mit dem Jugendchor des Hessischen Staatstheaters

Richard Wagner
»Die Meistersinger von Nürnberg«
Vorspiel zum 3. Akt

Gesamtprogramm70 Jahre Hessen

70 Jahre Hessische Landeshauptstadt Wiesbaden: Zerstörung und Wiederaufbau – Vortrag in der IHK am 2.11.2016

70jahrehessen-displayIm Rahmen der Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag des Landes Hessen lädt die IHK Wiesbaden ein zur Veranstaltung

 

70 Jahre Hessische Landeshauptstadt Wiesbaden: Zerstörung und Wiederaufbau
Mittwoch, 2. November 2016, 18 bis 20 Uhr
IHK Wiesbaden, Wilhelmstraße 24, 65183 Wiesbaden, Großer Saal.

 

Nach der Begrüßung durch IHK-Präsident Dr. Christian Gastl und Grußworten von Oberbürgermeister Sven Gerich sowie Staatssekretär Ingmar Jung folgt der Vortrag „Wiesbaden und der Wiederaufbau einer teilzerstörten Kurstadt nach 1945“ von Dr. Thomas Weichel, Historiker und Autor des Buches „Wiesbaden im Bombenkrieg“.

Der Eintritt ist frei. Anmeldung per Mail an u.neuefeind@wiesbaden.ihk.de 

Museum Wiesbaden setzt mit der Ausstellung „Caravaggios Erben – Barock in Neapel“ neue Maßstäbe – Hessenmetropole wird bis 12.02.17 zum „Rhein-Neapel“

Ausschnitt aus: Massima Stanzione (1585 - 1656) Susanna und die beiden Alten  Öl auf Leinwand, Städel Museum, Frankfurt am Main.
Ausschnitt aus: Massima Stanzione (1585 – 1656) Susanna und die beiden Alten
Öl auf Leinwand, Städel Museum, Frankfurt am Main.

Mit der Eröffnung der fulminanten Ausstellung „Caravaggios Erben – Barock in Neapel“ am vergangenem Donnerstag lässt das Museum Wiesbaden das goldene Zeitalter des neapolitanischen Barocks wieder aufblühen und lässt die Hessische Metropole bis zum 12. Februar 2017 zum Rhein-Neapel neapolitanischer Barockmalerei des 17. Jahrhunderts avancieren. „In der Kunst des neapolitanischen Barocks spiegeln sich die Pracht, Raffinesse und Kultur der Mittelmeermetropole in packender Malerei. Gleichzeitig zeigt sie die Realität – Armut, Brutalität und Verfall in der Bevölkerung. Mit dem Heranwagen an eines der gewichtigsten Themen der Kunstgeschichte, den Barock, hat das Landesmuseum in Wiesbaden mit Unterstützung seiner italienischen und deutschen Freunde und Kooperationspartner eine Herkulesaufgabe gestemmt.“, brachte es Ingmar Jung, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, auf den Punkt.  Im Namen von Ministerpräsident Volker Bouffier, Schirmherr der Ausstellung, dankte er allen, die diese Ausstellung ermöglicht haben und insbesondere auch dem Kooperationspartner Museo di Capodimonte in Neapel.

Francesco Guarino (1612 - 1654) Die heilige Agathe (1640 - 1645) Öl auf Leinwand. Neapel Museo die Capodimonte Foto: Diether v. Goddenthow
Francesco Guarino (1612 – 1654)
Die heilige Agathe (1640 – 1645)
Öl auf Leinwand.
Neapel Museo die Capodimonte Foto: Diether v. Goddenthow

Den Ausgangspunkt der Ausstellung bilden die Gemälde Giordanos und Solimenas im Besitz des Hessischen Landesmuseums. Eine Besonderheit der Ausstellung besteht in der umfangreichen Einbeziehung von Handzeichnungen, die vom Esprit der neapolitanischen Meister zeugen und unmittelbare Einblicke in den Werkprozess erlauben.  Die Bilder stammen aus einer Phase, in der ein grundlegender Wandel in der Zeichenkunst erfolgte, nämlich die Zeichnung aus ihrer reinen Zweckgebundenheit, beispielsweise als  Vorzeichnung, heraus befreite und  zu einem eigenständigen, begehrten Kunst- und Sammlerobjekt wurde.

Caravaggios Erben - Barock in Neapel. Ausstellungsansicht Raum 16 mit den vier marmornen weiblichen Allegorien "Europa", "Asien", "Afrika", "Amerika". Museum Wiesbaden 2016. Foto: Diether v. Goddenthow
Caravaggios Erben – Barock in Neapel. Ausstellungsansicht Raum 16 mit den vier marmornen weiblichen Allegorien „Europa“, „Asien“, „Afrika“, „Amerika“. Museum Wiesbaden 2016. Foto: Diether v. Goddenthow

Ergänzt wird die Ausstellung mit wuchtigen weiblichen Marmorbüsten, Allegorien, die die vier, zu Cararvaggios Zeiten bekannten Erdteile: Europa, Asien, Afrika und Amerika symbolisieren. Sie waren einst als bauliche Zierde von „Palästen“ und  Parkanlagen recht beliebt.

Wer die Ausstellung besuchen möchte, sollte  genügend Zeit einplanen. Angesichts der Tiefe der Ausstellung empfiehlt sich die Teilnahme an einer fachkundigen Führung.  Die Ausstellung „Caravaggios Erben – Barock in Neapel“ ist vom 14. Oktober 2016 bis zum 12. Februar 2017 im Museum Wiesbaden zu sehen.

begleitband-cover-wZur Wiesbadener Ausstellung „Barock in Neapel“ ist im Hirmer-Verlag, München 2016, die umfangreiche Publikation „Caravaggios Erben – Barock in Neapel“ mit 576 Seiten und 650 Bildern erschienen.
Das Werk ist eine unverzichtbare Hilfe zur Vor- oder Nachbereitung der Ausstellung, eignet sich gut als Geschenk und ist ein Muss für alle, die beruflich oder studienmäßig mit der Epoche des Barocks zu tun haben.

Führungen und Veranstaltungen zur Ausstellung

Führungen
Sa 15 Oktober 15:00 Uhr
So 16 Oktober 15:00 Uhr
Di 18 Oktober 18:00 Uhr
Sa 22 Oktober 15:00 Uhr
So 23 Oktober 15:00 Uhr
Di 25 Oktober 18:00 Uhr
So 30 Oktober 15:00 Uhr
Di 1 November 18:00 Uhr
So 6 November 15:00 Uhr
Sa 12 November 15:00 Uhr
So 13 November 15:00 Uhr
Sa 19 November 15:00 Uhr
Di 22 November 18:00 Uhr
So 27 November 15:00 Uhr
Di 29 November 18:00 Uhr
Sa 3 Dezember 15:00 Uhr
Sa 10 Dezember 15:00 Uhr
Di 13 Dezember 18:00 Uhr
Sa 17 Dezember 15:00 Uhr
Di 20 Dezember 18:00 Uhr
Mo 26 Dezember 15:00 Uhr
Di 27 Dezember 18:00 Uhr

KunstPausen
Mi 19 Oktober 12:15 Uhr Artemesia Gentileschi
Mi 26 Oktober 12:15 Uhr Francesco Solimena
Mi 16 November 12:15 Uhr Mattia Preti
Mi 21 Dezember 12:15 Uhr Giovanni Battista Caracciolo

Vorträge
Di 25 Oktober 19:00 Uhr Caravaggio –Magier des Lichts Lesung mit Wilma-Maria Estelmann; Wiesbaden
Do 10 November 19:00 Uhr Kritzel und Kürzel: Formen des Flüchtigen im zeichnerischen Werk von Luca Giordano
Vortrag mit Dr. Heiko Damm, Mainz
Do 15 Dezember 19:00 Uhr
Künstler, Kirchen, Kardinäle: Künstlerkonkurrenz im barocken Neapel
Vortrag mit Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra

Konzert
Di 1 November 19:00 Uhr
Praesens spielt barocCover Sa 10 Dezember Uhr
Weihnachtskonzert in Kooperation mit dem Italienischen Kulturinstitut in Köln

Film
Sa 5 November 20:00 Uhr
Die Caligari FilmBühne zeigt im Rahmen der Ausstellung Caravaggios Erben – Barock in Neapel den Film Caravaggio von Derek Jarman
Do 19 Januar 2017 20:00 Uhr 1
Die Caligari FilmBühne zeigt im Rahmen der Ausstellung Caravaggios Erben – Barock in Neapel den Film Artemisia mit einer Begrüßung durch Dr. Peter Forster.

Kunst&Kuchen
Do 10 November 15:00 Uhr
Caravaggios Erben – Barock in Neapel
Do 8 Dezember 15:00 Uhr
Caravaggios Erben – Die Grafiken

60+
Di 15 November 15:00 Uhr
Art After Work
Di 15 November 19:00 Uhr
„Im hellen Schein“ – Caravaggios Erben

Vermittlungsangebote für Kinder und Familien
Sa 22 Oktober 11:00 – 13:30 Uhr
Museumswerkstatt für Kinder:
„Ereignisreich, dramatisch, wild“, Zeichnerische Annäherungen an Werke des Barock
So 20 November 11:00-14:00 Uhr
Offenes Atelier für Kinder und Familien

Vermittlungs- und Führungsangebote für Schulklassen

AB SEKUNDARSTUFE I
Interaktive Führung: Gemetzel, Blut und Heiliges Theater
Durch Methoden des kreativen Schreibens werden Zugänge zu den barocken Bildwelten ermöglicht. Die eigenständige Wahl eines Werkes und seiner Figuren ermöglicht das Formulieren von eigenen Fragestellungen seitens der Schülerinnen und Schüler. Botschaften und Themen dieser hoch dramatischen Epoche wie Leben und Tod, Armut und Reichtum, pralles Leben und schmerzhaftes Martyrium werden erarbeitet und im gemeinsamen Dialog erfahren.

Workshop: Drama, Liebe, Leidenschaft — Spiel dein Bild!
In Kooperation mit der Theaterwerkstatt im Hessischen Staatstheater Wiesbaden

Gemäß der barocken Vorstellung vom „Leben als Theater“ war das gemeinsame Ziel von Malerei und Theater, die Betrachter wie die Zuschauer davon zu überzeugen, dass das Dargestellte vor ihren Augen Wirklichkeit wird. Szenisches Theaterspiel zu ausgewählten Bildern der Ausstellung Caravaggios Erben mit Priska Janssens (Theaterpädagogin).
Mittels des japanischen Erzähltheaters (Kamishibai) werden Bilder lebendig. Zeichnungen führen zu Handlungen, eine Geschichte entsteht.
DO 10:00—12:30 oder nach Vereinbarung

Führung mit Workshop: … und ständig Mord und Totschlag!

Nach einem Ausstellungsrundgang und Zeichnen vor den Originalen werden die für den Barock typischen, theatralen Bildkompositionen entschlüsselt. Mit Requisiten und in Kleingruppen wird im Atelier eine barocke Bildkomposition entwickelt, die Positionen der Personen werden eingenommen und fotografisch als nachgestelltes Barockbild festgehalten.

Führung: Artemisia Gentileschi und ihre Geschichte
Ausgehend von dem Werk Judith und Holofernes wird die Biografie der Künstlerin und ihre Rolle in der Entwicklung der Malerei des Barocks beleuchtet und nachvollziehbar.

Interaktive Führung: Frisuren, Schmuck und schöne Kleider
Die Ausstellung umfasst neben 100 malerischen Arbeiten eine Vielzahl herausragender und qualitativ hochwertiger Zeichnungen
und Drucke. Diese sind beeindruckende Beispiele zur Auseinandersetzung mit dem Medium der Zeichnung und darüber hinaus ebenso mit Aspekten der Kleidung im Zeitalter des Barocks. Genaues zeichnerisches Erforschen von Details und des Umgangs mit Licht und Schatten in der Kunst des Barocks werden erkundet und dadurch anschaulich.

Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄335 2250, Fax 0611 ⁄335 2192
www.museum-wiesbaden.de
museum@museum-wiesbaden.de

Öffnungszeiten
Mo geschlossen Di, Do 10:00—20:00 Uhr Mi, Fr—So 10:00—17:00 Uhr An Feiertagen 10:00—17:00 Uhr geöffnet. Auch Ostermontag und Pfingstmontag geöffnet.

Eintritt Sonderausstellung* 10,— Euro (7,— Euro) * Eintritt in die Sonderausstellungen beinhaltet den Besuch der Sammlungen. Familienangebot: Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre in Begleitung ihrer Eltern freier Eintritt. Weitere Ermäßigungen und Tarife für Gruppen unter www.museum-wiesbaden.de ⁄preise

Verkehrsanbindung PKW und Reisebusse:
A 66, Abfahrt Wiesbaden-Erbenheim, Richtung Stadtmitte, Parkhaus Rheinstraße Bahn: Zum Hbf Wiesbaden mit DB und S1, S8 und S9 aus Richtung Frankfurt und Mainz. Vom Hbf 10 min Fußweg zum Museum Linienbusse: Rheinstraße und Wilhelmstraße

Service
Schwellenfreier Zugang links des Haupteingangs. Ausleihbare Rollstühle, Buggies und Sitzhocker im Foyer. Museumsshop: Fon 0611 ⁄ 335 2251

Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur
Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum
für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2
65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄ 335 2250
Fax 0611 ⁄ 335 2192

Weitere Informationen:  Caravaggios Erben – Barock in Neapel

„Caravaggios Erben – Barock in Neapel“- Museum Wiesbaden gelingt einzigartige Gesamtschau neapolitanischer Barockmalerei

Ausschnitt aus: Massima Stanzione (1585 - 1656) Susanna und die beiden Alten  Öl auf Leinwand, Städel Museum, Frankfurt am Main.
Ausschnitt aus: Massima Stanzione (1585 – 1656) Susanna und die beiden Alten
Öl auf Leinwand, Städel Museum, Frankfurt am Main. Collage: atelier-goddenthow

Wiesbaden. Das Museum Wiesbaden präsentiert vom 14. Oktober 2016 bis 12. Februar 2017 die Ausstellung Caravaggios Erben – Barock in Neapel. Zum ersten Male trägt ein deutsches Museum die großen Werke der neapolitanischen Barockmalerei umfassend zusammen und  stellt das Museum Wiesbaden in eine Reihe mit der National Gallery London und dem Metropolitan Museum New York, die beinahe zeitgleich die Ausstellungen „Beyond Caravaggio“ bzw. „Valentin de Boulogne – Beyond Caravaggio” zeigen.   Ausgangspunkt der Ausstellung sind die Gemälde von Luca Giordano und Francesco Solimena im Sammlungsbestand des Museum Wiesbaden. Insgesamt über 200 Exponate, darunter 100 überwiegend großformatige Ölgemälde sowie 100 Zeichnungen von 50 Künstlern und ebenso vielen Leihgebern, entführen ins Neapel des 17. Jahrhunderts.

Caspar van Wittel bzw. Gaspare Vanvitellig (1652-1736)  Posillipo mit dem Palazzo Donn'Anna um 1700 - 1702 Foto: Diether v. Goddenthow
Caspar van Wittel bzw. Gaspare Vanvitellig (1652-1736)
Posillipo mit dem Palazzo Donn’Anna um 1700 – 1702 Foto: Diether v. Goddenthow

Die über 300 000 Einwohner zählende Hafenmetropole, vom Spanischen Vizekönig regiert, war ein multikultureller Meltingpoint der sozialen wie künstlerischen Gegensätze, Naturkatastrophen, Prachtbauten, Slums und Hungersnöte. Vor diesem Hintergrund und dem religiösem Zeitgeist sind die Werke einzuordnen, nämlich der protestantischen Bilderfeindlichkeit, empathische Bilderwelten mit überwältigenden, für den „wahren“ Glauben einnehmende Motive, gegenüber zu stellen.

Die neuartigen Werke  waren nicht mehr so steril, sondern lebendig. Sie erzählten Geschichten, zogen die Menschen unmittelbar ins Geschehen hinein, ins bildhaft inszenierte „Heilige Theater“. Das war so gewollt. Denn zu diesem Zweck entstanden viele Werke. Sie waren häufig Funktionskunst, und die Künstler wussten darum. Sie lebten davon.
Das Neue der neapolitanischen Barockkunst war einmal die neue Lichtgebung mit indirektem Licht, welches eine völlig andere und neuartige Atmosphäre im Bildraum selbst hervorhebt. Die neapolitanische Barock-Kunst „spielte“ – wie im Barock überhaupt – mit dem Seelenleben des Menschen. Sie zielte auf seine Einfühlsamkeit und wollte diese im christlichen Sinne schärfen, nämlich die Bereitschaft und Fähigkeit des Betrachters trainieren, Emotionen, Motive, Leiden, Freude, Not, Schmerz, Hingabe, Hoffnung usw. zu erkennen und nachzuempfinden. Die neapolitanische Barockkunst  war – neudeutsch ausgedrückt – eine empathische Kunst. Sie sollte stimulieren und eigene Emotionen zulassen. In einem breiteren Kontext verstanden, sollte die barocke Malerei im Zusammenwirken mit der Architektur, Stuckatur, Bildhauerei, Wand- und Deckenmalerei  Gläubigen ein all umfassendes, körperlich fühlbares Glaubenserlebnis ermöglichen, das sie schlichtweg überwältigte, welches sie suggestibel machte und in ihrem Glauben, dass es da eine Kraft gäbe, die stärker ist als sie, bestärkte.

In Neapel wurde sozusagen der Barock  erfunden. Sein Anfang markiert die  Ankunft von Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio (1571-1610) in Neapel im Herbst 1606.  Der Meister des Frühbarock, einst bevorzugter Maler der römischen Kardinäle war wegen eines Todschlags  in Ungnade gefallen und in das spanisch regierte Neapel geflohen.  Innerhalb kurzer Zeit avancierte Caravaggio  in der Vesuv-Stadt zum bewunderten Vorbild für mehrere Generationen neapolitanischer Künstler.  Seine neuartigen Bild-Illumination, eine  Hell-Dunkel-Malerei als gestalterisches Element der Bild-Szenen und provokante, den Betrachter direkt involvierende Bildwirklichkeiten gaben die entscheidenden Anstöße, um in Verbindung mit weiteren Einflüssen, etwa des Spaniers Jusepe Ribera (1591-1652), eine Schule neapolitanischer Barockmalerei von europäischem Rang zu entwickeln. Was  barockmalerisch  im  Neapel des 17. Jahrhunderts daraus wurde, zeigt die fulminante Ausstellung „Caravaggios Erben – Barock in Neapel“ ab 14.Oktober 2016 im Landesmuseum Wiesbaden, wodurch die Hessenmetropole bis zum 12. Februar 2017   zum „Rhein-Neapel“ der Barockkunst des 17. Jahrhunderts avanciert.

Diether v. Goddenthow (Rhein-Main.Eurokunst)

Prominente Leihgeber und Schirmherren
Caravaggios Erben - Barock in Neapel. Ausstellungsansicht Museum Wiesbaden 2016. Foto: Diether v. Goddenthow
Caravaggios Erben – Barock in Neapel. Ausstellungsansicht Museum Wiesbaden 2016. Foto: Diether v. Goddenthow

Prominente Leihgeber sind der Louvre in Paris, die Galerie der Uffizien in Florenz, das Kunsthistorische Museum in Wien und historischen Privatsammlungen, wie die Graf Harrach’sche Familiensammlung von Schloss Rohrau in Österreich. Hervorgehoben sei an dieser Stelle die Kooperation des Museums Wiesbaden mit dem Museo di Capodimonte in Neapel, das mit der Leihgabe von 18 Werken höchster Qualität aus seiner ständigen Sammlung die Ausstellung maßgeblich unterstützt.

Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier sowie der Schirmherrschaft der Botschaft der Italienischen Republik in Berlin. Sie wird maßgeblich unterstützt vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain und der Art Mentor Foundation Lucerne.

Begleitband zur Ausstellung

begleitband-cover-wZur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation gleichen Namens, nämlich „Caravaggios Erben – Barock in Neapel“, Hirmer-Verlag, München 2016, 576 reich bebilderte Seiten, Museumspreis während der Ausstellung 45,00 Euro, danach 58,00 Euro. Dieser wärmstens zu empfehlende Begleitband zur Ausstellung, ein Kompendium der neapolitanischen Barockmalerei und Zeitgeschichte des 17. Jahrhunderts,  entstand  in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft, Abteilung Kunstgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und wurde von der Ernst-von-Siemens-Stiftung umfangreich unterstützt. Mehr …

Ein Rundgang durch die Ausstellung
Caravaggios Erben - Barock in Neapel. Ausstellungsansicht Museum Wiesbaden 2016. Dr. Peter Forster (Mitte), Kustos der Alten Meister und Kurator der auf seine Anregung zurückgehenden  Barock-Ausstellung, erläutert mit Rebecca Krämer (r.hinten), Ko-Kuratorin, Massimos Stanziones Werk "Der bethlehemsche Kindermord (1630-1635). Foto: Diether v. Goddenthow
Caravaggios Erben – Barock in Neapel. Ausstellungsansicht Museum Wiesbaden 2016. Dr. Peter Forster (Mitte), Kustos der Alten Meister und Kurator der auf seine Anregung zurückgehenden Barock-Ausstellung, erläutert mit Rebecca Krämer (r.hinten), Ko-Kuratorin, Massimos Stanziones Werk „Der bethlehemsche Kindermord (1630-1635). Foto: Diether v. Goddenthow

Neapel in Wiesbaden
Der epochale Beitrag Neapels zur europäischen Kunstgeschichte des Barock erfährt im Museum Wiesbaden in dieser Breite zum ersten Male in einem deutschen Museum eine groß angelegte Würdigung. Mit Leihgaben, unter anderem aus dem Pariser Louvre, dem Kunsthistorischen Museum in Wien und dem Kooperationspartner Museo di Capodimonte in Neapel, aber auch bedeutenden historischen Privatsammlungen, lässt das Museum Wiesbaden für vier Monate dieses goldene Zeitalter der italienischen Malerei in der Hessischen Landeshauptstadt wieder aufblühen.

Michelangelo Merisi da Caravaggio – seine Erben und Antipoden
Als Caravaggio im Oktober 1606 nach Neapel kam, war er in der Hafenstadt längst kein Unbekannter mehr. Sein in Rom erarbeiteter Ruhm eilte ihm weit voraus und während seines ersten Aufenthaltes von Oktober 1606 bis etwa Juni 1607 beeindruckte er zahlreiche in Neapel ansässige Künstler. Sie nahmen Caravaggios gut sichtbare Werke in der Stadt zum Ausgangspunkt einer radikalen Neuorientierung. Seine Malerei beeindruckte aufgrund ihrer lebensnah wirkenden Figuren, des dramatischen Helldunkels sowie seiner neuartigen Interpretationen althergebrachter Bildthemen.

Parthenope – Neapolis – Napoli: Widersprüche einer Metropole
Zur Zeit der Ankunft Caravaggios war die unter spanischer Herrschaft stehende Stadt mit ihren 300.000 Einwohnern die zweitgrößte Metropole Europas. Doch die wechselnden Vizekönige investierten kaum, es regierte weiterhin der alte Adel und das stetig wachsende Proletariat litt unter Hungersnöten. Naturkatastrophen wie der verheerende Vesuvausbruch im Jahr 1631 oder die nur 25 Jahre später wütende Pest, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung tötete, waren prägende Einschnitte bevor um 1735 unter dem Bourbonen Karl VII. Neapel schließlich zu einem kulturellen Zentrum aufstieg.

Neapels Caravaggisten

Matthias Stomer (um 1600 - nach 1652). Das Abendmahl in Emmaus um 1633-1635 Öl auf Leinwand. Neapel, Museo die Capodimonte. Foto: Diether v. Goddenthow
Matthias Stomer (um 1600 – nach 1652). Das Abendmahl in Emmaus um 1633-1635
Öl auf Leinwand. Neapel, Museo die Capodimonte. Foto: Diether v. Goddenthow

Caravaggio fand in ganz Europa eine große Anhängerschaft unter den Künstlern, die gern als Caravaggisten bezeichnet werden. Es waren vor allem in Rom tätige Künstler, die seinen Stil in ihre Heimatregionen transferierten, wie die beiden ‚Utrechter Caravaggisten‘ Gerard van Honthorst und Matthias Stomer. In Neapel konnten sie den neuen Stil von Caravaggios Werken, von denen die meisten für jedermann zugänglich waren, intensiv studieren. Mit der Hell-Dunkel-Modellierung seiner Gemälde und der naturalistischen Behandlung von Figuren, die er häufig nah an den Bildvordergrund heranrückte, wurden althergebrachte Themen zu einem neuartigen Seherlebnis.

Die zunehmend erstarrte Künstlichkeit der spätmanieristischen Malweise schien nicht mehr zeitgemäß. Im Zuge der katholischen Reformen war nunmehr eine Malerei gefragt, die durch eine neue Orientierung an der Natur imstande sein sollte, Empathie zu erzeugen. Die ältere Generation der Maler um Fabrizio Santafede, Carlo Sellitto oder Paolo Finoglio schaute hierzu zwar auch auf Caravaggio aber vor allem noch nach florentinischen Vorbildern. Jüngere Maler, wie zudem Giovanni Battista Carracciolo, setzten sich hingegen ausschließlich mit Caravaggio auseinander. Carracciolos Anna Selbdritt belegt deutlich die Auseinandersetzung mit Caravaggios Reformen sowie der neuartigen Behandlung der Thematik, die ganz auf die Interaktion von Mutter, Großmutter und Kind ausgelegt ist, in besonderem Maße.

Jusepe de Ribera – Ein Spanier macht Schule
Der aus Játiva bei Valencia stammende Jusepe de Ribera war bereits 1615 in Rom mit der Malweise Caravaggios in Berührung gekommen und hatte sich intensiv mit ihr auseinandergesetzt. Als Ribera sich im darauffolgenden Jahr in Neapel niederließ und eine Werkstatt gründete, erwarb er rasch die Gunst der Vizekönige. Hier entwickelte er den Naturalismus Caravaggios nun auf einzigartige Weise weiter. Seine Gemälde scheinen genauso von der Drastik der Darstellung inspiriert wie von der impliziten Gewalt der Malerei des späten Caravaggio. Allerdings gibt Ribera dessen typische glatte Oberflächen zugunsten einer pastosen Malweise auf, die es ihm insbesondere in der Darstellung alter Körper erlaubt, die Falten der Haut nahezu haptisch wiederzugeben.

Seine Nachfolger, wie der sogenannte ‚Meister der Verkündigung an die Hirten‘ oder Aniello Falcone, orientierten sich später an Riberas zunehmendem Naturalismus mit seinen laut Bernardo de’ Dominici „ungeheuren Farbmischungen“, den „tremendo impasto del colore.“ Falcone lehnte sich in den 1630er Jahren stark an Ribera an. Vor allem sind es die Schüler auf seinem Gemälde Die Lehrerin, die sein Interesse an der Darstellung von Stoffen und an dem wie zufällig eingefangenen Moment zeigen. Der erst sehr viel später aktive Luca Giordano beweist wiederum, dass auch er im Stil Riberas malen konnte: Er nutzt diesen Stil für das Thema der Philosophen.

Bernardo Cavallino und Mattia Preti: eine neue Künstlergeneration
Mit Bernardo Cavallino und Mattia Preti werden zwei Künstler gegenübergestellt, die auf individuelle Weise zeigen, dass auch die auf Ribera folgende Künstlergeneration wieder neue Wege suchte. Cavallino, der möglicherweise von Massimo Stanzione ausgebildet wurde, vereint sehr verschiedene Anregungen in seinen ausdrucksstarken Gemälden, die er für einen ausgesuchten Kreis gebildeter Sammler malte. Deutlich ist zu erkennen, dass es ihm nunmehr um eine Aufhellung der Farbigkeit ging, die er indes mit naturalistischen Details zu verbinden wusste. Dabei fällt auf, dass er neben Ribera auch Gemälde von Nicolas Poussin, Anthonis van Dyck, Diego Velazquez und der Venezianer gekannt und studiert haben muss.

Mattia Preti (1613 - 1699) Heiliger Sebastian um 1656 Öl auf Leinwand  Neapel, Museo di Capodimonte, Foto: Diether v. Goddenthow
Mattia Preti (1613 – 1699)
Heiliger Sebastian um 1656
Öl auf Leinwand
Neapel, Museo di Capodimonte, Foto: Diether v. Goddenthow

Der nur wenig ältere Mattia Preti kam im Jahr 1653 als bereits erfahrener Künstler nach Neapel. Der in Taverna bei Catanzaro in Kalabrien geborene Maler war in seiner Jugend über Neapel nach Rom gereist, wo er den Caravaggio-Vertreter Caracciolo traf, der ihn zunächst prägen sollte. Das Gemälde Die Berufung des heiligen Matthäus zeigt, wie sehr er sich mit Caravaggio beschäftigte, denn die Szene malte er in enger Auseinandersetzung mit dem gleichnamigen Gemälde Caravaggios in der Contarelli-Kapelle von San Luigi de’ Francesi in Rom. In Gemälden wie dem Fest des Herodes und der Königin von Saba zeigt Preti, dass er sich in den folgenden Jahren von anderen Meistern wie Peter Paul Rubens und Nicholas Poussin inspirieren ließ und es ihm – ähnlich wie Bernardo Cavallino – um eine Aufhellung seiner Farbpalette ging.

Campania Felix

Guiseppe Recco (Werkstatt) Fischstilleben in weiter Landschaft. Öl auf Leinwand. Museum Wiesbaden. Foto: Diether v. Goddenthow
Guiseppe Recco (Werkstatt) Fischstilleben in weiter Landschaft. Öl auf Leinwand. Museum Wiesbaden. Foto: Diether v. Goddenthow

Neapel ist für seine Stillleben-Maler, wie Paolo Porpora, Giovanni Battista und Giuseppe Recco oder Giovan Battista Ruoppolo berühmt. Die Gemälde inszenieren eine Überfülle an Früchten und Blumen, zuweilen auch an Tieren und Marktszenen, die auf die legendäre Fruchtbarkeit der Landschaft am Golf von Neapel verweisen. Bereits das antike Kampanien wurde als glückliche Landschaft, als Campania felix, beschrieben, ein Topos, auf den man sich auch im 17. Jahrhundert berief. Wiederum war es Caravaggio, der in Stillleben wie dem Mailänder Früchtekorb (Pinacoteca di Brera) und dem Jungen mit Früchtekorb der Galleria Borghese in Rom die bildtheoretischen Dimensionen der noch jungen Gattung auslotete. Der Maler Aniello Falcone hat sich daran ein Beispiel genommen und ist mit seinem einfach gekleideten Jungen mit der Blumenvase mit Caravaggio in den Wettstreit getreten.

Der melancholische Blick: Salvator Rosa und Johan Heinrich Schönfeld
Salvator Rosa wurde 1615 in Arenella bei Neapel geboren und bei Francesco Fracanzano und Aniello Falcone ausgebildet. Er verließ die Stadt früh und verbrachte den Großteil seines Lebens in Florenz und Rom. Dennoch ist er der vielleicht bekannteste unter den neapolitanischen Künstlern des 17. Jahrhunderts. Er schuf neben Landschaftsbildern, die keine lieblichen Ausblicke inszenieren, sondern den Fokus auf eine unwegsame, wilde Natur legen, auch Gemälde mit magischen Szenen. Letztere waren bei zeitgenössischen Sammlern sehr beliebt und begründen eine Ästhetik des „bello orribile“, des „schrecklich Schönen“. Die Landschaften Rosas wurden später insbesondere in der deutschen Romantik rezipiert.

Bereits im 17. Jahrhundert hat sich der aus Biberach an der Riß stammende Maler Johann Heinrich Schönfeld sehr von Salvator Rosa anregen lassen, wie das Gemälde Der melancholische Demokrit zeigt. Hier setzt er sich eng mit Rosas Demokrit (Statens Musem for Kunst, Kopenhagen) auseinander. Schönfeld ging 1633 nach Italien. Zunächst lebte er in Rom, bis er sich schließlich gegen Ende der 1630er-Jahre für ein Jahrzehnt in Neapel nieder ließ. Die Triumphszenen von Venus und David verweisen auf sein intensives Antikenstudium und auf die Kenntnis einer reichen, auf Petrarca fußenden Bildtradition von Mantegna (1431–1506) bis Antionio Tempesta (1555–1630). Schönfeld inszeniert beide Szenen jedoch wie im Traum und thematisiert damit die unwiederbringlich vergangene Zeit, also Endlichkeit und Vergänglichkeit.

Caravaggios Erben - Barock in Neapel. Ausstellungsansicht Museum Wiesbaden 2016. Foto: Diether v. Goddenthow
Caravaggios Erben – Barock in Neapel. Ausstellungsansicht Museum Wiesbaden 2016. Foto: Diether v. Goddenthow

Die Autonomie der neapolitanischen Zeichnung
„Die neapolitanischen Maler sind aus Gewohnheit nicht sehr zugetan, viel Zeit auf das Zeichnen zu verwenden, sondern vorzeitig Pinsel und Farbe zur Hand zu nehmen und, wie sie sagen, zu malen.“ [Passeri 1934, S. 386, 397].
Der römische Maler und Sammler Giovanni Battista Passeri (ca. 1610–1679), ein Schüler Domenichinos, war der festen Überzeugung, dass die Zeichenkunst Grundlage aller bildenden Künste sei. Er vertrat die Ansicht, dass die neapolitanischen Künstler nicht viel zur Entwicklung der hochgeschätzten Zeichenkunst beigetragen hätten. Hinzu kommt, dass der Bestand an erhaltenen Zeichnungen mehrheitlich von Künstlern stammt, die vornehmlich außerhalb von Neapel wirkten, wie beispielsweise Salvator Rosa, dessen Nachlass fast komplett an die schwedische Königin Christina (1626–1689) verkauft wurde. (vgl. Kompositionsstudie, Leipzig).
Mit der Ankunft von Jusepe de Ribera in Neapel begann ein grundlegender Wandel in der Zeichenkunst. Er vereinte die Errungenschaften Caravaggios wie dem schonungslosen Naturalismus mit einem ausgeprägten Sinn für Rhythmus und Bewegung. Ribera betrieb eine große Werkstatt, wo er seine Fertigkeiten an Schüler wie Aniello Falcone oder Salvator Rosa weitergeben konnte. Falcone entwickelte die Arbeit nach dem lebendigen Modell, vorzugsweise in Rötel umgesetzt. Rosa verknüpft seine Zeichnungen selten mit Gemälden, sondern entwickelte sie als eigenständige Kunstwerke. Diese Autonomie ist die große Errungenschaft in der neapolitanischen Zeichenkunst und katapultierte sie aus der Zweckgebundenheit heraus zu einem begehrten Kunst- und Sammlerobjekt.

Geschundene Heilige und der Kampf gegen die Häresie
In Neapel war und ist die Heiligenverehrung ein wichtiger Bestandteil des Glaubens. Hierfür spielte die Vergegenwärtigung der Heiligen eine wichtige Rolle. Sie wurden häufig mit ihren Wundern dargestellt– wie im Gemälde von Massimo Stanzione, das den besonders in Spanien (und seinen Kolonien) verehrten Diego von Alcalá (um 1400–1463) aus dem Orden der Franziskanerminoriten zeigt. Als bildwürdig galt jedoch nicht nur das Leben der Heiligen, sondern auch ihre Todesarten, waren diese doch Zeugnis ihrer überdurchschnittlichen Glaubenskraft.

Jusepe de Ribera (1591.1652)  Das Martyrium des heiligen Andreas 1628. Budapepest, Museum der Bildenden Kunst. Foto: Diether v. Goddenthow
Jusepe de Ribera (1591.1652)
Das Martyrium des heiligen Andreas 1628.
Budapepest, Museum der Bildenden Kunst. Foto: Diether v. Goddenthow

Beispielhaft für Neapel ist die häufige Darstellung des Martyriums des heiligen Bartholomäus, ein Apostel Christi, der der Legende nach in Indien, Mesopotamien und Armenien gelehrt haben soll. Diese berichtet auch, dass Astyages, ein Bruder des armenischen Herrschers Polymios, den Befehl gab, Bartholomäus bei lebendigem Leibe die Haut abzuziehen. Andrea Vaccaro zeigt den Heiligen, wie er diese Strafe mit Gottes Hilfe erduldet. Der Maler setzt sich hier nicht zuletzt mit den zahlreichen Gemälden des gleichen Sujets von Ribera auseinander. Diese ähneln auch bei Paceco De Rosa sehr einer mythologischen Erzählung, nämlich der von der Schindung des Marsyas durch den Gott Apoll.
Wie sehr es in dieser Zeit auch um die Verbannung des Unglaubens und der Häresie ging, lässt sich noch heute drastisch in den Darstellungen des kämpferischen Erzengels Michael und Christus selbst erahnen, den Mattia Preti persönlich gegen den Satan kämpfen lässt.

Heilige Frauen - Frauenraum Foto: Diether v. Goddenthow
Heilige Frauen – Frauenraum Foto: Diether v. Goddenthow

Heilige Frauen als Vorbild
Neben den männlichen wurden viele weibliche Heilige verehrt. Interessant ist der deutlich andere Darstellungsmodus von Frauen. Nur selten werden ihre Taten dargestellt, dagegen spielen ihre Martyrien eine besondere Rolle bei ihrer Verehrung. Den Legenden zufolge ertrugen die heiligen Frauen diese häufig, um einer (ehelichen) Verbindung mit einem heidnischen Herrscher zu entgehen. Auf den Gemälden wird deutlich, wie sehr dabei die Bewahrung ihrer Keuschheit und Jungfräulichkeit im Vordergrund stand, der zuliebe sie teilweise brutale Verstümmelungen ihrer Körper hinnahmen, die auf den Bildern ihrer Schönheit aber scheinbar nichts anhaben konnten. Schon die Heldinnen der Antike, wie Lucretia, zogen den Tod dem häufig erzwungenen Verlust ihrer Keuschheit vor.

Francesco Guarino (1612 - 1654) Die heilige Agathe (1640 - 1645) Öl auf Leinwand. Neapel Museo die Capodimonte Foto: Diether v. Goddenthow
Francesco Guarino (1612 – 1654)
Die heilige Agathe (1640 – 1645)
Öl auf Leinwand.
Neapel Museo die Capodimonte Foto: Diether v. Goddenthow

Betrachtet man die schöne, von Francesco Guarino gemalte heilige Agathe, haben es heutige Betrachter schwer zu verstehen, dass der Blutfleck auf Höhe ihrer Brüste auf deren Amputation zurückgeht. Auch die so friedlich daliegende heilige Cäcilie schläft nicht, sondern wird auf dem Gemälde des gleichen Malers kurz nach ihrer Ermordung dargestellt. Hierauf weist nur das Blut hin, das von ihrem Hals bereits über den Steinblock zu Boden geronnen ist.

Zeichnungen als Fingerübung
„Das Malen von bozzetti oder macchie, wie wir sie nennen, ist die beste Art, ein Gemälde vorzubereiten. Früher, das heißt vor zwei Jahrhunderten, war es üblich, nach abgeschlossenen Zeichnungen Kartons zu machen, und zwar in den Gemälden entsprechender Größe, und sie wie diese auszumalen: eine Gewohnheit, die später von den heutigen Malern mit größerer Leichtigkeit auf kleinere bozzetti gebracht wurde, ohne solche Mühen auf sich zu nehmen: und so sind es heutzutage nur noch wenige Künstler, die vollständige Zeichnungen hervorbringen.“ [De Dominici 1742–1745, Bd. 2, S. 211.]
So lautete das Urteil des Historiographen der neapolitanischen Kunst, Bernardo De Dominici.
Anhand der Arbeiten zu Ganymed des Caravaggio-Lehrers Giuseppe Cesari lässt sich indes belegen, dass sehr wohl Zeichnungen zur Vorbereitung von Gemälden oder Fresken angefertigt wurden. Gleichwohl sind sie wie bei Luca Giordano oder Mattia Preti eher als Fingerübungen zu verstehen, die die Dynamik und Dramatik sowie die Plastizität eines endgültigen Werkes ausloten. Preti entwickelte einzelne Figuren, um sie, wie im Falle der Freskierungen der St. John’s Ko-Kathedrale auf Malta, in die entstehende Komposition zu übertragen. Giordano scheint, anders als Preti, nicht auf lebende Modelle zurückgegriffen zu haben und entwickelte vornehmlich Kompositionsstudien, von denen er in den fertigen Werken wiederum häufig abwich. Unter den Schülern Giordanos stechen Paolo de Matteis und Nicola Malinconico hervor. Gerade die imperiale Größe von Malinconicos Arbeit deutet über die Funktion einer reinen Skizze hinaus auf die Zeichnung als eigenständiges Kunstwerk hin.

Die Cappella del Tesoro im Dom: Zentrum der Volksfrömmigkeit und Seele Neapels
Die sogenannte Schatzkapelle des Doms ist dem Stadtpatron Neapels, dem heiligen Januarius, geweiht. Er wurde 305 n. Chr. bei Pozzuoli geköpft, weil er den Götzendienst verweigert hatte. Sein Blut wurde von einer frommen Frau in zwei Ampullen aufgesammelt, die noch heute in der Kapelle aufbewahrt und an bestimmten Festtagen in die Nähe der ebenfalls dort befindlichen Kopfreliquie gebracht werden. Verflüssigt sich das Blut dabei nicht, wird dies als Vorzeichen für drohende Katastrophen gewertet.
Das Stadtparlament beschloss 1527, Januarius zu Ehren eine reich ausgestattete Kapelle zu errichten, sollte er die Stadt von der damals wütenden Pestepidemie befreien. Im Jahr 1631 konnte hierzu Domenichino für sechs Altarbilder, vier Zwickel und vier Lünetten sowie für die Kuppel verpflichtet werden. Der Carracci-Schüler vertrat eine intellektuelle, auf der Zeichnung basierende Malerei, die ihm den Hass mancher neapolitanischer Künstler wie Ribera einbrachte. Aufgrund seiner legendären Langsamkeit verstarb Domenichino 1641, ohne die Kapelle ganz vollendet zu haben. Sein römischer Konkurrent Giovanni Lanfranco vollendete sie: er ließ die vorhandenen Kuppelfresken wieder abschlagen und malte ein himmlisches Paradies.

Die verheerenden Katastrophen des 17. Jahrhunderts wie der Vesuvausbruch von 1631 fanden ihren Niederschlag in der Kunst und wurden von Künstlern wie Mattia Preti und Carlo Coppola reflektiert. Keine zehn Jahre nach der blutigen Zerschlagung des vom Fischer Masaniello angezettelten Aufstandes wütete 1656 die Pest in Neapel. Ihr fielen fast die Hälfte der Einwohner, darunter auch viele Künstler, zum Opfer.

Getümmel und Gemetzel
Schlachtengemälde fußen im 17. Jahrhundert auf einer langen Bildtradition, die auf die Frührenaissance zurückgeht. Maßgeblich für die Komposition waren Vorbilder wie Leonardo, Raffael und Pierin del Vaga, sowie Poussin und Rubens. Beliebte Bildthemen waren zumeist konkrete, literarisch überlieferte Schlachten wie die Amazonenschlacht oder auch biblische Schlachten. Unter diesen ragt die im alttestamentarischen Buch Josua (10. 12–13) erzählte Schlacht der Israeliten gegen die Amoriter vor Gibeon heraus. Unter der Führung König Josuas konnte die Einnahme der mit den Israeliten verbündeten Stadt Gibeon verhindert werden. Mit Gottes Hilfe gelang es Josua, den Lauf von Sonne und Mond anzuhalten, um die Feinde Israels verfolgen und schließlich vernichten zu können. Giacomo del Pò lässt Josua als Heeresführer aus dem Schlachtengetümmel herausragen und mit seinem Schwert auf die Sonne zeigen. Die Episode hatte im 17. Jahrhundert nicht nur erbaulichen Charakter. Vielmehr wurde sie als biblischer Beweis dafür angesehen, dass sich die Sonne um die Erde drehe und nicht umgekehrt, wie dies Galileo Galilei richtig propagiert hatte.
Luca Giordanos Amazonenschlacht rekurriert auf die sagenumwobene kriegerische Kraft der Amazonen und setzt sich mit Rubens berühmtem Bild auseinander. In einem weiteren Gemälde wird die der Legende zufolge aus Syrien stammende Semiramis ebenfalls als Feldherrin gezeigt. Beide Gemälde stammen vermutlich aus einem Zyklus, der von Marie-Louise von Orléans (1662–1698), der Gemahlin Karls II, bei Luca Giordano bestellt worden und für Spanien bestimmt war.

Luca Giordano: Schnellmaler mit vielen Gesichtern
Luca Giordano stieg zum führenden Repräsentanten der neapolitanischen Barockmalerei auf. Sein hohes Maltempo trug ihm den Beinamen „Luca fa presto“ (Luca mach schnell) ein, sein OEuvre ist aufgrund dieser sprichwörtlichen Produktivität nur schwer zu überschauen und der Anteil der zahlreichen Schüler und Mitarbeiter sehr schwer zu bestimmen.
Er vermochte sich bestens in die Personalstile (maniere) anderer Künstler einzufühlen und sie ebenso täuschend nachzuahmen wie frei zu paraphrasieren oder zu kombinieren. So zeigt der Heilige Sebastian (Prag, Nationalgalerie), dass sich der junge Luca Kompositionen und Darstellungsmittel seines zeitweiligen Lehrers Ribera virtuos zu Eigen gemacht hat. Dagegen wird in Christus und die Ehebrecherin (Bremen, Kunsthalle) die Referenz auf venezianische Vorbilder besonders deutlich, zudem verraten das spannungsgeladene Helldunkel und die ökonomisch gemalte Architekturkulisse auch seine Kenntnis von Pretis Halbfigurenkompositionen der 1650er Jahre. In Tarquinius und Lucretia (Neapel, Capodimonte) ein ebenso dramatisches wie betont sinnlich inszeniertes Kabinettstück, hat der Maler seinem Biographen zufolge seine Ehefrau Margherita Dardi posieren lassen.
Giordano öffnete der heimischen Schule einen neuen Horizont, indem er vielfältigste Anregungen anderer Kunstzentren aufgriff und höchst eigenständig verarbeitete. Auf seinen Reisen nach Rom, Venedig, Florenz und schließlich auch Madrid trat er nicht zuletzt in einen regen Austausch mit den dortigen Sammlern. Seine Gemälde waren europaweit gefragt und durch seinen Erfolg am spanischen Königshof stand seinem Schaffen tatsächlich ein ganzes Weltreich offen.

Francesco Solimena – Malerfürst unter Fürsten
Nach dem Tod Giordanos 1705 stieg Francesco Solimena zum führenden Maler Neapels auf. Seine Werke wurden an den Höfen von Madrid, Turin und Wien ebenso geschätzt wie von deutschen, französischen und englischen Sammlern. Dabei hat Solimena Neapel kaum verlassen, er verzichtete auf strapaziöse Reisen und konzentrierte sich von seiner Heimatstadt aus auf den Versand von Leinwandgemälden, wobei er die Auftragsbedingungen mit seinen Patronen schriftlich oder über Mittelsmänner verhandelte. Er galt als kapriziöser Geschäftspartner, der nicht nur exorbitante Preise für seine Werke verlangte, sondern diese auch erst nach langer Zeit und auf zusätzliche Ermunterung durch Geschenke oder Gefälligkeiten hin fertigstellte – wenn er denn überhaupt lieferte.
Solimenas Bildsprache steht unter dem Vorzeichen der vornehmen Eleganz und der würdevollen Affektkontrolle. Seine Werke zeichnen sich durch wunderbare Figurengruppen voller Erhabenheit und die Erlesenheit verschiedener und schöner Farben aus. Gezielt erarbeitete sich Solimena eine Bildsprache, die dem zeitgenössischen Kunstgeschmack, insbesondere den Vorstellungen aristokratischer Auftraggeber, perfekt entsprach. Während der fast drei Jahrzehnte andauernden österreichischen Vizeregentschaft entstammten die wichtigsten Auftraggeber für Solimena dem Wiener Hofadel. So wurde der bereits 77-jährige Solimena nach dem Ende des Vizeregnums im Jahr 1734 vom neuen König Karl III. von Bourbon sofort mit einem großen Repräsentationsgemälde betraut. Im Königreich Neapel konnte sich der Meister einen Status als autonomer „Fürst unter allen lebenden Malern“ erarbeiten.

Solimena und die Werkstätten in Neapel
Francesco Solimenas Kompositionen waren so erfolgreich, dass er zusammen mit seiner Werkstatt noch Jahrzehnte später Repliken herstellte. Dazu zählt auch Der Abschied der Rebekka, eine Komposition, die in mehreren Zeichnungen und Varianten überliefert ist. Zwei Fassungen gehen hier auf ein verlorenes größeres Original zurück, das Solimena für die venezianische Familie Baglioni geschaffen hatte, während die Variante aus Ajaccio als Entwurf zu eben jenem Gemälde aus Venedig anzusehen ist. Das Gemälde nahm eine herausragende Stellung innerhalb der Sammlung ein und wurde auf 500 Dukaten geschätzt. Das bemerkenswerte Format der Leinwand und die hohe Zahl an wiederzugebenden Motiven und Details erforderte die Hilfe eines Schülers.
Mit Francesco Solimena vollzog sich in der Tradition neapolitanischer Zeichenkunst abermals eine entscheidende Wende. Er hatte zunächst in der Werkstatt Francesco de Marias gearbeitet, der die Freiheiten von Preti und Giordano leidenschaftlich ablehnte. Solimena bevorzugte folglich einen akribisch vorbereiteten Kompositionsprozess von Zeichnungen, Modellen und Ölskizzen und wiederholte auch einzelne, einmal sorgfältig ausgearbeitete Figuren in unterschiedlichen Kompositionszusammenhängen mehrfach. Seine höchst systematische Arbeitsweise gab er in Form einer strukturierten und disziplinierten Ausbildung an seiner eigens begründeten ‚Academia‘ an zahlreiche Schüler weiter.

Künstlerliste der Ausstellung Caravaggios Erben Barock in Neapel

Giovanni Battista Beinaschi (1636-1688)
Agostino Beltrano (1607-1656)
Andrea Belvedere (um 1652-1732)
Domenico Giovanni Campiglia
Giovanni Battista Caracciolo, genannt Battistello (1578-1635)
Giuseppe Cesari, gen. Il Cavalier d’Arpino (1568-1640)
Carlo Coppola (tätig in Neapel um 1653-1665)
Belisario Corenzio (um 1558 – um 1646)
Francesco Curia (um 1560/65-1608)
Domenico Zampieri gen. Domenichino (1581 – 1641)
Aniello Falcone (1607-1656)
Baldassare Farina (1651-1700)
Paolo Domenico Finoglia (um 1590-1645)
Francesco Fracanzano (1612-1656)
Domenico Gargiulo, gen. Micco Spadaro (1609-um 1675)
Artemisia Gentileschi (1593-1653)
Luca Giordano (1634-1705)
Francesco Guarino (1612-1654)
Gerrit van Honthorst (1592-1656)
Giovanni Lanfranco (1582-1647)
Andrea di Leone (1610-1685)
Alessio de Marchis (1684-1752)
Nicola Malinconico (1663-1726/27)
Francesco di Maria (um 1623-1690)
Paolo de Matteis (1662-1728)
Meister der Verkündigung an die Hirten
The Metropolitan Master (tätig um 1650)
Francesco de Mura (1696-1782)
Filippo d’Angeli gen. Napoletano (um 1590-um 1639)
Teodoro Filippo di Liagno, genannt Filippo Napoletano (1589/91–1629/30)
Pietro Novelli (Il Monrealese) (1603-1647)
Giacomo del Po (1654-1726)
Paolo Porpora (1617-75)
Mattia Preti (1613-1699)
Giuseppe Recco (1634-1695)
Jusepe de Ribera (1591-1652)
Pacecco de Rosa (1607-1656)
Salvator Rosa (1615-1673)
Giuseppe Ruoppolo (um 1631-1710)
Fabrizio Santafede (um 1560-1635)
Johann Heinrich Schönfeld (1609-1684)
Francesco Solimena (1657-1747)
Massimo Stanzione (1585-1656)
Matthias Stomer (1600-nach 1652)
Andrea Vaccaro (1604-1670)
Lorenzo Vaccaro (1655-1706)
Gaspar van Wittel bzw. Gaspare Vanvitelli (1652/3-1736)
Bernardo Cavallino (1616-1656)
Filippo Vitale (1585-1650)
Simon Vouet (1590-1647)

Leihgeberliste

Leihgeberlist der Ausstellung Caravaggios Erben Barock in Neapel

Ajaccio, Palais Fesch-musèe des Beaux-Arts
Ariccia, Palazzo Chigi in Ariccia
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung und Museum Byzantinische Kunst
Berlin, Bibliothek des KHI
Berlin, Gemäldegalerie
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
Bremen, Kunsthalle
Budapest, Museum der Bildenden Künste
Columbus, Ohio, Museum of Art
Darmstadt, Hessisches Landesmuseum
Dresden Staatliche Kunstsammlungen, Gemäldegalerie Alte Meister
Düsseldorf, Museum Kunstpalast, Graphische Sammlung
Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi
Florenz, Palazzo Pitti
Florenz, Uffizien
Frankfurt, Shiraz
Frankfurt, Städel Museum
Frankfurt, Städel Museum, Graphische Sammlung
Freising, Diözesan-Museum
Grenoble, Musée des Beaux-Arts
Hamburg, Kunsthalle, Kupferstichkabinett
Hannover, Landesmuseum
Karlsruhe, Kunsthalle
Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister
Konstanz, Wessenberg-Galerie
Kopenhagen, Statens Museum for Kunst
Leipzig, Museum der Bildenden Künste Leipzig
Mainz, Landesmuseum
München, Bayrische Staatsgemäldesammlungen
München, Staatliche Graphische Sammlung
Napoli, Chiesa di Santa Maria delle Grazie a Caponapoli (in deposito al Museo di Capodimonte)
Neapel, Museo di Capodimonte
Neapel, Museo Nazionale di San Martino
New York, Federico Castelluccio Collection USA
Olmütz, Erzbistum
Olmütz, Kunstmuseum
Opocno Castle, National Heritage Institut
Opocbo/Dobris, Leihgabe aus der Sammlung der Fürsten von Colloredo-Mannsfeld,
Opocno/Dobris – Tschechien
Oslo, Nasjonalgallerit
Paris, Louvre
Paris, Louvre, Départment des Arts Graphiques
Prag, Nationalgalerie
Rohrau, Graf Harrach´sche Familiensammlung
Salzburg, Residenzgalerie
Stettin, Nationalmuseum
Stuttgart, Staatsgalerie
Stuttgart, Staatsgalerie, Graphische Sammlung
Warwickshire, Compton Verney
Wien, Akademie der Bildenden Künste
Wien, Graphische Sammlungen Albertina
Wien, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie
Wiesbaden, Museum Wiesbaden
Windsor Castle, THE ROYAL COLLECTION / HM QUEEN ELIZABETH II
Worms, Kunsthaus Stiftung Heylshof

Führungen und Veranstaltungen zur Ausstellung

Führungen
Sa 15 Oktober 15:00 Uhr
So 16 Oktober 15:00 Uhr
Di 18 Oktober 18:00 Uhr
Sa 22 Oktober 15:00 Uhr
So 23 Oktober 15:00 Uhr
Di 25 Oktober 18:00 Uhr
So 30 Oktober 15:00 Uhr
Di 1 November 18:00 Uhr
So 6 November 15:00 Uhr
Sa 12 November 15:00 Uhr
So 13 November 15:00 Uhr
Sa 19 November 15:00 Uhr
Di 22 November 18:00 Uhr
So 27 November 15:00 Uhr
Di 29 November 18:00 Uhr
Sa 3 Dezember 15:00 Uhr
Sa 10 Dezember 15:00 Uhr
Di 13 Dezember 18:00 Uhr
Sa 17 Dezember 15:00 Uhr
Di 20 Dezember 18:00 Uhr
Mo 26 Dezember 15:00 Uhr
Di 27 Dezember 18:00 Uhr

KunstPausen
Mi 19 Oktober 12:15 Uhr Artemesia Gentileschi
Mi 26 Oktober 12:15 Uhr Francesco Solimena
Mi 16 November 12:15 Uhr Mattia Preti
Mi 21 Dezember 12:15 Uhr Giovanni Battista Caracciolo

Vorträge
Di 25 Oktober 19:00 Uhr Caravaggio –Magier des Lichts Lesung mit Wilma-Maria Estelmann; Wiesbaden
Do 10 November 19:00 Uhr Kritzel und Kürzel: Formen des Flüchtigen im zeichnerischen Werk von Luca Giordano
Vortrag mit Dr. Heiko Damm, Mainz
Do 15 Dezember 19:00 Uhr
Künstler, Kirchen, Kardinäle: Künstlerkonkurrenz im barocken Neapel
Vortrag mit Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra

Konzert
Di 1 November 19:00 Uhr
Praesens spielt barocCover Sa 10 Dezember Uhr
Weihnachtskonzert in Kooperation mit dem Italienischen Kulturinstitut in Köln

Film
Sa 5 November 20:00 Uhr
Die Caligari FilmBühne zeigt im Rahmen der Ausstellung Caravaggios Erben – Barock in Neapel den Film Caravaggio von Derek Jarman
Do 19 Januar 2017 20:00 Uhr 1
Die Caligari FilmBühne zeigt im Rahmen der Ausstellung Caravaggios Erben – Barock in Neapel den Film Artemisia mit einer Begrüßung durch Dr. Peter Forster.

Kunst&Kuchen
Do 10 November 15:00 Uhr
Caravaggios Erben – Barock in Neapel
Do 8 Dezember 15:00 Uhr
Caravaggios Erben – Die Grafiken

60+
Di 15 November 15:00 Uhr
Art After Work
Di 15 November 19:00 Uhr
„Im hellen Schein“ – Caravaggios Erben

Vermittlungsangebote für Kinder und Familien
Sa 22 Oktober 11:00 – 13:30 Uhr
Museumswerkstatt für Kinder:
„Ereignisreich, dramatisch, wild“, Zeichnerische Annäherungen an Werke des Barock
So 20 November 11:00-14:00 Uhr
Offenes Atelier für Kinder und Familien

Vermittlungs- und Führungsangebote für Schulklassen

AB SEKUNDARSTUFE I
Interaktive Führung: Gemetzel, Blut und Heiliges Theater
Durch Methoden des kreativen Schreibens werden Zugänge zu den barocken Bildwelten ermöglicht. Die eigenständige Wahl eines Werkes und seiner Figuren ermöglicht das Formulieren von eigenen Fragestellungen seitens der Schülerinnen und Schüler. Botschaften und Themen dieser hoch dramatischen Epoche wie Leben und Tod, Armut und Reichtum, pralles Leben und schmerzhaftes Martyrium werden erarbeitet und im gemeinsamen Dialog erfahren.

Workshop: Drama, Liebe, Leidenschaft — Spiel dein Bild!
In Kooperation mit der Theaterwerkstatt im Hessischen Staatstheater Wiesbaden

Gemäß der barocken Vorstellung vom „Leben als Theater“ war das gemeinsame Ziel von Malerei und Theater, die Betrachter wie die Zuschauer davon zu überzeugen, dass das Dargestellte vor ihren Augen Wirklichkeit wird. Szenisches Theaterspiel zu ausgewählten Bildern der Ausstellung Caravaggios Erben mit Priska Janssens (Theaterpädagogin).
Mittels des japanischen Erzähltheaters (Kamishibai) werden Bilder lebendig. Zeichnungen führen zu Handlungen, eine Geschichte entsteht.
DO 10:00—12:30 oder nach Vereinbarung

Führung mit Workshop: … und ständig Mord und Totschlag!

Nach einem Ausstellungsrundgang und Zeichnen vor den Originalen werden die für den Barock typischen, theatralen Bildkompositionen entschlüsselt. Mit Requisiten und in Kleingruppen wird im Atelier eine barocke Bildkomposition entwickelt, die Positionen der Personen werden eingenommen und fotografisch als nachgestelltes Barockbild festgehalten.

Führung: Artemisia Gentileschi und ihre Geschichte
Ausgehend von dem Werk Judith und Holofernes wird die Biografie der Künstlerin und ihre Rolle in der Entwicklung der Malerei des Barocks beleuchtet und nachvollziehbar.

Interaktive Führung: Frisuren, Schmuck und schöne Kleider
Die Ausstellung umfasst neben 100 malerischen Arbeiten eine Vielzahl herausragender und qualitativ hochwertiger Zeichnungen
und Drucke. Diese sind beeindruckende Beispiele zur Auseinandersetzung mit dem Medium der Zeichnung und darüber hinaus ebenso mit Aspekten der Kleidung im Zeitalter des Barocks. Genaues zeichnerisches Erforschen von Details und des Umgangs mit Licht und Schatten in der Kunst des Barocks werden erkundet und dadurch anschaulich.

Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄335 2250, Fax 0611 ⁄335 2192
www.museum-wiesbaden.de
museum@museum-wiesbaden.de

Öffnungszeiten
Mo geschlossen Di, Do 10:00—20:00 Uhr Mi, Fr—So 10:00—17:00 Uhr An Feiertagen 10:00—17:00 Uhr geöffnet. Auch Ostermontag und Pfingstmontag geöffnet.

Eintritt Sonderausstellung* 10,— Euro (7,— Euro) * Eintritt in die Sonderausstellungen beinhaltet den Besuch der Sammlungen. Familienangebot: Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre in Begleitung ihrer Eltern freier Eintritt. Weitere Ermäßigungen und Tarife für Gruppen unter www.museum-wiesbaden.de ⁄preise

Verkehrsanbindung PKW und Reisebusse:
A 66, Abfahrt Wiesbaden-Erbenheim, Richtung Stadtmitte, Parkhaus Rheinstraße Bahn: Zum Hbf Wiesbaden mit DB und S1, S8 und S9 aus Richtung Frankfurt und Mainz. Vom Hbf 10 min Fußweg zum Museum Linienbusse: Rheinstraße und Wilhelmstraße

Service
Schwellenfreier Zugang links des Haupteingangs. Ausleihbare Rollstühle, Buggies und Sitzhocker im Foyer. Museumsshop: Fon 0611 ⁄ 335 2251

 

Hessischer Kulturpreis 2016 geht an Tamar Halperin und Andreas Scholl

kurhaus-650Ministerpräsident Volker Bouffier: „Außergewöhnliche Künstler,
die großes internationales Ansehen genießen“

Countertenor Andreas Scholl und die Pianistin Tamar Halperin aus Kiedrich im Rheingau-Taunus-Kreis sind die Preisträger des Hessischen Kulturpreises 2016. Die Auszeichnung ist mit 45.000 Euro der höchstdotierte Kulturpreis der Bundesrepublik Deutschland. Er wird am 4. November 2016 im Wiesbadener Kurhaus verliehen.

„Andreas Scholl ist ein herausragender Sänger, der sein Publikum mit seiner außergewöhnlichen Interpretationskunst und seiner klaren Stimme bezaubert. Als Countertenor hat er international Karriere gemacht und singt in den großen und bedeutenden Konzertsälen dieser Welt. Gemeinsam mit seiner israelischen Ehefrau Tamar Halperin baut er musikalische und kulturelle Brücken. Sie hat sich als Pianistin und Cembalistin ebenso wie ihr Ehemann der Barockmusik verschrieben, begeistert aber ebenso mit klassischem und zeitgenössischem Repertoire“, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier. „Tamar Halperin und Andreas Scholl genießen großes internationales Ansehen und tragen als Botschafter für Hessen zum guten Ruf des Landes bei. Ich freue mich sehr darauf, diesen hervorragenden Künstlern den Hessischen Kulturpreis zu überreichen.“

Über den Hessischen Kulturpreis:
Der Kulturpreis wurde in Anerkennung besonderer Leistungen in Kunst, Wissenschaft und Kulturvermittlung das erste Mal 1982 verliehen. Dazu gehören neben der Literatur auch bildende Künste, Musik, Film, Wissenschaft und Leistungen in der Vermittlung von Kultur. Der oder die Preisträgerinnen und Preisträger werden von einem Kuratorium ausgewählt. Im Kuratorium, dessen Vorsitz der Hessische Ministerpräsident innehat, sind neben dem Hessischen Minister für Wissenschaft und Kunst, Boris Rhein, folgende Persönlichkeiten vertreten:

  • Jürgen Engel, Architekt, Frankfurt am Main
  • Susanne Gaensheimer, Kuratorin und Direktorin des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt
  • Michael Herrmann, Intendant Rheingau Musik-Festival
  • Bernd Leifeld, ehemaliger Geschäftsführer der documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs­GmbH
  • Michael Quast, Schauspieler, Kabarettist, Regisseur
  • Hans Sarkowicz, Leiter Ressort hr2 Kultur und Bildung
  • Dr. Gerhard Stadelmaier, Redakteur und Theaterkritiker im Feuilleton der FAZ
  • Prof. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt am Main

 

Höhepunkt der Feierlichkeiten zu „70 Jahre Hessen“ Staatsminister Axel Wintermeyer: „In Dankbarkeit und mit Fröhlichkeit feiern wir eine 70-jährige Erfolgsgeschichte

Staatsminister Axel Wintermeyer (2.v.r.) u. Landtagspräsident Norbert Kartmann (mitte hinten) präsentieren mit Medienpartnern wie u.a.: Wiesbadener Kurier (li. Stefan Schröder), HR Redakteurin F. Holzer, FFH-Chef, Bildzeitung, Herrn Roth u. a. das Programm zu den Jübiläumsfeierlichkeiten 70Jahre Hessen. Foto: Diether v. Goddenthow
Staatsminister Axel Wintermeyer (2.v.r.) u. Landtagspräsident Norbert Kartmann (Mitte hinten) präsentieren mit Medienpartnern  u.a.: Wiesbadener Kurier (li. Stefan Schröder), HR Redakteurin F. Holzer, FFH-Chef, Bildzeitung, Herrn Roth u. a. das Programm zu den Jübiläumsfeierlichkeiten 70Jahre Hessen. Foto: Diether v. Goddenthow

Die Feierlichkeiten zum Jubiläum „70 Jahre Hessen“ steuern ihrem Höhepunkt entgegen. Das abwechslungsreiche Veranstaltungsjahr mündet in die zentralen Feierlichkeiten am 30. November und 1. Dezember 2016. An diesem Tag wird dem Inkrafttreten der Verfassung und damit der offiziellen Gründung des Landes am 1. Dezember 1946 gedacht. Das Festprogramm hat der Chef der Hessischen Staatskanzlei, Staatsminister Axel Wintermeyer, heute gemeinsam mit Landtagspräsident Norbert Kartmann im Wiesbadener Staatstheater vorgestellt. Das Theater war 1946 Tagungsort des Beratenden Landesausschusses, der die Weichen für den demokratischen Aufbau des neuen Landes gestellt hat.

„Die Bildung des Landes Hessen durch die amerikanische Militärregierung am 19. September 1945, nur vier Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung vom Nationalsozialismus, war ein Akt, der mit einem immensen Vertrauensvorschuss verbunden war – des Vertrauens in die Fähigkeiten der Bürgerinnen und Bürger, sich vom Ungeist der Vergangenheit zu lösen und eine freie, mitmenschliche Gesellschaft und ein demokratisches, rechtsstaatliches Land aufzubauen. Die US-Amerikaner haben damit die helfende Hand ausgestreckt, die die Bürgerinnen und Bürger dankend annahmen und sich mit einer Volksabstimmung am 1. Dezember 1946 eine neue Verfassung gaben – das demokratische Land Hessen war geboren. Der Beginn einer bemerkenswerten Landesgeschichte“, erinnerte Staatsminister Wintermeyer.

In der Zeit nach dem Krieg begann das noch junge und aus vielen Abschnitten neu gebildete Land seine Identität zu entwickeln. Einen gewichtigen Anteil daran hatten die eine Million Vertriebenen und Flüchtlinge, die bis 1950 nach Hessen kamen – rund ein Drittel der damaligen Bevölkerung. Schon 1946 konnten Alt- wie Neubürger das erste Mal frei per Volksentscheid wählen. Die Bevölkerung entschied sich für die Annahme der Verfassung und damit auch, das ‚Groß‘ aus ‚Hessen‘ zu streichen und dem Land seinen heutigen Namen zu geben. Es entwickelte sich in der Folgezeit zur ‚Apotheke der Welt‘, zum bedeutenden Finanzzentrum und zum florierenden, geografischen Mittelpunkt der Europäischen Union. „Hessen hat sich in den sieben Jahrzehnten zu einer der stärksten Regionen Europas entwickelt. Das ist auch das Ergebnis unbändigen Fleißes, von Kreativität und Forschungsdrang und nicht zuletzt von politisch gestellten Weichen. Trotz schier unlösbarer Herausforderungen boten diese auch immer die Chance, das Land weiterzuentwickeln und dabei die Zukunftsfähigkeit zu sichern und zu gestalten. Die überaus positive Entwicklung der vergangenen 70 Jahre hat deutlich gezeigt, dass Hessen ein Land der Vorreiter ist, die Aufgaben auf neuen und manchmal auch ungewöhnlichen Wegen angehen und bewältigen. Hessen ist heute ein stolzes und starkes Land, und, was besonders wichtig ist, ein Land, in dem die Menschen gerne leben. Und deshalb ist der 70. Geburtstag nicht nur Anlass in Dankbarkeit auf die historischen Entwicklungen und Herausforderungen zurückzuschauen, sondern auch Anlass zur Freude“, so der Staatsminister.

Der Präsident des Hessischen Landtags Norbert Kartmann erinnerte daran, dass sich vor siebzig Jahren die ersten der im Nachkriegsdeutschland neu geschaffenen Länder eine eigene Verfassung gaben und damit den Grundstein für die Demokratie und den föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland gelegt haben. „Am 1. Dezember 1946 wurde aber nicht nur in einer Volksabstimmung die Landesverfassung angenommen, sondern es wurde auch der erste Hessische Landtag gewählt. Die Hessen waren erstmals nach dem Krieg aufgerufen, ein frei gewähltes Parlament zu bestimmen. Das war die Geburtsstunde der Demokratie und des Parlamentarismus in Hessen. Wir freuen uns auf die Feierlichkeiten zu diesem besonderen Geburtstag“, sagte Landtagspräsident Kartmann.

Die zentralen Feierlichkeiten werden unter dem Motto ‚Zukunft braucht Herkunft‘ von der Landesregierung am Verfassungstag, dem 1. Dezember, mit einem Gottesdienst in der Wiesbadener Marktkirche und einem Festakt im Staatstheater Wiesbaden veranstaltet. Der Tag zuvor, 30. November, beginnt mit der Verleihung der Wilhelm Leuschner-Medaille an den früheren Bischof von Mainz, Karl Kardinal Lehmann, im Schloss Biebrich. Anschließend kommt der Hessische Landtag zur Sondersitzung „70 Jahre Hessen“ zusammen. Am Abend gibt es eine große Geburtstagsfeier im Kurhaus der Landeshauptstadt. Mit Musik und Tanz können Bürgerinnen und Bürger die vergangenen 70 Jahre in Hessen mit den prägendsten Momenten noch einmal erleben und feiern. Die Eintrittskarten für die Abendveranstaltung werden von Zeitungen, Hörfunk- und Fernsehsendern verlost. Ein Feuerwerk vor dem Kurhaus und ein Festkonzert des Hessischen Staatstheaters runden die Feierlichkeiten ab.

„Wiesbaden eignet sich besonders für die zentrale Feier, wurde hier doch an zahlreichen historischen Orten die Gründung Hessens forciert und ermöglicht. In den Räumen zu feiern, an denen Hessens Geschichte geschrieben und maßgeblich beeinflusst wurde, ist der richtige Rahmen, um den Geburtstag des Landes mit möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam begehen zu können“, sagte Wintermeyer im Wiesbadener Staatstheater.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.70Jahre.Hessen.de.

Programm der Feierlichkeiten

30. November 2016

10.00 – 13.00 Uhr Festakt zur Verleihung der Wilhelm Leuschner-Medaille,
Schloss Biebrich

14.00 – 16.00 Uhr Sondersitzung des Hessischen Landtags anlässlich der Feierlichkeiten zu „70 Jahre Hessen“,
Hessischer Landtag

19.30 – 00.30 Uhr Geburtstagsparty,
Kurhaus Wiesbaden – alle Bürger sind eingeladen. Die 1700 Karten werden über die Medienpartner verlost.

1. Dezember 2016

09.30 – 10.30 Uhr Gottesdienst,
Marktkirche Wiesbaden

11.30 – 13.00 Uhr Festakt mit anschließendem Empfang,
Staatstheater Wiesbaden

18.30 – 18.45 Uhr Abschlussfeuerwerk,
auf dem Bowling Green vor dem Kurhaus Wiesbaden

19.30 Uhr Sondervorstellung des Hessischen Staatstheaters:
Festkonzert „70 Jahre Hessen“, Staatstheater Wiesbaden

Ausstellungseröffnung „Romantik in Hessen“ im Ministerium für Wissenschaft und Kunst Wiesbaden

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein lässt sich von Fotograf Kilian Schönberger die Bilder der Ausstellung "Romantik in Hessen" zeigen. © kunst.hessen.de
Kunst- und Kulturminister Boris Rhein lässt sich von Fotograf Kilian Schönberger die Bilder der Ausstellung „Romantik in Hessen“ zeigen.
© kunst.hessen.de

Ausstellungseröffnung „Romantik in Hessen“

Die hessische Landesregierung möchte das Erbe der Romantik in Hessen erlebbarermachen. Dazu war in den vergangenen Monaten Kilian Schönberger, einer der bedeutendsten Naturfotografen Deutschlands, in Hessen unterwegs und hat die romantischen Orte unseres Bundeslandes neu in Szene gesetzt. Das Ergebnis seiner Arbeit gibt es nun in einer Foto-Ausstellung zu sehen. Wissenschafts- und Kunstminister Boris Rhein eröffnet die Foto-Ausstellung, zu der auch interessierte Bürgerinnen und Bürger eingeladen sind, und stellt gemeinsam mit Fotograf Kilian Schönberger sowie den Romantik-Experten Dr. Peter Forster vom Museum Wiesbaden und Dr. Inken Formann von der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen die neue „Romantik in Hessen“-Broschüre vor.

Freitag, den 16. September 2016, um 11:00 Uhr,
im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Schalterhalle,
Rheinstraße 23-25, 65185 Wiesbaden.

Jubiläums-Löwe ziert das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst

Foto © massow-picture
Foto © massow-picture

Wiesbaden. Staatssekretär Ingmar Jung hat eine lebensgroße Löwen-Statue als Symbol für 70 Jahre Hessen in Empfang genommen. Der blaue Löwe mit bunter Mähne macht vor dem Hauptportal des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst in der Rheinstraße 23-25 auf das Jubiläumsjahr des Landes aufmerksam.

Staatssekretär Ingmar Jung: „Wir freuen uns, 70 Jahre Landesgeschichte mit den Hessinnen und Hessen zu feiern. Unser Wappentier, der hessische Löwe, zeigt sich für diesen Anlass von seiner farbenfrohen Seite. Er spiegelt das bunte Hessen wider und ist ein wunderbarer Botschafter für die abwechslungsreiche Veranstaltungsreihe rund um das Hessen-Jubiläum. Nun blickt er auch den Besucherinnen und Besuchern unseres Hauses entgegen.“

Die Skulptur wirbt an markanten Plätzen in Hessen für die vielen Aktionen, mit denen das Land sein Jubiläum feiert. Insgesamt werden zwanzig Löwen aufgestellt. Sie begrüßen Besucher und Passanten zum Beispiel auf dem Universitätscampus in Frankfurt, im Frankfurter Zoo, vor dem Hessischen Rundfunk und vor den Regierungspräsidien Kassel, Gießen und Darmstadt. Seit ein paar Tagen bildet ein weiterer Löwe neben dem Haupteingang des neuen Besucherzentrums am Niederwalddenkmal ein beliebtes Fotomotiv.

Der Künstler Dieter Boger schuf den Löwen 2005 anlässlich des Hessentags in Weilburg. Für 70 Jahre Hessen hat er ihn mit einem neuen, farbenprächtigen Anstrich aufgefrischt. Die Feierlichkeiten sind mit dem Beginn des Hessentags in Herborn am 20. Mai gestartet und enden mit dem offiziellen Festakt am 1. Dezember 2016 in Wiesbaden. Ein Höhepunkt ist dabei der „Tag der offenen Tür der Landespolitik“, der Einblicke in die Arbeit der Landesregierung und der Landeshauptstadt gibt. Insgesamt können die Hessinnen und Hessen das Jubiläum mit mehr als 150 Veranstaltungen, Ausstellungen und Kunstprojekte im ganzen Land feiern.

„Das Jubiläum ist ein Fest für die Menschen des Landes. Ich lade alle Hessinnen und Hessen ein, mitzufeiern – gern auch mit einem Besuch bei unserem Löwen“, so Staatssekretär Ingmar Jung abschließend.

Umfangreiches Programm mit rund 150 Einzelveranstaltungen

Um das umfangreiche Programm mit rund 150 Einzelveranstaltungen in ganz Hessen abzubilden, ist ein gut 180 Seiten starkes Programmheft entstanden. Das Heft mit allen Terminen ist ab dem 13. Mai in gedruckter Form in einer Auflage von 35.000 Stück erhältlich und ab sofort online unterwww.70Jahre.Hessen.de zu finden.