Kategorie-Archiv: Buchkultur

Bewerbungsfrist für den Hessischen Verlagspreis ist der 15. März 2024

© Foto: Diether von Goddenthow
© Foto: Diether von Goddenthow

Wiesbaden. Das Land schreibt erneut den Hessischen Verlagspreis aus und rückt so einen wichtigen Zweig der Literaturförderung in den Mittelpunkt. Bewerben können sich alle unabhängigen Verlage mit Firmensitz in Hessen und einem jährlichen Umsatz unter zwei Millionen Euro. Der Preis wird gemeinsam mit dem Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. vergeben. Er ist insgesamt mit 27.000 Euro dotiert: Verliehen werden ein Hauptpreis mit einem Preisgeld von 20.000 Euro und ein Sonderpreis mit einem Preisgeld von 7.000 Euro für einzelne Komponenten eines Verlagsprogramms.

„Verlage geben Geschichten ein Zuhause – ob zwischen Buchdeckeln oder auf dem E-Reader. Aber vor allem sind Verlage und Bücher wichtige Stützen unserer Demokratie“, so Kunst- und Kulturminister Timon Gremmels. „Sie ermöglichen die eingehende Auseinandersetzung, Basis einer jeden Diskussion, und erlauben uns, den Dingen auf den Grund zu gehen. Umso glücklicher können wir uns schätzen, in Hessen eine so vielfältige Verlagslandschaft zu besitzen. Mit dem Hessischen Verlagspreis möchten wir sie und ihre kulturelle sowie gesellschaftliche Bedeutung in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Ich danke dem Landesverband des Börsenvereins für die enge Zusammenarbeit und ermutige Hessens Verlage, sich mit ihren herausragenden Programmstrategien, Autorinnen- und Autorenpflege zu bewerben.“

Lothar Wekel, Vorsitzender des Landesverbandes Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland des Börsenvereins, ergänzt: „Nach den letzten Krisenjahren gezeichnet von Corona und den immer noch anhaltenden Kriegen in Europa und dem Nahen Osten ist es für unsere Demokratie im Land so wichtig, dass viele Stimmen gehört, dass viele Haltungen diskutiert und dass viele Perspektiven abgewogen werden können. Dafür steht die vielfältige Verlagswelt auch hier in Hessen. Umso wichtiger und in seiner Bedeutung gewachsen ist in diesem Zusammenhang der Hessische Verlagspreis. Er lässt ausgewählten Verlagen jene Unterstützung und Ehrung zukommen, die für ihre Arbeit so wichtig ist, und spornt andere Verlage an, nicht nachzulassen in allen Bemühungen, nachhaltig zu sein, innovativ und inhaltlich ambitioniert. Daher darf ich unseren herzlichen Dank an das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur aussprechen, für diese langjährige Kontinuität danke sagen und auch unsere Hoffnung an Minister Timon Gremmels richten: Bitte führen Sie dieses wichtige Engagement weiter und lassen Sie uns diese Ehrungen auch mit neuen Ideen anreichern.“

Bis zum 15. März 2024 sind Bewerbungen möglich. Dabei stehen die Verlagsstrategie und das Gesamtprogramm im Mittelpunkt, nicht einzelne Bucherfolge oder bekannte Autoren. Die Ausschreibung richtet sich an alle Verlagssparten wie Belletristik, Lyrik & Sachbuch, Fachbuch & Wissenschaft sowie Kunst- & Regionalbuch.

Die Bewerbungsunterlagen können auf der Website des Landesverbandes Hessen Rheinland-Pfalz, Saarland des Börsenvereins abgerufen werden. Mehr Informationen zur hessischen Literaturförderung gibt es auf kunst.hessen.de/kultur-erleben/literatur. Weitere Informationen zum Bewerbungsverfahren erteilt der Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Carl Zuckmayer-Medaille 2024 an Schriftsteller und Schauspieler Matthias Brandt verliehen

Ministerpräsidentin Malu Dreyer ehrt Matthias Brandt mit der Carl Zuckmayer Medaille im Mainzer Staatstheater - © Foto: Diether von Goddenthow
Ministerpräsidentin Malu Dreyer ehrt Matthias Brandt mit der Carl Zuckmayer Medaille im Mainzer Staatstheater – © Foto: Diether von Goddenthow

Wir kennen Matthias Brandt insbesondere als Kommissar Hanns von Meuffels aus dem Polizeiruf oder jüngst als Martin aus dem ARD-Silvester-Special „Kurzschluss“. Dass Matthias Brandt auch ein hervorragender Schriftsteller ist, Hörbücher einliest und als musikalischer Wortkünstler mit eigenen Bühnenprogrammen unterwegs ist, ist weniger geläufig. Für seine Verdienste um die deutsche Sprache hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer den Schauspieler und Schriftsteller Matthias Brandt am 18. Januar 2024 bei der Feierstunde im Mainzer Staatstheater vor 800 Gästen aus Kultur, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft mit der Carl-Zuckmayer-Medaille 2024, der höchsten Kulturauszeichnung des Landes Rheinland-Pfalz, ausgezeichnet.  

Ministerpräsidentin Malu Dreyer. © Foto: Heike  von Goddenthow
Ministerpräsidentin Malu Dreyer. © Foto: Heike von Goddenthow

Die Ministerpräsidentin würdigte Matthias Brandt bei der Preisverleihung als herausragenden Künstler, der die Vielfältigkeit des Lebens mit seinen Worten und seiner Schauspielkunst zum Leuchten bringe. „Das Menschliche bekommt durch seine Kunst die ganz große Bühne. Als brillanter Schauspieler, als feinsinniger Schriftsteller und als hochmusikalischer Wortkünstler setzt Matthias Brandt wichtige gesellschaftliche Themen. Er bringt die Sprache zum Klingen und folgt dabei seinem eigenen Rhythmus. Er zeigt uns, wie man eine Botschaft vermittelt und Menschen berührt, ohne laut oder schrill zu sein“, sagte die Ministerpräsidentin.

„Jeder und Jede, der sich mit der Kunst von Matthias Brandt beschäftigt, spürt, wie aufrichtig er an den Menschen interessiert ist und wie unvoreingenommen er die Welt um ihn herum beobachtet. Die Zuckmayer-Fans unter uns wissen, dass genau darin das Verbindende zwischen ihm und Carl Zuckmayer liegt. Auch der rheinhessische Dramatiker lenkte durch seine Stücke unseren Blick auf den Menschen in einem bestimmten System“, so die Ministerpräsidentin.

Matthias Brandt spreche mit seinen Augen und den Pausen zwischen seinen Sätzen. Er vermöge es wie wenige andere, seiner Stimme eine Klangfarbe zu geben, die unter die Haut gehe. Genauso wie die gesellschaftlichen Themen und die Personen, die er mit seiner Schauspielkunst in den Mittelpunkt rücke. „Es ist mir eine große Ehre, ihm die Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz zu verleihen“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Talk

Moderatorin und Sängerin Carlotta Hein. Schauspielerin am  Staatstheater Mainz. © Foto: Diether von Goddenthow
Moderatorin und Sängerin Carlotta Hein. Schauspielerin am Staatstheater Mainz. © Foto: Diether von Goddenthow

Carlotta Hein, Schauspielerin am Mainzer Staatstheater, eröffnete den Abend mit dem wunderbar interpretierten Song“These days” von Nico, führte pointiert durch‘s Programm und den Talk mit Malu Dreyer und Matthias Brandt über die Bedeutung von Sprache, Schauspiel und – tagesaktuell – über die Gefahren von Rechts. Dabei sagte die Ministerpräsidentin: „Heute, wo in Mainz und in ganz Deutschland Demonstrationen gegen Rechtsextremismus stattfinden, möchte ich ganz klar aussprechen: Stoppt die Brandstifter, stoppt die Feinde der Demokratie. In einer Zeit, in der Rechtsextremisten ganz offen die Menschenwürde und das demokratische Gleichheitsversprechen in Frage stellen, ist es mir ein besonderes Anliegen, an alle zu appellieren, die eigene Stimme für Demokratie und Menschlichkeit zu nutzen. Es ist gut, dass es Künstler wie Matthias Brandt gibt, die der Menschlichkeit eine eigene Sprache schenken“, so Malu Dreyer. Auch der Preisträger bekundete seine Solidarität mit den Demonstrantinnen und Demonstranten. Eine große Mehrheit der Bevölkerung will mit Rechtsradikalen nichts zu tun haben und diese Mehrheit zeigt das jetzt auch. Deswegen ist es großartig, dass Mainz heute auf die Straße geht“, sagte Matthias Brandt.

Carlotta Hein im Gespräch mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Matthias Brandt. © Foto: Heike  von Goddenthow
Carlotta Hein im Gespräch mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Matthias Brandt. © Foto: Heike von Goddenthow

Carlotta Hein las im Anschluss daran aus Matthias Brandts Werk »Raumpatrouille« eine herrlich absurde Geschichte über den 7jährigen Jungen, der bei Vorbereitungen einer Zauber-Performance für die Familie während pyrotechnischen Erstversuche mit Streichhölzern an einer Gardine zu seinem Erstaunen einen Zimmerbrand auslöste, und in seiner ihn lähmenden Erschütterung darüber in allerletzter Minute von seiner Mutter gerettet wurde.

Helge Malchow – Brandts Geschichten  zeigen  die Brüchigkeit und tiefe Unsicherheit der menschlichen Existenz auf

Laudator Helge Malchow vom Verlag Kiepenheuer & Witsch, langjähriger Wegbegleiter, Freund und Lektor der Bestseller „Blackbird“ und „Raumpatrouille“ © Foto: Heike  von Goddenthow
Laudator Helge Malchow vom Verlag Kiepenheuer & Witsch, langjähriger Wegbegleiter, Freund und Lektor der Bestseller „Blackbird“ und „Raumpatrouille“ © Foto: Heike von Goddenthow

„Matthias Brands Grenzgänge zwischen diesen beiden Welten ‚Schauspieler‘ und ‚Schriftsteller‘“ seien „schwindelerregend und dauerten schon ein Leben lang“, unterstrich Helge Malchow, Brandts früherer Verleger, Wegbegleiter und Lektor vom Verlag Kiepenheuer & Witsch, in seiner Laudatio. Brandts beide Werke „Raumpatrouille“ ( 2016) und „Blackbird“ (2019) wurden zu Bestsellern.

„Raumpatrouille“ ist ein berührender, wunderbarer Geschichtenband, „atmosphärisch genau, durch die Augen eines Kindes erzählt, dessen Vater gerade Bundeskanzler ist“, aus einer Zeit, „die für uns heute Vergangenheit ist“, der „frühen 1970er Jahre der alten Bundesrepublik, als in den Straßenbahnen noch die letzten Kriegsversehrten saßen, und an den Bushaltestellen der Polizeistationen die ersten RAF-Fahndungsplakate hingen“, als die Hauptstadt noch „unsere kleine am Rhein war“, und „in der ZDF-Hitparade ‚Mami Blue‘ von Ricky Shayne den Song der Jugend vorgab und die Zukunft ein romantisches Versprechen war, nicht nur wegen der Mondlandung im Juli 1969“, so Helge Malchow. Als Beispiel las er aus Brandts Band die Geschichte „Alles anders“. In dieser imaginiert der 10jährige Kanzlersohn unter anderem, wie er seinem Lieblings-Wachmann in einem unbemerkten Moment die Dienstpistole entwendet, um diesem bei Rückkehr vom Toilettengang einen gehörigen Schreck einzujagen. Aber plötzlich bohrt sich ein absurder Gedanke in den Kindskopf: „Was, wenn ich wirklich schoss“, „danach“, heißt es, „würde alles anders sein“.

Mit diesem Moment, so Malchow, „plötzlich würde alles anders sein“ habe „die Geschichte ein geheimes Thema gesetzt, das alle 14 Erzählungen des Bandes bis zum Schluss durchzieht“. Es gibt die Welt der gepflegten Ordnung, der Schutzräume in der Familie. „Und dann“, so Malchow,“ gibt es einen Moment, in dem plötzlich alles anders sein könnte: Ganz anders, indem eine Katastrophe denkbar wird, indem etwas die Ordnung der Welt durchbricht.“ Es sei, wie es der slowenische Philosoph Slavoj Žižek einmal nannte, so der Laudator, „der Einbruch des Realen in die Realität“. DSCF1234-raumpatroulie-matthias-brandt-250-(c)-diether-von-goddenthowDieser Moment könne, so Malchow, in den Erzählungen unterschiedlichste Gestalt annehmen: „eine Krankheit, eine Gewalttat auf dem Schulhof, ein Fahrradunfall des Vaters, eine brutale Fußballniederlage oder ein veritabler Zimmerbrand“. Brandt lässt den Jungen sagen: „Dieser Moment war der schrecklichste, den ich bisher erlebt hatte. Er war viel angsteinflößender als das Feuer. Denn es bröckelte jene Gewissheit, die das Fundament meines bisherigen Lebens gewesen war.“

Wie auch bei anderen großen Erzählern von Franz Kafka bis Heinrich Böll ereigneten sich in Brandts Geschichten unerwartete Erschütterungen, etwa Erlebnisse von Abschied, Schmerz, Ängsten, Aufbruch oder Liebe, „durch die eine unwiederbringliche Wandlung“ eintrete, „und uns auf die Brüchigkeit und tiefe Unsicherheit der menschlichen Existenz“ verwiesen, so Malchow.

Die kunstvolle erzählerische Doppelbelichtung aus unmittelbarem Erleben und Gegenwartsblick in allen seinen Erzählungen erlaube es Matthias Brandt im Übrigen, so Malchow, „diese zugleich zu einer Meditation über sein Lebensthema zu machen, das ihn vermutlich bis in seinen Schauspielerberuf getragen hat.“ Wenn der Junge in der titelgebenden Erzählung zum Astronauten werde, in einer anderen zu einem Zauberkünstler, zum Feuerwehrhauptmann, zum Briefträger oder zum Fußball-Torwart, lebe er „in einer Welt des Dazwischen. Er ist er selbst, und er ist es nicht“, und darin, so Malchow, erlebten wir „hier eine tiefe Sehnsucht nach Identitätswechseln, nach zweiten oder dritten Lebenswegen, um sich dem Verhängnis der Eindeutigkeit zwischen Geburt und Tod zu entziehen.“ Brandt, dessen Widerwille gegen Demagogie, und Alleswisser und Selbstbeweihräucherung sich ebenfalls wie ein roter Faden durch sein Werk ziehe, schenke uns eine Idee von Freiheit, „die uns auch als Erwachsenen stärkt“. Brandt Romane wären „ein Trainingsprogramm gegen Besserwisserei und für die hohe Kunst der Neugier“, übrigens auch gegen die Verschiedenheiten sogenannter Identitätspolitik, in der immer schon alle alles wissen, und alles feststeht: Wer sind die Opfer, wer sind die Täter“, so der Laudator“.

DSCF1235-blackbird---matthias-brandt-250-(c)-diether-von-goddenthowMatthias Brandts Romandebüt „Blackbird“ (2019), in dem Helge Malchow Parallelen zu J.D. Salingers „Fänger im Roggen“ erkennt, ist eine ergreifende turbulente Coming-of-Age-Geschichte eines 15jährigen, eine Lebensreise mit all den Umbrüchen in der Pubertät. Sie lässt uns „durch die Sprache, durch das Erzählen das Vergehen der Zeit spüren, „dem wir alle unterworfen sind“. Der Zeitfluss ist aber auch „der Strom, den wir Leben nennen, und der uns selbst als Leser rebellisch werden lässt“. J.D. Salingers habe in seinem Leben nur wenige Bücher – einen Roman und zwei kleinbändige Erzählungen – veröffentlich; da wäre „eine kleine Lücke, die Matthias Brandt noch füllen“ könne, „wenn es sich ergebe“, ermunterte Helge Malchow abschließend seinen Freund.

Dank des Preisträgers – zwischen Lampenfieber und die Lust am Sichzeigen

Matthias Brandt: "Eineinhalb Stunden gelobt werden. Meinetwegen könnte das so weitergehen" © Foto: Heike  von Goddenthow
Matthias Brandt: „Eineinhalb Stunden gelobt werden. Meinetwegen könnte das so weitergehen“ © Foto: Heike von Goddenthow

Matthias Brandt, sichtlich gerührt über die Herzlichkeit und Wärme, mit der er im Mainzer Staatstheater empfangen, geehrt und gelobt wurde nahm mit Freude und Stolz die Carl Zuckmayer-Medaille an, insbesondere jedoch, wie er in seinen Dankesworten darlegte, „stellvertretend für den jungen und ungelenken Schauspieler, der ich vor ein paar Jahrzehnten war vor einem Auftritt: schlotternd vor Angst, der wirklich nicht wusste, ob er den Schritt auf die Bühne überstehen würde, und der ihn trotzdem machen musste.“ Als Brandt ganz am Anfang, als junger Schauspieler auf der Bühne oder vor einer Kamera stand, tobte in ihm, wie er verriet, „ein heftiger Kampf zwischen zwei Kräften. Ich wollte mich unbedingt zeigen, und gleichzeitig verkriechen. Mal überwog das Sichzeigen – nein, aber damals meistens der Wunsch, unsichtbar zu sein.“ Als scheuer Mensch, der er bis heute geblieben sei, so Brandt, sei ihm Abend für Abend schlecht vor Lampenfieber gewesen, bis zu dem Moment, als „mir klar wurde, dass sich in diesem inneren Spannungsfeld zwischen diesen beiden Polen alles abspielt, was ich mache“, verriet der Preisträger, der vor allem auch das „Missverhältnis von Innen- und Außenwahrnehmung“ recht „abenteuerlich“ empfände. Denn er wisse nicht, „ob er denjenigen, den andere in mir sehen, wie er hier beschrieben“ wurde, auf der Straße bei einer Begegnung erkennen würde, so Brandt.

Aber eigentlich stünde er nicht deswegen auf der Bühne oder vor der Kamera, und „ich schreibe nicht deswegen meine Geschichten auf, um andere zu unterhalten, was bei „Gelingen“ ein schöner Nebeneffekt sei, „Sondern, ich mache das, um mich selbst dadurch besser zu verstehen, mich und die anderen“. Über den Umweg der Geschichten anderer Menschen, so Brandt, käme er sich näher. Schon als Kind habe er bei jeder Begegnung den Drang verspürt, „mein Gegenüber zu sein“. Ihn habe stets der Gedanke beherrscht, wenn er durch „das Leben, das ich lebe“,  zwangsläufig „hunderte, tausende andere Leben nicht“ leben könne, „die ja auch denkbar wären.“ „Solche Gedanken können einen schon ganz schön durcheinanderbringen, es sei denn, man suche sich einen Beruf, der sich unter anderem mit diesen unzähligen Lebens- und Persönlichkeits-Varianten beschäftigt“. Matthias Brandt liebt es „Schauspielerinnen und Schauspielern zuzuschauen, die mich in ihr Inneres schauen lassen, und mir dadurch die Möglichkeit geben, in mein Inneres zu schauen.“. Das sei auch für ihn letztlich der eigentliche Grund, „weswegen Menschen Bücher schreiben, oder Theater spielen, Musik machen, oder Filme drehen“. Sie ermöglichen uns hierdurch Menschen zu sehen und zu hören „in ihrer Not, ja auch in der komischen Erscheinungsform, und wir teilen Empfindungen mit ihnen“, was sehr tröstlich sei:. „Von dem Moment an, als ich endlich lesen gelernt, und mein erstes eigenes Buch in die Hand gedrückt bekommen hatte, war ich nie wieder allein.“

v.l.n.r.: Laudator Helge Malchow, Carl-Zuckmayer - Medaillen-Träger Matthias Brandt und Ministerpräsidentin Malu Dreyer. © Foto: Diether von Goddenthow
v.l.n.r.: Laudator Helge Malchow, Carl-Zuckmayer – Medaillen-Träger Matthias Brandt und Ministerpräsidentin Malu Dreyer. © Foto: Diether von Goddenthow

Wegen seines Bundeskanzlervaters Willy Brandt hänselten Mitschüler, die den „Quatsch aus der Bildzeitung nachplapperten“, den 11jährigen Matthias mit Anfeindungen wie „Volksverräter zu sein“. Da Norwegisch seine Muttersprache war, „die Sprache meiner Innenwelt“, musste sich Matthias Brandt die – anfangs als von Gewalt, Kälte und Teilnahmslosigkeit durchsetzt empfundene – deutsche Sprache, „die Sprache seiner Außenwelt“, erst erobern, sie „zu meiner Sprache machen“, und eine andere Seite „an ihr entdecken, ihre Musik und Schönheit, vor allem aber den Humor finden“, erinnert sich der Preisträger. Dieser Weg, „eine weitere Schwelle zu überschreiten“, bedeutete für ihn, mutiger zu sein, „als ich es in Wirklichkeit“ war. Aber „ich wollte ja Freundinnen und Freunde finden“ ,“ihre Geschichten hören und ihnen meine erzählen, von den ‚Verrückten und seitlich Umgeknickten‘, wie einer meiner Vorgänger als Preisträger, der große Hans Dieter Hüsch, mal gedichtet hat.“, versteht Brandt rückblickend seinen Weg. Deswegen waren die anfängliche „Fremdheit und die Widerstände, denen ich begegnete“, kein dauerhaftes Hindernis. Im Gegenteil, wäre man versucht zu resümieren: All die turbulenten ungewöhnlichen Lesenserfahrungen haben Matthias Brandt erst zu der großartigen vielschichtigen, inspirierenden Künstler- Persönlichkeit gemacht, die er ist.

(Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Carl Zuckmayer-Medaille

Bühnenszene zur Verleihung der Carl Zuckmayer Medaille im Großen Haus des Staatstheaters Mainz. © Foto: Diether von Goddenthow
Bühnenszene zur Verleihung der Carl Zuckmayer Medaille im Großen Haus des Staatstheaters Mainz. © Foto: Diether von Goddenthow

Die Carl-Zuckmayer-Medaille wird vom Land Rheinland-Pfalz seit 1979 jährlich, am 18. Januar, dem Todestag Carl Zuckmayers, an Persönlichkeiten vergeben, die sich um die deutsche Sprache in besonderer Weise verdient gemacht haben. Die Verdienste der Preisträger und Preisträgerinnen werden mit einer individuell gestalteten Kulturveranstaltung im Mainzer Staatstheater gewürdigt. Zu dem Preis gehört eine vom Künstler Otto Kallenbach geschaffene Medaille sowie ein 30-Liter-Fass mit Nackenheimer Riesling, dem Lieblingswein Carl Zuckmayers.
Trägerinnen und Träger der Carl-Zuckmayer-Medaille sind:
Günther Fleckenstein (1979), Werner Hinz (1980), Georg Hensel (1982), Friedrich Dürrenmatt (1984), Ludwig Harig (1985), Dolf Sternberger (1986), Tankred Dorst (1987), Günter Strack (1988), Hanns Dieter Hüsch (1989), Martin Walser, Adolf Muschg, André Weckmann (1990), Albrecht Schöne (1991), Hilde Domin (1992), Hans Sahl (1993), Fred Oberhauser (1994), Grete Weil (1995), Mario Adorf (1996), Katharina Thalbach (1997), Harald Weinrich (1998), Eva-Maria Hagen (1999), Peter Rühmkorf (2000), Mirjam Pressler (2001), Herta Müller (2002), Monika Maron, Wolf von Lojewski (2003), Edgar Reitz (2004), Thomas Brussig (2005), Armin Mueller-Stahl (2006), Udo Lindenberg (2007), Bodo Kirchhoff (2008), Volker Schlöndorff (2009), Emine Sevgi Özdamar (2010), Hans Werner Kilz (2011), Uwe Timm (2012), Doris Dörrie (2013), Dieter Kühn (2014), Bruno Ganz (2015), Sven Regener (2016), Joachim Meyerhoff (2017), Yoko Tawada (2018), Robert Menasse (2019), Maren Kroymann (2020), Nora Gomringer (2021), Rafik Schami (2022), Nino Haratischwili (2023).

XXIX. Mainzer Kolloquium: Versteigert, verramscht, entsorgt – Analysen zum Markt für gebrauchte Bücher

 © Foto: Diether von Goddenthow
© Foto: Diether von Goddenthow

Mainzer Kolloquium rückt aktuellen Markt für gebrauchte Bücher in den Mittelpunkt

Das XXIX. Mainzer Kolloquium am 26. Januar 2024 stellt den aktuellen Markt für gebrauchte Bücher in den Mittelpunkt. Was passiert mit dem gebrauchten Buch? Wird es versteigert, verramscht, entsorgt? Das Kolloquium fragt nach den Veränderungen, die durch zahlreiche Möglichkeiten des Onlinehandels in den vergangenen Jahren ausgelöst wurden. Betroffen sind sowohl der Handel mit dem wertvollen Buch als Sammelobjekt als auch mit dem Secondhand-Buch als preiswertem Gebrauchsgut. Das Kolloquium richtet schlaglichtartig den Blick auf Auswirkungen auf Verlage, Buchhandel und Antiquariat sowie auch auf die veränderte Buchnutzung durch das Käuferpublikum.

Wann: Freitag, 26. Januar 2024, 9-16 Uhr
Wo: Johannes Gutenberg-Universität Mainz – Atrium maximum, Johann-Joachim-Becher-Weg 5, 55128 Mainz

Veranstalter: Gutenberg-Institut für Weltliteratur und schriftorientierte Medien / Abteilung Buchwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Programmflyer: https://www.buchwissenschaft.uni-mainz.de/files/2024/01/Programm-2024-rev.pdf
Webseite: https://www.buchwissenschaft.uni-mainz.de/2024/01/18/mainzer-kolloquium-am-26-01-2024/


Anmeldung: https://www.buchwissenschaft.uni-mainz.de/anmeldung-mainzer-kolloquium-2024/

Am 15. Januar 2024 startet das Literaturhaus Frankfurt in die neue Saison

© Foto: Diether von Goddenthow
© Foto: Diether von Goddenthow

Das Literaturhaus Frankfurt startet mit einem literarischen Neujahrsempfang ins Jahr 2024. Es lädt alle Bücherwürmer, Literaturinteressierten und die, die es werden möchten, herzlich ein, teilzuhaben an dem umfangreichen, abwechslungsreichen Programm in gastfreundlicher Atmosphäre und anregender Umgebung. Für Januar und Februar stehen die Programme:

Januar
15.1. Auftakt & Neujahrsempfang mit Sachbuchpreisträger Ewald Frie und Zauberberg-Kennerin Meike Rötzer
16.1. Buchpremiere! Bodo Kirchhoff: Seit er sein Leben mit einem Tier teilt
22.1. Angelika Klüssendorf: Risse
25. & 26.1. Barbara Yelin: Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung (ab Klasse 10)
29.1. Erste Bücher: Debütabend mit Necati Öziri, Lion Christ und Astrid Ebner
30.1. Acht Orte – Acht Autor*innen mit Amanda Lasker-Berlin und Jakob Nolte im Deutschen Architekturmuseum (Ausverkauft)

Februar
1.2. Schreibzimmer 2023 – Abschlusslesung
4.2. Zeruya Shalev: Nicht ich (im Schauspiel Frankfurt)
6.2. Anja Reumschüssel: Über den Dächern von Jerusalem & Martin Schäuble: Die Geschichte der Israelis und Palästinenser (ab Klasse 7)
7.2. Wortmeldungen – Shortlistabend (die Nominierten stehen Mitte Januar fest)
14.2. Madita Oeming: Porno. Eine unverschämte Analyse
16.2. Comicnachmittag mit Tanja Esch: Boris, Babette und lauter Skelette (Auftakt zum Yippie-Comicfestival, ab 8 Jahren)
20.2. Raphaela Edelbauer & Thomas Lehr: Dave & Manfred
21.2. Gelebtes Leben. Denker der Freiheit im Porträt: Arthur Koestler
25.2. Jörg Mühle: Morgen bestimme ich! (ab 4 Jahren)
26.2. Krimiabend mit Zoë Beck: Memoria
28.2. Michael Braun-Lyriknacht mit Hinemoana Baker, Sirka Elspaß, Ulrike Almut Sandig, Jan Wagner, Uljana Wolf und Henning Ziebritzki

Weiterführende Detailinformationen finden Sie im Programm-Kalender 

Junges Literaturhaus

Das Projekt Wörtermeer bietet kulturelle Bildung für alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 5. Die Teilnahme ist dank der Förderung kostenfrei. Anmeldungen sind noch bis Ende Januar möglich.

Alle Details und weiteren Termine des Jungen Programms finden Sie über:  Junges Literaturhaus
Weitere Literaturhausprojekte:

Der Lesezirkel geht weiter; Mitglieder des Literaturhausvereins besprechen monatlich einen Roman und das seit mehr als 15 Jahren.

„Shared Reading“ findet seit 2017 und bisher mit Hunderten Lesebegeisterten Woche um Woche statt.

Das Fortbildungsprogramm „Kolleg Schöne Aussicht – Das Literaturhaus für Lehrerinnen und Lehrer“ trifft sich bereits seit 12 Jahren monatlich zum Austausch und geht auch 2024 weiter.

Karten

Das Programm für Januar bis März ist im VVK. Die Übersicht und Details finden Sie über:Programm im Literaturhaus Frankfurt

Übrigens: Alle (Streaming-)Tickets sowie das Streaming-Abo (18 Veranstaltungen für 50 Euro) sind dann auch im Webshop erhältlich: https://literaturhaus-frankfurt.reservix.de/events

Streamingtickets sind erhältlich zu 5 Euro bis Veranstaltungsbeginn über den Kartenshop buchbar und 72 h nutzbar.

Der bundesweite Vorlesetag „Vorlesen verbindet“ meldet Rekordzahlen – Landtagspräsidentin Astrid Wallmann las Wiesbadener Kindern vor

© Hessischer Landtag
© Hessischer Landtag

Laut der Initiatoren des bundesweiten Vorlesetags (Stiftung Lesen, Deutsche Bahn und ZEIT Verlagsgruppe)  bricht dieser alle Rekorde. Über eine Million Menschen seien heute beim 20.  bundesweiten Vorlesetag dabei (Börsenblatt 17. November 2023).

2004 wurde der Vorlesetag ins Leben gerufen mit dem Ziel, ein Zeichen für die Bedeutung des Vorlesens zu setzen. Am Anfang hätten sich gerade einmal 1.900 Menschen beteiligt, so die Organisatoren. Das Motto in diesem Jahr lautet: „Vorlesen verbindet“, Kitas, Schulen, Buchhandlungen und Bibliotheken machen mit. Auch zahlreiche Prominente und Politiker und Politikerinnen sind dabei, darunter die Schauspielerinnen Paula Schramm und Sonja Gerhardt, Fußballstar Thomas Müller und Sportmoderator Sven Voss . Vorlesevideos können auf YouTube sowie unter Instagram @der_bundesweite_vorlesetag und @stiftunglesen und Facebook @vorlesetag und @stiftunglesen angesehen werden.

Zum Beispiel finden heute in über 300 Bibliotheken Vorleseaktionen für Kinder und Jugendliche statt, meldet der Deutsche Bibliotheksverband (dbv).

In Wiesbaden können Jung und Alt spannenden Geschichten lauschen und an den verschiedensten Orten in andere Welten eintauchen. Die Vorleserinnen und Vorleser freuen sich schon auf Sie!

Das diesjährige Motto „Vorlesen verbindet“ stellt diesen Aspekt in den Mittelpunkt. „Ob in der Familie, der Kita oder in der Schule: Vorlesen stärkt Kinder und Jugendliche und den Zusammenhalt – auch zwischen den Generationen“, so die Hessische Landtagspräsidentin Astrid Wallmann. © Hessischer Landtag
Das diesjährige Motto „Vorlesen verbindet“ stellt diesen Aspekt in den Mittelpunkt. „Ob in der Familie, der Kita oder in der Schule: Vorlesen stärkt Kinder und Jugendliche und den Zusammenhalt – auch zwischen den Generationen“, so die Hessische Landtagspräsidentin Astrid Wallmann. © Hessischer Landtag

Prominenteste Vorleserin Hessens war Landtagspräsidentin Astrid Wallmann. Sie besuchte anlässlich des bundesweiten Vorlesetages die Kita Sonnenberg und die Sophie-und-Hans-Scholl-Schule in Wiesbaden. Den Vorschulkindern und Schülerinnen und Schülern las sie aus den Büchern „Das Sams“ von Paul Maar und aus dem Landtagskrimi „Ein rätselhaftes Erbe“ von Lois Brendel vor. „Lesen ist der Schlüssel zu Bildung und Wissen. Der Bundesweite Vorlesetag ist ein wunderbarer Anlass, die Freude am Lesen mit Kindern zu teilen und sie für die Welt der Bücher zu begeistern“, sagte Hessens Parlamentspräsidentin.

In Wiesbaden koordiniert das Freiwilligen-Zentrum die Vorlese-Aktion. Z

um Netzwerk Leseförderung gehören folgende Initiativen, Formate und Einrichtungen:

  • Bundesweiter Vorlesetag (koordiniert durch das Freiwilligen-Zentrum Wiesbaden) Info-Hotline: 0173 7958598
  • Chamäleon Lernbegleitung (Videago gUG)
  • Ehrenamt Schule (Initiative)
  • Junges Literaturhaus
  • Kinderbibliothek der Mauritius-Mediathek
  • Vorleseprojekt „Lies mit mir!“ (Träger MitInitiative e. V.)
  • Netzwerk Leseförderung Rheingau-Taunus e. V.
  • Bildungsbüro der Stadt Wiesbaden
  • Bücherkästen für Kinder und Jugendliche

Die Beteiligten pflegen einen kontinuierlichen fachlichen Austausch, organisieren Fortbildungen für Vorleserinnen sowie Lesepaten, für Leseförderer und Lesementorinnen.
Weitere Info: https://www.wiesbaden.de/leben-in-wiesbaden/bildung/netzwerk-lesefoerderung/netzwerk-lesefoerderung.php

In Mainz steht der bundesweite Vorlese-Tag unter dem Motto MAINZ LIEST BUNT. Hier werden an zahlreichen Orten und in Museen Lesungen angeboten,
siehe BUNDESWEITER VORLESETAG „MAINZ LIEST BUNT“ VOM 16.-19.11.2023 FÜR KINDER U. JUGENDLICHE / ERSTMALS AUCH IM LEIZA AM 17./18. NOVEMBER

Die 24. Wiesbadener Poetikdozentin Raphaela Edelbauer stellt sich vor – Antrittslesung und Gespräch im Literaturhaus Villa Clementine

Die österreichische Schriftstellerin Raphaela Edelbauer übernimmt im Wintersemester 2023/24 die gemeinsame Poetikdozentur der Hochschule RheinMain und des Kulturamts der Landeshauptstadt Wiesbaden.
Bei ihrer Antrittslesung widmet sich die 24. Wiesbadener Poetikdozentin ihren literarischen Anfängen und liest am Mittwoch, 15. November 2023, um 19:30 Uhr aus ihrem 2017 erschienenen Debüt „Entdecker. Eine Poetik“. Darin vermischt sie Sprache und Naturwissenschaft, verbindet große Themen wie „Minerale“, „Gravitation“ und „Zeit“ organisch miteinander und erschafft eine eigene, poetische Logik mit den Mitteln der Sprache. Die Moderation übernimmt der freie Kritiker Björn Hayer. Die Lesung findet im Literaturhaus Villa Clementine statt. Der Eintritt zu den Veranstaltungen der „Poetikdozentur: Junge Autor:innen“ ist frei, es können keine Reservierungen entgegengenommen werden. Weitere Informationen sind auf der Website des Literaturhauses unter www.wiesbaden.de/literaturhaus zu finden.

Raphaela Edelbauer, Jahrgang 1990, hat Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien studiert und ist seit 2009 literarisch tätig. Mit ihrem ersten Roman „Entdecker. Eine Poetik“ (2017) gewann sie den Hauptpreis der Rauriser Literaturtage für das beste deutschsprachige Prosadebüt. Für „DAVE“ erhielt sie 2021 den Österreichischen Buchpreis. Mit „Die Inkommensurablen“ ist sie für den Deutschen Buchpreis nominiert worden.

Die Wiesbadener „Poetikdozentur: Junge Autor:innen“ umfasst zwei Lesungen sowie zwei Vorlesungen, in denen sich die jeweilige Autorin oder der jeweilige Autor intensiv mit dem eigenen Werk befasst. Dabei können Schwerpunkte auf den Schreibprozess, biografische Hintergründe, poetologische Erklärungen oder motivische und literaturgeschichtliche Einordnungen gesetzt werden. Die Autorinnen und Autoren sind hier frei in der inhaltlichen Ausgestaltung.

Zeit und Ort:
Mi 15.11.2023, 19:30 Uhr,
Literaturhaus Villa Clementine, Frankfurter Straße 1, 65189 Wiesbaden
Eintritt frei. Es können keine Reservierungen entgegengenommen werden.
Weitere Infos unter www.wiesbaden.de/literaturhaus

Die 15. Auflage von Open Books lockt 13.000 Besucherinnen und Besucher zu Lesungen in Frankfurts Innenstadt

Tamara Štainer Debuet-Abend in der Römerhalle des Frankfurter Römers. © Alexander Paul Englert
Tamara Štainer Debuet-Abend in der Römerhalle des Frankfurter Römers. © Alexander Paul Englert

ffm. Das seit 2009 von der Stadt Frankfurt parallel zur Buchmesse veranstaltete Lesefest erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Das neue Format „Debüts im Römer“ am Freitagabend, 20. Oktober, mit 400 Zuschauerinnen und Zuschauer wird aufgrund des großen Erfolgs fortgesetzt. Der Dank der Stadt Frankfurt gilt den zahlreichen kooperierenden Verlagen sowie den gastgebenden Häusern.

113 Lesungen mit rund 170 Mitwirkenden und dies vor vollen Sälen, das war Open Books in diesem Jahr. Nach der glanzvollen Eröffnung in der Deutschen Nationalbibliothek mit dem Blauen Sofa fanden die Lesungen ab dem Buchmessen-Mittwoch, 18. Oktober, rund um den Römer statt. Das Angebot, sich bei kostenfreien Lesungen einen Überblick über die wichtigen Bücher des Herbstes zu verschaffen, wurde dankbar angenommen und zog die Buchmesse an den Abenden in die Stadt hinein. Die Büchertische des unabhängigen Buchhandels verzeichneten sehr gute Verkaufszahlen. Ebenfalls große Resonanz fanden die Gastveranstaltungen mit der Frankfurter Rundschau, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie der SWR-Bestenliste und dem Schweizer Buchpreis. Ein Abend zum Gastland Slowenien war ebenso im Programm wie eine Reihe mit Graphic Novels. Zum Abschluss fand wieder in der Deutschen Nationalbibliothek das Kinderprogramm Open Books Kids statt. Am Samstag, 21. Oktober, und am Sonntag, 22. Oktober, stellten zehn Autorinnen und Autoren gebannt lauschenden Kindern ihre neuen Bücher vor. Das Erwachsenenprogramm endete am Samstag, 21. Oktober, mit einem bunten Frankfurt-Abend in der Volksbühne am Großen Hirschgraben. Moderiert wurde er von der Leiterin von Open Books, Sonja Vandenrath, und dem Direktor der Volksbühne, Michael Quast.

Lange Schlange Literaturbegeisterter vor dem Haus am Dom. © Alexander Paul Englert
Lange Schlange Literaturbegeisterter vor dem Haus am Dom. © Alexander Paul Englert

Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig stellt für die Stadt Frankfurt fest: „Im 75. Jahr ihres Bestehens hat die Buchmesse die tiefe Verbundenheit mit der Stadt Frankfurt am Main bekräftigt. Wir sind stolz, Buchmessen-Stadt zu sein und sehen das als Verpflichtung, die Präsenz und Sichtbarkeit von Büchern auch im Stadtraum zu ermöglichen. Das städtische Lesefest Open Books, das in diesem Jahr zum 15. Mal stattfand, ist ein wichtiger Teil unseres Bekenntnisses zur Buchmesse. Ich bin glücklich über die große Resonanz und die vollen Säle mit einem buchbegeisterten Publikum aller Altersklassen. Open Books ist ein Erfolgsmodell, das die Lebendigkeit und Dynamik Frankfurts als Buch- und Literaturstadt eindrucksvoll unter Beweis stellt. Der gute Verlauf in schwierigen Zeiten ermutigt mich.“

Sonja Vandenrath, als Leiterin des Lesefestes, ergänzt: „Die Säle waren übervoll, die Stimmung bei den Lesungen sehr gut und ein aufgeschlossenes Publikum hörte den Autor:innen zu. Die Themen unserer Zeit, die in Literatur und Sachbuch verhandelt werden, wurden konzentriert und auf hohem Niveau diskutiert. Mein persönliches Highlight war unser neues Format ‚Debüts im Römer‘, bei dem in Anlehnung an die Kultveranstaltung ‚Literatur im Römer‘ acht junge Autor:innen ihre ersten Bücher vorstellten und dies im Frankfurter Rathaus vor 400 Leuten. Was für ein Beginn einer literarischen Karriere. Den Verlagen danke ich ganz herzlich für die wunderbare Zusammenarbeit.“

Aufgetreten sind Doris Knecht, Marion Poschmann, Deniz Utlu, Ilija Trojanow, Herfried Münkler, Brigitte Giraud, Rita Falk, Deborah Feldman, Gabriele von Arnim, Elke Heidenreich, Lizzie Doron, Monika Maron, Can Dündar, Terézia Mora, Hans Pleschinski, Sabine Gruber, Dana Vowinckel, Harald Welzer, Florian Illies, Vera Politkowskaja, Christopher Clark, Charlotte Gneuß, Kattie Salié, Aleš Šteger, Reinhold Beckmann, Steffen Mau, Bov Bjerg, Jeannette Walls und viele mehr.

75. Frankfurter Buchmesse endet mit 215.000 Besuchern – internationale Branchentreff beweist seine einzigartige Stellung und wird geprägt von engagiertem politischem Diskurs

Frankfurter  Buchmesse 2023 - Impression von der Agora © Foto Diether von Goddenthow
Frankfurter Buchmesse 2023 – Impression von der Agora © Foto Diether von Goddenthow

Die 75. Frankfurter Buchmesse (18.-22. Oktober 2023) hat ihre einzigartige Stellung als wichtigster internationaler Treffpunkt der Buch- und Medienbranche abermals gezeigt: Mit 105.000 Fachbesuchern (Vorjahr: 93.000) aus 130 Ländern und 110.000 Privatbesuchern (Vorjahr: 87.000) gelang der Frankfurter Buchmesse nach den beiden Coronajahren 2020 und 2021 erneut ein deutlicher Wachstumsschub. Die beiden Publikumstage Samstag und Sonntag lagen bei der Zahl der Besuche um mehr als ein Drittel über dem Jahr 2022. Mehr als 4.000 Ausstellende aus 95 Ländern präsentierten sich in den Hallen. Das früh ausgebuchte Literary Agents & Scouts Centre (LitAg) meldete mit 548 Tischen eine Rekordbelegung. Mit Rechtehändlern aus insgesamt 324 Agenturen und mit über 35.000 Eintritten war das LitAg so frequentiert wie nie zuvor. Mehr als 7.000 Medienvertretern berichteten über die gut 2.600 Veranstaltungen an den Fach- und Publikumstagen.

Bücherwürmer und Literaturfreunde stürmten an den Publikumstagen die Messestände. © Foto Diether von Goddenthow
Bücherwürmer und Literaturfreunde stürmten an den Publikumstagen die Messestände. © Foto Diether von Goddenthow

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, sagt zur Bilanz der Jubiläumsmesse: „Unsere Erfolgsformel lautet Interesse folgt Relevanz. Die Menschen kommen aus aller Welt hierher, weil sie wissen, dass für ihr eigenes Geschäft die Präsenz in Frankfurt unverzichtbar ist. Hinzu kommt die wachsende politische Bedeutung der Frankfurter Buchmesse in Kriegs- und Krisenzeiten, in denen die Verteidigung der Freiheit des Wortes umso wichtiger wird. Salman Rushdie, unser diesjähriger Friedenspreisträger, hat es heute in der Paulskirche eindringlich gesagt: Die Meinungsfreiheit gerät weltweit von allen Seiten unter Druck. Deshalb braucht es nötiger denn je die Buchmesse als internationale Plattform für den freien Austausch von Gedanken. Und nicht zuletzt spielt die persönliche Begegnung zwischen dem Lesepublikum und den Autorinnen und Autoren für uns eine immer wichtigere Rolle. Für diese Begegnungen haben wir im Jubiläumsjahr zahlreiche Angebote geschaffen, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurden. Am großen Erfolg der TikTok-Bühne erkennt man, dass die Geschichte der Buchmesse, wie es unser Jubiläumsslogan And the story goes on verspricht, tatsächlich auf neuen wie auf bewährten Wegen weitergeht.“

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, unterstreicht aus der Perspektive der Buchbranche: „Größter Handelsplatz für Bücher, begeisterndes Lesefest und Plattform für Demokratie und Meinungsfreiheit – das alles war die Frankfurter Buchmesse zum 75. Mal. Die Buchbranche hat sich auf der Buchmesse als lebendig, zukunftsgewandt und relevant gezeigt. Offene, gesellschaftliche Debatten in herausfordernden Zeiten gehörten ebenso dazu wie der Austausch über die Branchenthemen von heute und morgen.“

Diskursiver Widerhall der Weltpolitik und gesellschaftlicher Fragestellungen
Ob Klimawandel, Krise der Demokratien oder Kriege: Die internationalen Konflikte fanden einen diskursiven Widerhall auf der Messe. Der Frankfurt Pavilion war als kulturpolitische Bühne mit Debatten zum Nahost-Konflikt, zum Krieg in der Ukraine oder zum Protest der Letzten Generation sehr gut besucht. Der Wesenskern der Buchmesse als Diskursplattform zeigte sich gleich zu Beginn in Rede und Widerrede während der Eröffnungsfeier am Dienstag: Zu starken Reaktionen im Publikum und den Medien führten die Ausführungen des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek zum Nahost-Konflikt. Um die ukrainische Buchbranche trotz des russischen Angriffskriegs sichtbar zu halten und ihr internationale Solidarität zu bekunden, wurde ein 200qm Länderstand inklusive eines vielfältigen Bühnenprogramms organisiert.

Ehrengast Slowenien: positive Bilanz

Slowenischer Ehrengastpavilion auf der Frankfurter Buchmesse 2023  © Foto Diether von Goddenthow
Slowenischer Ehrengastpavilion auf der Frankfurter Buchmesse 2023 © Foto Diether von Goddenthow

Der slowenische Gastland-Pavillon auf der Messe erwies sich durch mehr als 70 Veranstaltungen mit Autoren, Dichtern und Denkern aus Slowenien und dem internationalen Literaturbetrieb als absoluter Anziehungspunkt für die Messebesucher. Mit zwei wabenförmigen Auditorien und seiner nachhaltigen Architektur brachte der Pavillon nicht nur das Ehrengastmotto „Waben der Worte“, sondern auch die slowenische Landschaft auf das Messegelände. In der Stadt Frankfurt fanden während der Messe zudem zahlreiche stark besuchte Lesungen, philosophische Debatten, Ausstellungen und ein exklusives Konzert der Band Laibach statt.

Seit Slowenien im Oktober 2022 die „GastRolle“ von Spanien übernahm, wurden bei zahlreichen Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum slowenische Autoren, Poeten, Philosophen, Künstlern und Musikeren und ihre Werke vorgestellt. Insgesamt wurden seit Beginn des Ehrengastprojekts rund 100 neue Bücher in deutscher Sprache und zahlreiche Titel in anderen europäischen Sprachen veröffentlicht. Die Ausstellung „Books on Slovenia“ auf der Messe umfasste rund 400 Titel.

Spotlight on: Die Publikumshighlights
Das Messewochenende (20-22. Oktober) bot ein Publikumsprogramm, bei dem die Besuchern internationale Bestseller-Autoren, TV-Stars und Influencern erleben konnten. Bevor Salman Rushdie am Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde, trat er gemeinsam mit Christopher Clark, Lizzie Doron, Cornelia Funke, Thomas Hettche und Amir Gudarzi bei der großen Literaturgala von ARD, ZDF und 3sat auf der Buchmesse auf. Lexi Ryan, Benjamin Lacombe, Motsi Mabuse, Guido Maria Kretschmer, Verona Pooth, SASHA und viele andere begeisterten das Publikum an der Open Stage. Im neuen „Meet the Author“-Areal hatten die Fans die Möglichkeit, u.a. Lucy Score, Rafik Schami, Elke Heidenreich, Mona Kasten und Sarah Sprinz zu begegnen.

Bekannte Autoren wie Deborah Feldman, Boštjan Gombač, Gaby Hauptmann, Axel Scheffler, Dirk Steffens und viele andere haben das Programm des BOOKFEST city 2023 in den Buchhandlungen und Bibliotheken in Frankfurt und Umgebung bereichert. Beim Frankfurt Kids Festival auf dem Messegelände und in der ganzen Stadt konnten junge Buchfans ihre Lieblingsautoren persönlich treffen, spannende Lesungen besuchen und bei Workshops und tollen Mitmachaktionen selbst kreativ werden. Tijen Onaran und Cornelia Funke sowie die Sieger des Deutschen Jugendliteraturpreises 2023 gaben sich im Frankfurt Studio die Ehre. Im Rahmen des Audio-Schwerpunkts konnten die Besucher Harry Potter-Sprecher Rufus Beck, Känguru-Chroniken-Autor Marc-Uwe Kling, Podcasterin Sophie Passmann und Entertainer Helge Schneider live erleben.

Im Rahmen des ersten TikTok Book Awards wurden die Lieblingscreatoren, – autornen, -bücher und -verlage der #BookTok Community ausgezeichnet. Anwesend waren auch bekannte Gesichter wie Otto Waalkes und Sebastian Fitzek.

Jubiläumsaktionen zur 75. Frankfurter Buchmesse
Die 75. Frankfurter Buchmesse zeichnete sich durch viele bunte Jubiläumsaktivitäten auf dem Messegelände und im gesamten Frankfurter Stadtgebiet aus. Ein besonders auffälliger Hingucker war die Aktion „75 Stühle – 75 Geschichten“. 75 Stühle erzählten per QR-Code die Geschichten von Menschen und ihrer Verbindung zur Frankfurter Buchmesse. Mit dabei waren u.a. Michel Friedman, Lina Atfah, Nina George, Volker Türk und Meron Mendel. Im Jubiläumsareal konnten die Besucher ihre persönlichen Glückwünsche hinterlassen. Auch zahlreiche Aussteller hatten sich kreative Beiträge ausgedacht, um der Frankfurter Buchmesse zum Jubiläum zu gratulieren: mit Glückwunschbannern, besonders gestalteten Bücherwänden oder großen Illustrationen am Messestand.

Fachprogramm: Künstliche Intelligenz und internationale Buchmarkt-Trends
Das internationale Fachprogramm bot Weiterbildungs-, Diskussions- und Networking-Veranstaltungen. Großen Raum nahm dabei das Thema Künstliche Intelligenz ein. Vor allem der Ruf nach Transparenz und nach einem gesetzlichen Rahmen, der die Interessen der Urheber schützt, war während der Messetage vernehmbar. Aus der Praxis berichtete Anna Soler-Pont (Pontas Literary Agency, Spanien) im Publishing Perspectives Forum: „Wir haben in unsere Verträge Klauseln über KI aufgenommen, um unsere Kunden zu schützen. Wir möchten beispielsweise, dass menschliche Stimmen unsere Hörbücher aufnehmen.“ Im Executive Talk reflektierte Nihar Malaviya, CEO von Penguin Random House: „Es geht nicht um Mensch gegen Maschine. Es geht um Menschen UND Maschinen. Wie können wir diese Technologie nutzen, um uns zu helfen?“

Die neue Frankfurt International Stage hat sich als der Ort für Veranstaltungen zu Buchmärkten und Brancheninitiativen gleich im ersten Jahr bewährt, wobei sich Asien, der lateinamerikanische Raum sowie europäische Länder besonders aktiv ins Programm eingebracht haben. Die rund 30 größtenteils englischsprachigen Panels und Vorträge zu Themen wie Metadaten, Open Access, Bildung, Independent Publishing oder Nachhaltigkeit erhielten von den internationalen Publishing Professionals viel Aufmerksamkeit.

Am Buchmesse-Wochenende übernahmen Autoren wie Georgi Gospodinow (Bulgarien), Lola Shoneyin (Nigeria), Lynn Cullen (USA) und Diaty Diallo (Frankreich) die Bühne für rund 20 verschiedene Lesungen und Gespräche. Insgesamt besuchten etwa 1.800 Personen die Veranstaltungen der International Stage. Zahlen ähnlicher Größenordnung wurden zum Beispiel aus dem Internationalen Übersetzungszentrum (Halle 4.1) gemeldet, auch die Podien des Forum Bildung (Halle 3.1) waren sehr gut besucht. Der Book-to-Screen Day am Buchmessefreitag ermöglichte einer Vielzahl an Filmschaffenden aus der ganzen Welt den Austausch mit der internationalen Buchbranche.

Alle Videoaufzeichnungen von Veranstaltungen auf der #fbm23 sind in der Mediathek und auf dem YouTube-Kanal der Frankfurter Buchmesse abrufbar.

Salman Rushdie mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2023 ausgezeichnet

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins überreichte Salman Rushdie die Urkunde des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2023 überreicht. © Foto Tobias Bohm/Börsenverein des Deutschen Buchhandels
Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins überreichte Salman Rushdie die Urkunde des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2023 überreicht. © Foto Tobias Bohm/Börsenverein des Deutschen Buchhandels

Schriftsteller Salman Rushdie wurde heute vor rund 700 geladenen Gästen in der Frankfurter Paulskirche der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Unter den Gästen waren unter anderem auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Die Laudatio hielt Daniel Kehlmann, deutsch-österreichischer Schriftsteller, Drehbuchautor, Essayist, Literaturkritiker und Dozent.

Dankesrede Salman Rushdies
In seiner Dankesrede beschreibt Rushdie die Suche und die Sehnsucht nach Frieden, der aber, so sagt er, schwer zu schaffen und schwer zu finden sei: „Und doch sehnen wir uns danach, nicht nur nach dem großen Frieden am Ende eines Krieges, sondern auch nach dem kleinen Frieden in unserem eigenen privaten Leben, ein Leben in Frieden mit uns selbst und unserer kleinen Welt.“

In seiner Rede fährt er fort: „Hier sind wir nun versammelt, um über Frieden zu sprechen, wo doch gar nicht weit fort ein Krieg tobt, ein der Tyrannei eines einzelnen Mannes und seiner Gier nach Macht und Eroberung geschuldeter Krieg, ein trauriges Narrativ, dem deutschen Publikum nicht unbekannt. Und in Israel und dem Gazastreifen ist noch ein bitterer Konflikt explodiert. Frieden will mir im Augenblick wie ein dem Rauch der Opiumpfeife entsprungenes Hirngespinst vorkommen.“

Rushdie appelliert in seiner Rede daran, nicht aufzuhören, sich für den Frieden einzusetzen und plädiert dafür, dass „der Friede, so mühselig er auch zu finden ist, so unmöglich es scheinen mag, ihn zu bewahren, dass er, dieses so schwer zu bestimmende Etwas, trotz alledem zu unseren großen Werten zählt, die es leidenschaftlich zu verfolgen gilt“.

Auch über die Freiheit spricht Salman Rushdie, die – so habe er lernen müssen – „eine gleich starke und widersetzliche Reaktion der Kräfte der Unfreiheit provozieren kann.“ Er sagt weiter: Wir leben in einer Zeit, von der ich nicht geglaubt habe, sie erleben zu müssen, eine Zeit, in der die Freiheit – insbesondere die Meinungsfreiheit, ohne die es die Welt der Bücher nicht gäbe – auf allen Seiten von reaktionären, autoritären, populistischen, demagogischen, halbgebildeten, narzisstischen und achtlosen Stimmen angegriffen wird, eine Zeit, in der sich Bildungseinrichtungen und Bibliotheken Zensur und Feindseligkeit ausgesetzt sehen; in der extremistische Religionen und bigotte Ideologien beginnen, in Lebensbereiche vorzudringen, in denen sie nichts zu suchen haben. Und es gibt sogar progressive Stimmen, die sich für eine neue Art von bien-pensant Zensur aussprechen, eine Zensur, die sich den Anschein des Tugendhaften gibt und die viele, vor allem junge Menschen, auch für eine Tugend halten. Von links wie rechts gerät die Freiheit also unter Druck, von den Jungen wie den Alten. Das hat es so bislang noch nicht gegeben und wird durch neue Kommunikationsformen wie das Internet noch komplizierter, da gut gemachte Webpages mitsamt ihren böswilligen Lügen gleich neben der Wahrheit stehen, weshalb es vielen Menschen schwerfällt, das eine vom anderen zu unterscheiden. Außerdem wird in unseren sozialen Medien Tag für Tag die Idee der Freiheit missbraucht, um dem Mob online das Feld zu überlassen, wovon die milliardenschweren Besitzer dieser Plattformen profitieren und was sie zunehmend in Kauf zu nehmen scheinen.“

„Was aber tun wir in Sachen Meinungsfreiheit, wenn sie auf derart vielfältige Weise missbraucht wird? Wir sollten weiterhin und mit frischem Elan machen, was wir schon immer tun mussten: schlechte Rede mit besserer Rede kontern, falschen Narrativen bessere entgegensetzen, auf Hass mit Liebe antworten und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich die Wahrheit selbst in einer Zeit der Lügen durchsetzen kann. Wir müssen sie erbittert verteidigen und sie so umfassend wie möglich definieren, was natürlich heißt, dass wir die freie Rede auch dann verteidigen, wenn sie uns beleidigt, da wir die Meinungsfreiheit sonst überhaupt nicht verteidigen würden. Verlegerinnen und Verleger gehören zu den wichtigsten Wächtern der Meinungsfreiheit.“

Laudatio von Daniel Kehlmann

Daniel Kehlmann beschreibt in seiner Laudatio Salman Rushdie als das „Gegenteil eines weltabgewandten Menschen (…): Was immer in der gärenden Substanz des Weltgeistes geschieht. Er nimmt es vor uns anderen wahr“ und transformiere es „manchmal in offensichtlicher, manchmal auf geheime und nur ihm selbst nachvollziehbare Weise, in Kunst.“ Der Künstler, Humorist und Sätzeschmied sei „unbestritten einer der großen Erzähler der Literaturgeschichte, der vielleicht wichtigste Verteidiger der Freiheit von Kunst und Rede in unserer Zeit – vor allem aber ein weiser, neugieriger, heiterer und gütiger Mensch und somit der würdigste Träger, den es für diese Auszeichnung, die ja als Friedenspreis ausdrücklich nicht nur künstlerische, sondern auch humanistische Größe auszeichnet, überhaupt hätte geben können.“

Rede von Karin Schmidt-Friderichs
Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins, sieht in Rushdie einen Menschen, „der trotz all dem, was ihm widerfahren ist, seine Stimme erhebt und für die Freiheit des Denkens und des Wortes eintritt. Einen Menschen, dem wir weise Worte und Denkanstöße verdanken. Einen Menschen, der mit seinen fiktionalen Geschichten der Realität den Spiegel vor Augen hält. Einen Menschen, von dem wir lernen können, was Mut ist.“

Grußwort von  Mike Josef

Der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef nennt Rushdie ein Vorbild, das die Werte des Paulskirchenparlaments in die Welt getragen habe: „Der Friedenpreis hat hier seine Heimat gefunden, weil die Paulskirche den Werten der demokratischen Bestrebungen seit 1848 ein Zuhause gibt. Werten wie Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit, Frieden und Demokratie. Das Leben und Schaffen des heutigen Preisträgers steht symbolisch für diese Werte Frieden und Meinungsfreiheit.“

Seit 1950 vergibt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Preisträger*innen waren unter anderem Sebastião Salgado, Albert Schweitzer, Astrid Lindgren, Václav Havel, Jürgen Habermas, Susan Sontag, Liao Yiwu, Navid Kermani, Margaret Atwood, Aleida und Jan Assmann und im vergangenen Jahr Serhij Zhadan. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

Grußworte, Laudatio und Dankesrede über: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Das Buch mit allen Reden der Preisverleihung ist ab dem 20. November 2023 im Buchhandel oder beim MVB-Kundenservice unter kundenservice@mvb-online.de erhältlich (ISBN: 978-3-7657-3442-7, 19,90 Euro).

Schriftstellerin und Moderatorin Thea Dorn erhält auf der Buchmesse den Julius-Campe-Preis 2023 des Hoffmann und Campe Verlags

Die preisgekrönte Schriftstellerin und Moderatorin Thea Dorn, seit 2020 alleinige Gastgeberin des Literarischen Quartetts im ZDF erhielt im Frankfurt Pavilion auf der Frankfurter Buchmesse des Julius Campe-Preise 2023 des Hoffmann und Campe Verlags. © Foto Diether von Goddenthow
Die preisgekrönte Schriftstellerin und Moderatorin Thea Dorn, seit 2020 alleinige Gastgeberin des Literarischen Quartetts im ZDF erhielt im Frankfurt Pavilion auf der Frankfurter Buchmesse des Julius Campe-Preise 2023 des Hoffmann und Campe Verlags. © Foto Diether von Goddenthow

Der Julius-Campe-Preis, den der HOFFMANN UND CAMPE Verlag verleiht, geht in diesem Jahr an die Schriftstellerin und Moderatorin Thea Dorn. Der Preis wurde am 20.10.2023 im Frankfurt Pavilion auf der Frankfurter Buchmesse verliehen von Tim Jung, Verlegerischer Geschäftsführer von Hoffmann und Campe in Beisein des Verlegers Thomas Ganske, Inhaber der Ganske Verlagsgruppe (Hoffmann u Campe, Gräfe und Unzer, Jahreszeiten usw.) Die Laudatio hielt der Publizist Deniz Yücel, Vorsitzender des Pen-Berlin. . Der Preis ist mit 99 Flaschen edlen Weins und des bei HOFFMANN UND CAMPE erschienenen Faksimiles des Manuskripts der »Französischen Zustände« Heinrich Heines dotiert.

Tim Jung, Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlages überreicht Thea Dorn die Preisurkunde mit folgendem Text (Auszug): "Als heutige Gastgeberin des Literarischen Quartetts bietet Thea Dorn der Literatur eines der wichtigsten öffentlichen Foren und leistet damit einen entscheidenden Beitrag für das kulturelle Leben in Deutschland, für Meinungsvielfalt und für einen offenen Diskurs, der für den Erhalt der Demokratie unverzichtbar ist ...", © Foto Diether von Goddenthow
Tim Jung, Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlages überreicht Thea Dorn die Preisurkunde mit folgendem Text (Auszug): „Als heutige Gastgeberin des Literarischen Quartetts bietet Thea Dorn der Literatur eines der wichtigsten öffentlichen Foren und leistet damit einen entscheidenden Beitrag für das kulturelle Leben in Deutschland, für Meinungsvielfalt und für einen offenen Diskurs, der für den Erhalt der Demokratie unverzichtbar ist …“, © Foto Diether von Goddenthow

Der Preis, so Jung, werde an Persönlichkeiten und Institutionen verliehen, die sich auf herausragende Weise literaturkritische und literaturvermittelnde Verdienste erworben haben. Als heutige Gastgeberin des Literarischen Quartetts böte Thea Dorn der Literatur eines der wichtigsten öffentlichen Foren und leiste damit einen entscheidenden Beitrag für das kulturelle Leben in Deutschland für Meinungsvielfalt und für einen offenen Diskurs, der für den Erhalt unserer Demokratie unverzichtbar sei, sagte Jung. In Zeiten schwindender Toleranz und einer zunehmend deformierten Debattenkultur stehe Thea Dorn für einen Austausch von Meinungen, Sichtweisen und Ideen, der den Idealen der Aufklärung folge: „Sie ermöglicht es einem großen Publikum, an einem Gespräch über Literatur teilzuhaben, dessen elementarer Wert für unsere Gesellschaft in Orientierung, Erkenntnis, gegenseitiger Akzeptanz und einem tieferen Verständnis unserer Welt besteht“, so der HoCa-Geschäftsführer. Im Rahmen Ihrer Sendung praktiziere Thea Dorn eine tolerante Streitbarkeit. Literatur sei ihr nicht nur Anlass zum Disput, sondern sie sorge, wie Hamburgs Kultursenator Dr. Carsten Brosda seinem Buch „Die Kunst der Demokratie“ einmal schrieb, „für fortwährende lebendige Aufbegehrung, bei der die Vernunft in der Vielheit ihrer Stimmen liegt“.

Jung kritisiert Schließung von Goethe-Instituten und Literatursendungen im ÖRR
Wir lebten in Zeiten, in denen Austausch und Verständigung, das Suchen und Finden von Brücken über Terror, Kriege, Staatsgrenzen und Denkhorizonte hinweg gleich notwendiger denn je seien. Ausgerechnet in solch einer Zeit, in der Brückenbauen über Denkhorizonte hinweg zu bauen, oft so schwer vorstellbar wäre, „müssen wir gemeinsam erleben, dass es das Auswärtige Amt für eine gute Idee hält, Goethe-Institute zu schließen, und wir erleben auch, wie innerhalb der ARD der Bayerische Rundfunk mit Verweis auf angebliche Rezeptionsgewohnheiten seiner jüngeren Zielgruppe etablierte Kultursendungen einstellen will“, kritisiert Jung die Politik und den ÖRR. Dies sei ein fatales Signal, auch an andere Sender und Anstalten des Öffentlich Rechtlichen Rundfunks. „Der öffentlich rechtliche Bildungsauftrag besteht nicht darin, Hörer nach ihrer Lieblingslektüre zu befragen, oder Redakteure Klappentexte vorlesen zu lassen, sondern darin, eine Jugend und eine Gesellschaft ernstzunehmen, die in höllisch komplizierten Zeiten lebt, und die ein Anspruch darauf hat, profund, klug und komplex informiert zu werden.“
Bei Thea Dorn sei Literatur ist kein Beiwerk als Einspieler oder Lückenfüller. Literatur brauche eigene Räume Formate, um wie etwa im Literarischen Quartett, ihre besondere Wirkung zu entfalten. Dort dürften wir Thea Dorn „als Garantin eines Diskurses erleben, der anschaulich vermittelt, dass unterschiedliche Meinungen keinesfalls ein Problem, sondern etwas Vergnügliches und Erhellendes sind.“ Wir erlebten die Preisträgerin Thea Dorn als scharfsinnige, unbestechliche und erkenntnisgeleitete Anwältin der Literatur, die in besonderer Weise für Meinungsvielfalt und Diskurs stünde, Widersprüche gelassen aushielte und profunde wie fundierte Urteile fälle. Vor allem sei sie mutig. Während das ZDF 1989 die „Satanischen Verse“ von Salman Rushdie nicht im Literarischen Quartett besprechen wollte, habe man es „Thea Dorn zu verdanken, dass das im vergangenen Jahr nachgeholt wurde, als sichtbares Zeichen dafür, dass wir die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit, egal wie archaisch der Terror ist, dem wir begegnen, niemals preisgeben dürfen und auch niemals preisgeben werden.“, lobte Jung die Preisträgerin.

Deniz Yücel: „Dorn habe Beitrag zur Rettung der Literaturkritik geleistet“

Laudator Deniz Yücel, Präsident PEN-Berlin, studierte an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaften. Er arbeitete als Redakteur bei der Wochenzeitung Jungle World und der tageszeitung (taz). 2015 ging er als Korrespondent der Welt in die Türkei. Für seine Arbeit wurde Yücel mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis. »Agentterrorist« ist sein drittes  Buch. © Foto Diether von Goddenthow
Laudator Deniz Yücel, Präsident PEN-Berlin, studierte an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaften. Er arbeitete als Redakteur bei der Wochenzeitung
Jungle World und der tageszeitung (taz). 2015 ging er als Korrespondent der Welt in die Türkei. Für seine Arbeit wurde Yücel mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis. »Agentterrorist« ist sein drittes Buch. © Foto Diether von Goddenthow

In seiner Laudatio bekräftigte Publizist Deniz Yücel die Ausführungen seines Vorredners: Thea Dorn habe „nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Rettung der Literaturkritik geleistet. Sie hat der Literatur eine letzte massentaugliche Bühne geboten, und somit, sich um die Rettung der zeitgenössischen Literatur selbst verdient gemacht.“ Wo sonst sollten junge Menschen lernen, und sich ältere daran erinnern wie großartig, wie aufwühlend, aufregend, aufheiternd und vieles mehr das Lesen von Literatur sein kann, als bei Ihnen ‚Frau Dorn, sagte Yücel, der zudem ein wenig aus dem Nähkästchen seines von freundschaftlicher Distanz und respektvoller Nähe geprägtes Kollegenverhältnisses zur Preisträgerin erzählte, „die sich in große Fragen unserer Zeit einmischt, meistens in schreibender essayistischer Weise, zuweilen auch, da hätte ich beinahe auch aktivistisch gesagt, in einer praktischen Weise“. So erlebte er Kollegin Dorn bei der Gründung von PEN-Berlin. https://penberlin.de/

Thea Dorn: „Literatur nicht zum sensibilitätsgerechten Save-Space umbauen“
Der Dank der Preisträgerin galt vor allem auch ihren Mitstreitern im Literarischen Quartett: „Ohne Sie, ohne Euch wäre ich nichts in diesem Quartett.“ Aber seit einiger Zeit, „endgültig seit dem 7. Oktober, seit den Pogromen der Hamas gegen die israelische Bevölkerung, fällt es mir doch zunehmend schwer, Literarisches, Literaturkritisches oder meinetwegen auch Literaturvermittlung business as usual zu betreiben“. Zu stark sei der Eindruck, dass die Welt, wie wir sie kannten, keinen verlässlichen Grund mehr dafür gäbe, und immer häufiger habe sie beim Aufwachen Friedrich Hölderin Zeilen vom „wunderbaren Sehnen dem Abgrund zu“ präsent.

Tim Jung, Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlages, Preisträgerin Thea Dorn, Laudator Deniz Yücel, Thomas Ganske, Verleger und Inhaber der Ganske Verlagsgruppe (Hoffmann u Campe, Gräfe und Unzer, Jahreszeiten usw.) bei der Preisverleihung des Julius-Campe-Preises 2023 im Frankfurt Pavilion auf der Frankfurter Buchmesse.  © Foto Diether von Goddenthow
Tim Jung, Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlages, Preisträgerin Thea Dorn, Laudator Deniz Yücel, Thomas Ganske, Verleger und Inhaber der Ganske Verlagsgruppe (Hoffmann u Campe, Gräfe und Unzer, Jahreszeiten usw.) bei der Preisverleihung des Julius-Campe-Preises 2023 im Frankfurt Pavilion auf der Frankfurter Buchmesse. © Foto Diether von Goddenthow

Was solle „die Kunst der Worte, wenn die freiheitliche Welt von einem Fieber nach dem anderen geschüttelt“ werde, und „die Menschen in ihrer Verwirrung immer häufiger Scharlatanen“ zuliefen, die „außer Irrationalität, Autoritarismus, Ressentiments und Gewalt nichts, aber auch gar nichts in ihrem Besteckkasten haben“?, so Dorn. Was solle die Kunst der Worte, „wenn die äußeren Feinde der freiheitlichen Welt die Waffen aus den Arsenalen holen, und mit größter Brutalität einsetzen? Welche ihrer vielen Stimmen soll Literatur ergeben, wenn Waffen, nein nicht sprechen, sondern töten und zerstören. Und wenn die Hoffnung, Freiheit ließe sich allein mit Worten verteidigen ins Reich des Irrationalen der Träumerei gehört, und einzig der Schmerz bleibt.“, sagte die Preisträgerin sichtlich erschüttert von den derzeitigen Entwicklungen.
In solchen Zeiten möge selbst „der idealistischste versponnenste oder ironisch abgebrühteste Literat erkennen, dass es Zeit ist, ebenso klar wie leidenschaftlich für Menschenrechte und Demokratie für Vernunft und Zivilität Partei zu ergreifen, wie Thomas Mann es vor 100 Jahren getan hat. Dies bedeute aber nicht, so Dorn, „dass wir die Literatur selbst moralisch aufladen sollten. Der Kampf um Menschlichkeit und das Humane muss in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ausgetragen werden. Irrationalität, Ressentiment und Hass“ ließen sich nicht mit moral sensitivity bekämpfen“. Denn nichts werde real besser, „wenn wir heute als beleidigend empfundene Wörter aus Werken der Vergangenheit tilgen oder in Romanen der Gegenwart Professoren vergangener Jahrhunderte vorsichtshalber von Studierenden reden lassen“. Bisweilen dränge sich der Campe-Preisträgerin der Verdacht auf, dass es „Ausdruck objektiver Verzagtheit“, ja ein „hilfloses Zum-Wohle-handeln“ sei, „wenn angesichts einer bedrohlicher gewordenen Welt mit Eifer daran gearbeitet“ werde, „wenigstens die Kunst, Literatur zum sensibilitätsgerechten Save-Space umzubauen“.

„Geben wir das ‚Faire des Politischen‘, was des Politischen ist, und lassen wir dem eigentümlichen Nebenreich der Literatur, was der Literatur ist: Streiten wir für eine bessere, friedlichere, zivilere Welt und bewahren wir uns die Literatur als einen Raum, in dem die Trauer, der Zorn oder auch das Gelächter über die Unrettbarkeit der Welt ihren Platz haben. Niemand sagt, dass dies einfach ist, aber wenigstens wir Literaturmenschen sollten in finsteren Zeiten den Verlockungen der Vereinfachungen widerstehen“, gab die Preisträgerin zu Bedenken.

(Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Biografie Thea Dorn (ZDF)
Mit der März-Ausgabe 2020 ist Thea Dorn erstmalig alleinige Gastgeberin der Sendung „Das Literarische Quartett“: Flankiert von drei illustren Gästen. Ihr Ziel ist es, die „Glut der Leselust“ beim Zuschauer neu zu entfachen. Bereits seit März 2017 gehörte sie neben Volker Weidermann und Christine Westermann zum festen Stamm der sechsmal im Jahr ausgestrahlten Sendung. Sie moderierte die Sendung „Literatur im Foyer“ im SWR-Fernsehen. 1970 geboren, studierte sie Philosophie und Theaterwissenschaften in Frankfurt, Wien und Berlin und arbeitete als Dozentin und Dramaturgin. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane und Bestseller , u.a. „Die Hirnkönigin“ (1999), Theaterstücke, Drehbücher und Essays,u.a. „Die neue F-Klasse – Wie die Zukunft von Frauen gemacht wird“ (2006), mit Richard Wagner den Sachbuch-Bestseller „Die deutsche Seele“ (2011). Sie kuratierte unter dem Motto „Hinaus ins Ungewisse!“ das „forum:autoren“ beim Literaturfest München 2012. Der Film „Männertreu“, zu dem sie das Drehbuch schrieb, wurde 2014 mit dem „Deutschen Fernsehpreis“ als bester Fernsehfilm des Jahres und 2015 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. 2016 erschien ihr Roman „Die Unglückseligen“, 2018 „deutsch, nicht dumpf: Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“. 2021 ihr aktueller Roman „Trost: Briefe an Max“.

Infos: Das Literarische Quartett

Das Literarische Quartett Lesestoff zur Frankfurter Buchmesse