In Beisein von über 300 Gästen und viel Prominenz fand am 28. September 2022 nach siebenjähriger Bauzeit die feierliche Gebäudeübergabe des Römisch-Germanisches ZentralmuseumLeibniz-Forschungsinstitut für Archäologie in der Mainzer Neutorstraße 2 statt. Ab Dienstag nächster Woche kann dann der Umzug ins neue Gebäude beginnen.
Vor zahlreichen Gästen überreichte Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Landesbetriebs Liegenschafts- und Baubetreuung Rheinland-Pfalz (LBB), Holger Basten, der zukünftigen Hausherrin und Generaldirektorin des RGZM, Univ.-Prof. Dr. Alexandra W. Busch, den symbolischen Schlüssel. Ebenfalls bei der Übergabe anwesend waren der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Clemens Hoch sowie der Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Michael Ebling. Rund 60 Mio. Euro investierten das Land Rheinland-Pfalz, die Landeshauptstadt Mainz und der Bund in den neuen Standort. Dieser Schritt in die Zukunft wird zudem durch einen Namenswechsel unterstrichen, der die breite Ausrichtung des weltweit tätigen archäologischen Forschungsmuseums der Leibniz-Gemeinschaft treffender und vollumfänglicher abbilden soll. Zum 1.1.2023 wird sich das RGZM in Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) umbenennen.
„Mit dem Neubau des RGZM schreiben wir die Geschichte fort. Die Geschichte der Forschung des Museums, aber auch der Stadt Mainz. Gemeinsam mit dem Bund und der Stadt haben wir rund 60 Millionen Euro für die Weiterentwicklung des zukünftigen Leibniz-Zentrums bereitgestellt. Damit stellen wir unsere Forschung im Land auf eine breitere Basis. Der Neubau hat das Ziel, als Magnet für Besucherinnen und Besucher zu wirken. Er bietet Platz zum Forschen, Verweilen und Entdecken. Ich bin überzeugt, dass die neuen Räumlichkeiten zum Renommee des künftigen LEIZA beitragen werden und ein neuer Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen ermöglicht wird“, so Bau- und Finanzministerin Doris Ahnen.
Oberbürgermeister Michael Ebling unterstrich in seinem Grußwort, dass die Mainzer, die ohnehin auf Schritt und Tritt auf den Spuren ihrer über 2000jährigen Geschichte wandeln könnten, nunmehr in diesem einzigartigen historischen Ensemble am Stadteingang unterhalb vom römischen Bühnentheater und Drususstein bald nicht mehr „nur“ die Antike Schifffahrt, sondern im neuen Archäologie-Zentrum demnächst mehrere Millionen Jahre Menschheitsgeschichte erkunden könnten.
Für die Hausherrin, Univ.-Prof. Dr. Alexandra W. Busch, Generaldirektorin des RGZM, bedeute die Übergabe des Schlüssels zu diesem Gebäude viel mehr, als es jetzt beziehen und mit Leben erfüllen zu können. Es sei „der Schlüssel zu einem neuen bedeutenden Kapitel in der Geschichte unseres Hauses“, denn der Bezug und die Inbetriebnahme des neuen Hauptsitzes in Mainz markiere den Beginn einer neuen Ära, einen regelrechten Quantensprung für die Weiterentwicklung des Hauses entsprechend „unserer Agenda“. Diese sei durch den Dreiklang des Zusammenspiels von archäologischer Forschung, Forschungsinfrastrukturen und Transfer in die Gesellschaft gekennzeichnet, die, so Prof. Busch, sich der Untersuchung des Menschen auf Basis seiner materiellen Hinterlassenschaften widmet. Ziel dieser ganzheitlich ausgelegten Forschung sei es, menschliches Verhalten und Handeln, sowie Entwicklung und Veränderung von Gesellschaft viel besser zu verstehen. „Wir wollen verstehen, was uns als Individuen auszeichnet, und als Menschen eint. In Zeit und Raum übergreifenden Forschungsbildern bearbeiten wir hierfür grundlegende Fragen aus mehr als 2,6 Millionen Jahren Menschheitsgeschichte, die von der Evolution unseres Verhaltens bis hin zu komplexen gesellschaftlichen Systemen Mensch-Umweltbeziehungen reichen“, unterstrich die Generaldirektorin. Das RGZM- Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie bündele hierfür archäologische, naturwissenschaftliche, restauratorische und informationstechnologische Expertise. Man verfüge über Speziallaboratorien, unter anderem einen der modernsten 3-D-Computertomographen, Sammlungen mit 220 000 – künftig in klimatisierten Magazinen – gelagerten Objekten und eine der umfangreichsten Fachbibliotheken für die Archäologie in Europa mit 200 000 Bänden auf 9 Regal-Kilometern, die als Fachbibliothek frei zugänglich ist und sich zum Studienzentrum weiterentwickeln lasse. Zudem fänden dort künftig 70 Forschende Raum.
Die Tagungs- und Konferenzräume sowie Veranstaltungsflächen im Erdgeschoss würden aber „nicht nur für den wissenschaftlichen Austausch da sein und diesen fördern, sondern auch für die Begegnung und zum Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft“, so Prof. Dr. Buch.
Dabei sei es insbesondere bei Ausstellungen das Ziel, „Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters und unterschiedlichen Bildungsstandes Erfahrungsräume anzubieten, die es ihnen ermöglichen, kulturelles Erbe und die dazugehörige Forschung als Ressource für ihr Leben in der Gegenwart zu begreifen“, so die Generaldirektorin
Bei der künftigen Dauerausstellung, die auf zwei Etagen auf rund 3000 qm gezeigt werden wird, geht es im Kern um das Zusammenleben der Menschen. Anhand von Forschungserkenntnissen über eine Spanne von 2,6 Millionen Jahren wird erkundet und gezeigt werden können, „wie wir als Menschen Gemeinschaften bilden und was der Kit ist, der uns als Gemeinschaften zusammenhält“. Dabei sollen Faktoren dargelegt werden, „die unser Handeln beeinflussen und die gesellschaftlichen Veränderungen bedingen. Kurz und gut: Es geht um das Menschsein, und das Miteinander in Gesellschaft„, erläuterte Prof. Dr. Buch.
Mit neuem Namen LEIZA die ganze Funktions-Bandbreite abbilden
Um die gesamte Bandbreite der Einrichtung „und die einzigartige Kombination von fachlicher Expertise, Infrastrukturen und musealen Transfer wie auch unsere Zugehörigkeit zur Leibniz-Gemeinschaft“ abzubilden, „werden wir uns zum 1.1.2023 deshalb nach 170 Jahren in ‚Leibniz-Zentrum für Archäologie‘, kurz ‚LEIZA‘ umbenennen“, so Prof. Dr. Busch. Denn das Forschungsprofil der vergangenen 170 Jahren habe sich substantiell weiterentwickelt. Das Römisch Germanische Zentralmuseum benenne nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten Spektrums. Dieser alte Name bilde weder die Bandbreite der forschenden Institutionen noch den Umstand ab, dass es sich um eine Leibniz-Einrichtung handelte mit mehreren Forschungsstandorten, Speziallaboratorien und Museen auf drei Kontinenten unter einem Forschungszeitfenster von 2,6 Mio Jahren. „Uns ist wichtig, dass all das sichtbar wird, auch in unserem Namen“, so die Generaldirektorin.
Der Rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Clemens Hoch, der sich schon vor ein paar Tagen einen Eindruck vom neuen Gebäude verschaffen konnte, schwärmte, es gäbe „wunderbare räumliche Verbesserungen, und tolle Bedingungen für Forschung und auch Lehre, für Schulklassen und auch Ausstellungsfläche und vor allem das, was wir in Mainz auch an ganz vielen Stellen gerade diskutieren: es gibt Labore für die Forschenden hier im Gebäude und zwar auf dem neuesten Stand, um auch Archäologie erfahrbar zu machen und auszuwerten“.
Holger Basten, Geschäftsführer LBB erläuterte: „Auf Grundlage eines Architekturwettbewerbs wurde ein Projekt realisiert, das funktional, gestalterisch und städtebaulich von hoher Qualität ist. Im Gebäude sind die unterschiedlichsten Nutzungen von Werkstätten über Labore bis hin zu Ausstellungs- und Veranstaltungsbereichen optimal organisiert. Die Ziegelfassade mit den verglasten Ein- und Ausblicken ist architektonisch gelungen. Und nicht zuletzt ist das neue Leibniz-Zentrum für Archäologie städtebaulich prägend sowohl im südlichen Auftakt der Rheinstraße als auch mit der Anbindung an die Altstadt. Auch die gegen Ende des Projektverlaufs hin zunehmenden baulichen Herausforderungen haben alle Projektbeteiligten gemeinsam erfolgreich gemeistert“, zieht Basten Bilanz.
Kurzführungen durchs neue Haus
Im Anschluss an die Schlüsselübergabe konnten sich die Gäste in Kurzführungen mit Gruppen von maximal 20 Personen persönlich einen Eindruck über die Räumlichkeiten machen, die einmal als Bibliothek, Werkstätten, Depot, Ausstellungsflächen /Veranstaltungsflächen, Museums-Pädagogik und Radiologie sowie Büros genutzt werden.
Ein besonderes Highlight im künftigen Leibniz-Zentrums für Archäologie ist der 1,3 Mio Euro teure Computertomograph im UG gleich gegenüber der Tresorräume. Wegen seines großen Gewichtes musste ein extra verstärktes Fundament gegossen werden. Stephan Patscher M.A., Archäologe und Archäologischer Restaurator, Kunsthistoriker und Goldschmied, sowie Lehrbeauftragter für präventive Konservierung des Studiengangs Archäologische Restaurierung an der Johann-Gutenberg-Universität Mainz, gab einen kleinen Einblick über die Arbeitsweise des Computertomographen. Der Detektor gehört zur allerneuesten Generation und sei einer der hochauflösensten, den es zur Zeit gibt, auch hinsichtlich Vergrößerung der Objekte, die bis zu einem Kubikmeter groß oder auch bis zum 1,80 Meter hoch sein dürfen. „Da kann der Detektor, wenn das Objekt da ist, nach einem bestimmten Programm entsprechend hochfahren“, so Patscher. Für kleinere Objekte diene der bisherige Computertomograph, der bereits aus dem RGZM umgezogen ist. „Wir können hier alle Materialien röntgen, also: Keramik, Organika auch Metalle usw.. Aufgrund der großen Vergrößerungsmöglichkeiten könne man Mikrostrukturen in Materialien anschauen, wodurch sich auch hier künftig allein in der Materialforschung ganz neue Forschungsfelder ergäben. Ein anderer Schwerpunkt wäre auch, den Röntgen-Tomographen zur Erforschungen von Herstellungstechniken und Herstellungsprozessen einzusetzen.
Zu den klassischen Objekten, die untersucht würden, gehörten alle möglichen Funde und Objekte archäologischer Forschung. Vieles, was beispielsweise ausgegraben würde, würde nicht immer gleich vor Ort freigelegt. In diesem Fall würden Fundsituationen vor Ort „abgestochen, eingewickelt mit einer Schutzplane und dann mit einer Schutzkapsel aus Gips oder einem anderen Material eingepackt“. Durch ein 3-D-Röntgenbild könne „man dann sozusagen auch in den Block schon hineinschauen, ohne ihn öffnen zu müssen. Man kann Untersuchungen von Objekten machen, die noch gar nicht geborgen (freigelegt) sind“, so Patscher. Man könne sogar mithilfe des ermittelten Datenmaterials von Objekten, über einen 3-D-Drucker eine Kopie der Fundsituation erstellen. Das habe den Vorteil, dass man ursprüngliche Fundsituation, wie etwa einzelne Dinge zueinander lagen etc. , selbst dann noch einsehen könne, wenn der Fund geöffnet und bereits einzelne Stücke freigelegt und herausgenommen worden seien.
Mit 60 Mio. Euro heute ein Schnäppchen
Bis März 2023 soll der Umzug mit Einrichtung des Forschungsbereiches und der Büros abgeschlossen sein. Die Eröffnung des archäologischen Museums mit der Präsentation der geplanten neuen Dauerausstellung ist für 2024 vorgesehen.
Die Gesamtfläche des Hauses beträgt 14.500 m², davon sind 9.700m² Nutz- und 3.000 m² Ausstellungsfläche. Kostenpunkt: 60 Mio. Euro. Bezogen auf steigenden Baukosten ist das neue Mainzer Leibniz-Zentrum für Archäologie wohl fast ein Schnäppchen.
Römisch-Germanisches Zentralmuseum – Leibniz-Zentrum für Archäologie