Kategorie-Archiv: Wiesbadener Museen

Mit dem Hessischen Landesmuseum Wiesbaden „Gestreift durch den August“ – Das Sommerprogramm

Fruhtrunk-Sommerprogramm und anschließend locker miteinander ins Gespräch kommen. © Foto: Diether von Goddenthow
Fruhtrunk-Sommerprogramm und anschließend locker miteinander ins Gespräch kommen. © Foto: Diether von Goddenthow

Das Hessische Landesmuseum Wiesbaden lädt  alle Daheimgebliebenen und Besucher Wiesbadens in seine Sammlungen und zu kleinen Sommer-Highlights ein.

 Günter Fruhtrunks ikonische Designs begegnen uns an unerwarteten Orten. Ob auf den Plastiktüten des Discounters ALDI Nord, dem ehemaligen „Quiet Room“ des UNO Hauptquartier in New York oder dem Audimax der Ingenieurschule für Maschinenwesen in Düsseldorf. Im August bietet das Museum Wiesbaden ein buntes Veranstaltungsprogramm für alle Gäste an: vom Eintrittsfreien Samstag, über Führungen bis hin zu Abendveranstaltungen mit Musik und Baramiente auf dem Museumsvorplatz.

Günter Fruhtrunk revolutionierte die abstrakte Nachkriegsmalerei in einer Weise, die bis heute ihresgleichen sucht. Seine Kunst prägte Jahrzehntelang das Straßenbild der Bundesrepublik – und dies auf ungewöhnliche Weise: 1970 entwarf Fruhtrunk das Design für die Plastiktüten des Discounters ALDI Nord. Anlässlich des 100. Geburtstages des Malers und Grafikers widmen das Kunstmuseum Bonn und das Museum Wiesbaden dem Künstler eine große Retrospektive. Bis zum 25. August 2024 präsentiert das Museum Wiesbaden rund 50 Gemälde aus allen Schaffensphasen Fruhtrunks.

Sommerprogramm der Ausstellung
„Günter Fruhtrunk — Retrospektive“

© Foto: Diether von Goddenthow
© Foto: Diether von Goddenthow

Do 1 Aug 17:00—21:00
ART meets MUSIC
Anlässlich des 100. Geburtstags von Günter Fruhtrunk entstand eine experimentelle Vertonung zehn ausgewählter Kunstwerke von Ubu Imperator. An diesem Abend spielen wir das Album für Sie in den Räumlichkeiten der Ausstellung. Ein Projekt von Caro Jost in Zusammenarbeit mit der Avantgardeband Ubu Imperator. Der Eintritt ist im Sonderausstellungspreis enthalten.

Do 1 Aug 17:00 — 22:00
WEINMOMENTE
Wein von GLYG und Fingerfood von Trüffel Feinkost auf dem Museumsvorplatz

Sa 3 Aug 10:00—17:00
FREIER SAMSTAG
Freier Eintritt für alle Besucher:innen in die Dauer- und Sonderausstellungen. Es gibt Familienführungen und einen Maltisch

Do 22 Aug 19:00—20:30
ART AFTER WORK
Flirrende Linien —
Auf der Suche nach Halt in der Kunst von Günter Fruhtrunk 14,— Euro, inkl. Eintritt und einem Getränk im Trüffel Museumscafé

© Foto: Diether von Goddenthow
© Foto: Diether von Goddenthow

Sa 24 Aug 14:00
So 25 Aug 14:00
ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN
4,— Euro, zzgl. Eintritt

Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum
für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2
65185 Wiesbaden

Die Sonne in Schwarzweiß. Pechstein-Retrospektive feiert Besucherrekord im Landesmuseum Wiesbaden

Max Pechstein „Akt in der Düne“, 1924. im Themenbereich „Natürlich nackt!“ der großen Retrospektive „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ © Foto Diether von Goddenthow
Max Pechstein „Akt in der Düne“, 1924. im Themenbereich „Natürlich nackt!“ der großen Retrospektive „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ © Foto Diether von Goddenthow

Aus der gesamten Republik reisten Besucherinnen und Besucher in die Landeshauptstadt, um die große Retrospektive des Brücke-Künstlers, Max Pechstein, im Museum Wiesbaden zu besuchen. Die Schau stellte mit dem Leitthema „Die Sonne in Schwarzweiß“ neueste Erkenntnisse zum Werk des Künstlers in den Fokus und das Museum konnte seit dem 15. März rund 40.000 Gäste begrüßen. Zum feierlichen Abschluss gab die Enkelin des Künstlers, Julia Pechstein im Rahmen von Sonderführungen private Einblicke in das Leben ihres Großvaters.

Nach dem Erfolg der Retrospektive verbleiben zwei zentrale Werke des Malers, „Selbstbildnis, liegend“ und „Russisches Ballett“ (beide aus dem Jahr 1909) als Dauerleihgaben im Museum Wiesbaden. Die Gemälde werden direkt nach der Pechstein-Ausstellung in der ständigen Sammlung des Museums Wiesbaden neben den Kollegen und Freunden des Künstlers präsentiert. Neben Pechstein, der zwischen 1906 und 1912 zur „Brücke“-Vereinigung gehörte, werden Arbeiten von Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Otto Mueller, Emil Nolde und Karl Schmidt-Rottluff gezeigt. „Das Selbstbildnis, liegend wäre in jeder Museumssammlung ein Höhepunkt“, so Roman Zieglgänsberger, zuständiger Kurator der Abteilung Klassischen Moderne am Museum Wiesbaden, „nicht nur weil es Pechsteins erstes in Öl ausgeführtes Selbstporträt ist, sondern vor allem weil der Maler darin sein gesamtes Kunstverständnis offenlegt – nämlich die von ihm wahrgenommene Welt mit seinen Emotionen zu mischen und für uns sichtbar zu machen.“

Auch Julia Pechstein freute sich sehr, als sie diese Nachricht auf dem Sommerfest des Museums erreichte: „Dass diese beiden Werke über die Ausstellung hinaus in Wiesbaden öffentlich ausgestellt bleiben, ist eine gute Nachricht, denn beide Werke waren viel zu lange nicht mehr öffentlich zu sehen – das Russische Ballett knapp zwanzig Jahre, das Selbstbildnis sogar dreißig.“

Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum
für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2
65185 Wiesbaden

Museum Wiesbaden feiert am 29. Juni 2024 Sommerfest und Finissage der Ausstellung „Max Pechstein“

Sommerfest und Finissage der Ausstellung "Max Pechstein - Die Sonne in Schwarzweiß" Sa 29 Jun 2024, 17 - 23 Uhr © Foto Diether von Goddenthow
Sommerfest und Finissage der Ausstellung „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ Sa 29 Jun 2024, 17 – 23 Uhr © Foto Diether von Goddenthow

Am 29. Juni 2024 lädt das Museum Wiesbaden von 17 bis 23 Uhr mit Musik, Aktionen für Klein und Groß und besonderen Gästen zu seinem Sommerfest ein. Zum feierlichen Abschluss der Sonderausstellung „Max Pechstein -Die Sonne in Schwarzweiß“ findet eine Dialogführung mit dem Kurator und der Enkelin Pechsteins statt. Zudem haben alle Besucherinnen und Besucher von 17 bis 22 Uhr freien Eintritt in die großen Sonderausstellungen Pechstein, Afrika und Fruhtrunk.

Das diesjährige Sommerfest auf dem Vorplatz des Museums Wiesbaden wird von einem abwechslungsreichen Programm umrahmt. Mit dem Auftakt des Fests um 17 Uhr öffnen ein Freiluftatelier, ein Bücherflohmarkt und das MuWi Glücksrad. Das Ensemble NAOMI sorgt bis 21 Uhr für stimmungsvolle Musik, gefolgt von einem DJ Set. Studierende der Akademie Mode und Design stellen ihre interaktiven Projekte mit Bezug zur Max Pechstein Ausstellung vor. Diese laden an verschiedenen Stationen u.a. dazu einladen, mit dem eigenen Farberleben zu experimentieren oder sich in einem Inszenierungslabor selbst mit der Kunst in Bezug zu setzen. Für Speis und Trank sorgen das Trüffel Museumscafé und GLYG.

Ein letztes Mal durch die Sonderausstellung „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ streifen und dabei den Worten der Enkelin von Max Pechstein lauschen: Diese Möglichkeit haben die Besucher:innen des Museums Wiesbaden am 29. und 30. Juni. Samstag, 18 Uhr und Sonntag, 11 Uhr führen Julia Pechstein und Dr. Roman Zieglgänsberger gemeinsam durch die Ausstellungsräume und geben spannende Einblicke in das Leben Pechsteins. Eine vorherige Anmeldung ist erforderlich. Tickets können vorab über den Ticketshop des Museums erworben werden. Um 19:30 Uhr können die Gäste tiefer in das Leben Pechsteins eintauchen und den Kinofilm „Max Pechstein – Geschichte eines Malers“ im Vortragssaal ansehen.

Kurz vor Beginn des Sommerfests zieht eine Tanz-Performance der Künstlerin Marie Luise Gruhne gegen 16:30 Uhr zur Einweihung des FLUXUSBAUMES auf der Mittelinsel Friedrich-Ebert-Allee am Festgelände vorbei. Auch dazu heißen wir alle – Namen der Künstlerin – herzlich willkommen.

Programm:

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Sommerfest und Finissage der Ausstellung „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ Sa 29 Jun 2024, 17 – 23 Uhr

17 – 22 Uhr:
Freier Eintritt in die Sonderausstellungen „Günter Fruhtrunk -Retrospektive“, „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ und „Der Hase ist des Jägers Tod – Kultur und Natur des südlichen Afrikas“

Akademie Mode und Design trifft Max Pechstein – Studierende präsentieren interaktive Projekte zur Ausstellung

17 – 20 Uhr:
Freiluft Atelier für alle! MuWi Masken – Inspiriert aus Natur und Kunst

Ab 17 Uhr:
Malkreide-Station: Aus grau mach bunt!
Glücksrad
Bücherflohmarkt

17:30 Uhr:
Begrüßung durch Dr. Jörg Daur, stellv. Direktor und Dr. Roman Zieglgänsberger, Kustos für die Klassische Moderne

17 – 21 Uhr:
NAOMI / Naomi Kraft -Gesang, Stefan Varga – Gitarre, Ulrich Christlein – Saxophon

18 Uhr:
Führung „Max Pechstein“ mit Julia Pechstein, Enkelin des Künstlers und Dr. Roman Zieglgänsberger, Kurator der Ausstellung (Teilnehmerzahl begrenzt. Teilnahme nur mit Ticket Anmeldung: tickets.museum-wiesbaden.de)

19:30 Uhr:
Pechstein-Kino im Vortragssaal „Max Pechstein – Geschichte eines Malers“ [D 2020, 85. Min., FSK: ungeprüft, Regie: Wilfried Hauke]

Ab 21 Uhr:
DJ Set der Akademie Mode und Design

Weitere Informationen: Museum Wiesbaden

„Abstraktion ist eine Weltsprache“ Das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden eröffnet am 25.06.2024 seinen Publikumsbetrieb

Ab 25. Juni 2024 nimmt das am 23.06. eröffnete Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden, Wilhelmstraße 1, seinen regulären Museumsbetrieb auf. Zugleich eröffnet auch  das Museums-Restaurant rue 1 by gollner’s - dienstags bis samstags 10 bis 24.00 Uhr, sonntags 10 - 18.00 Uhr  mre © Foto Diether von Goddenthow
Ab 25. Juni 2024 nimmt das am 23.06. eröffnete Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden,
Wilhelmstraße 1, seinen regulären Museumsbetrieb auf. Zugleich eröffnet auch das Museums-Restaurant rue 1 by gollner’s – dienstags bis samstags 10 bis 24.00 Uhr, sonntags 10 – 18.00 Uhr mre © Foto Diether von Goddenthow

Das stiftungsfinanzierte Museum Reinhard Ernst (mre) startet ab dem 25. Juni 2024 seinen Publikumsbetrieb. Sechzig Meisterwerke aus der Sammlung des Wiesbadener Unternehmers und Stifters Reinhard Ernst sind in der Eröffnungsausstellung zu sehen. Das mre ist das zehnte Museum des kürzlich verstorbenen japanischen Pritzker-Preisträgers Fumihiko Maki und sein einziges in Europa. Die erste Sonderausstellung im mre würdigt sein Werk.

Wiesbaden, 20. Juni 2024 – Nach einer dreijährigen Planungsphase und fast fünfjähriger Bauzeit eröffnet das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden seinen Publikumsbetrieb am 25. Juni. Schon jetzt weckt der Neubau an der Wilhelmstraße großes Interesse: Der Tag der Offenen Tür am 23. Juni 2024 ist bereits seit Wochen ausgebucht. Bei der Pressekonferenz am heutigen Donnerstag stellten Reinhard Ernst, Unternehmer, Stifter und Museumsgründer, der Direktor Dr. Oliver Kornhoff und Lea Schäfer, die Kuratorin der ersten Sammlungspräsentation, den anwesenden Journalist:innen das neue Haus vor. Das Museum Reinhard Ernst geht auf den Entwurf des kürzlich verstorbenen japanischen Architekten Fumihiko Maki zurück.

Blick ins Innere. © Foto Jutta Ziegler
Blick ins Innere. © Foto Jutta Ziegler

Unter dem Titel Farbe ist alles! zeigt die erste Sammlungspräsentation besondere Höhepunkte in der Geschichte der Abstraktion nach 1945 auf – und zwar in den USA, in Japan und in Europa. 60 Meisterwerke aus der Sammlung Reinhard Ernst illustrieren die bahnbrechenden Veränderungen in der Malerei. In den Räumen von Fumihiko Maki werden großformatige Arbeiten u.a. von Friedel Dzubas, K.O. Götz, Toshimitsu Imai, Helen Frankenthaler, Robert Motherwell, Judit Reigl, Tōkō Shinoda, Pierre Soulages, Frank Stella und Fred Thieler zu sehen sein. Die Sammlungspräsentationen werden alle zwei Jahre wechseln.

Die erste Sonderausstellung Fumihiko Maki – Maki and Associates: Für eine menschliche Architektur ist dem 1928 geborenen Architekten gewidmet. Sie zeigt Modelle einiger der herausragenden Projekte des Pritzker-Preisträgers, darunter des Towers 4 World Trade Center in New York. Weiterhin werden seine Museumsbauten vorgestellt, zu denen das Aga Khan Museum in Toronto (Fertigstellung 2014), das Yerba Buena Center for the Arts in Kalifornien (1993) und das National Museum of Modern Art Kyoto (1986) gehören. Das Museum Reinhard Ernst fügt sich als zehnter Museumsbau in diese hochkarätige Reihe ein. Die Ausstellung ist bis 9. Februar 2025 zu sehen.

Öffnungszeiten ab Dienstag, 25. Juni 2024
Dienstag bis Sonntag 12–18 Uhr
Mittwoch 12–21 Uhr
Montags geschlossen

Vormittags ist der Museumsbesuch ausschließlich Schulklassen vorbehalten. Der Eintritt ins Museumsfoyer ist für alle Besucher:innen frei.

Tickets können im Onlineshop vorbestellt werden.
Eintrittspreise:
Erwachsene 14 €
Ermäßigt 12 €
Jugendliche bis 18 Jahre erhalten freien Eintritt.
Ab Juli 2024: An jedem letzten Dienstag ist der Eintritt im Museum Reinhard Ernst von 15–18 Uhr kostenfrei.

Öffnungszeiten Restaurant rue 1 by gollner’s (ab Dienstag, 25. Juni 2024)
Dienstag bis Samstag 10–24 Uhr
Sonntag 10–18 Uhr
Montag Ruhetag

Museum Reinhard Ernst
Wilhelmstraße 1
65185 Wiesbaden

Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für Stifterehepaar Reinhard und Sonja Ernst

Ministerpräsident Boris Rhein überreicht Sonja und Reinhard Ernst das Bundesverdienstkreuz. © mre /Foto: Sascha Kopp
Ministerpräsident Boris Rhein überreicht Sonja und Reinhard Ernst das Bundesverdienstkreuz. © mre /Foto: Sascha Kopp

Während der Eröffnungsgala des Museums Reinhard Ernst am gestrigen Samstag überreichte der Ministerpräsident des Landes Hessen, Boris Rhein, das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse an Reinhard und Sonja Ernst für Ihre Verdienste um das Gemeinwohl.

Wiesbaden, 16. Juni 2024 – Für Ihre Verdienste im Bereich der Bildung, der Kunst und Kultur und des Denkmalschutzes wurde das Stifterehepaar Reinhard und Sonja Ernst mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein überreichte den Orden während der Eröffnungsgala des Museums Reinhard Ernst in Wiesbaden.

„Das Wirken von Reinhard und Sonja Ernst sucht seinesgleichen. Reinhard und Sonja Ernst leisten Herausragendes für unser Land und für unsere Gesellschaft. Sie inspirieren, sie initiieren und sie involvieren sich. Ihre Lebensgeschichte könnte auch ein spannendes Drehbuch für einen Hollywood-Blockbuster sein. Auf jeden Fall aber ist ihre Geschichte eine echte Erfolgsgeschichte made in Hessen. Sie sind Vorbilder für ein ebenso erfolgreiches wie verantwortungsvolles Unternehmertum. Sie sind Vorbilder dafür, was sich mit Leistung und Leidenschaft erreichen lässt. Sie sind Vorbilder für die Kraft der eigenen Wurzeln und für die Stärke einer tiefen Menschlichkeit.“

Mit der Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland dankt der Staat für herausragende persönliche Leistungen für das Gemeinwohl. Eine finanzielle Zuwendung ist mit der Verleihung des Verdienstordens nicht verbunden.

Über die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung
Die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung fördert Werte im Sinne des Stifterpaares. Diese Werte spiegeln sich in Kunst und Kultur sowie an Orten des Zusammenlebens und des Lernens wider. Die Gründer der Stiftung wollen ihre Zuwendungen, ihr Engagement und ihre Netzwerke möglichst effektiv für die Gemeinschaft einsetzen. Diese Gedanken verwirklicht die Stiftung dank ihres Vermögens in ausschließlich eigenen Projekten. Beispiele sind das „Haus der Hoffnung“ im japanischen Natori, das für viele Kinder und alte Menschen nach der Tsunami-Katastrophe 2011 zur Begegnungsstätte wurde, und das Musikschulhaus in Eppstein. Unter den denkmalgeschützten Gebäuden zeigt u.a. der Walderdorffer Hof in Limburg an der Lahn, worauf es den Stiftern ankommt.

mre © Foto Diether von Goddenthow
mre © Foto Diether von Goddenthow

Das zur Gänze stiftungsfinanzierte Museum Reinhard Ernst eröffnet offiziell am 23. Juni 2024. Das Museum zeigt ausschließlich abstrakte Positionen u.a. aus Europa, den USA und Japan von 1945 bis in die Gegenwart.

Weitere Informationen: Museum Reinhard Ernst

Öffnungszeiten ab Dienstag, 25. Juni 2024

Dienstag bis Sonntag 12–18 Uhr
Mittwoch 12–21 Uhr
Montags geschlossen

Vormittags ist der Museumsbesuch ausschließlich Schulklassen vorbehalten. Der Eintritt ins Museumsfoyer ist für alle Besucher frei.

Tickets können im Onlineshop vorbestellt werden.
Eintrittspreise:
Erwachsene 14 €
Ermäßigt 12 €
Jugendliche bis 18 Jahre erhalten freien Eintritt.
Ab Juli 2024: An jedem letzten Dienstag ist der Eintritt im Museum Reinhard Ernst von 15–18 Uhr kostenfrei.

Öffnungszeiten Restaurant rue 1 by gollner’s (ab Dienstag, 25. Juni 2024)

Restaurant rue 1 by gollner’s - öffnet am 25. Juni 2024  © Foto Diether von Goddenthow
Restaurant rue 1 by gollner’s – öffnet am 25. Juni 2024 © Foto Diether von Goddenthow

Dienstag bis Samstag 10–24 Uhr
Sonntag 10–18 Uhr
Montag Ruhetag

Das Museum Reinhard Ernst (mre) öffnet am 23. Juni 2024 seine Pforten – Ein kritischer Rundgang von Dorothee Baer-Bogenschütz

Am 23.06.2024 eröffnet das  Museum Richard Ernst an der Wilhelmstraße 1 in Wiesbaden. Erbaut wurde es nach den Plänen des japanischen Architekten  Fumihiko Maki. © Foto Diether von Goddenthow
Am 23.06.2024 eröffnet das Museum Richard Ernst an der Wilhelmstraße 1 in Wiesbaden. Erbaut wurde es nach den Plänen des japanischen Architekten Fumihiko Maki. © Foto Diether von Goddenthow

Der Unternehmer, Stifter und Museumsgründer Reinhard Ernst setzt mit seinem nach ihm benannten Museum  neue Akzente für die in Wiesbaden noch unterrepräsentierte abstrakte Kunst. Erbaut wurde das schnörkellose Gebäude nach den Entwürfen des am 6. Juni 2024 verstorbenen  japanischen Stararchitekten und Pritzker-Preisträgers Fumihiko Maki, mit dem der Unternehmer schon früher zusammengearbeitet hat und befreundet war.

Unsere Gastautorin und Kunstexpertin Dorothee Baer-Bogenschütz  hat sich schon mal vor der offiziellen Eröffnung am 23. Juni 2024 im beinahe fertigen Museum  umgeschaut.  

Gemeinsam waren sie ganz besonders stark. Reinhard Ernst und sein japanischer Freund Fumihiko Maki, der keine drei Wochen vor der offiziellen Eröffnung seines einzigen Museumsbaus in Europa am 6. Juni 2024 fünfundneunzigjährig verstarb, erbrachten eine bemerkenswerte Leistung in und für Wiesbaden. Unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier geht am 23. Juni in der Hessischen Landeshauptstadt ein Tempel für Kunst an den Start, der baukünstlerisch ebenso Aufmerksamkeit erregen wird wie aufgrund des besonderen inhaltlichen Zuschnitts: Das neue private Museum Reinhard Ernst (mre), das der Stifter, Jahrgang 1945, exklusiv für seine Kunstsammlung errichten ließ, grenzt gegenständliche Kunst aus. Es feiert die Abstraktion, vor allem in der Malerei: nach dem Zweiten Weltkrieg gehypt. Später – auch unter dem Druck von Forderungen nach gesellschaftlicher Relevanz – zunehmend zugunsten von Konzept- und Ideenkunst, neuer Figuration, Partizipationsmodellen oder dokumentarischen Anstrengungen aussortiert aus dem Tagesdiskurs als zu diffus, zu unpolitisch, zu unbestimmt im Sinne des Hinterfragens der Verhältnisse, und unbrauchbar ohnedies in den Augen derer, die von Kunst Aufklärung, Bekenntnisse, Solidaritätsadressen oder – neuerdings – gar Heilung verlangen.

Ernst lässt das kalt. Seine erste Erwerbung war eine Gouache von Karl Otto Götz: „Ich habe klein angefangen“. Dann kam Hubert Berke: den wenigsten bekannt. In den 1990er Jahren bei einem Frankfurter Galeristen zu haben Damals startete Ernst die Sammlung, der sein Museum gewidmet ist. Bald sind es 1000 Werke. Frühzeitig hatte der Mann, der verhältnismäßig spät zu sammeln begann, entdeckt: „Mich interessiert besonders die Farbe.“

Von Anni Albers bis Frank Stella: Bemerkenswert vielen Künstlern mit jüdischen Wurzeln verdankt sich das Sammlermuseum. Ihre Positionen sind seine Stützen. Das Kunstpublikum reflektiert das allerdings nicht. Das 120 Seiten starke mre-Magazin widmet dem Top-Thema kein Kapitel.

Auch am mre-Eingangsbereich Wilhelmstraße 1  sind nun die letzten Bauabsperrungen beseitig. © Foto Diether von Goddenthow
Auch am mre-Eingangsbereich Wilhelmstraße 1 sind nun die letzten Bauabsperrungen beseitigt. © Foto Diether von Goddenthow

Bauverzögerungen ist es geschuldet, dass ins Eröffnungsjahr mehrere bedeutende Jahrestage fallen. 2024 ist nicht nur Stellas und Makis Todesjahr. Der Todestag von Friedel Dzubas (1915-1994) jährt sich wie der von Anni Albers zum 30. Mal. Kaum jemand kennt jedoch den Vertreter der zweiten Generation des Abstrakten Expressionismus, den die deutsche Avantgarde, „Brücke“ und „Blauer Reiter“, beeindruckt. Dzubas erkennt „tiefes Gefühl“ und „Leidenschaft“, die seine eigenen Farbwelten grundieren sollen: „Farbe ist eine emotionale Angelegenheit.“ Und ein Anker. Im US-Exil wurde das Jüdischsein des gebürtigen Berliners (besser?) nicht thematisiert, worunter er litt. Identitätssuche ist eingewoben in seine Kunst. Das Sieben-Meter-Bild „Argonaut“, ein Spätwerk von 1983 und Hauptwerk der mre-Eröffnungsschau, ist keine vordergründige Hommage an den antiken Mythos.

1939 muss der Sohn des Juden Mannheim (Martin) Dzubasz und der Katholikin Martha Medmann-Schmidt Dzubasz emigrieren. Sein Schiff läuft aus von Liverpool. Zunächst arbeitet er in Hyde Farmlands,Virginia, mit jüdischen Jugendlichen, die aus Deutschland fliehen konnten. Dann fasst er Fuß in New York. Es entwickelt sich eine Freundschaft mit Clement Greenberg: Der berühmte jüdische Kritiker stirbt schließlich im selben Jahr wie Dzubas, der sein Leben in Massachusetts beschließt und nicht in Florida wie das mre versehentlich kommuniziert. Um die vorige Jahrhundertmitte stellt Leo Castelli Dzubas aus, den nun Ernst den Deutschen nahe bringt.

1952 teilt der heute vergessene Farbfeldmaler das Atelier mit Helen Frankenthaler, die mit Greenberg liiert, mit Robert Motherwell verheiratet war, von dem der Museumsstifter ebenfalls Werke besitzt, und Ernsts Schwarm ist. Persönlich kennengelernt hat er sie nicht, aber er war ihr schnell verfallen. Niemand in Europa hat mehr Arbeiten von ihr. Dagegen besitzt Ernst nur je ein Werk von  Lee Krasner, deren Todestag sich jetzt zum vierzigsten Mal jährt, und deren ungleich berühmteren Ehemann Jackson Pollock. Ob das mre die Geschichte des Abstrakten Expressionismus auserzählt? Die Eröffnungsschau ist additiv, setzt auf Migration von Farbe und Form. Krasners „Pfau“ flankiert eine Arbeit des während des Sechstagekriegs in Tel Aviv geborenen Tal Rosenzweig, der das Pseudonym Tal R benutzt, nur wegen der verblüffenden Nähe im Formalen und den Valeurs.

Für das Schaffen des jüdischen Amerikaners Adolph Gottlieb begeistert sich Ernst ebenso wie für den Cobra-Maler Pierre Alechinsky, der russisch-jüdische Wurzeln hat. Sein großes Verdienst ist, das Augenmerk darüber hinaus auf jüdische Künstler wie Jules Olitski, Ruth Franken oder Perle Fine zu lenken: hierzulande unbekannt. Es wird spannend, im Lauf der Jahre zu beobachten, wie sie um das Zentralgestirn Frankenthaler kreisen. Schade nur, dass die Hauptkünstlerin nicht gleich vom Start weg einen eigenen Saal bekam.

Auch Kenneth Noland oder Sam Francis sind in der Eröffnungsausstellung vertreten. In Ernsts Kollektion redet keiner rein. Er hat sein Auge geschult und entscheidet über Ankäufe selbst. Manches ergibt sich wie der Erwerb eines Morris Louis, der im benachbarten Museum Wiesbaden ausgestellt war und – zufällig – Ernsts Interesse weckte. Ab 2020 ließ er sich in Sachen Museum freilich beraten, unter anderem vom früheren Direktor des Museums Wiesbaden, Alexander Klar.

© mre /Foto: Robert Lichtenberg
© mre /Foto: Robert Lichtenberg

Der Sammlung, die der Farbenfreund so energisch zusammengetragen hat, ist nunmehr ein 80-Millionen-Euro-Bauwerk mit einer Ausstellungsfläche von 2500 Quadratmetern gezimmert worden, und das ist angemessen, sollte man meinen, war es auch im Jahr 2017 noch mit 30 Millionen veranschlagt. Die Bauzeit aber nahm mehr als vier Jahre in Anspruch. Alles verteuerte sich, und Ernst ist ein Perfektionist ebenso wie der Pritzker-Preisträger Maki es war, der in Wiesbaden seinen zehnten und letzten Museumsbau realisiert hat, weswegen ihm die erste Sonderschau gewidmet ist. Terrazzoböden und Stuccowände mit Bienenwachsschichten, zu denen sich Ernst und Maki hinreißen ließen, gibt’s nicht von der Stange. Die kosten. Das Haus blendet, im positiven Sinne, schon von weitem: Die weiße Fassade verdankt sich einem Granit aus den USA. Mit seiner kubischen Strenge setzt der Bau auf vornehme Provokation.

Wie zwei Zuckerwürfel?

Das mre-Gebäude lässt Betrachtern viel Raum zur Interpretation. © Foto Diether von Goddenthow
Das mre-Gebäude lässt Betrachtern viel Raum zur Interpretation. © Foto Diether von Goddenthow

So ein Klotz braucht Deutung. „Zuckerwürfel“, würden die Wiesbadener dazu sagen, weiß Gründungsdirektor Oliver Kornhoff, und so wäre das Museum mundgerecht auch als Pendant zum MMK in Frankfurt deklariert, dem „Tortenstück“. De facto sind es zwei „Zuckerwürfel“, wenn man bei diesem Bild bleiben will: Den Gebäudekomplex erschließt ein Atrium – ein veritabler Patio! – mit einem japanischen Fächerahorn als Signatur, eingebettet in ein Meer weißer Kiesel. Assoziationen zu Wald und Wasser stellen sich ein. Passt, auch wegen des farbigen Laubs aus Glas, mit dem Karl-Martin Hartmann den Boden seiner Großinstallation übersät und der Werke aus der Moby Dick-Reihe des jüdischen Weltstars Frank Stella. Seine Interpretation von Melvilles Wal lässt das mre die Grundsatzfrage stellen: Was leistet abstrakte Kunst für die bildhafte Vorstellung?

Hochelegant sind selbst die Toiletten. Ebenfalls Orte für Kunst: von Claudia Walde, die Katharina Grosse Konkurrenz macht durch die starke Farbigkeit und Leuchtkraft ihrer Arbeiten. Grosse wurde ein Auftrag erteilt für angewandte Kunst. Die Freiburgerin konnte ihr erstes Glaskunstwerk realisieren: die kunterbunte Glaswand, die den Bereich für den Nachwuchs aquariumsartig vom lichtspendenden Atrium im Zentrum des Museums abtrennt. Per Schiebetür verborgen wird indes – sodass dass sie im Normalbetrieb gar nicht sichtbar wird – eine schicke Bar. Auf ihrem Tresen wird dereinst unbemerkt von der Öffentlichkeit Champagner perlen, denn Ernst vermietet sein Haus für Events.

Etwas stiefmütterlich behandelt ist der Vortragssaal „Maki Forum“, in dem auch geschlossene Veranstaltungen wie Hochzeiten stattfinden sollen. Zwar ist der – bei Bedarf auch diskret zugängliche – Raum für 250 Gäste an der Rückseite des Museums und unweit des Hintereingangs mit allen Wassern gewaschen, was die Lichtregie anbelangt: Er lässt sich in farbiges Licht tauchen und via Technik in einen magischen Ort verwandeln. Dennoch: Er wirkt nicht so wirklich „wow“ – ein Wort, das intern und auch im rme-Magazin oft fällt.

Im Museums-Bistro "rue 1" können sich die Besucher von den Gastronomen Günter und Alexlander Gollner verwöhnen lassen.  © Foto Diether von Goddenthow
Im Museums-Bistro „rue 1″ können sich die Besucher von den Gastronomen Günter und Alexlander Gollner verwöhnen lassen. © Foto Diether von Goddenthow

Welchen Eindruck hätte man erzielt, wenn Veranstaltungen hinter der riesigen Glasfront zur Wilhelmstraße hin stattfinden könnten. Nach Art des Treibens im Chagall-Foyer des Schauspiel Frankfurt könnte hinter dieser Glasfläche doch zumindest gelustwandelt werden?  Aber nein: Kiesel liegen auch hier, und insgesamt gibt sich das Bauwerk von außen hermetisch. Wie luftig und lichtdurchdrungen es tatsächlich ist, erkennt der Besucher erst nach dem Betreten.

Malerei, abstrakter Expressionismus mit Colourfield Painting, sowie das Informel, sind Ernsts Leidenschaften. Um auch einige plastische Akzente im Museum zu setzen, erteilte er Aufträge an Bildhauer wie Tony Cragg und Karl-Martin Hartmann. Der Wiesbadener – bekannt durch künstlerisch und im Wortsinne herausragende Stelen – schuf diesmal eine Garage. Der Autoliebhaber und Ferrarifan Ernst zeigt in seinem Kunstmuseum (völlig zu Recht: Autos sind ein Kulturgut, und die schmucken und schnellen sind Kunstwerke für sich) auch einen tollen Schlitten – Bettina Pousttchis unweit der Garage platzierte knallrote (Ernsts Lieblingsfarbe!) Leitplankenarbeit wirkt da wie ein ironischer Kommentar zu seiner Autopassion -, und kommt hier ausnahmsweise einmal weit ab vom abstrakten Kurs. Wie eben auch bei dem Ahorn, der das Atrium dominiert, belebt, optisch aufwertet und zum Patio macht: zusammen mit einer Skulptur von Chillida, mit dem Maki befreundet war, als auch der Baske noch als Architekt tätig war.

Der Wert von Ernsts Kollektion beläuft sich gegenwärtig auf rund 70 Millionen Euro, und der geschäftstüchtige Unternehmer, der den Firmennamen „Harmonic Drive“ womöglich auch als Motto über sein privates Dasein schreiben könnte, erwirbt weiterhin Kunst. Über das Ankaufsbudget wird allerdings Stillschweigen bewahrt. bewahrt. Alles darf man dagegen fragen und erfahren zur Architektur des Museum Reinhard Ernst, welches das gründerzeitlich geprägte Wiesbaden unerwartet weltstädtisch bereichert. „Vieles, was ich früher gemacht habe, habe ich hier wieder gemacht“, sagt Ernst, beispielsweise „so nachhaltig wie möglich gebaut“. Über die beteiligten Gewerke, die erlesenen Materialien, über Kanten und Fugen, deren sauberer Ausführung viel Aufmerksamkeit galt, über Hakensteine oder grünen Granit als Bodenbelag kann sich auch Gründungsdirektor Oliver Kornhoff versiert auslassen. Seine Zuhörer merken: Der Funke ist übergesprungen. Kornhoff identifiziert sich mit seinem Arbeitsplatz bis in jede Ritze.

Weniger Phantasie floss in die Überschriften, die man den einzelnen Sälen der ersten Dauerausstellung zwecks „Denkanstoß“ (Kornhoff) gab. Sie wirken beliebig, klingen langweilig und sind nicht selbsterklärend. „Malerei hoch drei“ etwa hört sich fürchterlich banal an. „Malerei maßlos“ nicht minder.

Vormittags dürfen nur Kinder ins Haus

© mre /Foto: Robert Lichtenberg
© mre /Foto: Robert Lichtenberg

Dass andererseits ein zweigeschossiger Raum gleich den Namen „Kathedrale“ bekommen muss, scheint buchstäblich ein wenig hoch gegriffen. Höchst seltsam ist die Zutrittspolitik. Vormittags dürfen nur Kinder ins Haus. Ja, sind die da nicht in der Schule? Und die ein, zwei Klassen, die sich vielleicht auf dem Boden ausbreiten, würde das normale Publikum die nicht gut verkraften – wie in anderen Museen auch? Prinzipiell ist das Augenmerk auf die Kleinen natürlich das Gebot der Stunde und eine tolle Sache. Ernst will „versuchen, Kreativität aus ihnen herauszukitzeln, auch weil das „wichtig ist für die Wirtschaft“.

Bedauerlich unterdessen, dass Lesen nicht gefördert wird, der Shop in erster Linie „Geschenkboutique“ (Kornhoff) ist. In einem Museum dieses Anspruchs darf nicht nur ein Nachschlagewerk zu den Kunstbeständen und der Intention des Stifters erwartet werden – wie es schwergewichtig vorliegt -, sondern auch eine Auswahl an Fach- und allgemeinerer Kunstliteratur und -katalogen. Wie in Museumsshops üblich.

Weitere Kritik zieht die Videonische auf sich: viel zu klein. Wenn hier Künstlerfilme laufen, könnten sie ein paar Dutzend Besucher sehen wollen und nicht nur eine oder zwei Handvoll. Für sie ist aber kein Platz.

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Gleichwohl: Das mre ist ein großer Wurf und die gezeigte Malerei – amerikanische vorwiegend, aber auch ZERO-Künstler wurden heimisch an der „Rue“ –, ist ein Konzentrat von Werken aus den Ateliers namhafter Persönlichkeiten. Zwar wird man keinen Newman oder Rothko finden, aber derartige Trophäen kann nicht jeder haben. Im Vordergrund steht erst einmal die Tatsache, dass hier ein Einzelner einer Kommune, die das von sich aus nicht hinbekommen hätte, ein spektakuläres Museum spendiert und somit nicht nur seinen Namen verewigt, sondern der Gemeinschaft aus freien Stücken etwas Kostbares gibt, das auch den Kunsttourismus nach Wiesbaden weiter fördern dürfte. Vielleicht sogar entschließt sich Ernst ja irgendwann doch, auch schon morgens Erwachsene ins Haus zu lassen, die womöglich auf der Durchreise sind, als Geschäftsleute oder Kongressgäste nicht bis mittags warten können, weil ihre Agenden eng getaktet sind: ebenso wie die Ernst’sche, als er noch Geld verdienen musste.

Aus dem Westerwald zog es ihn seinerzeit in die Welt, wo er mit Antriebstechnik zu Wohlstand kam. Die Heimatregion jedoch ließ ihn niemals ganz los. Ernst lebte in Eppstein im Taunus, bevor er Wiesbaden zur Wahlheimat erkor. Der Firmensitz ist in Limburg, und Wiesbaden war als Museumsstandort zweite Wahl. Andererseits hatten die Wiesbadener ihrerseits an der symbolträchtigen Adresse Wilhelmstraße 1 zunächst keinesfalls ein Kunsthaus vorgesehen. Die einen wünschten sich ein Hotel – das war nachvollziehbar, zumal dort früher ein Grand Hotel stand -, die anderen einen Neubau für das Stadtmuseum, das nun weiterhin in der Stadtmitte mit einer unattraktiven Kellerlocation klar kommen muss und die meisten seiner Schätze gar nicht zeigen kann.

Das mre will alle zwei Jahre neu hängen. Somit gibt es – ist auch der Besuch am Morgen tabu – reichlich Gelegenheit, sich Makis Zuckerwürfel mit der Erstpräsentation immer einmal wieder zu gönnen: nicht nur zur Kuchenzeit.

Dorothee Baer-Bogenschütz

Interview – 

Dorothee Baer-Bogenschütz. Foto: Heidi Offterdinger
Dorothee Baer-Bogenschütz. Foto: Heidi Offterdinger

Reinhard Ernst teilt seine Zeit auf zwischen mehreren Frauen. Seit wann und warum, fragte Gastautorin Dorothee Baer-Bogenschütz im Interview mit dem Kunstsammler und Mäzen, der sich mit einem spektakulären Sammlermuseum in Wiesbaden verewigt

Baer-Bogenschütz: Herr Ernst, die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung ist die Trägerin des Museum Reinhard Ernst, und die Stiftung trägt Ihren Namen und den Ihrer Ehefrau. Doch da gibt es noch mindestens eine weitere Frau in Ihrem Leben. Sie bestimmt es seit langer Zeit mit, gräbt Ihnen reichlich Freizeit ab und inspirierte auch den Museumsbau. Schon seit Jahrzehnten sind Sie ihr treu und liebäugeln sogar mit einer ihrer Kolleginnen. Wann begannen Sie sich denn für Helen Frankenthaler und wann für Lee Krasner zu interessieren?

Ernst: Seit Ende der 1990er Jahre.

Baer-Bogenschütz: Sinngemäß sagten Sie einmal, man entdecke, dass man Sammler ist, wenn man feststellt, dass die häuslichen Wände nicht mehr ausreichen, um die erworbenen Werke zu hängen. Wie viele Werke der beiden für Sie so wichtigen Malerinnen befinden sich denn in Ihrer Sammlung?

Ernst: 46 Arbeiten von Helen Frankenthaler und einstweilen eine Arbeit von Lee Krasner.

Baer-Bogenschütz: Beide sind in Deutschland noch wenig bekannt, woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Ernst: Amerikanische Künstler sind hierzulande im Allgemeinen nicht wirklich bekannt, außer Mark Rothko und Jackson Pollock. Tatsächlich ändert sich das, seit einiger Zeit rücken sie mehr in den Fokus. In den letzten Jahren wurden die beiden Künstlerinnen mit großen Einzelausstellungen gewürdigt, und es sind einige Publikationen erschienen, die ihren Stellenwert in der Kunstgeschichte betonen.

Baer-Bogenschütz: Will Ihr Museum nun explizit die Rezeption anregen und verbessern?

Ernst: Ja, unbedingt. Durch Ausstellungen, durch unsere Publikationen und durch umfangreiche Vermittlungsprogramme.

Baer-Bogenschütz: Was fasziniert Sie so sehr an Frankenthalers und an Krasners Arbeiten?

Ernst: Frankenthaler überzeugt mich durch ihren unverwechselbaren Stil. Mich beeindrucken ihre Farbfelder mit aufregenden Farben. Krasner hat ebenfalls einen eigenen Stil, ist allerdings weitaus experimentierfreudiger als Helen Frankenthaler. Das Werk, das wir von ihr in unserer Sammlung haben, Peacock aus dem Jahr 1973, erkennt man erst auf den zweiten oder dritten Blick als eine ihrer Arbeiten.

Baer-Bogenschütz: Beide sind starke Frauen, könnte das mit den jüdischen Wurzeln zusammenhängen?

Ernst: Das könnte sein, aber ich glaube es eher nicht. Beide waren mit starken Männern zusammen und haben gelernt, sich durchzusetzen.

Baer-Bogenschütz: Haben Sie beide persönlich kennen gelernt, womöglich in New York getroffen?

Ernst: Leider nie.

Baer-Bogenschütz: Frankenthalers Werke sind das Herzstück Ihrer Sammlung, kann man das so sagen?

Ernst: Das kann man so sagen. Sie ist meine Lieblingskünstlerin. Amerikanische Künstler und Künstlerinnen bilden einen großen Teil meiner Sammlung.

Baer-Bogenschütz: Demnach interessiert Sie auch die Kunst der Männer von Frankenthaler und Krasner, gleich stark aber oder etwas weniger?
Ernst:  Ich habe die Kunstwerke in meiner Sammlung nie danach bewertet, ob sie ein Mann gemalt hat oder eine Frau. Die Lebensgefährten von Frankenthaler und Krasner interessieren mich als Sammler genauso stark. Ich habe einen Pollock und mehrere Motherwells. Hätte ein Mann gemalt wie Frankenthaler, wäre er mein Lieblingskünstler.

Baer-Bogenschütz:  Herzlichen Dank für diese Liebeserklärung!

Für das neue Wiesbadener Museum Rheinhard Ernst sind ab sofort Tickets im Onlineshop erhältlich – Eröffnung am 23.06.2024

Das Museum Reinhard Ernst ist das einzige Museum des japanischen Architekten und Pritzker Preisträgers Fumihiko Maki in Europa mit einer Sammlungspräsentation, die erstmals Meisterwerke des Abstrakten Expressionismus, des Informel und der japanischen Gutai Gruppe zeigt. Eine Sonderausstellung zur Eröffnung würdigt den Architekten Fumihiko Maki. © Foto Diether von Goddenthow
Das Museum Reinhard Ernst ist das einzige Museum des japanischen Architekten und Pritzker Preisträgers Fumihiko Maki in Europa mit einer Sammlungspräsentation, die erstmals Meisterwerke des Abstrakten Expressionismus, des Informel und der japanischen Gutai Gruppe zeigt. Eine Sonderausstellung zur Eröffnung würdigt den Architekten Fumihiko Maki. © Foto Diether von Goddenthow

Wiesbaden, 6. Mai 2024 – Das Museum Reinhard Ernst (mre) wird am Sonntag, 23. Juni 2024 feierlich eröffnet. An diesem Tag steht das mre von 10:15 Uhr bis 19:00 Uhr allen Interessierten offen. Der Eintritt ist frei. Für den Besuch des mre an diesem Tag müssen Zeitfenster gebucht werden. Kostenlose Zeitkarten für den Eröffnungstag sind ab sofort im Online-Museumsshop erhältlich. Kunst- und Architekturbegeisterte, die das Museum zu einem späteren Zeitpunkt besuchen möchten, haben jetzt ebenfalls die Möglichkeit, Tickets online zu erwerben.

Museum Reinhard Ernst
Tickets

60 Werke in der ersten Sammlungspräsentation Farbe ist alles!

Hinter der strahlend weißen Granitfassade laufen die Vorbereitungen für die Eröffnung des mre auf Hochtouren. Während das Gebäude den letzten Feinschliff erhält, kümmern sich Lea Schäfer, die Kuratorin des mre, und Restaurateurin Nelly Paletta mit einem Team von Art Handlern um die Hängung der ersten Sammlungspräsentation. Unter dem Titel Farbe ist alles! werden rund 60 Arbeiten aus der über 960 Werke umfassenden Sammlung Reinhard Ernst präsentiert.

Viele der in der Ausstellung gezeigten Werke weisen beeindruckende Formate auf und stellen das Hängeteam vor eine logistische Herausforderung. Die größte Arbeit, Formation Stream (1971) von Toshimitsu Imai, misst ca. 20 Meter in der Breite. Die 18-teilige Komposition wurde ursprünglich für ein Restaurant in Tokyo angefertigt und wird auch in Wiesbaden ein beindruckendes Raumerlebnis bieten.

Die Suche nach dem weißen Wal: mre richtet Raum für Frank Stella ein
Gruppenbild mit Stella: v.l. Direktor Dr. Oliver Kornhoff, Sammler Reinhard Ernst, Kuratorin Lea Schäfer und Restaurateurin Nelly Paletta. Foto: Kathrin Grün
Gruppenbild mit Stella: v.l. Direktor Dr. Oliver Kornhoff, Sammler Reinhard Ernst, Kuratorin Lea Schäfer und Restaurateurin Nelly Paletta. Foto: Kathrin Grün

Kurz bevor die Nachricht von Frank Stellas Tod am Wochenende um die Welt ging, wurde im Museum Reinhard Ernst ein Raum mit drei Reliefs aus der Werkreihe Moby Dick eingerichtet. Frank Stella gehört seit vielen Jahren zu den Lieblingskünstlern von Reinhard Ernst. Insgesamt sind fünf Reliefs und weitere Gemälde in seinem Besitz.

Von 1986 bis 1997 arbeitete er an der Serie, die insgesamt 266 großformatige Skulpturen und Metallreliefs, eine Wandmalerei, Collagen und Druckgraphiken umfasst. Nach den 135 Kapiteln des Romans ist je ein Werk benannt.

Die Beschäftigung mit Moby Dick warf für den Künstler die Frage auf, „ob die Abstraktion geeigneter [sei], dem Roman einen bildnerischen Ausdruck zu liefern, als jede noch so geschickte Illustration“. Damit formuliert Stella das Leitmotiv der Eröffnungsausstellung, die in jedem Saal die Möglichkeiten der Abstraktion in Sachen Gestaltung, Material und Technik neu auslotet.

„Es ist ein erhebender Moment, die Werke aus meiner Sammlung nun an den Wänden unseres Museums zu sehen. Das Ziel, auf das wir – einschließlich der Planung – fast acht Jahre intensiv hingearbeitet haben, rückt nun in greifbare Nähe. Es macht mich sehr glücklich zu wissen, dass diese Kunstwerke bald einem großen Publikum zugänglich sind“, sagte Museumsgründer Reinhard Ernst.

Friedel Dzubas: Deutsche Maltradition und Sinn für große Formate
Archivbild: Friedel Dzubas' Gemälde Argonaut wird ausgerollt. Foto: Anika Dekubanowski
Archivbild: Friedel Dzubas‘ Gemälde Argonaut wird ausgerollt. Foto: Anika Dekubanowski

Am heutigen Montag, 6. Mai 2024, wurde das Gemälde Argonaut (1983) von Friedel Dzubas (1915-1994) für die Hängung in der Sammlungspräsentation vorbereitet. Das Gemälde wurde auf dem Boden des Ausstellungssaals ausgerollt und anschließend auf seinen Rahmen aufgespannt.

Dr. Oliver Kornhoff: „Dzubas betitelt das Werk Argonaut nach den mythischen Seefahrern der griechischen Antike. Damit verweist er auf seine persönliche Emigrationsgeschichte, da er als Deutscher mit jüdischem Vater in die USA fliehen musste. Er schenkt uns aber auch ein hinreißendes Farbenmeer, in dem wir uns verlieren können. Ob Sie es glauben oder nicht: Wir haben das Gemälde bislang selbst erst einmal richtig gesehen. Es misst mehr als sieben Meter in der Breite und ist damit zu groß sogar für unser Kunstlager. Daher ruhte das Gemälde in seiner Kiste, bis zu diesem besonderen Tag, an dem wir endlich ein entrolltes, aufgespanntes und gerahmtes Wiedersehen feiern können“, so Oliver Kornhoff.

Mit 24 Jahren floh Dzubas kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs von Berlin in die USA. Er gilt heute als herausragendes Beispiel für eine Kombination von deutscher Maltradition und dem Sinn für große Formate, gepaart mit einem Faible für amerikanische Materialien. 1948 traf Dzubas Clement Greenberg und lernte über ihn Willem de Kooning, Jackson Pollock, Adolph Gottlieb, Barnett Newman, Franz Kline und später auch Helen Frankenthaler kennen. Mit ihr teilte er sich von Oktober 1952 bis November 1953 in der 23rd Street in New York City ein Atelier.

Wie viele Künstler der Zeit nutzte Dzubas ab 1966 Magna, eine amerikanische lösemittellösliche Acrylharzfarbe, die schnelltrocknend ihre Farbintensität behält. Sein künstlerischer Prozess führte ihn von klassischen Landschaften hin zu großen Leinwänden, auf denen er pure Farbformationen ohne erzählende Inhalte arrangierte.

Das große Format eröffnet ein landschaftliches Panorama, das in der Farbverteilung an die Gemälde seines großen Vorbilds, des italienischen Barockmalers Giovanni Battista Tiepolo, erinnert. Er selbst notierte dazu: „Wenn man im großen Format arbeitet, kann man sich leichter verlieren, und ich möchte mich verlieren.“ (Zitiert nach Barbara Rose: „Friedel Dzubas: Romantic Abstractionist,“ in: Reconsidering Friedel Dzubas, Ausst.-Kat. Eaton Fine Art, Inc., West Palm Beach 2009)

Biografie Friedel Dzubas (1915 Berlin-1994 Auburndale, Florida, USA)
1936-39 Studium der Malerei an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin und an der Kunstakademie Düsseldorf bei Paul Klee.
1939 Emigration nach Chicago, dort Tätigkeit als Illustrator.
1945 Umzug nach New York. Trifft auf Clement Greenberg, der den Kontakt u. a. zu Jackson Pollock herstellt.
1948 Mitglied der Künstlergruppe Eighth Street Club.
1952 gemeinsames Atelier mit Helen Frankenthaler, erste Einzelausstellung in der Tibor de Nagy Gallery, New York.
1964 Teilnahme an der von Clement Greenberg veranstalteten Ausstellung Post-Painterly Abstraction im Los Angeles County Museum of Art. Zahlreiche Lehraufträge, u. a. an der University of Pennsylvania, Philadelphia (1968/69) und der Schule des Museum of Fine Arts, Boston (1976-83).

Publikationen
Zur Eröffnung erscheint die Publikation Magazin – Die Sammlung Reinhard Ernst No. 1 (118 Seiten, 97 Abbildungen, 29,7 x 23 cm, Fadenheftung, ISBN 978-3-910941-00-7). Ebenfalls zur Eröffnung erscheint der Interviewband Die Kunst gehört allen. Museumsgründer Reinhard Ernst im Gespräch mit Peter Lückemeier und Stefan Schröder (Waldemar Kramer Verlag, 160 Seiten, 60 Abbildungen in Farbe, kartoniert, ISBN 978-3-7374-0501-0). Bereits jetzt lieferbar ist der Bildband Faszination Farbe. Abstrakte Malerei – Die Sammlung Reinhard Ernst (Hirmer Verlag, 384 Seiten, 330 Abbildungen in Farbe, 28,6 x 30,7 cm, gebunden, vierfarbig bedruckter Leineneinband, ISBN: 978-3-7774-3233-5). Die Publikationen werden im Museumsshop erhältlich sein.

Service
Öffnungszeiten ab Dienstag, 25. Juni 2024
Dienstag bis Sonntag 12:00-18:00 Uhr
Mittwoch 12:00-21:00 Uhr
Montags geschlossen

Vormittags ist der Museumsbesuch ausschließlich Schulklassen vorbehalten. Der Eintritt ins Museumsfoyer ist für alle Besucher frei.
Tickets können ab 6. Mai 2024 im Onlineshop vorbestellt werden.
Tickets

Eintrittspreise:
Erwachsene 14 €
Ermäßigt 12 €
Jugendliche bis 18 Jahre erhalten freien Eintritt.
An jedem letzten Dienstag ist der Eintritt im Museum Reinhard Ernst von 15-18 Uhr kostenfrei.

Öffnungszeiten Restaurant rue 1 by gollner’s (ab Dienstag, 25. Juni 2024)
Dienstag bis Samstag 10:00-00:00 Uhr
Sonntag 10:00-18:00 Uhr
Montag Ruhetag

Alle Infos: Museum Reinhard Ernst

Günter Fruhtrunk Retrospektive im Museum Wiesbaden mit Geometrischen Bildern und Abstraktionen ab 26.04.2024

Geometrische Bilder, Abstraktion und Rhythmus: Museum Wiesbaden präsentiert Günter Fruhtrunk vom 26. April bis zum 25. August 2024. Ausstellungsimpression. © Foto Diether von Goddenthow
Geometrische Bilder, Abstraktion und Rhythmus: Museum Wiesbaden präsentiert Günter Fruhtrunk vom 26. April bis zum 25. August 2024. Ausstellungsimpression. © Foto Diether von Goddenthow

„Das visuell Wahrgenommene“, zöge uns nicht allein durch die Gestaltung in „eine andere Welt,‘, sondern „entwickelt sich im Sehvorgang als ständig Werdendes zu seiner rhythmisierten Lichtmenge zurück“, war einer der Ansätze in Günther Fruhtrunks Werk, vielen – zumeist unbewusst bekannt – durch die Gestaltung der Einkaufstragetüte von Aldi Nord. Fruhtrunk  revolutionierte die abstrakte Nachkriegsmalerei in einer Weise, die bis heute ihresgleichen sucht. Seine Kunst prägte Jahrzehntelang das Straßenbild der Bundesrepublik – und dies auf ungewöhnliche Weise: 1970 entwarf Fruhtrunk das Design für die Plastiktüten des Discounters ALDI Nord. Anlässlich des 100. Geburtstages des Malers und Grafikers widmen das Kunstmuseum Bonn und das Museum Wiesbaden dem Künstler eine große Retrospektive. Vom 26. April bis zum 25. August 2024 präsentiert das Museum Wiesbaden rund 50 Gemälde aus allen Schaffensphasen Fruhtrunks.

„…meine Bildmittel sind Wirkung der Farbe, sinnliche Energie, Nicht-Farbe als Energie und jeweils Rhythmisierung als innerstes Prinzip der Geistestätigkeit…“ Gunter Fruhtrunk, 1976

Günter Fruhtrunks (1923—1982) Gemälde fordern die Betrachterinnen und Betrachter heraus, bieten dem Auge Flirren und Halt zugleich. Seine Arbeit zeichnet sich durch klare Linien, geometrische Formen und kontrastreiche Farben aus. Über viele Jahre entwickelte er eine eigene abstrakte Bildsprache, die er in vielfältigen Variationen perfektionierte. Dabei erhielt er wichtige Impulse in Freiburg von Julius Bissier und in Paris durch Fernand Léger und Jean Arp. Es entstanden enorm verdichtete, leuchtende Bilder, die sich der passiven Betrachtung entziehen und den Sehvorgang permanent herausfordern. Die Arbeit in Serien und seine Bezüge zur Musik sind dabei charakteristisch. Der Künstler machte sich nicht nur als Maler und Grafiker einen Namen, sondern auch in der Ausgestaltung von Architektur. Popularität gewann er zusätzlich mit dem Entwurf des ikonischen blau-weißen Diagonalmusters für ALDI Nord.

 Dr. Jörg Daur, Kurator der Ausstellung und Kustos für Zeitgenössische Kunst, erklärt beim Presserundgang Günter Fruhtrunks Werk.  © Foto Diether von Goddenthow
Dr. Jörg Daur, Kurator der Ausstellung und Kustos für Zeitgenössische Kunst, erklärt beim Presserundgang Günter Fruhtrunks Werk. © Foto Diether von Goddenthow

„Neben dem Frühwerk ist sicherlich auch das Spätwerk von Günter Fruhtrunk eine Entdeckung. Seine Malerei löst sich zu Beginn der 80er Jahre von der strengen Geometrie und zeigt eine Offenheit, die Lust auf mehr macht. Gerne wüsste ich, wie Fruhtrunk in den 90er Jahren gemalt hätte,“ so Dr. Jörg Daur, Kurator der Ausstellung und Kustos für Zeitgenössische Kunst.

Die gemeinsam mit dem Kunstmuseum Bonn konzipierte Ausstellung beleuchtet die Werkentwicklung Fruhtrunks in drei großen Blöcken: Sie reflektiert das bislang wenig gezeigte Frühwerk zwischen 1950 und 1954, mit vorwiegend kleinen Formaten, auf denen geometrische Formen frei im Raum schweben und in denen Bild und Motiv noch getrennte Ebenen darstellen. Der zweite Schwerpunkt beschäftigt sich mit den späten 1950er und 1960er Jahren, in denen Fruhtrunk seine geschichteten Streifenbilder entwickelte. Hier verschmelzen Bild und Motiv miteinander und die Farbe gewinnt immer deutlicher eine eigenständige Bedeutung. Den Abschluss bilden Werke aus den 1970er und frühen 1980er Jahren, in denen sich die Streifenstruktur zu Feldern und Flächen ausbildet und die Emanzipation der Farbe vollständig gelingt. Rund 50 Gemälde aus allen Schaffensphasen sind vom 26. April bis zum 25. August 2024 im Museum Wiesbaden zu sehen.

Zur Ausstellung ist der Katalog „Günter Fruhtrunk Retrospektive 1952-1982″ (herausgegeben von Stephan Berg, Jörg Daur) erschienen, 170 Seiten, 28 € an der Museumskasse, ISBN 978-3868327687). Eine kostenfreie Media-Tour in der MuWi-App begleitet die Schau.

Eintritt
Ticketerwerb an der Tageskasse oder Buchung online:
https://tickets.museum-wiesbaden.de/
Sonderausstellung* 12,— Euro (9,— Euro ermäßigt)
* Eintritt in die Sonderausstellungen beinhaltet den Besuch der Sammlungen.
Eintritt frei für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Öffnungszeiten
Di, Mi, Fr, Sa und So 10—17 Uhr
Do 10—21 Uhr
Mo geschlossen
Weitere Informationen Günter Fruhtrunk Retrospektive

Museum Reinhard Ernst eröffnet am 23. Juni 2024

Das Museum Reinhard Ernst ist das einzige Museum des japanischen Architekten und Pritzker Preisträgers Fumihiko Maki in Europa mit einer Sammlungspräsentation, die erstmals Meisterwerke des Abstrakten Expressionismus, des Informel und der japanischen Gutai Gruppe zeigt. Eine Sonderausstellung zur Eröffnung würdigt den Architekten Fumihiko Maki. © Foto Diether von Goddenthow
Das Museum Reinhard Ernst ist das einzige Museum des japanischen Architekten und Pritzker Preisträgers Fumihiko Maki in Europa mit einer Sammlungspräsentation, die erstmals Meisterwerke des Abstrakten Expressionismus, des Informel und der japanischen Gutai Gruppe zeigt. Eine Sonderausstellung zur Eröffnung würdigt den Architekten Fumihiko Maki. © Foto Diether von Goddenthow

Wiesbaden, 10. April 2024 – Jetzt ist es offiziell: Der mit Spannung erwartete Eröffnungstermin des stiftungsfinanzierten Wiesbadener Kunstmuseums steht fest. Das Museum Reinhard Ernst (mre) wird am Sonntag, den 23. Juni 2024 eröffnet. Mit dem mre erhält die internationale Kunstszene ein neues Museum von Weltrang mit dem Schwerpunkt abstrakte Kunst. Die hier gezeigten Meisterwerke aus der Zeit nach 1945 bis in die Gegenwart werden zum Teil erstmals öffentlich präsentiert.

Die erste Sammlungspräsentation wird eine Auswahl von 60 Positionen zeigen, unter anderem Gemälde und Skulpturen von Tony Cragg, Helen Frankenthaler, Karl Otto Götz, Hans Hartung, Yūichi Inoue, Lee Krasner, Morris Louis, Tal R, Judit Reigl, Pierre Soulages, Tōkō Shinoda, Frank Stella, Atsuko Tanaka und Wolfgang Tillmans.

Die erste Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. In seinem Geleitwort zur Ausstellungspublikation schreibt der Bundespräsident: „Es ist ein großes Ereignis, wenn in Kürze das Museum Reinhard Ernst eröffnet wird und wenn seine erste Ausstellung eine Vorstellung davon geben wird, welche Schätze die Sammlung abstrakter Kunst birgt, die Reinhard und Sonja Ernst im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zusammengetragen haben. Die Sammlung umfasst ja nicht nur Werke europäischer, amerikanischer und japanischer Kunst, sie ist auch von einer solchen herausragenden Qualität, dass bald auch Besucherinnen und Besucher aus aller Welt nach Wiesbaden kommen werden, um den besonderen Weg zu verfolgen, den die Abstrakte Kunst seit etwa dem Ende des Zweiten Weltkrieges gegangen ist.“

Museumsgründer Reinhard Ernst: „Freuen Sie sich mit uns auf ein großes Ereignis: Im Herzen von Wiesbaden, in der Wilhelmstraße 1, wird das mre dem Publikum übergeben. Das mre ist das zehnte Museum meines Freundes, des japanischen Architekten Fumihiko Maki, und sein einziges in Europa. Dieses Haus der Kunst setzt Maßstäbe in der Architektur sowie in der Technik, Komplexität und Qualität der Ausführung.“

„Mein Team und ich fiebern dem Eröffnungstag entgegen“, ergänzt Direktor Dr. Oliver Kornhoff. „Mit der ersten Sammlungspräsentation Farbe ist alles! wollen wir unseren Besucher:innen verständlich machen, was das ‚Abenteuer Abstrakte Kunst‘ eigentlich bedeutet. Zahlreiche der in der Sammlung vertretenen Künstler:innen haben mit ihren Arbeiten unsere Sichtweisen auf Malerei und Skulptur herausgefordert und unser Kunstverständnis erweitert. Unsere Ausstellung zeichnet die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen, vielfältigen Verbindungen zwischen europäischen, US-amerikanischen und japanischen Künstler:innen nach und beschreibt die epochemachenden kunsthistorischen Umbrüche dieser Zeit“, führt Kornhoff aus.

Kunst im Foyer
Die bauliche und künstlerische Gestaltung des Museums gingen Hand in Hand. Das Ergebnis ist ein Gesamtkunstwerk, bei dem sich Architektur, Malerei, Installation, Glaskunst und Skulptur vereinen. Aufwändige Auftragsarbeiten aus Glas von Katharina Grosse, MadC und Karl-Martin Hartmann empfangen die Besucher:innen im öffentlich zugänglichen Museumsfoyer und im Untergeschoss. Ebenfalls im Foyer wird eine aktuelle Auftragsarbeit von Bettina Pousttchi zu sehen sein. Blickfänger im gläsernen Innenhof sind die dreiteilige Skulptur Buscando la luz III von Eduardo Chillida (1924–2002) und ein 65-jähriger Japanischer Fächerahorn.

Vorschau 2024
Die erste Sonderausstellung Fumihiko Maki, Maki and Associates: Für eine menschliche Architektur / Towards Humane Architecture ist dem 1928 geborenen Architekten gewidmet. Sie ist vom 23. Juni 2024 – 9. Februar 2025 zu sehen. Die Ausstellung zeigt Modelle einiger der herausragenden Projekte des Pritzker-Preisträgers, darunter des Towers 4 World Trade Center in New York City. Weiterhin werden die Museumsbauten vorgestellt, zu denen das Aga Khan Museum in Toronto (Fertigstellung 2014), das Yerba Buena Center for the Arts in Kalifornien (1993) und das National Museum of Modern Art Kyoto (1985) gehören. Das Museum Reinhard Ernst fügt sich als zehnter Museumsbau in diese hochkarätige Reihe ein.

Publikationen
Zur Eröffnung erscheint die Publikation Magazin – Die Sammlung Reinhard Ernst No. 1 (118 Seiten, 97 Abbildungen, 29,7 x 23 cm, Fadenheftung, ISBN 978-3-910941-00-7). Ebenfalls zur Eröffnung erscheint der Interviewband Die Kunst gehört allen. Museumsgründer Reinhard Ernst im Gespräch mit Peter Lückemeier und Stefan Schröder (Waldemar Kramer Verlag, 160 Seiten, 60 Abbildungen in Farbe, kartoniert, ISBN 978-3-7374-0501-0). Bereits jetzt lieferbar ist der Bildband Faszination Farbe. Abstrakte Malerei – Die Sammlung Reinhard Ernst (Hirmer Verlag, 384 Seiten, 330 Abbildungen in Farbe, 28,6 x 30,7 cm, gebunden, vierfarbig bedruckter Leineneinband, ISBN: 978-3-7774-3233-5). Die Publikationen werden im Museumsshop erhältlich sein.

(Kathrin Grün /Museum Reinhard Ernst)

Öffnungszeiten ab Dienstag, 25. Juni 2024

Dienstag bis Sonntag 12-18 Uhr
Mittwoch 12-21 Uhr
Montags geschlossen

Vormittags ist der Museumsbesuch ausschließlich Schulklassen vorbehalten. Der Eintritt ins Museumsfoyer ist für alle Besucher:innen frei
Tickets können ab 6. Mai 2024 im Onlineshop vorbestellt werden.

Eintrittspreise:
Erwachsene 14€
Ermäßigt 12 €
Jugendliche bis 18 Jahre erhalten freien Eintritt.

Museum Rheinhard Ernst

Der Hase ist des Jägers Tod – Faszinierende interdisziplinäre Süd-Afrika-Schau von der Steinzeit bis Safari-Tourismus

Safari-Erlebnisse pur in der großen naturhistorischen Jahresschau: Vom 21. März 2024 bis zum 2. Februar 2025 zeigt das Museum Wiesbaden - Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur - seine große Sonderausstellung "Der Hase ist des Jägers Tod. Kultur und Natur des südlichen Afrikas". © Foto Diether von Goddenthow
Safari-Erlebnisse pur in der großen naturhistorischen Jahresschau: Vom 21. März 2024 bis zum 2. Februar 2025 zeigt das Museum Wiesbaden – Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur – seine große Sonderausstellung „Der Hase ist des Jägers Tod. Kultur und Natur des südlichen Afrikas“. © Foto Diether von Goddenthow

Das Hessische Landesmuseum Wiesbaden ist – mit Ausnahme des Naturkunde-Museums Münster – das einzige deutsche Museum, welches jedes Jahr in seiner naturhistorischen Sparte noch eine große aufwändige naturwissenschaftliche Jahresausstellung präsentiert. In diesem Jahr ist es dem Museum Wiesbaden mit seiner Schau zum südlichen Afrika „Der Hase ist des Jägers Tod. Kultur und Natur des südlichen Afrika“, die vom 21. März 2024 bis 2. Februar 2025 läuft, besonders gut gelungen. Besucher tauchen sofort ein in eine mit über 500 Tiermodellen und Präparaten in Originalgröße fantasievoll komponierten Tierwelt auch gut 100 Arten des südlichen Afrikas. Es geschieht so intensiv, wie es in keiner Safari oder im Zoo möglich wäre. Es ist zudem alles ohne Risiko für Leib und Leben, selbst, wenn vor dem Maul eines zu Beginn rechts im Sumpf lauernden Krokodils nur noch der Tropenhut eines anscheinend soeben verschlungenen Forschers etwas hervorlugt. Von den oberen Wänden prangen etliche originalgetreue Reproduktionen steinzeitlicher Höhlenmalereien. Es ist eine Auswahl aus über 10 000 gescannten Aufnahmen, die ein beeindruckendes historisches Zeug der intensiven Beziehungen zwischen Mensch und Tier Afrikas abgeben.

Naturwissenschaft mit herrlichem Humor gespickt: Hier war anscheinend nicht der Hase, sondern das Krokodil des Jägers Tod. © Foto Diether von Goddenthow
Naturwissenschaft mit bissigem Humor: Nicht der Hase, sondern das Krokodil war des Jägers Tod. © Foto Diether von Goddenthow

Entsprechend liegt der zentrale Focus der Ausstellung auf den Mensch-Tier-Beziehungen, insbesondere in Namibia. Dieser Jahrtausende langen Interaktion zwischen Menschen und ihrer Umwelt wird im Kontext wechselseitiger anthropologischer, kulturanthropologischer, biologischer und archäologischer Bezogenheit nachgespürt. Ausstellungs-Intention ist dabei, insbesondere bei jungen Menschen Neugier und Faszination für die Biologie und Kultur des südlichen Afrikas zu wecken. Zudem sollen Besucher auch für den Schutz der biologischen Vielfalt, dem Verstehen ethnisch-kultureller Diversität und auf einen Rückblick auf koloniales Unrecht sensibilisiert werden.

Die Jahresausstellung der Naturhistorischen Sammlungen des Museums basiert auf zwei Säulen: Im Bereich der Natur begeben sich die Gäste auf eine Reise durch die verschiedenen Lebensräume des facettenreichen südlichen Afrikas und finden sich Auge in Auge mit Elefanten, Löwe und Giraffe. Dabei reicht das Spektrum von der trockenen Etosha-Pfanne bis zum Okavango-Delta. „Das Museum Wiesbaden bietet mit dieser Ausstellung eine weitere Reise zur Beschreibung dieser Welt an“, so Direktor Andreas Henning. „Seit mehreren Jahren geht es den Naturhistorischen Sammlungen darum, Besucherinnen und Besucher die biologische Vielfalt der Erde vor Augen zu führen. Wesentlich dabei ist jedoch stets der Mensch als Teil seiner Umwelt. Wir skizzieren historische wie auch gegenwärtige Strategien des Zusammenlebens zwischen Mensch und Natur – sowohl erfolgreiche, als auch missglückte.“

Begehbares Panorama mit mehr als 100 Tierarten Südafrikas

Mehr Safari-Feeling auf einen Blick geht kaum. © Foto Diether von Goddenthow
Mehr Safari-Feeling auf einen Blick geht kaum. © Foto Diether von Goddenthow

Für die Ausstellung wurden im Museum erstmals lebensgroße Modelle von Giraffe und Elefant geschaffen. Den Präparatorinnen und Präparatoren gelangen so Meisterstücke ihres Fachgebietes. Wie keine anderen Tiere stehen diese Riesen für die Faszination Savanne. Denn nirgends sonst auf der heutigen Welt vereinen sich so vielfältig und zahlreich große Säugetiere einschließlich der Big Five. In der Ausstellung treten sie in Beziehungen zu einander und verdeutlichen sinnbildlich das komplexe System der Natur. In einem riesigen begehbaren Panorama können mehr als 100 Tierarten studiert werden. Der Mensch als Teil dieses Systems greift mit seinem Handeln ein, weshalb die Ausstellung auch von den Konflikten und Chancen, die ein Zusammenleben mit Wildtieren mit sich bringt, berichtet. Es geht dabei um Fragen wie Elefanten von Feldern ferngehalten werden können oder in der Bevölkerung Verständnis für das Wandern großer Tierherden entstehen kann. Diese Themen wurden in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael Bollig von der Universität zu Köln und seinem Team erarbeitet.

Ein faszinierendes originalgetreues Modell eines Elefanten, der letzten pflanzenfressenden Riesen Südafrikas mit einem Körpergewicht von über 1000 Kilogramm.  © Foto Diether von Goddenthow
Ein faszinierendes originalgetreues Modell eines Elefanten, der letzten pflanzenfressenden Riesen Südafrikas mit einem Körpergewicht von über 1000 Kilogramm. © Foto Diether von Goddenthow

„Sicher fasziniert Afrikas Natur die Menschen des Nordens seit vielen Generationen. Mancher hält sie für ein unberührtes Paradies ohne jegliche menschliche Beeinflussung, die sie nicht ist“, erläutert Kurator Hannes Lerp. „Die Ausstellung thematisiert die heutigen Herausforderungen, denen die Menschen vor Ort gegenüberstehen, wenn sie mit Elefanten und Löwen in der Nachbarschaft leben. Ebenso sind die wirtschaftlichen Interessen anzuerkennen, und mit dem Naturschutz in Einklang zu bringen.“ Dem Kurator ist es wichtig, dass Debatten zur Großwildjagd nicht dominant von europäischen Vorstellungen beschnitten werden. Denn wir selbst schauen gerne nach Afrika und vergessen unsere eigene Kontroverse zur Jagd auf Wölfe und Luchse.

Einen herben Kontrast zur Savannenlandschaft im UG bildet das im romantisierenden  Hemingway-Charme gestaltete Jagdzimmer mit all den Jagdtrophäen von Großwildjägern. © Foto Diether von Goddenthow
Einen herben Kontrast zur Savannenlandschaft im UG bildet das im romantisierenden Hemingway-Charme gestaltete Jagdzimmer mit all den Jagdtrophäen von Großwildjägern. © Foto Diether von Goddenthow

Die zweite Säule der Ausstellung bildet die Kulturgeschichte der Region. Dank der Kooperation mit Archäologen der Goethe-Universität Frankfurt zeigt das Museum Aufnahmen prähistorischer Felsbilder in Originalgröße, die im Rahmen mehrerer Kampagnen unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Breunig angefertigt wurden. Diese frühen Quellen bezeugen die lange Beziehung von Mensch und Tier seit mindestens 12.000 Jahren. Für die jüngste Vergangenheit stehen ethnologische Objekte aus der Sammlung bereit. Hier sieht der zweite Kurator der Ausstellung, Andy Reymann, eine besondere Verantwortung der Museen: „Deutschland war eine Kolonialmacht und es ist klar, dass in fast allen historischen Sammlungen auch Zeugnisse dieser Zeit zu finden sind. Als Landesmuseum sind wir seit 2004 bestrebt, unsere Sammlungen auf ihre koloniale Vergangenheit hin zu überprüfen. Als Teil der bundesweiten 3-Wege-Strategie bildeten unsere Objekte aus Namibia dabei bereits den Grundstock unserer allerersten digitalen Aufarbeitung und wurden seither weiter beforscht.

Hochinteressante Exponate  , insbesondere der Berger-Sammlung, erwartet Besucher im oberen Teil II der Ausstellung. Hier beispielsweise Original-Giftpfeile, die die San zur Jagd eingesetzt haben. Das Gift gewannen sie auch einem Giftkäfer, aber auch aus Pflanzen, etwa einer Giftbohne. © Foto Diether von Goddenthow
Hochinteressante Exponate , insbesondere der Berger-Sammlung, erwartet Besucher im oberen Teil II der Ausstellung. Hier beispielsweise Original-Giftpfeile, die die San zur Jagd eingesetzt haben. Das Gift gewannen sie auch einem Giftkäfer, aber auch aus Pflanzen, etwa einer Giftbohne. © Foto Diether von Goddenthow

Der kulturanthropologische Teil der Schau startet dabei mit der Vorstellung einiger in Namibia ansässigen Gemeinschaften und ihrer Lebensweisen zu Beginn der Kolonialzeit. Weiter werden die Gäste durch die Präsentation von historischen Objekten bis zur Thematisierung des Genozids der deutschen Schutztruppe an den Herero und Nama geführt. Auch Sammlungsobjekte des aus Wiesbaden stammenden Missionars Carl Berger werden vorgestellt. Als Mitglied der Rheinischen Missionsgesellschaft war er während der Aufstände 1904 direkt vor Ort und schildert in seinen schriftlichen Berichten die Ereignisse.

„Als deutscher Missionar befand sich Carl Berger in einem Spannungsfeld zwischen christlicher Nächstenliebe, deutschem Imperialismus und persönlichem Profitstreben“, betont der Kulturanthropologe Reymann. Er ist der verantwortliche Wissenschaftler für die Koordinierungsstelle zur Aufarbeitung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in hessischen Landeseinrichtungen und Mit-Kurator der Ausstellung: „So steht dieser Missionar inmitten der größten Konflikte zwischen den kolonialen Begehren der Deutschen und der ansässigen Bevölkerung. Er stand in persönlicher Beziehung zu Hendrik Witbooi, dem heutigen Nationalhelden Namibias, und Simon Kooper, dem Anführer der Nama während der Aufstände.“
Der Genozid bildet jedoch nicht den Abschluss der Ausstellung. Im letzten Teil der kulturanthropologischen Sektion wird das heutige Namibia seit seiner Unabhängigkeit 1990 präsentiert. Dabei liegt der Fokus auf der Frage, wie mit dem kolonialen Erbe umgegangen werden kann und wie Versöhnung möglich ist.

Die Ethnologin Jutta MacConnel hier vor ihrem Original-Damara-Festkleid, welches sie dem Museum Wiesbaden für die Ausstellungs-Dauer überlassen hat. © Foto Diether von Goddenthow
Die Ethnologin Jutta MacConnel hier vor ihrem Original-Damara-Festkleid, welches sie dem Museum Wiesbaden für die Ausstellungs-Dauer überlassen hat. © Foto Diether von Goddenthow

Die Ethnologin und Mitkuratorin Jutta MacConnell lässt in Interviews die verschiedenen Perspektiven der heutigen namibischen Gesellschaft zu Wort kommen und zeigt anhand aktueller Kooperationsprojekte, wie ein offenes Miteinander der durch die koloniale Geschichte verstrickten Nationen möglich ist.

 

 

Neben einem vielseitigen Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm begleitet eine kostenfreie Media-Tour in der MuWi-App die Schau.
Weitere Informationen: https://museum-wiesbaden.de/suedliches-afrika

Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum
für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2
65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄ 335 2250 (-51)
Fax 0611 ⁄ 335 2192
Besucherinformationen

Publikation zur Ausstellung:

Alexandra Kafitz, gemeinsam mit Kurator Andy Reymann Autorin des Begleit-Werkes "Ein Bäckersohn in Südwest-Afrika", hat die historischen Akten und Briefe transkribiert. © Foto Diether von Goddenthow
Alexandra Kafitz, gemeinsam mit Kurator Andy Reymann Autorin des Begleit-Werkes „Ein Bäckersohn in Südwest-Afrika“, hat die historischen Akten und Briefe transkribiert. © Foto Diether von Goddenthow

Zur Ausstellung erschien die Publikation „Ein Bäckersohn in Südwest-Afrika – Deutscher Kolonialismus in Afrika am Beispiel des Wiesbadener Missionars Carl Berger“ in Deutsch und Englisch von Alexandra Kafirz und Andyy Reymann. Die hierin abgebildeten und transkribierten persönlichen Briefe und Stationsberichte des Missionars und Farmers Carl Berger während der Hochzeit des Kolonialismus geben tiefe subjektive Einblicke über Erfahrungen dieses Zeitzeugen und „wie er sein Handeln gegenüber seinen Vorgesetzten zu legitimieren suchte. Die Briefe und Berichte Carl Bergers sind ein wichtiges Zeitzeugnis. Sie spiegeln, wie der sich selbst sieht, seine Ambitionen und sein christliches Missions-Verständnis. Zugleich zeigen sie seine Einbindung in das System des deutschen Kolonialismus. So können Bergers Texte als Grundlage weiterer Forschungen dienen.“, aus dem Prolog „Die Schätze im Archiv“, Seite 5.

Hauptförderer:

Die Ausstellung wird unterstützt durch die Alfred Weigle Stiftung, die Nassauische Sparkasse, Gramenz GmbH, die Freunde des Museums Wiesbaden e.V., den Nassauischen Verein für Naturkunde e.V. und Christiane Matten.
In Kooperation mit der Goethe Universität Frankfurt am Main, der Universität zu Köln und dem Projekt rewilding the antropocene. Hr2 ist Kulturpartner der Ausstellung.