Das Landesmuseum Darmstadt eröffnet ab dem 6. September 2024 die neue digitale Erlebnisstation »Wale« . Dabei handelt es sich um eine moderne interaktive Präsentationsmöglichkeit für Kinder und ihre Familien, die es ihnen ermöglicht, sich noch tiefer, als es in der bisherigen Präsenzausstellung möglich war, in das Thema rund um die größten Meeressäuger hinein zu vertiefen.
Hintergrund: Zwischen 2007 und 2014 wurde das Hessische Landesmuseum Darmstadt umfangreich saniert und die Sammlungen mit einem modernen Ausstellungsdesign neu präsentiert. Das historische Gebäude von Alfred Messel erstrahlt seitdem in neuem Glanz. Jedoch fehlten bisher zielgerichtete Präsentationsformen für Kinder und Familien, eine entscheidende Zielgruppe für das Museum.
Diese Lücke wird nun geschlossen. In der Dauerausstellung entstehen drei Erlebnisstationen, die speziell auf Kinder im Grundschulalter ausgerichtet sind. Geplant sind Erlebnisstationen in den Bereichen Zoologie, Gemäldegalerie und Ritterrüstungen.
Faszinierende Welt der Wale wird erlebbar
Die »Erlebnisstation Wale« ist die erste der drei geplanten interaktiven Präsentationsinseln, die im zoologischen Sammlungsbereich eröffnet wird. Auf etwa 40 Quadratmetern werden den jungen Besuchern die faszinierende Welt der Wale nahegebracht. Mit zahlreichen didaktischen Elementen wird die beeindruckende Lebensweise dieser Meeressäuger erläutert – von der Jagdtechnik des Blauwals bis hin zum Gesang der Buckelwale und der Langlebigkeit der Grönlandwale. Zusätzlich thematisiert die Station die Geschichte des Walfangs sowie die aktuellen Bedrohungen für Wale.
Die Besucher werden in die Welt dieser geheimnisvollen Meeresbewohner entführt. Unterstützt durch Unterwassersounds und ein naturgetreues Modell eines Schweinswals, der scheinbar neugierig ins Meer taucht, bietet eine Projektion auf dem Boden einen Blick in die Tiefe des Ozeans, wo ein Pottwal seiner Lieblingsbeute, einem Kalmar, nachstellt. Über Knopfdruck können die Gesänge verschiedener Walarten abgespielt werden, aber auch die Störgeräusche, die den Walen das Leben erschweren, wie Unterwasserexplosionen oder Sonare.
Ergänzt wird dieser moderne Erlebnisraum durch zoologische Exponate, wie die Barten eines Grönlandwals, Walhaut mit Saugnapfabdrücken eines Kalmars und ein Gefäß mit Walöl. Partizipative Vermittlungseinheiten wie eine Riechstation, die den Duft von Ambra – einer Substanz aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen – vermittelt, und ein Anatomiepuzzle, das die Besonderheiten der Riesensäuger erklärt, bieten den jungen Gästen eine interaktive Lernerfahrung. Eine Filmstation verdeutlicht die ökologische Bedeutung der Wale als CO2-Speicher.
Im Eingangsbereich der Station können die Besucher eine Projektion eines Pottwals in Originalgröße betrachten und einen eigens entwickelten Animationsfilm über die historische Nutzung von Walprodukten abrufen. Ein Wal-Quartett und ein Hands-On-Experiment zur Wärmeleitfähigkeit von Luft und Wasser laden zum Mitmachen ein.
Ziel der Erlebnisstation »Wale« ist es, Kindern auf spielerische Weise die Faszination der Natur näherzubringen und die Bedeutung eines intakten Ökosystems am Beispiel der Wale zu verdeutlichen. Diese Station wird zu einem zentralen Bestandteil der Dauerausstellung und bietet eine einzigartige Möglichkeit, die Ausstellung neu zu beleben.
Ab dem 26. Juni 2024 zeigt das Landesmuseum Darmstadt in seiner Karl Freund-Galerie im Obergeschoss die Sonderausstellung: »Graphie Revival. Natur, Mensch, Industrie in England um 1900«.
Die Technik der Radierung, die einst von Meistern wie Rembrandt und Goya genutzt wurde, geriet beinahe in Vergessenheit, bis sie im 19. Jahrhundert durch James McNeill Whistler (1834–1903) und seinen Schwager Francis Seymour Haden (1818–1910) als künstlerisches Ausdrucksmittel wiederbelebt wurde. Lange Zeit hatten Künstlerinnen und Künstler die Radierung lediglich als Reproduktionsmethode betrachtet. Doch Whistler, Haden und andere Kreative in England erkannten das immense Potential dieser Technik erneut und entwickelten sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Sparte der künstlerischen Graphik. Besonders Malerinnen und Maler waren es, die mit großem Geschick die Radierung nutzten, um eigenständige Bildkompositionen zu schaffen und originale Kunstwerke zu kreieren. Die Werke dieser „Malerradierer*innen“ sind von der Romantik durchdrungen und schwanken zwischen Symbolismus und Realismus.
Dank einer großzügigen Schenkung aus dem Jahr 2022 besitzt das Hessische Landesmuseum Darmstadt nun über 100 Werke dieser bahnbrechenden englischen Malerradiererinnen. Die Sammlung umfasst Werke von insgesamt 20 Künstlerinnen und Künstlern, darunter der gebürtige Amerikaner James McNeill Whistler (1834–1903) und sein Schwager Francis Seymour Haden (1818–1910), ein Londoner Chirurg, leidenschaftlicher Künstler und Sammler. Eine Auswahl von rund 70 herausragenden Arbeiten bietet den Besucherinnen ein beeindruckendes Schwarz-Weiß-Spektakel.
Die ausgestellten Radierungen thematisieren interessante Bezüge zur Industriegeschichte des 19. Jahrhunderts, deren Auswirkungen uns bis heute beschäftigen. Die Einführung der Dampfmaschine und der Schwerindustrie verwandelte Mittelengland in das „Black Country“, das größte Industriegebiet der Welt. Vor etwa 150 Jahren begann somit die ungebremste und unbeschränkte Ausbeutung fossiler Energien. Die „schwarze Kunst“ des „Etching Revival“ entstand in einer Zeit, in der sich die Naturlandschaft zunehmend in Industrielandschaft verwandelte. Statt Kirchtürmen dominierten nun Fabrikschlote das Bild, statt einzelner Bauern oder Handwerker war eine anonyme Masse von Lohnarbeitern präsent. Wolken erwiesen sich als aufsteigender Rauch aus Industrieanlagen.
In den Kompositionen der englischen Malerradierer*innen wird dieser tiefgreifende Wandel durch den Einsatz starker Kontraste verdeutlicht. Neben dem Schwarz-Weiß oder Hell-Dunkel der Radiertechnik treten Extreme wie Groß und Klein, Leere und Überfüllung, Nähe und Ferne in Erscheinung.
Die thematisch gegliederte Ausstellung beginnt mit Natur- und Landschaftsmotiven und führt weiter zu Stadtansichten, Porträts und Genreszenen des einfachen Lebens der ländlichen und städtischen Bevölkerung sowie frühen Industrielandschaften. Wie die Ausstellung mit ausgewählten Beispielen zeigt, bestand eine enge Verbindung der englischen Bewegung zur avantgardistischen Kunstszene in Frankreich, den Landschaftsmalern von Barbizon sowie den Realisten. Der wichtigste Bezugspunkt für die Engländer*innen war jedoch die Radierkunst Rembrandts: Whistler, Haden und ihr Kreis waren fasziniert von der freien Art des Niederländers, die Radiernadel zu führen. Die Ausstellung bietet daher bei ausgewählten Blättern die einzigartige Gelegenheit, diese Werke direkt mit den wertvollen Radierungen ihres großen Vorbilds zu vergleichen.
Gruseln hat Tradition. Die Faszination des Horrors ist Teil der Kulturgeschichte des Menschen von Anfang an und war immer auch schon Thema künstlerischer Auseinandersetzung, sagt Dr. Martin Faass, Direktor des Hessischen Landesmuseums Darmstadt, welches sich vom 1. März bis 2. Juni 2024 in der neuen Ausstellung „Tod und Teufel. Die Faszination des Horrors“ der Geschichte des Schreckens widmet. Auf 480 qm zeigen über 100 Meisterwerke vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert den Ursprung der Darstellung des Grauens in Kunst und Kulturgeschichte bis zur heutigen Goth- Szene. Die Schau entstand in Kooperation mit dem Museum Kunstpalast Düsseldorf.
Ob die Gorgonen in der griechischen Mythologie, die apokalyptischen Reiter im Neuen Testament, die Totentänze der Knochenmänner des Mittelalters oder die Todessehnsüchte in der schwarzen Romantik – all diese Epochen erzählen von Endzeitangst und Grusellust. Insbesondere in Zeiten von Kriegen, Hungersnöten oder Epidemien wie der Pest und Cholera war der Tod realer täglicher Begleiter: „Memento mori“, „Sei dir stets deiner Sterblichkeit bewusst!“ Bilder vom bevorstehenden Weltuntergang und drohender ewiger Verdamnis mahnten insbesondere das Christenvolk zu einem gottesfürchtigeren Leben.
Mit der Aufklärung und der sich im 18. Jahrhundert anschließenden Romantik als Gegenbewegung zur säkularen Welt der reinen Vernunft, veränderten sich die vor allem christlich-mittelalterlich geprägten Schreckens-Vorstellungen von Tod und Teufel. In der säkularisierten gottesferneren Welt hatten unerklärliche Erscheinungen, Aberglauben, Naturphänomene, spiritistische Sitzungen, Satanismus, Geister- und Monstergeschichten, sowie sentimentale, melancholische Gemütszustände, Grenzerfahrungen und Todessehnsüchte wachsende Konjunktur. Infolge dieser schwarzen Romantik in Literatur und Kunst entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts regelrechte Gruselkabinette bis hin zu blutrünstigen Shows in Gruseltheatern wie dem Grand Guignol in Paris. Diese befeuerten und stillten zugleich die wachsende Lust am Schaudern. Heutige Geisterbahnen sind noch Relikte aus jener Zeit. Mit der Erfindung des Films entwickelten erste Horrorfilme die bizarren Hauptfiguren und düsteren Handlungsstränge spannungsgeladener und schauriger visualisierter Erzählkunst.
Horror – ungewöhnliches für eine Museum?
Für eine Kulturinstitution wie ein Museum sei es ein ungewöhnliches Thema. Doch „es war mir wichtig, eben dieses Vorurteil, Horror sei oberflächlich und abgedroschen, aufzubrechen, um die Wertigkeit, die wirkliche Tiefe und Vielfalt sowie die Allgegenwärtigkeit des Horrors in unserer Kultur zu zeigen“, erläutert die in USA geborene Kunsthistorikerin und Kuratorin Westrey Page vom Kunstpalast ihre Intention zu dieser „Horror-Show“. Gemeinsam mit Co-Kurator Dr. Oliver Sandrock vom Landesmuseum Darmstadt hat Page eine kompakte Darmstädter Version mit den BestOff- Stücken der zuvor in Düsseldorf gezeigten Ausstellung entwickelt. Es sei „ein Potpourri mit vielen Impressionen von Malerei, Skulpturen, Fotografie, Werbung bis hin zu Installationen, also für jeden Geschmack etwas dabei. Das mache diese Ausstellung so charmant“, freut sich Dr. Oliver Sandrock. „Wir definieren Horror“, denn es „waren Menschen, die dem Teufel eine Gestalt gegeben haben.“, Man glaube heutzutage nicht mehr an den Teufel, weil man wisse: „Das wahre Böse sind wir!“
Ausstellungs-Schwerpunkt Goth- u. Popkultur
Der Schwerpunkt der Ausstellung, so Page, liege auf den aktuellen Motiven unserer Zeit mit Arbeiten der letzten zwanzig Jahre von Künstlern wie Alexander McQueen, den Chapman Brothers, Billie Eilish, Lars von Trier, Berlinde de Bruyckere, Mary Sibande und vielen anderen. Death Metal und die blutgefüllten Turnschuhe von MSCHF treffen auf Beiträge von Andres Serrano und Eliza Douglas. Sie alle rufen mit ihren Werken ambivalente Gefühle von Angst, Unbehagen, aber auch stimulierende Begeisterung mit kommerziellem sowie identitätsstiftendem Potential hervor, wie die rasante Entwicklung der monsteraffizierten Goth-Bewegung zeigt.
Prolog – Horror und Schaudern in der Kunstgeschichte
Der Prolog, der erste Teil der Ausstellung, mit dem Titel „Die Schönheit der Finsternis“, sei ihr sehr wichtig, so Page, um die Wurzeln der künstlerischen Auseinandersetzung mit Horror und Schaudern in der älteren Kunstgeschichte zu zeigen. Gemälde und Stiche von Albrecht Dürer, Wilhelm von Schadow, Johann Heinrich Füssli, Max Klinger, Arnold Böcklin, Baldung Griens und anderen bekannten Künstlern sowie ein reichlich verzierter historischer Sarg, eine Totenmaske, Totentanz-Figuren sowie die auf ihre Opfer lauernden expressiven Gestalten der ersten Horrorfilme zu Beginn des 20. Jahrhunderts führen die Besucher ins Thema ein und zeigen die künstlerischer Herkunft vieler Horror- und Gruselmotive moderner Goth- und Metal-Kultur.
Empfangen werden die Besucher vom Teufel in Friedrich Wilhelm von Schadows Werk „Hölle“. Es handelt sich hierbei um eine der monumentalen Tafeln seines letztem Hauptwerkes „Purgatorium – Paradies – Hölle“ (1848 – 1852), das er – im gerade von den Preußen annektiertem Rheinland – für den Neubau des Landgerichts Düsseldorf anfertigen sollte. Da seine Kräfte nachließen, vollendeten das Bild seine Schüler. Von Schadows Höllenfürst erscheint hier nicht wie in den gängigen Satansdarstellungen seiner Zeit als verschlagener vollhaariger Dämon mit Hufen. Sein Höllenfürst schaut erhaben, beinahe heroisch, an Helden erinnernd. Er ist so ganz anders als in Dantes Alighieris Göttlicher Komödie, von Schadows literarischer Vorlage zu diesem Werk.
Gleich zu Beginn, linkerhand in einer kleinen länglichen Wandvitrine zu sehen, wartet die Ausstellung mit einem besonderen Highlight spätmittelalterlicher Todesvorstellungen auf, mit Anton Sohns farbigen „Terrakotta-Figurenfolge „Zizenhausener Totentanz – Kaiserin, Narr, Papst und Dame“. Die um 1822 entstandenen vier Figurenpaare gehen zurück auf eine 60 Meter lange – auch als „Danse Macabre“ bekannte – Bemalung einer Baseler Friedhofsmauer von 1440. Sie zählt zu einer den einflussreichsten Darstellungen des Totentanzes. Matthäus Merian d.Ä. hatte dieses allmählich bröckelnde Friedhofsgemälde in einem Kupferstich gesichert. Nach dieser Vorlage hat Anton Sohn vor gut 200 Jahren diese Figuren modellierte. Sie symbolisieren den Tod als großen gesellschaftlichen „Gleichmacher“, der – ohne Ansehen auf Rang und Titel – jeden früher oder später umarmt. Hier tanzt der Knochenmann mit Kaiserin, Narr, Papst und Dame.
Eine Fülle makabrer Darstellungen früherer Zeiten finden Besucher auch auf den zahlreichen historischen Stichen, beispielsweis bei Albrecht Dürer, in seinen apokalyptischen Darstellungen von 1498: „Michaels Kampf mit dem Drachen“ und „Das Sonnenweib mit dem siebenköpfigen Drachen“. Mit solcherart Motiven wurden einst die Menschen angesichts des nahenden Weltunterganges zu mehr Gottesfürchtigkeit ermahnt, um eventuell einer ewigen Verdammnis zu entgehen. Auch vertreten ist Dürers berühmter Kupferstich „Der Reiter – Tod und Teufel“ von 1513. Der Werk zeigt einen einsamen Ritter auf steinigem Weg, nur begleitet von den zwei unheimlichen Gestalten Tod und Teufel.
Hans Baldung Griens Holzschnitt greift mit „Hexensabbat“ 1510 ein allseits beliebtes Thema aus dem Spektrum der Hexenverfolgung auf. Gezeigt wird die Umkehrung einer heiligen Messe, eine Versammlung nackter Hexen, umgeben von Menschen- und Tierknochen, die den Teufel verehren. Mit derartigen Schmäh-Bildern wurde in der Bevölkerung entsprechend Stimmung gemacht.
Ganz im Stile der Schwarzen Romantik lässt Max Klingers Stich „Der Tod als Pflasterer“ (1889) breitbeinig ein Skelett über den Köpfen der Menschen stehen und erbarmungslos eine Ramme auf ihre Schädel niedersausen. Haut und Haare sind verzerrt. Und aus den zermatschten Menschenhirnen steigt Rauch (ihre Seelen) gen Himmel. In „Die Cholera“ von Arnold Böcklins um 1876, metzelt der auf einem ungeheuerlichen Drachenwesen reitende Tod die Menschen mit einer Sense nieder.
In dieser Zeit hatte auch der schweizerisch-englische Maler Johann Heinrich Füssli, Meister der Darstellung psychischer Abgründe, Hochkonjunktur. Er ist in der Ausstellung vertreten mit dem bösartig-voyeuristischem Grusel-Gemälde „Wolfram beobachtet seine Gemahlin in der Kerkerzelle“ (1812/20). Die Szene handelt von Wolframs bestialischer Rache an seiner Ehefrau für ihren Seitensprung. Der zutiefst gekränkte Wolfram ermordete zunächst ihren Geliebten und anschließend sperrte er seine treulose Frau mit der Leiche ihres Liebhabers ein, dargestellt, wie sie sein Skelett umarmt.
Anfänge des Horrorfilms
Einen Übergang zu den neuzeitlichen Ausstellungsabschnitten bildet der Videoinstallationsbereich über die Entstehung des Horrorfilms. Zu Beginn des Mediums drehte der Franzose George Méliès 1896 den ersten Horrorfilm „Das Schloss des Teufels“. Entscheidend für die Entwicklung des Horrors im Kino waren aber die 1920er Jahre, etwa mit dem Film „Das Kabinett des Dr. Caligari“ (1920). In diesem meisterhaften ersten Psychothriller überhaupt, geht es um Wahrnehmungstäuschungen, kognitive Verzerrungen, Traumwelten und krankhafte Geisteszustände, wobei nicht aufgelöst wird, wer nun irre und wer „normal“ ist. Als weiterer Meilenstein des Horror-Genres gilt „Nosferatu“ von Friedrich Wilhelm Murnau. Es ist der erste Draculafilm, basierend Bram Stokers Roman. Dieser Film war vor allem durch seine äußerst gespenstische Hauptfigur bahnbrechend für die weitere Entwicklung dieses Genre.
Aus Monstern wurden Sympathieträger des modernen Horrors
Westrey Page sieht zwischen den „Bildern“ des Horrors der Vergangenheit und Gegenwart einen gravierenden Unterschied: Während die Teufel und Dämonen von einst überwiegend fiese und wenig sympathische Figuren waren, wäre es heutzutage genau umgekehrt: „In unserer Zeit sind es genau diese Outsider, die Monster, die Sympathieträger sind, weil sie eben diese besondere Individualität des selbst-ermächtigten Andersseins ausstrahlten.“ Rick Genest, auch „Zombie Boy“ genannt, gehört wohl zur Gruppe der sympathischen Antihelden, beziehungsweise zu den „Außenseitern“, die Standpunkte außerhalb der Norm verkörpern, was sie attraktiv erscheinen lässt. Raumhoch erschaudert Ricks furchteinflößende Erscheinung „Normalos“ im Raum der Moderne des Horrors mit dem Titel „Widerstand und Identität“. Rick war ein kanadischer Performer und Künstler, auf dessen gesamten Körper ein Skelett tätowiert war.
Diese „Ganzkörpertätowierung“, so die Kuratorin, „verkörpere die Ästhetik einer verwesenden Leiche“. 2011 entdeckte Lady Gaga Rick als „Zombie Boy“für ihr Musikvideo Bron This Way. Im selben Jahr machte das Modelabel Mugler „Zombie Boy“ zum Gesicht der Werbekampagne, waseinmal mehr zeigt das große Interesse der Mainstream-Kultur an einer dunklen, alternativen Ästhetik, aber auch an der Inspiration, die viele aus Zombie-Boys Überzeugung zogen: „Normalität ist eine Illusion“.
Drei weitere Portäts von Outside- Sympathieträgern der Goth-Kultur, aufgenommen beim Goth-Treffen in Leipzig, strahlen links von Rick Besuchern entgegen.
Die morbide Mode der Gothic-Szene
In einer Langvitrine verbreitet eine Goth-Kleiderkollektion den düster-schwarzen Dresscode-Charme einer ganzen Szene. Gerade in Gesellschaften, die Vernunft, Zurückhaltung und lebensbejahende Einstellungen fördern, gelten theatralische, übermäßige und makabre Kleidungselemente als rebellisch und identitätsstiftend. Die aus dem konservativen England 1980 hervorgehende Goth-Szene legte den Grundstein für eine Ästhetik des Grauens. Diese Subkultur, so Page, hat eben den gängigen Schönheitswahn abgelehnt, um eine Ästhetik zu behaupten, die eben exzessiv, künstlich und morbide war. Diese war beeinflusst von der gotischen Literatur und der viktorianischen Trauerkultur. Schwarze Kleidung, blasses Make-up sowie morbide Themen sind bis heute ihr Markenzeichen, erläutert die Kuratorin am Beispiel von Commes des Garcons Hexen-Look 14, aus der Frühjahrskollektion 2016. In Blau- und Grautönen habe sich die japanische Designerin des Hexenthemas angenommen. Hexe seien für des Garcons Frauen mit Macht, die aufgrund ihres Andersseins – vor allem in der Neuzeit – missverstanden und verfolgt wurden. Sie habe sich den Monsterfiguren Hexe angenommen, weil diese ähnlich wie Zombies und Vampire, die ihr Anderssein lebten, eigentlich Empowering- Figuren seien, erläutert die Kuratorin.
Schwarze Kleidung und blasses Make-up, Markenzeichen der Goth-Ikonen, werden erweitert um Elemente aus Fantasy, Pop und Sportswear. Im Gegenzug halten Anregungen aus der Goth-Subkultur in die High Fashion Einzug: Alexander McQueen hat seine Kollektionen mit Narrativen von Trauma und Mysterium angereichert, Rick Owens und Rei Kawakubo haben die klassische Silhouette mit fremden, fast monströsen Anhängseln versehen und John Galliano sowie Jean Paul Gaultier haben den dunklen Glamour historischer Designs zum Vorschein gebracht. Junge (Mode-)Designer wie MSCHF, Fantich & Young und Thom Browne finden in der Auseinandersetzung mit der Bildwelt des Horrors neue Wege, um zu rebellieren. Die Ablehnung von gängigen ästhetischen Normen ist zum Mainstream geworden.
Gegenüber der Grufti-Bekleidungs-Vitrine sind die Accessoires einiger der genannten Designer zu besichtigen. Besonders hervorhebenswert sind vielleicht zwei bizarre Schmuckstücke von McQueen, der den stilisierten Totenkopf zu seinem Markenzeichen erkor.
McQueen habe wohl mal gesagt, so Page, dass er mit seiner Totenkopf-Halskette für Frauen wollte, „dass Menschen Angst vor den Frauen haben, die er kleidet“. Und eine Person, die Angst verursachen kann, habe Macht. Dieser Aspekt gehört zur Monsterdynamik, dass sich Menschen durch Anlegen von Monster-Accessoirs sichtbarer machen und zum Anderssein selbst ermächtigen können. McQueen hilft ihnen mit seinen speziellen Asseccoires, sich als Outsider von der normativen Gesellschaft besser abgrenzen und hieraus identitätsstiftende Kraft schöpfen zu können.
Einmal vom jährlichen Halloween-Trubel abgesehen, reicht die Angebotspalette alltäglichen „Monster-“ und „Grusel-Designs“ bis hin zum Spielzeug für den Monster-Nachwuchs. Die Kleinen können mit Barbie-ähnlichen Puppen wie „Draculara“ oder „Frankie Stein“ aus der Monster-High-Serie von Mattel spielen. Diese Figruen verkörpern Nachkommen von bekannten Ungeheuern wie Dracula und Frankenstein oder von Mumien und Werwölfen. Als Inspirationen dienten den Spielzeugherstellern vor allem Horrorfilme und Gruselliteratur. Diese Spielzeugkollektionen mit Gruseleffekt wurden zu Verkaufshits, getreu dem Motto: „Sei du selbst, sei einzigartig, werde ein Monster und fange so früh, wie möglich damit an!“.
Musik der Goth-Kultur
Der dritte Ausstellungsabschnitt „Subversion und Macht“ gibt anhand einer recht vollständigen Zusammenstellung von Schallplattenhüllen Einblicke darüber, wie ab dem späten 20. Jahrhundert verschiedene Musikgenres die unterschiedlichsten Motive und Aspekte des Horrors als grundlegende Stilelemente ihrer Musik verwendeten. Die wichtigsten Bands der Geschichte des Metal und der Gothic-Musik sind vertreten. Während Metal und Rock, die einst mit Tod und Goth-Kultur assoziiert wurden, Elemente aus Pop und Hip-Hop übernehmen, verleihen sich Hiphop Künstler wie Lil Nas X und Sängerin Billie Eilish durch die Verwendung einer Ästhetik des Schreckens ein neues Image. Die prägenden Cover-Darstellungen, unter anderem von Don Bräutigam (Metallica), Larry Carrel (Slayer), Derek Riggs (Iron Malden) und Michael Whelan (Sepultura), dominieren weiterhin den Bildkanon der Covergestaltung mit: mysteriösen Landschaften, Fabelwesen, dunklem Mittelalter, Blut und esoterischen Symbolen.
Gruselige Filme
Der nächste Ausstellungs-Abschnitt baut auf, an die im Prolog thematisierte cineastische Entwicklung des Horrorfilms à la „Dr. Caligari“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts. An einer an Leuchtreklame erinnernden Wand sind die Plakate legendärer Grusel- und Horrorfilme versammelt wie etwa „Tanz der Vampire“, „Rosemaries Baby„, „Der Exorzist“,. „Basic Instinct“, „The Shining“ oder „Das Schweigen der Lämmer“. Auch Zombies wie in Serien a la »The Walking Dead« haben ihren Platz gefunden. Mehr als Hintergrundfolie gedacht, wollen sie den Menschen in überhöhter Weise ein wenig augenzwinkernd den Spiegel der “ Bestie in ihnen“ vorhalten.
Im Bereich Film, so die Kuratorin, gäbe es sehr viele unterschiedliche Interpretationen von Monstern, nicht nur die schaurigen Figuren, sondern auch sexy Figuren, wie etwa aus der Twilight-Serie (Biss zum Morgengrauen). Aber es gäbe auch Francis Dracula und Vampire, die durchaus witzig sein könnten wie etwa in „What We Do in the Shadows“, eine Serie, die eine WG von Vampiren thematisiert, so Page. Man sehe, dass ein sehr vielfältiger Kanon von Horrorfiguren verwendet würden, um ganz unterschiedliche Zwecke zu bedienen. Es können Komödien sein, aber auch Filme, die auf Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft hinweisen, wie etwa Getout von Jordan Peele 2017, der den tiefverwurzelten Rassismus in den USA auf den Schirm gehoben habe, so die Kuratorin.
Der Horror in der Kunst
Im letzten Abschnitt der Ausstellung können Betrachter anhand bizarrer, mitunter witziger, aber auch abartig empfundener Positionen erleben, wie Künstler Schönheit und Ekel zusammengeführt haben. Es fängt relativ harmlos an mit den Positionen von Mary-Audres Ramirez und Eliza Douglas, die sich in ihren großflächig farbigen Arbeiten mit der Verbreitung, Kommerzialisierung und Darstellung dieses Kunst-Genres beschäftigen. Dabei spielt Eliza Douglas in ihren farbenstarken Werken mit der „Künstlichkeit im Gothic“ und „Bedeutungskonstruktion“. Ihre ausgestellten komponierten Gemälde seien entstanden, so Kuratorin Page, indem Douglas eigene T-Shirts von Metal-Bands, auf einer Tischplatte ausgebreitet, leicht in sich verdrehte und abfotografiert habe. Die Fotos ließ sie dann von einer Assistentin auf Leinwand abmalen, signierte diese mit ihren eigenen Namen.
Die luxemburgische Künstlerin Mary-Audrey Ramires ist mit zahlreichen bizarren aufblasbaren Horror-Skulpturen an Wänden und am Boden vertreten, die hummer- und skorpionähnlichen Wesen haben von Grunde her für uns Menschen wohl schon immer etwas Unheimliches und kommen, hier in überdimensionierter Größe, recht gruselig rüber. Das sollen sie auch, und uns dabei anregen, zu hinterfragen, was niedlich und skurril, Mensch- und Fremdsein oder Realität und Fiktion sei. Zugleich sollen sie demonstrieren, auf welche Art und Weise unheimliche Welten in der Popkultur verstanden und verwendet werden. Letztlich entscheidet der Betrachter, wie alles auf ihn wirkt.
„Humorvoll sterben“, könnte das Motto der Selbsttötungsmaschine von Via Lewandowskys lauten , die er aus Haushaltsgegenständen gefertigt hatte. Sie macht den potenziellen, überall lauernden Tod auf absurde Weise „greifbar“. Ihre Funktion wurde noch nicht getestet, aber die Vorstellung ist wohl viel spannender, vor allem da wiederholbar. Mit solcher Art Nonsens-Installation wird dem in westlichen Gesellschaften als Tabuthema geltenden Tod erfolgreich die Leichtigkeit der Komik entgegengesetzt.
Realer Horror und Abjektionen
Mit morbider Heiterkeit ist spätestens Schluss bei einigen Positionen gegen Ende der Ausstellung, in der wahrer Horror als politische Anklage gezeigt wird. Wahrer Horror fasziniert nicht. Er ist abstoßend. Anders als die bisherigen Darstellungen fiktionalen Grauens in Meisterwerken der Kunstgeschichte und der Goth- und Popkultur, beruhen die politisch deklarierten Positionen der Ausstellung auf realem Grauen echter Menschen. Etwa prangerte der britische Künstler Mat Collishawse in der 2010 entstandenen Fotoserie „Letzte Mahlzeit im Todestrakt“ mit ähnlich sorgfältig komponierten Stillleben wie man sie aus dem 17. Jahrhundert kennt, die Todesstrafe in den USA an.
An anderer Stelle erinnern Original-Blutspuren auf schmutzigen Fliesen-Boden aus Mexiko, auf dem die Leiche des bei einem Raubüberfall ermordeten Künstlers Luis Miguel Suro fiel, an das sinnlose Morden dieser Region. Mit ihrer Position „32 Jahre“ von 2006 klagt die Freundin des Ermordeten Teres Margolles die ungezügelte Gewalt-Kriminalität in Mexiko an.
Nicht mehr lustig ist auch die Position „Alles hat seine Zeit“: Auf zwei wandhohen identisch erscheinenden Fotos sitzen vor einer Art gotischem Buntglasfenster je eine weiß gekleidete und mit roten Eingeweiden übergossene Frau mit Strick um den Hals. Damit will die Künstlerin Mary Sibandes unter anderem auf die generationsübergreifenden Traumata und gespaltenen Identitäten infolge fortbestehender wachsender Ungleichheit nach der Apartheid Südafrikas.
King Cobra – Rotes Gestell der Geschändeten und Unwilligen“
Wohl am schockierendsten ist Doreen Garners 2018 entstandene Kunstinstallation „King Cobra – Rotes Gestell der Geschändeten und Unwilligen“. Doreen Garner ist eine amerikanische Künstlerin, die sich mit Medizingeschichte auseinandersetzt, und in diesem Fall vor allem mit der Geschichte von dem berühmt-berüchtigten US-Arzt James Marion Sims. Dieser hatte, so Kuratorin Page, „im 19. Jahrhundert brutalste gynäkologische Experimente an schwarzen versklavten Frauen ausgeübt, und zwar ohne Betäubung, weil er der Meinung war, dass schwarze Frauen kein Schmerz empfinden könnten“. Dieser Arzt sei teilweise heute noch anerkannt als der Vater der modernen Gynäkologie. Doreen Garner hat diese Arbeit „King Cobra“ geschaffen, um auf diese grausamen, perversen Experimente aufmerksam zu machen und den Arzt James Marion Sims posthum vom Sockel zu stoßen. In ihrem Kunstwerk „King Cobra“ spiegeln sich die an den Frauen begangenen bestialischen Grausamkeiten in künstlerisch nachempfundenen zusammengenähten „Fleischpaketen“ wider. Immer wieder sieht man Teil von Rippen, Brüsten usw, die mit Fleischerhaken wie in einer Metzgerei aufgehängt sind und von Neoröhren angestrahlt werden. Die Oberfläche der Körperteile hat Doreen Garner mit Perlen geschmückt und mit Nadeln gespickt, vielleicht als eine Geste rückwirkender Wertschätzung, spekuliert die Kuratorin.
Man könne an „King Cobra“ nicht vorbeischauen, so Page. Und was vielleicht, wer es weiß, noch schockierender ist: Der private Leihgeber hatte dieses Kunstwerk in seinem Esszimmer aufgestellt, worin er und seine beiden Kinder, drei und fünf Jahre alt, täglich verkehrten. Laut Auskunft des Leihgebers hätten die vermeintlichen Körperteilen seine Kinder gar nicht interessiert. In ihrem Fokus lagen allein die glitzernden Perlen.
Man sieht also wohl nur, was man weiß. So betrachtet, liegt der größte Schrecken wohl letztlich im Auge des Betrachters.
Das Hessische Landesmuseum Darmstadt zeigt vom 1. März bis 2. Juni 2024 die Ausstellung »TOD UND TEUFEL. Faszination des Horrors«, die in Kooperation mit dem Museum Kunstpalast entstanden ist. Mit mehr als 100 Meisterwerken vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert zeigt sie einen Abriss der Kunstgeschichte des Grauens. Sie beleuchtet die jahrhundertalte Faszination des Horrors. Schrecken und Grauen begleitet die Menschheit durch die Jahrhunderte. Dem Unbehagen davor steht jedoch in Kunst und Kultur ein lustvolles Interesse daran, manchmal gar ein humorvoller Zugang gegenüber. Die Ausstellung thematisiert erstmals die vielfältige und mehrdeutige Geschichte des künstlerischen Umgangs mit dem Schrecken sowie die Aktualität des Horrors in Mode, Musik, Film und der zeitgenössischen Kunst. Das Spektrum der mehr als 100 gezeigten Werke reicht von klassischer Malerei und Skulptur bis zu aufwendigen Installationen.
Schon in der Renaissance hatten Visionen von Hölle und Tod eine anziehende und zugleich faszinierende Wirkung. In der schwarzen Romantik und der Literatur Edgar Allan Poes erreichte die Faszination für das Grauen einen ersten Höhepunkt. Zu einem epochemachenden Phänomen wurde sie dann im Laufe des 19. Jahrhundert. Bildende Künstler*innen, die sich der Wissenschaft und Rationalität der Aufklärung verweigerten, wandten sich der Emotionalität, der Wildheit der Natur und übernatürlichen Themen zu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sorgten dann blutrünstige Shows in Gruseltheatern wie dem Grand Guignol in Paris dafür, den Hunger nach der Lust des Schauderns zu stillen. Zeitgleich entwickelten frühe Horrorfilme die Hauptfiguren und Strategien der spannungsgeladenen und schaurigen Erzählkunst.
Die Ausstellung »TOD UND TEUFEL. Faszination des Horrors« zeigt mit Meisterwerken vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert den Ursprung der Darstellung des Grauens in der Kunst- und Kulturgeschichte. Der Schwerpunkt der Schau liegt auf Arbeiten der letzten zwanzig Jahre von Künstler*innen wie Alexander McQueen, den Chapman Brothers, Billie Eilish, Lars von Trier, Berlinde de Bruyckere, Mary Sibande und vielen anderen präsentiert. Death Metal und die blutgefüllten Turnschuhe von MSCHF treffen auf Beiträge von Andres Serrano und Eliza Douglas. Sie alle rufen mit ihren Werken ambivalente Gefühle von Angst, Unbehagen, aber auch Begeisterung hervor. Vollziehen sie damit einen Regelbruch? Überschreiten sie die Grenzen der gesellschaftlichen Konventionen? Auf jeden Fall sollen die Werke unter die Haut gehen und die Fantasie beflügeln.
Die Ausstellung
Die Präsentation beginnt mit einem Prolog, der veranschaulicht, wie die Kunst- und Kulturgeschichte von dem Thema Tod und Schrecken geprägt sind. Von den fantastischen Dämonen der Renaissance, die zu sündigem Verhalten verführen sollen, über die Landschaften der Romantik, die von Ruinen und Schatten durchdrungen sind, spannt sich ein Bogen bis hin zu den expressiven Gestalten, die in den frühen Horrorfilmen des 20. Jahrhunderts auf ihre Opfer lauern.
Der Hauptteil der Ausstellung legt den Fokus auf aktuelle Positionen in Kunst, Mode und Popkultur und geht den Fragen nach: Was passiert mit den klassischen Monstern, wenn die Ikonographie des Grauens zum Stilelement in der Pop-Kultur und Mode wird? Schwarze Kleidung und blasses Make-up, Markenzeichen der Goth-Ikonen, werden erweitert um Elemente aus Fantasy, Pop und Sportswear. Im Gegenzug halten Anregungen aus der Goth-Subkultur in die High Fashion Einzug: Alexander McQueen hat seine Kollektionen mit Narrativen von Trauma und Mysterium angereichert, Rick Owens und Rei Kawakubo haben die klassische Silhouette mit fremden, fast monströsen Anhängseln versehen und John Galliano sowie John Paul Gaultier haben den dunklen Glamour historischer Designs zum Vorschein gebracht. Junge (Mode-)Designer*innen wie MSCHF, Fantich & Young und Thom Browne finden in der Auseinandersetzung mit der Bildwelt des Horrors neue Wege, um zu rebellieren. Die Ablehnung von gängigen ästhetischen Normen ist fast zum Mainstream geworden.
Im Bereich der Musik stellt die Verwendung von Motiven des Grauens eine interessante Schnittmenge zwischen bisher unvereinbaren Genres dar. Während Metal und Rock, die einst mit Tod und Goth-Kultur assoziiert wurden, Elemente aus Pop und Hip-Hop übernehmen, verleihen sich Hiphop Künstler*innen wie Lil Nas X und Sängerin Billie Eilish durch die Verwendung einer Ästhetik des Schreckens ein neues Image. Die Adaption der Bildwelt des Horrors wird zu einem wichtigen Stilmittel, mit dem sich die Musiker*innen als gesellschaftliche Outlaws oder als missverstandene Monster kennzeichnen.
Die Auflösung der Grenzen ist im Film ebenso spürbar, und zwar nicht nur in Bezug auf die Genres, sondern auch hinsichtlich der grundlegenden Einteilung in ‚Gut‘ und ‚Böse‘ und der ‚wahren‘ Quelle des Horrors. Dracula und seine Nachfahren im frühen zwanzigsten Jahrhundert haben in zeitgenössischen Interpretationen eine Wandlung von schrecklichen Monstern hin zu romantischen, gequälten Seelen vollzogen, Figuren, die mit den Widrigkeiten des Alltags kämpfen und sich nach Zugehörigkeit sehnen. Auch Zombies sind in Serien wie »The Walking Dead« nicht mehr das ultimative Übel, sondern dienen als Hintergrundfolie, um den Menschen, der in einer dystopischen Welt ohne gesellschaftliche Ordnung auf sich gestellt ist, als eigentliche Bestie hervorzuheben.
Die Werke der modernen Kunst wiederum thematisieren Tod, Unheil, groteske Körper, grenzüberschreitende Mischwesen und gebrochene Identitäten. Daher vereint die Ausstellung blutrünstige postkoloniale Kritik von Adriana Varejão mit den Zeichen gesellschaftlicher Ungerechtigkeit in der Arbeit von Mary Sibande. In ähnlicher Weise kommt das Monströse in den skurrilen Gothic-Porträts von Amandine Urruty zum Ausdruck. Andres Serrano und Mat Collishaw verdeutlichen, dass Bilder des Todes unter die Haut gehen. Die Horrorsymbole, die in vielen Arbeiten aufgegriffen werden, sind Zeichen des Protests und des selbstbewussten Andersseins oder einfach beunruhigende Erinnerungen an die Sterblichkeit des Menschen.
Der Vorverkauf für die Ausstellung starte am Freitag, dem 8.Dezember 2023
Der Kauf des Onlinetickets für 12 Euro, ermäßigt 8 Euro jeweils inkl. Dauerausstellung ist über die Homepage möglich unter: https://shop.hlmd.de/de/tickets/1936
Mit ihrem ewigen Zyklus von Keimen, Wachsen, Blühen und Verblühen ist die Pflanze Urbild des fortwährenden regenerationsfähigen Lebens. Grün ist die Farbe der Hoffnung und der erwachenden Natur. Seit dem Mittelalter meint Grün ausdrücklich den Anfang einer Liebe. Die grüne Seite spricht die Herzseite an – sie ist nicht nur der Sitz der Lebenskraft, sondern zugleich die liebenswürdigste Seite eines Menschen. Passend zur Jahreszeit Herbst geht es in der Ausstellung nicht nur um Blüten, sondern ein Schwerpunkt liegt auf deren Erträgen: Früchte und Gemüse.
125 Werke auf Papier von über 50 Künstlerinnen und Künstlern erzählen von der bildprägenden Kraft der Pflanzen in der abendländisch christlichen Kultur. Es begegnen sich historische und zeitgenössische Positionen. Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart öffnet sich ein Dschungel voller Geheimnisse und Überraschungen. Spürbar wird, dass die Moderne das heile Paradies natürlicher Schönheit verloren hat. Gegenwärtige Künstlerinnen und Künstler thematisieren die Dystopie, die Zerstörung der Natur und Vernichtung des Planeten. Die Ausstellung gliedert sich in vier Themenräume:
Hortus conclusus: Love & Peace
Was blüht und grünt: Power of Flower
Wa(h)re Pflanze: Fairtrade?
Kraut & Rüben: Superfood!
Seit dem Mittelalter wird die Entwicklung der abendländischen Pflanzenikonographie geprägt vom Topos des Paradiesgartens als umzäunter Ort (hortus conclusus). In frühen Miniaturen und Einblattholzschnitten des 15. Jahrhunderts sehen wir Maria vor der Rasenbank sitzen oder das Jesuskind auf einem sprießenden Kohlkopf thronen. Die Wechselbeziehung von Bildkunst und naturwissenschaftlicher Forschung in der Renaissance findet ihren Ausdruck in Albrecht Dürers präzise beobachteten Darstellungen von Pflanzen. Die Nürnberger Malerin Barbara Regina Dietzsch, eine Nachfolgerin von Maria Sibylla Merian, dokumentiert im 17. Jahrhundert auf leuchtenden Deckfarbenblättern einheimische Rüben und Wurzelgemüse. Die niederländischen Künstler*innen des 18. Jahrhunderts machen das üppige Blumenstillleben zu einem Hauptthema, während Zeichner der Romantik die Schönheit der kleinen unscheinbaren Naturdinge entdecken, um sie zum Sprechen zu bringen. Der Bogen spannt sich weiter über Jugendstil, Expressionismus, die Pop Art, frühe Wahlplakate der Grünen, Fotografien bis zu ausgewählten Positionen der Gegenwart.
Mit Arbeiten von:
Thomas Baumgärtel_Thomas Bayrle_Lucie Beppler_Joseph Beuys_Cornelis Bloemaert_Bernhard Johannes Blume_Arnold Böcklin_Uwe Bremer_Hans Christiansen_Johann Vincenz Cissarz_Barbara Regina Dietzsch_Jim Dine_Felix Droese_Albrecht Dürer_Pauli Ebner_Marion Eichmann_Lukas Einsele_Oskar Frenzel_Elisabeth Freund-Fischer_Johann Friedrich Greuter_Horst Haack_Wenzel Hablik_Fritz Hegenbart_Margaretha Helm_Rudolf Hofmann_Daniel Hopfer_Jan van Huysum_Ernst Kaiser_Hans Kanne_Jean Paul Kayser_Maximilian Klewer_Karl Lindemann-Frommel_Gerhard Marcks_Frans Masereel_Israhel van Meckenem_Meister ES_Meister mit den Bandrollen_Maria Sibylla Merian_Oswald Michel_Pit Morell_Otto Mueller_Richard Müller_Bruno Müller-Linow_Wilhelm Noack_Joseph Maria Olbrich_Georg Emanuel Opiz_Uriel Orlow_Emile-René Menard_Anke Röhrscheid_Dieter Roth_Eberhard Schlotter_Martin Schmid_Karl Schmidt-Rottluff_Martin Schongauer_Michael Schuster_Vroni Schwegler_Johann Conrad Seekatz_Veit Rudolph Specklin_Bernhard Wenig
Kuratiert wurde die Ausstellung von Dr. Mechthild Haas gemeinsam mit den Co-Kuratorinnen: Dr. Ksenija Tschetschik-Hammerl und Dr. Jessica Schmidt (Graphische Sammlung) mit Unterstützung Mercedes Klein von der Zoologischen Abteilung.
Nordöstlich von Darmstadt befindet sich die Fossilienlagerstätte Grube Messel. Der ehemalige Ölschiefer-Tagebau steht bereits seit 1995 auf der Weltnaturerbe-Liste der UNESCO und wird als eines der bedeutendsten Naturdenkmäler der Welt angesehen. Auf einer Fläche von ca. 40 ha sind hier bituminöse Tonsteine (»Ölschiefer«) erschlossen, die im sogenannten Mittel-Eozän vor ca. 48 Millionen Jahren am Grunde eines Maarsees abgelagert wurden. Die dort konservierten Fossilien fungieren als einzigartiges Archiv der Erdgeschichte. Neben der überaus vielfältigen und hervorragend erhaltenen Flora und Fauna ist die Grube Messel vor allem für herausragende Säugetierfunde bekannt.
Das Hessische Landesmuseum Darmstadt besitzt nicht nur eine der ältesten und weltweit bedeutendsten Messel-Sammlungen, sondern nimmt seit 1966 auch selbst regelmäßig Ausgrabungen vor. Dass bei diesen Grabungskampagnen auch heute noch bedeutenden Funde zu Tage kommen können, haben unter anderem die Ausgrabungen 2015 und 2016 bewiesen, bei denen jeweils ein Urpferd geborgen werden konnte.
Auch das Grabungsjahr 2023 startet vielversprechend: An neuer Grabungsstätte kann das Team um Prof. Dr. Torsten Wappler gleich in der ersten Woche einen großen Fund verzeichnen. Am Freitag, den 28. August 2023, sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf einen gut erhaltenen Säuger gestoßen. »Das war wieder einer dieser Tage, die man als Teilnehmer*in einer solchen Grabung nicht vergessen wird!«, so Prof. Dr. Torsten Wappler, Kurator für die Grube Messel am Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Bis Ende der Woche soll der Fund vollständig geborgen werden. Mit einer genauen Bestimmung und Einordnung des Fundes ist im Spätherbst zu rechnen, nachdem die Präparation abgeschlossen wurde.
Bis es so weit ist, können die bereits präparierten Funde in der Dauerausstellung des Hessischen Landesmuseums Darmstadt besucht werden.
Die »Hip Hop-Night« mit DJ Steevott ist ein weiterer Event-Höhepunkt im Rahmenprogramm der Schau »Urknall der Kunst«. Sie holt am 2. Juni 2023, 21.00 bis 00.30 Uhr, die einzigartige Stimmung unseres Open Air »Urknall Jam« vom 29. April 2023 in die Haupthalle des Hessische Landesmuseums Darmstadt. Bei dieser Veranstaltung sprühten sechs vom Publikum ausgewählte Street Art-Künstler*innen ihre höchst unterschiedlichen Motive auf eigens installierte Wände direkt vor dem Museum.
Zur Veranstaltung werden in der Haupthalle des Museums Fragmente und Details der Höhlenmalereien, die in der »Urknall«-Ausstellung zu sehen sind, zu fortgeschrittener Stunde an die hohe Decke projiziert, um der außergewöhnlichen Location noch eine besondere Komponente hinzuzufügen.
Ab 19.30 Uhr kann die Sonderausstellung auch bis in die späteren Stunden besichtigt werden, ebenso wie die Arbeiten der Street Art-Künstler*innen vor dem Museum. Mit Drinks und zusätzlicher Chill-Out-Area im Römischen Hof kommt ein ganz besonderes »Nachts im Museum – Feeling« auf.
Mehr zu DJ Steevott erfahren Sie unter: www.djsteevott.de oder Instagram @dj_steevott
Eintritt:
10 Euro inkl. Ausstellungsbesuch
Tickets im VVK online ab 10. Mai 2023 www.hlmd.de oder an der Museumskasse erhältlich.
Einlass und Ausstellungsbesuch ab 19.30 Uhr
Zur Ausstellung:
Wo liegt der Ursprung der Kunst? Dieser Frage ging nicht nur der deutsche Ethnologe Leo Frobenius Anfang des 20. Jahrhundert nach. Die einzigartigen Felsbildkopien, die auf seinen weltweiten Expeditionen entstanden, waren ein Schlüsselerlebnis für die Künstler der Moderne.
Die Ausstellung »Urknall der Kunst« entsteht in Kooperation mit dem Frobenius-Institut, Frankfurt und geht dieser künstlerischen Auseinandersetzung erneut nach.
Sie bringt sieben Positionen der Klassischen Moderne in einen Dialog mit den Felsbildern der Vorzeit: Joseph Beuys, Joan Miró, Paul Klee, Pablo Picasso, Hans Arp, Willi Baumeister und André Masson.
Street Art und Graffiti sind die aktuellste Übersetzung von Felskunst und Höhlenmalerei im öffentlichen Raum. Das Erschaffen von Kunstwerken an großen Freiflächen und scheinbar zeitlose, prähistorische Motive üben bis heute einen ungebrochenen Reiz auf Künstler*innen aus.
Durch den »Urknall Jam« erweitert das Landesmuseum Darmstadt die aktuelle Sonderausstellung »Urknall der Kunst. Moderne trifft Vorzeit« bis in die künstlerische Gegenwart. Eingebettet in die Atmosphäre eines lockeren Open Air Jams bietet das Event sechs Street Art Künstler*innen die Möglichkeit, ihre Kunst öffentlichkeitswirksam und im musealen Kontext vor dem Museum zu präsentieren.
Die Auswahl der Künstler*innen und ihrer Motive erfolgte erstmals mit einem öffentlichen Aufruf über die Onlineplattform nextmuseum.io. Alle Interessierten konnten dort ihre Entwürfe einreichen und das Publikum hat darüber abgestimmt. Am Eventtag werden die unter enormer Beteiligung (wir hatten über 5400 Stimmabgaben) ausgewählten Motive von den lokalen und überregionalen Künstler*innen an sechs Stellwände live gesprayt. Diese bleiben bis zum Ende der Ausstellung am 25. Juni 2023 stehen.
Der Jam entstand in Zusammenarbeit mit dem Team vom Lincoln Wall e.V. und wird unterstützt vom Railslide Darmstadt. Am Eventtag sind verschiedene lokale Unternehmen beteiligt: Berry’s Café Bar, Hussen’s Falafel und Thildas Eis. Für die musikalische und tanzbare Komponente sorgt DJ Steevott. Das Museumcafé »Herzblut und Zinke« bietet Kaffeespezialitäten und Kuchen.
Zur Ausstellung
Wo liegt der Ursprung der Kunst? Dieser Frage ging nicht nur der deutsche Ethnologe Leo Frobenius Anfang des 20. Jahrhundert nach. Die einzigartigen Felsbildkopien, die auf seinen weltweiten Expeditionen entstanden, waren ein Schlüsselerlebnis für die Künstler der Moderne.
Die Ausstellung »Urknall der Kunst« entsteht in Kooperation mit dem Frobenius-Institut, Frankfurt und geht dieser künstlerischen Auseinandersetzung erneut nach.
Sie bringt sieben Positionen der Klassischen Moderne in einen Dialog mit den Felsbildern der Vorzeit: Joseph Beuys, Joan Miró, Paul Klee, Pablo Picasso, Hans Arp, Willi Baumeister und André Masson.
Eintritt
Zwischen 15.00-17.00 Eintritt in die Ausstellung »Urknall der Kunst. Moderne trifft Vorzeit« zum reduzierten Sonderpreis von 6 Euro
In einer fantastischen Ausstellung „Urknall der Kunst. Moderne trifft Vorzeit“ vom 24.März bis 25. Juni 2023, richtet das Hessische Landesmuseum Darmstadt den Blick auf die Wiege der Malerei der Menschheit. und stellt sie in einen Dialog mit Werken der klassischen Moderne.
„Wir zeigen eine reine Vorzeit im unmittelbaren Dialog mit der modernen Kunst. 1937 war die berühmte Ausstellung Prehistoric RockPictures in Europe and Africa im Museum of Modern Art in New York. Es war der Direktor Alfred Barr, der die besondere Qualität dieser vorzeitlichen Malerei erkannte und fragte: ‚Wie kommen denn vorzeitliche Malereien, die sonst nur unzugänglich irgendwo auf der Welt in versteckten Höhlen zu sehen sind, wie kommen diese auf die Wand? Wie kommen sie ins Museum?‘ Und das war damals nur möglich, weil es den Ethnologen Leo Frobenius und sein Institut gab, die mit Expeditionen, beginnend 1904, in der ganzen Welt unterwegs waren, und systematisch in Afrika, Südeuropa, in Asien, in Australien und auch ein bisschen in Nordeuropa Höhlenmalereien und Felsritzungen dokumentierte und aufgenommen haben. Auf diese Weise schufen sie ein Kompendium der Maler, der Kunst der Vorzeit, wie es weltweit einmalig ist.“, erläutert Dr. Martin Faass, Direktor des Hessischen Landesmuseums, beim Presserundgang.
Das Leo Frobenius Institut ist in Frankfurt Anfang des 20.Jahrhundert gegründet worden, es ist heute noch in Frankfurt, gehört heute zur Universität Frankfurt und verfügt mit 8000 Dokumentationen von Höhlenmalerei, also von Nachschöpfungen über ein weltweit einmaliges Archiv von Höhlenmalerei, die heutzutage zum Teil an ihren Fundorten nicht mehr existiert. Das Archiv ist sozusagen eine Art „Konserve“ zur Bewahrung dieser vorzeitlichen Kunst, vertieft Dr. Richard Kuba, Leiter des Leo Frobenius Instituts.
Und damals waren diese Bilder schon eine Sensation. Man muss sich vorstellen. Damals war diese „Kunst“ absolut neu. Als 1878 die nordspanische Altamira-Höhle entdeckt wurde, da wollte man ja Anfangs noch kaum glauben, dass das wirklich so alt ist. Man dachte eher daran, dass das irgendwie ein zeitgenössischer Scherz on Künstlern ist, die das so ein bisschen ausgemalt haben, und jetzt ein wenig von der Steinzeit erzählen wollten. Man hat wirklich lange Zeit gezweifelt, dass wir es da mit Malerei der Prähistorie zu tun haben, die bis 10 000/20 000 Jahre zurückreicht. Und es dauerte tatsächlich noch einige Zeit bis nach 1902 mehr und mehr diese Höhlen in Südfrankreich entdeckt wurden, so dass man es gar nicht mehr in Abrede stellen konnte, dass man es da wirklich mit Malereien zu tun hat, die so unglaublich alt sind und vielleicht so etwas wie die Anfänge der Malerei darstellen, erzählt Dr. Faass.
Es war damals eine ungeheure Sensation diese Entdeckung. Und dass Leo Frobenius dieses Archiv aufbauen konnte, lag daran, dass ihn auf seinen zahlreichen Expeditionen Künstler begleiteten, die die Felsenbilder und -Ritzungen abmalten, wissenschaftlich dokumentieren. Hierdurch konnte er später diese riesigen Malereien in Ausstellungen zeigen, vertieft Kuratorin Dr. Jessica Schmidt. So zeigte das Institut ab den 1930er Jahren nun regelmäßig die neuesten Felsbilder unmittelbar nach der Rückkehr der Expeditionsteams. Und zeitgleich gab es ganze Touren von Ausstellungen, Wanderausstellungen durch Deutschland und Europa mit Stationen u.a.: Berlin, Hamburg, Köln, Oslo, Amsterdam, Zürich, Brüssel und Paris. Auf der Einladungsliste der Pariser Ausstellung befinden sich berühmte Namen wie Picasso, Miró, Rothschild und Citroen. Frobenius bemühte sich gezielt darum, Künstler und bekannte Persönlichkeiten zu den Vernissagen einzuladen. Die Felsbildkopien werden hierdurch zunehmend als eigenständige Kunstwerke wahrgenommen. Eine Ausstellung davon, der absolute Höhepunkt, so Faass, fand 1937 im Museum of Modern Art in New York statt. Auf drei Etagen wurden die Felsbilder und Felsritzungen aus der Sammlung Leo Frobenius gezeigt. Es war eine große Sensation damals in New York.
Und hier erkannte der MOMA-Direktor Alfred Barr schon sehr früh, dass es zwischen dieser prähistorischen Malerei und den Werken der klassischen Moderne Verbindungen gab. Denn Barr richtete zusätzlich in der vierten Etage eine Ausstellung mit Werken der klassischen Moderne aus, bestückt aus der eigenen MOMA-Sammlung, die Bezüge zu den prähistorischen Kunstwerken sichtbar machten. Es waren Namen darunter wie Picasso, Masson, Arp und andere, die dort schon gezeigt wurden, und zum ersten Mal dieses Thema aufgriff „Vorzeit und Moderne“.
Erstmals die Werke der Vorzeit in unmittelbaren Dialog zur Moderne zeigen
MOMA-Direktor Barr 1937 ging aber noch nicht soweit, die Werke in einen unmittelbaren Dialog zu stellen. „Das machen wir, das Hessische Landesmuseum Darmstadt, jetzt hier in dieser Ausstellung. Wir machen es tatsächlich zum ersten Mal. Das hat es bisher in dieser Form nicht gegeben, wie ohnehin diese Felszeichnungen des Instituts Frobenius lange unbeachtet waren, in dem Archiv in Frankfurt lagen, und erst seit 2016 überhaupt wiederentdeckt worden sind. Beginn war 2016 die große Ausstellung im Martin Gropiusbau in Berlin, es folgt die andere große Ausstellung unter anderem in Mexico City und im Museum Rietberg Zürich, wo über 100 000 Besucher begeistert diese prähistorischen Malereien gesehen haben.“, so Faass.
Und es sei immer wieder neu eine Sensation, diese Bilder zu sehen. Das Hessische Landesmuseum Darmstadt hat diesen unmittelbaren Dialog zwischen „Urzeit und Modene“ zum Konzept der Ausstellung gemacht, für den Betrachter gleich zu erkennen an der Hängung „prähistorische Felsenbildnachschöpfungen“ im Wechsel zu Werken von Joan Miró, Paul Klee, Pablo Picasso, Hans Arp, Willi Baumeister und André Masson mit entsprechenden Informationstexten. Sehr gut professionell, und zugleich niedrigschwellig gemacht.
„Diese Felsenbild-Abbildungen waren damals sehr inspirierend für die Klassische Moderne, sie waren auch für die Künstlerinnen und Künstler der Moderne eine Sensation, ein entscheidendes Aha-Erlebnis, so dass viele Künstler aus diesen Werken , von denen sie sich inspiriert fühlten, Dinge in ihr eigenes Werk übernommen haben, der mindestens davon inspiriert waren.
So haben wir gesagt: Ja, dann stellen wir doch einmal diese prähistorische Malerei in einen unmittelbaren Dialog mit Künstlern der klassischen Moderne. Und das ist der Kern unserer Ausstellung, dazu haben wir 7 Künstler ausgewählt, um sie den prähistorischen Malereien gegenüberzustellen.“ so Direktor des Hessischen Landesmuseums“, sagte Dr. Martin Faass
Für Naturbegeisterte – deutschlandweiter Aufruf zum Melden von Moosen in Darmstadt und Umgebung. Der »Bioblitz 2023« ist Anfang des Jahres gestartet und es sind schon fast 52 000 Beobachtungen deutschlandweit bei Observation.org gemeldet worden. Mitmachen ist hier erwünscht! Die Initiatoren des Bioblitzes, das LWL-Museum für Naturkunde des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) und das Hessische Landesmuseum Darmstadt rufen nun auf, Ausschau nach Moosen zu halten. Im März können gut im Darmstädter Umland Moose beobachtet und gemeldet werden.
Auch wenn sich manche Funde dieser Artengruppe nur mikroskopisch sicher bestimmen lassen, kann man einige Arten mit der zu Observation.org gehörenden App »ObsIdentify« bestimmen und darüber die Beobachtungen melden. Alle gemeldeten Beobachtungen werden anschließend nochmal von Fachleuten geprüft. Moose können zwar das ganze Jahr beobachtet werden, aber sie leuchten derzeit mit ihrem satten Grün vor den noch kahlen Bäumen, so dass sie gut zu finden sind. »ObsIdentify hat uns schon ein paar neue Fundpunkte bei einigen sehr seltenen Moosarten eingebracht. So konnten inzwischen verschiedene Zackenmützenmoose in Münster gefunden werden, die alle auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehen«, sagt Dr. Carsten Schmidt. Der Biologe und Moos-Experte prüft und validiert Beobachtungen auf Observation.org.
Moose sind in der Regel klein und wachsen relativ langsam. Sie sind im Vergleich zu den Höheren Pflanzen konkurrenzschwach. Daher wachsen sie an besonderen Standorten wie Felsen, an Bäumen, im Wald, in Mooren aber auch in Grünflächen. Torfmoose zum Beispiel findet man in nährstoffarmen, sauren Habitaten wie Hochmooren. Es gibt weltweit etwa 16.000 bekannte Arten von Moosen. Dort, wo Moose häufig sind, haben sie eine wichtige ökologische Rolle im Nährstoffkreislauf, da sie die Nährstoffe aus der Atmosphäre in den Boden einbringen. Einige Moose wie z.B. die Torfmoose haben es aufgrund der Zerstörung ihres Lebensraums nicht einfach.
»Das spannende an diesem bürgerwissenschaftlichen Projekt ›Bioblitz 2023‹ und dem monatlichen Aufruf, eine Tier-, Pflanzen- oder Pilzart zu beobachten ist, dass alle Menschen mitmachen können. Jeder kann auch ohne Vorkenntnisse helfen, Erkenntnisse über die bedrohte Artenvielfalt in Deutschland zu gewinnen. Die gemeldeten Daten auf Observation.org stehen beispielsweise zur Erstellung Roter Listen der gefährdeten Arten oder auch für die Naturschutzarbeit vor Ort zur Verfügung. Sie fließen aber auch in internationale Auswertungen ein«, sagt Dr. Jan Ole Kriegs vom LWL-Museum für Naturkunde.
Für Interessierte stehen Informationen zu dem Projekt „Bioblitz 2023“ auf der Website bereit: bioblitze.lwl.org