Kategorie-Archiv: Paläontologie

Neue Ursaurierart bei Kusel (Pfalz) entdeckt – Forscher tauften ihn Stenokranio (Schmalschädler)

Lebensrekonstruktion des Kuseler Ursauriers Stenokranio. Dr. Frederik Spindler, Kipfenberg
Lebensrekonstruktion des Kuseler Ursauriers Stenokranio. Dr. Frederik Spindler, Kipfenberg

Wie das rheinland-pfälzische Innenministerium mitteilt hat ein internationales Forscherteam um das Urweltmuseum Geoskop bei Kusel im Auftrag von Erdgeschichte-Experten der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) Rheinland-Pfalz zwischen Kaiserslautern und Trier eine neue Ursaurierart nachgewiesen. Das nach seiner speziellen Kopfform Stenokranio („Schmalschädler“) benannte Tier wurde bis zu anderthalb Meter lang, hatte einen großen, flachen Schädel mit vielen spitzen Zähnen und ernährte sich von Fischen und anderen Ursauriern. Es lebte vor knapp 300 Millionen Jahren und war eines der größten Raubtiere seiner Zeit.

„Zu Lebzeiten von Stenokranio lag die Pfalz nahe des Äquators und war Teil eines riesigen Gebirgstals, das sich von Lothringen bis Frankfurt am Main erstreckte und eine tropische Fluss- und Seenlandschaft beherbergte. Im Bereich des heutigen Remigiusbergs bei Kusel mündete damals ein großer Fluss in einen etwa 70 Kilometer langen See. Dieses Flussdelta bevölkerte die neu entdeckte Ursaurierart. Es ist faszinierend, dass wir heute erstmals Überreste dieses urzeitlichen Rheinland-Pfälzers finden und dadurch Erkenntnisse über eine längst vergangene Epoche erlangen“, sagte Innenminister Michael Ebling.

Auch die Generaldirektorin der GDKE, Dr. Heike Otto, zeigte sich ob der Neuentdeckung begeistert. „Die beiden fossilen Schädel wurden bereits 2013 und 2018 entdeckt und auch mithilfe von Ehrenamtlichen ausgegraben. Ein internationales Forscherteam konnte diese dann präparieren und nun die Beschreibung einer neuen Art vornehmen. Der sensationelle Fund führt uns den erdgeschichtlichen Reichtum unserer Region eindrucksvoll vor Augen“, so Otto.

Stenokranio besetzte die ökologische Nische der späteren Krokodile. Es war ein Amphib, das im Wasser und an Land leben konnte. Als Fisch- und Fleischfresser, dürfte er als Lauerjäger im Flachwasser und am Ufer von Seen und Flüssen seiner Beute nachgestellt haben. Neben frühen Vorläufern der Säugetiere gehörte Stenokranio zu den größten bekannten Raubtieren seiner Zeit.

Stenokranio ist Teil der ältesten gut belegten Ursauriergemeinschaft Europas, die vom Remigiusberg bei Kusel in der Westpfalz stammt. An Vierfüßern wurden aus dem pfälzischen Fossilvorkommen bisher Reste von drei weiteren Ursaurierarten (Cryptovenator hirschbergeri, Remigiomontanus robustus, Trypanognathus remigiusbergensis) beschrieben, deren nächste Verwandtschaft im heutigen Südwesten der USA und in Thüringen beheimatet war. Die „Ursaurier“ haben nichts mit den Dinosauriern zu tun, sondern lange vor diesen gelebt. Die ersten Dinosaurier traten etwa 60 Millionen Jahre nach Stenokranio auf.

Ein Teil der Fossilien ist bereits in die Dauerausstellung des Urweltmuseums Geoskop bei Thallichtenberg (Landkreis Kusel) integriert und damit der Öffentlichkeit zugänglich. Geplant ist der Bau eines lebensgroßen Modells von Stenokranio.

Fakten zu Ursaurier Stenokranio

Um welches Tier handelt es sich?
Stenokranio war ein Amphib, also ein Tier, das im Wasser und an Land leben konnte. Die Vermehrung erfolgte durch Laichen im Wasser.

Wie viel und welches Fossilmaterial gibt es?
Die Beschreibung der neuen Art beruht auf zwei fossilen Schädeln, 25 und 27 Zentimeter lang. Von dem größeren Exemplar gibt es zusätzlich Teile der Wirbelsäule und des Schultergürtels.

Wo wurden die fossilen Reste gefunden?
Fundort ist der Remigiusberg bei Kusel in der Westpfalz (Landkreis Kusel, Rheinland-Pfalz). Der Fundort befindet sich auf dem Betriebsgelände eines aktiven Steinbruchs (Hartsteinwerk Rammelsbach der Basalt AG, Linz am Rhein). Der Steinbruch fördert ein Hartgestein zur Herstellung von Straßen- und Gleisbettschotter. Fossilführend sind die Deckschichten über dem Hartgestein. Zutritt zum Betriebsgelände und zur Fundstelle sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Basalt AG möglich.

Wer und wann wurden die Fossilien entdeckt?
Die Fossilien wurden 2013 (großes Exemplar als Zufallsfund; Entdecker: Dr. Jan Fischer) und 2018 (kleineres Exemplar bei einer wissenschaftlichen Grabung des Urweltmuseums GEOSKOP; Entdecker: ehrenamtlicher Grabungshelfer Hans-Rieder
Matzenbacher) entdeckt.

Wo, wann und von wem wurden die Fossilien präpariert?

Präparation des 2018 entdeckten Schädels durch den geowissenschaftlichen Präparator Larry Rinehart aus Albuquerque/New Mexico. im GEOSKOP
Präparation des 2018 entdeckten Schädels durch den geowissenschaftlichen Präparator Larry Rinehart aus Albuquerque/New Mexico. im GEOSKOP

Das große Exemplar wurde 2014, das kleinere Exemplar 2018 vom geowissenschaftlichen Präparator Larry Rinehart aus Albuquerque/New Mexico ehrenamtlich im Urweltmuseum GEOSKOP bei Kusel präpariert. Eine Nachpräparation des kleineren Schädels zur wissenschaftlichen Beschreibung erfolgte 2019/2020 durch Georg Sommer, geowissenschaftlicher Präparator des Naturhistorischen Museums Schloss Bertholdsburg, in Schleusingen/Thüringen.

Wann hat das Tier gelebt?
Die Fundschichten sind knapp 300 Millionen Jahre alt und werden in das ausgehende Erdaltertum, genauer in den Grenzbereich der erdgeschichtlichen Systeme Karbon und Perm gestellt.

Wie heißen die Fundschichten?
Die Stenokranio-Fossilien wurden in Ablagerungsgesteinen der sogenannten Remigiusberg-Formation, Basis des Rotliegend im Saar-Nahe-Becken, gefunden.

Weiß man, wie die Tiere zu Tode gekommen sind?
Nein. Die bisher bekannten fossilen Reste von Stenokranio stammen von zerfallenen Skeletten, die am Ufer eines Sees (größeres Exemplar) und im Flachwasser eines Sees (kleineres Exemplar) im Schlamm begraben worden sind. Es ist möglich, dass beide Tiere eines natürlichen Todes gestorben und im Laufe der Zeit zerfallen und teilweise fortgespült worden sind.

Wie groß und schwer konnten die Tiere werden?
Stenokranio konnte schätzungsweise bis zu 1,5 Meter lang werden. Das am nächsten verwandte Tier, Eryops megacephalus aus den USA, erreichte Schädellängen von bis zu 60 Zentimeter und Körperlängen von bis zu drei Metern. Das Körpergewicht der großen amerikanischen Tiere wird auf 160 Kilogramm geschätzt. Das größte bekannte Exemplar von Stenokranio könnte bis zu 70 Kilogramm Lebendgewicht aufgewiesen haben.

Wo hat das Tier gelebt? Wie muss man sich den Lebensraum vorstellen?
Zu Lebzeiten von Stenokranio lag die Pfalz nahe dem Äquator und war Teil eines riesigen (100 x 300 Kilometer großen) Gebirgstals, das von Lothringen bis Frankfurt/M. und vom Hunsrück bis fast nach Karlsruhe reichte. Das Gebirgstal (geologisch: Lothringen-Saar-Nahe-Becken) war eine tropische Fluss- und Seelandschaft. Im Bereich des heutigen Remigiusbergs mündete damals ein großer Fluss in einen etwa 70 Kilometer langen See. Am Ufer dieses Sees bzw. im Delta des besagten Flusses hat Stenokranio gelebt.

Wie hat das Tier gelebt?
Stenokranio hat die ökologische Nische der erst seit dem Erdmittelalter auftretenden Krokodile besetzt. Es war ein Amphib, das im Wasser und an Land leben konnte. Die Vermehrung erfolgte im Wasser. Die Jungtiere werden überwiegend im Wasser, die erwachsenen Tiere im Wasser und an Land gelebt haben. Stenokranio war ein Fischund Fleischfresser, der als Lauerjäger im Flachwasser und am Ufer von Seen und Flüssen seiner Beute nachgestellt haben dürfte. Neben frühen Vorläufern der Säugetiere, wie den fleischfressenden Rückensegelsauriern, gehörte Stenokranio zu den größten bekannten Raubtieren seiner Zeit. Die Konstruktion seiner Kiefer ermöglichte kein Zerschneiden (oder Kauen) von Beute. Beutetiere wurden gepackt, mit den spitzen Zähnen und den vergrößerten Reißzähnen im Gaumen festgehalten und vermutlich mehr oder weniger im Ganzen heruntergeschlungen.

Was passiert nun mit den Fossilien? Wie geht es weiter?
Ein Teil der Fossilien ist bereits in die Dauerausstellung des Urweltmuseums GEOSKOP integriert und damit der Öffentlichkeit zugänglich. Geplant ist der Bau eines lebensgroßen Modells von Stenokranio. Alle Fossilien, das Modell und gegebenenfalls virtuelle Animationen sollen später in einer neuen Dauerausstellung zu den „Kuseler Ursauriern“ im GEOSKOP präsentiert werden.

Warum wird das Tier als Ursaurier bezeichnet?
Der Begriff „Ursaurier“ ist eine populäre Sammelbezeichnung für die Vierfüßer des Erdaltertums. Der Begriff schließt Amphibien und Reptilien ein, hat aber keine wissenschaftliche Bedeutung und hat auch nichts mit den Dinosauriern zu tun. Die „Ursaurier“ haben vor den Dinosauriern gelebt. Die ersten Dinosaurier haben etwa 60 Millionen Jahre nach Stenokranio in der Mittleren Trias gelebt.

Wo genau ist die Position von Stenokranio im Stammbaum der vierfüßigen Wirbeltiere?
Stenokranio gehört zur Familie der Eryopiden, die relativ großwüchsige, nach Gestalt und Lebensweise krokodilähnliche Amphibien des ausgehenden Erdaltertums vereint. Die Eryopiden gehören zur Gruppe der Temnospondyli, die die artenreichste Gruppe an Amphibien des Erdaltertums repräsentiert und wahrscheinlich auch die Vorläufer der heutigen Amphibien einschließt.

Wem gehören die Fossilien?
Nach dem Denkmalschutzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz werden erdgeschichtliche Objekte von wissenschaftlicher Bedeutung mit ihrer Entdeckung Eigentum des Landes Rheinland Pfalz. Entsprechende Funde werden in der Landessammlung für Naturkunde in Mainz inventarisiert.

Wer hat welchen Anteil an der Arbeit?

Der 2018 gefundene Schädel von Stenokranio. Urweltmuseum GEOSKOP, Thallichtenberg
Der 2018 gefundene Schädel von Stenokranio. Urweltmuseum GEOSKOP, Thallichtenberg

Die wissenschaftlichen Forschungen und Ausgrabungen im Steinbruch am Remigiusberg bei Kusel erfolgen unter der Leitung des Urweltmuseums GEOSKOP im Auftrag und in Kooperation mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz/ Referat Erdgeschichte. Finanzielle und logistische Hilfe stellt das Hartsteinwerk Rammelsbach der Basalt AG zur Verfügung. Die Ausgrabungen werden von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern aus der Pfalz und dem Saarland unterstützt.
Die präparatorischen und konservatorischen Arbeiten an den Fossilien sowie die wissenschaftliche Auswertung erfolgen im Urweltmuseum GEOSKOP.  Die Beschreibung und Illustration der Fossilien sowie die Analyse der verwandtschaftlichen Beziehungen zu altersgleichen Amphibien wurden von den Spezialisten für fossile Amphibien der Gruppe der Eryopiden in Schleusingen/Thüringen, am Naturkundemuseum Berlin und am New Mexico Museum of Natural History in Albuquerque/New Mexico durchgeführt.

Was macht diesen Fund so spannend?
Eryopiden, die nach dem besonders großen amerikanischen Vertreter Eryops benannte Familie von Amphibien des späten Erdaltertums, werden in Saurierbüchern oft zusammen mit Rückensegelechsen als typisch amerikanische Lebensgemeinschaft der Vordinosaurierzeit dargestellt. Die Funde vom Remigiusberg belegen, dass große krokodilartige Amphibien zusammen mit den auffälligen Rückensegelechsen und anderen aus Nordamerika bekannten Ursaurierformen auch auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands existiert haben.

Quelle  – Originalarbeit: Werneburg, R., Witzmann, F., Rinehart, L., Fischer, J. & Voigt, S. (2024): A new eryopid temnospondyl from the Carboniferous-Permian boundary of Germany. – Journal of Paleontology, doi: 10.1017/jpa.2023.58.

»Großes« Säugetier in der Grube Messel gefunden

Fundstelle Grube Messel .Jubelndes Grabungsteam 2023 © Foto Torsten Wappler
Fundstelle Grube Messel .Jubelndes Grabungsteam 2023 © Foto Torsten Wappler

Nordöstlich von Darmstadt befindet sich die Fossilienlagerstätte Grube Messel. Der ehemalige Ölschiefer-Tagebau steht bereits seit 1995 auf der Weltnaturerbe-Liste der UNESCO und wird als eines der bedeutendsten Naturdenkmäler der Welt angesehen. Auf einer Fläche von ca. 40 ha sind hier bituminöse Tonsteine (»Ölschiefer«) erschlossen, die im sogenannten Mittel-Eozän vor ca. 48 Millionen Jahren am Grunde eines Maarsees abgelagert wurden. Die dort konservierten Fossilien fungieren als einzigartiges Archiv der Erdgeschichte. Neben der überaus vielfältigen und hervorragend erhaltenen Flora und Fauna ist die Grube Messel vor allem für herausragende Säugetierfunde bekannt.

Das Hessische Landesmuseum Darmstadt besitzt nicht nur eine der ältesten und weltweit bedeutendsten Messel-Sammlungen, sondern nimmt seit 1966 auch selbst regelmäßig Ausgrabungen vor. Dass bei diesen Grabungskampagnen auch heute noch bedeutenden Funde zu Tage kommen können, haben unter anderem die Ausgrabungen 2015 und 2016 bewiesen, bei denen jeweils ein Urpferd geborgen werden konnte.

Auch das Grabungsjahr 2023 startet vielversprechend: An neuer Grabungsstätte kann das Team um Prof. Dr. Torsten Wappler gleich in der ersten Woche einen großen Fund verzeichnen. Am Freitag, den 28. August 2023, sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf einen gut erhaltenen Säuger gestoßen. »Das war wieder einer dieser Tage, die man als Teilnehmer*in einer solchen Grabung nicht vergessen wird!«, so Prof. Dr. Torsten Wappler, Kurator für die Grube Messel am Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Bis Ende der Woche soll der Fund vollständig geborgen werden. Mit einer genauen Bestimmung und Einordnung des Fundes ist im Spätherbst zu rechnen, nachdem die Präparation abgeschlossen wurde.

Bis es so weit ist, können die bereits präparierten Funde in der Dauerausstellung des Hessischen Landesmuseums Darmstadt besucht werden.

Ort:
Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1
64283 Darmstadt

Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag, Freitag: 10.00 – 18.00 Uhr
Mittwoch: 10.00 – 20.00 Uhr
Samstag, Sonn- und Feiertag: 11.00 – 17.00 Uhr

Impression aus der naturhistorischen Abteilung  im Landesmuseum Darmstadt . © Foto Diether von Goddenthow
Impression aus der naturhistorischen Abteilung im Landesmuseum Darmstadt . © Foto Diether von Goddenthow

Dr. Philipe Havlik wird neuer Geschäftsführer der Welterbe Grube Messel gGmbH

Philipe Havlik, hier mit Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst Ayse Asar, wird neuer Geschäftsführer der Welterbe Grube Messel gGmbH. © Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst
Philipe Havlik, hier mit Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst Ayse Asar, wird neuer Geschäftsführer der Welterbe Grube Messel gGmbH. © Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst

Wiesbaden. Wie das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst mitteilt, wird Dipl. Geol. Philipe Havlik aus dem Hause Senckenberg neuer Geschäftsführer der Welterbe Grube Messel gGmbH. Das habe  die Aufsichtsratsvorsitzende der Gesellschaft, die Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst Ayse Asar, Ende Dezember 2022 bekanntgegeben.

Philipe Havlik leitet derzeit die Kuration des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt und wird zum 1. April 2023 zur UNESCO Welterbestätte Grube Messel wechseln. Dort löst er Dr. Marie-Luise Frey ab, die Ende April nach fast 20 Jahren als Geschäftsführerin in den verdienten Ruhestand geht. Zudem stärkt das Land die Welterbe Grube Messel gGmbH bei ihren Aufgaben mit mehr als verdoppelten Mitteln: Im Regierungsentwurf für den Landeshaushalt der Jahre 2023 und 2024 ist eine Erhöhung um jeweils 400.000 Euro auf rund 770.000 Euro pro Jahr vorgesehen.

Einzigartiger Blick in die Urzeit
„Die Grube Messel ermöglicht einen weltweit einzigartigen Blick in die Urzeit – ich bin glücklich, dass wir für diesen besonderen Ort einen so erfahrenen Museumsmacher gewinnen konnten“, erklärt Staatssekretärin Ayse Asar. „Philipe Havlik hat schon für Senckenberg wunderbare Ausstellungsprojekte geleitet, wie etwa ,Edmonds Urzeitreich – Eine Dinograbung in Frankfurt‘, und damit eindrucksvoll vorgeführt, wie man Wissen im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar machen kann. Philipe Havlik hat die Findungskommission mit seinen begeisternden Ideen für die Welterbestätte und ihr Besucherzentrum schnell für sich eingenommen. Ich freue mich sehr darauf, diese Ideen Wirklichkeit werden zu sehen.“

Partnerschaft vertiefen
Aufgabe der Welterbe Grube Messel gGmbH ist die öffentliche Präsentation der Weltnaturerbestätte. Dazu betreibt sie das Besucherzentrum „Zeit und Messel Welten“ und bietet Führungen durch die Grube an. Gesellschafter sind das Land Hessen und die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung – ein produktives Miteinander, das Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft, so beschreibt: „Die Abteilung Messelforschung wurde vor genau 30 Jahren in Senckenberg etabliert und steht seitdem für anregende, fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Forschungsmuseum und Welterbestätte. In Zukunft werden wir diese Partnerschaft zusätzlich vertiefen und so Synergien in Forschung, Vermittlung und Dialog noch stärker nutzen und heben.“

„Ich freue mich sehr auf die Aufgabe, die einzigartige UNESCO-Welterbestätte Grube Messel einem breiten Publikum zugänglich zu machen“, erklärt der Wirbeltierpaläontologe und designierte Geschäftsführer Philipe Havlik. „Diese Fossillagerstätte wird weltweit erforscht, sie bietet einmalige Einblicke in ein Ökosystem vor 48 Millionen Jahren, mitten in den hessischen Tropen. Die Ergebnisse aktueller Forschung möchte ich mit meinem Team für alle erlebbar machen.“

Kurator am Senckenberg Naturmuseum
Philipe Havlik ist seit 2021 leitender Kurator am Senckenberg Naturmuseum Frankfurt. Der Geologe arbeitete am Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der Technischen Universität München und war Kurator der Paläontologisch-Geologischen Sammlung der Universität Tübingen, bevor er in die Zentrale Museumsentwicklung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung nach Frankfurt wechselte. Für die Grube Messel begeistert sich Philipe Havlik schon lange: 2004 betreute er eine Messel-Ausstellung in Stuttgart und bereitet derzeit für Senckenberg eine Ausstellung zum 30-jährigen UNESCO-Jubiläum der Grube im Jahr 2025 vor.

Dr. Marie-Luise Frey ist seit 2003 Geschäftsführerin der Welterbe Grube Messel gGmbH. Ihr Verdienst ist es, das Besucherzentrum mit aufgebaut zu haben. Die ersten Ausstellungen unter ihrer Geschäftsführung fanden in einem provisorischen Container am Rand der Grube statt, noch bevor das heutige Besucherzentrum 2010 eröffnet wurde. „Wir sind Frau Dr. Frey für Ihre Verdienste um die Grube Messel sehr dankbar: Sie hat hier eine große Aufbauarbeit geleistet und das Unternehmen auch durch schwierige Zeiten geführt, durch die von Besucherausfällen geprägten Jahre der Corona-Pandemie“, so Staatssekretärin Asar. „Und sie hat für die Welterbestätte internationale Erfolge errungen, wie zuletzt die Auszeichnung als einer der 100 wissenschaftlich bedeutendsten geologischen Orte der Welt.“

Sonderausstellung „Wälder, Flüsse, Dünen – Naturlandschaften in Rheinland-Pfalz“ im Naturhistorischen Museum Mainz

Sonderausstellung „Wälder, Flüsse, Dünen – Naturlandschaften in Rheinland-Pfalz“ im Naturhistorischen Museum Mainz im 2. OG © Foto Diether v. Goddenthow
Sonderausstellung „Wälder, Flüsse, Dünen – Naturlandschaften in Rheinland-Pfalz“ im Naturhistorischen Museum Mainz im 2. OG © Foto Diether v. Goddenthow

„Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah“, könnte auch das Motto der spannenden, in diesen Tagen im  Naturhistorischen Museum Mainz eröffneten Sonderausstellung „Wälder, Flüsse, Dünen – Naturlandschaften in Rheinland-Pfalz“ lauten.
Eingeladen wird zu einer Landschaftsreise durch Rheinland-Pfalz, einem Bundesland, welches überaus reich an ganz unterschiedlichen Naturräumen mit hoher Biodiversität ist.
Jeweils für die verschiedenen Landschaftstypen wurden in der Ausstellung konkrete Beispiele ausgewählt und plakativ dargestellt. Ob Weinberg-Wildnis im Moseltal oder Wasser-Welten am und im Rhein – zu jedem Lebensraum hat das Team des Museums passende Exponate aus den Magazinen ausgesucht.

Doch die Ausstellung ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf die langfristigen Pläne des Naturhistorischen Museums. Denn nachdem die Gäste die Erdgeschichte von Rheinland-Pfalz im Zeitraffer über 400 Millionen Jahre bereits im Erdgeschoss des Museums entdecken können, werden künftig auch die heutigen Landschaften umfassend in jeweils eignen Räumen ausgestellt.
„Als größtes Naturkundemuseum und Hüter der naturkundlichen Landessammlung in Rheinland-Pfalz verstehen wir uns als Schaufenster für die Schätze und Schönheiten der Natur unserer Heimat. Dabei bieten wir nicht nur einen Blick ins Land, sondern zeigen auch, weshalb natürliche Vielfalt für uns alle so wichtig ist“, so Museumsdirektor Dr. Bernd Herkner.

Die Einbeziehung seiner Gäste ist dem Naturhistorischen Museum ebenfalls ein großes Anliegen: In einer „Wünsch-dir-was“-Station hat das Publikum die Gelegenheit, Feedback, Ideen und Anregungen zur Ausstellung zu hinterlassen.

„Wälder, Flüsse, Dünen – Naturschätze in Rheinland-Pfalz“ befindet sich im Sonderausstellungsraum im 2. Zwischengeschoss des Naturhistorischen Museums Mainz und ist im Museumseintritt enthalten.

Naturhistorisches Museum
Reichklarastraße 10
55116 Mainz
Telefon+49 6131 12-2646
Telefax+49 6131 12-2975
naturhistorisches.museum@stadt.mainz.de

Öffnungszeiten
Dienstag 10 bis 17 Uhr
Mittwoch 10 bis 17 Uhr
Donnerstag 10 bis 17 Uhr
Freitag 10 bis 17 Uhr
Samstag 10 bis 18 Uhr
Sonntag 10 bis 18 Uhr
Feiertage (auch montags) 10 bis 18 Uhr

Urpferdchen mit Fohlen neues Highlight im Naturhistorischen Museum Mainz

Die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse (li) und Nicole Fischer, stellvertretende Museumsleiterin, konnten gestern im Naturhistorischen Museum Mainz die neue lebensechte Rekonstruktion des 44 Millionen Jahre alten Urpferdchens samt ihres Fohlens der Öffentlichkeit präsentieren. © Foto Diether v. Goddenthow
Die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse (li) und Nicole Fischer, stellvertretende Museumsleiterin, konnten gestern im Naturhistorischen Museum Mainz die neue lebensechte Rekonstruktion des 44 Millionen Jahre alten Urpferdchens samt ihres Fohlens der Öffentlichkeit präsentieren. © Foto Diether v. Goddenthow

Das Naturhistorische Museum Mainz ist um eine Sensation reicher: Das 44 Millionen Jahre alte und gerade einmal 50 Zentimeter Schulterhöhe messende Urpferdchen („Propalaeotherium“), welches 1991 im 142 Kilometer entfernten Eckfelder Maar in der Eifel bei Grabungen als Versteinerung in einer Schieferplatte gefunden und präpariert worden war, wurde nun lebensecht rekonstruiert. Das äußerst gelungene Lebensbild-Präparat ist weiteres Glanzlicht des Paläö-Künstlers Ramon López, der bereits 2019 zur Neueröffnung nach Museums-Renovierung eine einzigartiges originalgetreue Nachbildung des 4,60 m in Schulterhöhe messenden Hauer-Elefants angefertigt hatte.

Gestern nun konnten Marianne Grosse, Mainzer Kulturdezernentin, und Nicole Fischer, stellvertretende Museumsleiterin, die Großvitrine für die neu konzipierte Ausstellungseinheit enthüllen und die lebensechte Urpferdchen-Stute und ihrem Fohlen präsentieren. Der Fund sei „etwas ganz, ganz Besonderes“, „denn man konnte noch erkennen, dass die Stute, deren Skelett gefunden worden war, trächtig war“, so die Kulturdezernentin. Um zu verstehen, warum dieser Sensationsfund so gut erhalten war, müsse man die geowissenschaftlichen Zusammenhänge des Eckfelder Maars bei Manderscheid in der Eifel ein wenig verstehen. Im erdgeschichtlichen Rückblick herrschte im Eozän ein viel wärmeres Klima als heute. In der Eifel wuchs ein tropischer Urwald, exotische Tiere kämpften sich durch dieses Dickicht und fanden ihren Lebensraum am See, so auch das Urpferdchen.

Das Urpferdchen mit Fohlen als Rekonstruktion des Paläo-Künstlers Ramon López ist eine zentrale Einheit in der neu-konzipierten Ausstellungseinheit im Naturhistorischen Museum zum Thema „Europäisches Eozän“t. López stellte bereits 2019 zur Wiedereröffnung des Naturhistorischen Museums das sogenannte „Schreckenstier“ („Deinotherium“) - das Wappentier des Museums - für die Eingangshalle des Hauses her. © Foto Diether v. Goddenthow
Das Urpferdchen mit Fohlen als Rekonstruktion des Paläo-Künstlers Ramon López ist eine zentrale Einheit in der neu-konzipierten Ausstellungseinheit im Naturhistorischen Museum zum Thema „Europäisches Eozän“. López stellte bereits 2019 zur Wiedereröffnung des Naturhistorischen Museums das sogenannte „Schreckenstier“ („Deinotherium“) – das Wappentier des Museums – für die Eingangshalle des Hauses her. © Foto Diether v. Goddenthow

Das Eckfelder Maar ist heute ein Trockenmaar, aber es war im Eozän mit Wasser gefüllt. Die Hänge des Sees führten steil ins Innere des Sees, und man vermutet, dass die kleinen Pferdchen, die zumeist in Gruppen unterwegs waren, vielleicht durch eine Unachtsamkeit oder einen kleinen Erdstoß in den See stürzten und dort verendeten. Dadurch wurden Tiere und Pflanzen, die dort hineingerieten, in feinen Seeschlamm eingebettet und somit für Millionen Jahre konserviert. Diese Schicht ist Millionen Jahre alte und im Laufe der Zeit wurde aus dem feinen Schlamm so genannter Ölschiefer. In diesem Ölschiefer ist die Eozän-Lebenswelt als Fossilien erhalten.
„Rund 30.000 einzigartige Fossilien konnten bisher im Maar ausgegraben werden, die in der dem Museum angegliederten Landessammlung für Naturkunde Rheinland-Pfalz aufbewahrt werden. Die Highlights sollen natürlich in Zukunft ebenfalls im Museum den Besuchern und Besucherinnen gezeigt werden. Das Eckfelder Maar ist neben dem Unesco-Welterbe Grube Messel in Hessen und der Fossillagerstätte Geiseltal in Sachsen-Anhalt eine der drei bedeutendsten Eozän-Fossilienstätten in Deutschland und weltweit bekannt, die viel zum Verständnis der Natur von vor 44 Millionen Jahren verrät. Ich bin stolz, dass wir dieses Wissen ab heute mit den Gästen teilen dürfen“, betont Kulturdezernentin Marianne Grosse.

Eine bedeutende Sammlung zur Entwicklung der Pferde vom Urpferd bis heute zeigt das Naturhistorische Museum Mainz.  © Foto Diether v. Goddenthow
Eine bedeutende Sammlung zur Entwicklung der Pferde vom Urpferd bis heute zeigt das Naturhistorische Museum Mainz. © Foto Diether v. Goddenthow

Die hier gezeigten Fossilien sollen nun durch diese lebensechten Rekonstruktionen den Besuchern des Naturhistorischen Museums nähergebracht werden. Die Präparation übernahm der Präparator Thomas Engel und im Anschluss wurde dann das Urpferd von Paläo-Künstler Ramon Lopez lebensecht rekonstruiert.

Diese Rekonstruktion erfülle im Grunde zwei Aufgaben in unserem Haus. Einmal reihe sie sich ein in unsere bedeutende Pferdesammlung vom Urpferd über eiszeitliche Pferde bis hin zu den heutigen Pferden, Eseln und Halbeseln, darunter drei südafrikanische Steppenzebras (Quaggas), wovon weltweit nur noch 23 Exemplare dieses um 1900 ausgestorbenen Tieres existierten. Zum anderen soll die gesamte Vitrine mit der lebensechten Rekonstruktion sich später in den erdgeschichtlichen Rundgang, einer kleinen Zeitreise durch 400 Millionen Jahre im anderen Gebäudeteil einreihen, so Nicole Fischer. Es fehle noch das Zeitalter des „Europäischen Eozän“ im ehemaligen Eingangsbereich. Im Naturhistorischen Museum Mainz bestünde das Prinzip, „dass wir Lebensechtheit-Positionen zeigen, damit man es sich vorstellen kann, über was wir hier sprechen“, so die stellvertretende Museumsdirektorin.

Erstmals auch eine  begleitende Animation, in der zu sehen ist, wie es wohl   vor 44 Millionen im tropischen Regenwald am Eckfelder Maar in der Eifel ausgesehen haben mag.. © Foto Diether v. Goddenthow
Erstmals auch eine begleitende Animation, in der zu sehen ist, wie es wohl vor 44 Millionen im tropischen Regenwald am Eckfelder Maar in der Eifel ausgesehen haben mag.. © Foto Diether v. Goddenthow

Zudem habe man zum ersten Mal die Rekonstruktion auch durch eine Animation des damaligen tropischen Lebensraums erweitert, damit Besucher und Besucherinnen, insbesondere aber auch Kinder und Jugendliche sich besser vorstellen können, wie es im Eozän damals aussah. Diese Animation ist mit der Expertise dieses Hauses entstanden, so Fischer, die noch ein Bonbon zum Schluss verriet: Das bereits in der Animation herum huschende urzeitliche Äffchen „werden wir auch als Rekonstruktion bekommen und bald hier präsentieren dürfen- Es wird dem Urpferdchen gut zur Seite stehen“.

Naturhistorisches Museum
Reichklarastraße 10
55116 Mainz
Telefon+49 6131 12-2646
Telefax+49 6131 12-2975
naturhistorisches.museum@stadt.mainz.de

Öffnungszeiten
Dienstag 10 bis 17 Uhr
Mittwoch 10 bis 17 Uhr
Donnerstag 10 bis 17 Uhr
Freitag 10 bis 17 Uhr
Samstag 10 bis 18 Uhr
Sonntag 10 bis 18 Uhr
Feiertage (auch montags) 10 bis 18 Uhr

Rockende Fossilien Das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt zeigt vom 9. April bis 4. September 2022 die Ausstellung „Rock Fossils on Tour“


Frankfurt, 08.04.2022. „Rock meets Rock!“ – Rockmusik trifft auf Erdgeschichte. Paläontolog*innen forschen nicht nur an versteinerten Lebewesen, einige von ihnen sind auch große Rock-Musik-Fans. Um ihre Idole zu ehren, benennen sie hin und wieder wissenschaftliche Funde nach Bands und Musiker*innen. Wissenschaftlich und didaktisch spannend aufbereitet präsentiert die Ausstellung „Rock Fossils on Tour“ dreidimensionale realistische Modelle von Fossilien, die nach Bands oder Rockstars benannt sind: Sid Vicious, „Lemmy“ Kilmister, Mick Jagger, Frank Zappa, King Diamond, Alissa White-Gluz und viele andere. Die Exponate reichen von fein gearbeiteten lebensechten Modellen bis hin zu einer 2 Meter breiten Fossilien-Couch. 14 Stationen laden zum Bestaunen der bizarren und gleichzeitig ästhetischen „Rock Fossils“ ein. An Hörstationen gibt es die Musik der namensgebenden Bands auf die Ohren und Kinder können auf Trilobiten-Bikes um die Mammuts im Saal der Wale und Elefanten kurven. Prominenten Zuwachs erhält die Ausstellung in Frankfurt durch ein Fossil namens Ophiura tankardi. Es wurde erst kürzlich von Forschenden aus Luxemburg nach der Frankfurter Thrash-Metal-Band Tankard benannt.

„Wir möchten das Museum zum Klingen bringen!“, so Museumsdirektorin Dr. Brigitte Franzen. „Nach Beendigung unseres Jubiläumsjahres und vor der Eröffnung der „Aha!? Forschungswerkstatt“ im Juni haben wir daher diese besondere Sonderausstellung über Fossilien und Rockmusik in unser Museum eingeladen“, fährt sie fort. „In unserer Forschung gewinnen wir durch den Blick in die Vergangenheit, also durch das Erforschen von Fossilien und ihrer Umweltbedingungen, wichtige Erkenntnisse für unsere Gegenwart und Zukunft“, ergänzt Prof. Dr. Andreas Mulch, Geologe und Direktor des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt. „Mit dieser Ausstellung wird auf ganz besondere Weise ein Bezug von den Fossilien zur Gegenwart hergestellt – durch die Verbindung von Paläontologie und Rockmusik“, so Mulch.

Auf der Erde gab und gibt es viele Millionen Tier-, Pflanzen-, Bakterien- und Pilzarten. Um diese Vielfalt erforschen zu können, brauchen Arten einen Namen. Der Schwede Carl von Linné entwickelte im 18. Jahrhundert ein System zur wissenschaftlichen Benennung der Arten. In seinem bahnbrechenden Werk „Systema Naturae“ aus dem Jahr 1735 sind lebende und fossile Organismen erstmals mit einem zweiteiligen Namen aus Gattung und Art bezeichnet. Diese ‚Binäre Nomenklatur‘ gilt noch heute.

Die Ausstellung „Rock Fossils on Tour“ präsentiert nun Modelle von in jeder Hinsicht bemerkenswerten Fossilien, die nach Rockstars benannt wurden: Qiliania graffini etwa ehrt Dr. Greg Graffin, den Mitbegründer der Band Bad Religion, der selbst ein Evolutionsbiologe ist. Es handelt sich dabei um eine neue Art aus der Gruppe der Enantiornithes – ausgestorbene Vögel, die noch Zähne besaßen. Die Trilobitenart Arcticalymene viciousi wurde nach Sid Vicious, Bassist der britischen Punkrockband Sex Pistols benannt. Im Laufe ihrer Evolutionsgeschichte haben Trilobiten eine verblüffende Vielfalt entwickelt, die chaotisch erscheinen mag. Paläontolog*innen bemühen sich, dieses Chaos zu ordnen.

Paläontologie und Rockmusik eint die Faszination für das Verborgene, das Extreme und die Komplexität unserer Existenz. Die Ausstellung rückt die heimliche Liebe zwischen harter Musik und der Wissenschaft von den Fossilien in das Rampenlicht. Dr. Achim Reisdorf vom Rock Fossils-Team betont: „Es ist uns wichtig, mit unserer Ausstellung nicht nur Forschende als Musikfans in den Fokus zu rücken, sondern auch neue Zielgruppen anzusprechen. Durch die Verbindung von Rockmusik und Wissenschaft haben wir eine weltweite Aufmerksamkeit für die Forschung erzielt“.

Auch Senckenberg-Wissenschaftler haben bereits neue Arten nach ihren Idolen aus der Musikgeschichte benannt. David Bowie war Namensgeber für eine von Spinnenforscher Dr. Peter Jäger entdeckte Krabbenspinne: Heteropoda davidbowie. Dr. Torben Riehl ist Tiefseeforscher bei Senckenberg und hat 2020 eine bis dahin unbekannte Krebsart nach der Heavy Metal-Band Metallica benannt. Der augen- und farblose Assel-Krebs Macrostylis metallicola lebt zwischen wertvollen Manganknollen am abyssalen Meeresboden im nördlichen Pazifik. „Metallica haben mit ihrem Song ‚Blackened‘ schon in den 1980er Jahren vor den Gefahren von Umweltzerstörung und Biodiversitätsverlust durch den Menschen gewarnt. Mit meiner Widmung habe ich Metallica für ihre Musik gedankt und gleichzeitig auf den drohenden Tiefsee-Bergbau aufmerksam gemacht“, erklärt Riehl.

Neu zu sehen sind in Frankfurt in der Wanderausstellung der Holotyp und das Lebendmodell des Schlangensterns Ophiura tankardi. Das Fossil stammt aus dem Mainzer Becken und wurde erst kürzlich von den Forschenden Dr. Ben Thuy und Dr. Lea Numberger-Thuy, beide vom
Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg, sowie von Kai Nungesser nach der Frankfurter Thrash-Metal-Band Tankard benannt. „Als uns die Nachricht erreichte, dass ein viele Millionen altes Fossil nach uns benannt werden soll, dachten wir erst an einen verfrühten Aprilscherz“, so der Sänger Andreas „Gerre“ Geremia. „Das Rock Fossils-Team hat uns dann aber vom wissenschaftlichen Bierernst der Benennung eines 30 Millionen Jahre alten fossilen Schlangensterns nach Tankard überzeugt. Für uns ist das eine riesengroße Ehre, zumal das geologische Alter ‚ungefähr‘ hinkommt – schließlich feiern wir in diesem Jahr unser 40-jähriges Bandjubiläum. Prost, Ophiura tankardi, Du wunderschönes Sternsche!“ freut sich Geremia.

Neue Sonderausstellung „Rock Fossils on Tour“, vom 9. April bis 4. September 2022 im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt, Senckenberganlage 25, 60325 Frankfurt am Main. Kombitickets: 12 Euro für Erwachsene, 6 Euro für Kinder und Jugendliche (6 bis 15 Jahre) sowie 30 Euro für Familien (2 Erwachsene und bis zu 3 Kinder). Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 9 – 17 Uhr, Mi 9 – 20 Uhr, Sa, So und Feiertage 9 – 18 Uhr.

Weitere Informationen

American Heiner – Ein Mammut macht Geschichte Ein Mammut macht Geschichte – vom 25. März bis 19. Juni 2022 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt

Humboldt-Dinner. von Niels Schröder © HLMD
Humboldt-Dinner. von Niels Schröder © HLMD

Kaum einer weiß: Das Darmstädter Mammut ist Amerikaner und eine Sensation in der Geschichte der Paläontologie! Die Ausstellung »American Heiner« geht der Geschichte dieses weltbekannten fossilen Elefantenskelettes nach, das nach seinem Entdecker auch »Peale’s Mastodon« genannt wird. Es ist das erste museal montierte Skelett eines fossilen Elefanten in Nordamerika. Alexander von Humboldt bewunderte das Skelett, als er am Ende seiner ›amerikanischen Reise‹ im Frühsommer 1804 Station in Philadelphia machte. 1854 kam es über Umwege nach Darmstadt und ist damit seit über 150 Jahren ein Darmstädter oder, wie man hier sagt, ein echter »Heiner«.

Die Schau präsentiert anhand von Objekten aus der Kunst- und Naturgeschichte von Gemälden, Zeichnungen und Fossilien die Auswirkungen des Fundes auf die Forschungs- und Geistesgeschichte. Weltberühmte Leihgaben wie Charles Willson Peale »The Artist in His Museum« aus Philadelphia und »The Exhumation of the Mastodon« aus Baltimore sind erstmals in Europa zu sehen.

Teil der Ausstellung sind großformatige Wandzeichnungen und Comic-Strips des Berliner Illustrators Niels Schröder, welche die facettenreiche Geschichte des Darmstädter Mastodons und die historischen Hintergründe erläutern. Diese Illustrationen erscheinen in einem Heft als Graphic-Novel zusammengefasst, das als innovatives Vermittlungsmedium die Ausstellung begleitet.

Die Geschichte von Peale’s Mastodon ist eng mit der Geschichte der Vereinigten Staaten verbunden. Die Entdeckung von Mastodonknochen am Ohio River im Jahr 1739 löste im Laufe des 18. Jahrhunderts eine wissenschaftliche Diskussion in der Alten und Neuen Welt aus. Eine wichtige Rolle dabei spielte Charles W. Peale aus Philadelphia, der nicht nur ein gefragter Künstler, sondern auch ein geschätzter Naturaliensammler mit eigenem Museum war. Sein Interesse an Mastodonknochen wurde durch einen hessischen Militärarzt geweckt. Als 1801 im Hudson River Valley fossile Knochen gefunden wurden, übernahm Peale mit seinem Sohn Rembrandt die Ausgrabungen und entdeckte die Reste von zwei Mastodonskeletten. Peale setzte aus diesen Knochen in Philadelphia ein Skelett zusammen, ergänzte fehlende Teile durch Holzrepliken, entwickelte ein Metallgerüst und präsentierte das Ergebnis zur großen Begeisterung des Publikums in seinem Museum.

Die Entdeckung des Mastodons erregte damals so großes Aufsehen, weil sie das gültige Verständnis über die Entstehung der Welt grundsätzlich in Frage stellte. Die fossilen Knochen waren ein offensichtlicher Beweis dafür, dass die Welt und mit ihr die Tierwelt einmal anders ausgesehen haben könnte. Ein unerhörter Gedanke. Denn noch immer war die biblische Überlieferung und die Lehre von der Entstehung der Welt als göttliche Schöpfung maßgeblich. Dieser entsprechend gingen die Wissenschaftler bei den ersten Knochenfunden Anfang des 18. Jahrhunderts noch davon aus, Knochen von Riesen vor sich zu haben. Das war eine durchaus naheliegende Schlussfolgerung, wenn man bedenkt, dass Riesen als real galten.

Peales Mastodon "Heiner" © Foto Diether v. Goddenthow
Peales Mastodon „Heiner“ © Foto Diether v. Goddenthow

Die Erkenntnis, dass es sich bei diesen Knochen um Fossilien eines ausgestorbenen Tieres handelt, war daher ein wissenschaftlicher Wendepunkt und der Beginn eines Prozesses, der 1859 zu der von Charles Darwin formulierten Evolutionstheorie führte.

Die Entdeckung von Peale’s Mastodon war auch für das Selbstbewusstsein der jungen amerikanischen Nation wichtig. Sie widersprach einer kruden wissenschaftlichen Theorie des 18. Jahrhunderts, die behauptete, die amerikanische Fauna sei als degeneriert anzusehen, weil es dort nur kleine, schwache Tierarten gäbe. Der berühmte Pariser Naturforscher Buffon hatte dies im Selbstverständnis der Überlegenheit des alten Europas gegenüber der Neuen Welt veröffentlicht. Obwohl diese scheinbar groteske Einschätzung unhaltbar war, nagte sie am Selbstwertgefühl der jungen amerikanischen Nation, die sich gerade politisch von England losgesagt hatte. In diesem Moment kam Peales Entdeckung des großen Mastodons genau richtig. Das Skelett bewies, dass es auch in Amerika große Tiere gab oder gegeben hatte. Daher waren seine Ausgrabung und seine Präsentation in Peales Museum Angelegenheiten von nationaler Bedeutung, an denen auch der amerikanische Präsident regen Anteil nahm. Thomas Jefferson war mit Peale persönlich bekannt und unterstützte das Projekt finanziell. Und wenn der Weißkopfseeadler als Wappentier der Vereinigten Staaten nicht schon festgestanden hätte, wäre zu diesem Zeitpunkt sicherlich auch das Mastodon in Frage gekommen.

Nach dem Tode Peales wurde es ruhiger um das berühmte Skelett. Es wurde verkauft und kam auf verschlungenen Wegen über Paris und London im Jahr 1854 nach Darmstadt. Hier fand es nach dem Bau des Museumsgebäudes von Alfred Messel 1906 in der Abteilung Erd- und Lebensgeschichte seinen festen Platz.

Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von US-Generalkonsul Frankfurt am Main Norman Thatcher Scharpf.

Weitere Informationen Hessisches Landesmuseum Darmstadt

Heiner, das weltberühmte Mammut, ist zurück in Darmstadt und wird für die Ausstellung seiner Geschichte am 25.3. wieder in Form gebracht

Nachdem das weltbekannte "Mammut" (eigentlich ein fossiler Elefant) wieder  aus den USA zurück ist, wird es hier wieder zusammengesetzt und für die kommende Ausstellung "American Heiner - Ein Mammut macht Geschichte" in Form gebracht. Hier bei der Montage seines Kopfes. Die imposanten Stoßzähne wurden schon zuvor montiert.  © Foto Diether v. Goddenthow
Nachdem das weltbekannte „Mammut“ (eigentlich ein fossiler Elefant) wieder aus den USA zurück ist, wird es hier wieder zusammengesetzt und für die kommende Ausstellung „American Heiner – Ein Mammut macht Geschichte“ in Form gebracht. Hier bei der Montage seines Kopfes. Die imposanten Stoßzähne wurden schon zuvor montiert. © Foto Diether v. Goddenthow

„American Heiner“, das weltberühmte Skelett eines zirka 14 000 Jahre alten  Mammuts,  ist wieder heil zurück im  Hessischen Landesmuseum Darmstadt (HLMD), nachdem es vor zwei Jahren seine Reise nach Amerika antrat, um  Hauptdarsteller in der Humboldt-Ausstellung im Smithonian American Art Museum (SAAM) in Washington zu sein. Jetzt wird es für die Ausstellung seiner ungewöhnlichen Geschichte im Hessischen Landesmuseum Darmstadt „American Heiner – Ein Mammut macht Geschichte -25.3. – 19.6.2022″ wieder montiert. Für den Transport sorgsam zerlegt und in  fünf großen Spezial-Kisten verpackt,  wurde es angeliefert.

Heiners Hinterbeine werden aus der Eisensicherung befreit. © Foto Diether v. Goddenthow
Heiners Hinterbeine werden aus der Eisensicherung befreit. © Foto Diether v. Goddenthow

Eigentlich hätte das „Urtier“ nach Ende der Ausstellung bereits im November 2020 wieder in Darmstadt eintreffen sollen. Aber dann kam Corona. So sei es „ein besonderer Moment für das ganze Team und unser Haus, dass nach zwei Jahren endlich eines der wichtigsten Stücke unseres Hauses wieder zurück gekehrt ist“,  freut sich Museumsdirektor Dr. Martin Faass beim gestrigen Pressetermin. Niemand habe das im Blick gehabt, „als wir es auf den Weg in die USA brachten, dass es so lange mit der Rückkehr dauern würde. Covid 19 kam für alle damals überraschend, so der Museumsdirektor. Selbst die Eröffnung der Ausstellung in den USA im März 2020 konnte niemand aus dem HLMD miterleben. Dank eines perfekten Montageplans habe aber der Auf- und Abbau in den USA gut funktioniert.

Jetzt wird „American Heiner“, der eigentlich nach seinem Entdecker Charles Willson Peale (1741-1827) „Peale’s Mastodon“ heißt, im Hause wieder aufgebaut. Das geschieht jedoch nicht an seinem angestammten Platz im HLMD, sondern im großen Ausstellungssaal im Rahmen der ab 25. März 2022 geplanten spannenden Sondern-Ausstellung „American Heiner – ein Mammut macht Geschichte“. Die Ausstellung, die „Heiners“ spektakuläre Geschichte erzählt, wird quasi um den urzeitlichen Hauptprotagonisten der Schau herumgebaut.

Besonders kompoziert erweist sich die  Schwanzmontage. Mario Drobek (oben im Bild) und sein Team geben ihr  Bestes. © Foto Diether v. Goddenthow
Besonders kompliziert erweist sich die Schwanzmontage. Mario Drobek (oben im Bild) und sein Team geben ihr Bestes. © Foto Diether v. Goddenthow

Erstmals nach Heiners Rückkehr konnten gestern  Medienvertreter  Mario Drobek’s Team  ein wenig über die Schulter zu schauen: Heiners Hinterbeine wurden aus ihrer Sicherungsverankerung befreit. Der filigrane, aus unzähligen Wirbeln bestehende Schwanz konnte angesetzt werden.  Anschließend die Anbringung des Schädels: Die ausladenden großen Stoßzähne waren bereits vormontiert, bevor das Haupt auf den Rumpf montiert werden konnte.  Bereits seit einigen Tagen sind der Leiter der Präparationswerkstätten Drobek und sein  Archäo-Montageteam  dabei,  „Heiner“ mit Augenmaß, großem Know-how und technischen Hilfen, wie speziellen Hebeapparaturen,   gekonnt wieder in Form zu bringen.

American Heiner – Ein Mammut macht Geschichte 25. März bis 19. Juni 2022 – Onlinetickets bereits ab 7. Feb. buchbar

© Archiv-Foto Diether v. Goddenthow
© Archiv-Foto Diether v. Goddenthow

Im Hessischen Landesmuseum Darmstadt besteht ab Montag, dem 7. Februar 2022,  die Möglichkeit, Onlinetickets für den Besuch der großen Sonderausstellung »American Heiner – Ein Mammut macht Geschichte« online über unsere Homepage www.hlmd.de zu buchen. Darüber hinaus beginnt die Annahme der Gruppen- und Individualführungen.

Kaum einer weiß: Das Darmstädter Mammut ist Amerikaner und eine Sensation in der Geschichte der Paläontologie! Die Ausstellung »American Heiner« geht vom 25. März bis 19. Juni 2022 der Geschichte dieses weltbekannten fossilen Elefantenskelettes nach, das nach seinem Entdecker auch »Peale’s Mastodon« genannt wird. Es ist das erste museal montierte Skelett eines fossilen Elefanten in Nordamerika. Alexander von Humboldt bewunderte das Skelett, als er am Ende seiner ›amerikanischen Reise‹ im Frühsommer 1804 Station in Philadelphia machte. 1854 kam es über Umwege nach Darmstadt und ist damit seit über 150 Jahren ein Darmstädter oder, wie man hier sagt, ein echter »Heiner«.

Die Schau präsentiert anhand von Objekten aus der Kunst- und Naturgeschichte von Gemälden, Zeichnungen und Fossilien die Auswirkungen des Fundes auf die Forschungs- und Geistesgeschichte. Weltberühmte Leihgaben wie Charles Willson Peale »The Artist in His Museum« aus Philadelphia und »The Exhumation of the Mastodon« aus Baltimore sind erstmals in Europa zu sehen.

Teil der Ausstellung sind großformatige Wandzeichnungen und Comic-Strips des Berliner Illustrators Niels Schröder, welche die facettenreiche Geschichte des Darmstädter Mastodons und die historischen Hintergründe erläutern. Diese Illustrationen erscheinen in einem Heft als Graphic-Novel zusammengefasst, das als innovatives Vermittlungsmedium die Ausstellung begleitet.

Der Kauf der Tickets für 12 Euro, ermäßigt 8 Euro und Familientickets für 20 Euro jeweils inkl. Ständige Sammlung sind erhältlich an unserer Museumskasse oder Online über unsere Homepage unter: https://hlmd.visitate.net/app/Shopping?mod=ShopContent&event=showCategory&ref=shp797395023&cat=868

Das Buchen von Gruppen- und Individualführungen in Deutsch und Englisch ist ab sofort möglich:
Führung 70 Euro zzgl. Eintritt; fremdsprachig 80 Euro zzgl. Eintritt
Anmeldung mindestens zwei Wochen vor dem geplanten Museumsbesuch.
Servicetelefon: T 06151 – 16 57 111 oder E-Mail: vermittlung@hlmd.de Di + Fr 10.00 – 12.00 Uhr, Mi 14.00 – 16.00 Uhr

Grube Messel: Bizzare Baumwanzen entdeckt Neubeschreibung von zwei fossilen Insektenarten aus der hessischen Fossilienfundstelle

Neuentdeckung aus der Grube Messel: Die fossile Stinkwanze Eospinosus peterkulkai. Foto: Senckenberg
Neuentdeckung aus der Grube Messel: Die fossile Stinkwanze Eospinosus peterkulkai. Foto: Senckenberg

Frankfurt/Messel, 08.12.2021. Ein internationales Forschungsteam hat zwei neue fossile Insektenarten im UNESCO-Welterbe Grube Messel und in einer nordamerikanischen Fossilienfundstelle entdeckt. Die zur Familie der Baumwanzen gehörenden Arten aus dem Eozän beeindrucken durch ihre Wehrhaftigkeit: Neben Stinkdrüsen verfügten sie über bizarre stachlige Auswüchse an ihrem Körper. Die Studie erscheint heute im Fachjournal „Royal Society Open Science“.

Charakteristisch für die zur Familie der Baumwanzen (Pentatomidae) oder „Stinkwanzen“ gehörenden, etwa 6,5 bis 8,5 Millimeter langen Insekten sind ihre deutlich sichtbaren dornigen Auswüchse an Hinterleib und am Halsschild. “Wir haben sowohl aus der Grube Messel bei Darmstadt als auch aus der Green River Formation im nordamerikanischen Colorado zwei neue fossile Arten dieser bizarr aussehenden Baumwanzen beschrieben“, erklärt Dr. Sonja Wedmann vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Ihre ‚Dornen‘ dienten wahrscheinlich vor allem zur Tarnung, weil sie den Körperumriss auflösen. Doch wissen wir beispielsweise von bedornten Grillen, dass solche Strukturen auch Beutegreifern die Jagd erschweren können, wenn die stacheligen Insekten ihnen quasi im Hals stecken bleiben”. Zusammen mit den Stinkdrüsen halfen die Stacheln den Insekten also vermutlich auch zur besseren Abwehr kleiner Wirbeltiere, wie Vögel oder Reptilien.

Ungewöhnlich sind nicht nur die Körperformen der Wanzen, sondern auch die weit voneinander entfernten Fundorte: Die beiden neuen Arten (Eospinosus peterkulkai und Eospinosus greenriverensis), die sich sehr ähnlich sehen, wurden in etwa 8000 Kilometer Entfernung voneinander gefunden. Studienleiterin Wedmann erläutert: „Im Eozän, der Zeit vor etwa 56 bis 33,9 Millionen Jahren vor heute, scheint der Bauplan dieser Baumwanzen so erfolgreich gewesen zu sein, dass er über die gesamte Nordhalbkugel verbreitet war. Heutzutage sind ähnlich aussehende Wanzen nur in Madagaskar und in Südamerika verbreitet.”

Das aus Messel beschriebene Exemplar wurde als Dank nach Peter Kulka benannt, der als Architekt für den jüngsten Umbau des Senckenberg Forschungsinstituts in Frankfurt verantwortlich war.

Publikation
S. Wedmann, P. Kment, .LA. Campos, T. Hörnschemeyer (2021): Bizarre morphology in extinct Eocene bugs (Heteroptera: Pentatomidae). R. Soc. Open Sci. 8: 211466. https://doi.org/10.1098/rsos.211466

Senckenberg-Naturmuseum
Grube Messel