KOLLWITZ – Städel Museum Frankfurt zeigt vom 20. März bis 9. Juni 2024 große Schau der Ausnahmekünstlerin

Käthe Kollwitz, Selbstbildnis mit aufgestütztem Kopf, 1889/91 © Städel Museum
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis mit aufgestütztem Kopf, 1889/91 © Städel Museum

„Es gibt neben Käthe Kollwitz wohl keine andere Künstlerin in Deutschland, die sich so selbstbestimmt und zielstrebig eine derart frühe und anhaltende Karriere erstritt. Ihr Schaffen wirkte bis in die USA und nach China – und wurde von vielen gesellschaftlichen wie politischen Ismen instrumentalisiert, gerade auch im Nachkriegsdeutschland. Sie ist die berühmteste deutsche Künstlerin des 20. Jahrhunderts und doch eine Ausnahmeerscheinung: Käthe Kollwitz (1867– 1945)“, unterstreicht Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums beim Pressegespräch.

Daher widmet das Städel Museum Frankfurt dieser wichtigen Künstlerin der Klassischen Moderne die große Sonderausstellung „Kollwitz“ vom 20. März bis 9. Juni 2024 im Ausstellungshaus, und nimmt die Vielfalt, Sprengkraft und Modernität von Käthe Kollwitz Werks in den Blick. Dabei soll dieser deutsche ‚Mythos Kollwitz‘ beleuchtet und vermittelt werden. „Für unser Haus gilt dies erst recht, als das Städel Museum Werke von Käthe Kollwitz bereits zu ihren Lebzeiten erwarb und seit dem Ankauf der Sammlung Goedeckemeyer durch die Stadt Frankfurt 1964 einen fundierten Bestand vor allem ihrer Druckgrafik bewahrt. Unsere Besucherinnen und Besucher erwartet mit dieser Ausstellung die Begegnung mit einer Künstlerin, deren Werk bis heute nichts an Aktualität verloren hat.“, so der Museumsdirektor beim Pressegespräch.

Kollwitz ging als Künstlerin eigene Wege: Sie entschied sich ebenso kühn wie zielstrebig nicht für Malerei, sondern vor allem für Druckgrafik und Zeichnung und fand darin zu einer eigenständigen Bildsprache von eindringlicher Unmittelbarkeit. In ihrer Kunst verhandelte sie aus neuer Perspektive existenziell menschliche Fragen, auch unbequeme Themen, und wollte damit auf die Gesellschaft einwirken.
Künstlerin und Werk wurden nicht zuletzt deshalb in Deutschland nach 1945 politisch vereinnahmt – eine Rezeption, die in der breiten Öffentlichkeit bis heute nachwirkt.

Ausgehend von dieser komplexen Rezeptionsgeschichte sowie dem umfangreichen, eigenen Bestand und bereichert um Werke aus führenden Museen und Privatsammlungen zeigt die Ausstellung mehr als 110 eindrucksvolle Arbeiten auf Papier, Plastiken und frühe Gemälde der Künstlerin, darunter herausragende Leihgaben unter anderem aus dem Berliner Kupferstichkabinett, dem Käthe Kollwitz Museum Köln, dem Art Institute of Chicago, dem Sprengel Museum Hannover oder der Staatsgalerie Stuttgart. Pointiert bezeugen diese Werke Kollwitz’ Entscheidung für das Medium Grafik sowie ihre Experimentierfreude und Unangepasstheit. Sie offenbaren die Besonderheit ihrer Themen, ihres Formenvokabulars und ihrer kompositorischen Dramaturgie. Darüber hinaus befasst sich die Ausstellung mit dem Spannungsfeld zwischen Ästhetik und Politik in ihrem Werk. Ein Überblick über die deutsch-deutschen Lesarten der Künstlerin nach 1945 reflektiert abschließend die Wirkmacht kulturpolitischer Erzählungen.

Regina Freyberger, Leiterin der Graphischen Sammlung ab 1800 am Städel Museum und Kuratorin der Ausstellung: „Es ist äußerst herausfordernd, völlig unvoreingenommen zu bleiben, denn wir tragen immer – bewusst oder unbewusst – unsere eigenen Vorstellungen und Erfahrungen mit uns. Dies gilt besonders bei einer Künstlerin wie Kollwitz, die durch Schul- oder Straßennamen, Briefmarken und Reproduktionen ihrer Werke seit Jahrzehnten zu unserem Alltag gehört. Dass sie zu den großen Ausnahmeerscheinungen in der Kunst der Klassischen Moderne zählt, kann dadurch schnell in Vergessenheit geraten. Dabei ist das Werk von Kollwitz experimentierfreudig, unkonventionell und außerordentlich konsequent. Kollwitz weigerte sich, Kunst nur um ihrer selbst willen zu schaffen, und traf daher die radikale Entscheidung, vor allem grafisch zu arbeiten. Sie wählte anti-bürgerliche, letztlich auch politische Themen und verhandelte sie aus neuen Blickwinkeln in einer einprägsamen, bis heute packenden Bildsprache. Ihre Kunst ist, wie große Kunst immer, zeitlos und zeitlos aktuell.“

Die Ausstellung wird gefördert durch die DZ BANK, die Gemeinnützige Kulturfonds Frankfurt RheinMain GmbH und den Städelschen Museums-Verein e. V. mit den Städelfreunden 1815. Weitere Unterstützung erfährt das Vorhaben durch die Georg und Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung, die Wolfgang Ratjen Stiftung und die Aventis Foundation.

„Wir freuen uns sehr, mit der Unterstützung der Kollwitz-Ausstellung erneut unsere langjährige Verbundenheit mit dem Städel Museum auszudrücken, die bereits vor mehr als 15 Jahren mit der Übergabe eines Konvoluts von 220 Fotografien aus der renommierten Fotosammlung der DZ BANK für die Sammlung Gegenwartskunst im Städel ihren Anfang nahm. Kollwitz’ Druckgrafiken und Zeichnungen lassen mit ihrer forcierten Nahsicht und der betonten Ausleuchtung bisweilen an Fotografien denken, ein Medium, das die Entwicklung der Künste im 19. Jahrhundert nachhaltig beeinflusste. Kollwitz, die in einer Zeit radikaler Umbrüche lebte und arbeitete, schuf zudem Werke, die, wie Fotografien häufig auch, Ausdruck gesellschaftlicher Veränderung sind. Wir wünschen allen Besucherinnen und Besuchern dieser Ausstellung einen neuen, anregenden Blick auf Käthe Kollwitz“, so die Co- Vorstandsvorsitzenden der DZ BANK AG Uwe Fröhlich und Dr. Cornelius Riese.

Sammlung Goedeckemeyer im Städel Museum
Das Städel Museum verdankt seine umfangreichen Bestände zu Käthe Kollwitz dem Frankfurter Kunstkenner und Grafiksammler Helmut Goedeckemeyer (1898–1983). Als Zeitgenosse der Künstlerin begann er nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Sammeln ihrer Werke und baute über Jahrzehnte eine der größten deutschen Privatsammlungen von Arbeiten der Künstlerin auf. Sie umfasst die meisten ihrer in Auflage erschienen Druckgrafiken sowie einzelne überarbeitete Zustandsdrucke, Zeichnungen und Bronzeskulpturen: im Ganzen mehr als 200 Werke. Da Goedeckemeyer seine Sammlung der Forschung und für zahlreiche Kollwitz- Ausstellungen aktiv zur Verfügung stellte, ermöglichte er nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen westdeutschen Städten eine erneute Auseinandersetzung mit der in der NS- Zeit verfemten Künstlerin. Im Städel, dem er seit den 1920er-Jahren eng verbunden war, wurde die Sammlung 1958 und 1965 gezeigt. Sie wurde 1964 von der Stadt Frankfurt für die Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut erworben und ergänzt seitdem den Kollwitz-Bestand, der bereits unter dem damaligen Städel Direktor Georg Swarzenski ins Museum kam. Im Städel zählt die Kollwitz-Sammlung heute zu den umfangreichsten Werkkomplexen der klassischen Moderne.

Kollwitz – Eine Einführung in die Ausstellung
Die künstlerische Vielfalt von Kollwitz veranschaulicht zu Beginn der Ausstellung eine Reihe außergewöhnlicher Selbstbildnisse. Kollwitz, die in den rund 55 Jahren ihrer Schaffenszeit in Zeichnung, Druckgrafik und Plastik über 100 Selbstporträts schuf, setzte sich in diesen Werken nicht nur mit ihrer eigenen Person oder der Rolle als Künstlerin, Frau und Mutter auseinander, sondern erprobte hier auch technische Verfahren sowie Haltungen und Mimik für spätere Kompositionen (vgl. Selbstbildnis mit vorgestreckter Hand, ca. 1900).

Die Ausstellung richtet den Blick in den folgenden Kapiteln auf das Kühne und Moderne im Schaffen von Kollwitz und befasst sich zunächst mit ihrer Entscheidung für die Druckgrafik. Trotz einer Ausbildung zur Malerin wandte sich die junge Künstlerin im Winter 1890/91 konsequent diesem Medium zu – ein riskanter Schritt, denn Druckgrafik wurde damals zwar wieder verstärkt als eigenständige künstlerische Ausdrucksform geschätzt, doch behielt die Malerei ihre Vorrangstellung. In der Ausstellung sind – neben frühen Gemälden – erste Radierwerke sowie Studienblätter aus dieser Schaffensphase zu sehen, die eindrücklich die Wechselwirkung zwischen Zeichnung und Radierung nachvollziehbar machen.

Schon in ihren frühen Werken verhandelte Kollwitz aktuelle, existenziell menschliche Themen. Von Schriftstellern wie Gerhart Hauptmann oder Émile Zola inspirierte Grafiken befassen sich etwa mit dem Verhältnis der Geschlechter. Zeichnungen wie Frauenschicksal (Martyrium der Frau) (ca. 1889) behandeln anhand der Gretchen- Figur aus Goethes Faust das schwierige Schicksal unverheirateter schwangerer Frauen. Auch später reflektierte Kollwitz den Erfahrungshorizont von Frauen – eine damals für das Werk einer Künstlerin ungewöhnliche und emanzipierte Perspektive.

Kollwitz erarbeitete sich ihre einprägsame, unmittelbar packende Bildsprache über einen teils langwierigen Werkprozess. Ihre stärksten Kompositionen zeichnen sich durch große Nahsicht, dynamische Zuspitzungen und eine Konzentration auf die menschliche Figur aus. In der Ausstellung werden diese dramaturgischen Mittel durch die Gegenüberstellung von einzelnen Blättern aus der Folge Ein Weberaufstand (1893–1897) mit Werken Max Klingers verdeutlicht, den Kollwitz sehr schätzte. Außerdem werden der Entstehungsprozess und die Zuspitzung einer Komposition anhand der Radierung Beim Dengeln (1905), dem dritten Blatt der Folge Bauernkrieg (1902/03–1908), nachvollzogen. Die siebenteilige Radierfolge, die Kollwitz’ Erfolg als Grafikerin begründete, offenbart schließlich den unkonventionellen Umgang der Künstlerin mit der Erzählform des Zyklus und eine spürbar politische Haltung. Den menschlichen Körper, ihr eigentliches Motiv, inszenierte Kollwitz als zeitlos gestisch-emotionale Ausdrucksform: Alles ist auf den Körper konzentriert, vollzieht sich an ihm und durch ihn. Selbst für das klassische Bildthema von Mutter und Kind fand die Künstlerin auf diese Weise unkonventionelle neue Formulierungen, wie die körperlich-leibliche ‚Verklammerung‘ in Frau mit totem Kind (1903) oder wie die tänzerische Bewegung in Tod und Frau (1910).

Kollwitz’ Umgang mit den technischen Möglichkeiten von Druckgrafik und Zeichnung ist stark experimentell geprägt. Besonders deutlich wird dies in ihren Arbeiten nach der Jahrhundertwende, als unter dem Einfluss der französischen Moderne sowie zweier Parisaufenthalte die Farbe in ihrem Schaffen wieder an Bedeutung gewann. Für kurze Zeit entstanden Zeichnungen und Radierungen von hoher malerischer Qualität, die zum Teil auch technisch äußerst innovativ sind, wie Frau mit Orange (1901), Weiblicher Rückenakt auf grünem Tuch (1903) oder das Pariser Kellerlokal (1904).

Immer wieder erweist sich außerdem das gesamte Schaffen von Kollwitz als kontinuierlicher Prozess, in dem einzelne Motive und Bildlösungen über Jahrzehnte hinweg durch alle Medien immer wieder neu reflektiert und formuliert werden. Die Ausstellung spürt diesem Aspekt anhand des Holzschnittzyklus Krieg (1921/23) nach, den Kollwitz in Trauer um den im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohn Peter schuf.
Wechselwirkungen mit der Bildhauerei zum Beispiel zeigen sich hier nicht nur in den geschlossenen, monumental wirkenden Formen, sondern auch in der Weiterentwicklung kompositorischer Ideen. Das dritte Blatt Die Eltern (1921/22) variiert das für den eigenen Sohn geschaffene Denkmal Trauernde Eltern (vollendet 1932, heute Deutscher Soldatenfriedhof, Vladslo).

Im Gegensatz zur damals verbreiteten Vorstellung einer „l’art pour l’art“ vertrat Kollwitz zeitlebens selbstbewusst die Ansicht, Kunst könne und müsse Zwecke verfolgen. Sie sah sich als etablierte Künstlerin geradewegs in der Verantwortung, an einer gesellschaftlichen Veränderung mitzuwirken. In der krisenhaften Zeit der Weimarer Republik übernahm sie konkrete politische Aufträge, wobei nicht der Auftraggeber ausschlaggebend war, sondern das Anliegen, für das sie ihr Bildvokabular dem Medium entsprechend anpasste und schärfte. Zeichnungen, mit denen sie die soziale Not des Industrieproletariats anprangerte, entstanden außerdem für die satirische Zeitschrift Simplicissimus (vgl. Wärmehallen, 1908/09).

Kollwitz’ bereits früh getroffene Entscheidung, Motive und Themen aus dem Milieu der Arbeiter zu gestalten, war auch ästhetisch motiviert. Das vermeintlich Direkte, Ungekünstelte dieser Menschen reizte sie; später kamen die Erfahrungen aus der Kassenarztpraxis ihres Mannes hinzu und führten zu sozialem Engagement und zu einfühlsamen Werken wie Brustbild einer Arbeiterfrau mit blauem Tuch (1903) oder Zwei Studien einer Arbeiterfrau (1910). Im Kern war die Motivwahl, also das künstlerische Interesse an der Arbeiterschaft, anti-bürgerlich und widersprach der klassischen Ästhetik. Dadurch und aufgrund des späteren sozialkritischen, praktisch-politischen Ansatzes entwickelte ihr Werk eine unvergleichliche Sprengkraft, die für die Moderne und darüber hinaus wegweisend war.

Heute ist in Deutschland kaum ein anderer Künstlername – im Positiven wie Negativen – stärker mit Vorstellungen und Emotionen besetzt als der von Käthe Kollwitz. Schon zu Lebzeiten rankten sich um die Künstlerin einseitige Stereotype: Sie galt als „pessimistische Elendsmalerin“, als „religiöse Künstlerin“ oder als „sozialdemokratische Agitatorin“. Durch die politische Vereinnahmung von Kollwitz in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg klingen diese teils noch immer nach. Die im Nationalsozialismus verfemte Künstlerin diente nach 1945 als Vorbild für den kulturellen wie geistigen Neuanfang. Es setzte ein öffentliches, identitätsstiftendes Kollwitz-Gedenken ein, das ab 1946 zur Gründung von Kollwitz-Schulen und der (Um-)Benennung von Straßen führte. Während des Kalten Krieges wurde die Künstlerin beiderseits der deutschen Grenze politisch funktionalisiert: Ihre Werke wurden vereinfachend entweder als „realistisch-revolutionär“ (Ost) oder „ethisch- humanistisch“ (West) gedeutet. Die Forschung hat diese Lesarten zwar längst korrigiert, doch wirken sie bis heute nach. Als bekanntestes Kollwitz-Denkmal dient eine vierfach vergrößerte Nachbildung ihrer Bronze Pietà (Mutter mit totem Sohn) (1937–1939), mit der sie nach über zwanzig Jahren erneut den Tod ihres im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohnes thematisierte, seit 1993 in der Neuen Wache in Berlin dem zentralen „Gedenken der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“. Die Ausstellung gibt abschließend einen Überblick über die einzelnen Phasen der komplexen Rezeptionsgeschichte der Künstlerin in Deutschland und will über diese
Vergegenwärtigung einen unverstellten Blick auf Kollwitz und ihre Kunst ermöglichen.

Katalog: Zur Ausstellung erscheint im Verlag Hatje Cantz ein von Regina Freyberger herausgegebener Katalog. Mit einem Vorwort von Philipp Demandt und Texten von Linda Baumgartner, Regina Freyberger, Gudrun Fritsch, Alexandra von dem Knesebeck, Katharina Koselleck, Andreas Schalhorn und Iris Schmeisser. Deutsche Ausgabe, 283 Seiten, 207 Abb., 48 Euro (Museumsausgabe). Der Katalog kann unter shop.staedelmuseum.de vorbestellt werden; die Lieferung erfolgt ab dem 20. März 2024.

Tickets: Di–Fr, Sa, So + Feiertage 16 Euro, ermäßigt 14 Euro; ab 20.3.24 Di–Fr 16 Euro, ermäßigt 14 Euro, Sa, So + Feiertage 18 Euro, ermäßigt 16 Euro; jeden Dienstag ab 15.00 Uhr 9 Euro; freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren. Gruppen ab 10 regulär zahlenden Personen: 14 Euro pro Person; ab 20.3.24 16 Euro pro Person. Für alle Gruppen ist generell eine Anmeldung unter Telefon +49(0)69-605098-200 oder info@staedelmuseum.de erforderlich.

Wiesbaden feiert Adele Neuhauser bei Krimiehrenpreisverleihung mit stehenden Ovationen – Überraschungsgast Harald Krassnitzer

Adele Neuhauser erhielt gestern Abend auf der Caligari Filmbühne Wiesbaden, den Ehrenpreises für besondere Verdienste um den deutschen Fernsehkrimi.  "Über 30 Mal hat Adele Neuhauser die verletzliche und verletzte Figur der Bibi Fellner gespielt. Die Intensität, die sie dieser Rolle einer unkonventionellen Vermittlerin verleiht, stammt zum Teil aus ihrer eigenen wechselvollen und intensiven Lebensgeschichte. Adele Neuhauser ist als Mensch einen Weg voller Tiefen und Höhen gegangen. So sagt sie von sich selbst, dass ihre Rollen ihr mehrmals das Leben gerettet haben. Der Mut, persönliche zerbrechliche Seiten in ihr Spiel einzubeziehen, spiegelt sich damit in besonders eindrucksvoller Weise in ihrer Adele Neuhausers Darstellung der Bibi Fellner im österreichischen „Tatort“ wider.", ist die Begründung der Jury. Zu ihr zählen: Filmjournalist und Moderator Knut Elstermann, Produzentin Liane Jessen, Festivalleiterin Cathrin Ehrlich. © Foto Diether von Goddenthow
Adele Neuhauser erhielt gestern Abend auf der Caligari Filmbühne Wiesbaden, den Ehrenpreises für besondere Verdienste um den deutschen Fernsehkrimi.  © Foto Diether von Goddenthow

Die österreichische Tatort-Kommissarin Bibi Fellner wurde am 17. März im Rahmen des 20. Deutschen FernsehKrimi-Festivals  für ihre charaktervolle Darstellung mit dem Ehrenpreises für besondere Verdienste um den deutschen Fernsehkrimi ausgezeichnet. 

„Es freut mich, dass ich mit dieser eigenwilligen Kommissarin Bibi Fellner die Herzen so vieler Menschen erreiche! Aus dieser Vielzahl von großartigen Ermittlern im deutschsprachigen Raum mit dem Ehrenpreis des Deutschen FernsehKrimi-Festivals ausgezeichnet zu werden, ist schon besonders!“ Sichtlich bewegt und ein wenig stolz zeigte sich Schauspielerin Adele Neuhauser gestern Abend anlässlich der Verleihung des Ehrenpreises des Deutschen FernsehKrimi-Festivals. Das Publikum in der ausverkauften Caligari FilmBühne feierte die Ehrenpreisträgerin mit stehenden Ovationen.

Laudator und Jurymitglied Knut Elstermann, © Foto Diether von Goddenthow
Laudator und Jurymitglied Knut Elstermann, © Foto Diether von Goddenthow

Die Österreicherin wurde für ihre schauspielerische Gesamtleistung in der Rolle der Bibi Fellner ausgezeichnet. Jury-Mitglied und Filmjournalist Knut Elstermann würdigte Adele Neuhausers Verdienste um die Schauspielkunst im Krimi: „Adele Neuhauser als Bibi biedert sich bei niemandem an, sie wirft sich auch dem Publikum nicht an den Hals. Gerade darum fliegen ihr die Herzen zu, weil sie uns nie etwas vorgaukelt, obwohl sie natürlich auch eine begnadete Gauklerin, eine Erzkomödiantin, ein Harlekin ist. Sie steht vor einer Fernsehkamera und macht sich und ihre Figuren durchscheinend, legt spielerisch ihre Mittel und ihre Motive frei. Bibi und Adele sind nicht identisch, doch jeder von uns spürt die Gemeinsamkeiten der beiden, den herzlichen Humor, die Aufrichtigkeit, die sympathische Unfähigkeit zum faulen Kompromiss, das feine Gespür für die richtigen Töne und Gesten.“

Preisträgerin Adele Neuhauser am Rande des Wahnsinns als  bei der Verleihung des Ehrenpreises für besondere Verdienste um den deutschen Fernsehkrimi 2024 an sie, wie aus dem Nichts Harald Krassnizer, Bibi Fellners Tatortkollege Moritz Eiser, auf der Bühne stand. © Foto Diether von Goddenthow
Preisträgerin Adele Neuhauser am Rande des Wahnsinns als bei der Verleihung des Ehrenpreises für besondere Verdienste um den deutschen Fernsehkrimi 2024 an sie, wie aus dem Nichts Harald Krassnizer, Bibi Fellners Tatortkollege Moritz Eiser, auf der Bühne stand. © Foto Diether von Goddenthow

Als Adele Neuhauser gerade die Bühne zur Preisverleihung betrat kam – wie aus dem Nichts über eine hintere Bühnenhintertür –  Harald Krassnitzer, Bibi Fellners Tatortkollege Moritz Eisner herein. Bis zuletzt war es Festivalleitern Cathrin Ehrlich und dem Team, Nicole Hauptmann, Tom Winter und Ethel Dadam. gelungen, Harald Krassnitzers Kommen geheim zu halten. Um grandioser fiel für Adele Neuhauser die Überraschung aus, die es fast nicht fassen konnte, und kaum wusste, wohin mit all ihrer Freude darüber.  Eigentlich habe sie Krassnitzer bei der Ehrenpreisverleihung  vermisst gehabt, da sie ja nur durch ihren Tatortkollegen Moritz Eisner, alias Krassnitzer, diese Bibi Fellner werden konnte, die jetzt den Preis erhält. Für seine am Rande eines emotionalen Ausnahmezustandes mäandernde Bibi Fellner fand Krassnitzer aus dem Stehgreif heraus sehr  persönliche und liebenswürdig  treffliche Worte, die sich zu einer wunderbaren zweiten Laudatio für Adele Neuhauser formten: „In dem Augenblick, in dem man mit ihr in einem Raum ist, geht es nur noch um eines: um Wahrhaftigkeit, um den Augenblick und die Unmittelbarkeit einer Situation.“

Oberbürgermeister Gerd-Uwe Mende überreicht Adele Neuhauser auf der Caligari Filmbühne den Ehrenpreises für besondere Verdienste um den deutschen Fernsehkrimi. © Foto Diether von Goddenthow
Oberbürgermeister Gerd-Uwe Mende überreicht Adele Neuhauser auf der Caligari Filmbühne den Ehrenpreises für besondere Verdienste um den deutschen Fernsehkrimi. © Foto Diether von Goddenthow

Überreicht wurde der Ehrenpreis vom Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Wiesbaden Gert-Uwe Mende, der bekannte: „Ich bin ein absoluter Fan von Adele Neuhauser. Sie ist eine großartige Preisträgerin – sehr würdig des 20jährigen Jubiläums!“ „Über 30 Mal hat Adele Neuhauser die verletzliche und verletzte Figur der Bibi Fellner gespielt. Die Intensität, die sie dieser Rolle einer unkonventionellen Vermittlerin verleiht, stammt zum Teil aus ihrer eigenen wechselvollen und intensiven Lebensgeschichte. Adele Neuhauser ist als Mensch einen Weg voller Tiefen und Höhen gegangen. So sagt sie von sich selbst, dass ihre Rollen ihr mehrmals das Leben gerettet haben. Der Mut, persönliche zerbrechliche Seiten in ihr Spiel einzubeziehen, spiegelt sich damit in besonders eindrucksvoller Weise in ihrer Adele Neuhausers Darstellung der Bibi Fellner im österreichischen „Tatort“ wider.“ lautete die Jurybegründung.  Der Jury gehören an: Filmjournalist und Moderator Knut Elstermann, Produzentin Liane Jessen und Festivalleiterin Cathrin Ehrlich.

Preisträgerin Nele Neuhauser. © Foto Diether von Goddenthow
Preisträgerin Nele Neuhauser. © Foto Diether von Goddenthow

Adele Neuhauser dankte und sagte, dass sie diesen Preis eigentlich auch für ihren Teamkollegen Moritz Eisner annehme, da die Einzel-Figuren nur in diesem Duo und nur mit Krassnitzer möglich seien. „Ich bin überwältigt – und glücklich. Ich wurde letzte Woche gefragt, was bedeutet Ihnen dieser Ehrenpreis? Ich muss ehrlich sagen, ich wusste noch nicht, was er mir bedeutet. Jetzt weiß ich es!“

 

 

Seit 2019 wird der Ehrenpreis des Deutschen FernsehKrimi-Festivals für besondere Verdienste um den Fernsehkrimi vom Kulturamt Wiesbaden vergeben, unterstützt von der SV SparkassenVersicherung. Preisträgerinnen und Preisträger sind Ulrike Folkerts, Matthias Brandt, Barbara Auer, Eoin Moore, Anna Schudt und Alexander Held.

 

Vorschau auf die Festivalhighlights
Das Festival startet heute mit dem Wettbewerb um die Krimiserie des Jahres. Besucherinnen und Besucher können sich unter anderem auf die Schauspielenden Heino Ferch, Henriette Confurius, Jonathan Berlin sowie auf fünf spannende Produktionen freuen – darunter um 19.10 Uhr die Hessenpremiere von Zeit Verbrechen, basierend auf Fällen aus dem gleichnamigen Erfolgspodcast.

Zur Eröffnung des Wettbewerbs um den 20. Deutschen FernsehKrimi-Preis kommen am Dienstag Peter Kurth, Peter Schneider, Sascha Nathan, Katrin Wichmann und Regisseur Thomas Stuber nach Wiesbaden. Das Team präsentiert die Premiere des Hallenser Polizeiruf 110 – Der Dicke liebt.

Am Mittwoch und Donnerstag erwartet das Festival u.a. die Schauspielenden Nina Gummich, Hanno Koffler, Ulrike C. Tscharre, Alicia von Rittberg, Cornelia Gröschel und Felix Klare sowie die Regisseurinnen und Regisseure Bastian Günther, Daniel Prochaska und Lena Stahl. Die Filmgespräche im Anschluss an die Vorführungen – auch in diesem Jahr ein Highlight des Festivals – führt Filmexperte Knut Elstermann.

Am Donnerstag diskutieren um 17 Uhr Expertinnen und Experten unter dem Motto Tatort KI über die Frage, wie Künstliche Intelligenz den Fernsehkrimi von morgen beeinflusst. Wer bereits heute die Filmschaffenden von morgen kennenlernen möchte, hat hierzu Gelegenheit um 21 Uhr im Rahmen der Vorstellung der Nominierten des Drehbuch-Nachwuchspreises 2024 in der Caligari FilmBühne. Der Eintritt zu beiden Veranstaltungen ist frei.

Die Preisverleihung des 20. Deutschen FernsehKrimi-Festivals findet am Freitag, 22. März, um 20 Uhr in der Caligari FilmBühne statt. Karten für alle Veranstaltungen gibt es in der Tourist-Information, Marktplatz 1, 65183 Wiesbaden und auf der Website des Festivals unter www.fernsehkrimifestival.de.

Über das Festival:
Das Deutsche FernsehKrimi-Festival ist eine Veranstaltung des Kulturamtes der Landeshauptstadt Wiesbaden mit Unterstützung durch die Hessen Film & Medien, den Hessischen Rundfunk und die SV SparkassenVersicherung, in Kooperation mit dem Medienzentrum Wiesbaden, dem Wiesbadener Kurier und dem Literaturhaus Villa Clementine.

Mehr Informationen unter www.fernsehkrimifestival.de
Das Festival bei Social Media: www.instagram.com/deutschesfernsehkrimifestival, www.facebook.com/fernsehkrimifestival

„Als der Wald wunderbar wurde“ – Drei Museen präsentieren ab 16.03.24 die Drei-Wälder-Schau: „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft“

waelder - 16 03 -11 08 24-wDes Menschen Waldsehnsucht, seine Liebe und  wachsende  Sorge um die Natur sind keine Erfindungen heutiger Ökobewegungen, sondern  haben ihre geistigen Wurzeln in der Epoche der Romantik um 1800. Wie  sich seither unser Verhältnis zur Natur weiterentwickelt hat und wie die zahlreichen Facetten des einst neuen Naturverständnisses  damals und heute miteinander zusammenhängen,  zeigt  vom 16. März bis 11. August 2024   erstmals umfassend die Ausstellung:  „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft“. 

Diese große Drei-Wälder-Schau ist ein  Gemeinschaftsprojekt  vom  Deutschen Romantik-Museum, Senckenberg Museum  und Museum Sinclair-Haus. Aus unterschiedlichen Perspektiven nähern sich die Ausstellungsmacherinnen Anne Bohnenkamp-Renken, Brigitte Franzen, Kathrin Meyer und Nicola Lepp (Kuratorische Gesamtleitung) kompetent und fantasievoll diesem  komplexen wie emotional aufgeladenen Thema. Ein Begleitprogramm  mit Naturexkursionen, Wanderungen, Vorträgen sowie Vorort-Aktionen, lädt dazu ein Natur neu zu erfahren.

Deutsches Romantik-Museum

Entsprechend des Ursprungs heutiger   Natur- und Klimaschutz- Bewegungen  beginnt die Sonderausstellung „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft“ vom 16. März bis 11. August 2024 logischerweise im Deutschen Romantik-Museum.   Mit einem Fokus auf die Kultur- und Wissensgeschichte der Wälder von der Romantik bis zur Gegenwart werden hier die ersten sechs Kapitel erzählt, wie:   „Natur als Subjekt Wald als Du“, „Der ganze Wald“, „Waldumbau“, „Waldumbau (tierlich)“, „Der Wald von Nahem“ sowie „Rechte des Waldes“.

Die Entdeckung der Natur als Subjekt – Wald als Du

Von Alexander von Humboldt (1769 - 1859)  ist der erste moderne westliche Denker, der die Natur als einen lebenden Organismus betrachtet hat. Er ist mit dem Naturphilosophen Friedrich Schelling ein  Vater des modernen ökologischen Bewusstseins: "Die Natur muss gefühlt werden, wer nur sieht und abstrahiert, kann ein Menschenalter, im Lebensgedränge der glühenden Tropenwelt, Pflanzen und Tiere zergliedern, er wird Natur zu beschreiben glauben, ihr selbst aber ewig fremd sein", Brief von Humboldt an Goethe vom 3.01.1810. Bild: Geographie der Pflanzen in den Tropen-Ländern. Ein Naturgemälde der Anden, 1807, © Foto Diether von Goddenthow
Von Alexander von Humboldt (1769 – 1859) ist der erste moderne westliche Denker, der die Natur als einen lebenden Organismus betrachtet hat. Er ist mit dem Naturphilosophen Friedrich Schelling ein Vater des modernen ökologischen Bewusstseins: „Die Natur muss gefühlt werden, wer nur sieht und abstrahiert, kann ein Menschenalter, im Lebensgedränge der glühenden Tropenwelt, Pflanzen und Tiere zergliedern, er wird Natur zu beschreiben glauben, ihr selbst aber ewig fremd sein“, Brief von Humboldt an Goethe vom 3.01.1810. Bild: Geographie der Pflanzen in den Tropen-Ländern. Ein Naturgemälde der Anden, 1807, © Foto Diether von Goddenthow

Den Ursprung des Paradigmenwechsels im 18. Jahrhundert,  die Natur jetzt auch verstärkt in ihren Wechselwirkungen als Verflechtungsgeschichte zu begreifen, wird  in  der eher  unscheinbar wirkenden Prolog-Vitrine der Ausstellung aufgegriffen, unter anderem mit einem Original-Exemplar der Naturphilosophie von Friedrich Schelling: „Ideen zu einer Philosophie der Natur“, die 1797 erscheint. Schelling formuliert diesen sehr wichtigen Gedanken, dass die Natur nicht als ein Objekt zu denken ist, welches dem Menschen gegenübersteht, sondern dass die Natur ein Subjekt ist, in das der Mensch sozusagen eingelassen ist. Als einer  bedeutenden Denker seiner Zeit  Schelling als einer der ersten die Natur  als eigenständig fühlendes Wesen. Das war revolutionär und ein Affront gegen die – den Primat der Vernunft hochhaltenden – Aufklärung eines Immanuel Kant. „Also wir haben einen fundamentalen Perspektivenwechsel, der auch das aufklärerische Naturverhältnis auf eine besondere Weise konterkariert“, erklärt Kuratorin Nicola Lepp. Die Schelling‘sche Naturphilosophie inspiriert romantische Schriftsteller, Denker, Naturforscher in der Zeit in besonderer Weise, dass nämlich nur in dieser gegenseitigen Bezogenheit dieser unterschiedlichen Erkenntniskräfte Welt und Natur erkannt werden könne.

Prolog-Vitrine mit Günderodes Skizze, Goethes Papptetraeder u. Schellings Werk Naturphilosophie. © Foto Diether von Goddenthow
Prolog-Vitrine mit Günderodes Skizze, Goethes Papptetraeder u. Schellings Werk Naturphilosophie. © Foto D. von Goddenthow

Zwei weitere, erst auf den zweiten Blick  spektakuläre  Exponate  zeigen, wie sehr der romantische Ansatz, Natur anders zu denken, von Schriftstellern und Künstlern im Übergang ins 19. Jahrhundert aufgesogen wurde.  Wir finden hier neben Schellings Werk eine kleine Skizze der Romantik-Schriftstellerin Caroline von Günderode. Sie hatte sich um 1800, angelehnt an Schellings Naturphilosophie, mit der Frage befasst, welche geistigen und welche Erkenntnisvermögen wir eigentlich brauchen, um unsere Welt zu erkennen. Und da spielen eben solche – im heutigen Zeitgeist ganz selbstverständlich gebrauchten – Begriffe wie Intuition, Instinkt, Sensibilität bereits schon eine wichtige Rolle, so die Kuratorin.  Die in Günderodes Schema dargestellte Dreiecksfigur verkörpere eine romantische Abkehr von den klassischen Dualismen; Objekt und Subjekt, Natur und Kultur. Günderode fügte als Drittes die „Synthese“ hinzu. Und „etwas Ähnliches“, so Nicola Lepp, „machte dann etwa knapp 20 Jahre später Johann Wolfgang von Goethe, der diese hier kleinen Papptetraeder entwirft als Sinnbild  für die vier Kräfte des menschlichen Vorstellungsvermögens: Phantasie, Sinnlichkeit, Vernunft und Verstand“. Diese stehen heute noch im Weimarer Goethemuseum auf seinem Schreibtisch. Während Kant sagt, es gäbe die Vernunft, den Verstand und die Sinnlichkeit, „besteht Goethe  darauf, dass die Phantasie als Vierte zu diesen menschlichen Vermögen, diesen Erkenntniskräften hinzugezählt werden muss“ so Nicola Lepp,

„Wälderwissen“

Nicola Lepp, kuratorische Gesamtleiterin erklärt am Bild "Chimborazo" das revolutionäres Naturbild Humboldts, der als erster die Natur als einen lebenden Organismus verstand. Er ist der Vater der Ökologie. © Foto Diether von Goddenthow
Nicola Lepp, kuratorische Gesamtleiterin erklärt am Bild „Chimborazo“ das revolutionäres Naturbild Humboldts, der als erster die Natur als einen lebenden Organismus verstand. Er ist der Vater der Ökologie. © Foto Diether von Goddenthow

Im sich anschließenden Kapitel Wälderwissen stoßen Besucher nicht wie vielleicht vermutet auf Joseph von Eichendorff, den Schriftsteller der Romantik schlechthin, sondern auf den Naturforscher und Forschungsreisenden  Alexander von Humboldt. Von Humboldt  ist der erste moderne westliche Denker, der die Natur als einen lebenden Organismus betrachtet hat, indem er aufzeigt, dass Menschen, Tiere, Pflanzen, aber auch das Klima  und Böden aufeinander bezogen sind, erklärt die Kuratorin. „Humboldt, den wir heute als Vordenker der Ökologie denken können,  zeichnet den Wald  als ein natürliches Gefüge, was aber eingelassen ist in klimatische Bedingungen, biologische Bedingungen, in Bodenkultur usw“.  Zu sehen ist von Humboldts wunderbare Ölzeichnung von 1806 mit dem „Chimborazos “ in den Anden. Er gilt damals als höchster Berg der Welt galt. Diesen setzt Humboldt in ein Verhältnis zu Bergen und Natur auf der ganzen Welt, und man findet auf dem Bild sehr klein,  mit der bereit liegenden Lupe, „den Brocken im Harz, den er  zu den Anden in Beziehung gesetzt wird“, so Nicola Lepp.

Goethe malt anhand  von  Humboldt’s Beschreibung dessen Chimborazo-Bild nach. Er nennt es  jedoch „Die Höhen und Tiefen der alten und neuen Welt“. Die neue Welt  rechts, ist die Humboldt’sche Andenwelt, links davon sozusagen die westliche Welt. Während Humboldt als Naturforscher   die empirische Ebene  noch sehr stark hervorhebe,  „tritt das bei Goethe zurück, und Goethe geht stärker auf die Anschauung“.  Dieses Spannungsfeld zwischen Empirie und Anschauung sei etwas,  „was das romantische Waldverhältnis auch sehr stark prägt“,  erläutert Nicola Lepp.

Der ganze Wald

Johann Wilhelm Schirmer (1807 - 1863) schuf sein Werk "Deutscher Urwald", 1828 © Foto Diether von Goddenthow
Johann Wilhelm Schirmer (1807 – 1863) schuf sein Werk „Deutscher Urwald“, 1828 © Foto Diether von Goddenthow

In den Wäldern, die die romantischen Künstlerinnen und Künstler in Wissenschaft, Literatur, Malerei und Musik entwerfen, sind Menschen erst dann zuhause, wenn sie in sie eintauchen und sich ihnen anverwandeln. Eine solche intime Zwiesprache mit der Natur ereignet sich vorzugsweise in der „Waldeinsamkeit“: ein Wort, das der Schriftsteller Ludwig Tieck 1797 für seine Erzählung Der blonde Eckbert erfunden hat. Der Wald wird nun zu einem – wenn auch als zutiefst zwiespältig empfundenen – Sehnsuchtsraum. Die poetischen Wälder der Romantik sind nicht mehr die von Menschen gemiedenen Schreckensorte. Es sind auch nicht die von intensiver menschlicher (Ver-)Nutzung gezeichneten realen Wälder. Vielmehr ent- steht der Wald als ein Spür- und Gefühls- raum, in dem sich Verbindungen zwischen Menschen und der lebendigen Mitwelt ent- werfen und erproben lassen. Dabei verschwinden die Grenzen zwischen den verschiedenen Künsten und den Wissenschaften: Das neue Wald- und Naturbild umfasst das Denken ebenso wie das Fühlen und die Einbildungskraft.

Ausstellungsimpression mit einem Wolf als wunderbares Tierpräparat. Allerdings galt der Wolf noch zur Zeit der Romantiker als gefährlich  und bedrohlich. © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungsimpression mit einem Wolf als wunderbares Tierpräparat. Allerdings galt der Wolf noch zur Zeit der Romantiker als gefährlich und bedrohlich. © Foto Diether von Goddenthow

Waldumbau

Um 1800 erreicht eine andere Beschäftigung mit dem Wald ihren Höhepunkt. Parallel zu den Suchbewegungen der Künste etabliert sich um 1800 die klassische Forstwissenschaft an staatlichen Fachschulen und Universitäten als eine eigenständige Disziplin und ordnet die Wälder neu. Wie deren poetische Gestaltung war auch diese neue Wissenschaft eine Reaktion auf den schlechten Zustand, in dem sich die Wälder in ganz Europa befanden. Eine exzessive Nutzung vor allem als Brennstoff für den Bergbau, als Viehweide und als Bauholz hatte ihnen stark zugesetzt und sie teilweise zum Verschwinden gebracht. Die bewaldete Fläche liegt in Deutschland um 1800 weit unter dem heutigen Niveau von etwa einem Drittel. Die junge Wissenschaft macht aus der Frage des Waldes eine Rechenaufgabe. Unsere heutigen Wälder sind in vielerlei Hinsicht ein Produkt dieser auf den Ertrag ausgerichteten. Holzwirtschaft – ein Ergebnis menschlichen Tuns. Die Fläche an Primärwald, also an von menschlicher Einflussnahme unberührtem Wald, liegt in Deutschland bei lediglich 0,1 Prozent der Waldfläche.

Waldumbau (tierlich)

Einer der gefürchtetsten Bewohner des Waldes ist heute der Buchdrucker, ein in Europa verbreiteter Borkenkäfer. Schon die Forstleute um 1800 hatten mit ihm ein Problem. Denn die abgestorbenen Bäume, die die Käfer hinterlassen, unterlaufen die nachhaltigen Planungen des Waldbaus und machen die Holzernte unberechenbar. Sie stören unsere Erwartung, im Wald uns selbst zu begegnen. Wälder haben schön und für uns dazu sein. Diese Einstellung hat die Romantik in unseren Köpfen verankert. Doch ob Käfer Schädlinge sind, ist eine Frage der Perspektive. Forstinsekten sind zunächst einmal Teil der Lebensgemeinschaft in den Wäldern gemäßigter Zonen. Nicht Wälder, sondern Bäume bringen sie zum Absterben. Wir können sie auch als Lehrmeister verstehen, die uns bei der dringend angezeigten Umbauarbeit der Wälder unterstützen. Die Lebensgemeinschaften, die sich auf den von ihnen bearbeiteten Flächen ansiedeln – sei es durch forstwirtschaftliche Praktiken oder durch natürliche Verjüngung – sind jedenfalls deutlich widerstandsfähiger und artenreicher als die Wälder, die sie heimsuchen.

Der Wald von Nahem

Diorama von auf Totholz lebenden Stachelbartpilzen, hergestellt von Klaus und Liese-Lotte Wechsler. Links im Hintergrund: Goethes Mikroskop /1780 - 1793), von Louis Francois Dellebarre. Es konnte bereits Objekte um das 80-fache vergrößern. Gothe nutzte es zum Studium von Kleinstlebewesen. Bereits um 1840 war es möglich, Mikroskope für eine 500-fache Vergrößerung zu bauen. © Foto Diether von Goddenthow
Diorama von auf Totholz lebenden Stachelbartpilzen, hergestellt von Klaus und Liese-Lotte Wechsler. Links im Hintergrund: Goethes Mikroskop /1780 – 1793), von Louis Francois Dellebarre. Es konnte bereits Objekte um das 80-fache vergrößern. Gothe nutzte es zum Studium von Kleinstlebewesen. Bereits um 1840 war es möglich, Mikroskope für eine 500-fache Vergrößerung zu bauen. © Foto Diether von Goddenthow

In den Mikrokosmen der Wälder, in Baumrinden, am Waldboden oder in der Erde, werden die lebendigen Austauschprozesse in der Natur besonders augenfällig. An der Grenze zwischen über- und unterirdischer Welt zeigen sich die steten Wachstums- und Zerfallsvorgänge, die jeden Wald und jedes Leben ausmachen. Vom Großen zum Kleinsten sind alle, die dort versammelt sind, unablässig im Umbau und Austausch. Die Vorstellung der Natur als eines lebendigen Gesamtorganismus, der sich im dauerhaften Wandel befindet, ist schon älter. Emphatisch gestaltet wird sie aber erst gegen Ende des 18, Jahrhunderts, als sich abzeichnet, dass sich die Fülle neuer Entdeckungen nicht mehr in der Statik mechanistischer Weltbilder abbilden lässt. Dabei setzt die Suche nach den Wechselwirkungen in der Natur ein Interesse am Konkreten voraus – am je einzelnen Standort mit seinen spezifischen Bedingungen. Dieses Interesse bildet die Voraussetzung für ein Denken, das wir heute als ökosystemisch bezeichnen.

Rechte des Waldes

DSCF6804 plakat eigentumsrechte der Natur 250 (c) diether v goddenthowDass Menschen Rechte an Wäldern beanspruchen – das Recht der Jagd, der Weide, der Holzernte oder der Erholung – ist nicht neu. Doch kann umgekehrt auch ein Wald selbst Rechte haben? „Lebendiger Wald“ nennen Angehörige des Kichwa-Volkes in Sarayaku ihren Lebensraum im Amazonas-Regenwald. Für sie ist der Mensch Teil dieses von physischen und spirituellen Wesenheiten bevölkerten Kosmos. Die Lebensrechte jener komplexen, belebten Natur – „Pachamama“ genannt – wurden 2008 in die ecuadorianische Verfassung aufgenommen. Weltweit folgen immer mehr Gesetzesinitiativen diesem Beispiel. Schon in der Romantik wurde kritisiert, dass die Elemente der Natur in unserem Rechts- und Wirtschaftssystem als bloße Objekte gelten. Die Argumente, die heute für einen Bruch mit dieser abendländischen Tradition vorgetragen werden, sind vielfältig und beziehen sich auf ethische, rechtsphilosophische, biologische und anthropologische Hintergründe. Haben sie das Zeug, den Gang der Geschichte zu verändern?

Deutsches Romantik-Museum
Großer Hirschgraben 21
60311 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (0)69 138 80-0
E-Mail: info@freies-deutsches-hochstift.de

Museum Sinclair-Haus – Als der Wald wunderbar wurde
Das Museum Sinclair Haus Bad Homburg, beteiligt sich mit den Kapiteln: In die Wälder!, Erdlebenbilder und Waldangst – Waldlust an der Drei-Wälder-Ausstellung:  Wälder. Von der Romantik in die Zukunft 16. März bis 11. August 2024  © Foto Diether von Goddenthow
Das Museum Sinclair Haus Bad Homburg, beteiligt sich mit den Kapiteln: In die Wälder!, Erdlebenbilder und Waldangst – Waldlust an der Drei-Wälder-Ausstellung: Wälder. Von der Romantik in die Zukunft 16. März bis 11. August 2024 © Foto Diether von Goddenthow

Das Museum Sinclair-Haus,  Bad Homburg, setzt sich schwerpunktmäßig künstlerisch mit der „Wälder-Thematik“ auseinander. Besucher  erwarten hier insgesamt drei Kapitel der Ausstellung „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft“ (16. März bis 11. August 2024).  Im Erdgeschoss: „In die Wälder“ und in der oberen Etage „Erdlebenbilder“ und „Waldangst – Waldlust“. Sie sollen den Blick für neue Sichtweisen auf Natur in den Künsten der Romantik und der Gegenwart öffnen helfen

In die Wälder! – Der Wald wird wunderbar

Impression der Ausstellung "Wälder. Von der Romantik in die Zukunft 16. März bis 11. August 2024"  © Foto Diether von Goddenthow
Impression der Ausstellung „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft 16. März bis 11. August 2024″ © Foto Diether von Goddenthow

Bei „In die Wälder“ geht es um den Blick, „wie wir uns quasi Wäldern sinnlich nähern, vor allen Dingen eben in den Künsten, einfach aus dem Grund, dass auch in der Romantik die Künste quasi der Raum sind, wo diese neuen Naturbilder, diese neuen Naturverständnisse experimentell durchgespielt werden können.“, erklärt Museums-Direktorin Kathrin Meyer beim Presserundgang. Wie schon Anne Bohnenkamp-Renken bei ihrer Begrüßung gesagt habe, füge die Romantik „diesem Instrumentellen, dem zweckhaften Blick oder dem wissenshungrigen Blick der Aufklärung, die Stimmung dazu. Man könnte auch sagen, der Wald wird wunderbar“ in der Romantik“, erklärt Kathrin Meyer die Perspektive der Betrachtung auf die künstlerischen Positionen u. a. von: Yann Arthus-Bertrand, Julius von Bismarck, Carl Blechen, August Cappelen, Ellie Davies, Heinrich Dreber, Jasper Goodall, Wilhelm Klein, Carl Friedrich Lessing, Agnes Meyer-Brandis, Beth Moon, Loredana Nemes, Mariele Neudecker, Katina Vasileva Peeva, Friedrich Preller, Sophie Reuter, Abel Rodríguez, Johann Wilhelm Schirmer, Rasa Smite & Raitis Smits, Thomas Struth, Thomas Wrede, Zheng Bo sowie weitere Fotografien und historische Drucke.

Der „Wald wird wunderbar in der Romantik“ von einem Ort, der vielleicht früher auch noch mit Schrecken besetzt war und mit zweckhaften Verwendungs- und zergliedernden Wissenschafts-Blick wahrgenommen wurde, „ zu einem Ort, der auch faszinierend ist, an dem wir das Wunderbare finden, in dem wir Dinge finden, die wir sonst auch nirgendwo finden können. Und dieses Wunderbare trägt auch, glaube ich, bis heute unseren Blick auf den Wald sehr stark“, erläutert die Kuratorin. Der Wald als kultureller Ort sei beispielsweise assoziiert mit Mythen, Erzählungen oder Sagen oder werde in Filmen bis hin zu Tatortfolgen auf eine ganz bestimmte Weise aufgeladen. Das alles nähmen wir – wie durch eine Brille betrachtet, die wir nicht absetzen könnten – mit, wenn wir in den realen Wald gingen, so Kathrin Meyer. Im realen Wald fänden wir eben dort dann auch „ein Ökosystem vor, was in seinem eigenen Recht existiert. Und diese Blickverschiebung, diese Dopplung, einerseits den Wald als ein kulturelles Gebilde zu sehen, andererseits ihn als Naturraum in seinem eigenen Recht zu begreifen“, sei, wozu viele zeitgenössische Künstler bis heute versuchten Position zu beziehen, „was in der Romantik eben ein wichtiger Schritt war, zu sagen, die Natur ist adressierbar, ist ein Gegenüber, ist ein Subjekt, schaut auch zurück“, erläutert die Kuratorin.

"Obgleich Neudecker die Mittel ihrer Herstellung auch komplett mit ausstellt, also den Wassertank nicht  versteckt, erzeugt sie dennoch ganz starke Sehnsuchtsbilder, oder lässt es vielleicht auch wie so ein Traumbild wirken, Bilder vom Wald, die wir vielleicht suchen, wenn wir in den Wald gehen, obwohl wir eigentlich wissen, dass wir uns in einem Frost befinden, erläutert Museums-Direktorin Kathrin Meyer Mariele Neudeckers Werk „And the world changed colur: breathing yellow“ © Foto Diether von Goddenthow
„Obgleich Neudecker die Mittel ihrer Herstellung auch komplett mit ausstellt, also den Wassertank nicht versteckt, erzeugt sie dennoch ganz starke Sehnsuchtsbilder, oder lässt es vielleicht auch wie so ein Traumbild wirken, Bilder vom Wald, die wir vielleicht suchen, wenn wir in den Wald gehen, obwohl wir eigentlich wissen, dass wir uns in einem Frost befinden, erläutert Museums-Direktorin Kathrin Meyer Mariele Neudeckers Werk „And the world changed colur: breathing yellow“ © Foto Diether von Goddenthow

Empfangen werden die Besucher von Mariele Neudeckers „Wald-Aquarium“ „And the world changed colur: breathing yellow“, wozu ein idealer Wald Vorlage war. Neudecker setze hier unseren kulturell geprägten Blick von Wald in Szene mit diesem Tank, der mit Wasser gefüllt ist. Dieser Wald ist eine Illusion. Und obgleich Neudecker die Mittel ihrer Herstellung auch komplett mit ausstellt, also den Wassertank nicht versteckt, erzeugt sie dennoch ganz starke Sehnsuchtsbilder, oder lässt es vielleicht auch wie so ein Traumbild wirken, Bilder vom Wald, die wir vielleicht suchen, wenn wir in den Wald gehen, obwohl wir eigentlich wissen, dass wir uns in einem Frost befinden, erläutert die Kuratorin ihre Perspektive.

Visavis an der Wand finden wir einen geschickt platzierten Text der Romantik-Schriftstellerin Bettina von Arnim aus dem Briefroman „Günderode“: „Ach wenn ich mich so umseh, wie sich alle Zweige gegen mich strecken und reden mit mir, das heißt küssen meine Seele und alles spricht. Alles was ich anseh, hängt sich mit Lippen an meine Seelenlippen und dann die Farbe, die Gestalt, der Duft, alles will sich geltend machen (…)“, es ist wunderbarer Text, der auch die Legend von Neudecker moderner Waldposition sein könnte.

Baumdüfte aufnehmen, um mit Bäumen zu kommunizieren

Am Desk der Arbeit „One Tree ID“ von Agnes Meyer- Brandis können Besucher Duftproben von Bäumen aufnehmen und versuchen, draußen  in deren Kommunikationsraum einzudringen, das heißt, eventuell eine neue Verbindung zu ihnen aufzunehmen. © Foto Diether von Goddenthow
Am Desk der Arbeit „One Tree ID“ von Agnes Meyer- Brandis können Besucher Duftproben von Bäumen aufnehmen und versuchen, draußen in deren Kommunikationsraum einzudringen, das heißt, eventuell eine neue Verbindung zu ihnen aufzunehmen. © Foto Diether von Goddenthow

Ein besonderes Highlight befindet sich mit der Arbeit „One Tree ID“ von Agnes Meyer- Brandis im folgenden Raum. Es handelt sich dabei um eine Art Duftstation der Bäume. Die Künstler haben ihr interaktives Wälder-Kunstwerk auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse erstellt, nämlich dass Pflanzen „Volatile Organic Compounds“ (VOCs) emittieren und damit kommunizieren. „One Tree ID“ verdichtet die Duft-Identität eines bestimmten Baumes zu einem komplexen Parfüm, mit dem sich Besucher etwas betupfen können, um als Mensch draußen vor dem Museum mit Linde oder Zeder möglicherweise an der Pflanzenkommunikation teilhaben zu können.
Viele weitere Waldzugänge

Weitere spannende Positionen laden im ersten Kapitel „In die Wälder!“ Besucher zu neuen Sichtweisen und Beziehungen zu Wäldern ein, und „den“ Wald vielleicht in neuem Licht zu begegnen.

Erdlebenbilder

Carl Blechen (1798 - 1840) Waldinneres mit abgebrochenen Ästen © Foto Diether von Goddenthow
Carl Blechen (1798 – 1840) Waldinneres mit abgebrochenen Ästen © Foto Diether von Goddenthow

Im nächsten Kapitel Waldbilder liegt ein Schwerpunkt in der Gegenüberstellung von historischen und modernen Positionen. In der Romantik bilden Künstler das Gesehene so ab, wie sie das Gesehene empfunden haben. Sie bilden Wälder nicht naturgetreu ab, sondern imaginieren sie im Schaffensprozess im Zusammenspiel von Beobachtung, Gefühl und Wissen neu. Der Dresdner Arzt und Maler Carl Gustav Carus prägt 1835 den Begriff „Erdlebenbilder“, um die romantische Malerei von der traditionellen Landschaftsmalerei abzusetzen. Ein Erdlebenbild umfasst mehr als das Auge sehen kann: die Empfindungen der Künstler:innen, ihr naturkundliches Wissen und ihre Interpretation der Naturräume, die sie in Bilder übersetzen. Das „Erdleben“ setzt Carus analog zum „Menschenleben“. Wir verstehen „Erdlebenbilder“ von damals und heute in dieser Ausstellung als Zeugnisse von Momenten, in denen beide zusammentreffen. Diese Bilder formulieren immer auch ein Verhältnis zu Wäldern, eine Sichtweise der Natur oder eine Frage.

"Wir erlauben uns mit dieser Wand noch einmal die Schönheit der Wälder zu zitieren. Denn wir wissen alle: wir schützen immer das, was wir lieben und jedes einzelne dieser Bilder ist einfach ein Zeugnis dafür, dass sich Künstler ganz intensiv mit den Wäldern auseinandergesetzt haben, über eine lange Zeit, und auch eine gewisse Liebe.", erläutert Kuratorin und Museumsleiterin Kathrin Meyer bei ihrer Presseführung durch's Museum Sinclair-Haus. © Foto Diether von Goddenthow
„Wir erlauben uns mit dieser Wand noch einmal die Schönheit der Wälder zu zitieren. Denn wir wissen alle: wir schützen immer das, was wir lieben und jedes einzelne dieser Bilder ist einfach ein Zeugnis dafür, dass sich Künstler ganz intensiv mit den Wäldern auseinandergesetzt haben, über eine lange Zeit, und auch eine gewisse Liebe.“, erläutert Kuratorin und Museumsleiterin Kathrin Meyer bei ihrer Presseführung durch’s Museum Sinclair-Haus. © Foto Diether von Goddenthow

Natur und Mensch sind miteinander verknüpft und aufeinander bezogen – das ist längst wissenschaftlich bewiesen, aber im urbanen Alltag kaum zu spüren. Dieses Kapitel zeigt Kunstwerke, die Verflechtungen zwischen Menschen und Wäldern erkunden und diese damit auf vielfältige Weise wahrnehmbar machen. Was sind Wälder für den Menschen – und was ist der Mensch für die Wälder?

Waldangst – Waldlust

Scherenschnitt aus "Hänsel und Gretel", die sich im Wald verliefen und von nun von der Hexe ins Knusperhäuschen gelockt werden. © Foto Diether von Goddenthow
Scherenschnitt aus „Hänsel und Gretel“, die sich im Wald verliefen und von nun von der Hexe ins Knusperhäuschen gelockt werden. © Foto Diether von Goddenthow

Im Wald der Romantik regiert nicht allein das Wunderbare, sondern auch die Angst, sich selbst, den Verstand oder das Leben zu verlieren. In den Märchen und Erzählungen spiegelt sich das spannungsreiche Verhältnis des Menschen zur umgebenden lebendigen Welt. Auch heute setzen Erzählungen und Bilder die Wälder als „Landschaften der Angst“ in Szene. Denn er bleibt in seiner Andersartigkeit undurchdringlich und unverfügbar – zumindest als Idee, denn real ist inzwischen jeder Wald für den Menschen potenziell nutzbar oder zerstörbar.

Auch der humoristische Umgang mit den Waldängsten und der Sorge um den Wald,  wird in der Ausstellung gezeigt. Auf dieser Karikatur  in den "Fliegenden Blättern" werden die Machtverhältnisse umgedreht: Der erboste Baum zersägt den Waldarbeiter. Es war eine versteckte Anklage gegen die Übernutzung des Waldes vor 200 Jahren © Foto Diether von Goddenthow
Auch der humoristische Umgang mit den Waldängsten und der Sorge um den Wald, wird in der Ausstellung gezeigt. Auf dieser Karikatur in den „Fliegenden Blättern“ werden die Machtverhältnisse umgedreht: Der erboste Baum zersägt den Waldarbeiter. Es war eine versteckte Anklage gegen die Übernutzung des Waldes vor 200 Jahren © Foto Diether von Goddenthow

 

 

 

In der Gegenwart erhält die Angst durch die Klima- und Biodiversitätskrisen noch eine andere Dimension: die vor dem Verlust des Waldes. „Solastalgie“ bezeichnet das Gefühl, das wir beim Verlust vertrauter Naturräume empfinden. Das Kapitel lotet beide Seiten aus: den Wald als Schauplatz der Auseinandersetzung mit Angst vor der Natur sowie die existenzielle Angst, eine Seelenlandschaft unwiederbringlich zu verlieren.

Museum Sinclair-Haus,
Löwengasse 15, Eingang Dorotheenstraße
61348 Bad Homburg v.d. Höhe
T +49 (0) 6172 5950 500
Mo-Fr, 9-14 Uhr
museum@kunst-und-natur.de

Senckenberg Naturmuseum 
Die Ausstellung „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft“ vom 16. März bis 11. August 2024 ist thematisch breit aufgestellt. So widmet sich das Senckenberg-Naturmuseum auch den Tieren der Wälder, heimischen wie weltweit, insbesondere den bedrohten Arten. Unter der Rubrik "Die Wälder der Menschenaffen" wird über die Gründe des immer enger werdenden Lebensraum von Gorillas und  Orang-Utans berichtet. © Foto Diether von Goddenthow
Die Ausstellung „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft“ vom 16. März bis 11. August 2024 ist thematisch breit aufgestellt. So widmet sich das Senckenberg-Naturmuseum auch den Tieren der Wälder, heimischen wie weltweit, insbesondere den bedrohten Arten. Unter der Rubrik „Die Wälder der Menschenaffen“ wird über die Gründe des immer enger werdenden Lebensraums von Gorillas und Orang-Utans berichtet. © Foto Diether von Goddenthow

Im Senckenberg Naturmuseum können die Besucher ihre Tour durch die 13 Kapitel der Ausstellung „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft“ vom 16. März bis 11. August 2024 fortsetzen, angefange mit den Abschnitten  „Wälderwissen“, „Das ,Wir‘ und die Wälder“, „Leben und Sterben der Wälder“ sowie „Wälder modellieren“.  Eine  Art „Wanderkarte“ durchs Museum hilft  dabei, die in die Dauerausstellungen eingebetteten Sonderbereiche zu entdecken. Im Senckenberg-Museum kann man dabei zudem frühe, mehrere Millionen Jahre alte Baumversteinerungen sehen sowie Wald-Lebewesen weit entfernter Erdzeitalter wie die Dinosaurier oder die Urpferde und Primaten aus der Grube Messel, oder auch heutige Waldbewohner von den heimischen Vögeln bis hin zu den Gorillas der Regenwälder des Kongobeckens.

Ein wesentlichen Schwerpunkt legt das Senckenberg Naturmuseum  auf die Wissens-Vermittlung und den OutTeach-Bereich. So gibt es parallel zu den innerhäuslichen Ausstellungskapiteln ein vielfältiges Vermittlungs- und Bildungsprogramm, „was wir eben auch in Zusammenarbeit mit den Vermittlungsabteilungen der drei Häuser gemacht haben“, erläutert Senckenberg-Direktorin und Co-Kuratorin Dr. Brigitte Franzen.

Man werde nicht nur in den Häusern sein, sondern raus gehen in die Natur, in die Wälder, in den Stadtraum. „Zum einen tun wir das zum Beispiel in klassischen Formaten wie Wanderungen, Exkursionen usw. Wir werden sozusagen auch in Goethes Fußspuren laufen, und den Stadtwald uns angucken. Wir werden dem Froschgesang bei Sonnenuntergang im Taunus lauschen, und wir werden aber auch einfach in die Stadt gehen“, schwärmt Co-Kuratorin Katarina Haage, die für die Vermittlung zuständig ist.

Die „Waldseele“ kommt per Lastenrad in die Stadtteile

Co-Kuratorin Katarina Haage: "Wir werden dem Froschgesang bei Sonnenuntergang im Taunus lauschen" und in die Stadtteile Frankfurts gehen: "Zusammen mit den Gestaltern von Raumlabor haben wir das Wälder-Mobil kreiert. Das besteht gerade aus einem Lastenfahrrad, aber eigentlich aus zwei Lastenfahrrädern, mit denen wir unterwegs sein werden. Und mit den wir sozusagen, mit den Leuten ins Gespräch kommen wollen über das Thema Wälder. Und vor allem auch über deren Bilder vom Wald, über deren Vorstellungen  von Wäldern, die vielleicht ihren Wünschen, ihren Ängsten um die Wälder". © Foto Diether von Goddenthow
Co-Kuratorin Katarina Haage: „Wir werden dem Froschgesang bei Sonnenuntergang im Taunus lauschen“ und in die Stadtteile Frankfurts gehen: „Zusammen mit den Gestaltern von Raumlabor haben wir das Wälder-Mobil kreiert. Das besteht gerade aus einem Lastenfahrrad, aber eigentlich aus zwei Lastenfahrrädern, mit denen wir unterwegs sein werden. Und mit den wir sozusagen, mit den Leuten ins Gespräch kommen wollen über das Thema Wälder. Und vor allem auch über deren Bilder vom Wald, über deren Vorstellungen von Wäldern, die vielleicht ihren Wünschen, ihren Ängsten um die Wälder“. © Foto Diether von Goddenthow

Begleitet wird das Senckenberg-Team  bei ihren Städte-Exkursionen  „von dieser wunderschönen grünen Waldseele“, zeigt Katrin Haage auf eine Art riesiges grünes „Waldmonster“, dass extra für die Presse zur Veranschaulichung vor  Museum aufgeblasen wurde.  Dabei handelt es sich um ein Kunstobjekt, das das Team „‘Raumlabor‘ für uns geschaffen hat“. Dieses grüne Fantasie-Geschöpft hat drei Tentakel. Über die könne man tatsächlich auch mit der Waldseele interagieren. „Es kommen vielleicht mal Töne raus, man kann vielleicht mal anfassen, man kann auch etwas erriechen. Man kann also seine Sinne benutzen, um sozusagen mit ihr Kontakt aufzunehmen. Und wir nutzen sie aber eben auch um mit den Menschen in Kontakt zu kommen“, so Katarina Haage. Dieses Waldmobil solle natürlich Aufmerksamkeit auf sich ziehen, neugierig machen. Man wolle, so die Co-Kuratorin, mit dem „Waldmobil“ quasi unangekündigt in Stadtteilen erscheinen, und man hoffe hierdurch vor allen Dingen die Menschen anzutreffen, „die jetzt gar nicht unbedingt mit uns rechnen, die gar nicht unbedingt sich an dem Tag, in dem Moment mit dem Thema Wälder beschäftigen wollten“.

Stationen der Wälder-Ausstellung

Der Weg durch die in die Dauerausstellung eingebetteten Stationen im Naturmuseum führt unter anderem zu einer indigenen Universität des Waldwissens im Amazonasgebiet, einem Protestcamp zum Waldsterben bis hin zu einem Kameraflug von den Wurzeln in die Wipfel eines virtuellen Urwalds. Erstaunliche wissenschaftliche Ergebnisse aus der Senckenberg-Forschung und zahlreiche Präparate von Waldbewohnern werden spannungsreich ergänzt durch Positionen des dänischen Künstlers Jakob Kudsk Steensen und der Schweizer Künstlerin Ursula Biemann, die in eine eindrucksvolle Bilderwelt ihrer eigenen Erforschung der Wälder einladen.

Dresden Frankfurt Dance Company. © Foto Diether von Goddenthow
Dresden Frankfurt Dance Company. © Foto Diether von Goddenthow

Die Dresden Frankfurt Dance Company unter Leitung des Choreographen Ioannis Mandafounis setzt das Thema tänzerisch-performativ um. Die Performance lädt an zehn Mittwochabenden Besuchende dazu ein, sich gemeinsam auf eine Reise durch den Wald zu machen und sich darin zu verlaufen. Eindrückliches dokumentarisches Material zum Joseph Beuys Projekt „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ – das als erstes ökologisches Kunstwerk der Welt gilt und schon damals einen aktivistischen Ansatz hatte – sowie Plakate, historische Unterlagen und gesellschaftliche Zeitzeugnisse zum Lebenskreislauf von Wäldern eröffnen weitere Perspektiven. Wie ein zukünftiger Wald in 50 bis 100 Jahren aussehen könnte, veranschaulichen wissenschaftliche Modellierungen von Senckenberg-Forschenden.

Wälderwissen

Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar ... In dieser Vitrine mit insbesondere auch in Hessen beheimateten Vögel können sich Besucher über wichtige von Wald und Flur informieren. © Foto Diether von Goddenthow
Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar … In dieser Vitrine mit insbesondere auch in Hessen beheimateten Vögel können sich Besucher über wichtige von Wald und Flur informieren. © Foto Diether von Goddenthow

Schon in der Romantik wurde erkannt, dass ungebremste Abholzung zur Verarmung der Wälder führt. Unser Verständnis des Naturraums Wald ist heute von der Notwendigkeit geprägt, ihn nachhaltig zu nutzen und zu schützen. Im 19. Jahrhundert erweitert sich durch Forst- und Naturwissenschaft das Wälderwissen weltweit rasant und wird berechenbar. Gleichzeitig wird das indigene Wissen der Waldbewohner zurückgedrängt. Man beginnt dennoch, es als Ressource auszubeuten. In der westlichen Welt verliert der Wald das Geheimnisvolle und Bedrohliche und wird zum Erholungsraum. Gleichzeitig sind die Wälder Lebensräume für tausende von Lebewesen, z. B. für Vögel. Die positiven Wirkungen gesunder Wälder und Naturphänomenen wie Gerüchen, Windrauschen, Wassergeplätscher und Vogelstimmen auf Puls und Blutdruck, Atmung und Hormonhaushalt sind heute wissenschaftlich und weltweit nachgewiesen. Wirtschaftliche Verhältnisse, wissenschaftliche Erkenntnisse, kulturelle, gesellschaftliche sowie politische Einflüsse prägen das spezifische „Wälderwissen“.

Das „Wir“ und die Wälder

Alte Wildnis im Herzen Frankfurts. © Foto Diether von Goddenthow
Alte Wildnis im Herzen Frankfurts. © Foto Diether von Goddenthow

Frankfurt hat die größten innerstädtischen Waldgebiete Deutschlands. Ihr Zustand macht nach Dürrejahren und Trockenheit in der Wachstumsperiode nicht nur den Förstern Sorge. Der Schutz der Stadtbäume und die Proteste bei der Rodung von Waldflächen beschäftigt  die  Stadtgesellschaft.  Am  Dienstag  nach  Pfingsten  feiern  wir  den „Wäldchestag“. Seine Wurzeln gehen zurück ins 14. Jahrhundert. Auch Spuren von „Urwäldern“ existieren noch: z. B. die „Reliktwälder“, Biegwald und Teufelsbruch. Sie sind wichtige Untersuchungsfelder für stadtökologische Forschung. Seit 1985 beobachtet die Senckenberg Forschungsgruppe Biotopkartierung die städtischen Ökosysteme; ab 2000 auch den Stadtwald. Sein Zustand hat sich dramatisch verschlechtert.

Der Wäldestag, 1871. Der Frankfurter Maler und Zeichner Johann Heinrich Hasselhorst hält in seinem Ölgemälde eine ausgelassene Feier im Frankfurter Stadtwald dar.  Er zeigt den Wald auch als einen  beliebten  Freizeitort . © Foto Diether von Goddenthow
Der Wäldestag, 1871. Der Frankfurter Maler und Zeichner Johann Heinrich Hasselhorst hält in seinem Ölgemälde eine ausgelassene Feier im Frankfurter Stadtwald dar. Er zeigt den Wald auch als einen beliebten Freizeitort . © Foto Diether von Goddenthow

Die Identifikation mit den Wäldern hat in Deutschland Tradition, von der „deutschen Eiche“, dem brünftigen Hirschen bis zum Volkslied reichen die Symbole. Im Nationalsozialismus instrumentalisierte man den Wald als Ausdruck einer rassistischen und antisemitischen Naturkultur. Das hat auch die Waldforschung der Zeit beeinflusst.

Leben und Sterben der Wälder

Die Präsentation von Original-Protest-Schildern bei der Besetzung und Räumung des Fechenheimer Waldes steht symbolisch für die bundesweit immer wieder Aufflammenden Proteste gegen Waldvernichtung, um dem  menschenverursachten Sterben von  Wäldern etwas entgegenzusetzen. © Foto Diether von Goddenthow
Die Präsentation von Original-Protest-Schildern bei der Besetzung und Räumung des Fechenheimer Waldes steht symbolisch für die bundesweit immer wieder Aufflammenden Proteste gegen Waldvernichtung, um dem menschenverursachten Sterben von Wäldern etwas entgegenzusetzen. © Foto Diether von Goddenthow

Wälder sind lebende Systeme. Sie unterliegen natürlichen und menschengemachten und technischen Prozessen von Werden und Vergehen. In den 1980er Jahren wurde das Waldsterben mit dem „Sauren Regen“ erstmals offensichtlich. Wälder sind heute weltweit bedroht und damit auch die Artenvielfalt. Kreisläufe bestimmen die Komplexität des Lebens und Sterbens. Abgestorbene Bäume heißen Totholz und wimmeln von Leben. Insekten, Pilze und Flechten ernähren sich vom zerfallenden Holz und nutzen es als Lebensraum. Am Ende bleibt fruchtbare Erde, die den Grund für neue Bäume und die Lebensgemeinschaft Wald bildet. Weil neu aufwachsende Pflanzen, insbesondere Bäume, CO2 binden, ist es entscheidend, diese Ökosystemleistungen global zu schützen. Auch die Geowissenschaften beziehen sich auf ehemalige Wälder. Die Rekonstruktion des Lebens und das Verständnis von Evolution gewinnt mit Fossilien wichtige Informationen. Gleichzeitig sind heutige Kohlelagerstätten, mithilfe geologischer Forschung entdeckt, Überreste von Wäldern vor Jahrmillionen.

Wälder modellieren

Impression Wald und Moose. © Foto Diether von Goddenthow
Impression Wald und Moose. © Foto Diether von Goddenthow

Die systematische naturwissenschaftliche Beschreibung und Erfassung der Arten beginnt Mitte des 18. Jahrhunderts mit Carl von Linné. Die sich parallel ausbildende Forstwirtschaft systematisiert das Wissen über Wälder im 19. Jahrhundert. In der Romantik wandelt sich der wirtschaftlich genutzte Wald zum Sehnsuchtsort. So wird er zur ideellen und idealisierten Gegenwelt der weltweiten Ausbeutung der Wälder. Musik, Malerei, Philosophie und Literatur bilden die oft als „magisch“ empfundenen Natur- und Selbsterfahrungen in Wäldern ab. Dabei spielten sowohl die Wälder der Umgebung als auch weit entfernte Wälder in kolonisierten Gebieten als Referenz eine Rolle. Forscher:innen sammeln und untersuchen Daten aus Wäldern global und lokal im Hinblick auf Wechselwirkungen zwischen Biodiversität, Ökosystemfunktion und Klima. Ziele sind das Verständnis grundlegender Prozesse, die Bewertung von Ökosystemleistungen und die Entwicklung von Szenarien und Maßnahmen für zukünftige nachhaltige Anpassungen in der Klimakrise.

Senckenberg Naturmuseum Frankfurt
Senckenberganlage 25
60325 Frankfurt
T +49 69 7542-0
Fax: +49 69 7542 1437
info@senckenberg.de

(Dokumentation: Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Run auf das Rheingau-Musikfestival – Bereit 80.000 Eintrittskarten verkauft

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Oestrich-Winkel, 15.03.2024 – Das Rheingau Musik Festival verzeichnet bereits vier Wochen nach Vorverkaufsstart 80.000 verkaufte Eintrittskarten. Die Nachfrage ist ungebrochen hoch, wobei 53 der 155 Konzerte nahezu vollständig ausverkauft sind.

Über diese positive Resonanz  freut sich besonders auch  Gründungs-Intendant Michael Herrmann: „Dieses Ergebnis spiegelt nicht nur die unermüdliche Hingabe unseres Teams wider, sondern auch das große Interesse unserer treuen Besucher für erstklassige musikalische Erlebnisse. Ihr Zuspruch bestärkt uns in unserem Bestreben, das Festival jedes Jahr aufs Neue zu einem unvergesslichen Höhepunkt im kulturellen Kalender zu machen“. Diese gute Vorverkaufsergebnis zeige zudem nicht nur „die kontinuierliche Weiterentwicklung und die Beliebtheit unseres Festivals auf“, so Geschäftsführer Marsilius Graf von Ingelheim, „sondern ist auch ein Zeugnis für das Vertrauen und die Begeisterung unseres Publikums. Wir sind entschlossen, ihren hohen Erwartungen gerecht zu werden und freuen uns darauf, gemeinsam mit ihnen einen unvergesslichen Festivalsommer zu erleben“.

Noch gibt es aber Karten 

Der diesjährige Festivalsommer wartet mit 155 Konzerten an 24 Spielstätten des Rheingaus und benachbarter Regionen auf. Über 140.000 Eintrittskarten stehen für die Konzerte zur Verfügung. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 8 Mio. Euro. Langfristige Sponsorenverträge, Konzerte- und Sachsponsorings, die Beiträge und Spenden der Mitglieder des Fördervereins sowie ein Landeszuschuss in Höhe von 25.000 Euro sichern die Finanzierung des Rheingau Musik Festivals.

Besonders empfehlenswert:

Diesen Sommer nehmen die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen am 27.6. die klanggewaltige Tonsprache von Pjotr Tschaikowski in den Fokus. Mit dabei haben sie den jungen aufsehenerregenden Geiger Guido Sant’Anna.

Der Violinist Daniel Hope bringt gemeinsam mit dem WDR Funkhausorchester das Kinofeeling am 28.6. in den Cuvéehof von Schloss Johannisberg.

Am 11.7. interpretieren das Collegium Vocale 1704 und das Collegium 1704 gemeinsam mit sechs virtuosen Solistinnen und Solisten unter der Leitung von Václav Luks Bachs Messe in h-Moll.

Nach seiner bisher umfangreichsten Tour im letzten Jahr kehrt Max Giesinger auch im kommenden Sommer auf die Bühne zurück und macht mit seiner Show am 23.7.

Halt im Wiesbadener Kurpark. Nicht umsonst ist Álvaro Soler einer der beliebtesten und erfolgreichsten deutschen Künstler unserer Zeit und verspricht am 24.7. ein unvergessliches Erlebnis in sommerlicher Atmosphäre.

Im Kronberg öffnet das Gestüt Schafhof seine Tore und bietet eine traumhafte Kulisse u.a. für die einzigartige Sängerin Alice Merton am 15.8.

Mit renommierten Solistinnen und Solisten im Gepäck bringt das Bach Collegium Japan unter der Leitung von Masaaki Suzuki, die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach am 15.8. auf die Bühne von Kloster Eberbach.

Zusammen mit der Tschechischen Philharmonie unter der Leitung des Dirigenten Jakub Hrůša ist Anastasia Kobekina am 25.8. im Kurhaus Wiesbaden zu Gast.

Die Mitglieder von Le Concert de la Loge bringen gemeinsam mit ihrem Gründer und Leiter Julien Chauvin als ausgewiesene Kenner auf dem Gebiet der lebendigen Musizierpraxis für die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts am 6.9. eines der bedeutendsten Oratorien der Musikgeschichte mit in den Rheingau: „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn.

Kartenvorverkauf TRM-Tickets für Rhein-Main GmbH
0 67 23 / 60 21 70 (Montag – Freitag, 9.30 – 17 Uhr)  www.rmf.de

„MIT SCHWUNG UND GEFÜHL“ – KONZERT IN DER ROTUNDE DES BIEBRICHER SCHLOSSES am 20. März 2024

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Am 20.3.2024 um 1830 Uhr präsentieren Studierende der Wiesbadener Musikakademie Kammermusik und Lieder der Romantik in der Rotunde des Biebricher Schlosses.

Auf dem Programm stehen ebenso ausdrucksvolle wie virtuose Werke, Lieder und Kammermusik aus Romantik und Moderne, u.a. von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann, Gaetano Donizetti und Francis Poulenc. Die Beiträge versprechen unterhaltsam und vor allem rhythmisch prickelnd zu werden.

Veranstaltende sind neben der Wiesbadener Musikakademie der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) und das Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Prof. Dr. Markus Harzenetter, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen begrüßt die Gäste, Claudia Hölbling, Direktorin der Wiesbadener Musikakademie, führt kurz in die Veranstaltung ein, Petra Zellner, Vertreterin des Direktors des LBIH, spricht abschließende Worte.

Ziel der beliebten Rotundenkonzerte ist es seit vielen Jahren, den Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit zu geben, die historischen Räumlichkeiten des Biebricher Schlosses kostenfrei zu erleben.

Es wird um eine  Spende für die Musizierenden gebeten. Der Einlass beginnt ab 18:00 Uhr. Es gibt eine Pause.

„Homo sapiens raus! Heimspiel für Greser & Lenz” – in ihrer ersten Werkschau ab 16.03.2024 Kunsthalle Jesuitenkirche Aschaffenburg

Greser & Lenz, ohne Titel, Aquarell auf Papier, © Greser & Lenz, Foto: Sabine Denecke (Museen der Stadt Aschaffenburg)
Greser & Lenz, ohne Titel, Aquarell auf Papier, © Greser & Lenz, Foto: Sabine Denecke (Museen der Stadt Aschaffenburg)

Sie sind legendär, erfanden „Genschman“, „Die roten Strolche“ und konnten 2015 nach den Anschlägen  auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo»  ihre religionskritischen Karikaturen  nur unter Polizeischutz zeigen.  Jetzt präsentiert die  Kunsthalle Jesuitenkirche  in Aschaffenburg vom 17.3. bis 18.8.2024 Deutschlands berühmtestes Karikaturisten-Duo: Greser & Lenz.

Mit der Ausstellung „Homo sapiens raus! Heimspiel für Greser & Lenz“ ehrt  die Kunsthalle Jesuitenkirche die beiden in Aschaffenburg lebenden Karikaturisten Achim Greser und Heribert Lenz mit dieser großen ersten Werkschau in ihrer Heimatstadt ist. Kuratiert wurde die Ausstellung von PD Dr. Thomas Schauerte, Direktor der Museen der Stadt Aschaffenburg.

Die etwa 150 gezeigten Originale verdeutlichen, wie Greser & Lenz in der großen Tradition der „Neuen Frankfurter Schule“ zu ihrer eigenen grafischen Sprache gefunden haben.  Das Karikaturisten-Duo verbindet im wahrsten Sinne des Wortes eine unverwechselbare Handschrift, denn innerhalb ihrer Werke gibt es keine Arbeitsteilung. So ergänzen sie sich bis zur völligen Ununterscheidbarkeit.

Die Ausstellung legt besonderen Fokus auf die technisch brillanten Tierszenen, die seit 2008 in der F.A.Z. veröffentlicht werden und seither für große Aufmerksamkeit sorgen. In der Tradition des jahrtausendealten Erzählmediums der Fabel werden juristische Fragestellungen des Staatsrechts ins Bild gesetzt und dabei – ausnahmslos durch Tiere – pointiert beantwortet. Diese Karikaturen interpretieren das Sujet der Tierfabel völlig neu.

Greser & Lenz, ohne Titel, Aquarell auf Papier, © Greser & Lenz, F. A. Z., Foto: Sabine Denecke (Museen der Stadt Aschaffenburg)
Greser & Lenz, ohne Titel, Aquarell auf Papier, © Greser & Lenz, F. A. Z., Foto: Sabine Denecke
(Museen der Stadt Aschaffenburg)

Neben ihren bekannten karikaturistischen Zeichnungen zu politischen und gesellschaftlichen Themen beeindrucken Greser & Lenz auch durch großformatige, freie Arbeiten. Hierzu zählen Leinwandbilder wie farbenfrohe Waldansichten, Genreszenen aus Kneipen der Region und surreale Bildkompositionen, wie etwa „Armstrong führt Laika Gassi“. Diese Werke sind in der Kunsthalle erstmals zu sehen.

Zusätzlich präsentiert die Ausstellung eine Vielzahl von Zeichnungen mit Lokal und Regionalbezug, darunter Bierdeckel für eine bekannte Aschaffenburger Biermarke, aber auch viel diskutierte Arbeiten wie das Gresersche Soloprojekt „Der Führer privat“.

Achim Greser (geb. 20.5.1961 in Lohr/Main) und Heribert Lenz (geb. 26.2.1958 in Schweinfurt) lernten sich während ihres gemeinsamen Studiums an der Fachhochschule Würzburg kennen und seitdem verlief ihr Werdegang parallel. Die beiden leben in einem großen Haus in Aschaffenburg mit gemeinsamem Atelier.

Greser & Lenz werden mit renommierten Auszeichnungen, darunter dem „Deutschen Karikaturpreis“ sowie dem im März dieses Jahres verliehenen „Göttinger Elch“, geehrt.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit einem einführenden Essay von Andreas Platthaus, dem Ressortleiter für Literatur und literarisches Leben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Publikation wurde großzügig durch den Förderkreis der Kunsthalle Jesuitenkirche e. V. unterstützt und ist an der gemeinsamen Kasse des Christian Schad Museums / Kunsthalle Jesuitenkirche erhältlich. Zudem ist sie über den Buchhandel bestellbar.

 

 

Kunsthalle Jesuitenkirche
Pfaffengasse 26
63739 Aschaffenburg
Öffnungszeiten
Dienstag 10–20 Uhr
Mittwoch bis Sonntag, Feiertage 10–18 Uhr
montags geschlossen

Wiesbadener Museum bringt erste Retrospektive über den Sonnenmaler Max Pechstein im Rhein-Main-Gebiet

Die große Sonderausstellung „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ stellt vom 15. März bis 30. Juni 2024 jüngste Forschungsergebnisse vor und zeigt farbenprächtige Gemälde, wie kontraststarke Holzschnitte. Bild: Max Pechstein (1881 - 1955). Sonnenuntergang an der See, 1921. © Foto Diether von Goddenthow
Die große Sonderausstellung „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ stellt vom 15. März bis 30. Juni 2024 jüngste Forschungsergebnisse vor und zeigt farbenprächtige Gemälde, wie kontraststarke Holzschnitte. Bild: Max Pechstein (1881 – 1955). Sonnenuntergang an der See, 1921. © Foto Diether von Goddenthow

Max Pechstein (1881–1955), Maler und Grafiker der deutschen Avantgarde, kreierte sein gesamtes Schaffen inspiriert von der Sonne. Als bislang unerkannter roter Faden durchzieht sie alle Werkgruppen und Phasen des Künstlers. Die große Sonderausstellung „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ stellt vom 15. März bis 30. Juni 2024 jüngste Forschungsergebnisse vor und zeigt farbenprächtige Gemälde, wie kontraststarke Holzschnitte. Das Museum Wiesbaden präsentiert die erste Retrospektive des Künstlers im Rhein-Main-Gebiet und stellt alle Themen des Künstlers – von Aktmalerei, Tanz bis hin zu Krieg, Familie und Religion – sowohl in farbigen als auch schwarzweißen Arbeiten vor. Ein besonderer Höhepunkt ist das erstmals seit fast 30 Jahren öffentlich ausgestellte Hauptwerk Selbstbildnis, liegend von 1909.

Dr. Andreas Henning Direktor des Hessischen Landesmuseums Wiesbaden und Kurator  Dr. Roman Zieglgänsberger Kustos Klassische Moderne am Museum Wiesbaden,  starten die Presseführung. Im Hintergrund der hochvergrößerte Holzschnitt von Max Peschstein "Untergehende Sonne (Ostseestrand) von 1946 © Foto Diether von Goddenthow
Dr. Andreas Henning Direktor des Hessischen Landesmuseums Wiesbaden und Kurator Dr. Roman Zieglgänsberger Kustos Klassische Moderne am Museum Wiesbaden, starten die Presseführung. Im Hintergrund der hochvergrößerte Holzschnitt von Max Peschstein „Untergehende Sonne (Ostseestrand) von 1946 © Foto Diether von Goddenthow

Max Pechstein prägte die Kunstepoche der Moderne von 1906 und 1912 gemeinsam mit der Dresdener Künstlervereinigung „Brücke“, zu der auch Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Emil Nolde und Karl Schmidt-Rottluff zählten. Die „Brücke“-Künstler nutzen Farbe als Ausdrucksmittel von Emotionen und lösten sie vom realen Gegenstand. Pechstein machte es sich zum Ziel, dass die Betrachter seiner Arbeiten die Gefühlsregungen, die er bei seinen Reisen spürte nachempfinden können sollten.
Eine besondere Inspiration für Max Pechstein war der niederländische Künstler Vincent van Gogh. Nicht nur seine Maltechnik sondern sein Ansatz, Kunst, Leben und Natur zu verbinden und sich mit dem Leben und den Menschen in all seinen Facetten zu befassen beflügelte seinen kreativen Prozess. Symbolisieren Sonnenblumen bei beiden Künstlern das Leben mit ihren zum Teil aufblühenden, aufgeblühten und verblühten Blumen, so symbolisieren Sonnenstrahlen für Pechstein die Verbindung zwischen Himmel und Erde und Sonnenaufgänge die Hoffnung.

Pechstein beschäftigte sich ein halbes Jahrhundert mit der Sonne als einem seiner Hauptgegenstände seiner Arbeit. Der Kustos für die Klassische Moderne am Museum Wiesbaden und Kurator der Schau, Dr. Roman Zieglgänsberger, bezeichnet ihn als den „Sonnenmaler des 20. Jahrhunderts“.

Die Sonne war Teil seines Schaffens, so Dr. Roman Ziegelgänsberger. Bild: Max Pechstein "Aufgehende Sonne", 1933. © Foto Diether von Goddenthow
Die Sonne war Teil seines Schaffens, so Dr. Roman Ziegelgänsberger. Bild: Max Pechstein „Aufgehende Sonne“, 1933. © Foto Diether von Goddenthow

Die Sonne erscheint positiv besetzt als Lebensspender der Natur in allen wesentlichen Themen des Künstlers, häufig sogar in ihrem Zentrum: Akt & Figur, Bühne & Tanz, Paradies & Krieg, Boote & Fischer, Familie & Religion. Wie auch schon beim französischen Impressionisten Monet malt Pechstein sie in allen denkbaren Farben – von Rot, Orange bis hin zu Weiß, Pink, Blau und Grün.

Eine Vielzahl an Arbeiten zeigt die Sonne aber auch in Schwarzweiß. Der maximale Kontrast bot dem Künstler inhaltliche Möglichkeiten um beispielsweise ihre Härte, Unerbittlichkeit oder ihre Zugehörigkeit zu unserem Planeten zu zeigen. Der Kurator wirft die Leitfrage der Schau auf: „Warum verzichtete ein expressiver Maler, dem es vordringlich um Emotionen ging, freiwillig und nicht selten auf das entscheidende, am Beginn des 20. Jahrhunderts soeben ‚neu erfundene Werkzeug‘ Farbe?“

Max Pechstein "Akt in der Düne", 1924.  im Themenbereich "Natürlich nackt!" der  großen Retrospektive „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ © Foto Diether von Goddenthow
Max Pechstein „Akt in der Düne“, 1924. im Themenbereich „Natürlich nackt!“ der großen Retrospektive „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ © Foto Diether von Goddenthow

Neben farbenprächtigen Gemälden und Hauptwerken des Künstlers rückt die Ausstellung Die Sonne in Schwarzweiß Pechsteins Kunst auf Papier, welche aus dem Blick der Forschung geraten ist, in den Fokus. Als ausgebildeter Dekorationsmaler und Absolvent eines kunsthandwerklichen Studiums bei Otto Gussmann an der Kunstakademie Dresden entwickelte Pechstein schon früh eine Vorliebe für Druckgrafik in Schwarzweiß. „Nach längerem Malen ergreift mich Sehnsucht nach der Farbigkeit des Schwarzen in der Graphik … die kräftigen Schnitte im Holz, den energische Riß der Nadel auf dem Metall, das schmeichelnde Hauchen der Kreide über den Stein.“ Max Pechstein, 1921
So stellt die Schau ausgewählte Gemälde aus einem Themengebiet mit druckgrafischen Werken gegenüber. Ein Höhepunkt ist das großformatige Selbstbildnis, liegend von 1909, welches mit der Schau erstmals seit 1996 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Es ist die erste Retrospektive des Künstlers im Rhein-Main-Gebiet.

Eintritt
Ticketerwerb an der Tageskasse oder Buchung online:
https://tickets.museum-wiesbaden.de/
Sonderausstellung* 12,— Euro (9,— Euro ermäßigt)
* Eintritt in die Sonderausstellungen beinhaltet den Besuch der Sammlungen.
Eintritt frei für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Öffnungszeiten
Di, Mi, Fr, Sa und So 10—17 Uhr
Do 10—21 Uhr
Mo geschlossen
Weitere Informationen: Max Pechstein. Die Sonne in Schwarzweiss

Der Katalog zur Ausstellung:

katalog-cover die sonne in schwarzweiss max pechstein 2024_160Sehr empfehlenswert ist der zur Ausstellung erschienene wissenschaftliche Katalog (herausgegeben von Roman Zieglgänsberger für das Museum Wiesbaden) mit Beiträgen von Katharina Henkel, Annika Weise, Aya Soika, Petra Lewey (Michael Imhof Verlag, 256 Seiten, 34 € an der Museumskasse, ISBN 978-3-7319-1409-9).

Eine kostenfreie Media-Tour in der MuWi-App begleitet die Schau.

In Kooperation mit dem Brücke-Museum Berlin, den Kunstsammlungen Zwickau — Max-Pechstein-Museum, sowie der Max Pechstein Urheberrechtsgemeinschaft, Hamburg ⁄ Berlin.

Die Ausstellung wird gefördert vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Max Pechstein Stiftung und den Freunden des Museums Wiesbaden e.V.

HR2 ist Kulturpartner der Ausstellung.

Caricatura-Gründer Achim Frenz gestorben

Caricatura-Gründer Achim Frenz ist plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11.3.2024 verstorben. © Foto Diether von Goddenthow
Caricatura-Gründer Achim Frenz ist plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11.3.2024 verstorben. © Foto Diether von Goddenthow

Caricatura-Gründer Achim Frenz gestorben Frankfurt / Kassel, 11.3.2024. Im Namen der Familie geben das Caricatura Museum Frankfurt und die Caricatura Galerie Kassel bekannt, dass Caricatura-Gründer Achim Frenz plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11.3.2024 verstorben ist. Achim Frenz (* 27. November 1957 in Bremerhaven, † 11. März 2024 in Kassel) hat als Gründer und ehemaliger Leiter des Caricatura Museums Frankfurt – Museum für Komische Kunst und der Caricatura Galerie Kassel nicht nur zwei wichtige Institutionen der Komischen Kunst auf den Weg gebracht und geprägt, sondern sich auch unermüdlich bundesweit für die Belange dieser Kunstgattung eingesetzt. Das gesamte Caricatura-Team und Weggefährten sind zutiefst betroffen. Erst im Oktober vergangenen Jahres wurde Frenz aus dem aktiven Dienst als Leiter des Museums verabschiedet. Er hinterlässt seine Frau, seinen Sohn mit Ehefrau und zwei Enkel.

In seiner Zeit als Leitung des Museums verantwortete Frenz den Aufbau und die Erweiterung der Sammlung des Hauses, die zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand mehr als 8.000 Originale der Zeichner der Neuen Frankfurter Schule sowie rund 6.500 Zeichnungen weiterer Karikaturisten umfasste. Unter seiner Leitung wurden die regelmäßigen Neuhängungen der Dauerausstellung zur Neuen Frankfurter Schule und 42 Sonderausstellungen kuratiert. Krönender Abschluss seiner Karriere war die aktuelle Ausstellung „Ach was. Loriot zum Hundertsten“ zu Ehren des wohl bedeutendsten deutschen Humoristen.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Verlagen gab Frenz die Buchreihe Caricatura Museum Edition heraus, die die vielfältigen Ausstellungen im Museum dokumentieren. Zudem etablierte er mit seinem Team das Festival der Komik, das alljährlich als Ergänzung zu den Ausstellungen auf dem Weckmarkt satirische Bühnenkunst während des Museumsuferfestes präsentiert. 2020 wurden das Caricatura Museum Frankfurt und die Caricatura Galerie Kassel mit dem Hessischen Kulturpreis gewürdigt. Erstmals erhielten ein Museum und eine Galerie diese Auszeichnung.

„Der Tod von Achim Frenz hat uns alle unvorbereitet getroffen und tief erschüttert. Er war nicht nur Vordenker und Wegbereiter für die Komische Kunst, sondern auch Mentor und Freund. So Vieles hat er erreicht, so Vieles hatte er noch vor. Die Komische Kunst steht für einen Moment still – um in seinem Sinne weiterzumachen“, sagte Weggefährte Martin Sonntag, der Achim Frenz nach dessen Verabschiedung im Oktober 2023 als neuer  Leiter des Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst nachfolgt.

Otto Kajetan Weixler, Kuratoriumsvorsitzender, Achim Frenz, Leiter Caricatura Museum a.D., Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main, und Laudator Pit Knorr, Autor der Neuen Frankfurter Schule, bei der Verabschiedung von Frenz in der Evangelischen Akademie am 9.10.2023. © Foto Diether von Goddenthow
Otto Kajetan Weixler, Kuratoriumsvorsitzender, Achim Frenz, Leiter Caricatura Museum a.D., Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main, und Laudator Pit Knorr, Autor der Neuen Frankfurter Schule, bei der Verabschiedung von Frenz in der Evangelischen Akademie am 9.10.2023. © Foto Diether von Goddenthow

Bestürzt habe sie die Nachricht vom Tod Achim Frenz‘ vernommen, so Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main. „Erst Ende letzten Jahres haben wir ihn mit einem Festakt in der Evangelischen Akademie in den Ruhestand verabschiedet. Er war voller Pläne und Ideen. Sein Wirken für die Stadt Frankfurt und für die Neue Frankfurter Schule war stets von großer Hingabe geprägt. Diese Hingabe spiegelt sich in seinen großen Verdiensten wider. Ohne Achim Frenz gäbe es das Caricatura Museum in Frankfurt nicht, dass dazu beigetragen hat, dass die Komische Kunst als ernstzunehmende Kunst zum Gattungsbegriff wurde. Mit ihm verlieren wir einen großen Visionär und unermüdlichen Kämpfer für die Komische Kunst. Wir werden ihn sehr vermissen.“ so die Frankfurter Kulturdezernentin.

Kleiner Rückblick

Schon früh kam Achim Frenz mit der Komischen Kunst in Kontakt. Sein Studium an der Kunst- und Gesamthochschule Kassel schloss der gebürtige Bremer mit der Diplomarbeit „Die Grenzen der Satire“ ab. Mit Kommilitonen entwarf und verbreitete er im Künstlerkollektiv „Visuelle Opposition“ politische Plakate mit komisch-satirischem Ansatz und legte den Fokus auf die Entwicklung einer eigenen Komik. Prägend waren die von den Studierenden initiierten Lehrstunden bei F.K. Waechter und F.W. Bernstein, die als Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule die Nachkriegssatire und Humorlandschaft maßgeblich beeinflusst hatten. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Redakteur und Karikaturist bei der nordhessischen Ausgabe des „Pflasterstrand” und setzte sich auch hier intensiv mit dem Medium Satire auseinander. Mitte der 1980er Jahre war er federführend als Initiator wie Kurator an Ausstellungen in Kassel beteiligt, die die zeitgenössische Komische Kunst in Deutschland dokumentierten. Erstmals wurde die Komische Kunst als eigenständige und ernstzunehmende Gattung wahrgenommen. Mit der Gründung des Kulturbahnhofs Kassel schuf Frenz dann mit Mitstreitern auch einen ständigen Ausstellungsort der Komischen Kunst: Die Caricatura – Galerie für Komische Kunst Kassel, die er bis 2000 leitete und in deren Vorstand er bis zu seinem Tod vertreten war.

Seit 2006 war Frenz zudem Mitherausgeber der Satirezeitschrift Titanic. In den Sommerakademien für Komische Kunst, die die Caricatura Galerie Kassel in Kooperation mit dem Caricatura Museum Frankfurt veranstaltet, setzte er sich seit 2007 für die Ausbildung junger Zeichner ein. Seine Expertise war auch als Jurymitglied gefragt, unter anderem beim Göttinger Elch, beim Deutschen Karikaturenpreis, beim Wilhelm-Busch-Preis und beim Ludwig-Emil-Grimm-Preis.

.

Woche der Meinungsfreiheit: Gemeinsam die Demokratie verteidigen

woche-der-meinungsfreiheit-2024Vierte Ausgabe der bundesweiten „Woche der Meinungsfreiheit“ vom 3. bis 10. Mai 2024 / Programm kann von Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen mitgestaltet werden / Bestellung von Materialpaketen über Buchhandlungen und Verlage möglich

Frankfurt am Main, 11. März 2024. Vermehrte Angriffe auf demokratische Grundwerte, andauernde gesellschaftliche Konflikte und eine Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung: Das Debattenklima hierzulande wird rauer und Eckpfeiler der demokratischen Gesellschaft geraten ins Wanken. Auch der Blick ins Ausland – nicht zuletzt der Tod Alexej Nawalnys – führt vor Augen, wie wichtig und zugleich bedroht die Demokratie ist. Das betrifft auch die Meinungsfreiheit, die Basis aller demokratischen Diskurse und Entscheidungen ist. Im Wahljahr 2024 nimmt die „Woche der Meinungsfreiheit“ vom 3. bis 10. Mai 2024 daher die Zukunft der Demokratie in den Fokus.

Vom Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai bis zum Tag der Bücherverbrennung in Deutschland am 10. Mai lädt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gemeinsam mit der neu gegründeten Stiftung Freedom of Expression und der Frankfurter Agenturallianz Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen dazu ein, deutschlandweit Veranstaltungen und Kampagnen zu initiieren. Angesichts der Europawahl am 9. Juni sowie dreier Landtagswahlen in Deutschland liegt ein Schwerpunkt in diesem Jahr darin, unter dem Motto #DemokratieWählenJetzt zum aktiven Eintreten für die Demokratie, u.a. durch die Beteiligung an Wahlen aufzurufen.

Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins und Vorsitzender der Stiftung Freedom of Expression: „Die Prognosen für die Wahlen im Jahr 2024 verdeutlichen die Fragilität von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten. Es liegt an uns, dem entgegenzuwirken! Durch die „Woche der Meinungsfreiheit“ setzen wir ein deutliches Signal für eine offene, demokratische Gesellschaft, Vielfalt und Freiheitsrechte. Ich ermutige alle Mitglieder unserer Branche und darüber hinaus, aktiv zu werden und unsere Möglichkeiten zur Beteiligung zu nutzen.“

Den Auftakt zur Aktionswoche bildet der Diskussionsabend „Freies Wort – freies Europa?“ am 3. Mai 2024 im Literaturhaus Frankfurt mit dem Historiker Jan-Pieter Barbian, dem Schriftsteller György Dalos und der Journalistin und Autorin Petra Reski, moderiert von Shelly Kupferberg. Die Veranstaltung richten der Börsenverein und der S. Fischer Verlag gemeinsam aus. Sie ist Teil der Initiative »Wissen Erinnern Fragen«. Am 5. Mai beteiligt sich der Börsenverein als Partner bei einer Veranstaltung der Stadt Frankfurt in der Frankfurter Paulskirche zu 75 Jahren Grundgesetz. Für den 7. Mai 2024 ist eine Veranstaltung zu Demokratie, Respekt und Vielfalt in Europa in der Dresdner Frauenkirche geplant.

Die Buchbranche spielt wie in den Vorjahren auch eine zentrale Rolle während der „Woche der Meinungsfreiheit“. Buchhandlungen haben die Möglichkeit, durch Plakate, Postkarten, Thementische und Schaufenstergestaltung auf die Kernthemen der Woche aufmerksam zu machen. Verlage bringen durch Veranstaltungen und die Nutzung sozialer Medien vermehrt Bücher zu aktuellen gesellschaftlichen Themen ins Blickfeld der Öffentlichkeit.

Neue Stiftung Freedom of Expression

Um die Woche der Meinungsfreiheit und weitere Projekte zu unterstützen, wurde im Dezember 2023 die Stiftung Freedom of Expression gegründet. In der Stiftung sind der Börsenverein, die Frankfurter Agenturallianz sowie Repräsentanten aus Verlagen, Bildung und Politik vertreten. Die Stiftung Freedom of Expression setzt sich für die Freiheit des Wortes und des Ausdrucks in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft ein.

Margit Ketterle, Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Freedom of Expression: „Ich freue mich sehr, zusammen mit den Kuratoriumsmitgliedern für unser Anliegen zu arbeiten. Die Woche der Meinungsfreiheit hat sich als wichtiges Forum etabliert und ist in der aktuellen politischen Lage notwendiger denn je. Doch Demokratieförderung benötigt auch eine finanzielle Basis, dafür haben wir die Stiftung geschaffen, die gemeinsam mit unseren vielen Partnern aus der Zivilgesellschaft wirksam für die Meinungs- und Kunstfreiheit eintreten wird.“

Mitgestaltung der Aktionswoche
Wer sich an der „Woche der Meinungsfreiheit“ 2024 beteiligen möchte, kann sich über das Kontaktformular auf der Website www.woche-der-meinungsfreiheit.de registrieren. Konkrete Veranstaltungsideen und Aktionen werden über ein Onlineformular unter www.woche-der-meinungsfreiheit.de/mitmachen/ eingereicht. Es stehen verschiedene Formate zur Auswahl, darunter Diskussionen, Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Social-Media-Aktionen und redaktionelle Beiträge.

2023 erzielte die „Woche der Meinungsfreiheit“ mit mehr als 60 Veranstaltungen, Aktionen und Kampagnen eine beachtliche Resonanz auf nationaler Ebene. Zusammen mit den Veranstaltungen, Presseaktivitäten und der begleitenden Kampagne wurden seit dem Start 2021 mehr als 408 Millionen Kontakte erreicht.

Über die Woche der Meinungsfreiheit
Die „Woche der Meinungsfreiheit“ wurde 2021 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels zusammen mit der Frankfurter Agenturallianz initiiert. Ziel ist es, mit einem breiten Bündnis eine Woche lang auf die Bedeutung des freien Wortes für unsere Gesellschaft aufmerksam zu machen. Im vergangenen Jahr haben sich über 50 zivilgesellschaftliche Organisationen und Unternehmen angeschlossen, darunter Verlage, Buchhandlungen, Pressehandel, Bibliotheken, Gewerkschaften, Kirchen, Musikszene, Vereine, Verbände und Stadtverwaltungen.

Die „Frankfurter Agenturallianz“, bestehend aus Kommunikationsexperten und Kommunikationsexpertinnen aus dem Rhein-Main Gebiet, die weitgehend pro bono für die Initiative arbeiten, unterstützt den Börsenverein und die Stiftung Freedom of Expression bei der Aktionswoche. Die Kampagnenidee der Kreativen wurde 2022 mit dem Internationalen Deutschen PR-Preis der DPRG sowie einer Effie-Nominierung ausgezeichnet.

Infos: „Woche der Meinungsfreiheit“ 2024  über: www.woche-der-meinungsfreiheit.de

Sonderausstellung zur 350 jährigen Geschichte des Bankhauses Metzler im Historischen Museum Frankfurt

 

Friedrich Metzler (1794 1825) © HMF, Horst Ziegenfusz
Friedrich Metzler (1794 1825) © HMF, Horst Ziegenfusz

Die B. Metzler seel. Sohn & Co. AG ist Deutschlands älteste Privatbank, die sich noch vollständig in Familienbesitz befindet. Ihre Ursprünge gehen auf das Jahr 1674 zurück: Benjamin Metzler (1650-1686) gründete in Frankfurt zunächst ein Handelsunternehmen für Tuchwaren. Der koloniale Fernhandel, aber auch die weiteren internationalen Handelsbeziehungen führten dazu, dass auch Geldgeschäfte eine wichtige Rolle spielten. Das Warengeschäft wurde zunehmend vom Geld- und Wechselgeschäft abgelöst, bis sich im 18. Jahrhundert ein beispielhafter Wandel vom Handels- zum Bankhaus vollzog. Im 19. Jahrhundert zählten vermögende Privatiers zur Kundschaft der Bank, deren Hauptgeschäft nun die Vermögensverwaltung (Depotgeschäft), individuelle Finanzdienstleistungen und der Handel mit börsennotierten Wertpapieren (Effekten) war.

Der Name „B. Metzler seel. Sohn & Co.“ leitet sich von den Söhnen des Firmengründers Benjamin Metzler her, die durch diese Namensgebung an ihren verstorbenen (seligen) Vater erinnern wollten.

Nach dem Ersten Weltkrieg litt das Bankhaus Metzler unter Inflation und Wirtschaftskrise. Viele Privatbanken verschwanden in dieser Zeit, und auch das Bankhaus Metzler musste das Geschäft verkleinern und Mitarbeitende entlassen. Im März 1944 wurde das Bankgebäude bei einem Luftangriff zerstört und viele Geschäftsunterlagen vernichtet. Bei einem Umzug im Jahr 2014 entdeckte man bis dahin unbekannte Dokumente aus der NS-Zeit, die neuen Forschungen Erkenntnisse zur Rolle der Bank im Nationalsozialismus lieferten.

Die Zeit nach dem Krieg war für das Bankhaus eine Phase, in der der Wiederaufbau des eigenen Vermögens als Grundlage für das Bankgeschäft Priorität hatte. 1972 wurde erstmals nach 298 Jahren ein Geschäftsbericht vorgelegt. Der eigentliche Aufschwung erfolgte Ende der 1970er Jahre mit der Expansion der Wertpapiermärkte. 1986 änderte das Unternehmen seine Rechtsform zu einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und schuf eine Holdingstruktur nach angelsächsischem Vorbild. Im Jahr 2021 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Heute konzentriert sich das Bankhaus auf individuelle Kapitalmarktdienstleistungen für Institutionen und Privatkunden.

Die Ausstellung

Impression aus dem 13 Sammlerraum der neuen Ausstellung "Metzler 1674-2024. Bankiers in Frankfurt" im Historischen Museum  ab 8.3.24© HMF, Stefanie Kösling
Impression aus dem 13 Sammlerraum der neuen Ausstellung „Metzler 1674-2024. Bankiers in Frankfurt“ im Historischen Museum ab 8.3.24© HMF, Stefanie Kösling

Die Kabinett-Ausstellung im 13. Sammlerraum gliedert sich in vier Themen und zeigt neben Objekten aus der Sammlung des Museums zahlreiche Dokumente und Bilder aus dem Historischen Metzler-Archiv.

Das Thema „Merchand Banquiers“ (Händlerbankiers) bildet schlaglichtartig die vielfältige 350-jährige Geschichte des Bankhauses ab. Vom Bürgerbrief des Gründers Benjamin Metzler aus dem Jahr 1676 über einen Wechsel von 1754 bis hin zu einem erst 2014 entdeckten Schreiben aus der NS-Zeit. Eine Infografik dokumentiert anschaulich in Zahlen die Entwicklung der Mitarbeitenden von 1900 bis in die Gegenwart. Unter dem Stichwort „Bürgersinn“ wird das gesellschaftliche und kulturelle Engagement der Familie mit den präsentierten Schenkungen der Familie an die Stadt sichtbar, wie etwa der goldene Prunkbecher, aus dem 1903 Kaiser Wilhelm II. trank. Das Thema „Frauen“ rückt die weiblichen Familienmitglieder in den Fokus, wie etwa die „erste Bankerin Frankfurts“, Christina Babara Metzler, die 1757 als unverheiratete Frau die Geschäftsleitung übernahm.

Fotografien und Skizzen der Standorte des Bankhauses und auch der repräsentativen Anwesen, die die Familie seit dem 19. Jahrhundert in und um Frankfurt erwarb und erbaute, werden im Thema „Orte“ präsentiert. Darunter das Haus Metzler in Bonames, der Badetempel in Offenbach oder die Historische Villa Metzler am Schaumainkai.

Themen-Tour Wie eng die Metzler’sche Familien- und Firmengeschichte mit der Stadtgeschichte verknüpft ist, ist in der ständigen Ausstellung des Historischen Museums zu sehen. Eine anlässlich der Kabinett-Ausstellung konzipierte Themen-Tour führt über den 13. Sammlerraum hinaus durch die Abteilung „Frankfurt Einst?“ und folgt über 18 Stationen den Spuren der Familie Metzler.

Öffnungszeiten:
Montag geschlossen
Dienstag bis Sonntag: 11 bis 18 Uhr (Schulklassen können – mit Anmeldung und in Begleitung von Lehrpersonal – von Dienstag bis Freitag ab 9 Uhr das HMF und das JuM besuchen)

Eintrittspreise Dauerausstellung: 8 €/4 € ermäßigt Wechselausstellung: 10 €/5 € ermäßigt Museum Vollpreis: 12 €/6 € ermäßigt Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: Eintritt frei!

Ort:
Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1,
60311 Frankfurt am Main T +49 69 212-35599
info@historisches-museum-frankfurt.de
www.historisches-museum-frankfurt.de

Ausgesuchte Kulturtipps