Als am 1. Oktober 2008 das Caricatura Museum für komische Kunst am Weckmarkt im Leinwandhaus eröffnete, standen Bernd Pfarrs Bilder als erste Ausstellung für Intention und Geist des Hauses. Jetzt sind die Bilder des 1958 in Frankfurt geborene Karikaturisten und Maler Bernd Pfarr, der zum engeren Umkreis der „Neuen Frankfurter Schule“ gehörte, zurückgekehrt. Nein, es sind nicht die selben Bilder, das wäre ja „langweilig“. Man habe reiflich überlegt, welchen Schwerpunkt man wählen könne. Da gäbe es bei einem der bedeutendsten Vertretern der Komischen Kunst wie Bernhard Pfarr ja genügend Ansatzpunkte. Und da Bernd Pfarr gerne Tiere malte, wurden entsprechend Werke aus der großen Sammlung für die neue Ausstellung „Bern Pfarr – Bilder von Tieren und Engeln“, vom 14.09.2024 bis 19.01.2025 im Caricatura, ausgewählt.
Bernd Pfarr wurde am 11. November 1958 in Frankfurt am Main geboren. Comics seiner Generation wie „Pit und Pikkoli“ oder auch „Fix und Foxi“ begeisterten ihn und animierten ihn zum Zeichnen. Zunächst pauste er ihre Helden ab, um sich den Stil seiner Vorbilder anzueignen. Schließlich wagte er sich an erste eigene ein- bis zweiseitige, mit Deckfarben kolorierte Comicgeschichten, die er in der Pfadfinderzeitung seines Vereins veröffentlichte.
Die Grundlagen des akademischen Malens und Zeichnens erlernte Bernd Pfarr als Oberstufenschüler beim Frankfurter Maler Hans-Ludwig Wucher. Seiner Empfehlung, er solle mit seinem Talent ein Studium an der Frankfurter Kunstakademie Städel in Erwägung ziehen, kam Pfarr nicht nach. Er entschied sich für ein Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach – ohne ein konkretes Berufsziel zu verfolgen. Seine Abschlussarbeit, ein Büchlein namens „Ich liebe Dich“ über merkwürdige Beziehungen zwischen Männern und Frauen, fertigte er im Bereich Karikatur und Illustration beim Karikaturisten, Zeichner und Autor Peter von Tresckow an.
Gemeinsam mit den Zeichnern Volker Reiche und Winfried Secker gründete Pfarr 1978 das Underground-Comic-Magazin Hinz&Kunz, zu dem ab der zweiten Ausgabe auch der spätere Drehbuchautor und Regisseur Michael Gutmann stieß. Ohne Rücksicht auf kommerzielle Gesichtspunkte verstand Pfarr das Magazin als Versuchs- und Experimentierfeld, einerseits für seine Comicgeschichten, die sich eher im Mainstream bewegten, aber vor allem für seine abgründigen Geschichten gegen jede Pointe. Mit dem zweiten Titel des Magazins bewarb er sich erfolgreich bei Pardon und zeichnete hier vor allem für den Ableger Slapstick. Es sollte der Startschuss für viele Arbeiten für zahlreiche andere Publikationen wie Stern, Zeit, Kowalski oder Reformhaus-Kurier sein.
Über seine Bekanntschaft mit den damaligen Titanic-Redakteuren Richard Kähler und Hans-Werner Saalfeld aus Hamburg fanden Pfarrs Zeichnungen auch ihren
Platz im endgültigen Satiremagazin. Hier stellte er sich in die Tradition des Humors von F.W. Bernstein, Robert Gernhardt und F.K. Waechter und entwickelte ihn in der Rubrik „Kolibri“, die ab 1978 in seine berühmteste Comic-Figur „Sondermann“ umbenannt wurde, weiter. Über 400 Sondermann-Comics und Strips zeichnete er bis zu seinem Tod, die er nach dem Vorbild des gleichnamigen ersten Verlegers der Titanic geschaffen hatte.
Großformatige und aufwendig gestaltete Cartoons, in Acryl auf Leinwand gemalt, erschienen von 1994 – 1999 wöchentlich im Zeit-Magazin. Zudem machte er sich einen Namen mit Buchillustrationen, Buchcover-Gestaltungen sowie Werbezeichnungen, u. a. für Autofirmen. 1999 erhielt er den Max und Moritz-Preis als bester deutschsprachiger Comic-Zeichner.
Bernd Pfarr lebte mit seiner Frau Gabriele Roth-Pfarr und seinem Sohn Nico aus einer früheren Beziehung in Frankfurt am Main und in Südfrankreich. Er starb am
- Juli 2004 nach langer Krebserkrankung in einer Kölner Klinik.
Noch im Todesjahr wurde zu Ehren Pfarrs und seiner wohl bekanntesten Comic- Figur „Sondermann“ der Kunstpreis „Bernd-Pfarr-Sondermann für Komische Kunst“ gegründet. Seit 2012 verleiht der 2010 gegründete Verein Sondermann e.V. den „Sondermann“-Preis an etablierte Künstler wie auch an Newcomer.
Das Caricatura Museum Frankfurt zeigte bereits 2008 zur Eröffnung des Museums am heutigen Standort eine Einzelausstellung. Unter dem Titel „Bernd Pfarr. Komische Welten“ beleuchtete die Ausstellung Pfarrs gesamte Schaffensphasen. Auch weiterhin sieht sich das Museum verpflichtet, das Werk und Andenken an Bernd Pfarr als bedeutenden Zeichner und Maler der Komischen Kunst zu bewahren: Seit 2013 bereichert die Steinskulptur der Cartoon-Figur „Sondermann“, ausgeführt von Andreas Rohrbach, den Nordpark in Bonames im Rahmen des Projekts „Komische Kunst im GrünGürtel“. 2021 erwarb das Museum ein Konvolut von 16 Gemälden und 75 Zeichnungen.
Bernd Pfarrs Arbeiten gehören zu den kanonischen Werken der Komischen Kunst. In ihrer Art und Ausführung sind sie singulär. Bernd Pfarr verstand es, seine Idealvorstellungen der Welt in seine Zeichnungen und Gemälde zu übertragen, die Wirklichkeit in Paralleluniversen zu übersetzen – mit ihren ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten. Seine Figuren, Mensch wie Tier, erzählen von alltäglichen Lebensgeschichten und Tragödien, nur selten lassen sie aktuelle Bezüge erkennen. Mit einem untrüglichen Sinn für das Komische im Grotesken folgt Pfarr in seinen
Bildern seinem hehren Ziel, den Dingen, gar der ganzen Welt jegliche Realität auszutreiben. Akribisch studierte er Referenzbücher, nutzte selbst geschossene Fotos von Dingen, die ihn interessierten, und setzte sie nach ästhetischen Gesichtspunkten in seinen Bildern ein. Wesentliche Rolle spielten dabei weniger gegenständliche Details als vielmehr Farben, Formen, die Lichtführung oder einfach die Stimmung der Fotografie.
Während seine Werke in den 80er Jahren noch eine Zweckgebundenheit in ihrer Farbgebung aufweisen, sind gerade seine späteren Werke durch ein erhebliches Maß an Stilempfinden geprägt. Zu Recht wurde auf Bezüge zu Max Beckmanns Umrisslinien, Edward Hoppers Stimmungen und Henri Matisses Flachbildfiguren hingewiesen. Mit großer Sorgsamkeit mischte Pfarr seine Farben an, beschwor die Kolorierung der 50er Jahre herauf, der er konsequent treu blieb.
Das Werk Pfarrs ist durchzogen von Gegensätzlichkeit, in der sich die urkomische Wirkung entfaltet. Inhalt und Ästhetik konterkarieren sich ebenso wie das Text- Bild-Verhältnis. Ernste, ästhetisch schöne Bilder treffen auf spöttelnden, witzigen Text. Skurril humoristische Bildwelten auf erhabene Sprache. Pfarr spielt mit den Erwartungshaltungen der Leser, Erhabenes trifft auf Gewöhnliches, Gewöhnliches auf Erhabenes – das macht den Reiz seiner Bilder aus.
Die neue Ausstellung „Bernd Pfarr. KNOCHENZART. Bilder von Tieren und Engeln“ konzentriert sich auf die tierischen Aspekte in Pfarrs Werk – darunter Hunde, Katzen, Krokodile. Auch die Comic-Serie „Alex der Rabe“, die Pfarr bis 2003 für den Reformhaus-Kurier zeichnete und nun erstmals in einer Gesamtausgabe erschienen ist, findet Eingang in die Comic-Auswahl der Ausstellung. Passend zum neuaufgelegten Titel „Von Engeln und anderem Geflügel“ flankieren himmlische Wesen die tierischen Helden.
Caricatura Museum Frankfurt
Museum für Komische Kunst
Weckmarkt 17
60311 Frankfurt am Main
+49 (0) 69 / 212 30161
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