Der rheinland-pfälzische Kulturminister Professor Dr. Konrad Wolf und Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer eröffneten am Samstag offiziell den Kultursommer 2017, erst im Kurpark von Bad Kreuznach und anschließend im Kursaal vor Repräsentanten aus Politik, Gesellschaft, Verwaltung und Wirtschaft. Drei Tage lang wurde mit tausenden Gästen von nah und fern in Bad Kreuznach / Bad Münster am Stein-Ebernburg das Motto „Epochen und Episoden“ umgesetzt und gefeiert.
„Durch die Fusion mit Bad Münster am Stein Ebernburg sind wir in den Genuss der Ebernburg gekommen, eine wesentliche Stätte der Reformation“, erinnerte die Oberbürgermeisterin an einen der entscheidenden Gründe, warum das Land die Eröffnung des Kultursommers Rheinland-Pfalz für 2017 nach Bad Kreuznach vergab.Sie sei stolz, dass die Ebernburg, die Herberge der Gerechtigkeit, die zeitweise auch Luthers Zufluchtsort war, seit der Fusion mit der Stadt Bad Münster am Stein Ebernburg nun auch zu Bad Kreuznach gehöre, welches hierdurch in diesem Jahr im Mittelpunkt des Kultursommers stünde. Die Veranstaltungen der diesjährigen Kultursommereröffnung, die 26 Programmpunkte an drei Tagen, bereicherten das kulturelle Angebot der Stadt, so die Oberbürgermeisterin. Sie unterstrich, dass vor allem Kultur, zwar nicht nur, aber in ganz erheblichem Maße, eine Region lebenswert mache. Und es ginge auch bei der Kultursommereröffnung, nicht nur in Bad Kreuznach, einmal mehr um die Botschaft, „die kulturelle Infrastruktur durch die Haushaltsberatungen zu retten“, so die Oberbürgermeisterin, die zugleich Kulturdezernentin der Stadt ist. Kultur spiegele unsere Geschichte, trage zu unserer Identität bei und – den Theatermacher August Everding zitierend – Kultur sei keine Zutat, sondern der Sauerstoff einer Nation. Kultur behandele zeitlose Fragen zu allen Epochen und Episoden, die die Menschen seit jeher und immer wieder neu bewegten, und eröffne Blicke auf die Welt, rege zum Nachdenken an, gebe neue Impulse und weite den Horizont, so Dr. Karster-Meurer.
Nicht nur 500 Jahre Reformation werden bei „Epochen und Episoden“ gefeiert. Minister Wolf dachte auch an den 70. Geburtstag, den das Land Rheinland-Pfalz in diesem Jahr feiert. „Es waren gute Jahre und es werden noch viele gute Jahre folgen. Die Vielfalt der Kulturen in unserem Land ist die Basis dafür“, so Wolf. Der Minister freute sich, dass das Reformationsjubiläum erfreulicherweise ökumenisch und darüber hinaus gefeiert würde, wofür auch die Veranstaltung „Summer of Love“ im Bad Münsterer Kurpark in Anspielung auf die 1967 in Kalifornien gefeierte Flower-Power-Bewegung stehe. Diese Kulturrevolution habe, wie einst der Jazz vor 100 Jahren, „nicht nur die Musik revolutioniert, sondern bis dato zu einer undenkbar gehaltenen Liberalisierung geführt an den Lebensverhältnissen in der westlichen Welt, die wir heute für selbstverständlich halten. Dabei wissen wir gleichzeitig, dass sie nicht selbstverständlich sind, sondern immer wieder erkämpft werden müssen„, sagte der Minister.
Für Kirchenrat Volker König, der als Vertreter der drei in Rheinland-Pfalz
vertretenen evangelischen Landekirchen sprach, sind Martin Luther und Jimmy
Hendrix, die auf dem Plakatmotiv nebeneinander im Tournee-Bus sitzen, „Brüder im
Geiste“ in ihrem Engagement für Freiheit, Frieden, Selbstbestimmung und Toleranz. Denn beide, der Kalifornier und der Wittenberg, hätten kompromisslos zu ihren Überzeugungen gestanden: Jimmy
Hendrix, bester Gitarrist seiner Zeit, stand als Symbol der Flower-Power-Bewegung für gewaltlosen Widerstand gegen den Vietnamkrieg und das Establishment. Martin Luther stand unbeirrbar gegen die damalige Obrigkeit. „Ganz in der Nähe hier soll er gestanden haben“, so König, „damals nannte man das nicht Establishment, sondern die Obrigkeit, und er soll gesagt haben: ‚Hier steh‘ ich nun. Ich kann nicht anders.!‘ Vielleicht hat er auch gesagt: ‚Ich will nicht anders!‘, jedenfalls ‚Ich werde nicht anders!'“, so König. Luther wäre aber mehr als ein Bruder im Geiste gewesen, „sondern er war vielleicht einer der Väter dieses Geistes“ dieser Flower-Power-Bewegung, so die These des Kirchenrats. Die Musik der Flower-Power-Bewegung wie besonders der Sängerin Joan Baez, hätten dieses Lebensgefühl des Widerstands und des Aufbruchs in eine bessere Welt geamtet.
Zum Eröffnungs-Wochenende hatte die Projektgruppe von Stadt und Land ein großes und buntes Kulturfest für die ganze Familie und für beinahe jeden Geschmack an zahlreichen Orten mit etlichen Highlights in Bad Kreuznach und Bad Münster auf die Beine gestellt.
Luther in BRASS – das 2. Rheinland-Pfälzische Blechbläser-Festival mit Genesis Brass und fast 200 Aktiven – war mit Eröffnung- und Festivalkonzert, Workshops und Festgottesdienst einer der Schwerpunkte des Kulturfestes mit einem Musikepochen überspannenden Programm: von Giovanni Gabrieli und Johannes Sebastian Bach über Oliver Gies, Musik von Charles-Marie Widor bis hin zu Ausflügen in den Jazz und in die Unterhaltungsmusik.
Das USAEUR Standard Jazz Quartett bot Jazzfreunden im Grünen Saal des Kurhauses einen Querschnitt durch 100 Jahre Jazz-Epoche von Swing bis Stevie Wonder. Vor 100 Jahren begann mit der Pressung der ersten Jazzplatte die goldene Ära des Jazz. Das Jazzkonzert war auch eine kleine Hommage an 50 Jahre US-Besatzungszeit in Bad Kreuznach, als die amerikanischen Soldaten den Jazz nach Deutschland auch als ein Symbol für Frieden, Freiheit und Wohlstand mitbrachten.
Erinnerungen an den „Summer of Love“ vor 50 Jahren brachten das begeisterte Publikum am Freitagabend zum Schwelgen: Das Publikum wollte „Mrs. Greenbird“ am liebsten gar nicht gehen lassen.
Am Samstag ergänzten das NN-Theater und Stars der Liedermacher-Szene, darunter Annett Kuhr und Kleinkunstpreisträger Sebastian Krämer, das Programm mit nachdenklichen Tönen.
Soul-Sänger SEVEN brachte die Fans zum Mitsingen und -tanzen. Neben weiteren überregional bekannten Künstlerinnen und Künstlern wie Inka Arlt, dem Duo Bender & Schillinger sowie The Beez & Eva Ender gestaltete vor allem die lokale Kunst- und Musikszene das Programm am Samstag und Sonntag.
Neben weiteren überregional bekannten Künstlerinnen und Künstlern wie Inka Arlt, dem Duo Bender & Schillinger sowie The Beez & Eva Ender gestaltete vor allem die lokale Kunst- und Musikszene das Programm am Samstag und Sonntag.
Dabei freuten sich die Besucherinnen und Besucher unter anderem über das Museum für Puppentheater und -Kultur PuK mit dem Stück „Lieber Martin – Luther für Kinder“ des Puppenspielers Detlef Heinichen vom Theatrium Figurentheater Dresden. Extra hierfür hatten seine Frau und Tochter Figuren aus Styropor geschnitzt und bemalt (nachdem die ursprünglichen Holzfiguren mit dem Auto verbrannt waren). Die kleinen und großen Zuschauer konnten mithilfe der liebenswerten Figuren erfahren, wie aus einem einfachen Mönch ein so berühmter Mann geworden ist.
Viel Beifall gab’s auch für das Pop-Duo Kleingartenanlage und den Kleinen Chor Ebernburg.
Highlights im Kulturpark Bad Kreuznach
Zur „Kunst für alle“ hatten die Kunstwerkstatt Bad Kreuznach und zahlreiche Künstler mit dem „Kulturpark“ auf der idyllischen Kurpark-Insel eingeladen Das breite Mitmachangebot wurde mit großer Begeisterung angenommen. Selten sah man so viele Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern und Großeltern– smartphonebefreit – im künstlerischen Flow oder als Zuschauer. Kleine Walkacts der „Tanz Wesen“ und von Inka Arlt sowie die im den ganzen Park platzierte Wanderausstellung „Reformatorinnen“ sorgten für weitere Überraschungen.
Holzwerkstatt
Emsige Handwerker gab es auch an den Tischen der Holzwerkstatt. Angeleitet von Nico Capiello, wurden mit Laubsägen unter anderem kleine Holzfiguren hergestellt und gestaltet.
Etwas weiter, an der Bastelstation, knüpften Kids Murmel- und Armbänder oder andere Dinge und hatten eine Menge Bastelspaß und beim Anprobieren ihres selbst hergestellten Schmucks.
Malwerkstatt
Besonders nachgefragt, war das Maler-Camp. Da wurden Farben mit Wasser verdünnt, miteinander gemischt und nach Motiven gesucht, schließlich alles unter fachkundiger Anleitung von Sonja Piechola-Schober und Rainer Stork auf Papierbögen gebannt. Die Werke konnte, wer wollte an einer Leine aufhängen.
Graffiti-Art-Camp
Bei den Jugendlichen kam besonders auch gut das Angebot an, Graffiti-Sprayen zu erlernen, Medienpädagogin Jara Ottenbreit zeigte den Jugendlichen, wie sie mit Bildvorlagen, Schablonen und Spraydosen umgehen können, um typische Graffitis zu kreieren. Im Lauf des Nachmittags entstand gemeinsam ein großformatiges Bild.
Tonarbeit und weitere Werkstätten
Reges Schaffen herrschte auch in der Speckstein- und Ton-Werkstatt. Der Illustrator und Zeichner Lothar Reinhardt führte Jung und Alt in die Kunst des „Urban Sketching“ ein. Zeichnen unterwegs mit Stiften direkt Skizzenbuch liegt im Trend.
Die Welle – Holzkunst
Ein Highlight besonderer Art war der gemeinschaftliche Bau einer hölzernen Welle, angeleitet vom Holzbildhauer Frank Leske und von Michael Winter. Die „Welle“ wurde direkt auf dem Rasen aus unzähligen Dachlatten installiert. Mit großer innerer Aktivität und Freude waren die vielen jungen Helfer ganz in die Sache vertieft dabei: Sie vermaßen, sägten, korrigierten und verschraubten die Dachlatten solange, bis allmählich die Welle als öffentlicher Ort des Hinsetzens und Hinliegens sichtbar wurde.
Seifenblasen-Spass
Riesenseifenblasen faszinierten und waren ein Heidenspaß für die ganze Familie. Mit Anleitung von der Performance-Künstlerin Corina Ramona Patzel gelang es schließlich jedem, die wunderbaren Illusionskugeln aus Seifenwasser zu zaubern.
Walkact mit „Bewegten Gedichten“
Fünf schauspielende Tanz-Wesen zogen mit Life-Acts zahlreiche Flaniergäste mit ihrem „Sommertanztraum“ und „Bewegten Gedichten“ in Bann. In einer Art Sprechperformance tanzten die Damen Erich Frieds Gedicht „Was es ist“ sowie ein Stehgreifstück, in dessen Zentrum ein 200 Meter langes, 20 cm breites Bettleinenband mit Lebens- und Friedensbotschaften stand wie: „Es gibt keine Pflicht des Lebens, es gibt nur eine Pflicht des Glücklichseins“ oder: „Wenn der Mensch gut sein kann, so kann er es nur, wenn er glücklich ist, wenn er Harmonie in sich hat, also wenn er liebt!“. Die Performance-Idee entstand aus einem Tanz-Seminar heraus. Bloß sechs Mal trafen sich die Damen- mit der freien Tänzerin Mara Schwarzkopf, die ihre „Mädels“ in dieser knappen Zeit zu professioneller Höchstform choreographierte.
Ursprünglich war geplant, das Spruch-Band von der Kunstwerkstatt über die Nahebrücke bis zur Pauluskirche auszurollen, weswegen 200 Meter Stoffbahn benötigt wurden. 2 Personen hatten mehrere Tage das vierlagige „Breit-Band“ geschnitten, vier Frauen brauchten dann mehrere Tage, um mit Filzstift die Spruchweisheiten aufzutragen. Nach einer Programmänderung mussten die Tänzerinnen umimprovisieren. Die „Tanz-Wesen“, wie sie sich nennen, rollten die Bandtrommel zur Elisabethenquelle hoch. Vor dort ließen sie das auf Band kontrolliert und tänzerisch ausdrucksvoll begleitet auf der Hochwasserschutzpromenade Richtung Kurhotel abrollen. Die Zuschauer waren trabten voraus oder hinterher, so dass jemand begeistert rief: Kein Stehgreif- sondern ein Mitgeh-Theater!
Wanderausstellung „Reformatorinnen“
Dass die Reformation keine „Luther-Ein-Mann-Show“, sondern von zahlreichen Theologinnen, Dichterinnen, Ehefrauen und anderen mitgestaltet wurde, zeigte ein kleine Wander-Ausstellung: Katharina von Bora, Argula von Grumbach, Elisabeth von Calenberg-Göttingen, Friederike Fliedner bis hin zu Dorothee Sölle hatten als Holzfiguren im historischen Look auf verschiedenen Parkbänken Platz genommen und sorgten für Begegnungen einer anderen Art auf Augenhöhe.
Glücksrad am Infostand der Feste Ehrenbreitstein des GDKE
Ein wenig konnten Besucher ihr Glück am Glücksrad des Info-Standes der Generaldirektion Kulturelles Erbe herausfordern und Gummibärchen, Stifte oder auch Kühlschrankmagnete gewinnen. Birgit Stuhlmacher informierte über die vier UNESCO-Welterbestätten in Rheinland-Pfalz und die dort stattfindenden vielfältigen Kulturangebote, insbesondere über den Open-Air-Sommer auf der Feste Ehrenbreitstein gegenüber von Koblenz.-Zudem konnten sich die Besucher über die bevorstehende große Landesausstellung vorZeiten – Archäologische Schätze an Rhein und Mosel informieren, die anlässlich des Jubiläums zum 70- jährigen Bestehen der Landesarchäologie Rheinland-Pfalz von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz im Landesmuseum Mainz vom 21. Mai bis 29. Oktober 2017 präsentiert werden wird.
Großes Interesse fanden am Sonntagnachmittag zwei Vernissagen – eine im Steinskulpturenmuseum und eine im Künstlerbahnhof Ebernburg – sowie Programme im PuK mit „Lieber Martin – Luther für Kinder“ und eine Performance im INSTALL, dem Kunstraum der Stadt. Sie leiteten von dem großen Kulturfest an diesem Wochenende in das abwechslungsreiche Kultursommer Jahresprogramm mit weit über 200 Projekten bis zum 3. Oktober über.
Besuch im Install bei der Künstler Gruppe Nahe
Am Sonntag besuchten Professor Dr. Konrad Wolf und Prof. Dr. Jürgen Hardeck, Geschäftsführer der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, mit ihren Ehefrauen während ihres Rundgangs auch die Ausstellung „Reformation im Hier und Jetzt“, Teil II, der Künstlergruppe Nahe im Kunstraum der Stadt Bad Kreuznach „Install“.
Am Nachmittag sprach Sonja Welp, Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation (GFW), einer Kommunikationstechnik und Lebenshaltung in den 70er Jahren, über gewaltfreie Kommunikation nach M. B. Rosenberg. Dazu hatten sie und Karin S. Hans sowie Oberstudienrat Jürgen Mai eine Performance zu der Installation mit Schülern des Lina-Hilgert-Gymnasiums erarbeitet.
Resümee: Die Eröffnung des 26. Kultursommers Rheinland-Pfalz war eine Feier der Vielfalt und vieler neuer Impulse für Bad Kreuznach
Den Kulturminister begeisterte die Vielfalt der Kulturveranstaltungen: „Im ganzen Kultursommer und auch bei diesem Eröffnungswochenende gibt es so viele unterschiedliche Dinge zu erleben. Es macht mir einfach Spaß, immer wieder Neues zu erleben.“ Das Wetter, das leider ab Samstagabend in einen leichten Dauerregen überging, störte dabei nicht. „Die Kultur war in unserer Stadt überall präsent“.
Bei den fast 30 Veranstaltungen mit insgesamt mehreren tausend Besuchern wurde „der Wert der Kultur in Mittelpunkt gerückt“, so Oberbürgermeisterin Kaster- Meurer. Jürgen Hardeck, Geschäftsführer des Kultursommers, bestätigte das: „An dem Wetter kann man nichts machen. Das Konzept, so viele Partner an zwei Spielorten in das Eröffnungsfest einzubinden, ist in der Form einmalig in der Geschichte des Kultursommers und es hat super funktioniert.“
Alle drei dankten den vielen Aktiven aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Stadt und Kultursommer Büro sowie den Sponsoren – allen voran LOTTO Rheinland-Pfalz – für ihren Einsatz.
Weitere Informationen und das Programm des 26. Kultursommers Rheinland-Pfalz
Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst