Kategorie-Archiv: Pen-Zentrum Darmstadt

PEN-Zentrum würdigt Engagement des Schriftstellers und Sängers für Meinungsfreiheit und soziale Gerechtigkeit

Darmstadt / Wiesbaden, 6. September 2023. Der spanische Sangesdichter Joan Manuel Serrat aus Katalonien, der einst auch gegen das mörderische Franco-Regime seine Stimme erhob und als Vertreter einer resistencia poetica ins Exil gehen musste, erhält den Hermann Kesten-Preis 2023 des deutschen PEN. Die Auszeichnung ist mit 20.000 Euro dotiert, die das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst zur Verfügung stellt.

José F.A. Oliver, Präsident des deutschen PEN-Zentrums: „Ich habe seinen Mut zur Freiheit, die immer auch eine Verteidigung der kulturellen Vielfalt bedeutete, immer sehr bewundert. Eine im Alltäglichen herzverbundene, zärtliche Poesie der Entschiedenheit, die zu einer einzigartigen Stimme wurde.“

Najem Wali, Writers-in-Prison-Beauftragter und PEN-Vizepräsident: „Mit Joan Manuel Serrat wird ein Künstler mit dem Hermann Kesten-Preis geehrt, der als Musiker und Poet seine Stimme anderen geliehen hat. Dichtern, die verfolgt, verboten, vertrieben oder ermordet wurden, in Spanien, Uruguay, Chile und anderswo. Serrat hat wie kein anderer durch seine Lieder Texte von Dichtern, die zum Schweigen gebracht werden sollten, am Leben erhalten, deren Worte und deren Geist weiter und in eine Freiheit getragen, die ihnen sonst nicht vergönnt gewesen wäre. Manuel Serrat hat mit seinem Engagement sein eigenes Leben gefährdet, er wurde in Spanien unter Franco dafür bedroht, angegriffen, bekam Auftrittsverbot und musste schließlich ins Exil gehen. Wir sind stolz darauf, ihn bei uns zu haben.“

Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn: „Joan Manuel Serrats Texte sind kraft- und gefühlvoll zugleich. Sie zeichnen das Bild eines großen Europäers, der sich mit seiner Kunst gegen das faschistische Spanien Francos stemmte, gegen die menschenverachtende Fratze des Nationalismus. Heute zeigt er uns mit musikalisch-lyrischer Raffinesse und Unerschütterlichkeit in der Stimme, dass es wichtiger denn je ist, für Menschlichkeit und Freiheit einzustehen. Ich gratuliere herzlich zum Hermann Kesten-Preis.“

Die Verleihung des Hermann Kesten-Preises 2023 findet am 15. November um 19 Uhr im Karolinensaal in Darmstadt statt.

Joan Manuel Serrat ist ein musikalisch-lyrischer Klangpoet, ein poetisch-musikalischer Widerständler; ein Troubadour der resistencia, der selber ins Exil gehen musste, weil er für Demokratie und Freiheit seelenbrannte; ein Verteidiger der Freiheit des Wortes in Spanien, Europa und Südamerika und der darüber hinaus über viele Jahre hinweg verbotene Dichter wie Antonio Machado, Miguel Hernández, Rafael Alberti oder Mario Benedetti ins Populäre des Widerstands nachdichtete, vertonte und sang. Ein Poet der Stimme! Auch eigener Texte, die den Menschen umarmen. Seine Universalkunst sucht seinesgleichen. Allein sein Lied Mediterráneo könnte aktueller nicht sein. Serrat ist ein großer Europäer eigenen Ranges, der genau jenes Europa des Widerstandes zum Ausdruck bringt, das im Nichtsdestotrotz Hoffnung sät: kompromisslos, entschieden standhaft wider jeglichen Nationalismus, mit dem jeder Krieg beginnt; ein visionärer Europäer, der eine Kultur des Friedens prägt, in der die Würde, la dignidad, das Rückgrat des Zusammenlebens meint.

Der Hermann Kesten-Preis würdigt Persönlichkeiten, die sich im Sinne der Charta des internationalen PEN in besonderer Weise für verfolgte und inhaftierte Schriftsteller und Journalistinnen einsetzen. Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehören Günter Grass, Anna Politkowskaja, Liu Xiaobo, Can Dündar, Gioconda Belli, Philippe Lançon sowie Meena Kandasamy. Erstmals im Jahr 2000 stiftete das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro. 2022 hob das Ministerium seine Förderung für den Preis auf 20.000 Euro an.

Sir Salman Rushdie wird Ehrenmitglied des deutschen PEN-Zentrums

Sir Salman Rushdie bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse 2015  © Foto Diether von Goddenthow
Sir Salman Rushdie bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse 2015 © Foto Diether von Goddenthow

Darmstadt, 13. August 2022. Immer vertrat er die Meinungsfreiheit, auch die seiner Gegner. Neun Jahre lebte er in wechselnden Verstecken, zwanzig Jahre als ein Schriftsteller in New York, der nicht länger hinter der politischen Figur verschwinden wollte, der sich frei und ohne Bodyguards bewegte und erstaunlich gelassen mit der konstanten, jahrelangen Bedrohung umging. Nun wurde Salman Rushdie bei einer Lesung von dem 24-jährigen Hadi Matar aus New Jersey mit einem Messer völlig überraschend attackiert und schwer verletzt.

Der Valentinstag 1989, war für ihn der Tag, der sein Leben in ein „Vorher“ und „Nachher“ teilte; der Tag, an dem der greise Ayatollah Khomeini die Fatwa, den Bann über den Roman „Die Satanischen Verse“ und ihren Autor aussprach, um vom sieglosen Krieg gegen den Irak abzulenken. Was dann folgte, war für den indisch-britischen Schriftsteller fast eine Dekade lang ein Leben im Luxus-Käfig: Sicherheit lernen, 24-Stunden-Personenschutz, immer neue Adressen suchen, immer andere Wohnungen mieten, Begegnungen mit Freunden, Frauen, der Familie, dem Sohn, Undercover, ein Leben in Tarnung. Erst mit dem Umzug nach New York lebte Rushdie eine neue Freiheit.

Inwieweit der Anschlag durch die noch immer bestehende Fatwa ausgelöst wurde, ist nicht belegt, aber wahrscheinlich. Fakt ist, dass der Bann Hass schürte und bis heute gilt.

Salman Rushdies über zwei Dutzend Romane, seine Sachbücher und Essays hingegen stehen für Toleranz, Meinungsfreiheit und Wahrheitssuche, gegen religiöse Fanatiker, Islamisten, Trumpisten und Covid-Leugner. „Die Wahrheit liegt in der Fiktion“, sagte Rushdie in einem Interview und: Literatur erzähle vom Wesen des Menschen, davon, wie wir und unsere Gesellschaften beschaffen seien.

Das deutsche PEN-Zentrum verurteilt die Attacke als perfiden Gewaltakt auf Salman Rushdie, die Meinungsfreiheit und die westlichen Werte und ernennt – in großer Sorge –Sir Salman, den ehemaligen PEN-Präsidenten der USA, zum Ehrenmitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
(PEN-Zentrum Deutschland e.V)

PEN-Zentrum feiert „100 Jahre Freiheit des Wortes“ – Alexander Pfeiffer liest Texte aus der Werkstatt – Literaturhaus Villa Clementine Wiesbaden

© Foto Diether v Goddenthow
© Foto Diether v Goddenthow

Im Jahr 2021 begeht die Schriftstellervereinigung PEN ihr hundertjähriges Jubiläum und veranstaltet unter dem Motto „100 Jahre Freiheit des Wortes“ die Reihe „Lesungen in allen Himmelsrichtungen“ mit literarischen Veranstaltungen in ganz Deutschland. Am Mittwoch, 3. November, ist der Wiesbadener Autor Alexander Pfeiffer in diesem Rahmen im Literaturhaus Villa Clementine zu Gast. Um 19:30 Uhr liest er aus einem noch unveröffentlichten Roman, der während des ersten Lockdowns 2020 fertiggestellt wurde und sich thematisch mit den langen Schatten der RAF befasst. Mit Jutta Schubert, ebenfalls Wiesbadener Schriftstellerin, spricht er in einem Werkstattgespräch darüber, was Pandemie und Lockdown für das Schreiben und die Schreibenden bedeuteten und immer noch bedeuten. Im Literaturhaus Villa Clementine gilt die 2G-Regel, tagesaktuelle Informationen sind auf der Website des Literaturhauses unter www.wiesbaden.de/literaturhaus zu finden. Veranstaltet wird der Abend vom PEN-Zentrum Deutschland und dem Literaturhaus Villa Clementine in Kooperation mit dem Deutschen Literaturfonds. Darüber hinaus gibt es Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von „Neustart Kultur“.

Zeit und Ort:
Mi 03.11.2021, 19:30 Uhr
Literaturhaus Villa Clementine, Frankfurter Str. 1, 65189 Wiesbaden
€ 8 / erm. € 5 zzgl. VVG. Es gibt eine Abendkasse! Es gilt die 2G-Regel!

Kartenvorverkauf:
Tourist-Information Wiesbaden, Marktplatz 1, Telefon: 0611 / 1729-930;
Online unter www.wiesbaden.de/literaturhaus

100. Todestag: PEN erinnert an Oskar Panizza und die Folgen seiner antikatholischen Satire Publikation „Das Liebeskonzil“

Oskar Panizza Liebeskoncil-Cover-1894Darmstadt, 27. September 2021. Anlässlich des 100. Todestages von Oskar Panizza (12.11.1853 – 28.09.1921) möchte das deutsche PEN-Zentrum an das Schicksal des Schriftstellers und Publizisten erinnern. Die Veröffentlichung seiner satirischen Himmelstragödie „Das Liebeskonzil“ führte dazu, dass Panizza 1895 vom Münchner Landgericht wegen „Blasphemie“ zu einem Jahr Einzelhaft verurteilt wurde.

Kein anderer Autor wurde im Deutschen Kaiserreich für eine Publikation jemals so schwer bestraft wie Oskar Panizza. Es handelte sich damals um einen politisch motivierten Prozess, der uns bis heute daran erinnert, dass die Kunst- und Meinungsfreiheit ein Grundrecht ist, das es auch in der Gegenwart zu schützen und zu verteidigen gilt. Oskar Panizza verließ das Amberger Gefängnis als gebrochener Mann und wurde von der Justiz später aufgrund von „Majestätsbeleidigung“ erneut verhaftet und für unzurechnungsfähig erklärt. Bis heute ist Oskar Panizza ein verfemter Autor geblieben. In keiner deutschen Stadt scheint es eine nach ihm benannte Straße zu geben. Es wäre ein schönes Zeichen, wenn sich wenigstens seine Geburtsstadt Bad Kissingen entschließen könnte, eine Straße nach ihrem berühmten Sohn zu benennen.

Für das deutsche PEN-Zentrum ist der Fall Panizza ein mahnendes Beispiel dafür, sich weltweit für verfolgte Journalisten und Schriftstellerinnen einzusetzen. Die Freiheit des Wortes ist ein unverzichtbares Menschenrecht, sei es in Belarus, in der Türkei oder in Saudi-Arabien. Wir werden weiterhin unsere Stimme für die Meinungsfreiheit erheben und haben in der jüngsten Vergangenheit inhaftierte Autoren und Autorinnen wie Pham Doan Trang, Ahmed Mansoor, Selahattin Demirtaş oder Raif Badawi zu Ehrenmitgliedern des deutschen PEN-Zentrums ernannt und fordern deren sofortige und bedingungslose Freilassung.

(PEN-Zentrum Deutschland e.V.)

PEN-Zentrum Deutschland schlägt polnischem PEN gemeinsamen ständigen Rat vor: Grenzen überwinden für die europäische Idee

 Darmstadt, 27. Juli 2021. Das PEN-Zentrum Deutschland und die Kolleginnen und Kollegen des polnischen PEN betonen anlässlich des dreißigjährigen Bestehens des Nachbarschaftsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen in einem offenen Briefwechsel, wie wichtig die deutsch-polnische Freundschaft für die gemeinsame europäische Idee ist und welche enormen Verpflichtungen aus dieser erwachsen.

In seinem Antwortschreiben schlägt das PEN-Zentrum Deutschland seinen polnischen Kolleginnen und Kollegen daher die Gründung eines gemeinsamen ständigen Rates der beiden PEN-Zentren vor, der sich regelmäßig trifft und deutlich hörbar Stellung bezieht zu den Themen, die im Zentrum der gemeinsamen Arbeit stehen und die in der PEN-Charta fixiert sind. Ein solcher gemeinsamer Rat wäre ein wichtiger Teil der Freundschaft, die sich auch als deutsch-polnische Verantwortungsgemeinschaft versteht.

„Wir sind mit Ihnen der Meinung, dass es gerade die Autorinnen und Autoren unserer beider Länder sind, denen die Verantwortung zukommt, sich mit aller Macht gegen die zu stellen, die die Demokratie auszuhöhlen versuchen, indem sie etwa die Axt an das Grundprinzip der Gewaltenteilung legen. Es ist auch unsere Aufgabe, denen entschieden entgegen zu treten, die Wahrheit und Lüge verdrehen, um ihre Ziele zu erreichen: Gerade wir als Schriftstellerinnen und Schriftsteller wissen nur zu gut, welche Macht Fiktionen entwickeln können, wenn sie nicht mehr im Dienste einer höheren Erkenntnis und Wahrheit stehen“, so PEN-Präsidentin Regula Venske und der frühere PEN-Vizepräsident Sascha Feuchert in ihrem Antwortschreiben. „Die grundsätzliche Idee des PEN, die uns alle vereint, ist, dass Literatur eine gemeinsame Währung aller Menschen ist, eine, die Grenzen zu überwinden im Stande ist. In Zeiten, in denen der Frieden und die Demokratie gefährdet sind und erneut Nationalismen erstarken, ist es unsere Pflicht, uns zusammenzutun und gemeinsam zu agieren, damit unsere Stimmen noch deutlicher gehört werden.“

Der offene Brief des polnischen PEN findet sich unter http://penclub.com.pl/2021/06/21/list-otwarty-polskiego-pen-clubu-do-niemieckiego-pen-clubu/, dessen deutsche Übersetzung sowie das Antwortschreiben des PEN-Zentrums Deutschland lassen sich im Wortlaut der Anlage entnehmen.

PEN unterstützt Appell der Kulturinitiative 21: Soforthilfen für Solo-Selbständige, Freiberufler und Künstlerinnen sind nachzubessern

© Foto Diether v. Goddenthow-
© Foto Diether v. Goddenthow-

Darmstadt, 27. Januar 2021. Das PEN-Zentrum Deutschland unterstützt die Forderung der Kulturinitiative 21 an die deutsche Politik, Soforthilfen für Solo-Selbständige, Freiberufler und Künstlerinnen um pauschal 1.180,00 € pro Monat als Lebenshaltungskosten für den Zeitraum der Pandemie und ihrer Folgen im Soforthilfeprogramm „Neustart Kultur“ nachzubessern.

„Es ist dringend geboten, dass die Politik hier, wie bei anderen Themen und Maßnahmen auch, von denjenigen lernt und Rat annimmt, die etwas von einem Thema verstehen. Leider aber sind die ‚Tüftler und Erfinder, Riskierer und Probierer, Künstler, Lebenskünstler und Überlebenskünstler‘, wie es kürzlich im Checkpoint des Tagesspiegel treffend formuliert war, derzeit ‚abgemeldet, mindestens bis zur ersten postpandemischen Sonntagsrede‘“, so PEN-Präsidentin Regula Venske. Zurecht weise der Offene Brief darauf hin, dass die Unterbreitung weiterer Hilfsangebote, die nicht bei denen durch die Krise Geschädigten ankommen, „verantwortungslos und volkswirtschaftlich fatal“ sei.

Kernforderungen des Aufrufs:

– vorbehaltloses Fixum von 1.180.- € monatlich für das ganze Jahr 2021 und eventuell darüber hinaus.

– reale Berücksichtigung der sehr heterogenen Lebenssituationen und diffizilen Einkommensverhältnissen

– Aussetzung und ggfs. Überarbeitung der Mitgliedschaftsvoraussetzungen in der KSK

Zu den Initiatoren und Erstunterzeichnern des Briefes gehören Vorstandsmitglieder des VS in ver.di, die Präsidentin des European Writers‘ Council (EWC) Nina George, Autorinnen, Kulturberater, Musikerinnen und Schauspieler.

Kulturinitiative 21

Hinrichtung des iranischen Bloggers und Oppositionellen Ruhollah Zam: PEN fordert Straßenumbenennung in Berlin

Darmstadt, 15. Dezember 2020. Das deutsche PEN-Zentrum ist zutiefst entsetzt über die Hinrichtung des iranischen Journalisten und Oppositionellen Ruhollah Zam. Die Ermordung des Regimekritikers muss diplomatische und wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Darüber hinaus regt der PEN an, den Teil der Podbielskiallee, an der sich die Iranische Botschaft befindet, also jenen Teil südöstlich der Koserstraße, in Ruhollah-Zam-Allee umzubenennen.

„Wir bitten den Berliner Senat eindringlich, sich diese Idee zu eigen zu machen und eine solche Umbenennung schnellstmöglich zu veranlassen, damit fortan jedes Schreiben an die Iranische Botschaft mit der Adresse Ruhollah-Zam-Allee an dieses abscheuliche Verbrechen erinnert“, so Vizepräsident Leander Sukov.

Ruhollah Zam lebte im französischen Exil und gehörte zu den wichtigsten iranischen Dissidenten. Er betrieb die Internet-Plattform „Amadnews“, die mehr als eine Million Follower verzeichnet. Wiederholt hatte er das Mullah-Regime kritisiert und auch die Wiederwahl von Mahmud Ahmadinedschad aufgrund von Wahlfälschung angezweifelt. Zam wurde letztes Jahr von den iranischen Revolutionsgarden in das Nachbarland Irak gelockt, dort entführt und in den Iran verschleppt. Ein Revolutionsgericht in Teheran verurteilte ihn im Juni 2020 in einem Schauprozess zum Tode. Zam wurde vorgeworfen, gegen die iranische Führung Propaganda betrieben und Menschen zu teilweise gewaltsamen Protesten aufgerufen zu haben. Nachdem der Oberste Gerichtshof das Urteil am 8. Dezember 2020 bestätigt hatte, wurde die Strafe vier Tage später vollstreckt.
Wir danken der Bundesregierung für die klaren Worte der Verurteilung dieser Hinrichtung und das eindeutige Bekenntnis zur Meinungs- und Pressefreiheit, die auch für den Iran angemahnt wird. Doch dieser barbarische Akt bedarf weiterreichender Konsequenzen.

Ralf Nestmeyer
PEN-Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragter
PEN-Zentrum Deutschland e.V.,
Kasinostr. 3,
64293 Darmstadt

Daniel Kehlmann, Karen Köhler und Juan Moreno als neue PEN-Mitglieder zugewählt

Wie das PEN-Zentrum Deutschland e.V. mitteilt, wurden 41 Autorinnen und Autoren – vorbehaltlich ihrer Unterzeichnung der Charta des internationalen PEN – neu in das PEN-Zentrum Deutschland aufgenommen, darunter die mit dem Kurt Sigel-Lyrikpreis des deutschen PEN 2020 ausgezeichnete Dichterin Claudia Gabler, der Schriftsteller und Literaturkritiker Daniel Kehlmann, die Schriftstellerin, Dramatikerin und Schauspielerin Karen Köhler, der Journalist Juan Moreno, welcher den Fälschungsskandal beim Magazin „DER SPIEGEL“ aufgedeckt hat, der Schriftsteller Frank Schätzing sowie die Kulturjournalistin Cornelia Zetzsche.

„Wir haben im vergangenen Jahr um manchen verstorbenen PEN-Freund und Weggefährten getrauert, darunter der langjährige Generalsekretär Wilfried F. Schoeller und der ehemalige PEN-Präsident Karl Otto Conrady, Günter de Bruyn und Guntram Vesper. Unser Verein lebt vom Renommee und dem Einsatz unserer Mitglieder. Ich freue mich, so viele großartige Kolleginnen und Kollegen neu im deutschen PEN begrüßen zu dürfen, und hoffe auf einen regen Austausch und gute Begegnungen, spätestens bei unserer Jahrestagung Anfang Juli in Hamburg – dann hoffentlich auch wieder ganz altmodisch analog“, so PEN-Präsidentin Regula Venske.

PEN-Zentrum Deutschland e.V.,
Kasinostr. 3,
64293 Darmstadt

„Die Trennlinie verläuft zwischen Demokraten und Nicht-Demokraten, gleich welchen Glaubens, gleich welcher Nationalität“: Statement der PEN-Präsidentin Regula Venske zum Mord an Samuel Paty

Darmstadt, 29. Oktober 2020. Das PEN-Zentrum Deutschland trauert um den am 16. Oktober 2020 in Conflans-Sainte-Honorine ermordeten französischen Lehrer Samuel Paty. Wir sind entsetzt über die Verlautbarungen seitens des türkischen Präsidenten Erdoğan, der Führung der Islamischen Republik Iran und anderer despotischer Regime in der islamischen Welt, die ihre Bevölkerung derzeit gegen Frankreich und dessen Präsidenten Macron aufhetzen. Statt den abscheulichen Mord an einem Lehrer zu verurteilen, protestieren sie gegen die von der französischen Verfassung garantierten Rechte und Freiheiten und gegen die Menschenrechte. Ihr Angriff auf die Freiheit der Meinungsäußerung, auf Rede-, Religions- und Kunstfreiheit stellt einen Angriff auch auf unser Grundgesetz und den laizistischen Rechtsstaat dar.

„Die Idee der liberalen Demokratie und die Grundwerte der Aufklärung können von dem Recht, intellektuelle Kritik zu üben und Satire zu veröffentlichen, nicht getrennt werden“, schrieb der Philosoph Carlo Strenger in seinem Essay „Zivilisierte Verachtung. Eine Anleitung zur Verteidigung unserer Freiheit“; „dass dabei mitunter die Gefühle der Kritisierten verletzt werden, lässt sich nun mal nicht vermeiden …“

Auf den Punkt brachte dies auch Zineb El Rhazoui, die als Redakteurin der französischen Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo dem Anschlag durch islamistische Terroristen am 7. Januar 2015 nur zufällig entkam. Es gebe wohl ein Recht auf freie Meinungsäußerung, sagte sie bei der Writers-in-Prison-Tagung des internationalen PEN im Mai 2015 in Amsterdam; vom Recht darauf, sich nicht beleidigt zu fühlen, habe sie hingegen noch nie gehört. Die einzige Lebensform, die es ermögliche, dass Menschen in derselben Gesellschaft zusammenleben können, auch wenn sie verschieden sind, sei der Säkularismus.

Als Teil des internationalen PEN setzen wir uns im PEN-Zentrum Deutschland für verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller ein. Die Freiheit des Wortes, die Freiheit der Kunst sind kostbare Güter, die es zu bewahren, zu schützen und zu verteidigen gilt, jeden Tag aufs Neue. Dabei verläuft die Trennlinie nicht zwischen Franzosen, Iranern, Türken oder Deutschen. Sie verläuft nicht zwischen Christen, Juden, Muslimen oder Atheisten. Die Trennlinie verläuft zwischen Demokraten und Nicht-Demokraten, gleich welchen Glaubens, gleich welcher Nationalität. Wir fordern die Verantwortlichen der in Deutschland agierenden Religionsgemeinschaften auf, sich klar zu unserem säkularen Rechtsstaat zu bekennen und sich in und mit ihren Gemeinden gegen Hetze und Gewalt zu verwahren und für ein friedliches Zusammenleben einzutreten.

PEN-Zentrum Deutschland e.V.,
Kasinostr. 3
64293 Darmstadt

Aufruf prominenter in der Die Welt: Morde von Nizza: Stoppen wir den politischen Islam! – WELT

Offener Brief von PEN-Präsidentin Regula Venske an das Team des HarbourFront Literaturfestivals, Petra Bamberger, Nikolaus Hansen und Heinz Lehmann, sowie des Nochtspeichers Hamburg

„Die  Ausladung der Kabarettistin Lisa Eckhart vom Debütantensalon des Harbour Front Literaturfestivals „ist der literarische Skandal des Jahres“. (NDR)  Unter anderem wird der 27-jährigen Kabarettistin vorgeworfen, sich bei ihren Auftritten antisemitisch zu äußern. Zudem könne wegen Gewaltandrohungen linksextremer Gruppen gegen Lisa Eckhart die Sicherheit der Veranstaltung nicht gewährleisten werden. Erst, nachdem am 5.8.2020 Dieter Nuhr, selbst bisweilen  öffentlich zur Persona non grata erklärt, sich kompromisslos hinter seine Kollegin stellte, und FAZ-Redakteur Michael Hanfeld („Wir weichen der Gewalt, 7.8.2020“) Nuhr zustimmend zitierte, regte sich breiter öffentlicher Protest, trauten sich auch andere,   Gesicht für die Meinungsfreiheit zu zeigen.

Dieter Nuhr
„Was für ein Skandal! Der Protestmob auf der Straße entscheidet also darüber, wer hier bei uns seine Kunst ausüben darf.“, so Nuhr auf Facebook. Wir müssten „nun endlich darüber diskutieren, was Freiheit der Rede heute noch bedeutet. Wer Lisa Eckart Antisemitismus vorwirft, muss entweder geistesgestört sein oder böswillig. Ich fürchte, bei einigen ist es eine Mischung aus beidem.“ Der linke und der rechte Mob wünsche sich offenbar nun eine Kunst, die linientreu den eigenen Ideologien folge, so Nuhr weiter. Und wer da nicht reinpasse, werde mundtot gemacht. „Das Auftrittsverbot ist eine klare Entscheidung gegen die künstlerische Freiheit. Die fadenscheinige Begründung Antisemitismus soll das Ganze moralisch untermauern. Aber Lisa Eckart ist keine Antisemitin. Sie ist nur nicht links genug. Der Vorwurf des Antisemitismus ist lediglich der perfide Versuch, eine politisch verdächtig eigenständig denkende Person zu diskreditieren.Nun schreckt man heute selbst vor totalitären Maßnahmen wie einem Auftrittsverbot nicht mehr zurück. Dem muss entgegengesteuert werden. Die Absage macht mich fassungslos.“ https://www.facebook.com/nuhr.de/?pageid=113781618677139&ftentidentifier=3314220251966577&padding=0

Der Leiter des Festivals, Nikolaus Hansen, bedauerte gegenüber dem NDR diese Entscheidung. „Wir haben uns in den letzten Tagen sehr viele Gedanken gemacht, wie wir die Situation in ihrer Verfahrenheit retten und auflösen können. Zumal wir, und das will ich immer wieder betonen, Lisa Eckhart nicht ausgeladen haben, weil wir Bedenken hatten, sondern weil es um Sicherheitsfragen und den fairen Wettbewerb ging.“ Gleichzeitig habe das Festival, wie es „aus gegebenen Anlass“ auf seiner  Website mitteilt, „die Einladung an Lisa Eckhart zur Teilnahme am ‚Debütantensalon‘ in der gewohnten Form, aber an anderem Ort, erneuert“ und bedauert, dass die österreichische Kabarettistin und Autorin Lisa Eckhart und ihr Verlag die Teilnahme am diesjährigen „Debütantensalon“ ihrerseits abgesagt haben. (08.08.2020 Aus gegebenem Anlass)
Auch Autor Sascha Reh, der sich mit Lisa Eckhard solidarisch zeigte, und seine Teilnahme zurückgezogen hat, da auch sein „Text ebenfalls an der political correctness kratze und er sich von der Hasenfüßigkeit mitbetroffen fühle (NDR).

Offener Brief von PEN-Präsidentin Regula Venske an das Team des HarbourFront Literaturfestivals

Am 10.08.2020 bezog  Deutschlands prominentester Schriftsteller-Verband,  das deutsche PEN-Zentrum, in einem öffentlichen Brief seiner Präsidentin Regula Venske klare Position:

Liebe Verantwortliche von Nochtspeicher und Harbour Front Literaturfestival,

im Pressestatement des Nochtspeichers zur Ausladung der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart durch das HarbourFront Festival heißt es: „Wir begrüßen, daß die Ausladung Lisa Eckharts vom Harbour Front Literaturfestival zu einer öffentlichen Debatte führt, diese gesellschaftliche Debatte ist überaus wichtig, um der bedrohlich um sich greifenden ‚Cancel Culture‘ Einhalt zu gebieten. Es ist alarmierend, wenn Künstler unter dem Damoklesschwert der sozialen Ächtung arbeiten oder sogar eine ‚Kontaktschuld‘ durch einen gemeinsamen Auftritt mit einer unliebsamen Person befürchten müssen; wenn Auftritte gesprengt oder gewaltsam verhindert werden.“

Nikolaus Hansen hat darüber hinaus die „verflucht komplexe Gemengelage für alle“, die zu dieser Entscheidung geführt habe, auf DLF Kultur erläutert. Wir kennen und schätzen uns in Hamburg nun schon seit vielen Jahren, und ich weiß, dass Euch die Literatur und die Meinungsfreiheit am Herzen liegen. Wie viele andere aber bin ich ob der Ausladung Lisa Eckharts bestürzt. Das kann und darf nicht die Ultima Ratio in dieser Angelegenheit sein! Ob die Gewalt von rechten oder linken Extremisten, von religiösen Eiferern oder Psychopathen angedroht wird: Wir dürfen uns ihr nicht in vorauseilendem Gehorsam beugen. Es mag sein, dass der Nochtspeicher unter den gegebenen Umständen nicht der geeignete Ort für diese Veranstaltung ist, es mag auch sein, dass man jetzt nicht alle geplanten Tandem-Lesungen verschieben kann. Aber wir haben, zumal in den vergangenen Monaten, gelernt, dass es auch ein Internet gibt und dass man die Kandidatin zum Beispiel per Online-Schalte einbeziehen könnte.

Übrigens geht es auch nicht an, dass sich für einen Preis Nominierte ihre Konkurrenten selbst aussuchen. Wer mit einem Kollegen, einer Kollegin nicht auftreten will, muss selbst zu Hause bleiben und kann nicht dem Veranstalter vorschreiben, mit wem er oder sie zu lesen bereit ist oder wer weiter im Rennen bleiben darf.

Die Beschwichtigung, es handle sich hier nicht um Zensur, Frau Eckhart könne ja an anderen Veranstaltungsorten oder auch im Fernsehen auftreten, greift – pardon, lieber Niko – zu kurz.
Es gibt vielfältige Formen von Zensur, klassisch durch staatliche Obrigkeit, moderner (aber vielleicht nicht einmal das) durch organisierte Kriminalität und/oder politischen Terror, verschärft in beiden Fällen durch die Duldung und Straflosigkeit seitens eines handlungsunfähigen Staates. Und, noch moderner, durch ‚Volksabstimmung‘ im Internet.

Im Dezember 1930 wurde die Premiere von „Im Westen nichts Neues“ nach dem Roman von Erich Maria Remarque derart massiv gestört, dass die Vorstellung schließlich abgebrochen werden musste. Verantwortlich waren damals nationalsozialistische Schlägertrupps. Am Ende machte sich die Oberprüfstelle die nationalsozialistische Argumentation zu eigen und verhängte ein Aufführungsverbot. Übrigens beklagte Heinrich Mann, der in den 1920er Jahren in mehreren Essays gegen Zensur Stellung bezog, dass sich das wilhelminische liberale Bürgertum viel stärker dagegen zur Wehr gesetzt hätte als es das Publikum der Weimarer Republik tat.

Wo wollen wir uns heute verorten?

Nun ist Lisa Eckhart nicht Erich Maria Remarque, aber darum geht es auch nicht. Gerade am Umgang mit ‚trivialeren‘ Kunsterzeugnissen zeigt sich, wie es um Demokratie und Meinungsfreiheit steht. Sie sind der Testfall, und das Publikum braucht auch sie, um sich in Kritik zu üben und Kategorien der Beurteilung auszubilden. Derzeit geistert das Wort ‚Figurenrede‘ durchs Internet. Das Bewusstsein dafür scheint in der Tat verloren zu gehen. Gut wäre z. B. ein Vergleich mit einem Vorgänger Lisa Eckharts, der für diese Gruppe jüngerer Comedians, zu denen sie gehört, Maßstab sein könnte: Serdar Somuncu. Wenn Somuncu den Fascho gibt und aus Hitlers ‚Mein Kampf‘ liest, so gelingt es ihm, die Bühnenfigur, die er abgibt, gleichzeitig zu dekonstruieren. Eine solche Dekonstruktion sehe ich bei Eckhart nicht. Darüber könnte man diskutieren.

Wer von den acht Nominierten am Ende mit einem Preis ausgezeichnet wird, entscheidet die Jury, nach Diskussion, so hoffe ich, und nicht im Faustkampf. Und auch das Publikum muss sich mit Argumenten, d.h. mit Worten auseinandersetzen. Gewaltandrohungen zählen nicht dazu. Im Übrigen sind für den Straftatbestand der Volksverhetzung, die manche hier vermuten, unsere Justiz und für jugendgefährdende Medien die Bundesprüfstelle zuständig. Traurig genug, dass an den Rändern unserer Gesellschaft kein Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat besteht. Wir aber sollten ihn verteidigen.

Ich begrüße daher, dass Ihr Lisa Eckhart nunmehr einen Vorschlag unterbreitet habt, wie sie weiter im Wettbewerb um den Klaus-Michael Kühne-Preis bleiben kann, und hoffe, Ihr findet eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung.

Für das PEN-Zentrum Deutschland
Herzlich, Eure
Regula Venske
Präsidentin

Informationen zum Pen-Zentrum
Das PEN-Zentrum Deutschland tritt ein für die Freiheit des Wortes. Wir sind Mitglied des PEN International, in dem über 150 Schriftstellerorganisationen aus mehr als 100 Nationen vereinigt sind.