„Die Trennlinie verläuft zwischen Demokraten und Nicht-Demokraten, gleich welchen Glaubens, gleich welcher Nationalität“: Statement der PEN-Präsidentin Regula Venske zum Mord an Samuel Paty

Darmstadt, 29. Oktober 2020. Das PEN-Zentrum Deutschland trauert um den am 16. Oktober 2020 in Conflans-Sainte-Honorine ermordeten französischen Lehrer Samuel Paty. Wir sind entsetzt über die Verlautbarungen seitens des türkischen Präsidenten Erdoğan, der Führung der Islamischen Republik Iran und anderer despotischer Regime in der islamischen Welt, die ihre Bevölkerung derzeit gegen Frankreich und dessen Präsidenten Macron aufhetzen. Statt den abscheulichen Mord an einem Lehrer zu verurteilen, protestieren sie gegen die von der französischen Verfassung garantierten Rechte und Freiheiten und gegen die Menschenrechte. Ihr Angriff auf die Freiheit der Meinungsäußerung, auf Rede-, Religions- und Kunstfreiheit stellt einen Angriff auch auf unser Grundgesetz und den laizistischen Rechtsstaat dar.

„Die Idee der liberalen Demokratie und die Grundwerte der Aufklärung können von dem Recht, intellektuelle Kritik zu üben und Satire zu veröffentlichen, nicht getrennt werden“, schrieb der Philosoph Carlo Strenger in seinem Essay „Zivilisierte Verachtung. Eine Anleitung zur Verteidigung unserer Freiheit“; „dass dabei mitunter die Gefühle der Kritisierten verletzt werden, lässt sich nun mal nicht vermeiden …“

Auf den Punkt brachte dies auch Zineb El Rhazoui, die als Redakteurin der französischen Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo dem Anschlag durch islamistische Terroristen am 7. Januar 2015 nur zufällig entkam. Es gebe wohl ein Recht auf freie Meinungsäußerung, sagte sie bei der Writers-in-Prison-Tagung des internationalen PEN im Mai 2015 in Amsterdam; vom Recht darauf, sich nicht beleidigt zu fühlen, habe sie hingegen noch nie gehört. Die einzige Lebensform, die es ermögliche, dass Menschen in derselben Gesellschaft zusammenleben können, auch wenn sie verschieden sind, sei der Säkularismus.

Als Teil des internationalen PEN setzen wir uns im PEN-Zentrum Deutschland für verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller ein. Die Freiheit des Wortes, die Freiheit der Kunst sind kostbare Güter, die es zu bewahren, zu schützen und zu verteidigen gilt, jeden Tag aufs Neue. Dabei verläuft die Trennlinie nicht zwischen Franzosen, Iranern, Türken oder Deutschen. Sie verläuft nicht zwischen Christen, Juden, Muslimen oder Atheisten. Die Trennlinie verläuft zwischen Demokraten und Nicht-Demokraten, gleich welchen Glaubens, gleich welcher Nationalität. Wir fordern die Verantwortlichen der in Deutschland agierenden Religionsgemeinschaften auf, sich klar zu unserem säkularen Rechtsstaat zu bekennen und sich in und mit ihren Gemeinden gegen Hetze und Gewalt zu verwahren und für ein friedliches Zusammenleben einzutreten.

PEN-Zentrum Deutschland e.V.,
Kasinostr. 3
64293 Darmstadt

Aufruf prominenter in der Die Welt: Morde von Nizza: Stoppen wir den politischen Islam! – WELT