goEast Festival des mittel- und osteuropäischen Films
Filme von Freitag, 22., bis Mittwoch, 27. April, im Kino des Deutschen Filmmuseums
Beeindruckende Autorenfilme, politisch engagiertes Kino und Genrewerke mit dem gewissen Etwas: Bei goEast Festival des mittel- und osteuropäischen Films ist Vielfalt Programm. Von Mittwoch, 20., bis Dienstag, 26. April, zeigt das vom Deutschen Filminstitut veranstaltete Festival zum 16. Mal filmische Perlen aus dem Osten Europas. Das Herzstück des Programms bildet dabei der Spiel- und Dokumentarfilmwettbewerb, der eine Auswahl der aktuell besten Produktionen Mittel- und Osteuropas präsentiert. Im Deutschen Filmmuseum sind von Freitag, 22., bis Mittwoch, 27. April, die zehn Spielfilmbeiträge und ein weiterer Festivalbeitrag als Nachspiel zu sehen. Unter anderem wartet das Festivalprogramm mit blutsaugenden Meerjungfrauen, einer romantischen Schtetl-Jugendliebe und einem einstigen Schauspielstar in tiefer Sinnkrise auf. Die gemeinsame Schnittmenge dieser Filme ist ihre bestechende Kreativität. Oft kritisch, tragen sie eine ganz eigene Handschrift. Auch nach dem Kinobesuch bleiben sie im Kopf und laden zum Nachdenken und Diskutieren ein.
Das trifft auch auf den zusätzlichen Festivalbeitrag BLÍZKÝ DALEKÝ VÝCHOD zu, der die Festivalbesucher/innen auf eine Reise durch die Ukraine der Gegenwart mitnimmt. Vielerorts ist das Leben dort weiterhin vom Krieg bestimmt, auch wenn der Rückgang an aktueller Berichterstattung das nicht vermuten lässt. goEast präsentiert den Dokumentarfilm als Beitrag gegen das Vergessen und als Zeichen der Solidarität mit dem in Russland inhaftierten ukrainischen Filmemacher Oleg Sentsov.
Freitag, 22.04.2016, 18:00 Uhr
BLÍZKÝ DALEKÝ VÝCHOD Naher Ferner Osten
Tschechische Republik 2015. R: Filip Remunda. 70 Min. DCP. OmU.
Der tschechische Dokumentarfilmemacher Filip Remunda macht sich mit Tania aus Transkarpatien auf in die Ukraine, ein Land, mit dem er in vielerlei Hinsicht verbunden ist. Die filmische Reise dauert ein Jahr. Unterwegs treffen die Filmemacher eine Reihe von Menschen: Tanias Familie in der Westukraine, Journalisten aus Luhansk, aber auch Lehrerinnen und Fabrikarbeiter im Donbass. Aufnahmen emotional geführter Diskussionen reihen sich an Bilder von national-militaristisch geprägten Schönheitswettbewerben und zerbombten Häusern. Mit viel Empathie und Reflektion porträtiert der Regisseur ein von Krieg zerfressenes Land.
Freitag, 22.04.2016, 22:30 Uhr
CÓRKI DANCINGU Sirenengesang
Polen 2015. R: Agnieszka Smoczynska.
D: Kinga Preis, Michalina Olszanska, Marta Mazurek. 92 Min. DCP. OmeU.
Ende der 1980er Jahre sind Golden und Silver die Stars eines schäbigen Warschauer Nachtclubs. Ihre Reize kommen nicht von ungefähr sind sie doch männerfressende Sirenen, deren Beine sich bei Berührung mit Wasser in imposante Fischschwänze verwandeln. Während Golden buchstäblich nicht von Menschenfleisch lassen kann, verliebt sich die naive Silver in Mietek, den Bassisten des Clubs. Aber auf Meerjungfrauen, die sich in Menschen verlieben, warten einige Herausforderungen… Der beeindruckende Genre-Mix aus Coming-of- Age, Horror und Fantasy gespickt mit Musical- Elementen lässt die schillernde polnische Tanzclubkultur der 80er wieder auferstehen
Zu Gast: Marta Mazurek (Schauspielerin, angefragt)
Samstag, 23.04.2016, 16:00 Uhr
BOPEM
Kasachstan 2015. R: Zhanna Issabayeva. D: Ruslan Abibullayev, Bekarys Abdigappar. 77 Min. DCP. OmeU.
Als Kind wurde Rayan Zeuge, wie seine Mutter von einem Auto überfahren wurde. Mit ihrem Tod verschwand auch der Aralsee und verwandelte sich in eine staubige Wüste. Jetzt ist Rayan 14 Jahre alt und verbringt seine Tage auf einem Schiffswrack, wo er den Erinnerungen an die Mutter nachhängt. Als er erfährt, dass er nur noch drei Monate zu leben hat, beschließt er, sich zu rächen an dem Polizisten, der bei dem Unfall am Steuer saß, und seinem Vater, der sich für sein Schweigen bezahlen ließ. BOPEM zeichnet das eindrückliche Bild eines verlorenen Landstrichs in Kasachstan, Schauplatz einer ökonomischen und ökologischen Katastrophe.
Zu Gast: Zhanna Issabayeva (Regisseurin), Ilya Bisserov (Produzent)
Samstag, 23.04.2016, 18:00 Uhr
CZERWONY PAJAK Die Rote Spinne
Polen/Tschechische Republik 2015. R: Marcin Koszalka.
D: Filip Plawiak, Adam Woronowicz. 90 Min. DCP. polnisches OmU.
Krakau, im Winter 1967: Auf einem Jahrmarkt findet der junge Student und Turmspringer Karel Kremer ein gerade erst ermordetes Kind, ein weiteres Opfer des Serienmörders „Rote Spinne“. Doch anstatt zur Polizei zu gehen, heftet sich Karel selbst an die Fersen des Mörders … In seinem Spielfilmregiedebüt konzentriert sich Marcin Koszalka auf die Beziehungen zwischen den Charakteren und ihre Darstellung im jeweiligen Umfeld und distanziert sich zugleich von moralischen Fragestellungen. So erschafft Koszalka ein verstörendes Porträt der polnischen Gesellschaft unmittelbar vor den März-Unruhen von 1968.
Zu Gast: Filip Plawiak (Schauspieler, angefragt)
Sonntag, 24.04.2016, 18:00 Uhr
THE WAITING ROOM Der Warteraum
Bosnien und Herzegowina, Kanada 2015. R: Igor Drljaca. D: Jasmin Geljo, Filip Geljo. 92 Min. DCP. OmU.
Ein Familienvater sitzt am Steuer und fährt eine kroatische Küstenstraße entlang. Doch der Wagen ist festmontiert, die Landschaft eine Rückprojektion, die Familienmitglieder an seiner Seite sind Darsteller. DER WARTERAUM erzählt die Geschichte des alternden Schauspielers Jasmin, der im kanadischen Exil von Nebenrollen beim Film lebt, der erstarrt ist in der Trauer über den Verlust seiner Heimat, der Theaterkarriere im ehemaligen Jugoslawien und einem Familienidyll, das es nie gab. Doch Jasmin offenbart seine Trauer nicht, sondern kaschiert sie, indem er sie vor der Kamera anlegt wie eine Rolle, die er nur spielt.
Zu Gast: Igor Drljaca (Regisseur)
Sonntag, 24.04.2016, 20:30 Uhr
INSAIT Insight
Russland 2015. R: Aleksandr Kott. D: Aleksandr Yatsenko, Agrippina Steklova, Dmitri Mulyar. 92 Min. DCP. OmU.
Ein Mann spielt Tischtennis, fährt mit der Tram, steigt aus und stürzt in die Tiefe. Pavel Zuyev erblindet und ist nun auf seine anderen Sinne angewiesen. Essen, duschen und sich in der Wohnung zurechtfinden alles muss er neu lernen. Im örtlichen Krankenhaus begegnet er der Krankenschwester Nadezhda und findet durch sie zu neuem Lebenswillen. Nadezhda bedeutet im Russischen „Hoffnung“. Besteht Hoffnung für einen Neuanfang? Oder ist Pavel blind vor Liebe? In wunder bar kontrastierender Farbigkeit schwankt Aleksandr Kotts Drama zwischen Intimität und Distanz, Trauer und Freude, Verständnis und Abweisung. Im Wechselspiel von Licht und Schatten fällt das Erkennen schwer.
Zu Gast: Aleksandr Kott (Regisseur), Katia Filippova (Produzentin)
Montag, 25.04.2016, 18:00 Uhr
ORIZONT Orizont
Rumänien 2015. R: Marian Cri?an, D: Andras Hathazi, Rodica Lazar, Bogdan Zsolt. 93 Min. DCP. OmeU.
Malerisch ergießt sich das Licht über die kargen Hügel Transsilvaniens. Eine Straße schlängelt sich zwischen dichten Wäldern hindurch. An diesem Ort möchten Lucian und Andra mit ihrem Sohn und Andras Mutter als Pächter eines Hotels ein glückliches Leben im Wohlstand beginnen. Doch etwas stimmt nicht: Lucian sieht sich mit einem Mafia-Netzwerk konfrontiert, in das Holzarbeiter und lokale Polizei gleichermaßen verstrickt sind. Ioan Slavicis berühmte Erzählung „Die Glücksmühle“ über archaische Strukturen, Korruption und die Machtlosigkeit des Einzelnen verlegt Marian Cri?an als kafkaesken Albtraum ins Rumänien der Gegenwart.
Zu Gast: Marian Cri?an (Regisseur, angefragt)
Montag, 25.04.2016, 20:30 Uhr
NIKDY NEJSME SAMI Wir sind nie allein
Tschechische Republik/Frankreich 2016. R: Petr Václav. D: Karel Roden,
Lenka Vlasakova, Miroslav Hanus. 103 Min. DCP. tschechisches OmeU.
Eine Fernstraße zieht sich durch einen kleinen tschechischen Ort. Hier gibt es nichts außer einem Laden, in dem die schweigsame Jana arbeitet. Als der Zuhälter Milan den Laden betritt, ergreift Jana ein rätselhaftes Begehren. Doch er liebt eine andere, und auch Jana ist an ihren hypochondrischen Mann und die beiden Söhne gebunden. Zur gleichen Zeit beginnt ihr Mann sich mit dem Nachbarn, einem paranoiden Gefängniswärter und Waffennarren, anzufreunden. Am Ende kämpft jeder gegen jeden und jede Handlung hat Konsequenzen für alle. Mit WIR SIND NIE ALLEIN gelingt Petr Václav ein Film über das heutige Europa, der schwarze Komödie und abgründiges Märchen zugleich ist.
Zu Gast: Petr Václav (Regisseur)
Dienstag, 26.04.2016, 20:30 Uhr
PESN PESNEY Lied der Lieder
Ukraine 2015. R: Eva Neymann. D: Milena Tsibulskaya, Yevheniy Kogan, Arina Postolova-Tihipko. 76 Min. DCP. OmeU.
Ein Märchen, in dem Busya Prinzessin ist und der kleine Shimek sich wie ein Prinz fühlt das ist die Welt des ukrainischen Schtetls um die vorletzte Jahrhundertwende, in die PESN PESNEY seine Zuschauer entführt. Shimek, ein Träumer, teilt seine fantastischen Geschichten mit der Nachbarstochter Busya und ist entschlossen, der Enge des Schtetls zu entfliehen. Er ist überzeugt: Wenn er will, kann er alles erreichen. Doch als er Jahre später als Medizinstudent in sein Heimatdorf zurückkehrt, stellt er fest, dass die Liebe nicht wartet. In wunderschönen Bildern erzählt Neymann die Geschichte einer verschwundenen Welt.
Mittwoch, 27.04.2016, 18:00 Uhr
AUSMA Morgenröte
Lettland, Polen, Estland 2015. R: Laila Pakalnina. D: Vilis Daudzinš, Andris Keišs. 96 Min. DCP. lettisches OmU.
Lettland in den fünfziger Jahren. Der kleine Satellitenstaat der Sowjetunion ist auf dem Weg in die klassenlose Gesellschaft. Doch einige wollen nichts vom Kommunismus wissen wie der Vater von Janis, ein notorischer Trinker, der einen heruntergekommenen Hof bewirtschaftet. Janis hingegen ist ein linientreuer Jungpionier und tut das, was das Regime von ihm erwartet: Er verrät seinen Vater. AUSMA arbeitet mit Motiven der antiken Tragödie und des sowjetischen Propagandafilms und knüpft an ein Projekt an, das Sergej Eisenstein vor 75 Jahren begonnen und nie zu Ende gebracht hat: einen Film über die sozialistische Märtyrerlegende Pavlik Morosov.
Mittwoch, 27.04.2016, 20:30 Uhr
EVA NOVÁ
Slowakische Republik 2015. R: Marko Škop. D: Emília Vášáryová, Milan
Ondrík. 106 Min. DCP. OmeU.
Eva, einst ein gefeierter Filmstar, kehrt von einer ihrer zahlreichen Alkoholentwöhnungskuren zurück in ihr Heimatdorf in der slowakischen Provinz. Sie ist fest entschlossen, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Realistisch und ohne zu beschönigen, zeigt der Dokumentarfilmemacher Marko Škop in seinem ersten Spielfilm das Leben einer Alkoholabhängigen und fragt nach Möglichkeiten der Vergebung und der zweiten Chance, die erst die anderen ermöglichen können.