Kategorie-Archiv: Schirn Kunsthalle Frankfurt

Große „LYONEL FEININGER RETROSPEKTIVE“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt vom 27.10.2023 bis 18.02.2024

FEININGER KOMPLETT: DIE SCHIRN WIDMET DEM IN SEINER VIELSEITIGKEIT WENIG BEKANNTEN GESAMTWERK VON LYONEL FEININGER EINE UMFASSENDE RETROSPEKTIVE Mit etwa 160 Gemälden, Zeichnungen, Holzschnitten, Radierungen, Lithografien, Spielzeugen, Fotografien und Dias will die Ausstellung erstmals einen umfassenden Überblick zum Gesamtwerk Feiningers geben. Es soll gezeigt werden, wie die unterschiedlichen Motive und künstlerischen Techniken, die Feininger in rund 60 Jahren verwendet hat, immer wieder aufeinander Bezug nehmen und bis heute überraschen. © Foto Diether von Goddenthow
FEININGER KOMPLETT: DIE SCHIRN WIDMET DEM IN SEINER VIELSEITIGKEIT WENIG BEKANNTEN GESAMTWERK VON LYONEL FEININGER EINE UMFASSENDE RETROSPEKTIVE Mit etwa 160 Gemälden, Zeichnungen, Holzschnitten, Radierungen, Lithografien, Spielzeugen, Fotografien und Dias will die Ausstellung erstmals einen umfassenden Überblick zum Gesamtwerk Feiningers geben. Es soll gezeigt werden, wie die unterschiedlichen Motive und künstlerischen Techniken, die Feininger in rund 60 Jahren verwendet hat, immer wieder aufeinander Bezug nehmen und bis heute überraschen. © Foto Diether von Goddenthow

Nach über 25 Jahren widmet die Schirn Kunsthalle Frankfurt dem dem bedeutenden Maler und Grafiker Lyonel Feininger die erste große Retrospektive in Deutschland vom 27. Oktober 2023 bis 18. Februar 2024.  Die bedeutende Überblicks-Ausstellung zeichnet ein umfassendes und überraschendes – zum Teil – neues Gesamtbild von Feiningers Schaffens. So wird nicht nur der für seine Gemälde von Bauwerken und kristalline Architekturen überwiegend „bekannte Feininger“ gezeigt. Vielmehr wirft die Ausstellung mit über 160 Zeichnungen, Karikaturen, Aquarellen, Holzschnitten, Fotografien und Objekten das gesamte breite Spektrum Feiningers facettenreichen künstlerischen Schaffens, indem sich zahlreiche Tendenzen der Moderne widerspiegelt.

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Mehrere scheinbar gegenläufige Interessen ziehen sich mit großer Kontinuität durch sein OEuvre und sind Teil seiner Handschrift. Dabei präsentiert die Schirn selten gezeigte Hauptwerke wie Die Radfahrer (Radrennen) (1912), Selbstbildnis (1915), Zirchow VII (1918), Gelmeroda XIII (1936) oder Manhattan I (1940), aber auch weniger bekannte Arbeiten wie die erst vor einigen Jahren wiederentdeckten Fotografien des Künstlers. Schon früh entwickelte Feininger als Grafiker und Karikaturist einen sehr eigenen Stil. Neben zentralen Werken aus der frühen figurativen Phase mit politischen Karikaturen, humorvoll-grotesken Stadtansichten und karnevalesken Figuren beleuchtet die Ausstellung auch seine Rolle als Bauhaus-Lehrer und Meister grafischer Techniken wie Zeichnung und Holzschnitt. Ein besonderer Fokus liegt mit zentralen Arbeiten auf dem US-amerikanischen Exil des Künstlers. Die Ausstellung zeigt dabei wichtige Themen und Entwicklungslinien auf, die Feiningers Werk geprägt und unverwechselbar gemacht haben.

Conrad Feininger, der Enkel Lyonels und Sohn von T. Lux Feininger wird zusammen mit Ines Burdow die Briefe an Julia Feininger im Begleitprogramm zur Ausstellung lesen.

Conrad Feininger, Enkel von Lyonel Feininger (r) mit Kuratorin Dr. Ingrid Pfeiffer und Schirndirektor Dr. Sebastian Baden vor Selbstbildnis (1915). © Foto Diether von Goddenthow
Conrad Feininger, Enkel von Lyonel Feininger (r) mit Kuratorin Dr. Ingrid Pfeiffer und Schirndirektor Dr. Sebastian Baden vor Selbstbildnis (1915). © Foto Diether von Goddenthow

„Lyonel Feininger gehört zu den bekanntesten Vertretern der klassischen Moderne in Deutschland und dennoch ist die Vielseitigkeit seiner Kunst einem großen Publikum erstaunlich unbekannt. Die große Retrospektive in der Schirn bietet nun eine spektakuläre Neubetrachtung seines gesamten Werkes aus 60 Jahren künstlerischem Schaffen mit bedeutenden und selten gezeigten Leihgaben aus Sammlungen in Europa und den USA. In der einmaligen Zusammenschau wird die Vielseitigkeit seines Gesamtwerks deutlich, das einige Entdeckungen bereithält. unterstreicht Dr. Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Möglich konnte dieses umfangreiche wie ambitionierte Projekt nur dank der umfangreichen Unterstützung durch zahlreiche Institutionen, Stiftungen und Leihgebern, darunter: das Bauhaus-Archiv Berlin, die Harvard Art Museums/Busch-Reisinger Museum, Cambridge, MA, das Museum Lyonel Feininger, Quedlinburg, das Kunstmuseum Basel, The Metropolitan Museum of Art, New York, das Museo de Arte Thyssen-Bornemisza, Madrid, The Museum of Fine Arts, Houston, das Museum Folkwang, Essen, The Museum of Modern Art, New York, die National Gallery of Art, Washington, D.C., das Solomon R. Guggenheim Museum, New York, das Sprengel Museum Hannover, die Staatlichen Museen zu Berlin, Nationalgalerie, die Staatsgalerie Stuttgart und das Whitney Museum of American Art, New York.

Zudem sei, so Dr. Baden,  ohne die Hilfe fachkundiger weiterer Personen eine solche  Ausstellung nicht zu stemmen gewesen. Maßgeblich zum Gelingen beigetragen haben Achim Moeller, Gründer und Direktor des Lyonel Feiniger Project in New Youk und Herausgeber von Feiningers Werkverzeichnis, und dessen langjähriger Mitarbeiter Sebastian Ehlert. Zudem habe Dr. Ulrich Luckhardt, ausgewiesener und langjähriger Feininger Experte, die Ausstellung in allen Phasen begleitet und unterstützt sowie bei der Vermittlung wichtiger Leihgaben aus Privatbesitz geholfen, betont der Schirn-Direktor.

Dr. Sebastian Baden und Dr. Ingrid Pfeiffer machen auf den sehr empfehlenswerten Begleit-Katalog zur Ausstellung "Lyonel Feininger", erschienen im Schirmer-Verlag, aufmerksam. © Foto Diether von Goddenthow
Dr. Sebastian Baden und Dr. Ingrid Pfeiffer machen auf den sehr empfehlenswerten Begleit-Katalog zur Ausstellung „Lyonel Feininger“, erschienen im Schirmer-Verlag, aufmerksam. © Foto Diether von Goddenthow

Kuratiert hat die wunderbar gelungene Ausstellung Dr. Ingrid Pfeiffer: „Lyonel Feiningers herausragendes Gesamtwerk repräsentiert geradezu exemplarisch zahlreiche Strömungen in der Kunst des 20. Jahrhunderts; trotzdem ist es äußerst individuell. Seine künstlerische Entwicklung vollzieht sich nicht linear, sie weist zahlreiche Sprünge und Rückgriffe auf, gleichzeitig werden Feiningers große Themen über alle Medien hinweg und bis ins Spätwerk sichtbar. Sein unabhängiges Denken ist frei von Hierarchien, auch Gegenteiliges und Andersartiges wird zugelassen. Auf den ersten Blick oft ernst, konstruiert und monumental, ist es zugleich ein Werk voller Überraschungen, tiefgründiger Melancholie und spielerischer Leichtigkeit“, so die Kuratorin.

Rundgang durch die Ausstellung

Impression zur Ausstellung: LYONEL FEININGER RETROSPEKTIVE vom 27. OKTOBER 2023 – 18. FEBRUAR 2024 © Foto Diether von Goddenthow
Impression zur Ausstellung: LYONEL FEININGER RETROSPEKTIVE vom 27. OKTOBER 2023 – 18. FEBRUAR 2024 © Foto Diether von Goddenthow

Zum Auftakt der großen Retrospektive zeigt die Schirn gezeichnete und gemalte Selbstporträts von Lyonel Feininger, darunter das ausdrucksstarke Selbstbildnis (1915), das 1917 in seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Der Sturm in Berlin zu sehen war. In der Selbstbetrachtung zeigt sich der Künstler sowohl skeptisch als auch nachdenklich. Nachdem Feininger 1887 aus New York nach Deutschland gekommen war, um in Leipzig Musik zu studieren, entschied er sich schließlich für das Studium der bildenden Künste in Berlin. Erste Erfolge hatte er hier als einer der führenden Karikaturisten und Illustratoren mit Zeichnungen, die seinen besonderen Sinn für Humor erkennen lassen. Für verschiedene Satirezeitschriften und Zeitungen wie Ulk oder Lustige Blätter fertigte er ab 1896 Zeichnungen an und entwickelte für die Chicago Sunday Tribune die Comic-Serien The Kin-der-Kids und Wee Willie Winkie’s World (1906). Auch sein frühes malerisches Werk war figürlich geprägt. Während eines Aufenthalts in Paris entstanden zwischen 1907 und 1911 die sogenannten Karnevals- oder „Mummenschanzbilder“ in einer charakteristischen Farbpalette mit gedämpften Rosés, giftigem Gelb, Nachtblau und Türkis-Grün. Es sind oft isoliert erscheinende, typenhafte Figuren in dramatisch-träumerischen Szenen – Arbeiter, Geistliche, Kinder, Frauen und Männer mit überlangen Gliedmaßen und in extravaganter, aus der Zeit gefallener Mode. In den figurativen Gemälden wie Der weiße Mann (1907) übernahm Feininger die flächigen Kompositionen seiner Karikaturen, experimentierte mit Verfremdungen und erschloss damit eine neue Perspektive des Bildraums.

Seine berühmten kristallinen Architekturserien, die bis heute seine bekannteste Werkgruppe bilden, entwickelte Feininger während des Ersten Weltkriegs bis in die 1920er-Jahre. Durch die prismatische Überlagerung der Flächen, die an die Wanderung des Tageslichts erinnert, erhielten die Bilder ein Zeitelement, während die Transparenz geistige Klarheit und Spiritualität verkörpert. Einflussreich für diese Entwicklung war Feiningers Auseinandersetzung mit dem Kubismus, insbesondere mit den lichtdurchfluteten und dynamischen Werken Robert Delaunays, sowie mit den italienischen Futuristen, die sich in seinem Hauptwerk Die Radfahrer (Radrennen) niederschlug. Feininger legte in seinen prismatisch aufgebrochenen und monumentalen Architekturen besonderen Wert auf einen expressionistischen, innerlich geformten Ausdruck. Statt der Zergliederung und Mehransichtigkeit eines Gegenstandes strebte er nach Konzentration bis ins absolute Extrem. Feininger, der auch Musiker war und selbst komponierte, verglich seine Malerei mit der „Synthese der Fuge“, in der Harmonie und Dissonanz ebenso wie Formstrenge und Rhythmik ihren Platz finden.

Bis heute gilt Feininger als einer der bedeutendsten Holzschnittmeister des 20. Jahrhunderts. In einem Zeitraum von nur drei Jahren entstanden zwischen 1918 und 1920 die meisten seiner rund 320 Holzschnitte, darunter die ikonische Kathedrale (großer Stock) (1919), die auf dem Titelblatt des Manifest und Programm des staatlichen Bauhauses in Weimar (1919) abgedruckt ist. 1919 hatte Walter Gropius Feininger als einen der ersten Meister ans Bauhaus berufen, 1921 wurde er dort künstlerischer Direktor der Grafischen Werkstatt. Die Schirn zeigt aus Feiningers umfassendem grafischen Schaffen außerdem Zeichnungen, Radierungen und Lithografien.

Impression zur Ausstellung: LYONEL FEININGER RETROSPEKTIVE vom 27. OKTOBER 2023 – 18. FEBRUAR 2024 © Foto Diether von Goddenthow
Impression zur Ausstellung: LYONEL FEININGER RETROSPEKTIVE vom 27. OKTOBER 2023 – 18. FEBRUAR 2024 © Foto Diether von Goddenthow

Die Ausstellung versammelt eine eindrucksvolle Serie von fünf Gemälden aus verschiedenen Phasen von Feiningers umfassender Werkserie Gelmeroda (1913–1955), an der er rund 40 Jahre lang immer wieder arbeitete, dazu eine Zeichnung, mehrere Holzschnitte und eine Lithografie. An ihr lässt sich besonders Feiningers Begeisterung für historisch gewachsene, romantische Architektur nachvollziehen. Seine Entwicklung ist dabei keineswegs linear und umfasst kristallin-expressionistische und bewegte Versionen wie Gelmeroda II (1913) und zugleich majestätische Darstellungen mit nach oben strebendem Grundmotiv in kühlem Blaugrün wie in Gelmeroda VIII (1921). Eine ebenfalls intensive künstlerische Auseinandersetzung verfolgte Feininger mit der durch Altstadthäuser und mächtige Sakralbauten geprägten Stadt Halle. Die Schirn zeigt aus der Werkgruppe, die zwischen 1929 und 1931 entstand, Marienkirche mit dem Pfeil (1930) und Der Dom in Halle (1931) sowie Kohlezeichnungen, Skizzen und Fotografien, die er bei seinen Streifzügen durch die Stadt angefertigt hatte. Feiningers künstlerische Herangehensweise an seine Motive basierte in beiden Serien auf zahlreichen skizzenhaften Vorzeichnungen, seinen „Natur-Notizen“, mit denen er sich seinem Motiv annäherte, bevor er es im Gemälde umsetzte.

Feininger setzte sich Ende der 1920er-Jahre verstärkt mit Fotografie auseinander, obwohl er dem Medium lange kritisch gegenüberstand, und hinterließ ein vor Kurzem wiederentdecktes Konvolut von insgesamt rund 20.000 Foto-Objekten. Die Schirn zeigt Fotografien und Diapositive des Künstlers, die zentrale Motive wie (Schaufenster-)Figuren, Lokomotiven und Architektur aufgreifen. Das Bauhaus in Dessau fotografierte er nachts in geheimnisvollem Licht, anders als jede andere Bauhaus-Fotografie. Das Medium diente Feininger als weiteres Experimentierfeld für Bildeffekte wie Hell-Dunkel-Kontraste, Schatten und Formspiele sowie Unschärfen, die an rhythmisierende Elemente in seinen Gemälden erinnern.

Impression zur Ausstellung: LYONEL FEININGER RETROSPEKTIVE vom 27. OKTOBER 2023 – 18. FEBRUAR 2024 © Foto Diether von Goddenthow
Impression zur Ausstellung: LYONEL FEININGER RETROSPEKTIVE vom 27. OKTOBER 2023 – 18. FEBRUAR 2024 © Foto Diether von Goddenthow

Feiningers Holzspielzeuge gehören, wie seine Karikaturen und Comics, untrennbar zu seinem Gesamtwerk. Ab 1913 arbeitete er an Lokomotiven aus buntem Hartholz, die als Spielzeuge in Serie produziert werden sollten, ein Plan, der aufgrund des Ersten Weltkriegs nicht realisiert werden konnte. Mit Die Stadt am Ende der Welt (1925–1955) kreierte er eine Spielzeugstadt aus Holz, die sein Interesse für historische Häuser und Kirchen aufgreift und auf den Roman Die andere Seite (1908) seines Freundes Alfred Kubin zurückgeht.

Ein wiederkehrendes Thema in Feiningers Werk sind die Seestücke. Schon als Kind in New York hatten ihn die Dampfer und Segelboote auf dem Hudson River fasziniert, und in Deutschland boten ihm die jährlichen Aufenthalte an der Ostsee Anregungen für weitere Motive. Neben fast abstrakten Strandbildern mit puppenartigen Figuren und kubistisch zerlegten Flächen wie Badende (am Strand I) (1912) entstanden dramatische mystische Gemälde wie Leviathan (Dampfer Odin I) (1917). Die menschenleeren, transparenten Seebilder, die er ab den 1920er-Jahren bis ins Spätwerk in den USA malte, stellen neben den kristallinen Architekturen Feiningers zweite bekannte Werkgruppe dar. Ähnlich wie in den Kirchenbildern suchte er hier in der Natur nach Metaphern für innerliche Erfahrungen mit Referenzen zur Romantik. Geheimnisvolle Leere, Einsamkeit, subtile Erlebnisse mit Licht, Raum und Wolken sind wiederkehrende Themen wie in Stiller Tag am Meer III (1929) oder Dünen am Abend (1936), die an Caspar David Friedrichs Gemälde Mönch am Meer (1808-1810) oder William Turners Seebilder erinnern.

Kontinuität und gegenläufige Tendenzen setzen sich in Feiningers Spätwerk fort. 1937 floh der Künstler mit seiner jüdischen Ehefrau Julia nach fast 50 Jahren aus dem nationalsozialistischen Deutschland ins US-amerikanische Exil. Seine Kunst wurde in der Ausstellung „Entartete Kunst“ öffentlich diffamiert und über 400 Werke wurden aus öffentlichen Sammlungen konfisziert. In New York gelang Feininger nach zwei Jahren die Rückkehr zur Malerei. Er griff mithilfe seiner „Natur-Notizen“ auf frühere Motive in neuem Stil zurück und übertrug zentrale Kompositionen wie die Gebäudeschluchten aus Barfüsserkirche II (1926) oder aus den Fotografien aus Halle auf seine neue Umgebung, so etwa in der Serie der New-York-Bilder wie Manhattan I (1940). Feiningers frühe Tendenz, fast, aber nicht ganz abstrakt zu arbeiten, steigerte sich in seinem Spätwerk, besonders in der Serie der New Yorker Hochhäuser. Dies gilt auch für die Fotografie, die sich mehr als zuvor am Abstrakten orientiert. Feininger beschäftigte sich verstärkt mit farbigen Diapositiven und griff bekannte Motive und Kompositionen aus seinem Werk wieder auf. Anknüpfend an sein Gemälde Glasscherbenbild (1927) experimentierte er mit sich überlagernden Glasscherben und Lichtphänomenen, die durch die Projektion des Diapositivs auf einer weiteren visuellen Ebene fortgesetzt wurden.

Wenige Jahre vor seinem Tod in New York entstanden die Ghosties, eine humorvolle Serie von aquarellierten Tuschzeichnungen. Sie greifen die befreiten Linien seines Spätwerks auf und bilden ähnlich wie seine Karikaturen und Holzspielzeuge in ihrer spielerischen Leichtigkeit einen spannungsreichen Kontrast zu seinen monumentalen Architekturgemälden.

Weitere Informationen zur Ausstellung

DIGITORIAL® Zur Ausstellung bietet die Schirn ein Digitorial® an, das mit wissenswerten Hintergründen, kunst- und kulturhistorischen Kontexten und wesentlichen Ausstellungsinhalten Einblicke in die künstlerische Welt von Lyonel Feininger gibt. Das kostenfreie digitale Vermittlungsangebot ist in deutscher sowie englischer Sprache abrufbar unter feininger.schirn.de.

BEGLEITHEFT LYONEL FEININGER. RETROSPEKTIVE. Eine Einführung in die Ausstellung, herausgegeben von der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Auf ca. 40 Seiten werden die wichtigsten Werke der Ausstellung vorgestellt und die kulturhistorischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge dargelegt. Ab 12 Jahren. Preis: 7,50 € einzeln, im Klassensatz 1 € pro Heft (ab 15 Stück).

ORT SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, 60311 Frankfurt am Main DAUER 27. Oktober 2023 – 18. Februar 2024 INFORMATION schirn.de E-MAIL welcome@schirn.de TELEFON +49 69 29 98 82-0

TICKETS im Onlineshop unter schirn.de/shop und an der Schirn Kasse EINTRITT Wochenende 14 €, ermäßigt 12 €, wochentags 12 €, ermäßigt 10 €, freier Eintritt für Kinder unter 8 Jahren

ÖFFNUNGSZEITEN Di, Fr bis So 10-19 Uhr, Mi und Do 10-22 Uhr INDIVDUELLE FÜHRUNGEN BUCHEN Individuelle Führungen oder Gruppenbuchungen sind buchbar unter fuehrungen@schirn.de
INFORMATIONEN ZUM BESUCH Alle Informationen zum Besuch unter schirn.de/besuch/faq

MARUŠA SAGADIN LUV BIRDS IN TOTEN WINKELN – Rotundenausstellung in der Schirn des Ehrengastlandes Slowenien zur 75. Frankfurter Buchmesse

DSCF9706-marusa-sagin-rotunde-schirnAnlässlich des Ehrengastauftritts Sloweniens auf der Frankfurter Buchmesse 2023 präsentiert die Schirn Kunsthalle Frankfurt vom 21. September 2023 bis zum 14. Januar 2024 eine ortspezifische Installation der Künstlerin Maruša Sagadins (*1978) in ihrer Rotunde. Beeinflusst durch die Architekturgeschichte kreist ihre künstlerische Auseinandersetzung um die mit einem Gebäude oder Ort verbundenen sozialen Aspekte. So steht am Anfang ihrer Installationen oft die zentrale Frage des sozialurbanen Framings: „Wer baut was, für wen und wo?“
Wie in der Rotunde der Schirn präsentiert, interagiert die Künstlerin mit „Luv Birds in toten Winkeln“ mit den Bedingungen des halböffentlichen Raums und versammelt monumentale Skulpturen aus drei zentralen Werkgruppen, die an Durchgänge, Säulen und Bänke erinnern und von den Besuchern durchquert und zum Verweilen genutzt werden können. Sagadins Augenmerk liegt dabei auf wenig beachteten architektonischen Strukturen, die sie mit neuen Bedeutungen, Funktionen und physischen Assoziationen belegt. Mittels Humor und Übertreibung in ihrer Formensprache und in der Verwendung von Farben deckt sie gesellschaftliche Ein- und Ausschlussmechanismen im gebauten Stadtraum auf und bricht mit etablierten Codes der Kunstbetrachtung. Spielerisch-subversiv verweisen ihre Arbeiten auf Elemente der Pop- und Subkultur und der angewandten Kunst. Im Zusammenspiel von Gender, Sprache und Skulptur unterwandern sie bestehende Normen und thematisieren Bildhauerei als eine Form des Sichtbarmachens von Ungleichheiten.

Wer baut, was, für wen und wo? Beein­flusst durch die Archi­tek­tur­ge­schichte erkun­det Maruša Saga­din (*1978) die einem Gebäude oder Ort zugrunde liegen­den sozia­len Aspekte. Ihre künst­le­ri­sche Arbeit bewegt sich an der Schnitt­stelle von priva­tem und öffent­li­chem Raum und vereint Elemente aus Archi­tek­tur, Skulp­tur und Male­rei. Saga­din nutzt Humor und Über­trei­bung in ihrer Formen­spra­che und in der Verwen­dung von Farben, um Ein- und Ausschluss­me­cha­nis­men aufzu­de­cken und mit etablier­ten Codes der Kunst­be­trach­tung zu brechen. © Foto Diether von Goddenthow
Wer baut, was, für wen und wo? Beein­flusst durch die Archi­tek­tur­ge­schichte erkun­det Maruša Saga­din (*1978) die einem Gebäude oder Ort zugrunde liegen­den sozia­len Aspekte. Ihre künst­le­ri­sche Arbeit bewegt sich an der Schnitt­stelle von priva­tem und öffent­li­chem Raum und vereint Elemente aus Archi­tek­tur, Skulp­tur und Male­rei. Saga­din nutzt Humor und Über­trei­bung in ihrer Formen­spra­che und in der Verwen­dung von Farben, um Ein- und Ausschluss­me­cha­nis­men aufzu­de­cken und mit etablier­ten Codes der Kunst­be­trach­tung zu brechen. © Foto Diether von Goddenthow

Mit dem toten Winkel als gedanklichem Ausgangspunkt ihrer Installation in der Rotunde der Schirn nimmt Sagadin Widersprüchlichkeiten in den Blick, die im Stadtraum sekundären Architekturen wie Treppen, Gehsteigkanten oder Häuserfluchten innewohnen. So können tote Winkel per Definition schwer einsehbar, gefährlich oder hinderlich sein, gleichzeitig aber auch als Orte des Rückzugs, Ausruhens oder Versteckens genutzt werden. Mit „Luv Birds in toten Winkeln“ verweist die Künstlerin auf Orte in der Peripherie unseres Blicks und die Möglichkeit, ihnen neue Bedeutungen zuzuschreiben. Ihre Skulpturen aus Holz, Beton und Karton vermitteln durch ihre kulissenhafte Anmutung, bunte Farben, cartooneske Elemente und ausufernde Formen eine Zugänglichkeit, die zu einer unmittelbaren Interaktion einlädt. Die humorvollen Titel der Arbeiten wirken dabei oft wie parodierte Sprichwörter, die spielerisch den Bruch zwischen Sprache und Zuordnung aufzeigen. Wiederkehrende Elemente in Sagadins Werken sind stilisierte Körperformen, die Intimität erzeugen: So treten etwa die vier eigens für die Ausstellung entstandenen Arbeiten Luv Bird (Noses), Luv Birds (Tongues), Luv Bird (Belly) und Schlechter Witz (alle 2023) durch überproportionierte Körperteile in direkte Beziehung mit den Betrachter*innen. Riesige Nasen, leckende Zungen oder ein rundlicher Bauch widersetzen sich zudem konventionellen Zuschreibungen und fragen danach, wann Körper(teile) aus der sie umgebenden Norm fallen. Andere Arbeiten wie Paravent (2022) oder Nasse Füsse (2022) unterbrechen die gewohnten Durchgänge durch die Rotunde, sie schaffen Zwischenräume für alternative Perspektiven und eröffnen neue Wege durch den Raum. Daneben bieten die skulpturalen Bänke Selbe Schuhe, andere Wohnung (Luisa), Schlechte Laune ohne Kiosk und Küche (Juliana) oder Summer (alle 2020) an, auf ihnen zu verweilen und wie auf gemütlicheren Gehsteigkanten zu sitzen. Damit rebellieren sie gegen die traditionelle Vorstellung einer aktiv-rationalen Kunstrezeption, die aufrechten Körpern vorbehalten ist. Gleichzeitig fordern sie zu einer kritischen Auseinandersetzung mit etablierten Formen der Kunstbetrachtung auf, indem sie zur ästhetischen Betrachtung im Ruhen anleiten.

Spie­le­risch-subver­siv verwei­sen ihre Arbei­ten auf Elemente der Pop- und Subkul­tur und der ange­wand­ten Kunst. Im Zusam­men­spiel von Gender, Spra­che und Skulp­tur unter­wan­dern sie beste­hende Normen und thema­ti­sie­ren Bild­haue­rei als eine Form des Sicht­bar­ma­chens. Anläss­lich des Ehren­gast­auf­tritts Slowe­ni­ens auf der Frank­fur­ter Buch­messe 2023 reali­siert die in der Rotunde der Schirn Kunst­halle Frank­furt neue Arbei­ten, die auf die spezi­fi­sche Beschaf­fen­heit des halb­öf­fent­li­chen Raumes einge­hen. © Foto Diether von Goddenthow
Spie­le­risch-subver­siv verwei­sen ihre Arbei­ten auf Elemente der Pop- und Subkul­tur und der ange­wand­ten Kunst. Im Zusam­men­spiel von Gender, Spra­che und Skulp­tur unter­wan­dern sie beste­hende Normen und thema­ti­sie­ren Bild­haue­rei als eine Form des Sicht­bar­ma­chens. Anläss­lich des Ehren­gast­auf­tritts Slowe­ni­ens auf der Frank­fur­ter Buch­messe 2023 reali­siert die in der Rotunde der Schirn Kunst­halle Frank­furt neue Arbei­ten, die auf die spezi­fi­sche Beschaf­fen­heit des halb­öf­fent­li­chen Raumes einge­hen. © Foto Diether von Goddenthow

Marie Oucherif, Kuratorin der Ausstellung, betont: „In ihren Arbeiten beschäftigt sich Maruša Sagadin mit Fragen zu Raumentwürfen, Bildhauerei und Feminismus. Diese drei Elemente vereint die Installation in der Rotunde der Schirn und regt damit zum Nachdenken über soziale und geschlechtliche Ungleichheiten an, die in den öffentlichen Stadtraum eingeschrieben sind. Nichtsdestotrotz geschieht dies immer mit einem Augenzwingern – Sagadins Werke verbinden Leichtigkeit und Freude mit tiefgründiger Reflexion.“

Dr. Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, erläutert: „Mit ihrer eigens für die Schirn-Rotunde geschaffenen Installation lädt Maruša Sagadin dazu ein, den öffentlichen Raum neu zu betrachten und zu besetzen. Der Künstlerin ist es ein Anliegen, mit ihren Skulpturen Infrastrukturen zu schaffen, die ohne Bedingungen funktionieren und somit neue Formen der Zugänglichkeit und Interaktion ermöglichen. Damit setzt Sagadin wichtige Impulse, um diskursive Festschreibungen zu hinterfragen. Ihre Kunst eröffnet neue Perspektiven auf unser Stadtbild wie auch auf Körperlichkeit, Kommunikation und Teilhabe in der Gesellschaft.“

Maruša Sagadin (*1978, Ljubljana) lebt und arbeitet in Wien. Sie studierte Architektur an der Technischen Universität Graz sowie Performative Kunst und Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie wurde in internationalen Institutionen in bedeutenden Gruppen- und Einzelausstellungen präsentiert, darunter das MAK Center for Art and Architecture, Mackey Apartments Garage Top, Los Angeles (2022); die Cukrarna Gallery, Ljubljana (2022); die Hobusepea Gallery, Tallin (2021); das Belvedere 21, Wien (2021); das Künstlerhaus, Halle für Kunst und Medien, Graz (2018); die Secession, Wien (2018) und der SPACE, London (2016).

Förderung: Die Ausstellung „Maruša Sagadin. Luv Birds in toten Winkeln“ wird gefördert durch das Slowenische Kulturministerium und SKICA Berlin – Slowenisches Kulturzentrum Berlin im Rahmen von Sloweniens Ehrengastauftritt auf der Frankfurter Buchmesse 2023 sowie von den SCHIRN ZEITGENOSSEN, einem Kreis privater Förderer junger Kunst an der Schirn Kunsthalle Frankfurt.

ORT :SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, 60311 Frankfurt am Main
DAUER: 21. September 2023 – 14. Januar 2024.

EINTRITT frei
INFORMATION www.schirn.de E-MAIL welcome@schirn.de TELEFON +49.69.29 98 82-0

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Schirn Kunsthalle Frankfurt zeigt „MARTHA ROSLER IN ONE WAY OR ANOTHER“ noch bis 24. SEPTEMBER 2023

Martha Rosler. In one way or another, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2023, © Foto Diether von Goddenthow
Martha Rosler. In one way or another, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2023, © Foto Diether von Goddenthow

Mit der Radikalität ihrer künstlerischen Position beeinflusst Martha Rosler seit Jahrzehnten viele zeitgenössische Künstler. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet der US-amerikanischen Konzeptkünstlerin und Pionierin des kritischen Feminismus vom 6. Juli bis zum 24. September 2023 eine fokussierte Einzelausstellung. Roslers politisches Werk befasst sich mit Fragen von Macht, Gewalt und sozialer Ungerechtigkeit, mit Kriegsberichterstattung sowie mit gesellschaftlich verankerten Frauenbildern und deren Dekonstruktion. Für ihre gesellschaftskritischen Fotomontagen und Videos nutzt sie vielfältige Medien wie Fotografie, Text oder raumgreifende Installationen. Die Ausstellung der Schirn führt eine in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin getroffene Auswahl an zentralen Werken zusammen, die einen Überblick über Roslers Schaffen seit den 1960er-Jahren bieten. Zentral in dieser Werkauswahl sind Roslers ikonische Serien House Beautiful: Bringing the War Home und Body Beautiful, or Beauty Knows No Pain sowie ihr einflussreiches Werk The Bowery in two inadequate descriptive systems. Der konzentrierte Rundgang orientiert sich davon ausgehend an drei Themenfeldern: der Ikonografie des Krieges, der Bedeutung des patriarchalen Blickregimes für die Konstitution von Geschlecht sowie Roslers Beobachtung des Wandels in ihrem Umfeld.

Dr. Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt und Kurator der Ausstellung, erläutert: „Martha Rosler verbindet in ihrem Werk starke, emotional provozierende und gleichzeitig zum Nachdenken anregende Bilder und Texte. Ihre visuellen und textlichen Montagen sind dabei zugleich als Kommentar zu verstehen. Bewusst nähert Rosler sich mit einfachen gestalterischen Strategien der Ästhetik der Demonstration. Dies macht ihre Arbeit zu einem Medium des Protests, einem Werkzeug zur Aufklärung und zur Dokumentation des demokratischen Widerstands gegen Ungerechtigkeit. Ihr klarer, analytischer Blick sowie ihre poetische, dekonstruierende und kontinuierliche Bearbeitung aktueller gesellschaftlicher Fragen machen Martha Rosler als Künstlerin für unsere Gegenwart so relevant.“

Luise Leyer, Co-Kuratorin der Ausstellung, betont: „Martha Roslers Werk zählt zur ersten Generation feministischer Kunst der 1960er-Jahre. In vielen ihrer Arbeiten setzt sie sich mit dem menschlichen Körper und seiner Funktion als visuelle Projektionsfläche und politisches Subjekt auseinander. Mittels ihrer Kunst analysiert Rosler Körperpolitik in der Gesellschaft und in den Medien. Ihre Themen bearbeitet die Künstlerin konzeptuell, häufig in Serien und Montagen. In ihren Fotografien und Videos gilt Roslers Aufmerksamkeit vor allem der oft unsichtbaren CareArbeit, der Ausbeutung von migrantischer Arbeitskraft in der Landwirtschaft sowie der Friedensbewegung und anderen politischen Demonstrationen gegen Kriege rund um die Welt.“

WERKE IN DER AUSSTELLUNG

Installation in der Rotunde: Martha Rosler, "Theater of Drones", 2013, Detail, Installation aus zehn Plakaten, bedruckte PVC-Folie, Courtesy: The Artist, Galerie Nagel Draxler Berlin / Köln / München © Foto Diether von Goddenthow
Installation in der Rotunde: Martha Rosler, „Theater of Drones“, 2013, Detail, Installation aus zehn Plakaten, bedruckte PVC-Folie, Courtesy: The Artist, Galerie Nagel Draxler Berlin / Köln / München © Foto Diether von Goddenthow

Martha Roslers konsequentes Engagement für Frieden und gegen Krieg zeigte sich schon früh in ihrem Schaffen und prägt bis heute ihre eindringlichen Werke. In der Rotunde der Schirn ist die aus Bannern bestehende Installation Theater of Drones (2013) zu sehen, die mit Infografiken über den damals aktuellen Stand der modernen Kriegsführung und die Überwachung durch unbemannte Fluggeräte aufklärt. Rosler schuf diese Arbeit über „unmanned aerial vehicles“ (UAV) auf Einladung eines Fotofestivals in Charlottesville in Virginia, denn die Stadt war die erste Kommune in den Vereinigten Staaten, die den Einsatz von Drohnen – für militärische ebenso wie für nicht militärische Zwecke – in ihrem Luftraum untersagte.

Den Auftakt der Ausstellung bilden Werke, die verschiedene militärische Konflikte thematisieren. So etwa ihre Serie von Fotomontagen House Beautiful: Bringing the War Home, die im Zeitraum von etwa 1967 bis 1972 während des Vietnamkrieges entstand und fast 40 Jahre später – zwischen 2003 und 2008 – in Reaktion auf die US-Militärinterventionen in Afghanistan und im Irak eine Fortführung erfuhr. Die Künstlerin konzipierte die Arbeiten ursprünglich als Flugblätter für Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und kombinierte Kriegsaufnahmen aus damaligen Nachrichtenquellen mit Bildern von Wohnlandschaften aus Einrichtungsmagazinen.

Die Installation OOPS! (Nobody loves a hegemon) (1999) behandelt den NATO-Einsatz im ehemaligen Jugoslawien. Ein Fallschirm trägt ein weiß lackiertes Ölfass, auf dem der Titel der Arbeit zu lesen ist, und von der Decke hängen zahlreiche, an kleine Fallschirme erinnernde Stoffservietten mit angebundene Coladosen herab. Ein Artikel der New York Times berichtet von der Unterbrechung der Stromversorgung mithilfe „coladosengroßer“ Sprengsätze, um die militärische Kommunikation zu stören. Der Titel der Installation bezieht sich auf die Bombardierung Belgrads mit vielen zivilen Opfern, darunter auch Frauen und Kinder in einem Reisebus. Auf einem Computer aus der damaligen Zeit und in ausliegenden Texten reproduziert Rosler serbische und albanische Websites mit Online-Propaganda, die als erste Cyber-Kampagne der Geschichte bezeichnet wird.

Die mehrteilige Arbeit It Lingers (1993) entstand kurz nach der militärischen Intervention der Vereinigten Staaten im Irak für die Ausstellung Krieg, die in Graz und somit in unmittelbarer Nähe zu den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien gezeigt wurde. Rosler verbindet Pressefotografien und weitere systematisch angeordnete Elemente aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs bis in die 1990er-Jahre zu einem Tableau von Bildern: Berichte von Gräueltaten während der als „Desert Storm“ bezeichneten US-Intervention im Irak; das Bild einer Militärparade; ein Filmstill aus dem Kriegsfilm Rambo; das Bild eines kriegsverherrlichenden Denkmals, das in einer Gießerei in Greenpoint, Brooklyn, gefertigt wurde; mittelalterliche Folterwerkzeuge in einer Ausstellung in Österreich; Fotos moderner Methoden der militärischen Informationsbeschaffung; Porträts von Adolf Hitler, gefunden auf einem Wiener Flohmarkt; die Zeichnung eines Studenten von Hitler in Uniform von einer Straße in Brooklyn, New York; das Foto eines schwer verletzten Kindes aus dem Bosnien-Krieg sowie von Frauen, die während einer Demonstration Bilder von Kriegsopfern in die Höhe halten; die ikonische Aufstellung der US-Flagge auf dem Gipfel des Suribachi auf Iwojima während des Zweiten Weltkriegs – und ihr erneutes Hissen für die Kamera. Den unteren Rand des Tableaus säumt eine Reihe kleiner Karten von Gebieten rund um den Erdball, in denen damals militärische Konflikte herrschten. Der Krieg ist ein andauernder Zustand, „it lingers“.

Martha Rosler, im Vordergrund Bodeninstallation: "B-52 in Baby’s Tears", 1972, Holz, Erde, Helixine Soleirolii, Courtesy: The Artist, Sammlung Generali Foundation, Dauerleihgabe an das Museum der Moderne Salzburg, © Generali Foundation, © Foto Diether von Goddenthow
Martha Rosler, im Vordergrund Bodeninstallation: „B-52 in Baby’s Tears“, 1972, Holz, Erde, Helixine Soleirolii, Courtesy: The Artist, Sammlung Generali Foundation, Dauerleihgabe an das Museum der Moderne Salzburg, © Generali Foundation, © Foto Diether von Goddenthow

Zwei in Holzkisten installierte Objekte markieren die Silhouetten von US-Kampfflugzeugen. In B52 in Baby’s Tears (1972) schnitt Rosler den Umriss der Boeing B-52 Stratofortress in ein Beet aus Bubiköpfen (Helxine soleirolii) hinein, die auf Englisch „baby’s tears“ (Kindertränen) heißen. Dieses Langstreckenflugzeug diente im Vietnamkrieg zum Abwerfen von Bomben. In Prototype (Sandbox B2) (2006) erscheint hingegen die Kontur des Tarnkappenbombers B-2 Spirit. Dieser wurde unter anderem im Irakkrieg eingesetzt und ist in der Lage, hoch entwickelte und dichte Luftabwehrsysteme zu umgehen. Er war durch konventionelle Techniken der Radarüberwachung nicht erfassbar und teilweise nur als Schatten über sandigem Terrain auszumachen.

Rosler hat zahlreiche Demonstrationen für Frieden und soziale Gerechtigkeit sowie Proteste gegen staatlich unterstützte Gewalt fotografiert. Die Schirn zeigt ältere und neuere Aufnahmen von Protestmärschen, so etwa vom 1. Mai 1981 in Mexiko City, auf denen gut gelaunt wirkende Gewerkschaftsmitglieder zu sehen sind, die Schilder mit Forderungen nach Gleichberechtigung und existenzsichernden Löhnen tragen. Fotografien aus Washington, D.C., zeigen den Marsch auf das Pentagon vom 3. Mai 1981, auf dem für Arbeitsplätze und gegen den Krieg in El Salvador protestiert wurde.

In The Restoration of High Culture in Chile (1977) erzählt Rosler von dem Besuch bei einer mexikanischen Musikerfamilie in Tijuana, in dessen Verlauf auch der kurz zuvor erfolgte Militärputsch vom 11. September 1973 gegen die gewählte sozialistische Regierung Chiles zum Thema wurde. Die Gastgeber*innen, eine wohlhabende Familie der oberen Mittelschicht, begrüßte die Rückkehr zur musikalischen „Hochkultur“ und freute sich über die Wiedereröffnung der „besten Konzerthalle Chiles“, was für die Künstlerin jedoch im Kontrast zu den Umständen des von den USA unterstützten Putsches stand. Die Arbeit beinhaltet Aufnahmen von Schallplattencovern in Originalgröße sowie Bilder von tropischen Fischen aus dem gemütlichen Wohnzimmer.

Die Rolle der Frau in der Gesellschaft und die damit verbundenen Stereotype bilden einen weiteren wesentlichen Schwerpunkt in Roslers Werk. So zeigt die Schirn etwa Fotomontagen aus der umfassenden Serie Body Beautiful, or Beauty Knows No Pain (um 1966–1972), die sich mit der Darstellung von Frauen vor allem in der Werbung kritisch auseinandersetzt. Die Künstlerin schnitt Bilder von Frauen aus verschiedenen Magazinen aus – von Heimwerkerzeitschriften bis hin zu pornografischen Blättern – und setzte sie in andere fotografische Kontexte. Mit diesen Werken platziert Rosler auf Frauen projizierte sentimentale oder an Gewalt grenzende Fantasien aus dem Unbewussten auf die Ebene des Bildes selbst.

In der Schirn ist auch das populäre Video Semiotics of the Kitchen (1975) zu sehen, das in den 1960er-Jahren beliebt gewordene Fernseh-Kochsendungen parodiert. Die weibliche Protagonistin steht in einer spärlich eingerichteten Küche, benennt simple Kochutensilien in alphabetischer Reihenfolge und führt dazu jeweils eine Bewegung aus, die dem Zweck des Objekts entspricht, wobei die Gesten ebenso aggressiv wie abrupt oder überraschend sind, in jedem Fall aber unproduktiv. Gegen Ende des Alphabets verzichtet die Frau darauf, die Küchengerätschaften in die Hand zu nehmen – vielmehr setzt sie den eigenen Körper als Signal für die verbliebenen Buchstaben ein, um deutlich zu machen, dass sie selbst Teil eines umfassenden Systems in den Dienst genommener Subjektivität ist, durch das, wie die Künstlerin schreibt, „das System selbst spricht“.

In zwei aufeinander bezogenen Super-8-Farbfilmen aus dem Jahr 1974 erkundet Rosler die Unsichtbarkeit häuslicher Arbeit. In Backyard Economy I ist eine Frau inmitten der in einem südkalifornischen Hinterhof im Wind flatternden Wäsche kaum auszumachen; wir sehen kurz einen Hund, einen Rasensprenger, eine alles überragende Palme. In dem dazugehörigen Film Backyard Economy II (Diane Germain Mowing) erscheinen Blumen und ein Kind, der Hund läuft über den Rasen, der Rasensprenger verspritzt weiter Wasser, doch im Mittelpunkt steht diesmal eine Frau. Die Kamera folgt ihr, während sie energisch Wäsche aufhängt und ebenso energisch den Rasen in geradlinigen Streifen mäht. Wie in einer Erweiterung oder Fortsetzung gibt die zweite Arbeit der sonst außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung verrichteten Hausarbeit ein Gesicht und vollzieht die Zyklen von Leben und Wachstum nach.

In den 1980er-Jahren begann Rosler, Flughäfen und mitunter auch Flugzeuge fotografisch zu dokumentieren, in denen sie sich während ihrer Reisen als Gastdozentin, zu Konferenzen oder Ausstellungen aufhielt. Flughäfen stehen für eine moderne, globalisierte Welt, verweisen zugleich aber auf nationale Grenzen. In In the Place of Public: Airport Series (1983–heute) fängt Roslers Kamera den seriellen Charakter der oftmals postmodernen Terminal-Architektur ein: die sichtbare technische Infrastruktur, Arbeitsplätze, Warteräume, Flugzeuge und Anzeigetafeln, dazwischen eingestreut Leuchtreklamen mit Bildern und Slogans einer idealisierten Konsumwelt.

Der Super-8-Film Flower Fields (Color Field Painting) (1974) wurde aus einem Auto heraus aufgenommen und zeigt Blumenfelder in einem prächtigen Spektrum satter Farben. Sie säumen den südkalifornischen Abschnitt des U.S. Interstate Highway 5, der von Mexiko über Kalifornien nach Norden führenden Hauptküstenstraße. Von dem am Straßenrand anhaltenden Auto zoomt die Kamera die sonst übersehenen Hilfskräfte heran, die in gebückter Haltung auf den Feldern arbeiten, bewegt sich dann weiter, vorbei an einem Kontrollpunkt der Border Patrol und in den stereotypen südkalifornischen Sonnenuntergang hinein, der durch die Silhouette der Palmen in der Dämmerung sichtbar wird. Das zentrale Thema des Films sind die Bedingungen, unter denen Migrant*innen harte landwirtschaftliche Arbeit verrichten. Der Untertitel hingegen ist ein Seitenhieb auf die einflussreiche Schule der abstrakten Farbfeldmalerei, die jede Berücksichtigung menschlicher Inhalte außen vor ließ.

In Videos und weiteren Medienarbeiten setzt sich Rosler regelmäßig mit Fragen des urbanen Lebens und des „Rechts auf Stadt“ auseinander, in denen auch ihre scharfe Kritik am Ge- und Missbrauch der Dokumentarfotografie aufscheint. The Bowery in two inadequate descriptive systems (1974/75) hinterfragt Paradigmen der amerikanischen Street Photography. Die Bowery, eine Straße in Lower Manhattan, in der sich einst Tanzlokale und Theater drängten, hatte sich im 20. Jahrhundert zu einem Ort entwickelt, an dem meist alkoholkranke, arbeits- und wohnsitzlose Männer die Tage auf der Straße und in Bars, die Nächte in billigen Hotels verbrachten. Rosler sah in dort entstandenen Aufnahmen von Dokumentar- und Individualfotograf*innen einen Verrat an den Menschen wie auch an dem Potenzial der Dokumentarfotografie, da die Fotografierenden sich mit der Veröffentlichung der Bilder über die Fotografierten zu erheben scheinen. Roslers eigene Arbeit über die Bowery besteht aus 24 rasterartig angeordneten Tafeln, die jeweils die Aufnahme einer menschenleer bleibenden Ladenfront sowie die Fotografie eines Blattes mit darauf getippten Wortgruppen zum Thema Rausch – darunter fantasievolle Metaphern, aber auch derber Slang – nebeneinanderstellen. Auf der letzten Tafel ist der Titel zu lesen: Er besagt, dass sich die Komplexität der betrachteten Situation weder durch Fotografie noch durch Sprache in angemessener Weise wiedergeben lässt und weist über einfache Lösungen weit hinaus.

In den 1980er-Jahren begann Rosler, ihr Brooklyner Viertel zu dokumentieren, das ihr seltsam stagnierend und in der postindustriellen Ära verhaftet erschien. Ihre Arbeit setzte sie später fort, als sich der Wandel im Zuge der Gentrifizierung beschleunigte. Die Schirn präsentiert die Werkserie The Greenpoint Project (2011), bestehend aus Fotos und kurzen Texten. Diese verorten die örtlichen Ladenbesitzer*innen, bei denen es sich fast ausschließlich um Immigrant*innen handelt, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. In Greenpoint: New Fronts (2015) sehen wir hingegen typische Ladenfronten neu entstandener Geschäfte, die sich in ihrem Erscheinungsbild deutlich von jenen des 20. Jahrhunderts unterscheiden, aber in gentrifizierten Stadtvierteln auf der ganzen Welt geläufig sind.

Biographisches

Martha Rosler wurde in Brooklyn, New York, geboren, wo sie heute lebt und arbeitet. Sie erwarb ihren Bachelorabschluss am Brooklyn College (1965) und ihren Master of Fine Arts an der University of California, San Diego (1974). Sie lehrte an verschiedenen Universitäten (in den USA, in Vancouver, Halifax, Frankfurt am Main, Stockholm und Kopenhagen), leitete Workshops und hielt viele Vorträge über Fotografie, Medien und kritische Theorie. Rosler ist Professorin Emerita an der Rutgers University, New Jersey. Sie hat zahlreiche Bücher und Essays veröffentlicht und wurde vielfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Ihre Werke wurden international in zahlreichen Einzelausstellungen sowie in vielen bedeutenden Ausstellungen und Biennalen gezeigt.

KATALOG

katalog-marta-rosler-160Martha Rosler. In one way or another, herausgegeben von Sebastian Baden und Luise Leyer, mit Beiträgen von Sebastian Baden, Luise Leyer und Nicholas C. Morgan sowie einem Vorwort des Direktors der Schirn Kunsthalle Frankfurt Sebastian Baden, deutsch-englische Ausgabe, 144 Seiten, ca. 200 Abbildungen, 23 × 30 cm, Broschur, DCV Verlag, ISBN 978-3- 96912-124-5, 24 € (Schirn), 32 € (Buchhandel)

SCHIRN KUNST­HALLE FRANK­FURT am Main GmbH
Römer­berg
D-60311 Frank­furt am Main
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Fax +49 69 299882-240
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„Plastic World“ Die Materialgeschichte und Ästhetik von Plastik in der Bildenden Kunst in der Schirn Kunsthalle Frankfurt ab 22.06.2023

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet vom 22. Juni bis zum 1. Oktober 2023 der bewegten Geschichte von Plastik in der bildenden Kunst erstmals eine große Themenausstellung. Diese eröffnet das breite Panorama der künstlerischen Verwendung und Bewertung des Materials von den 1960er-Jahren bis heute. Das Spektrum reicht von der Euphorie der Popkultur über den futuristischen Einfluss des Space Age und die Trash-Arbeiten des Nouveau Réalisme bis zu ökokritischen Positionen der jüngsten Zeit; es umfasst Architekturutopien ebenso wie Experimente mit Materialeigenschafte. © Foto Diether von Goddenthow
Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet vom 22. Juni bis zum 1. Oktober 2023 der bewegten Geschichte von Plastik in der bildenden Kunst erstmals eine große Themenausstellung. Diese eröffnet das breite Panorama der künstlerischen Verwendung und Bewertung des Materials von den 1960er-Jahren bis heute. Das Spektrum reicht von der Euphorie der Popkultur über den futuristischen Einfluss des Space Age und die Trash-Arbeiten des Nouveau Réalisme bis zu ökokritischen Positionen der jüngsten Zeit; es umfasst Architekturutopien ebenso wie Experimente mit Materialeigenschafte. © Foto Diether von Goddenthow

Plastik, das „Wundermaterial“, ist in Verruf geraten. Es ist  ein rohölbasierter, synthetischer Werkstoff, welcher wohl wie kaum ein anderer Gesellschaften  in so kurzer Zeit weltweit beeinflusst und verändert hat, nicht zuletzt auch das Schaffen von  Künstlerinnen und Künstlern, die „das“ Plastik seit den 1960er Jahren mehr und mehr  als idealen Werkstoff für sich entdeckten.

Vor diesem Hintergrund   widmet die Schirn Kunsthalle Frankfurt vom 22. Juni bis zum 1. Oktober 2023 der bewegten Geschichte von Plastik in der bildenden Kunst erstmals eine große Themenausstellung. Dabei versammelt die Schirn 100 Werke von über 50 inter­na­tio­na­len Künst­lern und Künstlerinnnen, die auf unter­schied­lichste Weise mit Kunst­stoff arbei­ten, darun­ter Monira Al Qadiri, Archi­gram, Arman, César, Christo, Haus-Rucker-Co, Eva Hesse und Hans Hollein, Niki de Saint Phalle usw.. Es wird sicht­bar, wie sich der erfolg­rei­che viel­sei­tige Werk­stoff Plas­tik in seiner kurzen Geschichte vom Inbe­griff für Fort­schritt, Moder­ni­tät, utopi­schem Geist und Demo­kra­ti­sie­rung des Konsums zu einer Bedro­hung der Umwelt wandelte.
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Einführung:

Plastic World, Otto Piene, Anemones: An Air Aquarium, 1976, Neuproduktion 2023, Installationsansicht, © Foto Diether von Goddenthow
Plastic World, Otto Piene, Anemones: An Air Aquarium, 1976, Neuproduktion 2023, Installationsansicht, © Foto Diether von Goddenthow

Plastik ist eine Substanz, die Kunst und Gesellschaft in einem kurzen Zeitfenster radikal verändert hat. Plastik ist der Wunderstoff, aus dem man beinahe alle erdenklichen Dinge erstellen kann – vom Turnschuh über den Zahnersatz bis zum Computer. Hart oder flexibel, transparent, opak, gemustert, glatt, zart oder bunt, kann Plastik fast jede Form annehmen. Für die Kunst war und ist Plastik ein Vehikel der Innovation. Seinen großen Durchbruch hatte es dort parallel zu den Konsumwellen seit den 1950er-Jahren mit ihrer Massenproduktion und einer Massenkultur, die sich für Nylonhemden und Tupperware begeisterte. Auf der Suche nach dem Neuen wurde in der Kunst mit den jeweils neuesten verfügbaren Stoffen experimentiert, sei es Plexiglas, Styropor, Silikon, Vinyl oder Polyurethan. Das Gebrauchsmaterial der Industriegesellschaft ist im 20. und 21. Jahrhundert der zentrale Rohstoff für die künstlerische Arbeit. Die bildende Kunst erzählt auf diese Weise eine hoch interessante Materialgeschichte mit nie gekannten Möglichkeiten für die Künstlerinnen und Künstler: Arman benutzt Acrylglas, Cesar Polyurethan, ebenso Lynda Benglis. Alina Szapocznikow kaut Kaugummi, HazMatLab produziert Schleim oder wie Monira Al Qadiri Skulpturen mit dem 3D-Drucker. James Rosenquist zeigt seine Motive auf Polyesterfilm, der kurz zuvor von der NASA für die Raumfahrt entwickelt wurde. PVC-Rohre werden ebenso verarbeitet wie Plastikschläuche, zersägte Schaufensterpuppen, Industrielacke, überhaupt industrielle Werkstoffe, banale Alltagsdinge oder auch deren Überreste, etwa alte Rasierapparate, ausrangierte Kabel oder Computerplatinen.

KURATORIN Dr. Martina Weinhart, Schirn hat gemeinsam mit ihrer Assistentin  Anna Huber eine wunderbare Überblicks-Schau geschaffen. © Foto Diether von Goddenthow
KURATORIN Dr. Martina Weinhart, Schirn hat gemeinsam mit ihrer Assistentin Anna Huber eine wunderbare Überblicks-Schau geschaffen. © Foto Diether von Goddenthow

Die Ausstellung „Plastic World“ widmet sich diesem zentralen Material der zeitgenössischen Kunst. Es ist Symptom und Symbol unserer Massengesellschaft, die spätestens seit den 1950erJahren auch eine Wegwerfgesellschaft ist. Dabei eröffnet die Ausstellung ein breites Panorama der künstlerischen Verwendung und Bewertung von Plastik, die den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext spiegelt und nicht selten Überraschungen birgt. Sie reicht von der Euphorie der Popkultur in den 1960er-Jahren über den futuristischen Einfluss des Space Age und die Trash-Arbeiten des Nouveau Realisme, Architekturutopien, Experimente mit Materialeigenschaften bis zu ökokritischen Positionen der jüngsten Zeit. Die Bestandsaufnahme unseres Plastikzeitalters zeigt in mehreren Kapiteln die Vielfalt der Stoffe, Formen und Materialien in der Kunst, die dieser omnipräsente Stoff in seiner kurzen Geschichte seit den 1960er-Jahren durchlaufen hat. Damals wurde das Plastic Age geboren und damit auch eine Materialkultur, die noch heute dominiert und von der wir uns unter ökologischem Druck gerade zu befreien suchen. Als geschichtsloser Alleskönner war Plastik einmal das Material der Zukunft, inzwischen schaut man eher auf die synthetische Ewigkeit, die wir mit ihm verbringen werden. Plastik ist gekommen, um zu bleiben. Insgesamt hat sich Kunststoff zu einer kulturellen Kraft mit fundamentalem Einfluss entwickelt. Also begeben wir uns auf die Suche nach seiner Ästhetik, denn Plastik ist, um mit Roland Barthes zu sprechen, ,,im Grunde ein Schauspiel, das entziffert werden muss“.

PLASTIC POP
Plastik ist Pop, in Kunst und Design gleichermaßen beliebt und steht in den 1960er-Jahren für den neuen Lifestyle der Jugend, die sich von der konservativen Elterngeneration absetzen will. Plastik ist bunt, hat grelle Farben. Plastik ist schlichtweg das ikonische Material der Zeit. „Everybody’s plastic – but I love plastic. I want to be plastic“, schreibt Andy Warhol und lässt synthetische Silver Clouds (1966) durch den Raum schweben. Merce Cunningham tanzt mit ihnen und baut sie 1968 kongenial in seine Choreografie RainForest ein. James Rosenquist bannt seine Motive auf riesige Vorhänge aus Polyesterfilm, experimentiert spektakulär mit den Materialeigenschaften der Mylar-Folie und erweitert auf diese Weise gleichermaßen die Malerei und den traditionellen Kanon der Kunstgeschichte. Fasziniert von den Banalitäten der Konsumkultur und den Dingen des täglichen Lebens, baut Claes Oldenburg Waschbecken, Eisbeutel oder Lichtschalter aus Vinyl. Thomas Bayrle spiegelt mit seiner Tassentasse (1969/96) die Begeisterung der Pop Art für das neue Material, das auch er als Fetisch der Alltagskultur karikiert. Oyvind Fahlströms raffinierte Umkodierung des Markenzeichens ESSO in LSD persifliert 1967 auf spielerische und provokante Weise die Logokultur der Werbung – und reflektiert nicht zuletzt die Allgegenwärtigkeit der Petrochemie als Basis dieser Kultur.

PLASTIK KÖRPER

In der männlich dominierten Kunst der 1960er-Jahre ist der nach eigenen Wünschen formbare weibliche Körper omnipräsent, etwa bei Tom Wesselmann oder John de Andrea. Dieser Körper findet durch seine direkte Abformung mittels Silikons und in der Ausführung in Polyester eine kongeniale Materialität. Nun ist ein vorher nie gekannter Realismus – der Hyperrealismus – möglich. Zunächst weniger prominent, nehmen sich im Umfeld der Pop Art aber auch Künstlerinnen wie Nicola L., Evelyne Axell, Niki de Saint Phalle und Lourdes Castro der Formen des Körpers an. Kiki Kogelnik dreht den Spieß um. Für ihre Cut-outs schneidet sie häufig die Konturen ihrer männlichen Künstlerkollegen aus. Am Boden liegend dienen sie ihr dafür als Modelle. Nicola L. setzt sich offensiv damit auseinander, wie der weibliche Körper zum Objekt wird. Augenzwinkernd und provokativ macht sie ihn zum variablen Sofamöbel. Evelyne Axell schließlich schafft selbstbewusst weibliche Akte in erotischer Pose. Niki de Saint Phalle macht mit ihren Nanas üppige Frauenfiguren jenseits körperlicher Normen zu Ikonen einer feministischen Kunstgeschichte.

Ausstellungsansicht Plastic World - im Vordergrund: Monira Al Qadiri, Orbital 1, 2022 © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungsansicht Plastic World – im Vordergrund: Monira Al Qadiri, Orbital 1, 2022 © Foto Diether von Goddenthow

OTTO PIENE, ANEMONES: AN AIR AQUARIUM

Nicht selten wird Plastik zu begehbaren Environments geformt. Otto Pienes Anemones: An Air Aquarium (1976) macht die Unterwasserwelt in Form von riesigen aufblasbaren und durchsichtigen Seeanemonen und anderen Unterwasserwesen erfahrbar. Es wurde zuerst 1976 für die Organisation Creative Time in New York produziert. Die zu ihrer Entstehungszeit rein poetische und spielerische Arbeit erhält in ihrer heutigen Rekonstruktion oder Wiederaufführung eine Erweiterung der Perspektive: Die historische Sichtweise von Plastik als gefeiertem Werkstoff für die Kunst wird durch den Diskurs um die Verschmutzung der Meere durch Plastik und Mikroplastik überlagert. Pienes Arbeit veranschaulicht die Ambivalenz des Materials Plastik. Exemplarisch wird in ihr auch die Zeitgebundenheit von Plastik, die es notwendig macht, historische Arbeiten wie diese neu zu produzieren, da die Ursprungsversion durch den Verfall des Vinyls mittlerweile nicht mehr funktionstüchtig und präsentabel ist. Auch dies ist ein Aspekt des Verhältnisses von Natur und Künstlichkeit.

NATUR UND KÜNSTLICHKEIT

Industrielle Werkstoffe werden zur Darstellung oder gar für ein Ersatz-Erlebnis der Natur genutzt – der Gegensatz könnte nicht größer sein. Er beschäftigt eine ganze Reihe von Künstler*innen. In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre erkunden Arbeiten im Umfeld der italienischen Arte Povera das Verhältnis von Natur und Künstlichkeit. Man interessiert sich für „arme“, gewöhnliche Materialien, und auch Banales soll zum Kunstwerk werden. Gleichzeitig sind in Italien die neuen synthetischen Materialien durch die Innovationsschübe des überaus lebendigen Designsektors besonders präsent. Dies führt zu einer lebendigen Überschneidung und gegenseitigen Befruchtung der Bereiche Kunst und Design. Vor diesem Hintergrund betreiben Künstler wie Gina Marotta oder Piero Gilardi die Subversion traditioneller Konzepte von Mimesis in der Darstellung der Natur. Wie aus einem riesigen Modellbaukasten fügt Marotta ein künstliches Paradies zusammen: Eden Artificiale (1967-1973). Für seine alternative Natur verwendet er transparentes Acrylglas, den wohl haltbarsten Kunststoff überhaupt. In spielerischer Leichtigkeit präsentiert uns Marotta keimfreie und nüchterne Acrylglas-Abstraktionen einer offensiven NichtNatur. Das genaue Gegenteil ist die ästhetische Strategie des Arte-Povera- Künstlers und Umweltaktivisten Piero Gilardi, der mit seinen Tappeti Ausschnitte aus der Natur entwirft. Sie bestehen aus Polyurethanschaum und erscheinen so täuschend echt, dass sie mit dem bloßen Auge kaum als künstlich zu enttarnen sind. In perfekter Mimikry entstehen ein synthetischer Dschungel oder ein artifizieller Strand. Die „Tappeto-Natura“ zielt in ihrer hyperrealistischen Nachbildung auf die Erfahrung der Betrachter*innen. Sie ist einer relationalen Ästhetik verbunden und auch dem sozialen Anliegen, dem Publikum drängende umweltpolitische Probleme nahezubringen.
Andere greifen die Idee der offensiven Künstlichkeit auf. Der französische Maler Bernard Rancillac bannt das Bild eines Dschungels auf eine gefärbte Acrylglasscheibe. Die Belgierin Evelyne Axell kombiniert für Le Pre (1970) eine Clartex-Platte mit grünem Kunstfell und vereint in flachem Relief eine Frau mit einer Wiese. 1987 verbindet der US-Amerikaner Mike Kelley eine ganze Reihe von niedlichen Plüschtieren zu einem ironischen Plush Kundalini Chakra Set.

 

PLASTIKUTOPIEN

Weltraumforschung, Raumfahrttechnologie und nicht zuletzt die Mondlandung selbst hinterlassen einen tiefen Eindruck in der Popkultur, dem Design und dem utopischen Geist der 1960er-Jahre. Inspirierend wirkt vor allem die Apollo-Mission der NASA mit eigens entwickelten High-TechMaterialien wie etwa der Mylar-Folie für die Raumanzüge mit integriertem Helm. Vor allem die Jugend ist von der coolen technoiden Asthetik fasziniert. Filme wie Barbarella oder 2001: Odyssee im Weltraum (beide 1968) begeistern das breite Publikum. Gleichzeitig prägt eine Atmosphäre des Aufbruchs die Gesellschaft. Im Space-Age-Style kommuniziert das Material Kunststoff einen unerschütterlichen Glauben an die Zukunft und den gesellschaftlichen Wandel. Futuristische, aber auch spielerische und hedonistische Formen scheinen die Regeln der Schwerkraft hinter sich zu lassen. Schwerelosigkeit, Leichtigkeit, Mobilität, Flexibilität und nicht zuletzt das Arbeiten im Kollektiv stehen für diese Zeit.

Die britische Gruppe Archigram entwirft assoziative Bildmontagen mit einer gewisse Nähe zur Pop Art wie etwa Instant City, Glamour (1969), die sie ab 1961 im Magazin Archigram publizieren. Bei ihren Utopien und visionären Modellen geht es um die Idee, nicht um die Ausführung. So ist Air Hab (1966) der Entwurf für eine Klimakapsel, in der die High-TechFantasie durch Kunstgras und Picknickdecke ironisiert wird. In San Francisco gründen Chip Lord und Doug Michels 1968 die Gruppe Ant Farm, Ausdruck einer Gegenkultur, in der die Künstler eher eine Rockband als herkömmliche Architekten sein wollen. Im selben Jahr kommen in Wien Wolf Prix, Helmut Swiczinsky und Michael Holzer zu Coop Himmelb(l)au zusammen. Ein Jahr zuvor schließen sich dort Günter Zamp Kelp, Laurids Ortner und Klaus Pinter zu Haus-Rucker-Co zusammen, später stößt noch Manfred Ortner hinzu.

Utopische Objekte erweitern Körper und Räume und öffnen neue Wege der Wahrnehmung und Kommunikation. Neue Körpererfahrungen im urbanen Raum gehören ebenso dazu wie bewegliche Raumhüllen aus Kunststoff. Hans Hollein schlägt 1969 ein aufblasbares Mobiles Büro vor, Walter Pichler 1964 einen Kleinen Raum, den man mit sich herumtragen kann, fast wie ein Astronaut seinen Helm. Temporäre Architekturen und aufblasbare Strukturen wie bei Graham Stevens spielen eine große Rolle. Erfindungsreich und nonkonformistisch setzt man die Leichtigkeit des Materials gegen verstaubte Traditionen. Wegweisend war der US-Amerikaner Richard Buckminster Fuller, der ein systematisches Zusammenwirken von Technik und sozialen Aspekten unter Verwendung von neuen Materialien untersuchte. Seine geodätischen Kuppeln prägten ganze Generationen. Auch der Niederländer Constant hat mit seinen utopischen Entwürfen für ein ,,Neues Babylon“ entscheidende Impulse geliefert. Die Nähe zwischen Architektur und bildender Kunst zeigt sich in seinen architektonischen Skulpturen wie Konstruktion mit durchsichtigen Flächen (1955), die das synthetische Material für ein freies Spiel utopischer Ideen nutzen.

MATERIALEXPERIMENTE

Im 20. Jahrhundert fanden Kunststoffe den Weg in die Kunst, anfangs in engen Grenzen, verstärkt seit den 1960er-Jahren. Voller Begeisterung für das Neue wurde mit den jeweils aktuellsten verfügbaren Stoffen experimentiert. Plastik kann fast jede Form annehmen, hart oder flexibel sein, transparent, opak, gemustert, glatt oder strukturiert. Die Wahl des Materials ist ein entscheidender Faktor bei der Entstehung eines Werks, und so werden Kunststoffe in ungeheurer Experimentierfreude genutzt: Der französische Bildhauer Cesar faltet MethacrylatFolien zu einer Compression (1970) oder gießt in seinen Expansions Polyurethan in freie Formen. Die Amerikanerin Lynda Benglis integriert die Fragilität von Polyurethanschaum in das Konzept der performativen Schüttungen ihrer Frozen Gestures. Von den Arbeiten bleibt oft nur die Dokumentation. Das gleiche gilt für die Photosculptures (1971) der polnischen Künstlerin Alina Szapocznikow, performativen Skulpturen aus gekauten Kaugummis. Eva Hesse wiederum entwickelt Mitte der 1960er-Jahre ein singuläres künstlerisches Werk zwischen Minimal Art, Surrealismus und Konzeptkunst, in dem der Materialität ein zentraler Platz zukommt. Mit der Bereitschaft der Künstlerinnen, gänzlich neue Wege zu gehen, nehmen die radikalen Experimente von Eva Hesse und Lynda Benglis eine Vorreiterrolle ein, nicht zuletzt im Rahmen einer feministischen Kunstgeschichte.

In Deutschland ,,malt“ Gerhard Hoehme seine informellen Kastenobjekte mit Nylonschnüren oder arrangiert diese zu einem Strahlenfall (1968). Ferdinand Spindel, der sich ganz auf Kunststoff als Material konzentriert, nutzt die Flexibilität von Schaumstoff für Objekte seiner Soft Art. Sein Kollege Joachim Bandau verwendet in seinen Parodien einer Gebrauchsästhetik Materialien wie aus dem Baumarkt-Armaturen, PVC-Rohre, Plastikschläuche, aber auch zersägte Schaufensterpuppen, die er mit Industrielacken überzieht. Hans Haacke schließlich untersucht in Welle mit Unterbrechung (1965) die physikalischen Eigenschaften von Acrylglas und verweist nicht zuletzt auf dessen Nutzung in Forschung und Technik.

Heute trägt das Frankfurter Künstlerinnenkollektiv HazMatLab (Sandra Havlicek, Tina Kohlmann und Katharina Schücke) das Experiment bereits mit einiger Ironie in seinem Namen. Die Künstlerinnen nutzen ungewöhnliche Substanzen wie synthetischen Schleim, industrielle Nagellacke, aber auch das neuere 3D-Druck-Verfahren für ihre kreative Materialforschung.

PLASTIC TRASH

Niki de Saint Phalle © Foto Diether von Goddenthow
Niki de Saint Phalle © Foto Diether von Goddenthow

Bereits in den 1960er-Jahren interessieren sich Künstler des Nouveau Réalisme wie etwa Cesar oder Arman weniger für das glatte, schöne Material als für das, was am Ende übrig bleibt. In ihren Assemblagen nehmen sie den Konsumrausch der westlichen Welt in den Jahrzehnten nach dem Krieg ins Visier. Dabei spiegeln sie aber eher die dunkle Seite der Wegwerfgesellschaft. Anfang der 1960er-Jahre häuft Arman in seinen Poubelles (Mülleimern) aus Acrylglas das AbfallSammelsurium seiner Zeit an. Er stellt einen Kasten voller alter Rasierapparate aus und konterkariert auf diese Weise die Plastikbegeisterung der Popkultur. Die Nouveaux Réalistes nehmen eine grundsätzliche Umwertung tradierter Vorstellungen vom Kunstwerk und seiner Materialität vor.

So auch Christo. Seine Arbeit lebt aus dem Paradox, banale Dinge des Alltags gerade durch ihre Verhüllung sichtbar zu machen. Ein frühes Beispiel ist Look (um 1965): Einen Stapel von Ausgaben des gleichnamigen Magazins umschließt eine Hülle aus Synthetikmaterial. Die Verpackung nimmt in der kapitalistischen Wirtschaft eine zentrale Rolle ein, die Verpackungsindustrie ist ein Motor der Wegwerfgesellschaft. Indem er die Gewichtung von Verpackung und Inhalt austauscht, macht Christo die Verpackung selbst zum Hauptakteur seiner Kunst. Auf diese Weise enthüllt er die Mechanismen unserer Konsumgesellschaft. Heute ersticken wir mehr denn je in Plastikmüll, und so nehmen Künstler*innen den gesamten Lebenszyklus von Plastik ins Visier. Francis Alÿs zeigt in seinem Film Barrenderos (2004) Straßenkehrer bei ihrer nächtlichen Arbeit in Mexico City. Der Müll, den sie entsorgen, besteht hauptsächlich aus Plastikflaschen und anderen Plastikverpackungen. Der Äthiopier Elias Sime fertigt großformatige Materialcollagen aus Dingen, die man auf den Märkten in Addis Abeba oder an anderen Orten des globalen Südens finden kann. Bei näherer Betrachtung enthüllen die abstrakten Arbeiten, dass sie aus Zivilisationsabfall zusammengebaut wurden. Elektroschrott, Computerplatinen aus Kunststoff oder plastikummantelte Kabel fügen sich zu einer besonderen Kartografie unserer Gegenwart zusammen.

ÖKOKRITIK

Das Anthropozän hat seine Spuren hinterlassen. Plastik hat alle Lebenswelten durchdrungen: die Meere ebenso wie die Strände, die Wälder, die Landschaft, den Stadtraum, die Körper der Menschen wie der Tiere. Plastik ist unaufhaltbar und kaum einzugrenzen. Mikroplastik und Nanoplastik findet man in der Tiefsee, in der Arktis und in den Organen von Lebewesen. Die naive Begeisterung für Plastik in all seinen Erscheinungen hat ein Ende gefunden. Die Ölkrisen der 1970er-Jahre, Massenkonsum und Wegwerfgesellschaft sowie deren lnfragestellung bewirkten im Laufe der Zeit eine Umwertung. Vom Symbol für Fortschritt, Modernität, utopischen Geist und Demokratisierung des Konsums wandelte sich Plastik zur ökologischen Zeitbombe. Diesen nachhaltigen Mentalitätswandel der Gesellschaft spiegeln Werke einer jüngeren Künstlergeneration wider. Ihre ökokritischen Arbeiten formulieren Einwände vor allem gegen den übermäßigen Gebrauch von Plastik im Alltag.

Monira Al Qadiri befasst sich mit der Dominanz der Ölindustrie, die ihr aus ihrer Kindheit in Kuwait vertraut ist. Die Petrokultur und ihre globalen Auswirkungen durchdringen ihr gesamtes Werk. Sie hat die unterschiedlichen Formen von Bohrköpfen für Ölbohrungen zum Vorbild für eine Reihe von Skulpturen genommen, die sich wie Preziosen in der Auslage eines Juweliers auf Sockeln drehen. Mit ihrer irisierenden, perlmuttähnlichen Oberfläche erscheinen die Objekte wie majestätische Kronen – Fetische der Golfregion, Trophäen des Anthropozäns. Dennis Siering wiederum hat aus Pyroplastik ein künstlerisches Projekt gemacht. Dabei handelt es sich um an Stränden, auf Schiffen oder in Mülldeponien verbrannte Plastikteile, die auf verschiedenen Wegen in die Ozeane geraten sind. Sie sind durch jahrzehntelange Erosion so geformt, dass sie mit dem bloßen Auge kaum von natürlichen Steinen zu unterscheiden sind. Der dänische Künstler Tue Greenfort, der sich in zahlreichen Projekten mit der Ökologie, der Natur und unserem Umgang mit ihr beschäftigt hat, wirft in seiner jüngsten Arbeit einen Blick auf die Entdeckung von Studierenden der Yale-University, die im Amazonas-Regenwald feststellten, dass ein Pilz mit dem Namen Pestalotiopsis microspora offenbar tatsächlich in der Lage ist, Plastik zu verstoffwechseln. Er konsumiert Polyurethan und wandelt es in organisches Material um. Pinar Yoldaş, die an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft tätig ist, entwickelt seit 2014 An Ecosystem of Excess. Im Zentrum stehen die Ozeane – einstmals Ursprung des Lebens und heute von Plastik durchseucht. Ausgehend vom Great Pacific Garbage Patch, einem riesigen Müllteppich zwischen Hawaii und Kalifornien, kreiert sie ein posthumanes Ökosystem. Dort leben spekulative Organismen, die sich diesen Bedingungen evolutionär angepasst haben und Kunststoffe verarbeiten können. An Ecosystem of Excess ist im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt zu sehen.

VERFÜHRERISCHES PLASTIK
Was fasziniert uns eigentlich an dem Material Plastik? Vielleicht die Farben – Rot, Gelb, Grün, Lila –, leuchtend in allen möglichen Schattierungen oder zart, pastellig, transparent? Oder auch die plakative Künstlichkeit der Oberflächen, die Glätte, wenn es neu und unberührt ist, die Reinheit suggeriert, Unschuld, Sauberkeit? Die Welt der cleanen Oberflächen erschlossen die sogenannten Finish Fetish Artists im Kalifornien der späten 1960er-Jahre – inspiriert durch Surfboards, Autolacke und das grelle Licht, das alles bescheint. Craig Kauffman ist einer von ihnen und der erste Künstler, der die industrielle Technik des Vakuumformens von Duroplast in der Kunst anwendet, nachdem er sich 1964 bei Planet Plastics mit dem Verfahren vertraut gemacht hat. Mit seinen minimalistischen Reliefs aus transluzenten und transparenten Materialien ist er ein perfekter Vertreter des L.A.-Look, passend zum sleeken Image der WestCoast-Metropole. Wegen der Perfektion seiner glänzenden, beinahe feucht schimmernden Oberflächen wird diesen Objekten nicht selten eine nahezu erotische sensuelle Qualität bescheinigt.

John de Andrea, Woman Leaning Against Wall, 1978. © Foto Diether von Goddenthow
John de Andrea, Woman Leaning Against Wall, 1978. © Foto Diether von Goddenthow

Ähnliches gilt für die Skulpturen von Berta Fischer, die in Transparenz und Leichtigkeit im Raum schweben. Die Künstlerin verwendet nahezu ausschließlich normierte und handelsübliche Plexiglasplatten in unterschiedlichen Farbtönen, nicht selten Neonfarben, die sich durch die makellose Glätte ihrer Oberflächen auszeichnen. Fischer nutzt die Formbarkeit der Platten durch Hitzeeinwirkung und schickt die einzelnen Segmente durch eine riesige Mangel. Dabei entstehen komplexe Konstruktionen in formalem Reichtum. Künstlichkeit als Konzept bewegt auch Richard Artschwager in seiner Arbeit zwischen Pop Art, Konzeptkunst und Minimalismus. Er ist bekannt für seine möbelähnlichen Objekte, die Materialien wie Resopal oder andere Imitate nutzen – künstliche und billige Baustoffe, die häufig in amerikanischen Haushalten verwendet werden. Dieser Materialfamilie entstammt auch Exclamation Point (Chartreuse) (2008), für das er grüngelbe Plastikbürsten zu einem riesigen, demonstrativ im Raum platzierten Ausrufezeichen kombiniert. Der amerikanische Objektkünstler Paul Thek schließlich konfrontiert in seinen Technological Reliquaries spannungsreich die organische Textur des als Reliquie eingeschlossenen Fleischstücks aus Wachs mit der Glätte des umschließenden Behälters, der in seiner Form und dem neongrünen Plastik so gar nicht zu den üblichen Vorstellungen von einem traditionellen Reliquienschrein passt. Paul Theks Reliquiare schreien den Gegensatz der Materialien geradezu heraus, zwischen dem verrottenden Fleisch und seiner schrillen neonfarbenen Umhüllung in brillanter, scheinbar unverrottbarer Künstlichkeit.

PASCALE MARTHINE TAYOU, L’ARBRE A PALABRES

In seinen oft monumentalen Installationen verwendet Pascale Marthine Tayou aus Kamerun, der heute in Belgien lebt, dünne bunte Plastiktüten, wie man sie zuhauf in seiner afrikanischen Heimat benutzt, oder auch Plastikwannen, -eimer oder -schüsseln, die die Krone eines verstörend schönen künstlichen Baumes formen. Vor dem Hintergrund seiner postkolonialen Erfahrung verweist Tayou plakativ auf den üblichen massenhaften Gebrauch des günstigen Materials (nicht nur) in Afrika und liefert zugleich einen Kommentar über den Zustand unserer Ökosysteme.

Kooperation mit Senckenberg-Naturmuseum  – Pınar Yoldaş zeigt im Saal der Wale die Installation An Ecosystem of Excess

Pathologisch-anatomischen Präparaten zum Verwechseln echt,  präsentiert die Künstlerin Pınar Yoldaş ihre Arbeiten "An Ecosystem of Excess, 2023" im Saal der Wale des Senckenberg-Museums als Beitrag zur Ausstellung „Plastic-World“ (22.Juni bis 01.Oktober 2023) in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Man sieht hier schwebend in einer Flüssigkeit präsentiert, künstlerisch kreierte Organsysteme, die Plastik aufnehmen, verdauen, ausscheiden und umwandeln können. Leider können sich Meerestiere  noch nicht von Plastikmüll ernähren, viele Fische und Seevögel verhungern oftmals qualvoll mit einem plastikmüllgefüllten Magen. Die Werke sollen aufrütteln.© Foto Diether von Goddenthow
Pathologisch-anatomischen Präparaten zum Verwechseln echt, präsentiert die Künstlerin Pınar Yoldaş ihre Arbeiten „An Ecosystem of Excess, 2023″ im Saal der Wale des Senckenberg-Museums als Beitrag zur Ausstellung „Plastic-World“ (22.Juni bis 01.Oktober 2023) in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Man sieht hier schwebend in einer Flüssigkeit präsentiert, künstlerisch kreierte Organsysteme, die Plastik aufnehmen, verdauen, ausscheiden und umwandeln können. Leider können sich Meerestiere noch nicht von Plastikmüll ernähren, viele Fische und Seevögel verhungern oftmals qualvoll mit einem plastikmüllgefüllten Magen. Die Werke sollen aufrütteln.© Foto Diether von Goddenthow

Der Wandtext beschreibt Yoldas Werk: „Das Anthropozän hat seine Spuren hinterlassen. Plastik hat alle Lebenswelten durchdrungen: die Meere ebenso wie die Strände, die Wälder, die Landschaft, den Stadtraum, die Körper der Menschen wie der Tiere. Mikroplastik und Nanoplastik findet man in der Tiefsee, der Arktis und den Organen von Lebewesen. Plastik ist unaufhaltbar, kaum einzugrenzen – und hat sich zudem als ökologische Zeitbombe herausgestellt. Eine jüngere Generation von Künstler*innen formuliert in ökokritischen Arbeiten Einwände gegen den übermäßigen Gebrauch von Plastik im Alltag und reflektiert die Folgen für unsere Umwelt. An der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft entwickelt Pınar Yoldaş seit 2014 die Arbeit An Ecosystem of Excess. Im Zentrum ihrer Installation stehen die Ozeane – einstmals Ursprung des Lebens und heute von Plastik durchseucht. Yoldaş’ Ausgangspunkt ist der Great Pacific Garbage Patch, ein riesiger Müllteppich zwischen Hawaii und Kalifornien. Immer häufiger verenden Meereslebewesen in Fangnetzen der Fischerei oder verwechseln Plastikmüll mit Nahrung. Die verschluckten Kunststoffteile verletzen oder verstopfen ihren Verdauungstrakt. Als Folge verhungern sie trotz voller Mägen. Hier präsentiert Pınar Yoldaş neu entstandene Lebewesen, die auf biologischen Annahmen basieren. Diese erdachte Spezies kann die Energie aus dem künstlichen Material für sich nutzen und Kunststoff verstoffwechseln. Das Werk Plastic Eating Mammal zeigt eine Verschmelzung aus Kalifornischem Schweinswal und den Amazonas-Flussdelfinen. Die neu entstandene Kreatur hat veränderte Körperteile. So haben sich ihr Schädel, Gliedmaßen und die Wirbelsäule weiterentwickelt. Dadurch besitzt das Wesen die Fähigkeit, den Plastikmüll zu verdauen und Fischernetze mit den Zähnen zu durchschneiden. Somit kann es im mit Plastik gefüllten Ozean überleben. Die Künstlerin kreiert ein posthumanes Ökosystem, in dem spekulative Organismen leben. Sie schlägt vor, wie zukünftiges Leben aussehen könnte, wenn es aus den von Plastik verschmutzten Meeren entstehen würde. Das Plastic Eating Mammal kann als Mahnmal für die Belastungen und Herausforderungen gelesen werden, denen die Meeresbewohner im 21. Jahrhundert ausgesetzt sind. Dieser Raum entstand in Kooperation mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt im Rahmen der Ausstellung Plastic World (22.6.– 1.10.2023). Die Themenausstellung beleuchtet die Geschichte der Kunststoffe in der Kunst und eröffnet ein breites Panorama der künstlerischen Verwendung und Bewertung von Plastik im Spiegel der Gesellschaft.“

Siehe Senckenberg-Museum

 

Direktor Sebastian Baden © Foto Diether von Goddenthow
Direktor Sebastian Baden © Foto Diether von Goddenthow

KATALOG PLASTIC WORLD, herausgegeben von Martina Weinhart, mit Beiträgen von Heather Davis, Anna Huber, Dietmar Rübel, Pamela Voigt, Friederike Waentig und Martina Weinhart, sowie einem Vorwort des Direktors der Schirn Kunsthalle Frankfurt Sebastian Baden, deutschenglische Ausgabe, 256 Seiten, ca. 190 Abbildungen, 22 × 28 cm, Hardcover, Hatje Cantz Verlag, ISBN 978-3-7757-5467-5, 39 € (Schirn), 48 € (Buchhandel)

SCHIRN KUNST­HALLE FRANK­FURT am Main GmbH
Römer­berg
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„Plastikmüll im Verdauungsappart“ – Pınar Yoldaş präsentiert „An Ecosystem of Excess“ im Senckenberg-Museum – Teil der Ausstellung „Plastic World“ in der Schirn

Pathologisch-anatomischen Präparaten zum Verwechseln echt,  präsentiert die Künstlerin Pınar Yoldaş ihre Arbeiten "An Ecosystem of Excess, 2023" im Saal der Wale des Senckenberg-Museums als Beitrag zur Ausstellung „Plastic-World“ (22.Juni bis 01.Oktober 2023) in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Man sieht hier schwebend in einer Flüssigkeit präsentiert, künstlerisch kreierte Organsysteme, die Plastik aufnehmen, verdauen, ausscheiden und umwandeln können. Leider können sich Meerestiere  noch nicht von Plastikmüll ernähren, viele Fische und Seevögel verhungern oftmals qualvoll mit einem plastikmüllgefüllten Magen. Die Werke sollen aufrütteln.© Foto Diether von Goddenthow
Pathologisch-anatomischen Präparaten zum Verwechseln echt, präsentiert die Künstlerin Pınar Yoldaş ihre Arbeiten „An Ecosystem of Excess, 2023″ im Saal der Wale des Senckenberg-Museums als Beitrag zur Ausstellung „Plastic-World“ (22.Juni bis 01.Oktober 2023) in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Man sieht hier schwebend in einer Flüssigkeit präsentiert, künstlerisch kreierte Organsysteme, die Plastik aufnehmen, verdauen, ausscheiden und umwandeln können. Leider können sich Meerestiere noch nicht von Plastikmüll ernähren, viele Fische und Seevögel verhungern oftmals qualvoll mit einem plastikmüllgefüllten Magen. Die Werke sollen aufrütteln.© Foto Diether von Goddenthow

Frankfurt am Main, 21.06.2023. Unter die Wal-Skelette des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt mischt sich ab dem 22. Juni das Knochengerüst eines außergewöhnlichen Meeresbewohners: eine neue Spezies zwischen Wal und Delfin, deren Verdauungsapparat sich an die Verschmutzung der Meere angepasst hat – sie kann sich von Plastikmüll ernähren. Erschaffen hat dieses Wesen, das nicht wirklich in der Natur existiert, die international tätige Künstlerin Pınar Yoldaş. Das Exponat wird erstmals im Rahmen der Sonderausstellung „An Ecosystem of Excess“ im Frankfurter Naturmuseum gezeigt. Gemeinsam mit fünf hell beleuchteten und mit Wasser gefüllten Vasen, in denen futuristisch anmutende, künstliche Organsysteme schweben, bildet es die neueste Version des gleichnamigen Projekts, das Yoldaş seit 2014 verfolgt. Das Senckenberg Naturmuseum ist mit diesem Projekt Kooperationspartner der Schirn Kunsthalle und der dortigen Ausstellung „Plastic World“, kuratiert von Martina Weinhart.

Schon heute hat Plastik alle Lebensräume erobert: Meere, Strände, Wälder ebenso wie Städte und auch die Körper der Menschen und der Tiere. Im Zentrum der Arbeit von Pınar Yoldaş stehen die Ozeane, einstmals Ursprung des Lebens und nun von Plastik durchdrungen. Welche Lebensformen könnten sich in diesen verunreinigten Ökosystemen entwickeln? Pınar Yoldaş lässt die Evolution weiterlaufen, in einer Umwelt, in der es in manchen Bereichen heute schon mehr Plastik gibt als Plankton.

Das Ergebnis ist eine erdachte Welt, in der Lebewesen mit Organsystemen existieren, die Plastik aufnehmen, verdauen, ausscheiden und umwandeln können. So wie der gezeigte Meeressäuger, der sich auf den ersten Blick in die Gruppe der Walskelette einfügt und ein weiteres Ausstellungsstück des Senckenberg Naturmuseums zu sein scheint. Beim aufmerksamen Betrachten fallen Veränderungen an Schädel, Gliedmaßen und Rückgrat des Tieres auf, das sich an seine Umwelt angepasst hat und mit seinen Zähnen sogar Fischernetze durchbeißen kann. „Pınar Yoldaş, die Künstlerin und Wissenschaftlerin ist, gibt ihren Werken bewusst einen wissenschaftlichen Ausdruck und lässt die Betrachtenden für einige Sekunden glauben, die von ihr geschaffenen Lebewesen und Organsysteme seien tatsächlich real. Sie schafft damit eine besondere Aufmerksamkeit für eine drängende Herausforderung unsere Zeit: Die Problematik der Allgegenwärtigkeit von Plastik und dem, was daraus entstehen könnte, wird auf eine neue Ebene gehoben und Möglichkeiten der Evolution spekulativ vorausgedacht“, erläutert Museumsdirektorin Dr. Brigitte Franzen.

Auch die ungewöhnlich geformten Organe, die Plastik für die neu entstandenen Spezies nutzbar machen können, werden in Flüssigkeit schwebend in Glasvasen präsentiert – ähnlich wie auch naturwissenschaftliche Feuchtpräparate in einer Aufbewahrungslösung konserviert werden. Mit großer Sorgfalt hat Yoldaş, scheinbar lebensechte, auf biologischen Fakten basierende Organe und Organismen kreiert. Was wie Wissenschaft wirkt, ist tatsächlich aber Kunst.

Inspirationsquelle der Künstlerin war die Entdeckung des sogenannten „Great Pacific Garbage Patch“, eines Teppichs aus mehreren Millionen Tonnen von Kunststoffmüll, der im Nordpazifik treibt und in etwa der Fläche Mitteleuropas entspricht. Einige Lebewesen schaffen es schon heute, den Kunststoff für ihr Überleben zu nutzen: Insekten finden auf dem schwimmenden Plastikteppich Brutstätten für ihre Eier. Auch Bakterien besiedeln die Oberfläche und bilden Biofilme.

Die Menschheit produziert pro Jahr mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik. „Selbst der Tiefsee-Boden ist stärker mit Mikroplastik belastet, als bislang angenommen“, berichtet Prof. Dr. Angelika Brandt, Senckenberg-Direktoriumsmitglied und Abteilungsleiterin für Marine Zoologie. Gemeinsam mit einem Forschungsteam hat sie Proben aus dem westpazifischen Kurilen-Kamtschatka-Graben in mehr als 9600 Meter Tiefe analysiert. Keine einzige davon war frei von Mikroplastik. „Ein sauberer Ozean beginnt nicht in der Nordsee, dem Atlantik oder dem Pazifik, sondern bei uns. Denn wir entscheiden, wie wir Wasser nutzen, was wir essen, wie wir Waren transportieren oder wie wir uns verhalten und mit Plastik umgehen. Ein sauberer Ozean ist von zentraler Bedeutung für die Zukunft des Lebens, die biologische Vielfalt und damit auch für uns Menschen“, resümiert die Tiefseeforscherin.

Kooperations-Projekt mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt der Sonderausstellung Plastic-World vom 22. Juni bis 1.0ktober 2023.

 

„Plastic World“ in der Schirn präsentiert Objekte, Installationen, Filme und Dokumentationen und eröffnet ein breites Panorama der künstlerischen Verwendung und Bewertung von Plastik, die den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext spiegeln. Das Spektrum reicht von der Euphorie der Popkultur in den 1960er-Jahren über den futuristischen Einfluss des Space Age und die Trash-Arbeiten des Nouveau Réalisme bis zu ökokritischen Positionen der jüngsten Zeit; es umfasst Architekturutopien und Environments ebenso wie Experimente mit Materialeigenschaften. Zu sehen sind über 100 Werke von rund 50 internationalen Künstler*innen. Die große Installation „An Ecosystem of Excess“ von Pınar Yoldaş ist in diesem Rahmen im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt zu sehen.

Ermäßigter Eintritt bei bei Vorlage der Eintrittskarte von Plastic World in der Schirn bis 1. Okt. 2023

Die Bei Vorlage der Eintrittskarte der Schirn Kunsthalle zur Ausstellung „Plastic World“ (22. Juni – 01.Oktober 2023) erhalten Besucher des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt ermäßigten Eintritt. Umgekehrt erhalten Besucher mit einer Senckenberg-Eintrittskarte beim Besuch der Ausstellung „Plastic World“  in der Schirn Kunsthalle ebenfalls ermäßigten Eintritt. Die Aktion gilt mit Karten die in dem Zeitraum bis einschließlich 01.Oktober 2023 erworben wurden.

Über die Künstlerin

Impression: Pınar Yoldaş "An Ecosystem of Excess, 2023" im Saal der Wale des Senckenberg-Museums als Beitrag zur Ausstellung „Plastic-World“ (22.Juni bis 01.Oktober 2023) in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow
Impression: Pınar Yoldaş „An Ecosystem of Excess, 2023″ im Saal der Wale des Senckenberg-Museums als Beitrag zur Ausstellung „Plastic-World“ (22.Juni bis 01.Oktober 2023) in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow

Pınar Yoldaş (geboren 1979 in Denizli, Türkei) ist eine in den Vereinigten Staaten lebende und arbeitende Architektin, Künstlerin, Designerin und Forscherin. Sie konzentriert sich in ihrer Arbeit auf Themen wie Posthumanismus, das Anthropozän, Neurowissenschaften und feministische Technowissenschaft. Sie ist als Professorin an der University of California San Diego tätig.

Bereits im Alter von fünf Jahren stellte Pınar Yoldaş erstmals ihre Malerei aus und galt damit als jüngste Künstlerin mit eigener Ausstellung in der Türkei. Heute entwirft sie architektonische Installationen, kinetische Skulpturen, Klangkunst, Videoinstallationen und Zeichnungen. Eine ihrer eindrucksvollsten Arbeiten ist das Projekt „An Ecosystem of Excess“, für das sie ein posthumanes Ökosystem aus spekulativen Organismen und ihrer ausgedachten Umwelt schuf. Ihre Arbeit ist an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft angesiedelt.

Pınar Yoldaş wurde mit verschiedenen Stipendien der Künste und Wissenschaften ausgezeichnet, unter anderem von der John Simon Guggenheim Memorial Foundation (New York, USA), der Schering Stiftung (Berlin, Deutschland), der Duke University (North Carolina, USA), der MacDowell Colony (New Hampshire, USA) sowie der UCross Foundation (Washington, USA). Sie hat einen Ph.D. im Studiengang Visual and Media Studies an der Duke University, ein Zertifikat in kognitiver Neurowissenschaft der Duke University sowie einen Master of Fine Arts der University of California Los Angeles. Ihre wissenschaftlichen Forschungsinteressen beinhalten Bio-Art, Interaktionen von Kunst und Neurowissenschaften sowie Umweltaktivismus. Vor ihrer Ausbildung in den Vereinigten Staaten erhielt Pınar Yoldaş einen Bachelorabschluss in Architektur der Middle East Technical University sowie einen Master of Arts der Bilgi Universität in Istanbul und einen Master of Science der Technischen Universität Istanbul.

Ort:
Senckenberg Naturmuseum Frankfurt
Senckenberganlage 25
60325 Frankfurt
Telefon: +49 69 7542 0
Fax: +49 69 7542 1437
E-Mail: info@senckenberg.de

„Niki de Saint Phalle“ nur noch bis 21. Mai 2023 – bereits über 130 000 Besucher in der Schirn Kunsthalle Frankfurt

Niki de Saint Phalle, Nana rouge jambes en l’air, um 1968, Polyester, bemalt, auf Eisendraht, 220 x 185 x 120 cm, Leopold-Hoesch Museum, Düren / Peter Hirnschläger, Aachen, © 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris © Foto Diether von Goddenthow
Niki de Saint Phalle, Nana rouge jambes en l’air, um 1968, Polyester, bemalt, auf Eisendraht, 220 x 185 x 120 cm, Leopold-Hoesch Museum, Düren / Peter Hirnschläger, Aachen, © 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris © Foto Diether von Goddenthow

Die beim Publikum sehr beliebte Ausstellung „Niki de Saint Phalle“ ist nur noch bis zum 21. Mai 2023 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu besichtigen. Bereits jetzt haben rund 130.000 Besucherinnen und Besucher die große Überblicksschau gesehen, die seit dem 2. Februar mit rund 100 Werken das vielfältige Œuvre der französisch-amerikanischen Künstlerin und Visionärin in allen Werkphasen beleuchtet. Großer Nachfrage erfreuen sich ebenso die umfangreichen Bildungs- und Vermittlungsangebote sowie begleitende Veranstaltungen zur Ausstellung. Alle öffentlichen Führungen sind bis zum Ende der Laufzeit ausgebucht. Neben einer großen Anzahl individueller Buchungen, haben insbesondere rund 300 Schulklassen bereits Führungen in der Ausstellung gebucht, knapp die Hälfte in Verbindung mit einem praktischen Workshop. Auch in den verbleibenden drei Wochen bietet die Schirn ein umfangreiches Programm für alle Altersgruppen an. Bei der großen KINDERKUNSTNACHT am 29. April entdecken Familien mit Kindern ab 4 Jahren die Ausstellung, zur NACHT DER MUSEEN am 13. Mai kann sie bis 1 Uhr besucht werden und am 20. Mai ist sie beim SATURDAY BEFORE CLOSING bis 24 Uhr geöffnet. Zudem finden am 4. und 19. Mai der SCHIRN BOOKCLUB, sowie am 19. Mai eine LESUNG mit Jovana Reisinger statt.
Für die individuelle Nutzung bietet die Schirn verschiedene digitale und analoge Vermittlungsformate an, die den Besuch der Ausstellung begleiten. Der online und in der Schirn angebotene Audioguide erreichte bereits über 50.000 Nutzerinnen und Nutzer, das kostenfreie Digitorial® über 30.000. Im Film zur Ausstellung spricht die Künstlerin selbst über ihr Werk. Und das SCHIRN MAGAZIN bietet mit dem PODCAST „Niki de Saint Phalle. Ich wollte die Welt“ sowie weiterführenden Artikeln Einblicke und Hintergründe zu Werken und Themen der Ausstellung. Alle Angebote und weitere Informationen unter schirn.de.

Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, betont: „Das Werk von Niki de Saint Phalle ist heute wie bereits zu Lebzeiten der Künstlerin sehr populär. Mit unserer großen Überblicksausstellung können wir auch die eindrücklichen, aber weniger bekannten politischen und gesellschaftskritischen Aspekte ihres Schaffens präsentieren. Und es freut mich und das ganze Team besonders, dass wir mit diesen sehr aktuellen Themen bereits rund 130.000 Besucherinnen und Besucher in der Schirn begrüßen konnten, darunter eine einer bemerkenswert große Anzahl Schulklassen. Gerade in den letzten drei Wochen empfehlen wir den Besuch der Ausstellung unter der Woche, insbesondere während der langen Öffnungszeiten mittwochs und donnerstags bis 22 Uhr.“

Die Ausstellung „Niki de Saint Phalle“ wird gefördert durch die Dr. Marschner Stiftung.

DIE AUSTELLUNG „NIKI DE SAINT PHALLE“
Die umfangreiche Überblicksausstellung in der Schirn beleuchtet das künstlerische Spektrum von Niki de Saint Phalle (1930–2002) von den frühen Gemälden bis hin zu ihren großformatigen Skulpturen. Sie zählt als eine der Hauptvertreterinnen der europäischen Pop-Art und Mitbegründerin des Happenings zu den bekanntesten Künstlerinnen ihrer Generation. In den fünf Jahrzehnten ihres künstlerischen Schaffens entwickelte de Saint Phalle eine unverwechselbare Formensprache und ein facettenreiches Werk. Die Nanas, ihre bunten, großformatigen Frauenskulpturen, begründeten ihren internationalen Erfolg und gelten bis heute als ihr Markenzeichen. Doch reicht das künstlerische Spektrum der Autodidaktin weit darüber hinaus. Sie wechselte Techniken, Themen und Arbeitsweisen und schuf ein ebenso ambivalentes wie subversives Werk voller Freude und Brutalität, Humor und Eigensinn. Immer wieder artikulierte die Künstlerin in ihrem Schaffen ein Plädoyer für die Frau und das Feminine. Sie kritisierte Institutionen und Rollenbilder und verhandelte in ihrem Werk soziale und politische Themen.

VERANSTALTUNGEN UND VERMITTLUNGSANGEBOTE IN DER ÜBERSICHT

KINDERKUNSTNACHT
Samstag, 29. April, 15–20 Uhr
Während der KINDERKUNSTNACHT gehört die ganze Schirn den Kindern. Es finden Workshops auf allen Ebenen, abwechslungsreiche Familienführungen und eine Kinderdisco statt. Das durchgehende Workshopangebot orientiert sich an den Ausstellungsthemen und bietet Kindern ab 4 Jahren die Gelegenheit zum eigenen künstlerischen Gestalten. Ein Besuch der MINISCHIRN rundet das große Kunstspektakel ab. Die Teilnahme an der KINDERKUNSTNACHT ist in zwei Zeitfenstern möglich: 15–17.30 Uhr und 17.30–20 Uhr.
Tickets nur im Vorverkauf erhältlich, im Onlineshop unter schirn.de/shop: 5 € pro Person, Kinder unter 3 Jahren und KinderKunstKlub-Mitglieder frei, Teilnehmerzahl begrenzt

SCHIRN BOOKCLUB MIT NAOMI RADO
THEMA: WEIBLICHE RÄUME IN DER KUNST
Donnerstag, 4. Mai, 19 Uhr
Beim SCHIRN BOOKCLUB zur Ausstellung diskutieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Texte aus der SCHIRN BOOKCLUB EDITION #3, u.a. von Niki de Saint Phalle, Virginia Woolf und Linda Nochlin. Sie geben Einblick in die patriarchalen Strukturen des Kulturbetriebs und werfen die Frage danach auf, unter welchen Voraussetzungen sich weibliche Kulturschaffende in ihrem Umfeld etablieren können. Im Kontext der Ausstellung werden neue Perspektiven eröffnet und Brücken zur Kunst geschlagen.
Moderiert von der Frankfurter Autorin Cecily Ogunjobi und Naomi Rado.
Naomi Rado arbei­tet als freie Autorin und Kuratorin in Frankfurt und ist Mitgründerin des feministi­schen Kollektivs +FEM.
Teilnahme kostenfrei, Reservierung im Online-Shop unter schirn.de/shop, Restplatzbelegung am Veranstaltungstag

NACHT DER MUSEEN
Samstag, 13. Mai, 19–1 Uhr
Zur NACHT DER MUSEEN bietet die Schirn nächtlichen Kunstgenuss in den aktuellen Ausstellungen „Niki de Saint Phalle“ und „Elizabeth Price. SOUND OF THE BREAK“, die an diesem Abend bis 1 Uhr geöffnet sind.
Einführungen in „Niki de Saint Phalle“
19.30 Uhr, 21.30 Uhr, 22.30 Uhr, 23.30 Uhr: Einführung in die Ausstellung (Deutsch)
8 P.M., 9 P.M., 10 P.M., 11 P.M.: Introduction to the exhibition in English
Weitere Informationen unter nacht.museumsufer.de

LESUNG MIT JOVANA REISINGER
Freitag, 19. Mai, 18 Uhr
Die Autorin, Regisseurin und bildende Künstlerin Jovana Reisinger liest aus ihrem neuen Roman Enjoy Schatz (2022). Darin geht es um das Changieren zwischen der Autorin und einer fiktiven Person (Cis-Frau, Autorin, Anfang dreißig, weiß, bisexuell, verheiratet, auf der Suche nach einem Liebhaber, einer Liebhaberin). Eine Protagonistin zu erschaffen, die möglichst weit weg von der Verfasserin ist, erscheint als Zeit- und Energieverschwendung. Insbesondere da weibliche Schrei­bende sowieso mit ihren Figuren verwechselt werden und Zeit und Energie neben Geld im Leben, im Kapitalismus und im Patriarchat wichtige Einheiten sind.
Reisingers Debütroman Still Halten wurde 2017 veröffentlicht und mehrfach prämiert, 2021 folgte der Roman Spitzenreiterinnen. Sie drehte diverse Kurzfilme, die in Ausstellungen und Festivals präsentiert wurden. Seit 2020 schreibt sie die Menstruations-Kolumne „Bleeding Love“ für Vogue Germany, seit 2023 schreibt sie die Single-Kolumne für die FAZ.
Eintritt frei.
Diese Veranstaltung wird unterstützt von der Tourismus+Congress GmbH Frankfurt am Main im Rahmen des Paulkirchenfests.

SCHIRN BOOKCLUB MIT JOVANA REISINGER
THEMA: FEMINISMUS HEUTE
Freitag, 19. Mai, 19 Uhr
Beim SCHIRN BOOKCLUB zur Ausstellung diskutieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Texte aus der SCHIRN BOOKCLUB EDITION #3. In dieser Sitzung setzen sie sich mit aktuellen Positionen des Feminismus auseinander, u.a. in Texten von Carolin Emcke, Kübra Gümüşay und Jovana Reisinger. Welche Fragestellungen bleiben in zeitgenössischen Diskursen brisant, und welche haben sich aus heutiger Perspektive weiterentwickelt oder erschöpft? Im Kontext der Ausstellung werden neue Perspektiven eröffnet und Brücken zur Kunst geschlagen.
Moderiert von der Frankfurter Autorin Cecily Ogunjobi und Jovana Reisinger.
Teilnahme kostenfrei, Reservierung im Online-Shop unter schirn.de/shop, Restplatzbelegung am Veranstaltungstag
Diese Veranstaltung wird unterstützt von der Tourismus+Congress GmbH Frankfurt am Main im Rahmen des Paulkirchenfests.

SATURDAY BEFORE CLOSING
Samstag, 20. Mai, 20–24 Uhr
Zur Ausstellung „Niki de Saint Phalle“
Am letzten Samstag der Ausstellung lädt die Schirn zum SATURDAY BEFORE CLOSING ein. Die Besucherinnen und Besucher erwartet ein Programm mit DJ Duo BUTTMONEY, Drinks und Kunst. Tickets im Onlineshop unter schirn.de/shop, 16 € inkl. Eintritt in die Ausstellung, Resttickets an der Schirn Kasse am Veranstaltungstag
Diese Veranstaltung wird unterstützt von der Tourismus+Congress GmbH Frankfurt am Main im Rahmen des Paulkirchenfests.

KATALOG Niki de Saint Phalle, herausgegeben von Zürcher Kunstgesellschaft / Kunsthaus Zürich und Schirn Kunsthalle Frankfurt, mit Beiträgen von Rhiannon Ash, Christoph Becker, Monster Chetwynd, Bice Curiger, Katharina Dohm, Sandra Gianfreda, Margrit Hahnloser-Ingold, Cathérine Hug, Seppi Imhof, Mickry 3, Shana Moulton, Nicolas Party und Laure Prouvost sowie einem Vorwort des Direktors der Schirn Kunsthalle Frankfurt Sebastian Baden, deutsche und englische Ausgabe, 207 Seiten, 195 Abbildungen, 23,5 × 29 cm, Softcover, Klappenbroschur, Hatje Cantz Verlag, ISBN 978-3-7757-5299-2 (deutsche Ausgabe), 978-3-7757-5300-5 (englische Ausgabe), 35 € (Schirn), 44 € (Buchhandel)

BOOKCLUB EDITION #3 Die kleinen Bookclub-Editionen verbinden Kunst und Literatur und laden dazu ein, Themen rund um die Ausstellungen der Schirn anhand ausgewählter Texte zu vertiefen. Die begleitende Edition #3 zur Ausstellung „Niki des Saint Phalle“ ist für 6 € an der Schirn Kasse und im Onlineshop erhältlich unter schirn.de/shop.

DIGITORIAL® Zur Ausstellung bietet die Schirn ein Digitorial® an. Das kostenfreie digitale Vermittlungsangebot ist in deutscher sowie englischer Sprache abrufbar unter schirn.de/digitorial/niki.

AUDIOGUIDE Der kostenlose Audioguide, gesprochen von Joy Denalane, erläutert die wichtigsten Werke der Ausstellung. Denalane hat als facettenreiche Musikerin den deutschsprachigen Soul international bekannt gemacht und engagiert sich analog zu Niki de Saint Phalle im Kampf gegen AIDS. Eine zweite Ebene führt in Einfacher Sprache durch die Ausstellung. Kostenlos auf dem Handy erhältlich oder als Mietgeräte in der Schirn für 4 €.

PODCAST „NIKI DE SAINT PHALLE. ICH WOLLTE DIE WELT“ Drei Frauen blicken auf Niki de Saint Phalle: Was macht das vielseitige Werk der provokanten Künstlerin heute noch so gesellschaftlich relevant? Im Schirn Podcast spricht Julia Korbik mit Schirn Kuratorin Katharina Dohm über die politische Seite Niki de Saint Phalles. Mit Sonja Eismann, Mitbegründerin und Mitherausgeberin des feministischen Missy Magazines, diskutiert sie Körper- und Rollenbilder im Werk der Künstlerin im Kontext zeitgenössischer feministischer Diskurse.
Abrufbar auf dem SCHIRN MAGAZIN (schirn.de/magazin/podcasts) sowie auf Spotify, Apple Podcasts, Deezer, Google Podcasts und Soundcloud.

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„Alle Macht den Nanas“ – Schirn Kunsthalle Frankfurt zeigt Niki de Saint Phalle in einer herausragenden Überblicks-Schau

Niki de Saint Phalle Schirn Kunsthalle vom  3.02. bis 21.05.2023  © Foto Diether von Goddenthow
Niki de Saint Phalle Schirn Kunsthalle vom 3.02. bis 21.05.2023 © Foto Diether von Goddenthow

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt lädt vom 3. Februar bis zum 21. Mai 2023 zu der wunderbaren Überblicksschau  „NIKI DE SAINT PHALLEs“ ein,  zu einer kunterbunten,  alle Sinne anregenden Kunstschau, die vor allem  Spaß macht. Und mitunter werden die Betrachter schmunzeln,  mit wieviel Ironie die umtriebige,  mitreißende Künstlerin Niki de Saint Phalle der Gesellschaft und ihren Konventionen von 1953 bis zum ihrem Tod 2001 den Spiegel vorgehalten hat.

So viele Medienvertreter kamen nicht einmal zur Chagall-Ausstellung.  © Foto Diether von Goddenthow
So viele Medienvertreter kamen nicht einmal zur Chagall-Ausstellung. © Foto Diether von Goddenthow

Gezeigt wird aber auch eine ernste, „eine visionäre und eine politisch denkende Künstlerin, und nicht nur die Herstellerin der populären Nanas“, schwärmt Schirn-Direktor Sebastian Baden. Niki de Saint Phalle sei eine Künstlerin, deren Arbeit mitten im Leben verortet sei, wie bei vielen Künstlern, aber in diesem Fall ganz besonders in einer die Kunstwelt prägenden Situation der 1950er und 60er Jahre, also in einer Aufbruchssituation nach dem 2 Weltkrieg, und einer Biographie, die sich auf Europa und USA gleichermaßen erstrecke, so Baden. Niki de Saint de Phalles Werke genießen eine enorme Popularität. Das belege allein schon der große Andrang zur Pressekonferenz mit einem noch größeren Andrang als anlässlich der Chagall-Ausstellung. Niki de Saint Phalle beherrscht nach wie vor ganz aktuelle Debatten. Es geht um Feminismus, obwohl sie nie wirklich eine Feministin war, sondern eher vom Feministinnen umarmt wurde, ob ihres provokativen Werkes in einer damals noch männerdominierten Kunstszene.

Rechts Katharina Dohm, Ausstellungskuratorin mit Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Er hält hier den höchst empfehlenswerten Begleitkatalog zur Ausstellung mit der Rückseite empor: Besser wie auf diesem Foto könne man sich nicht inszenieren. Die Künstlerin Niki de Saint Phalle, die früher auch Modell war, posiert hier zum Jubiläum  800 Jahre Notre Dame, im perfekten Schützenanzug mit Gewehr und der Replika dieses Gebäudes, also das Bild im Bild, und noch dazu der Schuss, der dann fallen wird. Das ist schon ziemlich perfekt, und sicherlich für alle unsere Besucherinnen und Besucher ein Grund, dieses Buch zu nehmen, so Baden.  © Foto Diether von Goddenthow
Rechts Katharina Dohm, Ausstellungskuratorin mit Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Er hält hier den höchst empfehlenswerten Begleitkatalog zur Ausstellung mit der Rückseite empor: Besser wie auf diesem Foto könne man sich nicht inszenieren. Die Künstlerin Niki de Saint Phalle, die früher auch Modell war, posiert hier zum Jubiläum 800 Jahre Notre Dame, im perfekten Schützenanzug mit Gewehr und der Replika dieses Gebäudes, also das Bild im Bild, und noch dazu der Schuss, der dann fallen wird. Das ist schon ziemlich perfekt, und sicherlich für alle unsere Besucherinnen und Besucher ein Grund, dieses Buch zu nehmen, so Baden. © Foto Diether von Goddenthow

Es geht um weibliches Selbstbewusstsein, und um das, was die kreative Vielfalt Saint de Phalles Werke transportieren, nämlich das Experiment mit vielfältigen Materialien, Varianten von Aktionskunst, also Techniken, Themen und Arbeitsweisen, die sehr vielseitig zur Anwendung kommen, von einer Künstlerin, die sich ganz bewusst als Autodidaktin versteht, die keine Ritualgestaltung einer Akademie präsentiert, sondern die 1953 nach „Erholung“ von einem Nervenzusammenbruch aus Nizza nach Paris zurückgekehrt, ihre Berufung als Künstlerin spürt, und ihre Grenzerfahrungen und psychotischen Zuständen seit ihrer katastrophal familienzerrütteten Kindheit  mit sexuellen Missbrauchserfahrungen durch den Vater als wichtigsten Motor für ihre künstlerische Karriere versteht:
«lch war eine zornige junge Frau, doch gibt es ia viele zornige junge Männer und Frauen, die trotzdem keine Künstler werden, lch wurde Künstler, weil es für mich keine Alternative gab – infolgedessen brauchte ich auch keine Entscheidung zu treffen. Es war mein Schicksal. Zu anderen Zeiten wäre ich für immer in eine lrrenanstalt eingesperrt worden – so aber befand ich mich nur kurze Zeit unter strenger psychiatrischer Aufsicht, mit zehn Elektroschocks usw. lch umarmte die Kunst als Erlösung und Notwendigkeit.(Zitat nach Christoph Becker aus dem Begleitkatalog zur Ausstellung, 2023, S. 15).

Niki, aus der Nervenklinik in Nizza wieder entlassen,  beginnt zu malen und fertigt erste Assemblagen an. Immer drängender wird  für sie jedoch die Frage: „Familie oder Kunst?“ Um als Künstlerin arbeiten zu können, trennte sie sich schließlich 1960 von ihrem Ehemann, dem US-Schriftsteller Harry Mathews und ihren beiden Kindern, mit denen sie weiterhin in Kontakt blieb, und diese später in ihre Arbeit einbezog. 1960 lernt de Saint Phalle  den international renommierten und gut vernetzten Direktor des Moderna Museet jn Stockholm Pontus Hultén kennen, der zu ihrem wichtigsten Förderer und Motivator wird.

Ein wenig später lernte Niki de Saint Phalle ihren künstlerischen Wegbegleiter und langjährigen Partner, den Künstler Jean Tinguely kennen, mit dem sie in der Folge zahlreiche Projekte realisierte und ab 1963 in Frankreich und den USA lebte. Ab 1958 arbeitete die Autodidaktin an Assemblagen und Landschaften, in die sie gefundene Scherben, Alltagsgegenstände oder auch Plastikobjekte wie Spielzeugpistolen integrierte. Inspiriert von zeitgenössischer Kunst experimentierte sie mit unterschiedlichen Techniken, in Nightscape (Nachtlandschaft, 1959) etwa mit dem von Jackson Pollock geprägten Dripping und der von Antoni Gaudí verwendeten alten maurischen Mosaik-Technik, und griff Einflüsse von Jean Dubuffet, surrealistischen Collagen, Neo-Dada und naiver Malerei auf.

Wir kennen vor allem Nikis Nanas, die großen bunten voluminösen übergroßen Frauenkörper, bunt schrill und mitunter begehbar, wie die PLastik Hon 1966 im Moderna Museet in Stockholm, mit der de Saint Phalle der internationale Durchbruch als Künstlerin gelingt, oder die hausgroßen Skulpturen in ihrem Tarot-Park in der Provence. Hiervon präsentiert die Ausstellung zahlreiche Modelle.

Nikis Schießbilder

Niki de Saint Phalle, King-Kong, 1962, Schießbild, Farbe, Gips und verschiedene Objekte auf Holz, 276 x 611 x 47 cm (in 5 Teilen), Albin Dahlström / Moderna Museet, © 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris  © Foto Diether von Goddenthow
Niki de Saint Phalle, King-Kong, 1962, Schießbild, Farbe, Gips und verschiedene Objekte auf Holz, 276 x 611 x 47 cm (in 5 Teilen), Albin Dahlström / Moderna Museet, © 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris © Foto Diether von Goddenthow

Heutzutage weniger populär  sind beispielsweise Nikis Schießbilder (Tirs), mit denen sie in den frühen 1960er Jahren erste Bekanntheit erlangte. In provokanten Performances schoss sie vor Publikum mit einem Gewehr auf präparierte weiße Gipsreliefs mit verspachtelten Farbelementen, die sie damit regelrecht zum Bluten brachte. Diese Aktionen führten 1961 zu ihrer Aufnahme als einzige Künstlerin in die Gruppe der „Nouveaux Réalistes“ um Pierre Restany, die die abstrakte Kunst der Nachkriegszeit ablehnten und eine neue Verbindung zwischen Kunst und Realität forderten. Essenziell für die Werkserie der Schießbilder ist die Auflösung der strikten Trennung zwischen Künstlerin, Werk und Publikum.

„Aus den zunächst spontanen Schießaktionen wurden zunehmend ritualisierte Spektakel, und Niki de Saint Phalle war innerhalb kürzester Zeit international berühmt, ohne Social Media, wie Insta, Twitter, Facebook & Co.“, erklärt Katharina Dohm, die die wunderbare Niki-de-Saint-Phalle-Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt kuratiert hat. Der Akt des Schießens war für  Niki de Saint Phalle sowohl ein Ventil, um Aggressionen abzubauen, als auch ein Mittel, um die herrschenden Vorstellungen von Malerei zu hinterfragen.

Unter den schießenden Personen sind Künstlerkollegen, wie ihr Partner Jean Tinguely, sowie Pierre Restany, Jasper Johns, Robert Rauschenberg oder Edward Kienholz. Sie nahmen aktiv an den Happenings teil, schossen auf die Bilder und wurden so zu Mitwirkenden an einem zerstörerischen und zugleich schöpferischen, gesellschaftskritischen Akt.

Nike de Saint Phalle tritt in diesen Aktionen direkt mit dem Publikum in Dialog. Hierdurch wird die strikte Trennung von Künstlern und Werkbetrachtern aufgehoben. Der Betrachter tritt viel mehr als Mitproduzent in dem Werk in Erscheinung, wobei sogleich die Figur des Künstlers sehr explosiv infrage gestellt werde. Es sei eine geradezu kämpferische Art, ein kämpferischer Auftritt, mit ihrer Kunst  durchzudringen, auch im Hinblick auf die damals männlich dominierte Kunstwelt. Der kreative Akt, die kreative Konstruktion erfolgt also durch die Dekonstruktion, so Dohm.

„Das Bild war das Opfer! ‚Wer war das Bild: Papa, alle Männer, kleine Männer, große Männer, dicke Männer, dünne Männer? Mein lieber John? Oder war ich selbst das Bild?“. Schoss ich auf mich selbst in einem Litoral, das es mir ermöglichte durch meine eigene Hand zu sterben, und wiedergeboren zu werden?“ Niki de Saint Phalle

„Die Einbindung des Publikums in die Fertigstellung der Arbeit ist essenziell für die Werke“, so Dohm. Im Jahr 1963 beendete de Saint Phalle die Werkgruppe der Schießbilder. Die Schirn präsentiert u. a. zwei Werke aus der Serie Alte Meister, die de Saint Phalle 1961 in ihrer ersten Einzelausstellung „Feu à volonté“ („Feuer frei“) in der Galerie J in Paris zeigte. Großformatige Arbeiten wie King-Kong (1962) oder Heads of State (Study for King-Kong) (Staatsoberhäupter (Studie zu King-Kong), 1963) mit satirischen Darstellungen von männlichen Protagonisten der Weltpolitik unterstreichen die politische Dimension der Schießbilder.

Ab 1963 entwickelte de Saint Phalle zunehmend figürliche Assemblagen, die sich mit weiblicher Identität auseinandersetzen. Obwohl sich die Künstlerin nicht aktiv an der aufkommenden zweiten Frauenbewegung beteiligte, nahm sie in ihren Werken zentrale Aspekte der feministischen Kunstbewegung vorweg. Mit Arbeiten wie Femme nue (Figure) (Nackte Frau (Figur), 1963/64), L’accouchement rose (Die rosa Geburt, 1964) oder Autel des femmes (Altar der Frauen, 1964) erschuf sie imposante wie auch monströse Frauengestalten. Betont weiblich und bedeckt von Plastikspielzeug und Fundobjekten beleuchten die Plastiken die Potenz der Frau und hinterfragen zugleich kritisch traditionelle Rollen als Ehefrau, Mutter und sexualisierter Körper in der westlichen Nachkriegsgesellschaft.

Alle Macht den Nanas

Niki de Saint Phalle, Nana rouge jambes en l'air, um 1968, Polyester, bemalt, auf Eisendraht, 220 x 185 x 120 cm, Leopold-Hoesch Museum, Düren / Peter Hirnschläger, Aachen, © 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris © Foto Diether von Goddenthow
Niki de Saint Phalle, Nana rouge jambes en l’air, um 1968, Polyester, bemalt, auf Eisendraht, 220 x 185 x 120 cm, Leopold-Hoesch Museum, Düren / Peter Hirnschläger, Aachen, © 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris © Foto Diether von Goddenthow

1965 stellte de Saint Phalle in Paris erstmals die neue Werkserie der Nanas vor, die sie als ein „Jubelfest der Frauen“ bezeichnete. Anders als die frühen Assemblagen verkörpern die in leuchtenden Farben bemalten, üppigen und oft schwangeren Frauenfiguren mit prallen Brüsten, großen Hinterteilen und kleinen Köpfen Lebensfreude und Stärke und rufen ein von Unterdrückung befreites Matriarchat aus. In der Folge entstanden Nanas in vielen Ausführungen, in unterschiedlichen Materialien, Größen und Farben, als Skulpturen im öffentlichen Raum oder als begehbare Nana Häuser.

Modell von „Hon“, die Kathedrale Skulptur von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle im Moderna Museet in Stockholm. In Original: 25 Meter lang, 9 Meter breit und 6 Meter hoch, Hon ist eine  Skulptur in Gestalt einer liegenden Schwangeren, in deren Bauch die Besucher durch eine übergroße Vagina gelangen. Hier gab es Angebote von einer Ausstellung gefälschter Gemälde und Kurzfilme über Unterhaltung und Kurzfilme bis hin zu einem Planetarium in der linken und einer Milchbar in der rechten Brust. © Foto Diether von Goddenthow
Modell von „Hon“, die Kathedrale Skulptur von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle im Moderna Museet in Stockholm. In Original: 25 Meter lang, 9 Meter breit und 6 Meter hoch, Hon ist eine Skulptur in Gestalt einer liegenden Schwangeren, in deren Bauch die Besucher durch eine übergroße Vagina gelangen. Hier gab es Angebote von einer Ausstellung gefälschter Gemälde und Kurzfilme über Unterhaltung und Kurzfilme bis hin zu einem Planetarium in der linken und einer Milchbar in der rechten Brust. © Foto Diether von Goddenthow

Für das Moderna Museet in Stockholm realisierte die Künstlerin, wie oben bereits erwähnt, 1966 zusammen mit Per Olof Ultvedt und Jean Tinguely die Großskulptur Hon – En Kathedral (Sie – Eine Kathedrale), eine durch die Vagina begehbare Nana, in deren Inneren sich ein Vergnügungspark für Erwachsene u. a. mit Milchbar, Planetarium, Kino und Ausstellungen befand. Die Schirn zeigt ein Modell davon sowie eine Skizze und dokumentarisches Material der 25 Meter langen, 9 Meter breiten und 6 Meter hohen Figur, von der nur der Kopf erhalten geblieben ist.

Als Gegenserie zu den befreiten Nanas konzipierte die Künstlerin in den 1970er-Jahren The Devouring Mothers (Die verschlingenden Mütter), die den Konventionen verhaftete alternde Frauen darstellen. Die Schirn zeigt Tea Party, ou Le Thé chez Angelina (Tea Party, oder Tee bei Angelina, 1971) und La Toilette (Die Körperpflege, 1978). Hier wie auch in der gleichnamigen illustrierten Publikation The Devouring Mothers, Storybook (Die verschlingenden Mütter, Bilderbuch, 1972) und dem Film Daddy (1973) setzte sich de Saint Phalle u. a. mit der schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter und dem Missbrauch durch den Vater in ihrer Kindheit auseinander. Im Begleitprogramm der Ausstellung präsentiert die Schirn neben Daddy auch den Film Un rêve plus long que la nuit (Ein Traum länger als die Nacht, 1976) der Künstlerin.

Niki de Saint Phalle Tempel aller Religionen, Modell aus dem Tarotgarten. © Foto Diether von Goddenthow
Niki de Saint Phalle Tempel aller Religionen, Modell aus dem Tarotgarten. © Foto Diether von Goddenthow

Die Faszination für architekturale Skulpturen begleitete de Saint Phalle seit Beginn ihres künstlerischen Schaffens. Bereits in den 1950er-Jahren hinterließen Besuche u. a. des Park Güell von Antoni Gaudí in Barcelona und des Palais idéal von Ferdinand Cheval in Hauterive in Frankreich einen nachhaltigen Eindruck. Die Absicht, Kunst in das Leben der Menschen zu integrieren, zieht sich in unterschiedlicher Form durch ihr Werk, als Motiv in den frühen Gemälden bis zu Gebäuden, Spielhäusern für Kinder und Skulpturen-Parks. Ab 1975 widmete sie sich verstärkt dem Tarotgarten, der zu ihrem künstlerischen Vermächtnis wurde. Über 20 Jahre arbeitete sie an diesem Großprojekt, das sie selbst finanzierte und an dem u. a. Jean Tinguely, Seppi Imhof und Rico Weber mitwirkten. Der Garten wurde am 15. Mai 1998 eröffnet und umfasst 22 teilweise begeh- und bewohnbare Monumentalskulpturen, die mit farbigen Mosaiksteinen, Keramik- und Spiegelscherben verkleidet sind. Die Schirn präsentiert Entwürfe, u. a. Sphinx (o. D.) und Magicien – House of Meditation (Magier – Haus der Meditation, 1978) sowie Modelle für Projekte, die nicht realisiert werden konnten, wie Temple of all Religions (Tempel aller Religionen, 1974–1988).

Niki de Saint Phalle Die Braut zu Pferd. 1997, Sprengel-Museum. © Foto Diether von Goddenthow
Niki de Saint Phalle Die Braut zu Pferd. 1997, Sprengel-Museum. © Foto Diether von Goddenthow

Die Auseinandersetzung mit politischen Themen findet sich in allen Schaffensphasen der Künstlerin. Ihre Schießbilder entstanden während des Algerienkrieges, der Kubakrise und der nuklearen Bedrohung im Kalten Krieg. In den 1980er-Jahren beteiligte sie sich als eine der ersten Künstlerinnen mit Aufklärungskampagnen am Kampf gegen AIDS. In diesem Kontext schuf sie auch die in der Schirn gezeigten Skulpturen Trilogie des obélisques (Trilogie der Obelisken, 1987) und Skull, Meditation Room (Schädel, Meditationsraum,1990). 2001 gestaltet de Saint Phalle in den USA eine Serie von Grafiken, die sich in eine lange Reihe piktografischer Briefe seit den 1960er-Jahren einfügt. Hierin verhandelte die Künstlerin öffentliche Diskurse u. a. in den USA, die bis heute relevant sind, wie etwa die mangelnde Regulierung der Waffenindustrie oder die Auseinandersetzung um Abtreibung und das Recht der Frau auf körperliche Selbstbestimmung. In Global Warming (Globale Erwärmung) kritisiert de Saint Phalle die Politik des damaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush, der für sie die Vernachlässigung der Umweltprobleme verkörperte.

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NIKI DE SAINT PHALLE ab 3. Februar 2023 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt

Niki de Saint Phalle, Nana rouge jambes en l'air, um 1968, Polyester, bemalt, auf Eisendraht, 220 x 185 x 120 cm, Leopold Hoesch Museum, Düren / Peter Hirnschläger, Aachen, © 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris
Niki de Saint Phalle, Nana rouge jambes en l’air, um 1968, Polyester, bemalt, auf Eisendraht, 220 x 185 x 120 cm, Leopold Hoesch Museum, Düren / Peter Hirnschläger, Aachen, © 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris

In Koope­ra­tion mit dem Kunst­haus Zürich präsentiert die Schirn Kunsthalle Frankfurt vom 3.Februar bis zum 21. Mai 2023 Niki des Saint Phalles radikales und visionäres Werk in einer umfassenden Überblicksausstellung.
Niki de Saint Phalle (1930–2002) zählt als eine der Haupt­ver­tre­te­rin­nen der euro­päi­schen Pop-Art und Mitbe­grün­de­rin des Happe­nings zu den bekann­tes­ten Künst­le­rin­nen ihrer Gene­ra­tion. Kunst war für die Autodidaktin de Saint Phalle mehr als nur ein Medium des Ausdrucks: Kunst war ihr aus biogra­fi­schen Grün­den eine Notwen­dig­keit und diente zudem dazu, gesell­schaft­li­che Konven­tio­nen zu hinter­fra­gen.
Mit  rund 100 Arbei­ten aus allen Werk­pha­sen beleuchtet die Schirn das viel­fäl­tige Œuvre und die künstlerische Geschichte der fran­zö­sisch-ameri­ka­ni­schen Visio­nä­rin. In den fünf Jahr­zehn­ten ihres künst­le­ri­schen Schaf­fens entwi­ckelte Niki de Saint Phalle eine unver­wech­sel­bare Formen­spra­che und ein facet­ten­rei­ches Werk. Die „Nanas“, ihre bunten, groß­for­ma­ti­gen Frau­en­skulp­tu­ren, zuletzt ein wenig in Vergessenheit geraten, begrün­de­ten ihren inter­na­tio­na­len Erfolg und gelten bis heute als ihr Marken­zei­chen.
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Chagall Welt in Aufruhr – Die Schirn Kunsthalle Frankfurt beleuchtet das Schaffen des eigenwilligsten Künstlers der Moderne ab4.11.2022

DIE SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT BELEUCHTET MARC  CHAGALLS SCHAFFEN DER 1930ER- UND 1940ER-JAHRE IN EINER GROSSEN AUSSTELLUNG vom 4. NOVEMBER 2022 – 19. FEBRUAR 2023 © Foto: Diether von Goddenthow
DIE SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT BELEUCHTET MARC CHAGALLS SCHAFFEN DER 1930ER- UND 1940ER-JAHRE IN EINER GROSSEN AUSSTELLUNG vom 4. NOVEMBER 2022 – 19. FEBRUAR 2023 © Foto: Diether von Goddenthow

In Marc Chagalls (1887–1985) Werk scheinen der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Er gilt als einer der eigenwilligsten Künstler der Moderne. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt widmet dem Maler nach 15 Jahren erstmals wieder eine groß angelegte Ausstellung in Deutschland. „Chagall. Welt in Aufruhr“ beleuchtet vom 4. November 2022 bis zum 19. Februar 2023 eine bislang wenig bekannte Seite seines Schaffens: Chagalls Werke der 1930er- und 1940er-Jahre, in denen sich seine farbenfrohe Palette zunehmend verdunkelt.

Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2022 © Foto: Diether von Goddenthow
Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2022 © Foto: Diether von Goddenthow

Als jüdischer Maler war Chagall immer wieder existenziellen Bedrohungen ausgesetzt, die sich prägend auf sein Leben und sein Werk auswirkten. In den frühen 1930er-Jahren thematisierte er in seiner Kunst den immer aggressiver werdenden Antisemitismus und emigrierte 1941 aufgrund der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime schließlich in die USA. Sein künstlerisches Schaffen in diesen Jahren berührt zentrale Themen wie Identität, Heimat und Exil. Mit rund 60 eindringlichen Gemälden, Papierarbeiten und Kostümen der 1930er- und 1940er-Jahre zeichnet die Ausstellung die Suche des Künstlers nach einer Bildsprache im Angesicht von Vertreibung, Verfolgung und Emigration nach. Sie präsentiert wichtige Werke, in denen sich Chagall vermehrt mit der jüdischen Lebenswelt beschäftigte, zahlreiche Selbstbildnisse, seine Hinwendung zu allegorischen und biblischen Themen, die bedeutenden Gestaltungen der Ballette Aleko (1942) und Der Feuervogel (1945) im US-amerikanischen Exil, die wiederkehrende Auseinandersetzung mit seiner Heimatstadt Witebsk und Hauptwerke wie Der Engelsturz (1923/1933/1947). In der Zusammenschau ermöglicht die Schirn eine neue und äußerst aktuelle Perspektive auf das OEuvre eines der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts.

Für die Präsentation konnte die Schirn bedeutende Leihgaben aus zahlreichen deutschen und internationalen Museen, öffentlichen wie privaten Sammlungen gewinnen und in Frankfurt zusammenführen. Zu den Leihgebern zählen u.a. das Kunsthaus Zürich, das Kunstmuseum Basel, The Metropolitan Museum of Art, New York, das Moderna Museet, Stockholm, das Centre Pompidou, Paris, das Musée national Marc Chagall, Nizza, das Museo de Arte Thyssen-Bornemisza, Madrid, das The David and Alfred Smart Museum of Art, Chicago, das Stedelijk Museum, Amsterdam, die Tate, London, das Tel Aviv Museum of Art sowie das The Israel Museum, Jerusalem.

Die Ausstellung „Chagall. Welt im Aufruhr“ wird gefördert durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und die Ernst Max von Grunelius-Stiftung. Hinzu kommt die Förderung der Bank of America als Partner der Schirn sowie zusätzliche Unterstützung durch die Georg und Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung.

(v.li.:) Ilka Voermann, Kuratorin der Ausstellung, Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt  und Karin Wolff, Geschäftsführerin Kulturfonds Frankfurt RheinMain beim Pressegespräch über die neue Ausstellung „Chagall – Welt in Aufruhr“  im Foyer der Schirn Kunsthalle Frankfurt
(v.li.:) Ilka Voermann, Kuratorin der Ausstellung, Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt und Karin Wolff, Geschäftsführerin Kulturfonds Frankfurt RheinMain beim Pressegespräch über die neue Ausstellung „Chagall – Welt in Aufruhr“ im Foyer der Schirn Kunsthalle Frankfurt

Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, stellte heute bei einem Pressegespräch gemeinsam mit Karin Wolff, Geschäftsführerin Kulturfonds Frankfurt RheinMainbetont, und Ilka Voermann, Kuratorin der Ausstellung, die neue Sonderausstellung vor. Sie soll nach dem Ende, am 23. Februar 2023, nach Oslo „wandern“. „Chagall musste immer wieder aufs neue in seinem Leben den Wohnort wechseln – mal aus freien Stücken, mal veranlasst durch äußere Umstände“, so Baden: „Wie viele junge Maler zog es ihn 1911 in die bedeutende Kunstmetropole Paris, um dort die alten Meister ebenso wie die neuesten Strömungen in der Kunst zu studieren. Schon 1914 zwang ihn der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zur Rückkehr in seine belarussische Heimatstadt Witebsk, die zur damaligen Zeit zum Russischen Reich gehörte“, so Baden.

Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, macht zudem auf den wunderbaren Begleitkatalog zur Ausstellung aufmerksam. © Foto: Diether von Goddenthow
Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, macht zudem auf den wunderbaren Begleitkatalog zur Ausstellung aufmerksam. © Foto: Diether von Goddenthow

Im Anschluss an die Oktoberrevolution ließ sich Chagall erneut in Paris nieder, das für ihn und seine Familie in den drauffolgenden Jahren zu einer neuen Heimat wurde. Auch nach der nationalistischen Machtübernahme in Deutschland, mit der eine zunehmende Bedrohung des Friedens wie auch des jüdischen Lebens in Europa einherging, blieb er zunächst in Paris. 1939, wenige Wochen vor dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen, übersiedelte der Künstler zusammen mit seiner Familie nach Südfrankreich. Zwei Jahre später emigrierten die Chagalls in die Vereinigten Staaten. Obschon er und seine Familie sich dort mit der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Situation zurechtenfinden mussten, und auch der unerwartete Tod seiner sehr geliebten Frau Bella ihn mit großer Trauer erfüllte, setzte Chagall seine künstlerische Arbeit in Amerika fort. Erst 1948 kehrte Chagall endgültig nach Frankreich zurück. „Wie eng die oftmals als fantastisch beschriebene Kunst von Marc Chagall mit seiner Lebenswirklichkeit verbunden ist, zeigt besonders der Blick auf seine weniger bekannten Werke der 1930er- und 1940er-Jahre, die in dieser Ausstellung gezeigt werden. Unverkennbar reflektierte Chagall in diesen Gemälden die politische Realität und machte es sich zum Anliegen, auch ein nicht-jüdisches Publikum zu erreichen und zur Auseinandersetzung mit der Shoah aufzufordern. Anhand des Schaffens eines der bekanntesten Künstler der europäischen Moderne befasst sich die Schirn Kunsthalle Frankfurt mit zentralen Themen wie Flucht und Verfolgung, Heimat und Exil, aber auch der Frage, wie Erfahrungen und Zuschreibungen durch andere die eigene Identität prägen. Damit eröffnet die Ausstellung einen differenzierten und neuen Blick auf das Werk von Chagall, das gegenwärtig eine besondere Aktualität erhält.“, so der Direktor der Schirn.

Karin Wolff, Geschäftsführerin Kulturfonds Frankfurt RheinMain © Foto: Heike  von Goddenthow
Karin Wolff, Geschäftsführerin Kulturfonds Frankfurt RheinMain © Foto: Heike von Goddenthow

Karin Wolff, Geschäftsführerin Kulturfonds Frankfurt RheinMain, unterstrich die Bedeutung der leuchtenden, farbenfrohen Bildwelten und fantastischen Kompositionen des Künstlers und unterstrich auch noch einmal, wie eng verwoben Chagalls Bilder mit einer eigenen Lebensrealität seien. Chagalls Leben und Werk, das mit seinen Stationen und Entwicklungen geradezu programmatisch für das 20. Jahrhundert gelesen werden kann, erscheint in diesen Zeiten im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen in Europa wieder gegenwärtiger denn je“, so Wolff.

Ilka Voermann, Kuratorin der Ausstellung © Foto: Heike  von Goddenthow
Ilka Voermann, Kuratorin der Ausstellung © Foto: Heike von Goddenthow

Ilka Voermann, Kuratorin der Ausstellung, erläutert: „Bei einem genauen Blick auf Marc Chagalls Bilder wird schnell deutlich, dass die in der Rezeption dominierende Vorstellung von dem Künstler als ‚Poet‘ oder ‚Fantast‘ unter den Malerinnen und Malern der Moderne nicht stimmen kann. Chagalls Kunst ist stark in seiner Lebensrealität verwurzelt, die immer wieder durch politische Ereignisse, wie die zwei Weltkriege oder die Novemberrevolution, geprägt wurde. Diese massive Gefährdung nicht nur seiner eigenen Identität, sondern einer ganzen Kultur nimmt er zum Anlass, um gerade in den 1930er- und 1940er-Jahren einige der eindrücklichsten Darstellungen zu den Themen Krieg, Flucht und Verfolgung der westlichen Kunstgeschichte zu schaffen. Auch für die Einordnung und das Verständnis seines OEuvres sind Chagalls Arbeiten aus dieser Zeit, die weniger bekannt sind als sein Früh- und Spätwerk, sehr bedeutsam.“

RUNDGANG DURCH DIE AUSSTELLUNG

Die Ausstellung in der Schirn fokussiert Werke von Marc Chagall, die in den 1930er- und 1940er-Jahren entstanden sind, in einem thematisch gegliederten Rundgang mit sieben Sektionen.

Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt  2022 © Foto: Diether von Goddenthow
Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2022 © Foto: Diether von Goddenthow

Anfang der 1930er-Jahre begann im Schaffen von Marc Chagall ein verstärktes Interesse an jüdischen Themen und eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen jüdischen Identität. Auftakt des Ausstellungsrundgangs bildet das bedeutende Gemälde Einsamkeit, entstanden 1933, dem Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland. Es zeigt einen Juden in der Pose der Melancholia vor einer brennenden Stadt. Schützend umfasst er eine Thorarolle, während ihm eine Geige spielende Kuh Trost spendet. In dieser Zeit realisierte Chagall im Auftrag des Kunsthändlers Ambroise Vollard auch Illustrationen des Alten Testaments, die ebenfalls in der Schirn zu sehen sind. Vor diesem Hintergrund bereiste er 1931 gemeinsam mit seiner Familie das britische Mandatsgebiet Palästina. Vor Ort entstanden Zeichnungen und Gemälde in einer zeitlosen, für Chagall ungewöhnlich dokumentarischen Ausführung, die sich auf die Darstellung heiliger, jüdischer Stätten wie die Klagemauer sowie Innenräume von Synagogen konzentrieren und das zeitgenössische Leben in Palästina aussparen. Zu sehen sind in der Ausstellung auch Zeichnungen der Synagoge in Wilna (1935), die während einer Reise ins damals polnische Wilna, heute Vilnius, entstanden.

Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt  2022 © Foto: Diether von Goddenthow
Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2022 © Foto: Diether von Goddenthow

Chagall wechselte immer wieder seinen Lebensmittelpunkt. Im Jahr 1922 verließ er das postrevolutionäre Russland und lebte mit seiner Frau Bella Chagall und der Tochter Ida, nach einem Zwischenaufenthalt in Berlin, ab 1923 in der französischen Hauptstadt Paris. 1941 floh er gemeinsam mit seiner Familie vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten in die USA und kehrte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1948 aus der Emigration nach Frankreich zurück. Anders als in Frankreich, wo einige von Chagalls Arbeiten wie Bonjour Paris (1939–1942) durch typische Landschafts- oder Stadtansichten eine Annäherung an das Land belegen, spiegeln sich die USA in den Werken des Künstlers kaum wider. Vielmehr beschäftigten Chagall die Geschehnisse in Europa und in seiner Heimat. Ein wiederkehrendes Motiv insbesondere der 1930er- und 1940er-Jahre ist seine Heimatstadt Witebsk, u.a. in Die Dorfmadonna (1938‒1942), Der Traum (ca. 1938/39) oder Bei mir zu Hause (1943). Sie wurde für Chagall zum Symbol für die Sehnsucht nach dem verlorenen, zerstörten Zuhause.

Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt  2022 © Foto: Diether von Goddenthow
Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2022 © Foto: Diether von Goddenthow

Ende der 1930er-Jahre fand Chagall eine Bildsprache für die politischen und persönlichen Ereignisse seiner Zeit in religiösen und vornehmlich christlichen Motiven. Der gekreuzigte Christus wurde für den Künstler zum zentralen Sinnbild für das Leiden der europäischen Jüdinnen und Juden. In zahlreichen Werken wie Die Kreuzigung in Gelb (1942) oder Apokalypse in Lila, Capriccio (1945) kennzeichnete er Christus durch Attribute wie den jüdischen Gebetsschal (Tallit) oder Gebetsriemen (Tefillin) eindeutig als Juden. Indem er die christliche Ikonografie mit den jüdischen Symbolen verknüpfte, entwickelte Chagall ein neues Narrativ und stilisierte Christus zu einem jüdischen Märtyrer.

Mit seiner Frau Bella Chagall verband den Künstler eine außergewöhnliche Lebens- und Geistesgemeinschaft. In zahlreichen Gemälden visualisierte er das ikonische Bildmotiv des schwebenden, innig verbundenen Liebespaars. Chagall griff das Paarmotiv in verschiedenen Varianten und Posen auf, als singuläre Figuren, die sich im Bildraum bewegen, häufiger als Brautpaar, in eine dörfliche Szenerie eingebettet. 1945 entstanden die beiden monumentalen Gemälden Um sie herum und Die Lichter der Hochzeit, in denen Chagall auch seine Trauer um die plötzlich verstorbene Bella zum Ausdruck brachte.

Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt  2022 © Foto: Heike von Goddenthow
Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2022 © Foto: Heike von Goddenthow

Das Werk Der Engelsturz nimmt eine Sonderstellung in Chagalls Werk ein. Über einen Zeitraum von 24 Jahren arbeitete der Künstler in Paris, im US-amerikanischen Exil und wieder zurück in Europa immer wieder an diesem Gemälde. An diesem programmatischen Werk der 1930er- und 1940er-Jahre lässt sich in der Ausstellung anhand von Skizzen die Entwicklung der Bildelemente, die Verdunklung der Farbpalette und Chagalls intensive Auseinandersetzung besonders eindrücklich nachvollziehen. Der Künstler selbst bezeichnete das Gemälde nach 1945 als „das erste Bild der Serie von Vorahnungen“. Die heutige Datierung 1923 – 1933 – 1947 benennt die Vollendungszeitpunkte der drei verschiedenen Fassungen.

Die Schirn beleuchtet auch Chagalls Schaffen während seines Exils in New York. Neben Gemälden sind in der Ausstellung Kostüme aus dem Jahr 1942 für das Ballett Aleko, vertont von Pjotr Iljitsch Tschaikowski, zu sehen sowie Kostüm- und Vorhangentwürfe für Der Feuervogel zur Musik von Igor Strawinsky aus dem Jahr 1945. Für Chagall waren die Bühnenproduktionen nicht nur wichtige, öffentliche Aufträge, sondern gaben ihm auch die Möglichkeit, mit anderen russischen Exilanten, wie dem Choreografen Léonide Massine, zusammenzuarbeiten.

Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt  2022 © Foto: Diether von Goddenthow
Chagall. Welt in Aufruhr, Ausstellungsansicht, © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2022 © Foto: Diether von Goddenthow

Das Ende des Zweiten Weltkriegs zeigt sich im Werk von Chagall ambivalent. In Gemälden wie Die Seele der Stadt (1945) oder Selbstbildnis mit Wanduhr (1947) thematisierte er den neuen Lebensabschnitt, ebenso aber seine Zerrissenheit aufgrund der persönlichen Situation. In vielen Gemälden wie Die Kuh mit dem Sonnenschirm (1946) lässt sich eine positivere Grundstimmung ausmachen, das Thema der Shoah bleibt ein fester Bestandteil in Chagalls späteren Arbeiten. Anschaulich wird Chagalls innerer Konflikt in dieser Übergangsphase auch an den doppelgesichtigen Porträts, in denen er häufig sein eigenes Gesicht mit dem seiner verstorbenen Frau verband, etwa in Der schwarze Handschuh (1923‒1948). Im August 1948 verließ Chagall sein US-amerikanisches Exil und kehrte gemeinsam mit seiner neuen Partnerin Virginia Haggard nach Frankreich zurück.

Eine Ausstellung der Schirn Kunsthalle Frankfurt in Kooperation mit dem Henie Onstad Kunstsenter, Oslo.

KATALOG Chagall
katalog-chagall-welt-in-aufruhr-160Welt in Aufruhr, herausgegeben von Ilka Voermann, mit Beiträgen von Ziva Amishai-Maisels, Anna Huber, Leon Joskowitz, Sabine Koller und Ilka Voermann, sowie einem Vorwort des Direktors der Schirn Kunsthalle Frankfurt Sebastian Baden und der emeritierten Direktorin des Henie Onstad Kunstsenter Tone Hansen, Deutsch, Englisch und Norwegisch in getrennten Ausgaben, 200 Seiten, 120 Abb., 28,5 x 22,5 cm, Hardcover, Hirmer Verlag, ISBN 978-3-7774-4079-8 (deutsche Ausgabe), 978-3-7774-4082-8 (englische Ausgabe), 978-3-7774-4083-5 (norwegische Ausgabe), 35 € (SCHIRN), 45 € (Buchhandel)

DIGITORIAL® Zur Ausstellung bietet die SCHIRN ein Digitorial® an. Es beleuchtet an den Stationen Witebsk, Paris, Jerusalem und New York die politischen Ereignisse, die Chagalls Schaffen geprägt haben. Das kostenfreie digitale Vermittlungsangebot ist in deutscher sowie englischer Sprache abrufbar unter www.schirn.de/digitorial.

BEGLEITHEFT Chagall. Welt in Aufruhr. Eine Einführung in die Ausstellung, herausgegeben von der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Das Begleitheft nimmt Marc Chagalls Werke der 1930er- und 1940er-Jahre in den Blick. Auf ca. 40 Seiten stellt die Publikation die wichtigsten Werke der Ausstellung vor und legt die künstlerischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge dar. Ab 12 Jahren, 7,50 € einzeln, im Klassensatz 1 € pro Heft (ab 15 Stück).

AUDIOGUIDE Der kostenlose Audioguide stellt die wichtigsten Werke der Ausstellung vor. Daniel Donskoy, Schauspieler, Musiker und Moderator bereichert den Audioguide um Hintergründe zu Chagalls Leben und gewährt Einblicke in die heutige jüdische Identität. Kostenlos auf dem Handy erhältlich oder als Mietgeräte in der SCHIRN für 4 €

ORT SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, 60311 Frankfurt am Main
DAUER 4. November 2022 – 19. Februar 2023
INFORMATION www.schirn.de E-MAIL welcome@schirn.de TELEFON +49.69.29 98 82-0 FAX +49.69.29 98 82-240
EINTRITT Limitierte Zeittickets für Wochenendbesuche 16 €, ermäßigt 14 €. Zeittickets wochentags 14 €, ermäßigt 12 €, freier Eintritt für Kinder unter 8 Jahren
ZEITTICKETS im Onlineshop unter www.schirn.de/shop oder an der Schirn Kasse INDIVDUELLE FÜHRUNGEN BUCHEN Individuelle Führungen oder Gruppenbuchungen sind buchbar unter fuehrungen@schirn.de
INFORMATIONEN ZU IHREM BESUCH Alle Informationen zu Ihrem Besuch und den aktuell gültigen Hygienemaßnahmen finden Sie unter www.schirn.de/besuch/faq

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„Ja, wenn das Malen nicht wäre?“ – Die Frankfurter Schirn zeigt umfassende Retrospektive der Malerin Paula Modersohn-Becker

Paula Modersohn Becker: Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag. Es ist das erste Akt-Selbstporträt einer Künstlerin überhaupt, die einen  Babybauch zeigt. Sie ist jedoch nicht schwanger. Der gewölbte Bauch soll nur eine Möglichkeit und auf Venusdarstellungen von Lucas Cranach oder Botticellis Geburt der Venus anspielen, so Dr. Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Ausstellung, beim Presserundgang. © Foto  Diether v Goddenthow
Paula Modersohn Becker: Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag (25. Mai 1906). Es ist das erste Akt-Selbstporträt einer Künstlerin überhaupt, die einen Babybauch zeigt. Sie ist jedoch nicht schwanger. Der gewölbte Bauch soll nur eine Möglichkeit zeigen und auf Venusdarstellungen von Lucas Cranach oder Botticellis Geburt der Venus anspielen, so Dr. Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Ausstellung, beim Presserundgang. © Foto Diether v Goddenthow

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert  vom 8. Oktober 2021 bis 6. Februar 2022  die Avant­garde der Malerin Paula Modersohn-Becker  (1876–1907), einer deutschen Künstlerin der Klassischen Moderne, die wie keine andere in der öffentlichen Wahrnehmung solch legendären Status erreicht hat. In einer umfassenden Retrospektive wird gezeigt, wie entschieden sie sich über gesellschaftliche und künstlerische Konventionen ihrer Zeit hinwegsetzte und zentrale Tendenzen der Moderne vorwegnahm. In ihrem kurzen Leben schuf sie ein umfassendes und facettenreiches Œuvre, das über 100 Jahre zur Projektionsfläche wurde und bis heute fasziniert. Die Ausstellung versammelt in Frankfurt 116 ihrer Gemälde und Zeichnungen aus allen Schaffensphasen, darunter Hauptwerke, die heute als Ikonen der Kunstgeschichte gelten, etwa das Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag (1906). Präsentiert wird ein aktueller Blick auf das Werk dieser frühen Vertreterin der Avantgarde. In der nach prägnanten Serien und Bildmotiven gegliederten Präsentation stehen insbesondere auch Modersohn-Beckers außergewöhnlicher Malduktus und ihre künstlerischen Methoden im Fokus, die zu einer vielfältigen Rezeption ihres Schaffens beitrugen.

Ausstellungs-Impresssion. „Paula Modersohn-Becker fasziniert bis heute: Während die einen sie als populäre Malerin von Kinderbildnissen, Müttern, Bauern und norddeutscher Landschaft schätzen, wird sie von anderen als Ausnahmekünstlerin der Moderne gefeiert und neben Cézanne und Picasso gestellt. Gerade diese Vielstimmigkeit ihrer Rezeption war für die Schirn Anlass, unser Publikum einzuladen, ihr Werk in Frankfurt in seiner Gesamtheit neu zu betrachten.“, Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt. © Foto:  Heike v Goddenthow
Ausstellungs-Impresssion. „Paula Modersohn-Becker fasziniert bis heute: Während die einen sie als populäre Malerin von Kinderbildnissen, Müttern, Bauern und norddeutscher Landschaft schätzen, wird sie von anderen als Ausnahmekünstlerin der Moderne gefeiert und neben Cézanne und Picasso gestellt. Gerade diese Vielstimmigkeit ihrer Rezeption war für die Schirn Anlass, unser Publikum einzuladen, ihr Werk in Frankfurt in seiner Gesamtheit neu zu betrachten.“, Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt. © Foto: Heike v Goddenthow

Gemessen an ihrem umfangreichen Oeuvre mit allein rund 734 Gemälden und 1500 Zeichnungen, das Paula Modersohn-Becker nach nur 10- bis 14jähriger Schaffensperiode hinterließ, als sie mit 31 Jahren im November 1907 einer Embolie erlag, war Malen für sie mehr als Kunst, war Lebenselixier, bedeutet ihr Glückseligkeit: „Du lebst ja überhaupt. Du Glückliche, lebst intensiv, das heißt: Du malst. Ja, wenn das Malen nicht wäre?“, schrieb Paula Becker, 21jährig, im Juli 1897 in ihr Tagebuch.

Ihr Talent entdeckte Paula Becker zufällig als 16jährige bei privatem Zeichenunterricht für höhere Töchter während eines Aufenthaltes bei ihrer Tante Marie Hill auf dem englischen Landsitz „Castle Malwood“ in Wiley nahe Londons. Eigentlich sollte sie, so der Wunsch des Vater, dort den letzten Schliff in gesellschaftlichem Umgang und Haushaltsführung erhalten, um ihre Chancen auf eine gute Partie zu erhöhen. Doch ihre Tante Hill, angetan von der Begabung ihrer Nichte Paula, meldete sie in der privaten St. John’s Wood Art School in London an. Hier erwarb sie ihr erstes handwerkliches Grundgerüst: »Ich habe dort alle Tage Stunden von 10–4 Uhr. Zuerst zeichne ich nur, und zwar ganz einfache Arabesken usw. Mache ich darin Fortschritte, so zeichne ich in Kohle nach griechischen Modellen. […] Sollte ich noch weiter kommen, so zeichne und male ich nach lebendigen Modellen.« (an die Eltern, 21.10.1892).«  (Brief an die Eltern, 21.10.1892, Quelle: Paula Modersohn-Stiftung)

Ausstellungs-Impression Paula Modersohn Becker © Foto Diether v Goddenthow
Ausstellungs-Impression Paula Modersohn Becker © Foto Diether v Goddenthow

Hier reifte auch ganz zum Leidwesen ihrer Eltern der  Entschluss, Berufsmalerin zu werden. 1893 wieder zurück in Bremen, absolvierte sie den Eltern zuliebe zwar ein zweijähriges Lehrerinnen-Seminar mit Examen 1895. Doch ihr Lehrerinnen-Examen und Vaters Vorschlag, wenigstens als Kunstlehrerin zu arbeiten, konnten Paula nicht von ihrem Entschluss abbringen, Berufsmalerin zu werden. Während dieser ganzen Zeit hatte sie nebenher Mal- und Zeichenunterricht bei dem Bremer Maler Bernhard Wiegandt genommen.

Was heutzutage vielleicht nicht mehr sehr revolutionär klingt, war Ende des 19. Jahrhunderts für Frauen eine absolute berufliche Sackgasse: Denn Frauen konnten weder an öffentlichen Kunstakademien studieren, noch durften sie an öffentlichen Kunst-Wettbewerben der Akademien teilnehmen. Für Frauen blieb nur die Möglichkeit, sich an privaten – recht teuren –  Kunstschulen einzuschreiben.

Als Paula Becker von der  Zeichen- und Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen und Kunstfreundinnen hörte, die 1867 von wohlhabenden Damen der Gesellschaft gegründet wurde, immatrikulierte sich Paula Becker im Oktober 1896 für ein eineinhalbjähriges Studium. Dies unterbrach die angehende Berufsmalerin nur mit gelegentlichen Reisen zu Verwandten und für Studienaufenthalte in Worpswede, wo sie Fritz Mackensen unterrichtete.  Gefördert wurde sie von den Eltern und reichen Verwandten, wobei die einen Paula Becker finanziell unterstützten und die anderen, wie ihre Tante Paula Rabe  in der Perleberger Straße 23, sie bei sich frei wohnen ließen.

Um fachlich anerkannt und mit öffentlichen Kunstschulen /Akademien konkurrenzfähig zu sein,  wurde in der Berliner Kunstschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen und Kunstfreundinnen  nach einem strikten akademischen Curriculum unterrichtet. So wurden neben Zeichenkursen auch die verschiedenen künstlerischen Techniken und Genres wie Landschafts-, Porträt- und Blumenmalerei sowie theoretische Fächer wie Perspektive, Anatomie und Kunstgeschichte angeboten. Revolutionär war:  ab 1875 gab es eine Akt-Klasse, zu der nur angehende Berufsmalerinnen wie Paula zugelassen waren. Im Unterschied zu London und Paris, verfügte die Berliner Kunstschule in einem eigens errichteten Gebäude in bester Lage der Potsdamer Straße über sechs 90 Quadratmeter große Studiensäle. Wie eine Getriebene studierte Paula rund um die Uhr, besuchte Vorträge, und die wenige freie Zeit nutzte sie für Museumsbesuche, dazwischen auch Reisen  nach Hindelang im Allgäu mit Stationen in München zum Besuch der Pinakothek und der Schackgalerie.

Bereits 1898 in Worpswede entstanden die zwei lebensgroßen Akte in Kohle Stehender weiblicher Akt im Profil nach rechts und Stehender männlicher Akt nach links. Wie diese lebensgroßen Männerakte einmal mehr belegen, beherrschte Paula Modersohn-Becker  auch die akademische Malweise perfekt. © Foto:  Heike v Goddenthow
Bereits 1898 in Worpswede entstanden die zwei lebensgroßen Akte in Kohle Stehender weiblicher Akt im Profil nach rechts und Stehender männlicher Akt nach links. Wie diese lebensgroßen Männerakte einmal mehr belegen, beherrschte Paula Modersohn-Becker auch die akademische Malweise perfekt. © Foto: Heike v Goddenthow

Ab 1898 war Paula Becker ganz in die Künstlerkolonie Worpswede gezogen, lebte und arbeitete dort, unterbrochen durch vier längere Aufenthalte in Paris. Trotz fehlender weiblicher Vorbilder und auch während ihrer Ehe ab Mai 1901 mit dem Worpsweder Landschaftsmaler Otto Modersohn verfolgte sie mit großer Disziplin ihre eigenständige künstlerische Entwicklung. Sie war fasziniert von Rembrandt, Velazquez, Verrocchio, Dürer, Hans Baldung, dem Meister von Meßkirch und Goya und vielen anderen. Ihre Werke entstanden in oft einsamer Auseinandersetzung mit der älteren Kunstgeschichte und aktuellen Tendenzen der Kunst, die sie in der französischen Metropole studierte. In großen Werkserien umkreist sie ein wiederkehrendes Repertoire von Bildmotiven: Einen besonderen Schwerpunkt stellen Porträts und Selbstporträts dar, weitere zentrale Werkkomplexe sind Kinderbildnisse, Darstellungen von Mutter mit Kind, Bäuerinnen und Bauern, Akte, Landschaften aus Worpswede und Paris sowie Stillleben. Dabei fand sie zu überzeitlichen, allgemeingültigen Bildern und unabhängigen Darstellungen. Ihre Arbeiten sind rigoros, bisweilen radikal anders als die ihrer Zeitgenossen. Dem hohen eigenen Anspruch der Künstlerin steht der ihr zu Lebzeiten völlig ausbleibende äußere Erfolg gegenüber. Bis zu ihrem frühzeitigen Tod verkaufte sie lediglich vier Bilder, was aber auch zeigt, dass sie, ein Kind aus großbürgerlichen Verhältnisse, nicht wirklich existentiell auf Bildverkäufe angewiesen war.

Erst nach ihrem Tod wurde ihr Werk als Entdeckung gefeiert, gesammelt und ausgestellt, dabei in seiner Ambivalenz vielfach vereinnahmt.

 

THEMEN UND WERKE DER AUSSTELLUNG

Die Ausstellung ist in folgende Themen-Schwerpunkte gegliedert: Selbstporträts, Porträts von Familie und Freunden, Kinderbilder, Aktdarstellungen, Mutter und Kind, Paris-Zeichnungen, Bauern und Bäuerinnen in Worpswede, Landschafen, Nahsicht und Stilleben..

Selbstporträts

Paula Modersohn Becker: Selbstbildnis mit-Rose (1905)  © Foto  Diether v Goddenthow
Paula Modersohn Becker: Selbstbildnis mit-Rose (1905) © Foto Diether v Goddenthow

Ein besonderer Fokus im Schaffen Paula Modersohn-Beckers liegt auf der Darstellung des Menschen, dem Porträt. Insbesondere ihre Selbstporträts sind eines ihrer wichtigsten künstlerischen Experimentierfelder und bilden den Auftakt der Ausstellung in der Schirn. Zu sehen ist eine Auswahl dieser malerisch und stilistisch höchst unterschiedlichen Werkgruppe, die ihre gesamte Entwicklung spiegelt und als fortwährender Akt der künstlerischen Selbstvergewisserung diente. Bereits in dem frühen Selbstbildnis (um 1898) wird ihre zentrale malerische Methode sichtbar: die Nahsicht. Das Bildfeld wird komplett ausgefüllt, indem das Gesicht der Künstlerin nah herangerückt ist. Während ihres zweiten Aufenthalts in Paris 1903 fand Modersohn-Becker in der Frontalität römisch-ägyptischer Mumienporträts im Louvre eine Form der Verallgemeinerung, die in der Verbindung von direkter Nähe und zeitlosen Elementen ihren künstlerischen Bestrebungen entsprach und die sie u.a. in Selbstbildnis mit weißer Perlenkette (1906), Selbstbildnis mit rotem Blütenkranz und Kette (1906/07) oder Selbstbildnis mit Zitrone (1906/07) aufgriff. Auch die pastose Malweise der in der Technik der Enkaustik angefertigten und mit dem Spachtel aufgetragenen antiken Vorbilder prägte Modersohn-Beckers Schaffen. Ab 1898 und vermehrt ab 1902 bevorzugte sie eine besonders matte Tempera, deren Oberfläche sie in einigen Fällen mit dem Pinselstiel bearbeitete. Mehr als die Hälfte ihrer Selbstporträts entstand 1906/07, als sie sich – getrennt von Otto Modersohn – in Paris aufhielt und ihren Weg als Künstlerin suchte. Sieben davon zeigen die Malerin halb oder ganz entkleidet. Eine Sonderrolle nimmt das Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag (1906) ein, der erste bekannte Selbstakt einer Künstlerin und zum Zeitpunkt der Entstehung nicht ausstellbar. Das komplexe Werk liefert zahlreiche Anspielungen auf kunsthistorische Vorläufer und deutet diese zu einer um 1900 äußerst gewagten Selbstdarstellung um. Nackt und mit angedeuteter Schwangerschaft stellt sich Modersohn-Becker selbstbewusst und feminin dar – doppelt potent als Künstlerin und als Frau.

 

Porträts von Familie und Freunden

Paula Modersohn Becker. Bildnis Rainer Maria Rilke (Mai/Juni 1906) © Foto  Diether v Goddenthow
Paula Modersohn Becker. Bildnis Rainer Maria Rilke (Mai/Juni 1906) © Foto Diether v Goddenthow

Neben den Selbstbildnissen zeigt die Ausstellung Porträts von Personen aus dem persönlichen Umfeld der Künstlerin in Worpswede und Paris, u.a. von Otto Modersohn, Rainer Maria Rilke, der zu den wenigen und wichtigen Unterstützern der Künstlerin zu Lebzeiten zählte, von der Bildhauerin Clara Rilke-Westhoff oder der befreundeten Helene Hoetger.

 

Kinderbilder

Paula Modersohn Becker. Brustbild eines Mädchens in der Sonne vor weiter Landschaft (1897)  © Foto  Diether v Goddenthow
Paula Modersohn Becker. Brustbild eines Mädchens in der Sonne vor weiter Landschaft (1897) © Foto Diether v Goddenthow

Viele Figurenbilder von Paula Modersohn-Becker kennzeichnet eine unverwechselbare Mischung aus Nähe und Distanz, aus Naturalismus und Symbolhaftigkeit, mit der diese auf die Ebene des Überzeitlichen und Allgemeingültigen gehoben werden. Diese Darstellungsweise charakterisiert auch ihre einzigartigen Kinderbildnisse sowie ihre Mutter-Kind-Bilder. Mit insgesamt über 400 Arbeiten von meist bäuerlichen Kindern bilden diese im Werk Modersohn-Beckers die größte Gruppe. Die Auswahl an Kindermotiven in der Schirn verdeutlicht, mit welch großer Intensität sich die Künstlerin diesem im späten 19. Jahrhundert besonders beim bürgerlichen Publikum beliebten Sujet widmete. Allerdings verzichtete Paula Modersohn-Becker vollkommen auf die damals übliche idealisierende Darstellung. Ihre Kinder erscheinen als autonome Individuen, fremd und entrückt, in nah herangerückten Bildausschnitten, präsent und intim. In den letzten Jahren ihres Schaffens werden sie zu überzeitlichen Sinnbildern und mit Beigaben wie Früchten und Blumen in phantastischen Bildräumen zu Repräsentanten einer umfassenden Naturmystik. Diese Stilisierung erreicht in Mädchenakt mit Blumenvasen (1906/07), das geprägt ist von Paul Gauguins Tahiti-Motiven, einen Höhepunkt.

 

Mutter und Kind-Darstellungen

Paula Modersohn Becker. Säugling mit der Hand der Mutter (1903). © Foto  Diether v Goddenthow
Paula Modersohn Becker. Säugling mit der Hand der Mutter (1903). © Foto Diether v Goddenthow

In ihren Mutter-Kind-Darstellungen beschäftigte sich Modersohn-Becker mit einem Motiv, das vor ihr kaum systematisch bearbeitet wurde, und entwickelte zahlreiche Varianten. Auf realistische Ausarbeitungen folgte später eine Vereinfachung und Monumentalisierung. Vor dem Hintergrund der Lebensreformbewegung und der auch von der Künstlerin praktizierten Nacktkultur wird der unbekleidete Körper wie in den Selbstbildnissen zum Träger einer pantheistischen und matriarchalen Ideenwelt, die sich wie in Mutter mit Kind auf dem Arm, Halbakt II (Herbst 1906) mit einer ikonenhaften Statuarik verbindet.

 

Paris-Zeichnungen

Paula Modersohn-Becker zeichnete in allen Phasen ihres Schaffens und hinterließ ein umfangreiches grafisches Konvolut. Die teils skizzenhaften Pariser Stadtansichten mit typischen Motiven wie Seine-Brücken, der Kathedrale Notre-Dame und Menschengruppen zeugen von ihrer in jahrelanger Übung erworbenen Routine.

 

Aktdarstellungen

Paula Modersohn Becker. Stehender weiblicher Akt nach halbrechts, auf einen Hocker gestützt (um 1906).  © Foto  Diether v Goddenthow
Paula Modersohn Becker. Stehender weiblicher Akt nach halbrechts, auf einen Hocker gestützt (um 1906). © Foto Diether v Goddenthow

In Paris nahm sie regelmäßig Unterricht im Aktzeichnen an den für Frauen zugänglichen Akademien von Colarossi und Julian. Gegen akademische Konventionen und Restriktionen für Künstlerinnen zeichnete sie häufig unbekleidete Männer wie Frauen, wählte ungewöhnliche Posen und bewies schon in frühen Arbeiten ihren eigenwilligen Blick. Bereits 1898 in Worpswede entstanden die zwei lebensgroßen Akte in Kohle Stehender weiblicher Akt im Profil nach rechts und Stehender männlicher Akt nach links.

 

Bauern und Bäuerinnen in Worpswede

Paula Modersohn Becker. Alte Armenhäuslerin (1905). © Foto Diether v Goddenthow
Paula Modersohn Becker. Alte Armenhäuslerin (1905). © Foto Diether v Goddenthow

Eine Besonderheit in Modersohn-Beckers OEuvre sind die Porträts der Worpsweder Dorfbewohnerinnen und -bewohner, unter denen sich die Künstlerin neben Kindern und Müttern häufig betagte Bäuerinnen und Bauern als Modelle suchte. Anders als die Künstler der 1889 gegründeten Worpsweder Malerkolonie, bestehend aus Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Hans am Ende, Carl Vinnen und Heinrich Vogeler, die eine genrehafte Darstellung favorisierten, ließ Modersohn-Becker ländliche Umgebung und Tätigkeiten zugunsten einer zeitlos-symbolischen Darstellung in den Hintergrund treten. Dabei verlieh sie den Porträtierten ein hohes Maß an Würde, ohne Alter, Grobheit und Armut zu verklären. Zwischen 1903 und 1907 entstand die Serie der meist großformatigen Armenhäuslerinnen, die zu ihren monumentalen Hauptwerken zählt. Immer wieder griff sie auf dieselben Personen zurück, insbesondere „Mutter Schröder“ wie in Alte Armenhäuslerin (um 1905) oder Armenhäuserin (1906). Schwer, statisch, zeitlos und mit riesigen Händen erscheint sie wie eine Göttin aus einer fernen vorchristlichen Kultur. Die Schirn zeigt als besondere Leihgabe aus dem Detroit Institute of Arts auch das durch seinen farblich ungewöhnlichen Bildaufbau bemerkenswerte Hauptwerk Alte Bäuerin mit auf der Brust gekreuzten Händen (1907), das fünf Jahre nach Modersohn-Beckers Tod 1912 in der ersten großen Avantgardeausstellung in Deutschland gemeinsam mit Werken von Vincent van Gogh und Paul Gauguin gezeigt wurde.

 

Landschafen

Paula Modersohn Becker Birkenbilder (um 1900)   © Foto:  Heike v Goddenthow
Paula Modersohn Becker Birkenbilder (um 1900) © Foto: Heike v Goddenthow

Neben den figürlichen Darstellungen widmete sich Modersohn-Becker der Landschaftsmalerei und dem Stillleben. In ihrer reduzierten und abstrahierten Auffassung von Landschaft zeigt sich ihr künstlerisches Konzept sowie ihr Mut zum „Ungefälligen“ und „Herben“. Trotz der vernichtenden Kritik des konservativen Malers Arthur Fitger zu ihrer ersten Ausstellung 1899 in der Kunsthalle Bremen, bei der sie unter anderem einige Landschaften präsentierte, setzte Modersohn-Becker ihre Sicht und Malweise unbeirrt fort.

Paula Modersohn Becker. Mond über Landschaft  (1900) © Foto  Diether v Goddenthow
Paula Modersohn Becker. Mond über Landschaft (1900) © Foto Diether v Goddenthow

Während der ersten Ehejahre teilte sie mit Otto Modersohn noch Vorlieben wie die engen Bildausschnitte der Birken im Hochformat, die an japanische Rollbilder erinnern. In der rigorosen Vereinfachung und der kontrastarmen Farbigkeit, die sich besonders in den nächtlichen Mondlandschaften wie Mond über Landschaft (1900) zu fast monochromen Farbflächen steigert, ging sie jedoch weit über zeitgenössische Darstellungen hinaus. So verzichtete sie – anders als Otto Modersohn und Fritz Overbeck in Worpswede oder Walter Leistikow in Berlin – auf sämtliche Details und Binnenstrukturen sowie Lichteffekte und erzielte eine stumpfe Farbigkeit und matte Oberflächen durch die von ihr eingesetzte Temperatechnik.

 

Stilleben

Paula Modersohn Becker. Impression der vorletzten Station: Stillleben. © Foto Diether v Goddenthow
Paula Modersohn Becker. Impression der vorletzten Station: Stillleben. © Foto Diether v Goddenthow

Mit ihren Stillleben, von denen die meisten zwischen 1905 und 1907 entstanden, wandte sich Modersohn-Becker einem bevorzugten Experimentierfeld der Avantgarde von Gustave Courbet, Odilon Redon, Paul Cézanne oder Henri Matisse zu, das in Worpswede nur vereinzelt von Heinrich Vogeler aufgegriffen wurde.

Paula Modersohn Becker. Stillleben mit Goldfischglas“ (1906) © Foto:  Heike v Goddenthow
Paula Modersohn Becker. Stillleben mit Goldfischglas“ (1906) © Foto: Heike v Goddenthow

Wie Cézanne wählte sie ein sich wiederholendes Repertoire von Gegenständen. Doch unterscheiden sich ihre statisch monumentalen Kompositionen wie Stillleben mit Kürbis (um 1905) deutlich durch die dichte materielle Malweise. Als neutrale, unverfängliche Motive zählten sie nach ihrem Tod zu den zunächst am häufigsten gesammelten und ausgestellten Werken.

 

Nahsicht

Eine ungewöhnliche, in der zeitgenössischen Kunst beispiellose Methode entwickelte Paula Modersohn-Becker durch das extreme Heranrücken und den Anschnitt ihrer Bildmotive. Die Ausstellung versammelt Arbeiten wie Hand mit Blumenstrauß (um 1902), Katze in einem Kinderarm (um 1903) oder Kind an der Mutterbrust (um 1904), bei denen diese Nahsicht geradezu an einen fotografischen „Zoom“ erinnert – obwohl die Fotografie um 1900 noch gar nicht so weit entwickelt war –, womit sie einen Effekt von Unmittelbarkeit und zugleich erzählerisches Potenzial entfaltet.

Ausstellungs-Impression Paula Modersohn Becker © Foto Diether v Goddenthow
Ausstellungs-Impression Paula Modersohn Becker © Foto Diether v Goddenthow

KATALOG PAULA MODERSOHN-BECKER herausgegeben von Ingrid Pfeiffer. Mit einem Vorwort von Philipp Demandt sowie Beiträgen von Simone Ewald, Anna Havemann, Inge Herold, Ingrid Pfeiffer, Karin Schick, Rainer Stamm und Wolfgang Werner. Deutsche und englische Ausgabe je 220 Seiten, 180 Abb., 24 × 29 cm, Hardcover, Hirmer Verlag, ISBN 978-3-7774-3722-4 (deutsch), ISBN 978-3-7774-3723-1 (englisch), 35 € (SCHIRN), 45 € (Buchhandel).

BEGLEITHEFT PAULA MODERSOHN-BECKER. Eine Einführung in die Ausstellung, herausgegeben von der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Auf ca. 40 Seiten werden die wichtigsten Arbeiten der Ausstellung vorgestellt und die kulturhistorischen Zusammenhänge dargelegt. Ab 12 Jahren, 7,50 € einzeln, im Klassensatz 1 € pro Heft (ab 15 Stück).

AUDIOGUIDE Zur Ausstellung steht ein kostenloser Audioguide, gesprochen von der Satirikerin, Autorin und Moderatorin Sophie Passmann, zum Download für das eigene Mobiltelefon zur Verfügung. Ab 8. Oktober unter www.schirn.de/audioguide

ORT SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, 60311 Frankfurt

DAUER 8. Oktober 2021 – 6. Februar 2022

INFORMATION www.schirn.de E-MAIL welcome@schirn.de TELEFON +49.69.29 98 82-0 FAX +49.69.29 98 82-240

EINTRITT 12 €, ermäßigt 10 €; freier Eintritt für Kinder unter 8 Jahren

ONLINE ZEITTICKETS Zeitfenstertickets zur Ausstellung sind im Vorverkauf im Onlineshop erhältlich unter www.schirn.de/tickets

SCHUTZ- UND HYGIENEMASSNAHMEN Um den Ausstellungsbesuch auch während der Corona-Pandemie sicher zu gestalten, wurden in Abstimmung mit den zuständigen Behörden umfassende Schutz- und Hygienemaßnahmen entwickelt. Weitere Informationen unter www.schirn.de/corona