Auftakt der Internationalen Maifestspiele 2023 am 30. April im Hessischen Staatstheater Wiesbaden

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Am Sonntag den 30. April werden die Internationalen Maifestspiele 2023 offiziell eröffnet. Vorab findet im Foyer eine Podiumsdiskussion mit Amnesty International statt, gefolgt von der Doppelpremiere der beiden Janáček-Opern »Die Sache Makropulos« und »Aus einem Totenhaus«.
Der 1. Mai steht ganz im Zeichen der Jungen Maifestspiele und endet abends mit »Big Brecht«.

Am 30. April 2023 lädt die Landeshauptstadt Wiesbaden zur feierlichen Eröffnung der diesjährigen Internationalen Maifestspiele zwischen den beiden Premieren um 18.30 Uhr ins Foyer des Großen Hauses. Im Rahmen der Eröffnung überreichen die Freunde der Internationalen Maifestspiele (FIM) einen Spendenscheck an das Hessische Staatstheater Wiesbaden.
Bereits um 11.00 Uhr gibt es unter dem Motto »Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen« eine Podiumsdiskussion mit Amnesty International zur Situation von politischen Gefangenen, denen die Internationalen Maifestspiele in diesem Jahr gewidmet sind. Podiumsteilnehmer sind: Michael C. J. Landgraf (Generalsekretär PEN Deutschland), Dr. Michael Rediske (Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen), Paula Zimmermann (Fachreferentin für Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Amnesty International Deutschland) und Uwe Eric Laufenberg (Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden).

Am selben Tag feiern die beiden Janáček-Opern »Die Sache Makropulos« und »Aus einem Totenhaus« Premiere. Ausführliche Informationen dazu in unserer Premiereneinladung hier. Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt: Den ganzen Tag über wird es im Foyer und den Kolonnaden Speisen und Getränke der Foyergastronomie geben.

Programm am 1. Mai 2023
»Big Brecht – Berliner Ensemble & Fine Arts Big Band«
Ein Big Band-Abend mit Songs von Bertolt Brecht und der Musik von Hanns Eisler und Kurt Weill. In deutscher Sprache.

Am 1. Mai 2023 um 19.30 im Großen Haus.
Wer weiß schon, wie beliebt Bertolt Brecht heute noch wäre, wenn es da nicht die Songs gäbe? Jene aus der »Dreigroschenoper« natürlich, in denen Soldaten auf Kanonen wohnen oder Haifische ihre Zähne im Gesicht tragen. Auch andere Stücke haben Ohrwürmer hervorgebracht, die meisten von Brechts wichtigsten Komponisten Kurt Weill und Hanns Eisler.
Nun kommen die bekannten und auch weniger bekannten Brecht-Songs noch einmal in einem neuartigen Gewand daher, im Big Band-Sound nämlich: »Big Brecht«, jawohl! Produziert an Brechts Stammhaus, dem Berliner Ensemble, mit den beiden Schauspielstars Constanze Becker und Tilo Nest, die dafür sorgen, dass auch die darstellerische Seite nicht zu kurz kommt. Und mit der 16-köpfigen Fine Arts Big Band ist fetter Sound garantiert!
Mit Constanze Becker, Tilo Nest Live-Musik Fine Arts Big Band Arrangements Stephan Genze, Ferdinand von Seebach.

»Eröffnungsfest der Jungen Maifestspiele«
Am 1. Mai 2023 von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr am Warmen Damm

Feiern Sie mit uns und der ganzen Familie den Start der Jungen Maifestspiele auf dem Warmen Damm mit Aktionen rund um die Welt des Theaters. Neben Spiel- und Bastelstationen für Groß und Klein erwarten Sie zwei kostenlose Aufführungen des Theaters »The100Hands« aus den Niederlanden, die Kunstkoffer, verzaubernde Walk-Acts und die eine oder andere Überraschung. Der Eintritt ist frei!

»Out of the Box 2.0 – The 100Hands«
Open Air Performance ab 6 Jahren. Ohne Sprache.
Am 1. Mai 2023 um 14.00 Uhr und 17.00 Uhr am Warmen Damm.

In einer Abfolge von athletischem Tanz, visuellem Stillleben und akrobatischem Einfallsreichtum streben die Tänzer:innen nach Freiheit und individueller Entfaltung. »Out of the Box 2.0« ist eine unbeschwerte Reflexion über Anpassung und Abstandhalten, vor allem aber eine Ode an die Kreativität, die sich im Eingeschränkt – Sein finden lässt. Während eine Person sich anstrengt, in die »Box« zu gelangen, will eine andere den kompletten Raum für sich, die nächste Person versucht wiederum, all die Begrenzungen loszuwerden. Das Publikum wird dazu eingeladen, an der Performance teilzunehmen, die innerhalb und »out of the box« stattfindet.

Konzept Jasper Džuki Jelen & Mojra Vogelnik Škerlj Choreografie Jasper Džuki Jelen Musik ArthurMusic Kostüme Esther Sloots Box-Design Menno Boerdam Box-Bau Jitze Wils Mit Bryan Atmopawiro, Alison Duarte, Myrthe Marchal, Nathalie Schmidt

»Body Rhythm Factory«
Konzert ab 5 Jahren. Ohne Sprache.
Am 1. Mai 2023 um 15.00 Uhr und um 18.00 Uhr im Kleinen Haus.
Weitere Vorstellung am 2. Mai 2023 um 10.00 Uhr.

Peter Stavrum und Sune Vraa Nielsen waren viele Jahre mit der international bekannten Percussion-Show »Stomp« auf Welttournee und gründeten zusammen mit Rune Thorsteinsson die »Body Rhythm Factory«. Zusammen haben die drei dänischen Musiker zahlreiche international prämierte Konzerte gegeben. Mit einem Instrumentarium aus alltäglichen Gegenständen, das sie mit Bodypercussion, Klavier und Schlagwerk kombinieren, erschaffen sie mit reißende Rhythmen, faszinierende Melodien und hinreißenden Slapstick-Einlagen ein mitreißendes -Konzert für die ganze Familie.
Mit Rune Thorsteinsson, Sune S. Vraa, Peter S. Nielsen

Weitere Informationen unter www.maifestspiele.de
Theaterkasse: Telefon 0611.132 325 | E-Mail: vorverkauf@staatstheater-wiesbaden.de | www.staatstheater-wiesbaden.de Abo-Büro: Telefon: 0611.132 340 | abonnement@staatstheater-wiesbaden.de Gruppenbüro: Telefon 0611.132 300 | gruppenticket@staatstheater-wiesbaden.de

Jugendstil hat keine Patina – Gemeinsame Weltsprache von Kunst und Natur – Studierende der HSRM entwickeln ein digitales Vermittlungstool rund ums Ornament im Jugendstil

Das Museum Wiesbaden lädt ein, den Jugendstil aus neuen Perspektiven zu betrachten und zu erleben. Anhand einer reduzierten Auswahl von Objekten des alltäglichen Lebens thematisiert der Aktionsraum inhaltliche Gestaltungsthemen des Jugendstils. Linienführung, Typographie, Licht und Transparenz, Formensprache naturhistorischer Entdeckungen, zeitgenössische Adaptionen und Weiterentwicklungen der Kunst um die Jahrhundertwende werden an einzelnen Stationen näher beleuchtet. © Foto Diether von Goddenthow
Das Museum Wiesbaden lädt ein, den Jugendstil aus neuen Perspektiven zu betrachten und zu erleben. Anhand einer reduzierten Auswahl von Objekten des alltäglichen Lebens thematisiert der Aktionsraum inhaltliche Gestaltungsthemen des Jugendstils. Linienführung, Typographie, Licht und Transparenz, Formensprache naturhistorischer Entdeckungen, zeitgenössische Adaptionen und Weiterentwicklungen der Kunst um die Jahrhundertwende werden an einzelnen Stationen näher beleuchtet. © Foto Diether von Goddenthow

Das Wiesbadener Museum lässt dank eines von Kommunikationsdesign-Studenten der Hochschule RheinMain entwickelten digitalen Anwender-Tools Jugendstil noch lebendiger werden. Dazu wurde im zweiten Obergeschoss des Museums der spannende Aktionsraum „Experiment und Ornament“ eröffnet. 

„Wir zünden heute eine neue Vermittlungsstufe im Museum Wiesbaden dank einer wunderbaren Kooperation mit der Hochschule RheinMain“, freut sich Museums-Direktor Dr. Andreas Henning. Ihn begeistere besonders an diesem Projekt, dass die digitale Anwendung hier im Museum stattfindet. Die Besucher kommen  also hierdurch auch mit den Jugendstil-Exponaten der wunderbaren epochalen Schenkung von Ferdinand Wolfgang Neess Jugendstil-Sammlung  in Kontakt. Sie  können sich faszinieren lassen, nunmehr ergänzt durch den „Jugendstilizer“, womit jeder Besucher selbst zum „Jugendstil-Artist“ werden kann.

Eingebettet in den neuen Aktionsraum 'Experiment Ornament' wird das digitale Tool 'Jugendstilizer' als Herzstück der Präsentation spielerisch und partizipativ dazu beitragen, Wissen über die Inspirationsquellen und Formensprache von Ornamenten sowie ihrer Verwendung zu vermitteln - und vor allem dazu einladen, selbst aktiv zu werden. © Foto Diether von Goddenthow
Eingebettet in den neuen Aktionsraum ‚Experiment Ornament‘ wird das digitale Tool ‚Jugendstilizer‘ als Herzstück der Präsentation spielerisch und partizipativ dazu beitragen, Wissen über die Inspirationsquellen und Formensprache von Ornamenten sowie ihrer Verwendung zu vermitteln – und vor allem dazu einladen, selbst aktiv zu werden. © Foto Diether von Goddenthow

Entwickelt haben den „Jugendstilizier“ die Studentinnen Julia Muthler , Alisa Sawchuk und Leah Stephan unter der Projektleitung von Jana Dennhard und Valerie Ucke, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Museum.  Ausgangspunkt war ein  Seminar des Studiengangs Kommunikationsdesign von Prof. Jörg Waldschütz zu Beginn des Jahres 2022, welches in Kooperation mit dem Museum Wiesbaden zum Jahresthema  „Belebung der Dauerausstellung im Museum Wiesbaden“ führte.

Bei der Projekt-Präsentation im Aktionsraum "Experiment und Ornament" Hintere Reihe von links. Prof. Dr. Eva Waller, Präsidentin der Hochschule RheinMain, Prof. Jörg Waldschütz, des Fachbereichs Kommunikationsdesign der Hochschule RheinMain, Klaus Niemann, Vorsitzender des Vereins „Freunde des Museums e.V.“, Dr. Peter Forster, Kustos für die Alten Meister, Museum Wiesbaden, Dr. Andreas Henning, Direktor Museum Wiesbaden. Vordere Reihe von links: Ko-Projektleiterin Jana Dennhard, die Kommunikationsdesign-Studentinnen Julia Muthler, Alisa Sawchuk, Leah Stephan sowie Ko-Projektleiterin Valerie Ucke.
Bei der Projekt-Präsentation im Aktionsraum „Experiment und Ornament“ Hintere Reihe von links. Prof. Dr. Eva Waller, Präsidentin der Hochschule RheinMain, Prof. Jörg Waldschütz, des Fachbereichs Kommunikationsdesign der Hochschule RheinMain, Klaus Niemann, Vorsitzender des Vereins „Freunde des Museums e.V.“, Dr. Peter Forster, Kustos für die Alten Meister, Museum Wiesbaden, Dr. Andreas Henning, Direktor Museum Wiesbaden. Vordere Reihe von links: Ko-Projektleiterin Jana Dennhard, die Kommunikationsdesign-Studentinnen Julia Muthler, Alisa Sawchuk, Leah Stephan sowie Ko-Projektleiterin Valerie Ucke.

Mir war wichtig, so Dr. Peter Forster, Museums-Kustos für die Alten Meister und einer der international derzeit renommierteste Jugendstilexperte,  fortzufahren in unserem Ansatz: ganz Wiesbaden einzubeziehen in die im Juni 2019 per Schenkung erworbene wichtigste, größte und zentralste Jugendstil-Privatsammlung Europas. „Wir wollten den Jugendstil nicht für uns haben, sondern alle Jugendstil-Geister, die in der Stadt hier präsent sind, wieder mit Leben erfüllen“. Das habe von Anfang an zu Kooperationen geführt. So sei in diesem Jahr bereits „Literatur entstanden, die sich mit dem Thema Jugendstil beschäftigt hat, wir haben einen eigenen Musikwettbewerb gehabt, in dem Musik entstanden ist.“ Das seien alles sehr griffige und sehr spannende Projekte gewesen, die die Jahrhundertwende mit der Gegenwart miteinander verknüpft haben und zu einer ständigen Aktualisierung, eine Verlebendigung der Dauerausstellung geführt haben.

Jugendstil ist letzte  Weltsprache, um Kunst und Natur miteinander zu verbinden

„Der Jugendstil ist der letzte gemeinsame weltweite Aufschlag, in dem man versucht hat, Jugend und Natur, also aus dem Blick der Natur, mit Kunst als gemeinsame Weltsprache zu verbinden.“ Jugendstilexperte Dr. Peter Forster Kustos Alte Meister Museum Wiesbaden. © Foto Diether von Goddenthow
„Der Jugendstil ist der letzte gemeinsame weltweite Aufschlag, in dem man versucht hat, Jugend und Natur, also aus dem Blick der Natur, mit Kunst als gemeinsame Weltsprache zu verbinden.“ Jugendstilexperte Dr. Peter Forster Kustos Alte Meister Museum Wiesbaden. © Foto Diether von Goddenthow

„Der Jugendstil hat keine Patina“. Denn der Jugendstil „stellte Fragen um 1900, die heute aktuell sind wie damals, und zum Teil genauso wenig Antworten hat, wie einst, aber einen eigenen spannenden Kunststil entwickelte“, so Dr. Forster.  „Der Jugendstil ist der letzte gemeinsame weltweite Aufschlag, in dem man versucht hat, Jugend und Natur, also aus dem Blick der Natur, mit Kunst als gemeinsame Weltsprache zu verbinden.“, erläutert Forster.
Die sei „etwas sehr, sehr Anspruchsvolles“, weswegen das Museum Wiesbaden immer wieder erfolgreich versucht habe, diesem Teilhabe-Anspruch der Wiesbadener und seiner Besucher gerecht zu werden, „in dem wir versuchen, das hier entsprechend zu bespielen“, was mit dem exorbitanten tollen digitalen Vermittlungstool einmal mehr großartig gelungen sei.
Denn „wir haben es versucht, den „Aktionsraum Experiment – Ornament“ im zweiten Obergeschoss so atmosphärisch spannend zu gestalten, „dass Sie, wenn Sie einmal da waren, immer ein wenig das Bedürfnis haben, sofort wiederzukommen“, schwärmt Forster.

Impression am Jugendstilizer. (v.li.) Klaus H. Niemann, Vorstand "Freundes des Museums", Dr. Andreas Henning, Direktor Museum Wiesbaden, Besucherin, u Kommunikationsdesign-Studentin Julia Muthler  © Foto Diether von Goddenthow
Impression am Jugendstilizer. (v.li.) Klaus H. Niemann, Vorstand „Freundes des Museums“, Dr. Andreas Henning, Direktor Museum Wiesbaden, Besucherin, u Kommunikationsdesign-Studentin Julia Muthler © Foto Diether von Goddenthow

Mit Recht: Den einmal begonnen, kann man fast nicht mehr aufhören, eigene Ornamente  zu kreieren: Mit diesem digitalen Zeichentool mit Spiegelfunktion und Mustervorlagen bei Bedarf, hat man zahlreiche Möglichkeiten selbst Jugendstil-Ornamente zu entwickeln. Jeden gelingt dies, ggfs. mit Unterstützung angebotener Grundmuster, die Besucher modifizieren und weiterentwickeln können. Es kann unter verschiedenen Programmen gewählt werden. Gemalt wird mit den Fingern auf dem Touch-Screen. Selbstkreierte Kunstwerke können per QR-Code direkt aufs Handy gespeichert , über eine Share-Funktion in der  Galerie im Aktionsraum gespeichert und/oder  mit Freunden geteilt werden. Man kann die eigene Jugendstil-Kreation sich auch sofort gegen einen kleinen Obolus von 50 Cent am Museums-Shop  ausdrucken lassen und mit nach Hause nehmen. Zudem kann das eigene Kunstwerk auf der Ausstellungswand hochgezoomt werden und auch die ungewöhnliche selbstgestaltete Kulisse  für ein Künstler-Selfi bieten.

„Wir haben uns gefragt, welchen Stellenwert das Jugendstil-Ornament noch heute hat, und wie sich ein digitales Tool zur Vermittlung wie der ‚Jugendstilizer‘ logisch in den Kontext des Hauses einbinden lässt. Wir hoffen mit dem Aktionsraum neue Perspektiven auf die gestalterischen Mittel des Jugendstils zu eröffnen, und unsere Besucher zu eigener Kreativität zu animieren. Bis heute besitzt die Kunst der Jahrhundertwende ästhetische wie inhaltliche Aktualität“, schildern die Projektleiterinnen Jana Dennhard und Valerie Ucke, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Museum Wiesbaden.

Weit mehr als „nur“ ästhetische Gestaltung

Ein neues digitales Vermittlungstool im Museum Wiesbaden führt ab April junge Besucher an die Kunst des Jugendstils heran und nimmt das Ornament als ihr zentrales Gestaltungselement in den Fokus. Gemeinsam mit dem Team des Museums Wiesbaden haben Studierende des Studiengangs Kommunikationsdesign der Hochschule RheinMain (HSRM) den 'Jugendstilizer' entwickelt, eine interaktive und kreative Anwendung, die es den Nutzern ermöglicht, eigene Ornamente zu kreieren und mit der Welt zu teilen. Ein eigens für den 'Jugendstilizer' geschaffener Aktionsraum gibt mit Beispielen Angewandter Kunst weiterführende Einblicke. Jula Muthler, eine der drei Erfinder-Studentinnen, erläutert Prof. Dr. jur. Eva Waller, Präsidentin der Hochschule RheinMain, die Funktion des Jugendstilizers. © Foto Diether von Goddenthow
Ein neues digitales Vermittlungstool im Museum Wiesbaden führt ab April junge Besucher an die Kunst des Jugendstils heran und nimmt das Ornament als ihr zentrales Gestaltungselement in den Fokus. Gemeinsam mit dem Team des Museums Wiesbaden haben Studierende des Studiengangs Kommunikationsdesign der Hochschule RheinMain (HSRM) den ‚Jugendstilizer‘ entwickelt, eine interaktive und kreative Anwendung, die es den Nutzern ermöglicht, eigene Ornamente zu kreieren und mit der Welt zu teilen. Ein eigens für den ‚Jugendstilizer‘ geschaffener Aktionsraum gibt mit Beispielen Angewandter Kunst weiterführende Einblicke. Jula Muthler, eine der drei Erfinder-Studentinnen, erläutert Prof. Dr. jur. Eva Waller, Präsidentin der Hochschule RheinMain, die Funktion des Jugendstilizers. © Foto Diether von Goddenthow

„Es freut mich sehr, dass unsere Kommunikationsdesignstudierenden mit ihrem Konzept für die Jugendstil-Sammlung im Museum Wiesbaden überzeugen konnten. Die anwendungsbezogene Lehre ist für uns und unsere Studierenden sehr relevant. Im Rahmen dieser fruchtbaren Zusammenarbeit haben die Studierenden für das Museum und dessen Besucherinnen und Besucher ein wunderbares digitales Vermittlungstool in Form des ‚Jugendstilizers‘ entwickelt“, so Prof. Dr. Eva Waller, Präsidentin der Hochschule RheinMain. Aber dieses Projekt bedeute eben weit mehr als „nur“ ästhetische Gestaltung oder ein ausgearbeitetes Konzept. Es bedeute „interdisziplinäre Praxisnähe“, mit Fragen der Raumgestaltung, der Besucher, der Ausstellungsplanung, der geeigneten Ansprache von Zielgruppen, und der museumsinternen Strategie. Und es seien hier noch Kommunikationsprozesse miteinander verbunden worden. „Das ist schon eine großer Herausforderung, unglaublich gewesen für Sie“, lobt die Hochschulpräsidentin.

„Freunde des Museums Wiesbaden e.V.“ und Sponsoren ermöglichten das Projekt

Die im Aktionsraum "Experiment und Ornamente" gezeigten Jugendstil-Exponate machen Lust auf mehr, auf eine Entdeckungstour durch die große Welt des Jugendstils dank  der "Jugendstil-Schenkung Ferdinant Wolfgang Neess".  © Foto Diether von Goddenthow
Die im Aktionsraum „Experiment und Ornamente“ gezeigten Jugendstil-Exponate machen Lust auf mehr, auf eine Entdeckungstour durch die große Welt des Jugendstils dank der „Jugendstil-Schenkung Ferdinant Wolfgang Neess“. © Foto Diether von Goddenthow

“ Wir sind überzeugt, dass der Aktionsraum ‚Experiment Ornament‘ unsere Museumsgäste dazu inspiriert, sich auf Entdeckungstouren durch unsere herausragende Jugendstil-Sammlung zu begeben. Sehr herzlich danken wir den Studierenden der Hochschule RheinMain wie auch dem Verein der „Freunde des Museums Wiesbaden e.V.“, vertreten durch Vorstandsmitglied Klaus Niemann. Die Freunde des Museums haben es sich  zur Aufgabe gemacht,  Kooperationen mit Wiesbadener Hochschulen anzustoßen, um junge Menschen für das Museum zu begeistern.“ Eine solche Kontaktaufnahme durch die „Museumsfreunde“ mit zahlreichen Folgeterminen in der Hochschule RheinMain und im Museum Wiesbaden stand auch am Anfang der Zusammenarbeit, die im Ergebnis den  ‚Jugendstilizer‘ entstehen ließ.

Die Realisierung des Aktionsraums ‚Experiment Ornament‘ wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der R + V Versicherung, Herrn Prof. em. Olaf Leu, das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst sowie die Freunde des Museum Wiesbaden e.V.

(Diether v. Goddenthow /RheinMain.Eurokunst)

foyer-museum-wiesbaden-(c)-diether-von-goddetnhowMuseum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2,
65185 Wiesbaden
https://museum-wiesbaden.de/

Eintritt Dauerausstellungen
Ticketerwerb an der Tageskasse oder Buchung online:
https://tickets.museum-wiesbaden.de/
Dauerausstellung* 6,- Euro (4,- Euro ermäßigt) Freier Eintritt für junge Menschen unter 18 Jahren

Tipp: Kostenfreier Eintritt bei der „Kurzen Nacht der Museen und Galerien“ am ersten April, sowie an jedem ersten Samstag im Monat.

Öffnungszeiten
Mo geschlossen
Di, Do 11-19 Uhr
Mi, Fr 11-17 Uhr
Sa, So, Feiertage 11-18 Uhr

Die Linguisten Helmut Weiß und Ewa Trutkowski weisen nach, dass maskuline Personenbezeichnungen im Deutschen stets generisch interpretierbar waren

© collage Diether v Goddenthow
© collage Diether v Goddenthow

Gendersternchen oder Binnen-i? Unterstrich oder Doppelpunkt? Die feinteilige Diskussion um Notwendigkeit und Ausgestaltung einer „gendergerechten“ Sprache hält an. Prof. Helmut Weiß, der an der Goethe-Universität deutsche Sprachgeschichte lehrt, ist dem sprachhistorischen Aspekt der Debatte auf den Grund gegangen und plädiert für eine Versachlichung.

FRANKFURT. Den tatsächlichen Sprachgebrauch in früheren Epochen des Deutschen haben Prof. Helmut Weiß und Dr. Ewa Trutkowski in einer Studie untersucht, die in der Zeitschrift „Linguistische Berichte“ veröffentlicht worden ist. Im Mittelpunkt stand die Frage, inwiefern maskuline Personenbezeichnungen zu früheren Zeiten „generisch“ verwendet wurden. Mit dem Ausdruck „generisch“ bezeichnet man in der Grammatiklehre die Möglichkeit, solche Substantive geschlechtsabstrahierend zu verwenden. Weiß und Trutkowski, die gemeinsam in der DFG-Forschungsgruppe „Relativsätze“ forschten, führen den Nachweis darüber, dass maskuline Substantive bereits im Althochdeutschen für beide biologischen Geschlechter verwendet wurden – ebenso wie heute zum Beispiel das grammatikalisch feminine Wort Person oder das Neutrum Mitglied.

Der Auslöser für die Studie sei die E-Mail einer gendersprachkritischen Studentin gewesen, sagt Prof. Weiß, dessen Forschungsschwerpunkt eigentlich in der historischen Grammatik liegt. Die Studentin schrieb, dass das Wort „Studenten“ zwar aufgrund gesellschaftlicher Verhältnisse in der Vergangenheit nicht schon immer sowohl Männer als auch Frauen „gemeint habe“, in der Gegenwart aber durchaus generisch zu verstehen sei. Grammatikalisch maskuline Personenbezeichnungen könnten stets generisch interpretiert werden, antwortete Weiß spontan, hatte dann aber das Gefühl: Das müsste man einmal gründlicher betrachten. So nahmen er und Trutkowski dies als Ausgangshypothese für ihre sprachhistorische Untersuchung.

Für ihre Untersuchung nahmen sich die beiden Linguisten nicht in erster Linie Berufsbezeichnungen vor, sondern Personenbezeichnungen und Charakterisierungen, die seit jeher auch auf Frauen angewandt wurden. Indem man auf diese Weise nicht-linguistische Einflussfaktoren wie die Rolle der Frau in der Gesellschaft möglichst außen vor ließ, habe man das weit verbreitete Argument gegen den Gebrauch des generischen Maskulinums entkräften wollen – nämlich dass dieses eine sprachgeschichtlich sehr junge Erscheinung sei, die erst mit dem Vordringen der Frauen in Männerberufe entstanden sei. Denn das Gegenteil sei der Fall: Das Generische sei sozusagen schon immer im Deutschen fest verankert.

Beispiele wie das Messer, die Gabel, der Löffel machten, so Weiß, schon dem sprachwissenschaftlichen Laien deutlich, dass die Kategorie Genus kaum 1:1 mit einem etwaigen biologischen Geschlecht zusammenhänge. „Für die Verteilung des grammatischen ‚Geschlechts‘ gibt es durchaus Regeln, aber die sind nicht semantischer Art“, sagt er. Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Genera ursprünglich Belebtes (maskulin) und Unbelebtes (neutrum) und Kollektiva (feminin) voneinander unterschieden. Das Genussystem hat vor allem einen syntaktischen Zweck: Da zugeordnete Wörter wie Adjektive formal übereinstimmen (kongruent sind), hilft es bei der Strukturierung von Sätzen und bei der Herstellung von Bezügen zwischen nominalen Ausdrücken (z.B. „Otto kennt Maria, seit er/sie 10 ist“). Zwar besteht durchaus eine Beziehung zwischen Genus und Sexus – allerdings nur in die eine Richtung: Sexus kann sich im Genus bemerkbar machen, der Umkehrschluss ist jedoch nicht zulässig.

Weiß und Trutkowski haben sich allgemeine Personenbezeichnungen vorgenommen wie Freund, Feind, Gast, Nachbar, Sünder – und konnten nachweisen, dass diese im Alt- und Mittelhochdeutschen keineswegs geschlechtsspezifisch verwendet wurden, sondern vielmehr generisch. So schrieb der althochdeutsche Dichter Otfrid von Weißenburg im 9. Jahrhundert von Jesus und Maria als Gästen der Hochzeit von Kana: „Ni ward io in wóroltzitin, / thiu zisámane gihitin, / thaz sih gésto guati / súlihhero rúamti. / Thar was Kríst guater / joh sélba ouh thiu sin múater“ („Zu keiner Zeit hat sich ein Hochzeitspaar rühmen können, so hohe Gäste zu haben (wie diese): Der heilige Christus und auch seine Mutter waren da erschienen.“). Oder im mittelhochdeutschen Frauenbuch von 1257 heißt es: „ir bedörft ein wîp ze friunde niht“ („ihr bedürft eines Weibes zum Freunde nicht“). Auch für die besonders in der Kritik stehenden Personenbezeichnungen auf -er belegt die Untersuchung eine sexusneutrale Verwendung, etwa in dem Satz: „die von alter har burgere zu Straßburg gewesen sind, es sigent frowen oder man“ („die von alters her Bürger in Straßburg gewesen sind, es seien Frauen oder Männer“). Die Endung -er wird auf die lateinische Endung -arius zurückgeführt, die im Althochdeutschen noch in einer maskulinen (-ari)und femininen Form (-âra) vorkam.

Der vor kurzem erschienene Beitrag sei in einer Vorversion von einem Preprint-Server (Lingbuzz) inzwischen mehr als zweieinhalbtausend mal heruntergeladen worden, berichtet Prof. Weiß. Die Reaktionen seien vor allem zustimmend. Insgesamt hofften er und Trutkowski, dass die Studie zur Versachlichung der Debatte beitrage. Weiß selbst ist überzeugt, dass sich die „gendergerechte“ Sprache allenfalls in Teilen der Sprachgemeinschaft durchsetzen werde.

Publikation: Ewa Trutkowski u. Helmut Weiß, Zeugen gesucht! Zur Geschichte des generischen Maskulinums im Deutschen. In: Linguistische Berichte 273/2023. https://doi.org/10.46771/9783967692792_2

oder: Buske-Verlag – Zeugen gesucht zur Geschichte des generischen Maskulinums 

Deutschlands bedeutendstes Theaterfestival nach 40 Jahren in der Region Frankfurt Rhein-Main – vom 29.06. bis 16.07.2023

© Theater der Welt (ITI)
© Theater der Welt (ITI)

Das bedeutendste internationale Theaterfestival Deutschlands kehrt nach fast 40 Jahren wieder in die Region Frankfurt Rhein-Main zurück und zeigt vom 29. Juni bis 16. Juli 2023 faszinierende Theater-, Tanz-, Performance- und installative Kunstformate. 

Ende der 1970er Jahre vom Internationalen Theaterinstitut – Zentrum Deutschland (ITI) initiiert, macht das Festival seitdem alle drei Jahre in jedes Mal wechselnden Städten und Regionen Deutschlands wegweisende Leistungen und ästhetische Entwicklungen des Theaters aus aller Welt erlebbar. Es gilt daher als eines der weltweit bedeutendsten Ereignisse der internationalen Theaterszene.

Programmheft Theater der Welt 2023

Zum Festival:

Am 29. Juni eröffnet im Capitol Theater in Offenbach am Main die 16. Ausgabe des bedeutenden Internationalen Theaterfestivals Theater der Welt. Bis zum 16. Juli werden an 10 Spielorten in Frankfurt und Offenbach 36 internationale Neuproduktionen und Gastspiele aus den Bereichen Theater, Tanz und Performance zu erleben sein. Innovative Erzählformen laden darüber hinaus mittels VR/AR Technologien alle Altersgruppen dazu ein, fiktive Räume und neue Erfahrungswelten zu erkunden.

Das Festival ist vom Internationalen Theaterinstitut – Zentrum Deutschland initiiert und wird von den Frankfurter Kulturinstitutionen Künstler*innenhaus Mousonturm, Museum Angewandte Kunst und Schauspiel Frankfurt in Kooperation mit dem Amt für Kulturmanagement der Stadt Offenbach veranstaltet.

Im Mittelpunkt der von der Tokioter Dramaturgin Chiaki Soma kuratierten Festivalausgabe stehen unerwartete ästhetische, immersive, akustische und räumliche Erfahrungen, sowie eine Vervielfältigung thematischer und künstlerischer Perspektiven. Chiaki Soma lädt uns ein ins „Theater der Welten”.

Eine wesentliche Bedeutung kommt weiblichen Perspektiven zu, wie in Satoko Ichiharas satirischem Musikdrama „Die Bakchen. Holstein-Milchkühe“, mit dem das Festival am 29.6. im Capitol Theater in Offenbach eröffnet wird. Genüsslich und humorvoll dekonstruiert Ichihara darin die patriarchalen Erzählungen von Sexualität und Fortpflanzung im Kontext einer scheinbar alltäglichen häuslichen Szenerie.

Während für ihr Musikdrama die gleichnamige griechische Tragödie von Euripides als Grundlage dient, nutzt Ichihara für ihr Puppenspiel „Yoroboshi: Der Schwächling“ Motive aus der japanischen Legende Shuntokumaru und interpretiert sie aus queerer Perspektive so, dass Zuschreibungen von Gut und Böse ins Wanken kommen. „Yoroboshi: Der Schwächling“ wird eigens für Theater der Welt 2023 produziert und feiert am letzten Wochenende des Festivals im Schauspiel Frankfurt, Kammerspiel am 14. 7. seine Uraufführung.

Der preisgekrönte Filmregisseur Apichatpong Weerasethakul hingegen ermöglicht den Besucherinnen und Besuchern mit seiner visuell intensiven Arbeit „A Conversation with the Sun (VR)“ einen Blick in innere Bildwelten. Ausgestattet mit einer VR-Brille und begleitet vom musikalischen Arrangement des Komponisten Ryuichi Sakamoto bewegen sich die Besucherinnen und Besucher in der Alten Schlosserei in Offenbach wie in einem Schwebezustand zwischen virtueller Realität und einem (kollektiven) Wachtraum.

Nach dem Erleben der Pandemie und angesichts der gewaltigen Krisen der Gegenwart haben wir als Gesellschaft Zeit und Körperlichkeit ganz neu erfahren und kartiert. Mit der existentielle Themen berührenden Produktion „ANGELA (a strange loop)“ am 1. + 2.7. im Schauspiel Frankfurt rücken die Regisseurin Susanne Kennedy und der Multimedia Künstler Markus Selg ganz nah an das Leben ihrer Protagonistin heran und untersuchen, welche Spuren sich im Leben Einzelner sammeln und was es bedeutet, ein Mensch zu sein.

Künstlerische Positionen, die auf ganz unterschiedliche Weise mit Zuständen des Übergangs, der Ungewissheit und der Verletzlichkeit, aber auch der Überwindung des menschlichen Körpers umgehen, werden im Museum Angewandte Kunst zu sehen sein, einem der zentralen Treffpunkte des Festivals. Es verwandelt sich während Theater der Welt in einen Incubation Pod, eine Art große Inkubationskapsel, in der Besucherinnen und Besucher verschiedene künstlerische Ideen, Räume und Welten erkunden können. Hier können sie interaktive Installationen, virtuelle Realitäten, Perfomances, Workshops und Gespräche erleben, die die Aspekte des Begriffs Inkubationismus auf einzigartige Weise aufgreifen und zum Nachdenken und Träumen anregen. An zwei Wochenenden ist das Museum bis spät in die Nacht hinein geöffnet, um einen ausgedehnten, traumwandlerischen Besuch der verschiedenen künstlerischen Welten zu ermöglichen.

Mit der Reihe Young Worlds möchte das Festival ein großes Anliegen einlösen und Räume für die Sichtweisen von Kindern, Jugendlichen und jungen Zuschauerinnen und Zuschauern schaffen. In über zehn poetischen, politischen sowie partizipativen Theaterstücken und Performances stehen die Ideen, Gestaltungen und Vorstellungen der Lebenswelten junger Menschen im Fokus. Herzlichst eingeladen sind auch die Allerjüngsten im Alter von 0-1 Jahren zum Gastspiel „Scoop. Theater für Babys“ der Regisseurin und Autorin Koleka Putuma aus Kapstadt, das Babys und ihre Bezugspersonen auf einer spielerisch-visuellen Theaterreise mit sinnlichen Eindrücken bezaubert. Zu erleben in der Wetter- und Klima-Werkstatt in Offenbach am 7.7.+ 8.7. und im Mousonturm 9.7. + 10.7.

Die Gruppe Mammalian Diving Reflex/Darren O‘Donnell aus Toronto hingegen erobert mit Offenbacher Jugendlichen die nächtliche Stadt, und zwar an Orten, die den Jugendlichen etwas bedeuten. Gestartet wird an der Wetter- und Klima-Werkstatt am 7.7. + 8.7. + 14.7 + 15.7.

Der Vorverkauf für Theater der Welt 2023 startet am 30. 3. um 12:00 Uhr. Tickets für das Gastspielprogramm können unter theaterderwelt.de erworben werden.

Beim Kauf von Tickets für fünf Veranstaltungen erfolgt ein Rabatt von 10%.

Ausführliche Informationen zu Tickets und Ermäßigungen finden Sie auf theaterderwelt.de. Der Ticketverkauf für „Incubation Pod. Dreaming worlds“ beginnt am 8. 5.

Hintergrund:

„Theater der Welt 2023“ in Frankfurt-Offenbach, ein Festival des Internationalen Theaterinstituts (ITI), wird veranstaltet vom Künstler*innenhaus Mousonturm, dem Schauspiel Frankfurt und Museum Angewandte Kunst, in Kooperation mit dem Amt für Kulturmanagement der Stadt Offenbach.

Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die Stadt Frankfurt am Main – Dezernat für Kultur und Wissenschaft und den Kulturfonds Frankfurt RheinMain. Mit freundlicher Unterstützung durch die Aventis Foundation, das Goethe-Institut und die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main. Das Vermittlungsprogramm wird gefördert durch die Crespo Foundation. Hauptsponsorin ist ING.

Internationales TheaterInstitut (ITI)

Als Teil der UNESCO-Organisation International Theatre Institute (ITI) engagiert sich das ITI – Zentrum Deutschland für den internationalen Austausch und die freie Entwicklung der darstellenden Künste. Als Träger des Festivals Theater der Welt ist das ITI mit verschiedenen Formaten vertreten: Im Foyer des Museum Angewandte Kunst ist die Ausstellung „Aufspüren, aufräumen, aufdecken“ zum Archiv des 40-jährigen Festivals Theater der Welt erlebbar. Die 20 Fellows der ITI Academy gestalten vom 08. bis 15. Juli 2023 mit Installationen, Workshops, Gesprächen und künstlerischen Interventionen die Academy Week, die mit der Jahrestagung des ITI am 15. Juli 2023 abschließt. Zwischen den Vorstellungen von Ultimate Safari (Flinn Works & Asedeva) findet am 08. Juli die Verleihung des ITI Preises 2023, der jährlich die Arbeit transnational wirkender Künstler*innen würdigt, an Flinn Works statt. Im Rahmen von theateruebersetzen.de bietet das ITI eine Einführung zu Herausforderungen von Transfer und Übertitelung für Festivals am Beispiel der Produktion Yoroboshi von Satoko Ichihara und mit touring artists werden künstlerisch-diskursive und administrative Herausforderungen beleuchtet, mit denen Theaterschaffende konfrontiert sind, die neu nach Deutschland kommen.

 

LONGINES PfingstTurnier Wiesbaden 2023 – Von Thiedemann bis Will, von Lörke bis Schneider

Ein Blick in 1952 – das erste Turnier auf dem neuen großen Platz, der heute noch alljährlich internationale Top-Reiter empfängt. Foto: Veranstalter
Ein Blick in 1952 – das erste Turnier auf dem neuen großen Platz,
der heute noch alljährlich internationale Top-Reiter empfängt. Foto: Veranstalter

Francisco ‚Paco‘ Goyoaga siegte im Großen Preis vor Fritz Thiedemann auf seinem legendären Meteor – das war 1952 in Wiesbaden, das erste Turnier auf dem großen Turnierplatz im Biebricher Schlosspark. Ein Jahr später wurde der Spanier Goyoaga in Paris der erste offizielle Weltmeister der Springreiter.
Springsport-Geschichten im Biebricher Schlosspark – im Lauf der Jahre wurden sehr viele davon auf genau diesem erwähnten Platz geschrieben. Vom 26. bis 29 Mai begrüßt das LONGINES PfingstTurnier Wiesbaden dort die internationale Pferdesportelite zu seiner 85. Auflage.

David Will war der ‚Geschichtenschreiber‘ des vergangenen Jahres. „Ich habe es immer wieder probiert, aber es hat nie gereicht.“ Bis 2022! Will siegte mit der zehnjährigen Concordia im LONGINES Grand Prix, im Großen Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden. In Bayern geboren, aber schon viele Jahre in Hessen zu Hause, erst in Pfungstadt, heute in Dagobertshausen, feierte Will diesen Sieg mit einer speziellen Partnerin: „Concordia ist ein ganz besonderes Pferd bei uns im Stall, weil sie so gut wie immer, wenn sie startet, auch vorne platziert ist. Sehr zuverlässig und trotzdem eine richtige Kämpferin.“ Und eine Tochter von Wills ehemaligem Erfolgspferd Colorit – eine schöne Geschichte.

16 Springprüfungen sind 2023 im Schlosspark ausgeschrieben. Das Motto des vergangenen Jahres hat sich bewährt und wurde beibehalten: CSI1*-Sterne-Prüfungen statt der Amateur-Wettbewerbe, CSI4*-Prüfungen mit Kleiner, Mittlerer und Großer Tour, statt der Youngster-Prüfungen die Kleine Tour mit Hindernissen bis zu 1,45-Metern Höhe. Den Auftakt für die Springreiter macht traditionell die Barrieren-Springprüfung am Freitagabend, den krönenden Abschluss bildet der LONGINES Grand Prix, der Große Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden, am Montagnachmittag. Insgesamt sind die Springprüfungen mit 261.000 Euro dotiert, allein im Großen Preis geht es um satte 100.000 Euro. In vier Prüfungen haben die Springreiter außerdem die Chance, Punkte für die Weltrangliste zu sammeln.

Die großen Wiesen vor dem Biebricher Schloss – 1949 wurde hier das erste Turnier des Wiesbadener Reit- und Fahr-Clubs (WRFC) nach dem Krieg ausgetragen, die teilnehmenden Pferde wurden per Zug nach Biebrich transportiert und in Bauernhöfen untergebracht. Die Dressurlegenden Otto Lörke und Willi Schultheis ritten ein ‚Pas de Deux‘ als Schaunummer. Heutzutage werden alljährlich zu Pfingsten perfekt konstruierte Sand-Reitplätze aufgebaut, um top Bedingungen für die Dressurpferde zu schaffen. Auch diese Plätze können schon viele Geschichten erzählen, denken wir auch hier einmal an 1952 zurück. Damals hat Oberst a.D. Heinz Pollay die Olympia-Vorbereitungs-Dressurprüfung vor Freiin Ida von Nagel und Fritz Thiedemann gewonnen. Wenige Wochen später ging das Trio bei den Olympischen Spielen in Helsinki an den Start und gewann Team-Bronze. 2022 hießen die siegreichen Damen auf Wiesbadens Viereck Kristy Oatley und Dorothee Schneider. Mit dem letzten Tritt entschied sich der Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden, der Grand Prix Special, beim LONGINES PfingstTurnier Wiesbaden. Auf der Schlusslinie von First Romance sprang die Live-Wertung immer zwischen Platz eins und zwei hin und her – die beiden Gold-Kolleginnen von den Olympischen Spielen in Tokio, Isabell Werth und Dorothee Schneider, machten es spannend. Am Ende hatte First Romance ‚Roman‘ die Nase vorne und gewann unter dem Sattel von Schneider die Prüfung mit 74,936 Prozent. Die LONGINES Grand Prix Kür presented by Henkell unter Flutlicht hatte sich zum zweiten Mal die Australierin Kristy Oatley gesichert: 2007 mit Olympiapferd Quando-Quando, 2022 mit Olympiapferd Du Soleil. „Du Soleil war an, aber ließ sich super reiten. Wir haben es absolut genossen.“ Spontan verabschiedete Oatley ihren Partner mit diesem Sieg in Wiesbaden aus dem Sport und ließ ihren Tränen der Rührung freien Lauf.

David Will (GER) Sieger im Großen Preis des LONGINES PfingstTurnier Wiesbaden im vergangenen Jahr. Foto: TomsPic.de
David Will (GER) Sieger im Großen Preis des LONGINES PfingstTurnier Wiesbaden im vergangenen Jahr. Foto: TomsPic.de

14 Dressurprüfungen stehen 2023 in Wiesbaden auf dem Programm: Zwei Grand Prix-Touren mit Special und Kür, der Louisdor-Preis für Grand Prix-Nachwuchspferde, eine Kleine Tour mit Prix St. Georges und Intermediaire I und internationale Prüfungen für fünf-, sechs- und siebenjährige Nachwuchskracher.
Neben den Dressur- und Springreitern werden bei der 85. Turnierauflage auch wieder die Vielseitigkeitsreiter im Vier-Sterne CCI an den Start gehen und die Voltigierer können bei der Masterclass im Schlosspark bereits Punkte für das Weltcup-Finale 2024 sammeln.

Sichern Sie sich Ihre Karte für das LONGINES PfingstTurnier Wiesbaden entweder bei www.ticketmaster.de oder unter 01806 – 999 00 00.
Weitere Informationen zu Tribünen- und Flanierkarten, Programm, Anfahrt und Parken finden Sie unter www.pfingsturnier.org
(KiK/pe&pa)

Frühlingserwachen am Museumsufer NACHT DER MUSEEN Frankfurt und Offenbach am 13. Mai 2023

Nacht der Museen in Frankfurt und Offenbach. © Foto Diether von Goddenthow
Nacht der Museen in Frankfurt und Offenbach. © Foto Diether von Goddenthow

Nach drei Jahren Pause meldet sich die NACHT DER MUSEEN FRANKFURT eindrucksvoll zurück. Von Ausstellungen über Führungen, Workshops und Konzerten zu Parties und anderen Specials – das Programm der über 40 teilnehmenden Häuser verspricht Vielfalt im Zeitgeist.

Über 40 Kulturinstitutionen in Frankfurt, Offenbach und Eschborn bieten am Samstag, den 13. Mai im Rahmen der Nacht der Museen 2023 ein reiches Kunstprogramm. Führungen, Performances, Live-Musik, Filmprojektionen und Workshops geben der Kunst den passenden Rahmen und ermöglichen ein facettenreiches Kunsterlebnis in außergewöhnlicher Atmosphäre. Mit nur einem Ticket erhalten Besucherinnen und Besucher Zutritt zu allen teilnehmenden Veranstaltungsorten und nutzen kostenlos den Shuttle-Service (Busse und historische Straßenbahn).

„Ich freue mich sehr, dass die Nacht der Museen wieder stattfinden kann. Die beliebte Veranstaltung lebt von der Programmdichte und -vielfalt und spiegelt die reiche Museumslandschaft Frankfurts wider. Die engagierte Teilnahme der Museen zeigt uns, dass trotz der teils schwierigen Situation in der Kultur die Nacht der Museen ihren festen Platz in Frankfurt hat. Kunst- und Kulturinteressierte sollten diesen frühlingshaften Kunstgenuss am Museumsufer und darüber hinaus keinesfalls verpassen!“, so Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Dr. Ina Hartwig.

Das 175. Jubiläum der Eröffnung der Nationalversammlung in der Paulskirche ist vielerorts auch bei der Nacht der Museen präsent und zieht sich wie ein roter Faden durch die Nacht: Der Struwwelpeter zeigt seine rebellischen Wurzeln im Struwwelpeter Museum, im Institut für Stadtgeschichte geht es „Auf die Barrikaden“. In der Volksbühne im Großen Hirschgraben wird die lange Nacht der Revolution schwungvoll in Szene gesetzt. Und die Paulskirche als Herz der Nationalversammlung von 1848 steht am 13. Mai für alle Interessierten offen.

Archäologisches Museum Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow
Archäologisches Museum Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow

Zu einer der letzten Gelegenheiten, die opulente Ausstellung „Niki de Saint Phalle“ zu besuchen, lädt die Schirn Kunsthalle ein. Das Städel Museum entführt seine Gäste mit frühen Fotografien ewiger Sehnsuchtsorte nach Italien. Im Museum Giersch werden Gemälde und Zeichnungen des gebürtigen Frankfurters Ernst Weils, im Museum für Kommunikation mit „Humanimal“ eine kulturgeschichtliche Schau zum Verhältnis zwischen Zwei- und Vierbeinern zu sehen sein. Überhaupt nichts zu sehen gibt es dagegen im Dialogmuseum, wo Nachtschwärmerinnen und -schwärmer in absoluter Dunkelheit die Welt der Blinden sinnlich erleben.

Erstmals dabei ist die Europäische Zentralbank und präsentiert 480 ausgewählte Werke internationaler Künstlerinnen und Künstler. Weitere Premieren bei der Nacht der Museen feiern das Museum für elektronische Musik (MOMEM) mit der Ausstellung „Milestones“ und das Deutsche Romantik Museum, wo zur Sonderschau „Romantik und Parlamentarismus“ an diesem Abend neue und alte Protestlieder den gesellschaftlichen Aufbruch begleiten.

Im Taschenlampen-Kegel erklimmen Besucherinnen und Besucher die 328 Stufen des Doms oder erfahren im Weltkulturen Museum Faszinierendes über Mythen und Muster der Shipibo in Peru. Puppenhäuser aus mehreren Jahrhunderten geben im Haus der Stadtgeschichte Offenbach Einblicke in das Alltagsleben der Menschen. Und um nichts weniger als den „Maschinenraum der Götter” geht es im Liebieghaus.

Ob Textilien mit Gullydeckeln in der Druckwerkstatt im Bernardbau bedrucken oder Fotos schießen in Kulisse eines Beatles-Albumcovers bei der Deutsche Börse Photography Foundation – die vielfältigen Mitmach-Stationen bieten für jeden ein passendes Angebot. Ganz junge Gäste erleben unter anderem Seifenblasen mit Trockeneis und andere Experimente im EXPERIMINTA ScienceCenter oder basteln und stempeln fantastische Reisepässe im Klingspor Museum Offenbach.

Das Bibelhaus in Frankfurt beschenkt seine Gäste mit zauberhaften Momenten des Mentalmagiers Samuel Lenz. Im „Theater der Dämmerung” des Goethe-Hauses werden beim Schattenspiel die Garten-Szenen aus dem Faust lebendig. Und das Verkehrsmuseum bringt mit dem „Mobiliseum” sogar eine rollende Ausstellung auf die Schienen.

Natürlich darf auch Musik nicht fehlen: Von Grammophon-Lesungen mit Jo van Nelsen bis zur Klassik, die auf Beatbox trifft, vom Landespolizeiorchester, einem SpardosenTerzett, über Electroswing-Beats und das Duo Russo & Putte (Klassik/Folklore/Pop/Elektro) bis hin zu einer elektronischen Soundreise durch Frankfurt – auch der Soundtrack der Nacht der Museen lässt eine abwechslungsreiche Nacht erwarten.

Das Gesamtprogramm ist ab 6 April auf nacht.museumsufer.de zu finden, der Ticketvorverkauf beginnt Anfang April.

Deutsches Romantik-Museum & Frankfurter Goethe-Haus 7 Tage die Woche geöffnet

Deutsches Romantik Museum, daran anscließend das Goethe-Haus. © Foto Diether von Goddenthow
Deutsches Romantik Museum, daran anscließend das Goethe-Haus. © Foto Diether von Goddenthow

Ab dem 1. April sind Goethe-Haus und Deutsches Romantik-Museum 7 Tage die Woche geöffnet. Wir haben nachgerechnet: Das sind ingesamt 212.400 Sekunden jede Woche für Ihren Besuch bei uns. Neu im Vermittlungsprogramm sind öffentlichen Einführungen zum Deutschen Romantik-Museum, die einen Einblick in das Ausstellungskonzept des Hauses geben.

Zum 400-jährigen Jubiläum von ‚Shakespeare’s First Folio‘ laden wir Sie heute Abend zu einer Lesung mit Gespräch ein. An Shakespeares Geburtstag erwartet Sie Katharina Schaaf mit einer ganz besonderen Führung im Goethe-Haus.

Auch Ludwig Tiecks 250. Geburtstag wird selbstverständlich gefeiert: Die Goethe-Ringvorlesung in diesem Semester ist ihm gewidmet und in der Reihe Lied & Lyrik wird ‚Die schöne Magelone‘ in Brahms Vertonung zu hören sein.

Anlässlich des 80. Geburtstags Hendrik Birus veranstaltet das Freie Deutsche Hochstift ein festliches Symposium. An zwei Tagen werden zahlreiche Freunden und Weggefährten des international renommierten Literaturwissenschaftlers und Goethe-Forschers in Vorträgen und Diskussionen der Frage nachgehen, wie Philologie heute zu bestimmt und zu bewerten ist.

Der Workshop ‚Goethe und der Frühling‘ in den Osterferien bietet Kindern die Möglichkeit, verschiedene künstlerische Techniken auszuprobieren. ‚Zeichnen in der Natur‘ ist ein Kreativ-Angebot für Jugendliche und Erwachsene. Hier können bei einem Spaziergang verschiedene Zeichentechniken erprobt werden.

 

Deutsches Romantik-Museum
Großer Hirschgraben 23-25
60311 Frankfurt am Main
Tel.: +49 (0)69 138 80-0
info@freies-deutsches-hochstift.de

Besucherinformationen

DFF zeigt ab 29.März – Frauen und Geschlechtervielfalt im Kino der Moderne (1918 – 1933)

Szenenfoto WEGE ZU KRAFT UND SCHÖNHEIT (Wilhelm Prager, 1925) Quelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv
Szenenfoto WEGE ZU KRAFT UND SCHÖNHEIT (Wilhelm Prager, 1925) Quelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv

Bubikopf-Frisuren, luftige Chiffonkleider, extravagante Schuhkreationen und endlich Beinfreiheit – schon auf den ersten Blick sind die Veränderungen gewaltig, die die 1920er Jahre für das weibliche Geschlecht bringen. Zu den wichtigsten gehört die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen, die dazu beiträgt, Frauen auch im gesellschaftlichen Alltag präsenter werden zu lassen. Das zeigt sich auch im Kino der Zeit. Frauen beim und im Film der Weimarer Republik sind das Thema der Ausstellung WEIMAR WEIBLICH, die zudem untersucht, wie das Kino Geschlechterrollen und -verhältnisse insgesamt thematisiert.

Zum einen geht es darum, jene in allen Gewerken wirkenden Frauen ins Licht zu rücken, die die aufkommende Filmindustrie mit zum Blühen brachten – als Regisseurinnen, Drehbuchautorinnen, Kostüm- und Szenenbildnerinnen – und die heute vielfach vergessen sind. Zum anderen lotet die Ausstellung aus, wie das Kino der Weimarer Zeit Geschlechterfragen verhandelt, und dabei Themen wie körperliche Selbstbestimmung, Crossdressing und Homosexualität in den Fokus rückt. Die Ausstellung WEIMAR WEIBLICH wirft damit einen frischen Blick auf die deutsche Filmgeschichte der Jahre 1918 bis 1933. Vielen gilt diese Ära bis heute als „Goldenes Zeitalter“ der (deutschen) Kinematographie, weil sie überdurchschnittlich viele international anerkannte Klassiker hervorbrachte. Den Blick auf diese Klassiker des Weimarer Kinos zu beschränken, greift jedoch zu kurz. Das Filmschaffen jener Jahre ist von weit größerer Vielfalt geprägt: ästhetisch, inhaltlich, vor allem aber auch in Bezug auf diejenigen, die es schufen.

Frauen und Geschlechterfragen im Film
WW_1920x1080_03-300x169-450In der Eingangsszene von Ernst Lubitschs Film ICH MÖCHTE KEIN MANN SEIN (DE 1918) sitzt Ossi Oswalda mit Zigarette im Mund und überschwänglich lachend mit den Gärtnern am Tisch und knallt die Pokerkarten nur so auf die Platte. Wenige Filmsekunden bringen überdeutlich zum Ausdruck, dass das Ende des Ersten Weltkriegs eine neue Zeit eingeläutet hat: Die Frauen befreien sich aus ihren Korsetts, sie rauchen, trinken und pfeifen auf damenhaftes Benehmen. Im Film sind Frauen in Hosenrollen zu sehen. Sie verweigern die Heirat, küssen als Männer verkleidet Männer, oder verlieben sich in andere Frauen. Das Kino der Weimarer Republik zeigt anschaulich, dass Geschlechterrollen in jenen Jahren nicht in Stein gemeißelt, Geschlechterverhältnisse verhandelbar sind. In CYANKALI (DE 1930, R: Hans Tintner) ersteht eine Frau am Kiosk mit großer Selbstverständlichkeit eine Ausgabe der auch real existierenden Zeitschrift „Die Freundin. Magazin für lesbische Leserinnen“. In Leontine Sagans MÄDCHEN IN UNIFORM (DE 1931) verlieben sich die Elevinnen einer streng-preußischen Erziehungsanstalt reihenweise in ihre zugewandte Lehrerin Fräulein von Bernburg. Richard Oswalds ANDERS ALS DIE ANDERN (DE 1919) führt die grausamen Folgen des Homosexuellen-Paragrafen 175 vor Augen – und kämpft gegen ihn an. Auch Themen wie Prostitution und Schwangerschaftsabbrüche finden Eingang in die Filme der Weimarer Republik. Mit der kontrovers geführten Diskussion um die Abschaffung des Paragrafen 218 beschäftigen sich insbesondere weibliche Filmschaffende.

Damen in den Ewigen Gärten, Kostümbild von Aenne Willkomm METROPOLIS (Fritz Lang, 1927) Foto: Horst von Harbou Quelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv © Deutsche Kinemathek – Horst von Harbou
Damen in den Ewigen Gärten, Kostümbild von Aenne Willkomm METROPOLIS (Fritz Lang, 1927) Foto: Horst von Harbou Quelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv © Deutsche Kinemathek – Horst von Harbou

Im Ausstellungsteil „Frauen und Geschlechterfragen im Film“ wird deutlich, wie das Kino auf die einschneidenden sozialen Veränderungen der Zeit reagiert, wie es Partei ergreift in den Konflikten um das gesellschaftliche Selbstverständnis oder schlicht Unterhaltung bietet, um diesen zu entgehen. Geprägt vom Streben der Neuen Sachlichkeit nach Realismus in der Darstellung, sucht der Film nach neuen Erzählungen, innovativen Motiven und zeitgenössischen Figuren. Eine der wichtigsten: die Neue Frau, die ausgestattet mit einem pflegeleichten Bubikopf und bequemen, das Knie befreienden Hängekleidern, die neue Beinfreiheit nutzt, um ihr Leben selbstbewusst zu gestalten. Die in der Konfektion, als Telefonistin oder im Büro arbeitet und abends zum Tanz geht. Sie treibt Sport, denn sie legt Wert auf einen modulierten Körper. In der Mode wird die weibliche Silhouette zunehmend schlanker und knabenhafter – ein Ideal, das der Film vorantreibt. Als „Autlerin“ chauffiert sie ihren Wagen selbst, oder reüssiert gar als Rennfahrerin oder Fliegerin.

Kommen knallrot geschminkte Lippen, Zigarette, Hosenanzug und Zylinder zum Einsatz, signalisiert das unübersehbar ein neues weibliches Selbstbewusstsein und ein verändertes Verständnis von Sexualität und Gender. Die Übergänge zum auch weiterhin existierenden Typ des Vamps sind fließend – verkörpert etwa durch Marlene Dietrich in DER BLAUE ENGEL (DE 1930, R: Josef v. Sternberg) oder Brigitte Helm im Film ALRAUNE (DE 1928, R: Henrik Galeen sowie DE 1930, R: Richard Oswald), wird er als so sinnlich wie gefährlich empfunden.

Das Ausstellungskapitel bietet Fotografien, Setdesigns und Kostümentwürfe, Filmplakate und Zeitungsausschnitte. Originalkostüme (etwa von Marlene Dietrich) sind auf historischen Schaufensterpuppen zu sehen, die in Aussehen und Pose den damaligen Stars nachempfunden sind. Groß projizierte Ausschnitte aus zahlreichen Filmen geben Einblick in die filmische Vielfalt. An zwei Medienstationen können ausgewählte Themen weiter vertieft werden.

Frauen hinter der Kamera
Die legendäre expressionistische Filmarchitektur zu Paul Wegeners DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM (DE 1920)? Sie ist das gemeinschaftliche Werk des Künstlerpaares Hans Poelzig und Marlene Moeschke-Poelzig. Fritz Langs Klassiker DIE NIBELUNGEN (DE 1924) und METROPOLIS (DE 1927)? Sie stammen aus der Feder seiner damaligen Frau, Thea von Harbou, die die Drehbücher zu vielen „seiner“ Filme schrieb. Die Kostüme dazu schuf Aenne Willkomm. Lotte Reinigers Silhouettenfilm DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED? – Auch dies eine Pionierleistung: Der Film gilt als erster noch erhaltener abendfüllender Animationsfilm der Welt.

Während und nach dem Ersten Weltkrieg nutzen viele Frauen die sich auftuenden beruflichen Möglichkeiten in der wachsenden Filmindustrie, das macht der
Ausstellungsteil „Frauen in der Filmindustrie“ deutlich: Sie arbeiten im Kostüm- und Szenenbild, komponieren und schreiben Lieder für den Film, stellen als Grafikerinnen Filmplakate her und betätigen sich im Filmverleih. Produzentinnen, Regisseurinnen, vor allem aber Drehbuchautorinnen bedienen nahezu alle Genres und Themen. Die meisten von ihnen bleiben weitgehend unbekannt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Häufig müssen Frauen ihr Geschlecht tarnen, indem sie auf die Nennung ihrer Vornamen in den Filmcredits verzichten. Andere wiederum arbeiten unter männlichem oder genderneutralem Pseudonym. So stehen die Namen Hanns Torius, Dr. R. Portegg und Jan von der Kant etwa für die Drehbuchautorinnen Luise Heilborn Körbitz, Rosa Porten und Hermanna Barkhausen. Manch eine filmschaffende Frau verschwindet ganz einfach hinter dem „Genie“ des ebenfalls für den Film tätigen Ehegatten.

Darüber hinaus werden Frauen in den 1910er und -20er Jahren als arbeitsmarktpolitische Reservearmee behandelt, die je nach bevölkerungspolitischer Konjunkturlage eingesetzt oder vom Arbeitsmarkt verdrängt wird – auch beim Film. Auf männliche Geldgeber angewiesen, erfahren viele Frauen hohe Hürden und Benachteiligung bei der Bereitstellung finanzieller Mittel. Oftmals sind sie an Produktionen mit kleineren Budgets beteiligt. Eine männlich dominierte Filmkritik tendiert darüber hinaus dazu, das Filmschaffen der Frauen zu ignorieren. Für die meisten Frauen endet die Filmkarriere mit der Wirtschaftskrise Ende der 1920er oder spätestens Anfang der 1930er Jahre. Mit Beginn der NS-Diktatur 1933 kommt der Input von Frauen vollkommen zum Erliegen. Jüdischen Autorinnen wie Vicki Baum und Jane Bess werden in Deutschland Arbeits- und Lebensgrundlage entzogen. Die frauenfeindliche NS-Politik trifft aber auch viele andere. Karriere machen in dieser Zeit nur die Drehbuchautorin Thea von Harbou und die Regisseurin Leni Riefenstahl.

Die Ausstellung stellt eine Vielzahl weiblicher Filmemacherinnen aus verschiedenen Gewerken vor. Kurzbiographien und Exponate, Filmausschnitte, Audioaufnahmen und Filmkritiken gewähren Einblick in ihr vielfältiges Schaffen und geben einem weitgehend unbekannten Kapitel des Weimarer Kinos Gesicht und Stimme. Vorgestellt werden Irma von Cube (Drehbuch), Ilse Fehling (Kostüm), Margit Doppler (Plakatgrafik), Lotte Reiniger (Animation), Leontine Sagan (Regie) Ellen Richter (Produktion) und viele weitere Filmfrauen der Zeit.

Vier Frauen nimmt die Ausstellung dabei besonders in den Blick: die Dokumentarfilmerin Ella Bergmann-Michel, die Szenenbildnerin Marlene Moeschke-Poelzig, die Drehbuchautorin Jane Bess sowie Hanna Henning, die als Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin tätig war. Exemplarisch werden ihre Lebenswege und Karrieren sowie die Spuren, die sie in der Filmgeschichtsschreibung hinterlassen haben, untersucht.

Filmarchiv und Ausstellungsabteilung des DFF haben intensive Recherchen zum Werk von Jane Bess und Hanna Henning betrieben; das DFF kann in der Ausstellung nun eine Reihe neuer Erkenntnisse und Exponate zu den beiden Filmemacherinnen zeigen. Vom Filmarchiv restaurierte und digitalisierte Filme von Bess (2) und Henning (5) werden im umfangreichen Begleitprogramm zur Ausstellung im Kino des DFF gezeigt, in dem auch Klassiker und neue Entdeckungen zu sehen, sowie Vorträge und Sonderveranstaltungen während der Ausstellungsmonate geplant sind.
Als Filmkritikerinnen setzen sich Lotte Eisner und Lucy von Jacobi mit dem Medium selbst und seiner Wirkung auseinander. Sie hinterfragen die Sehnsüchte des Publikums und tragen zur Meinungsvielfalt bei. In der Ausstellung werden Ausschnitte aus einigen der von ihnen rezensierten Filme mit den zugehörigen Filmkritiken synchronisiert.

Ausstellungsansicht WEIMAR WEIBLICH Foto: Thomas Lemnitzer Quelle: DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
Ausstellungsansicht WEIMAR WEIBLICH Foto: Thomas Lemnitzer Quelle: DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum

Kino und Gesellschaft
Im Kino der Moderne betrachtet sich die Gesellschaft der Weimarer Republik selbst. Die Leinwand wird zum doppelten Spiegelbild, indem sie Alltagsthemen und -typen reflektiert und zugleich selbst zum Leitmedium aufsteigt, das Rollenvorbilder hervorbringt und Ideale setzt. Den unterschiedlichen Facetten dieser These ist der Ausstellungsteil „Kino und Gesellschaft“ gewidmet.

Kino, Stars und Fans: In den Jahren zwischen den Weltkriegen avanciert der Film zum Massenmedium. Die Zahl der Kinos verdoppelt sich in den zehn Jahren zwischen 1918 und 1928. In den Großstädten entstehen mondäne Kinopaläste: Mitte der 1920er Jahre strömen täglich etwa zwei Millionen Menschen in die Kinos – darunter viele Frauen.

Schon früh etabliert sich in Deutschland ein Starsystem, das eine lebendige Fankultur hervorbringt. Starpostkarten, Homestorys, Fotos von Autogrammstunden und Sammelobjekte zeugen davon. Sie werden für die Inszenierung und Vermarktung von Berühmtheiten wie Asta Nielsen, Henny Porten, Lilian Harvey oder Marlene Dietrich genutzt. Die Stars fungieren als Werbeträger und bieten als Vorbilder mit ihren unterschiedlichen Images vielfältige Möglichkeiten zur Identifikation. Passbildgroße Portraits, die in Selbstauslöse-Fotoautomaten entstehen – sogenannte Photomaton-Bilder – zeigen, wie das Publikum den Filmgrößen nacheifert.

Individuum und Typ: Eine Gegenüberstellung von Filmbildern und Fotografien aus der Serie Menschen des 20. Jahrhunderts von August Sander zeigt in diesem Ausstellungsteil bei beiden deutlich die Tendenz zur Typisierung. So bilden sich für „das proletarische Kind“, „die Künstlerin“ oder „die Bettlerin“ in Physiognomie, Kleidung und Haltung gewisse Stereotypen aus. Zu sehen sind außerdem Fotoportraits von Schauspieler:innen, die Hans G. Casparius Ende der 1920er Jahre an Filmsets aufnimmt, und die der zeitgenössische Kritiker Kenneth MacPherson 1930 so beschreibt: „Vertraute Gesichter, von ihm aufgenommen, werden zu charakteristischen Momenten der Zeit“.

Blick ins Private: Fotografien und Anekdoten, die vom Leben der Frauen in den Jahren 1918 bis 1933 erzählen, und die vornehmlich aus dem Rhein-Main-Gebiet stammen, bilden – ergänzend zu diesem Ausstellungsteil – den Vorspann zur Ausstellung im Ausstellungsfoyer. Zu den professionellen Fotografien unter anderem von Paul Wolff, Alfred Tritschler oder Ilse Bing aus dem Archiv des Historisches Museum Frankfurt gesellen sich Aufnahmen und Familiengeschichten, die dem DFF nach einem öffentlichen Aufruf von Privatpersonen zur Verfügung gestellt wurden. Die Suche nach historischen Zeugnissen und Familiengeschichten queerer Menschen gestaltet sich schwieriger, weil sie aufgrund von Diskriminierung und Verfolgung oftmals im Verborgenen lebten. Die Arbeit [anderkawer] 1928 der Künstlerin annette hollywood nimmt das Publikum mit auf detektivische Spurensuche.

Die Fotografien und Familiengeschichten sind eine Einladung an das Ausstellungspublikum, sich selbst auf Spurensuche zu begeben und nach Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen den in der Ausstellung gezeigten Filmbildern und den hier und in den eigenen Familienalben überlieferten Fotografien Ausschau zu halten. Über die gesamte Ausstellungsdauer hinweg besteht die Möglichkeit, eigene Familienerinnerungen zu teilen.

DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
Schaumainkai 41
60596 Frankfurt am Main
www.dff.film

Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 11:00 – 18:00

Freiheit für das Wort – GfdS verleiht Medienpreis für Sprachkritik an Harald Martenstein – Absage an Sensitivity Reading

Preisträger Harald Martenstein. "Ich bin schon ein Freund sprachlicher Klarheit. Und die Kunst ist einen komplizierten Gedanken einfach und klar auszudrücken, ja und nicht einen schlichten Gedanken kompliziert auszudrücken. Das ist Bullshit, um mal einen Anglizismus einzuführen." „Als ich vor Jahren zum ersten Mal über Gendern geschrieben habe, die Debatte fing gerade erst so an, ich habe mir aber nichts dabei gedacht, ich fand das irgendwie bizzar. Da gab es einen solchen Wutsturm von den Leuten, die das nicht gut finden, dass ich sofort wusste: ‚Dass musst du öfters machen!‘. Zitate und Bild aus dem Video-Porträt von Video-Porträt von Andreas Ewels
Preisträger Harald Martenstein. „Ich bin schon ein Freund sprachlicher Klarheit. Und die Kunst ist einen komplizierten Gedanken einfach und klar auszudrücken, ja und nicht einen schlichten Gedanken kompliziert auszudrücken. Das ist Bullshit, um mal einen Anglizismus einzuführen.“ „Als ich vor Jahren zum ersten Mal über Gendern geschrieben habe, die Debatte fing gerade erst so an, ich habe mir aber nichts dabei gedacht, ich fand das irgendwie bizzar. Da gab es einen solchen Wutsturm von den Leuten, die das nicht gut finden, dass ich sofort wusste: ‚Dass musst du öfters machen!‘. Zitate und Bild aus dem Video-Porträt von Video-Porträt von Andreas Ewels

„Ironisch und mit Wortwitz, kritisch unangepasst und provozierend, aber niemals verletzend, und Respekt vor der Meinung der Andersdenkenden“, sei sein Kompass, so die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), die gemeinsam mit der Hans-Oelschläger-Stiftung nach einer coronabedingten Durststrecke am gestrigen Abend den Medienpreis für Sprachkritik an einen der bedeutendsten wie umstrittensten deutschen Kolumnisten Harald Martenstein verliehen.

Jurybegründung: "Harald Martenstein zählt seit Jahrzehnten zu den bedeutendsten Kolumnisten in Deutschland. Mit scharfem Blick auf die kleinen Dinge des Alltäglichen und die großen Fragen der Politik seziert Martenstein gesellschaftliche und sprachliche Entwicklungen ironisch und mit Wortwitz kritisch unangepasst und provozierend, aber niemals verletzend. Sein Kompass: Respekt vor der Meinung der Andersdenkenden." (v.li.) Dr. Andrea-Eva Ewels, GfdS-Geschäftsführerin. GfdS-Vorsitzender Professor Dr. Peter Schlobinski, Preisträger Harald Martenstein mit Urkunde und Iris Buck, Stifterin des Preises, © Foto Diether von Goddenthow
Jurybegründung: „Harald Martenstein zählt seit Jahrzehnten zu den bedeutendsten Kolumnisten in Deutschland. Mit scharfem Blick auf die kleinen Dinge des Alltäglichen und die großen Fragen der Politik seziert Martenstein gesellschaftliche und sprachliche Entwicklungen ironisch und mit Wortwitz kritisch unangepasst und provozierend, aber niemals verletzend. Sein Kompass: Respekt vor der Meinung der Andersdenkenden.“
(v.li.) Dr. Andrea-Eva Ewels, GfdS-Geschäftsführerin. GfdS-Vorsitzender Professor Dr. Peter Schlobinski, Preisträger Harald Martenstein mit Urkunde und Iris Buck, Stifterin des Preises, © Foto Diether von Goddenthow

Der mit 10 000 Euro dotierte Medienpreis für Sprachkritik ersetzt die bisherigen Medienpreise für Sprachkultur, um neue Akzente gegen rechts- und linkspopulistische Sprachkritik und Sprachlenkungsversuche zu setzen, so GfdS-Vorsitzender Professor Dr. Peter Schlobinski. Gemeinsam mit GfdS-Geschäftsführerin Dr. Andrea-Eva Ewels begrüßten die Veranstalter zahlreiche Ehrengäste aus Politik, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft, unter ihnen der frischgebackene Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase, ein ausgewiesener Fan von Martenstein. Dieser ist immerhin 1953 in Mainz geboren und aufgewachsen. Sein Studium erfolgte in Freiburg. Start seiner journalistischen Karriere bei der Stuttgarter Zeitung, später wechselt er zum Tagesspiegel nach Berlin, zahlreiche Kolumnen, unter anderem seit 20 Jahren in der Die Zeit, und in der Welt am Sonntag. Sie krönen Martensteins journalistische Arbeit, verrät ein Video-Porträt von Andreas Ewels.

GfdS-Vorsitzender Professor Dr. Peter Schlobinski. © Foto Diether von Goddenthow
GfdS-Vorsitzender Professor Dr. Peter Schlobinski. © Foto Diether von Goddenthow

An der Schnittstelle zur Literatur stünden „journalistische Beiträge mit sprachkritischem Bezug, oder expliziten Sprachthemen, die kritisch reflektiert werden. Hierzu gehören unter anderem die Glossen, Essays und Kolumnen von Karl Kraus, Fritz Mauchner und Tucholsky wie auch von Egon Erwin Kisch, Harry Rowohlt und unserem Preisträger Harald Martenstein“, sagte der DfdS-Vorsitzende. Was alle Genannten gleichermaßen auszeichne sei ihr „scharfer, entlarvender Blick auf Sprache und Gesellschaft, sowie die Fähigkeit, ihre eigenen Gedanken und Positionen sprachkreativ unterhaltend geistreich, oft witzig, ironisch sowie auf den Punkt genau zu formulieren.“ Dafür hat Harald Martenstein in den letzten Jahren unzählige renommierte Literatur-Preise erhalten, unter anderem den „Erwin-Ego-Kisch-Preis“ und den „Henri-Nannen-Preis“.

Christiane Hinninger, Dezernentin für Umwelt, Wirtschaft, Gleichstellung und Digitalisierung der Landeshauptstadt Wiesbaden. © Foto Diether von Goddenthow
Christiane Hinninger, Dezernentin für Umwelt, Wirtschaft, Gleichstellung und Digitalisierung der Landeshauptstadt Wiesbaden. © Foto Diether von Goddenthow

Für Christiane Hinninger, Dezernentin für Umwelt, Wirtschaft, Gleichstellung und Digitalisierung der Landeshauptstadt Wiesbaden, in Vertretung von Oberbürgermeister Gerd-Uwe Mende, ist es ein Glücksfall, dass die Gesellschaft für deutsche Sprache seit 1965 ihren Sitz in Wiesbaden hat. Es gereiche „uns zur Ehre, wenn unsere Stadt öffentlich mit der Gesellschaft für deutsche Sprache in Verbindung gebracht wird, insbesondere mit Aktionen wie ‘Beliebteste Vornamen‘ und die ‘Wörter des Jahres‘. Zudem profitiere die Stadt Wiesbaden ganz konkret von der Expertise der GdfS, etwa beim seit 15 Jahren laufenden Projekt „Klartext“, über das es in gemeinsamen Workshops und Seminaren gelang „Verwaltungssprache verständlicher, lebendiger und persönlicher zu gestalten“ .“Wir wollen uns einer Sprache bedienen, die von allen und egal, welchen Bildungsstand sie haben, auch gut verstanden werden kann“, so die Dezernentin abschließend in ihrem Grußwort.

Laudatorin Anna Schneider  empfiehlt allen Gender Studies-Studenten Martenstein-Lektüre

Laudatorin WELT-Chefreporterin und Buchautorin Anna Schneider. © Foto Diether von Goddenthow
Laudatorin WELT-Chefreporterin und Buchautorin Anna Schneider. © Foto Diether von Goddenthow

Laudatorin Anna Schneider zitiert Martenstein und seine Kritiker
„Es ist mir eine unfassbare Freude und Ehre, dass ich dir ein Loblied singen darf“, startete WELT-Chefreporterin Anna Schneider ihre Laudatio. Der „Alte weiße Mann“ stünde mittlerweile „am Ende der zeitgeistigen Nahrungskette“, zumindest bei der zwischen 1981 und 1998 geborenen Millennial-Generation, also ihrer Altersgruppe. So sei der „Alte weiße Mann“ Martenstein ins Visier ihrer etwa gleichaltrigen Kollegin Marlene Knobloch, Redakteurin bei der Süddeutschen Zeitung, geraten. Davon zeuge ein Auftritt in deren neuen Buch „Serious Shit. Die Welt ist gefährlich – und warum wir das erst jetzt merken“ (2023 dtv). In einer Passage beschreibe Knobloch darin ganz kurz und knapp, warum auch dieser Typ Martenstein eigentlich sein Grundproblem sei. Für die Erzählerin im Buch scheine Martenstein so furchtbar zu sein, dass sie erst mal Luft holen müsse, und „In diesem Sprudel von Stereotypen und Klischees und Sexismus und überhaupt“ nicht wisse, wo sie anfangen solle, vor ihm zu warnen. Im Kern regt sich Knoblochs Ich-Erzählerin über Martensteins Kritik an der woken Umbenennung eines Werbeslogans für das Berliner Technikmuseum auf: „Es geht um das deutsche Technikmuseum in Berlin und dessen neuen Slogan: „Statt der männlichen kolonialistisch assoziierbaren Version ‚Für Entdeckter‘, lautet er jetzt ‚Einfach für dich!‘. Natürlich ideologischer Wahnsinn für den Kolumnisten und völlig an der Realität vorbei gedacht.“, schnaubt Knoblochs Erzählerin. Zudem gerate, so Anna Schneider, Martensteins angeblich dauerschlechte Grantler-Laune als ein Strukturproblem in Kritik, die dieser obendrein zu Geld mache und somit seine Polemik noch vergolde (…) „für ein Honorar, von denen jüngere Autoren wie ich nur träumen“, schimpft die Ich-Erzählerin in „Serious Shit“.
Dieser Buchabschnitt spiegele ein wenig wider, wie das geistige Umfeld in ihrer jüngeren Generation oftmals ticke, und nun wisse man auch, warum die Welt gerade dieser Autorin so gefährlich sei, „vor allem für uns um Mitte 30“, „weil offensichtlich bereits das Lesen einer Kolumne eines Mannes, eines weißen alten Mannes, uns dermaßen aus der Ruhe bringt (…)“, lästert Schneider über Martensteins Kritikerin.

„Es ist wirklich sehr anstrengend woke zu sein“, so Anna Schneider. Vor allem könne sie sich nicht daran erinnern, „jemanden gesehen zu haben, der wie Harald Martenstein dermaßen bestens gelaunt sei, und große, aber uneitle Freude an seinen eigenen Texten habe“ und seinem Publikum einen Lacher nach dem anderen abringe. Deswegen könnten viele ihrer Millennials-Kollegen mit Martenstein wohl nichts anfangen: „Denn wer lacht, der leidet nicht, und das verträgt sich mit wokesein so gar nicht“, frotzelt Schneider.

Deutschland dürste regelrecht nach Martensteins. Wer mit „derart intellektuellen Scheuklappen wie viele Zeitgenossen durchs Leben liefe“, verpasse da leider „so einiges, wie zum Beispiel, dass Harald Martenstein für die Gedankenfreiheit in diesem Land mehr tut, als so mancher Gender-Studies-Student“, und das sage eine Studies-Veteranin, und genau zu diesem Thema handele auch ihre Lieblingskolumne „Pronomenrunden“, so die Laudatorin.

 „Pronomenrunden“
In „Pronomenrunden“ nimmt der Preisträger für Sprachkritik das gleichnamige Sitzungs-Ritual des Regenbogen-Referats seiner einstigen Heimat-Uni Freiburg auf’s Korn: „Menschen hießen damals ‚der Ulli‘ oder ‚die Gundi‘, es war eine unsensible Epoche. Beim Regenbogen-Referat, der Interessenvertretung unter anderem der a_sexuellen, trans*, inter*, poly* und queeren* Studierenden, beginnt jede Sitzung mit der Pronomenrunde. Die Anwesenden dürfen ihre Namen und das Pronomen nennen, mit dem sie angesprochen werden möchten, also er, sie oder es oder sonst wie. Als weitere Möglichkeiten werden „x“, „per“ und „hän“ genannt. „Hän“ ist Finnisch und neutral. „Hän“ ist quasi die Schweiz unter den Pronomen.“
Martenstein zeige in dieser Kolumne immer wieder auf, dass letztlich das Problem, niemanden durch eine im Zweifel „falsche Anrede“ zu kränken, unlösbar sei. Die einzige Lösung wäre Schweigen. „Dann ist im Seminar garantiert niemand verletzt, und niemand muss weinen“.
Eine Person, zitiert die Laudatorin Martenstein weiter, sei „immer komplexer als jeder Name, jede Zuschreibung und jede sexuelle Identität, ein Mensch ist immer mehr als das“. „Sprache diene dazu, die Wirklichkeit alltagstauglich zu vereinfachen, nur so werde Kommunikation möglich.“ Deshalb ist Sprache immer ungerecht“, so  Martensteins Worte. (Über Wörter, die alles offenlassen, die Last des eigenen Namens und die Schwierigkeit, sich selbst zu definieren https://www.zeit.de/zeit-magazin/2020/39/harald-martenstein-genderwahn-hochschulen), Am liebsten würde sie Martensteins letzten Absatz „warum Sprache immer ungerecht“ sei, immer wieder allen Studierenden oder sonstigen zeitgeistig verstrahlten Studenten ausgedruckt in die Hand drücken. Marteinlektüre für Studies!

Martensteins  Dank –  Sein Antrieb ist der Zweifel

Martenstein: "Ich danke der Jury dafür, dass sie auf diese Idee gekommen ist, und ich hoffe, dass sie es nicht bereuen wird, ich werde versuchen, mich dieses Preises würdig zu erweisen, und sie nicht übel zu strafen." © Foto Diether von Goddenthow
Martenstein: „Ich danke der Jury dafür, dass sie auf diese Idee gekommen ist, und ich hoffe, dass sie es nicht bereuen wird, ich werde versuchen, mich dieses Preises würdig zu erweisen, und sie nicht übel zu strafen.“ © Foto Diether von Goddenthow

Natürlich sei so ein Preis eine tolle Sache, es mache ihn ein bisschen demütig, da es wahnsinnig viele großartige Kollegen und Kolleginnen gäbe, die er bewundere, und die den Preis wohl mehr als er verdient hätten, kokettierte der Geehrte bei seinem Dank. Ein bisschen Glück gehöre dazu, „wir haben das ja eben von Anna Schneider gehört, dass es unmöglich immer ganz gerecht zugehen kann im Leben, also muss ich das jetzt einfach mal so hinnehmen, und dass ich der Profiteur vielleicht von der Ungerechtigkeit bin, aber es freut mich ja trotzdem“.
Was Martenstein antreibe? Das sei vor allem „Zweifel“, „Selbstzweifel“, „oft, weil ich mir über eine Sache nicht so ganz im Klaren bin, und nicht so richtig wisse, was richtig, falsch, gut, und böse sei. Selbstverständlich habe er jetzt aber etwas vorbereitet, indem er sich mit etwas „Sprachkritischem“ bedanke, nämlich zum Thema „Sensitivity Reading“,

„Sensitivity Reading“ in letzter Konsequenz das Ende von Literatur

Bei „Sensitivity Reading“, so Martenstein, überprüften „Spezialisten für Sensibilität“ im Auftrag von Verlagen Buchmanuskripte darauf, ob der „Inhalt oder ihre Wortwahl jemandes Gefühle verletzen könnte“. Gemeint seien „damit nicht die Gefühle alter weißer Männer, wie ich einer bin, sondern die Gefühle von Menschen z.B. mit nichtweißer Hautfarbe, also People of Color, von sexuellen Minderheiten, z.B. Transsexuellen, Gefühle von Frauen, wobei damit in erster Linie solche Frauen gemeint sind, die ihr Geschlecht nur für eine gesellschaftliche Zuschreibung und im Grunde für inexistent halten. Ich glaube also nicht, dass die Gefühle von Anna Schneider damit gemeint sind.“

Wie das funktioniere, habe vor einigen Wochen die Zeit vorgeführt, die einen Mitarbeiter einen Text verfassen und anschließend von einer Sensitivity-Readerin lektorieren ließ. Erwartungsgemäß wurde die fehlende Gendersprache moniert, und „statt des kleingeschriebenen ‚man‘ sollte es stets ‘eine Person‘ heißen. Der Satz ‘Beim Überqueren einer Straße sollte man vorsichtig sein‘, könnte nämlich möglicherweise so verstanden werden, dass nur Männer darauf aufpassen müssen. Frauen nicht! Wer weiß wie viele Frauen nur deswegen, wegen des ‘man‘, in den letzten Jahrzehnten überfahren wurden?“. Große Heiterkeit im Saal.

Auch sollten Hautfarben im Text stets mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben werden, also „Weiß“ oder „Schwarz“, damit niemand denke, es handele sich um reale Sachen, als sei „einer in einen weißen oder schwarzen Farbbottich gefallen“. „Ich frage mich, ob es in der Weltliteratur wirklich schon einmal eine solche Verwechslung gegeben hat?“, so der Sprachkritik-Preisträger.

Der Schlüsselsatz des Zeit-Textes lautete: „Mit Kunst, will man doch niemandem wehtun!“ „Das ist, finde ich, so falsch wie ein Satz nur falsch sein kann“, wetterte Martenstein gegen diese neue Weichspül-Manie. Denn „gerade große Kunst fordere uns manchmal. Sie könne unser Weltbild, unser Selbstbild erschüttern“, und „uns womöglich tagelang verfolgen oder sogar für den Rest unseres Lebens“. Klar, wäre nicht jede Kunst, die weh tut,  bedeutend. Sie könne einfach auch nur schlecht sein. „Aber bedeutende Kunst berührt in uns meistens eine Stelle, die noch nie berührt wurde. Sie trifft einen Widerstand, das macht sie unvergesslich.“
So betrachtet, bedeute Sensitivity Reading in letzter Konsequenz „nichts weniger als das Ende der Literatur und ihre Ersetzung durch Gefälligkeitstexte“, empört sich Martenstein. Und wo es keine unmoralische Literatur mehr geben dürfe, „da darf es beim Erzählen auch keine Wahrheit mehr geben.“

Die Angst der Verlage vor den Konsequenzen von Shitstorms 

Verlage, die nach Information seiner Agentin pro Buch durchschnittlich 1500 Euro Zusatzkosten für das zusätzliche Weichspül-Lektorat berappen müssten, entschieden sich seiner Meinung nach dafür nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst. Es sei die Angst vor dem Shitstorm, „die Angst, für die Überschreitung immer enger gezogenerer Grenzen angeklagt zu werden. Es ist die Angst davor, ein fertig produziertes Buch nach wütenden Protesten mit hohem Verlust aus dem Verkehr ziehen zu müssen“. Es sei “die Angst vor einer relativ kleinen, gut organisieren Minderheit, die so tut, als besitze allein sie das Recht, über ‘gut und böse´‚ ‘richtig und falsch‘ zu entscheiden“, so der Preisträger.
Sprache gehöre jedoch allen, „weder der Obrigkeit, noch einer Minderheit, die aus der Unterdrückung vergangener Jahrzehnte als Kompensation das Recht ableitet, heute zu verbieten, und Vorschriften zu machen.“

Wer alles Kränkende vermeiden möchte, sollte Einsiedler werden

Und gerade „weil die Sprache uns allen gehört, sollte es keine Sonderregeln geben“ insbesondere nicht für bestimmte Gruppen“, so Martenstein. Wer verlange, „niemals, in egal welchem Kontext, etwas auch nur unabsichtlich Kränkendes über die Gruppe hören oder lesen zu müssen, der er oder sie angehört, der müsste dieses Recht natürlich auch allen anderen zugestehen!“, ist für den Preisträger die logische Konsequenz. Er warnte daher eindringlich vor dieser woken literarischen Weichspülmode, denn, „wenn wir aber allen einander niemals unangenehm sein dürfen, dann sollten wir am besten jeden Kontakt miteinander meiden und Einsiedler werden.“

Weder Gender-Gebot, noch Gender-Verbot

Im Übrigen habe er nichts dagegen, wenn andere Leute gendern. „Können sie machen“. Es dürfe aber eben nur nicht vorgeschrieben oder institutionell über Leitfäden /Plattformen als vorbildhaftes Schreibverhalten empfohlen werden, etwa durch Behörden, Kommunen, Universitäten, ebenso wie es umgekehrt nicht von Gegnern verboten werden sollte.
„Nein, ich wünsche mir kein einziges Verbot. Ich wünsche mir und allen anderen nur den Mut, für das freie Wort, für die Freiheit der Sprache der Zeitungen und der Literatur einzutreten, auch, wenn mal dummes Zeug geschrieben wird. Auch wenn mal jemanden etwas wehtut! Ein Recht auf Freiheit haben alle, die nichts Illegales tun, egal aus welcher Ecke sie kommen“, bekräftigte Harald Martenstein unter großem Applaus.

( Diether von Goddenthow/Rhein-Main.Eurokunst)

Harald Martensteins Kolumnen in

Zeit-Magazin
Welt am Sonntag

Einführung von Alois Hotschnig in das Amt des Mainzer Stadtschreibers 2023

"Amtseinführung Mainzer Stadtschreiber 24.03.2023": Johannes Gutenberg, Nino Haase, Marianne Grosse, Alois Hotschnig, Dr. Norbert Himmler. Von links: Johannes Gutenberg, Nino Haase, Marianne Grosse, Alois Hotschnig, Dr. Norbert Himmler. © ZDF und Maximilian von Lachner.
„Amtseinführung Mainzer Stadtschreiber 24.03.2023″: Johannes Gutenberg, Nino Haase, Marianne Grosse, Alois Hotschnig, Dr. Norbert Himmler. Von links: Johannes Gutenberg, Nino Haase, Marianne Grosse, Alois Hotschnig, Dr. Norbert Himmler. © ZDF und Maximilian von Lachner.

Der Mainzer Stadtschreiber Literaturpreis von ZDF, 3sat und der Landeshauptstadt Mainz wurde am Freitag, 24. März 2023, um 15.30 Uhr im Mainzer Schloss an den Schriftsteller Alois Hotschnig verliehen. Damit hat er das Amt als Mainzer Stadtschreiber 2023 angetreten. Dr. Norbert Himmler, Intendant des ZDF, und der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Mainz, Nino Haase, begrüßten ihn gemeinsam.

Der renommierte Literaturpreis wird seit 1985 jährlich vergeben und ist mit 12.500 Euro dotiert. In der Jurybegründung zur Wahl des diesjährigen Stadtschreibers heißt es: „Alois Hotschnig erzählt in seinem vielfältigen Werk immer wieder von Schicksalen, wie sie Krieg und Diktatur hervorbringen – er bricht das Schweigen über die Geschichte heutiger Generationen in Europa und spiegelt dabei die Konflikte und Sehnsüchte auch unserer Zeit. Dabei setzt er in der deutschsprachigen Literatur einen eigenen empathischen Ton und wirkt mit entschiedener Beharrlichkeit dem Verschweigen sowie Hassreden und Ausgrenzung entgegen.“

Norbert Himmler sagte in seiner Ansprache: „Mit empathischem Ton zieht Alois Hotschnig uns hinein in die Welten seiner Figuren, in Welten, die oft von Gewalt und Krieg geprägt sind. Dabei zeigt er klar, wie bitter Gewalterfahrungen über Generationen nachwirken und auch Zeiten des Friedens weiter beeinflussen.“

Der Literaturpreis umfasst auch die Herstellung einer Dokumentation gemeinsam mit dem ZDF und 3sat, dem Gemeinschaftsprogramm von ZDF, ORF, SRG und ARD. Das jeweilige Thema kann der Stadtschreiber oder die Stadtschreiberin frei wählen. Zudem erhält Alois Hotschnig als neuer Mainzer Stadtschreiber ein Wohnrecht im historischen Teil des Gutenberg-Museums.

Nino Haase, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Mainz, über das Werk des neuen Mainzer Stadtschreibers: „Hotschnigs Protagonisten sind vom Schicksal zerrissene Figuren mit einem vollgepackten Lebensrucksack, die ohne Halt und inneren Kompass nach Linderung suchen. Figuren, die rückblickend begreifen wollen, was kaum zu begreifen ist: Krieg, Flucht, Verrat, Gewalt an Leib und Seele, Heimatlosigkeit. Es sind jene Themen, die uns mit Blick auf das schreckliche Geschehen in der Ukraine aktueller denn je zuvor erscheinen.“

Alois Hotschnig, 1959 in Kärnten geboren, kam zum Studium nach Innsbruck, widmete sich aber bald ganz seiner schriftstellerischen Tätigkeit. 1989 erschien seine erste Erzählung „Aus“. Hotschnigs Romane und Erzählungen wurden von der Kritik hochgeschätzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Anna-Seghers-Preis der Berliner Akademie der Bildenden Künste, der Erich-Fried-Preis und der Gert-Jonke-Preis. Der jüngste Roman, „Der Silberfuchs meiner Mutter“, erschien 2021.

„Der aktuelle Roman von Alois Hotschnig ‚Der Silberfuchs meiner Mutterʹ hat mich persönlich sehr beeindruckt“, so Dr. Nadine Bilke, die Programmdirektorin des ZDF. „Es ist die Geschichte einer Mutter im Zweiten Weltkrieg, die aus der interessanten Perspektive ihres Sohnes rekonstruiert wird. Dabei entsteht das Bild eines Frauenschicksals zwischen Gewalt, Verrat und Verantwortung für ein Kind. Diese bislang wenig gehörten Geschichten von Frauen im Krieg, von weiblichen Schicksalen in gewalttätigen Zeiten, erzählt Alois Hotschnig mit besonderer stilistischer Eleganz.“

In seiner Laudatio auf den neuen Mainzer Stadtschreiber sagte der Autor und Verleger Ilija Trojanow: „Alois Hotschnig gelingt es nicht nur, uns zu zeigen, wie zerbrechlich Sprache sein kann, sondern sie so zu behandeln, dass wir die Brüchigkeit des Lebens einerseits spüren und andererseits uns zugleich aufgehoben fühlen in der fragilen Zuverlässigkeit seines Erzählens.“