Kategorie-Archiv: DFF

75 Jahre DFF / 40 Jahre Deutsches Filmmuseum – DFF feiert an drei Tagen der Offenen Tür sein Jubiläum – 7. bis 9. Juni 2024

Deutsches Filmmuseum © Foto Diether von Goddenthow
Deutsches Filmmuseum © Foto Diether von Goddenthow

2024 ist ein ganz besonderes Jahr für das DFF. Das Haus am Schaumainkai feiert nicht nur den 40. Jahrestag der Eröffnung des Deutschen Filmmuseums (am 7. Juni 1984); es schaut außerdem stolz auf 75 Jahre DFF insgesamt zurück. Denn am 13. April 1949 wurde das Deutsche Institut für Filmkunde (DIF) in Wiesbaden gegründet, aus dem später das Deutsche Filminstitut und inzwischen das DFF mit dem integrierten Filmmuseum und dem Kino des DFF wurde.

Sein langjähriges Bestehen feiert das DFF mit drei Tagen der Offenen Tür für die ganze Familie und vielerlei Aktivitäten für alle Interessierten am Wochenende, 7. bis 9. Juni. An allen drei Tagen gilt von 11 bis 18 Uhr freier Eintritt im Museum, eine Tombola lockt mit attraktiven Gewinnen und ein Foodtruck bietet leckere Snacks. Am Samstag- und Sonntagnachmittag offeriert das Haus kostenfreie spannende Laterna-Magica-Vorführungen sowie eine Lesung im Kino des DFF.

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Das Festprogramm:

Freitag, 7. Juni
11 bis 18 Uhr:
– Freier Eintritt im Museum, Programmangebote sind im Eintrittspreis enthalten
– Fotoausstellung mit prominenten DFF-Gästen, Kinofoyer
– Leseecke mit Ausstellungskatalogen aus 40 Jahren Filmmuseum, Kinofoyer
– Dauerausstellung: Erkundung des Projekts Constellation 2.0, das den Museumsbesuch in den digitalen Raum erweitert

Samstag, 8. Juni
11 bis 18 Uhr:
– Freier Eintritt im Museum, Programmangebote sind im Eintrittspreis enthalten
– Fotoausstellung mit prominenten DFF-Gästen, Kinofoyer
– Leseecke mit Ausstellungskatalogen aus 40 Jahren Filmmuseum, Kinofoyer
– Dauerausstellung: Erkundung des Projekts Constellation 2.0, das den Museumsbesuch in den digitalen Raum erweitert
13, 15 und 17 Uhr:
– Führung durch die Dauerausstellung
14 Uhr:
– Frühe Filme aus Frankfurt am Main von 1896 bis 1936 im Kino des DFF, moderiert von Alexandra Nagel
16 Uhr:
– Laterna-Magica-Vorführung für die ganze Familie im Kino des DFF
18 Uhr:
– Laterna-Magica-Vorführung für die ganze Familie im Kino des DFF
14 bis 18 Uhr:
– Besucher:innen beamen sich im Filmstudio im 4.OG in ihren Lieblingsfilm oder gleiten auf einem fliegenden Teppich durch die Frankfurter Skyline

Kostenpflichtige Kinovorführung um 20 Uhr:
AND THE KING SAYS, WHAT A FANTASTIC MACHINE (Schweden/Dänemark 2023, R: Axel Danielson, Maximilien Van Aertryc, 88 Min.)
Von der Geburt der Camera Obscura bis zur Vorführung des ersten bewegten Bildes und von der Erfindung der Webcam bis zum ersten viralen Video verfolgt die witzige und zum Nachdenken anregende Dokumentation den Aufstieg der Bildkultur, wie wir sie kennen.

Sonntag, 9. Juni
11 bis 18 Uhr:
– Freier Eintritt im Museum, Programmangebote sind im Eintrittspreis enthalten
– Fotoausstellung mit prominenten DFF-Gästen, Kinofoyer
– Leseecke mit Ausstellungskatalogen aus 40 Jahren Filmmuseum, Kinofoyer
– Dauerausstellung: Erkundung des Projekts Constellation 2.0, das den Museumsbesuch in den digitalen Raum erweitert
13, 15 und 17 Uhr:
– Führung durch die Dauerausstellung
14 Uhr:
– Frühe Filme aus Frankfurt am Main von 1896 bis 1936 im Kino des DFF, moderiert von Alexandra Nagel
15 Uhr: (ca 1 Stunde)
Interaktiv für Kinder: Zauberhafte Geschichten mit der Laterna Magica
16:30 Uhr:
– „Mit Wolkenkratzer und Handtasche“: Stephan Ahrens präsentiert sein Buch, in dem er sich mit der Geschichte der Filmmuseen auseinandersetzt
Dazu läuft der Film WAS GESCHAH WIRKLICH ZWISCHEN DEN BILDERN (BRD 1985 R: Werner Nekes, 83 Min.)
14 bis 18 Uhr:
Besucher:innen beamen sich im Filmstudio im 4.OG in ihren Lieblingsfilm oder gleiten auf einem fliegenden Teppich durch die Frankfurter Skyline

Das Festprogramm endet am Sonntag, 9. Juni, um 18 Uhr.

Corinna Harfouch zu Gast am Sonntag, 9. Juni, um 19 Uhr im Kino des DFF
Um 19 Uhr erwartet das Kinoteam des DFF in der Reihe „Was tut sich… im deutschen Film?“ die Schauspielerin Corinna Harfouch, die ihren neuesten Film STERBEN (DE 2024, R: Matthias Glasner) vorstellen wird (kostenpflichtig).

Die Geschichte des DFF

Die Institution, die heute als DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum bekannt ist, ging aus einer Reihe von Fusionen hervor, die in eine große Organisation mit sieben Standorten und rund 200 Mitarbeiter:innen (Freelancer, studentische Aushilfen und Praktikant:innen inklusive) mündete. Die Ursprünge des DFF liegen in der Gründung des Deutschen Instituts für Filmkunde (DIF) in Wiesbaden am 13. April 1949, das damit die älteste filmhistorische Institution in Deutschland ist. Eine kritische Biographie des Institutsgründers Hanns Wilhelm Lavies, der in den späten 1930er Jahren mit der Ufa-Lehrschau in Verbindung stand und höchstwahrscheinlich Mitglied der NSDAP war, ist das Thema eines aktuellen Forschungsprojekts des DFF. Von Anfang an konzentrierte sich die Sammeltätigkeit der Institution auf das Filmarchiv (anfangs ca. 1.000 Kopien, heute rund 31.000) sowie auf Bücher, Zeitschriften, Presseausschnitte, Filmprogramme, Zensurunterlagen und andere Papiermaterialien. Schon bei seiner Gründung betonte das DIF sein Ziel, als Dienstleister für die wissenschaftliche Nutzung zu fungieren. Von der ehemaligen Dokumentations- und Informationsabteilung des DIF führt eine direkte Linie zu den heutigen öffentlich zugänglichen, datenbankgestützten Online-Projekten.

Das Museum

(Text basiert auf dem Artikel „Staying Relevant in a Changing World – The DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum at 70“ aus dem FIAF Journal of Film Preservation #102 vom April 2020)
(Text basiert auf dem Artikel „Staying Relevant in a Changing World – The DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum at 70“ aus dem FIAF Journal of Film Preservation #102 vom April 2020)

1976 erwarb die Stadt Frankfurt am Main das Archiv für Filmkunde des lokalen Filmsammlers Paul Sauerlaender. Es handelte sich dabei um eine der größten deutschen Sammlungen zur Filmgeschichte, die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg von privater Hand zusammengetragen wurde: Die Filmkopien, Fotos und Plakate, die Ausrüstung und eine einzigartige Sammlung von Stummfilmmusik wurden zunächst Teil des Historischen Museums der Stadt, da es damals noch kein Filmmuseum gab. Der Erfolg des 1971 gegründeten Kommunalen Kinos und der Reichtum der Sammlung Sauerlaender nährten den Wunsch des einflussreichen und fortschrittlichen Kulturpolitikers Hilmar Hoffmann, in Frankfurt ein Filmmuseum einzurichten. Das Deutsche Filmmuseum wurde am 7. Juni 1984 eröffnet und ermöglichte sowohl der Fachwelt als auch der interessierten Öffentlichkeit eine in der Bundesrepublik damals einzigartige Auseinandersetzung mit dem Film, seiner Geschichte und Gegenwart, seiner Theorie und Ästhetik. Die Dauerausstellung des Museums befasste sich auf zwei Etagen umfassend mit der Vielfalt der internationalen Bildmedien vom 18. und 19. Jahrhundert bis zur Erfindung des Films, aber auch mit der ästhetischen Form, Funktion und Wirkung, die der Film als Kunstform erzielt (zwei programmatische Schwerpunkte, die das Museum auch nach der großen Erneuerung im Jahr 2011, bei der das architektonische Interieur, die Infrastruktur und die Ausstellungskonzepte komplett modernisiert wurden, beibehalten hat). In seinen Sonderausstellungen griff das Museum eine Vielzahl von Einzelaspekten der Filmgeschichte auf, präsentierte deutsche und internationale Filmgeschichte in biografischen oder thematischen Ausstellungen und stellte seinen Sammlungsschwerpunkt Neuer Deutscher Film vor.

 Das Kino

Bis heute ist das Kino des DFF seinem Gründungsgedanken als Kommunales Kino (Eröffnung 1971) treu geblieben: Jedes Jahr gibt es rund 900 Filmvorführungen, zahlreichen Besuche von Filmemacher:innen, die ihre Werke in moderierten Filmgesprächen diskutieren, wobei die Filme stets in der Originalsprache und so nah am Originalformat wie möglich gezeigt werden.

Der Zusammenschluss

Das Kommunale Kino war bei der Eröffnung des Museums, 1984, in dessen Gebäude eingezogen, ebenso wie das privat-öffentliche DIF, das einen Teil seiner zentralen Abteilungen aus Wiesbaden unter das Dach des Frankfurter Museums verlegte. Nach einer heftigen Diskussion über eine mögliche Schließung des Kinos (Kultur gegen Wirtschaftlichkeit) übernahm das Museum 1993 das Kino – und rettete es damit. In der Folgezeit, mit einer Reihe von Parallelstrukturen, lag der Gedanke an eine formale Zusammenführung von DIF und Filmmuseum immer näher. Doch erst 2006 wurde das Filmmuseum nach jahrelangen Debatten und Verhandlungen in das personell und finanziell kleinere, aber flexiblere DIF integriert.

Die Vorteile des Zusammenschlusses lagen auf der Hand: eine Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen, die vielseitige filmhistorische Projekte und Kooperationen ermöglichte.

Das DFF hat sich längst zu einem nationalen Vorreiter in der Filmdigitalisierung und Filmbildung, bei Datenmanagement und digitalen Projekten entwickelt (etwa auch als Betreiber von filmportal.de, der zentralen Plattform für filmografische Daten zum deutschen Film). Als Teilnehmer des 360-Grad-Projekts der Kulturstiftung des Bundes arbeitet das DFF seit 2020 intensiv daran, sich noch diverser aufzustellen und neue Zielgruppen zu erschließen. Im Projekt Constellation 2.0, erweitert sich das Museum gerade in den digitalen Raum und knüpft virtuelle Storylines in seine Sammlungen und diejenigen des acmi-Museums in Melbourne, Australien.

Die Ausstellungen und öffentlichen Angebote des DFF locken jährlich 200.000 Besucher aus der Region und der ganzen Welt in das Museum, und Wanderausstellungen wie „Stanley Kubrick“ wurden von mehr als zwei Millionen Besucher:innen weltweit gesehen. Die Online-Angebote des DFF, darunter virtuelle Ausstellungen, Streaming-Inhalte, Podcasts und Websites der Filmvermittlung haben rund eine Million Besucher:innen (Seitenaufrufe) pro Jahr.

Weitere Infos zur Geschichte des DFF hier

Loriot zum Hundertsten – Filmreihe im Oktober und November im Deutschen Filmmuseum (DFF) Frankfurt

Plakat zu  LORIOTS GROSSE TRICKFILMREVUE (DE 2023. R: Peter Geyer, Loriot)
Plakat zu LORIOTS GROSSE TRICKFILMREVUE (DE 2023. R: Peter Geyer, Loriot)

Anlässlich seines 100. Geburtstages in diesem Jahr ehrt das Kino des DFF Loriot mit einer Filmreihe. Wie kaum ein anderer Humorist prägte Loriot – bürgerlich Vicco von Bülow – die deutsche Fernsehgeschichte. Der Karikaturist etablierte sich darüber hinaus mit seinen Kinofilmen ÖDIPUSSI und PAPPA ANTE PORTAS (DE 1991) als Autor, Regisseur und Schauspieler. Die beiden Spielfilme sowie eine Trickfilmkompilation mit 31 beliebten Animationsfilmen werden im Oktober und November im Kino des DFF gezeigt. Die Filmreihe Loriot zum Hundertsten findet in Kooperation mit dem Caricatura Museum Frankfurt statt, das den Humoristen mit der Ausstellung Ach was! (bis 25. Februar 2024) würdigt.

Karten und weitere Informationen

Mit Loriot-Kinoticket gilt ermäßigter Eintritt zur Caricatura-Ausstellung und umgekehrt.

ÖDIPUSSI (BRD 1988. R: Loriot)
ÖDIPUSSI (BRD 1988. R: Loriot)

Mittwoch, 18. Oktober 2023, 20:30 Uhr | Samstag, 28. Oktober, 20:30 Uhr
ÖDIPUSSI
BRD 1988. R: Loriot
D: Loriot, Evelyn Hamann, Katharina Brauren. 88 Min. 35mm

Paul Winkelmann leitet zwar das familieneigene Möbel- und Dekorationsgeschäft, doch der 56-Jährige lebt noch immer bei seiner überaus rüstigen und dominanten Mutter, die ihn nach wie vor bei seinem Kosenamen „Pussi“ ruft. In der alleinstehenden Psychologin Margarethe lernt Paul eines Tages sein ideales weibliches Gegenstück kennen, was die eifersüchtige Mutter auf den Plan ruft. In Loriots ersten Spielfilm ist die Geschichte des Muttersöhnchens Aufhänger für weitgehend selbständige Kabinettstückchen des Humors, die mit Einfallsreichtum und bis ins kleinste Detail präzise ausgeführten Gags bestechen.

LORIOTS GROSSE TRICKFILMREVUE (DE 2023. R: Peter Geyer, Loriot)
LORIOTS GROSSE TRICKFILMREVUE (DE 2023. R: Peter Geyer, Loriot)

Samstag, 21. Oktober 2023, 20:30 Uhr | Sonntag, 29. Oktober, 20:30 Uhr
LORIOTS GROSSE TRICKFILMREVUE
Deutschland 2023. R: Peter Geyer, Loriot
Animationsfilm. 79 Min. DCP

Der bei der Berlinale präsentierte Kompilationsfilm versammelt 31 geliebte Trickfilme, die zwischen 1967 und 1993 ursprünglich für das Fernsehen gemacht wurden und von Loriots einzigartigem Humor zeugen, der durch sein exaktes Timing und seine künstlerische Vielseitigkeit besticht. Die Eigenwilligkeit seiner Zeichnungen und die originellen, hintersinnigen, mitunter bissigen Inhalte haben dabei auch einen erstaunlich zeitlosen politischen Reiz.

PAPPA ANTE PORTAS (DE 1991. R: Loriot)
PAPPA ANTE PORTAS (DE 1991. R: Loriot)

Donnerstag, 16. November 2023, 20:30 Uhr | Dienstag, 21. November, 18 Uhr
PAPPA ANTE PORTAS
Deutschland 1991. R: Loriot
D: Loriot, Evelyn Hamann, Gerrit Schmidt-Foß. 89 Min. 35mm

Heinrich Lohse, Abteilungsleiter der Deutschen Rohrwerke, beendet sein mit preußischer Präzision geführtes Berufsleben, um die freigesetzten Organisationskapazitäten nun ganz dem familiären Haushalt zu widmen. Gattin Renate zeigt sich wenig erfreut von seinem eigenwilligen Aktionismus, und der nahende 80. Geburtstag der Schwiegermutter macht alles nicht einfacher… In seinem zweiten Kinofilm nimmt sich Loriot die Schwierigkeiten und Schrullen im Alltagsleben von Vorruheständlern und Rentnern vor – ein mit herrlichen Beobachtungen und Sketchen aufwartendes, pointiert-geistreiches Vergnügen.

Karten und weitere Informationen

„Volker Schlöndorff. Von Wiesbaden in die Welt“ ab 19. Mai 2023 im Bellevue-Saal – Filmreihe im Caligari, Murnau Filmtheater, DFF Ffm., Kom.-Kino Weiterstadt

Der dauerhafte Übergang der Archive der Regisseure Volker Schlöndorff und Reinhard Hauff sowie der Bioskop Film von Produzent Eberhard Junkersdorf  ans DFF, wird flankiert mit der biographischen Ausstellung und gleichnamigen Filmreihe "Volker Schlöndorff. Von Wiesbaden in die Welt". © Foto Diether von Goddenthow
Der dauerhafte Übergang der Archive der Regisseure Volker Schlöndorff und Reinhard Hauff sowie der Bioskop Film von Produzent Eberhard Junkersdorf ans DFF, wird flankiert mit der biographischen Ausstellung und gleichnamigen Filmreihe „Volker Schlöndorff. Von Wiesbaden in die Welt“. © Foto Diether von Goddenthow

Von Freitag, 19. Mai, bis Sonntag, 18. Juni, ist die Ausstellung mit Publikation und Filmreihe zu Leben und Werk des berühmten Filmemachers Volker Schlöndorff im Wiesbadener Kunstverein Bellevue-Saal, Wilhelmstraße 32, zu sehen. Die Filmreihe mit eigens von Volker Schlöndorff ausgewählten Filmen wird parallel zur Ausstellung in der Caligari FilmBühne, dem Murnau-Filmtheater, dem Kino des DFF sowie dem Kommunalen Kino Weiterstadt gezeigt.

Es freue ihn, dass die Eröffnung der Ausstellung „Volker Schlöndorff. Von Wiesbaden in die Welt“ noch in seine Amtszeit falle, so Axel Imholz, Wiesbadens scheidender Kulturdezernent, beim heutigen Pressegespräch im Caligari mit Volker Schlöndorff, Hans-Peter Reichmann, Ausstellungskurator, Ellen Harrington, Direktorin des Deutschen Filmmuseums DFF, und Claudia Scholtz, Geschäftsführerin Hessische Kulturstiftung.

Kulturdezernent Axel Imholz im Gespräch mit seinem Idol Volker Schlöndorf in der Caligari-Filmbühne, Links auf dem Tisch: Der  Ehrenpreis für herausragende Verdienste um den deutschen Film, den der Regisseur erst vor wenigen Tagen erhielt. © Foto Diether von Goddenthow
Kulturdezernent Axel Imholz im Gespräch mit seinem Idol Volker Schlöndorf in der Caligari-Filmbühne, Links auf dem Tisch: Der Ehrenpreis für herausragende Verdienste um den deutschen Film, den der Regisseur erst vor wenigen Tagen erhielt. © Foto Diether von Goddenthow

Im Deutschunterricht seien Max Frischs

„Homo Faber“ oder Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ natürlich Pflichtlektüren gewesen, aber der Regisseur Schlöndorff war ihm noch kein Begriff. Das habe sich schlagartig geändert mit Schlöndorffs Verfilmung von Günther Grass „Blechtrommel“, und seither sei er ein Schlöndorff-Fan geworden. Es sei ein Anliegen der Stadt Wiesbaden, mit der Ausstellung „Volker Schlöndorff. Von Wiesbaden in die Welt“, ergänzt durch den Begleitkatalog und der Filmreihe im Caligari,  Schlöndorffs persönlichen und künstlerischen Lebensweg zu erzählen.

Dieser führte den jungen Schlöndorff einst aus Wiesbaden weg, wo der Arztsohn seine ersten Filme gegen den erbitterten Widerstand seines Vaters gedreht hatte, „wofür ich ihm heute noch dankbar bin“, da er hierdurch gelernt hätte, sich durchzusetzen, was insbesondere in der internationalen Filmwelt nötig war, um sich behaupten zu können, so Schlöndorff. Er ging dann über Frankreich nach Hollywood. Mit 26 drehte Volker Schlöndorff bereits seinen ersten großen Spielfilm DER JUNGE TÖRLESS (BRD/Frankreich 1966), der am 20.05.2023, 17.30 Uhr in der Caligari Filmbühne gezeigt wird.

Elf Filme später erhielt er den Oscar® und die Goldene Palme für DIE BLECHTROMMEL (BRD/Frankreich 1979), am 28.08.2023, 17.00 Uhr im Caligari. Der Regisseur und Autor ist einer der herausragenden Vertreter des Neuen Deutschen Films, sein Werk ist geprägt von den großen Namen der Nouvelle Vague, mit denen er in seinen frühen Jahren in Paris zusammenarbeitete. In seiner Geburtsstadt wird nun in einer Ausstellung im Bellevue-Saal auf sein Leben und Werk geschaut, erklärt von ihm selbst per Video-Wand in Bild, Ton und Texten. Beeindruckende Exponate, Filmausschnitte, Fotografien und aussagestarke Schriftstücke geben Besucher:innen Gelegenheit, Schlöndorffs Schaffen in der vom Kulturamt der Landeshauptstadt Wiesbaden in Kooperation mit dem DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum veranstalteten Ausstellung (wieder) zu entdecken. Besonderes Highlight: Schlöndorff besuchte mit Kurator Hans-Peter Reichmann wichtige Stationen seiner Jugend und erinnerte sich an seine frühen Jahre und ersten Prägungen in seiner Heimatstadt. Daraus entstand eine Videoinstallation, die die Besucher:innen an diese Orte mitnimmt. Hierbei wird deutlich, wie eng Schlöndorff seiner Heimatstadt bei aller Weltläufigkeit kulturell und emotional verbunden blieb: „Ein Hessebub in der Welt“, sagt er selbst dazu.

Schlöndorffs Leben war stets geprägt von kreativem Austausch, etwa mit Margarethe von Trotta als CoRegisseurin und -Autorin bzw. Schauspielerin sowie dem Drehbuchautoren Jean-Claude Carrière. Bereits mit 22 Jahren war er Regieassistent in Frankreich bei Jean-Pierre Melville und Alain Resnais, zwei Jahre später bei Louis Malle. Begegnungen und die Zusammenarbeit mit Autoren wie Heinrich Böll, Max Frisch, Günter Grass, Arthur Miller, Regisseuren wie Fritz Lang, Ludwig Berger und Billy Wilder sowie den Schauspieler:innen Angela Winkler, Mario Adorf und Dustin Hoffman haben ihn geprägt.

Dabei steht Schlöndorff selbst zusammen mit seinen Regiekollegen Werner Herzog, Wim Wenders und Rainer Werner Fassbinder für den Neuen Deutschen Film: gesellschaftskritisch, persönlich und politisch engagiert. Geboren in die Generation des bundesrepublikanischen Nachkriegskinos verhalfen diese jungen Filmemacher:innen dem westdeutschen Spielfilm zu internationalem Ansehen.

Bereits 2014, zu Schlöndorffs 75. Geburtstag, kuratierte das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum eine virtuelle Ausstellung, die die Sammlung multimedial präsentiert [schloendorff.dff.film]. Dabei können sowohl Teile des Archivs in Bild- und Textform als auch zusätzliche Materialien wie Essays und Videointerviews, als medienpädagogische Ergänzung digital gesichtet werden. Dieser online verfügbare, digital aufbereitete Fundus wird nun mit ausgewählten Exponaten in der Ausstellung gezeigt.

Eine Filmreihe mit eigens von Volker Schlöndorff ausgewählten Filmen wird parallel zur Ausstellung in der Caligari FilmBühne und anderen Kinos der Region, unter anderem im Kino des DFF in Frankfurt, gezeigt. Dank der Förderung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain, der auch die Ausstellung unterstützt, rundet ein Katalog das Projekt ab.

Die Archive von Volker Schlöndorff, Reinhard Hauff und Eberhard Junkersdorf (Bioskop Film und Munich Animation)

Ausstellungsimpression "Volker Schlöndorff. Von Wiesbaden in die Welt" © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungsimpression „Volker Schlöndorff. Von Wiesbaden in die Welt“ © Foto Diether von Goddenthow

Die Eröffnung der Ausstellung in der Landeshauptstadt Wiesbaden ist für das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum ein besonders schöner Anlass, mitzuteilen, dass die drei Archive von Volker Schlöndorff, Reinhard Hauff sowie der Bioskop Film und Munich Animation von Eberhard Junkersdorf jetzt dauerhaft in den Besitz des DFF übergehen. Ermöglicht wurde das durch die Förderung der Hessischen Kulturstiftung, der Kulturstiftung der Länder, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und der Landeshauptstadt Wiesbaden.

Das frühe Schaffen dieser drei Filmemacher markiert die Aufbruchsjahre des deutschen Kinos: Als die Regisseure Volker Schlöndorff und Reinhard Hauff sowie der Produzent Eberhard Junkersdorf ihre ersten Filme drehten, begann Mitte der 1960er Jahre eine Phase künstlerischen Umbruchs in der Branche. Junge Filmschaffende forderten eine Abkehr von den ästhetischen, formalen, thematischen und ökonomischen Konventionen von „Papas Kino“, dem Kino der Nachkriegszeit, festgehalten im Oberhausener Manifest von 1962. Die gemeinsam von Schlöndorff, Hauff und Junkersdorf 1973 gegründete Bioskop Film GmbH gilt als eine der wichtigsten Produktionsfirmen dieser Erneuerungsbewegung, des sogenannten Jungen bzw. Neuen Deutschen Films. Bereits seit 1992 verwahrt das DFF (damals Deutsches Filmmuseum) die stetig aktualisierten Vorlässe von Volker Schlöndorff, Reinhard Hauff und das Produktionsarchiv der Bioskop Film sowie der Munich Animation als Deponat-Leihgaben und freut sich, diese nun dauerhaft in seinen Besitz übernehmen zu können.

Vornehmlich Dokumente aus dem Produktionsprozess und der Rezeption der Filme bilden das umfangreiche Archivmaterial der drei Sammlungen: Ideen-Skizzen, Exposés, Finanzierungspläne, Förderanträge, Regie-Drehbücher, Storyboards, Werkfotos, Standfotos, Dreh- und Mischpläne, Kleinrequisiten, Korrespondenz, Plakate, Pressehefte, Pressefotos, Kritiken, Preise und Urkunden. Fast 70 Regalmeter umfasst allein das Produktionsarchiv von Bioskop und Munich Animation.

Ausstellungsimpression "Volker Schlöndorff. Von Wiesbaden in die Welt" © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungsimpression „Volker Schlöndorff. Von Wiesbaden in die Welt“ © Foto Diether von Goddenthow

Mit 350 Archivboxen, vor allem aber hochinteressanten handschriftlichen Dokumenten wie seinen Produktionstagebüchern, steht der Vorlass von Oscarpreisträger Volker Schlöndorff im Zentrum der drei Sammlungen. Für Schlöndorff ist das Archiv sein Gedächtnis: Erzählen kann es viel, von der Kindheit in Wiesbaden und Schlangenbad, dem frühen Aufbruch als Schüler nach Paris, der Zusammenarbeit als junger Mann mit den wichtigsten Vertretern der Nouvelle Vague, seinen großen internationalen Erfolgen von DIE BLECHTROMMEL (1979) bis hin zu seinem jüngsten Film DER WALDMACHER (2021).

Schon früh arbeitete der 1938 geborene Eberhard Junkersdorf mit Volker Schlöndorff zusammen, dessen 1970 entstandenen Film DER PLÖTZLICHE REICHTUM DER ARMEN LEUTE VON KOMBACH er produzierte. Nach der Bioskop-Gründung 1973 verantwortete er als Geschäftsführer neben den Filmen Schlöndorffs und Hauffs auch Filme wie Herbert Achternbuschs DAS ANDECHSER GEFÜHL, Margarethe von Trottas DIE BLEIERNE ZEIT oder – in Co-Produktion – Louis Malles BLACK MOON. Ein Höhepunkt war 1979/80 der Erfolg von Schlöndorffs Grass-Verfilmung DIE BLECHTROMMEL. 1995 gründete Junkersdorf das Zeichentrick-Studio Munich Animation, wo unter seiner Regie Filme wie DIE FURCHTLOSEN VIER (1997) und TILL EULENSPIEGEL (2003) entstanden.

Der 1939 in Marburg geborene Reinhard Hauff und Mitgründer der Bioskop begann als Regisseur von Unterhaltungssendungen bei der Bavaria Atelier GmbH in München. Ende der 1960er Jahre drehte er seine ersten Kinofilme, später den auch international beachteten MATHIAS KNEISSL (1971) und DIE VERROHUNG DES FRANZ BLUM (1973) mit Jürgen Prochnow. MESSER IM KOPF (1978) mit Bruno Ganz in der Hauptrolle, DER MANN AUF DER MAUER (1982) mit Marius Müller-Westernhagen, der mit dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeichnete und kontrovers diskutierte STAMMHEIM (1986) sowie die Musical-Verfilmung LINIE 1 (1988) wurden weithin beachtete Werke Hauffs, der 1990 seinen letzten Film drehte und 1993 Leiter der Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB) wurde

Pressekonferenz in der der Caligari-Filmbühne. vli.: Axel Imholz, Kulturdezernent der Landeshauptstadt Wiesbaden, Ellen Harrington, Direktorin des Deutschen Filmmuseums DFF Frankfurt, Claudia Scholtz, Geschäftsführerin Hessische Kulturstiftung sowie Hans-Peter Reichmann, Ausstellungskurator.© Foto Diether von Goddenthow
Pressekonferenz in der der Caligari-Filmbühne. vli.: Axel Imholz, Kulturdezernent der Landeshauptstadt Wiesbaden, Ellen Harrington, Direktorin des Deutschen Filmmuseums DFF Frankfurt, Claudia Scholtz, Geschäftsführerin Hessische Kulturstiftung sowie Hans-Peter Reichmann, Ausstellungskurator.© Foto Diether von Goddenthow

„Ich bin sehr froh, dass wir diese wichtigen Sammlungen des deutschen Films nun langfristig für das DFF gesichert haben“, sagte DFF-Direktorin Ellen Harrington. „Untergebracht sind sie im DFF-Archivzentrum, das mit der nah gelegenen Goethe-Universität, mit der wir einen gemeinsamen Masterstudiengang anbieten, und der Deutschen Nationalbibliothek mit dem DFF-Bibliothek und -Textarchiv ein dynamisches Forschungscluster für Filmwissenschaftler:Innen im Herzen Frankfurts bildet. Ermöglicht wurde das durch die großzügige Unterstützung der Hessischen Kulturstiftung, der Kulturstiftung der Länder, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Stadt Wiesbaden. Ausstellung und Katalog werden darüber hinaus vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain gefördert. Dafür danke ich sehr herzlich.“

Ausstellung: Volker Schlöndorff. Von Wiesbaden in die Welt
vom 19.05. bis 18.06.2023
Di-Fr 11- 19 Uhr /Sa-So 10- 18 Uhr.

Ort:
Kunstverein Bellevue-Saal

Wilhelmstraße 32
65185 Wiesbaden
Eintritt frei

Filmreihe:
Caligari Filmbühne
DER PLÖTZLICHE REICHTUM DER ARMEN LEUTE VON KOMBACH (BRD 1971), 17.05.23
DIE FAUST IM NACKEN, 19.05.23
DER JUNGE TÖRLESS (BRD/FR 1966), 20.05.23
THE KID, 24.05.23
DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM (BRD 1975), 03.06.23
KATZELMACHER, 11.06.23
DIE FÄLSCHUNG, 15.06.23
DIE BLECHTROMMEL (BRD/FR 1979), 28.06.23
ARMEE IM SCHATTEN, 01.07.23
DIE STILLE NACH DEM SCHUSS (DE 2000), 12.07.23
LIEBE 1962 (ITA/FRA 1962), 19.07.23
RÜCKKEHR NACH MONTAUK (DEU/FRAG/IRL), 23.07.23

Murnau-Filmtheater
MISFITS – NICHT GESCHÄFTSFÄHIG (USA 1961), 25-05-23
HOMO FABER (BRD/FR/GR 1991), 10.06.23
DER WALDMACHER (DEU 2021), 15.07.23 u. 16.07.23

Kino des DFF Frankfurt
DIE FAUST IM NACKEN, 01.06.23, 04.06.23
ABEND DER GAUKLER, 07.06.23, 22.06.23
DER ERSTE LEHRER, 14.06.23
DAS IRRLICHT, 18.06.23
DIE BARFÜSSIGE GRÄFIN, 25.06.23, 27.06.23
NUR ZUM SPASS – NUR ZUM SPIEL. KALEIDOSKOP VALESKA GERT (BRD 1977), 29.06.23

Kommunales Kino Weiterstadt
DIE BLECHTROMMEL (BRD/FR 1979)

23. Ausgabe von goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films steht vor der Tür – vom 26. April bis 2. Mai 2023

goEast2023-logo-450Wiesbaden/Frankfurt, 04 April 2023. Nur noch drei Wochen bleiben bis zum Beginn der 23. Ausgabe des vom DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum veranstalteten goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films (26. April bis 02. Mai) in Wiesbaden und der umliegenden Region. Ein Teil des Programms wird in Zusammenarbeit mit dem VoD-Anbieter Filmwerte auch online zur Verfügung stehen.

Der goEast Eröffnungsfilm – AURORA’S SUNRISE
Die 23. Ausgabe von goEast eröffnet mit dem Film AURORA’S SUNRISE (Aurora – Star wider Willen, Armenien, Deutschland, Litauen 2022). Die Spurensuche von Regisseurin Inna Sahakyan führt uns in die 1910er Jahre zurück, als der grauenhafte Genozid an dem armenischen Volk verübt wurde. Die junge Armenierin Arshaluys Mardigian überlebte den Völkermord und schaffte die Überfahrt in die USA, wo sie ihre Autobiografie veröffentlichte. Das Buch wurde 1919 in Hollywood aufgegriffen, und unter dem Titel AUCTION OF SOULS verfilmt. Der Stummfilm erzählt den Überlebenskampf Arshaluys Mardigians und sie selbst spielt die Hauptrolle. Der Film war ein Box Office Hit, von dem leider nur Bruchstücke erhalten sind. Inna Sahakyan kombiniert dieses Archivmaterial mit Animationen, rekonstruiert die Geschichte und gedenkt den grauenhaften Ereignissen des Genozids am armenischen Volk, ein nach wie vor relevantes Thema.

Filme von Frauen über Frauen, Dramen, Dokumentarfilme,

Der goEast Eröffnungsfilm – AURORA’S SUNRISE (C) AURORA'S SUNRISE, INNA SAHAKYAN, 2022
Der goEast Eröffnungsfilm – AURORA’S SUNRISE (C) AURORA’S SUNRISE, INNA SAHAKYAN, 2022

Komödien und Porträts aus dem Osten und Mitte Europas – die ganze Vielfalt im goEast Wettbewerb
Das Herzstück des Festivals, der Wettbewerb, umfasst ein großes Programm und bietet dem breiten Publikum aus Wiesbaden und der Region die Chance, Höhepunkte des aktuellen mittel- und osteuropäischen Films näher kennenzulernen. Eine fünfköpfige internationale Jury vergibt drei Preise im Wert von insgesamt 21.500 Euro und die Jury der FIPRESCI vergibt zwei Preise der Internationalen Filmkritik. Besonders begehrt ist die mit 10.000 Euro dotierte „Goldene Lilie“ als Hauptpreis des Wettbewerbs von goEast. Die Landeshauptstadt Wiesbaden vergibt den Preis für die Beste Regie, der mit 7.500 Euro dotiert ist.

Nachdem bereits der Eröffnungsfilm ein Frauenschicksal von Frauenhand zeichnet, geht der Wettbewerb mit NOT A THING (Veszélyes lehet a fagyi, Ungarn, 2022) unter der Regie von Fanni Szilágyi los. Adèl und Evá sind eineiige Zwillinge, die sich in konträren Lebenssituationen befinden. Das angespannte geschwisterliche Verhältnis spitzt sich dramatisch zu. Das feministische Science-Fiction-Drama ORDINARY FAILURES (Běžná selhání, Tschechien, Ungarn, Italien, Slowakei, 2022) von Cristina Groșan bringt die Schicksale von drei Frauen kurz vor dem Ende der Welt zusammen. Bei REMEMBER TO BLINK (Per arti, Litauen, 2022) von Austėja Urbaitė handelt es sich um ein psychologisches Drama. Ein französisches Ehepaar beschließt vor der Adoption eines Geschwisterpaares aus Litauen, die litauische Studentin Gabriele einzustellen, um zu dolmetschen und die Eingewöhnung der Kinder zu unterstützen. Daraus entwickelt sich ein spannendes, psychologisch tiefgründiges Drama. Dramatisch und turbulent geht es auch in THE BEHEADING OF ST. JOHN THE BAPTIST (Usekovanje, Serbien, 2022) von Siniša Cvetić zu. Wo treffen UFOs, Paralleluniversen, Alkoholkonsum, Generationskonflikte und Drogen aufeinander? Bei einem Abendessen mit der ganzen Familie während der Pandemie im Elternhaus. Ein gesellschaftskritisches Drama ist auch Marko Šantićs WAKE ME (Zbudi me, Slowenien, Kroatien, Serbien, 2022). Nach einem Unfall leidet Rok unter einem temporären Gedächtnisverlust und erkennt selbst seine Freundin Rina nicht wieder. Nur an seine Heimatstadt und an sein ehemaliges Zuhause kann er sich erinnern. Nach einem wenig herzlichen Empfang dort setzt Rok langsam seine Vergangenheit wieder zusammen und erinnert sich an seinen xenophoben Freundeskreis, an Manipulation und Gewalt.

Das dokumentarische Gesellschaftsporträt MOTHERLAND (Mutterland, Schweden, Ukraine, Norwegen, 2022) unter der Regie von Alexander Mihalkovich und Hanna Badziaka aus Belarus wurde 2019 zum ersten Mal beim East-West Talent Lab gepitcht und gewann damals das Renovabis Recherchestipendium für Dokumentarfilme mit Menschenrechtebezug. Die Belarussin Svetlana glaubt nicht, dass ihr Sohn während seines Militärdienstes Suizid begannen hat, wie es offiziell heißt. Sie kämpft dafür, dass die Mörder ihres Sohnes zur Verantwortung gezogen werden und die brutalen Schikanen in der belarussischen Armee, denen ihr Sohn zum Opfer gefallen ist, enden. Wenig später beginnen die Proteste nach der Wiederwahl von Alexander Lukashenka und mit ihnen ihre brutale Niederschlagung durch die Staatsmacht. Im Coming-of-Age-in-War-Dokumentarfilm WE WILL NOT FADE AWAY (My ne zgasniemo, Ukraine, Frankreich, Polen, 2023) unter der Regie Alisa Kovalenkos wächst eine Gruppe Jugendlichen im Donbass auf. Der Lärm von Gewehrsalven gehört für die Freundesgruppe genauso zu ihrem Alltag wie die gewöhnliche Frage, was nach dem Schulabschluss folgt. Eine Frage mit einem besonders bitteren Beigeschmack, wenn die Perspektiven in der eigenen Heimat begrenzt sind und der Krieg vertraute Orte zerstört. Nicht zerstörbar sind ihre Hoffnungen und Träume. Alisa Kovalenko gewann mit ihrem Film HOME GAMES 2019 den Preis für kulturelle Vielfalt bei goEast.

Einen besonderen Platz im Wettbewerb haben zweizentralasiatische Filme. Gedächtnisverlust ist im Gesellschaftsporträt THIS IS WHAT I REMEMBER (Esimde, Kirgistan, Japan, Niederlande, Frankreich, 2022) des kirgisischen Altmeisters Aktan Arym Kubat Thema. Der vermisste Mann Zarlyk kehrt nach 20 Jahren Gastarbeit in Russland zurück nach Kirgisistan. Mit seiner Familie kann Zarlyk nichts anfangen, da er sein Gedächtnis verloren hat. Mit stoisch schweigender Miene macht er das, was ihm als einzige Erinnerung blieb – die Straßen des Dorfes von Müll zu befreien. Das Trauma der Gastarbeit, die gegensätzlichen Kräfte in einer postsowjetischen Dorfgemeinschaft und der Versuch, trotz aller Brüche wieder zueinanderzufinden, werden mit ruhiger Hand gezeichnet. Regisseur und goEast-Stammgast Adilkhan Yerzhanov nimmt uns mit seinem Rachewestern GOLIATH (Kasachstan, 2022) erneut mit nach Karatas: das Dorf im kasachischen Middle-of-Nowhere, wo bereits viele von Yerzhanovs vorherigen Filmen spielten. Dort herrscht der skrupellose Gangsterboss Poshaev. Yerzhanovs Neuerzählung des „David gegen Goliath“-Topos entfaltet sich bedächtig und mit Blick auf das Universelle.

Der Genrefilm ist nicht nur durch Adilkhan Yerzhanov, sondern auch durch den ukrainischen Film noir LA PALISIADA (Ukraine, 2023) von Philip Sotnychenko vertreten. Er erzählt die Geschichte von Aisel und Kiril, die Mitte der 1990er Jahre innerhalb starker patriarchalischer Strukturen aufwachsen. Die Väter, beides Polizisten, ermitteln in einem Mordfall. Doch um der Öffentlichkeit einen Täter präsentieren zu können, überschreiten die Ermittler das Gesetz. Der Verschwörungsthriller TRAIL OF THE BEAST (Trag divljači, Serbien, 2022) von Nenad Pavlović spielt 1979 in Belgrad. Der angehende Journalist Jugoslav Bucilo beginnt im Fall des als vermisst geltenden ehemaligen Studentenführers Aljoša Josić Nachforschungen anzustellen. Im Zuge dessen wird er in einen Mordfall verwickelt, in den nicht nur Aljoša, sondern auch sein Vater Blagoje – ein hoher Angestellter beim Geheimdienst, von Kultschauspieler Miki Manojlović verkörpert – verstrickt zu sein scheinen. Im Rahmen der diesjährigen Archivpräsentation zeigen wir in diesem Jahr auch einen Film von Nenad Pavlović‘ Vater Živojin FAREWELL UNTIL THE NEXT WAR (Nasvidenje v naslednji vojni, Jugoslawien, 1980). TRAIL OF THE BEAST ist auch eine Hommage an das Werk des Vaters.

Mit JANUARY (Janvāris, Lettland, Litauen, Polen, 2022) nimmt Regisseur Viesturs Kairišs das Publikum mit in das Baltikum im Jahr 1991, als die sowjetischen Spezialeinheiten im Einsatz sind und versuchen, das baltische Bestreben nach Unabhängigkeit zu unterdrücken. POLISH PRAYERS (Polnische Gebete, Schweiz, Polen, 2022), das Dokumentarfilmdebüt der Regisseurin Hanka Nobis, ist ein paradoxes Porträt. Vier Jahre lang begleitet sie Antek, der inmitten einer tiefreligiösen und konservativen Familie im heutigen Polen aufwächst. Katholizismus, Nationalismus und eine patriarchale Vorstellung von Männlichkeit bestimmen sein Leben. Aufgezeigt werden nicht nur die innere Zerrissenheit eines jungen Mannes, sondern auch die tiefe Spaltung der polnischen Gesellschaft. Der gewaltvolle Montagefilm MANIFESTO (Russland, 2022) von Angie Vinchito (ein Künstler:innenpseudonym, um die Identität des russischen Filmschaffenden zu schützen) zeigt Gewalt im Schulsystem und im Alltag im gegenwärtigen Russland, aus der Perspektive von Schulkindern und Jugendlichen. Der aus Youtube- und Handyvideos zusammengesetzte Film veranschaulicht eine systematische Brutalität gegen junge Menschen.

Der magisch-realistische FLOTACIJA (Serbien, 2023) feiert in Wiesbaden seine internationale Premiere. Im ostserbischen Majdanpek lässt Regieduo Alessandra Tatić und Eluned Zoë Aiano Magie und Wirtschaftskrise aufeinandertreffen. Auch FLOTACIJA begann seine Reise im Wiesbadener East-West Talent Lab.

Last but not least: In der brillanten Komödie PARADE (Paradas, Litauen, 2022) inszeniert Regisseur Titas Laucius ein gewieftes Match gegen das kirchliche Tribunal. Als Miglės Jugendblaskapelle für eine städtische Parade auserwählt wird, überschlagen sich im Leben der taffen Dirigentin die Ereignisse: ihre Tochter sorgt dafür, dass sich ein Junge mit der eigenen Trompete einen Zahn ausschlägt. Anschließend offenbart die Schülerin, dass sie sich statt der Musik lieber Capoeira widmen möchte. Zu guter Letzt informiert Miglės Ex-Mann die Familie noch über den Tod seiner Mutter, und bittet Miglė vor dem Gericht der katholischen Kirche, die Annullierung ihrer Ehe zu beantragen.

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Bioskop: Sehenswertes aus Mittel- und Osteuropa
Abseits des Wettbewerbsfiebers und Premierenzwangs stehen im Bioskop einzigartige Filmerlebnisse und Festivalhighlights auf dem Programm. Geboten wird ein weitgefächertes Spektrum aktueller mittel- und osteuropäischer Filmproduktionen in all ihrer künstlerischen wie inhaltlichen Breite – von diversen Genrefilmen bis hin zu experimentellen Werken. Im vielfach preisgekrönten MY LOVE AFFAIR WITH MARRIAGE (Lettland, USA, Luxemburg, 2022) erzählt Signe Baumane mit viel Humor und Gefühl in ihrem typischen Animationsstil persönlich und versöhnlich die Etappen der Emanzipation ihrer Protagonistin Zelma nach. Mit von der Partie ist Berlinale-Preisträger Radu Jude, ein altbekannter Gast bei goEast. Seine jüngsten Kurzfilme wurden nun erstmalig in einem CINEMA ALMANAC (Almanah Cinema: Șase filme scurte de Radu Jude, Rumänien, 2022) gesammelt, die sein breites Interesse an Themen- und Formenvielfalt widerspiegeln. THE HAMLET SYNDROME (Das Hamlet-Syndrom, Polen, Deutschland, 2022) von Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski begleitet die Theaterproben von fünf jungen Ukrainer:innen, die ihre Kriegserfahrungen in einer Neuinterpretation von Shakespeares „Hamlet” verarbeiten. Das Regieduo gibt bei goEast auch eine öffentliche Masterclass über ihr filmisches Schaffen. Das Familienporträt FRAGILE MEMORY (Ukraine, 2022) des Regisseurs Igor Ivankov führt in die filmische Vergangenheit seines Großvaters Leonid Burlaka ein, der als Kameramann am Odessa Filmstudio tätig war. Während Igor anhand der in der Garage gefundenen Filmrollen das Gesamtwerk seines Großvaters entdeckt, verblasst dessen Gedächtnis aufgrund seiner Demenzerkrankung immer mehr. Die psychologische Weihnachtsgroteske THE UNCLE (Stric, Kroatien, Serbien, 2022) von David Kapac und Andrija Mardešić spielt in Jugoslawien der späten 1980er Jahre. In der Titelrolle als fieser Onkel zu sehen: Miki Manojlović. Außerdem dabei ist ein wahrer Altmeister des Filmschaffens, Jerzy Skolimowski, mit seiner mitreißenden Hommage EO (IO, Polen, Italien, 2022) an Robert Bressons Klassiker BALTHASAR aus dem Jahr 1966.

Kurzfilmliebhabende

Aber auch für Kurzfilmliebhabende gibt es ein wildes Programm auf der großen Leinwand zu sehen: die Anarcho Shorts. „Live, laugh, love” lautet das diesjährige Motto, unter dem die bunten, unkonventionellen Filme präsentiert werden.

 

Am Tag der Arbeit hat goEast ein traditionelles Rhein-Kreuzfahrtschiff gemietet und lädt herzlich zu einer Schifffahrt mit Festivalgästen ein. Während die idyllischen Landschaften des Rheingaus am Schiff vorbeiziehen, werden kurze Lesungen und Poesie-Performances für intellektuelle Stimulation sorgen. Ausgewählte Filmemacher:innen werden aus den Werken ihrer Lieblingsautor:innen lesen, mit Übersetzung. Der Wiesbadener Schriftsteller Alexander Pfeiffer übernimmt die Moderation. Am 1. Mai um 13:30 Uhr ab Anlegestelle: Rheingaustraße 148, 65203 Wiesbaden-Biebrich.

Nachgefeiert werden müssen diverse Partys, die im Laufe der letzten dreieinhalb turbulenten, von Corona geprägten Jahre ausgefallen sind. Partystart ist mit dem goEast-Partykeller und DJ Janeck am 28. April um 23:00 Uhr in der neuen Location im Alten Gericht. Estonian Funk Embassy lässt am Samstag, 29. April um 22:30 das Kulturzentrum Schlachthof beben. Anknüpfend an das ungarisch-estnisches Space-Age-Animationsfilmprogramm sind der „Ambassador of Funk“ aka Henrik Ehte und sein Kollege Ingvar „Indo“ Kassuk nach Wiesbaden entsandt, um das Publikum mit Funk-, Soul-, Disco- und Jazz-Aufnahmen estnischer Künstler:innen aus den 70er und 80er Jahren das Publikum in einer Trance zu versetzen. Die Abschlussparty am 02. Mai steigt um 23:00 Uhr im Alten Gericht mit einer bunten Mischung aus Gypsy, Klezmer-Melodien und moderner Elektro-Rhythmen.

Informationen: goEast2023

DFF zeigt ab 29.März – Frauen und Geschlechtervielfalt im Kino der Moderne (1918 – 1933)

Szenenfoto WEGE ZU KRAFT UND SCHÖNHEIT (Wilhelm Prager, 1925) Quelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv
Szenenfoto WEGE ZU KRAFT UND SCHÖNHEIT (Wilhelm Prager, 1925) Quelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv

Bubikopf-Frisuren, luftige Chiffonkleider, extravagante Schuhkreationen und endlich Beinfreiheit – schon auf den ersten Blick sind die Veränderungen gewaltig, die die 1920er Jahre für das weibliche Geschlecht bringen. Zu den wichtigsten gehört die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen, die dazu beiträgt, Frauen auch im gesellschaftlichen Alltag präsenter werden zu lassen. Das zeigt sich auch im Kino der Zeit. Frauen beim und im Film der Weimarer Republik sind das Thema der Ausstellung WEIMAR WEIBLICH, die zudem untersucht, wie das Kino Geschlechterrollen und -verhältnisse insgesamt thematisiert.

Zum einen geht es darum, jene in allen Gewerken wirkenden Frauen ins Licht zu rücken, die die aufkommende Filmindustrie mit zum Blühen brachten – als Regisseurinnen, Drehbuchautorinnen, Kostüm- und Szenenbildnerinnen – und die heute vielfach vergessen sind. Zum anderen lotet die Ausstellung aus, wie das Kino der Weimarer Zeit Geschlechterfragen verhandelt, und dabei Themen wie körperliche Selbstbestimmung, Crossdressing und Homosexualität in den Fokus rückt. Die Ausstellung WEIMAR WEIBLICH wirft damit einen frischen Blick auf die deutsche Filmgeschichte der Jahre 1918 bis 1933. Vielen gilt diese Ära bis heute als „Goldenes Zeitalter“ der (deutschen) Kinematographie, weil sie überdurchschnittlich viele international anerkannte Klassiker hervorbrachte. Den Blick auf diese Klassiker des Weimarer Kinos zu beschränken, greift jedoch zu kurz. Das Filmschaffen jener Jahre ist von weit größerer Vielfalt geprägt: ästhetisch, inhaltlich, vor allem aber auch in Bezug auf diejenigen, die es schufen.

Frauen und Geschlechterfragen im Film
WW_1920x1080_03-300x169-450In der Eingangsszene von Ernst Lubitschs Film ICH MÖCHTE KEIN MANN SEIN (DE 1918) sitzt Ossi Oswalda mit Zigarette im Mund und überschwänglich lachend mit den Gärtnern am Tisch und knallt die Pokerkarten nur so auf die Platte. Wenige Filmsekunden bringen überdeutlich zum Ausdruck, dass das Ende des Ersten Weltkriegs eine neue Zeit eingeläutet hat: Die Frauen befreien sich aus ihren Korsetts, sie rauchen, trinken und pfeifen auf damenhaftes Benehmen. Im Film sind Frauen in Hosenrollen zu sehen. Sie verweigern die Heirat, küssen als Männer verkleidet Männer, oder verlieben sich in andere Frauen. Das Kino der Weimarer Republik zeigt anschaulich, dass Geschlechterrollen in jenen Jahren nicht in Stein gemeißelt, Geschlechterverhältnisse verhandelbar sind. In CYANKALI (DE 1930, R: Hans Tintner) ersteht eine Frau am Kiosk mit großer Selbstverständlichkeit eine Ausgabe der auch real existierenden Zeitschrift „Die Freundin. Magazin für lesbische Leserinnen“. In Leontine Sagans MÄDCHEN IN UNIFORM (DE 1931) verlieben sich die Elevinnen einer streng-preußischen Erziehungsanstalt reihenweise in ihre zugewandte Lehrerin Fräulein von Bernburg. Richard Oswalds ANDERS ALS DIE ANDERN (DE 1919) führt die grausamen Folgen des Homosexuellen-Paragrafen 175 vor Augen – und kämpft gegen ihn an. Auch Themen wie Prostitution und Schwangerschaftsabbrüche finden Eingang in die Filme der Weimarer Republik. Mit der kontrovers geführten Diskussion um die Abschaffung des Paragrafen 218 beschäftigen sich insbesondere weibliche Filmschaffende.

Damen in den Ewigen Gärten, Kostümbild von Aenne Willkomm METROPOLIS (Fritz Lang, 1927) Foto: Horst von Harbou Quelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv © Deutsche Kinemathek – Horst von Harbou
Damen in den Ewigen Gärten, Kostümbild von Aenne Willkomm METROPOLIS (Fritz Lang, 1927) Foto: Horst von Harbou Quelle: Deutsche Kinemathek – Fotoarchiv © Deutsche Kinemathek – Horst von Harbou

Im Ausstellungsteil „Frauen und Geschlechterfragen im Film“ wird deutlich, wie das Kino auf die einschneidenden sozialen Veränderungen der Zeit reagiert, wie es Partei ergreift in den Konflikten um das gesellschaftliche Selbstverständnis oder schlicht Unterhaltung bietet, um diesen zu entgehen. Geprägt vom Streben der Neuen Sachlichkeit nach Realismus in der Darstellung, sucht der Film nach neuen Erzählungen, innovativen Motiven und zeitgenössischen Figuren. Eine der wichtigsten: die Neue Frau, die ausgestattet mit einem pflegeleichten Bubikopf und bequemen, das Knie befreienden Hängekleidern, die neue Beinfreiheit nutzt, um ihr Leben selbstbewusst zu gestalten. Die in der Konfektion, als Telefonistin oder im Büro arbeitet und abends zum Tanz geht. Sie treibt Sport, denn sie legt Wert auf einen modulierten Körper. In der Mode wird die weibliche Silhouette zunehmend schlanker und knabenhafter – ein Ideal, das der Film vorantreibt. Als „Autlerin“ chauffiert sie ihren Wagen selbst, oder reüssiert gar als Rennfahrerin oder Fliegerin.

Kommen knallrot geschminkte Lippen, Zigarette, Hosenanzug und Zylinder zum Einsatz, signalisiert das unübersehbar ein neues weibliches Selbstbewusstsein und ein verändertes Verständnis von Sexualität und Gender. Die Übergänge zum auch weiterhin existierenden Typ des Vamps sind fließend – verkörpert etwa durch Marlene Dietrich in DER BLAUE ENGEL (DE 1930, R: Josef v. Sternberg) oder Brigitte Helm im Film ALRAUNE (DE 1928, R: Henrik Galeen sowie DE 1930, R: Richard Oswald), wird er als so sinnlich wie gefährlich empfunden.

Das Ausstellungskapitel bietet Fotografien, Setdesigns und Kostümentwürfe, Filmplakate und Zeitungsausschnitte. Originalkostüme (etwa von Marlene Dietrich) sind auf historischen Schaufensterpuppen zu sehen, die in Aussehen und Pose den damaligen Stars nachempfunden sind. Groß projizierte Ausschnitte aus zahlreichen Filmen geben Einblick in die filmische Vielfalt. An zwei Medienstationen können ausgewählte Themen weiter vertieft werden.

Frauen hinter der Kamera
Die legendäre expressionistische Filmarchitektur zu Paul Wegeners DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM (DE 1920)? Sie ist das gemeinschaftliche Werk des Künstlerpaares Hans Poelzig und Marlene Moeschke-Poelzig. Fritz Langs Klassiker DIE NIBELUNGEN (DE 1924) und METROPOLIS (DE 1927)? Sie stammen aus der Feder seiner damaligen Frau, Thea von Harbou, die die Drehbücher zu vielen „seiner“ Filme schrieb. Die Kostüme dazu schuf Aenne Willkomm. Lotte Reinigers Silhouettenfilm DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED? – Auch dies eine Pionierleistung: Der Film gilt als erster noch erhaltener abendfüllender Animationsfilm der Welt.

Während und nach dem Ersten Weltkrieg nutzen viele Frauen die sich auftuenden beruflichen Möglichkeiten in der wachsenden Filmindustrie, das macht der
Ausstellungsteil „Frauen in der Filmindustrie“ deutlich: Sie arbeiten im Kostüm- und Szenenbild, komponieren und schreiben Lieder für den Film, stellen als Grafikerinnen Filmplakate her und betätigen sich im Filmverleih. Produzentinnen, Regisseurinnen, vor allem aber Drehbuchautorinnen bedienen nahezu alle Genres und Themen. Die meisten von ihnen bleiben weitgehend unbekannt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Häufig müssen Frauen ihr Geschlecht tarnen, indem sie auf die Nennung ihrer Vornamen in den Filmcredits verzichten. Andere wiederum arbeiten unter männlichem oder genderneutralem Pseudonym. So stehen die Namen Hanns Torius, Dr. R. Portegg und Jan von der Kant etwa für die Drehbuchautorinnen Luise Heilborn Körbitz, Rosa Porten und Hermanna Barkhausen. Manch eine filmschaffende Frau verschwindet ganz einfach hinter dem „Genie“ des ebenfalls für den Film tätigen Ehegatten.

Darüber hinaus werden Frauen in den 1910er und -20er Jahren als arbeitsmarktpolitische Reservearmee behandelt, die je nach bevölkerungspolitischer Konjunkturlage eingesetzt oder vom Arbeitsmarkt verdrängt wird – auch beim Film. Auf männliche Geldgeber angewiesen, erfahren viele Frauen hohe Hürden und Benachteiligung bei der Bereitstellung finanzieller Mittel. Oftmals sind sie an Produktionen mit kleineren Budgets beteiligt. Eine männlich dominierte Filmkritik tendiert darüber hinaus dazu, das Filmschaffen der Frauen zu ignorieren. Für die meisten Frauen endet die Filmkarriere mit der Wirtschaftskrise Ende der 1920er oder spätestens Anfang der 1930er Jahre. Mit Beginn der NS-Diktatur 1933 kommt der Input von Frauen vollkommen zum Erliegen. Jüdischen Autorinnen wie Vicki Baum und Jane Bess werden in Deutschland Arbeits- und Lebensgrundlage entzogen. Die frauenfeindliche NS-Politik trifft aber auch viele andere. Karriere machen in dieser Zeit nur die Drehbuchautorin Thea von Harbou und die Regisseurin Leni Riefenstahl.

Die Ausstellung stellt eine Vielzahl weiblicher Filmemacherinnen aus verschiedenen Gewerken vor. Kurzbiographien und Exponate, Filmausschnitte, Audioaufnahmen und Filmkritiken gewähren Einblick in ihr vielfältiges Schaffen und geben einem weitgehend unbekannten Kapitel des Weimarer Kinos Gesicht und Stimme. Vorgestellt werden Irma von Cube (Drehbuch), Ilse Fehling (Kostüm), Margit Doppler (Plakatgrafik), Lotte Reiniger (Animation), Leontine Sagan (Regie) Ellen Richter (Produktion) und viele weitere Filmfrauen der Zeit.

Vier Frauen nimmt die Ausstellung dabei besonders in den Blick: die Dokumentarfilmerin Ella Bergmann-Michel, die Szenenbildnerin Marlene Moeschke-Poelzig, die Drehbuchautorin Jane Bess sowie Hanna Henning, die als Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin tätig war. Exemplarisch werden ihre Lebenswege und Karrieren sowie die Spuren, die sie in der Filmgeschichtsschreibung hinterlassen haben, untersucht.

Filmarchiv und Ausstellungsabteilung des DFF haben intensive Recherchen zum Werk von Jane Bess und Hanna Henning betrieben; das DFF kann in der Ausstellung nun eine Reihe neuer Erkenntnisse und Exponate zu den beiden Filmemacherinnen zeigen. Vom Filmarchiv restaurierte und digitalisierte Filme von Bess (2) und Henning (5) werden im umfangreichen Begleitprogramm zur Ausstellung im Kino des DFF gezeigt, in dem auch Klassiker und neue Entdeckungen zu sehen, sowie Vorträge und Sonderveranstaltungen während der Ausstellungsmonate geplant sind.
Als Filmkritikerinnen setzen sich Lotte Eisner und Lucy von Jacobi mit dem Medium selbst und seiner Wirkung auseinander. Sie hinterfragen die Sehnsüchte des Publikums und tragen zur Meinungsvielfalt bei. In der Ausstellung werden Ausschnitte aus einigen der von ihnen rezensierten Filme mit den zugehörigen Filmkritiken synchronisiert.

Ausstellungsansicht WEIMAR WEIBLICH Foto: Thomas Lemnitzer Quelle: DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
Ausstellungsansicht WEIMAR WEIBLICH Foto: Thomas Lemnitzer Quelle: DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum

Kino und Gesellschaft
Im Kino der Moderne betrachtet sich die Gesellschaft der Weimarer Republik selbst. Die Leinwand wird zum doppelten Spiegelbild, indem sie Alltagsthemen und -typen reflektiert und zugleich selbst zum Leitmedium aufsteigt, das Rollenvorbilder hervorbringt und Ideale setzt. Den unterschiedlichen Facetten dieser These ist der Ausstellungsteil „Kino und Gesellschaft“ gewidmet.

Kino, Stars und Fans: In den Jahren zwischen den Weltkriegen avanciert der Film zum Massenmedium. Die Zahl der Kinos verdoppelt sich in den zehn Jahren zwischen 1918 und 1928. In den Großstädten entstehen mondäne Kinopaläste: Mitte der 1920er Jahre strömen täglich etwa zwei Millionen Menschen in die Kinos – darunter viele Frauen.

Schon früh etabliert sich in Deutschland ein Starsystem, das eine lebendige Fankultur hervorbringt. Starpostkarten, Homestorys, Fotos von Autogrammstunden und Sammelobjekte zeugen davon. Sie werden für die Inszenierung und Vermarktung von Berühmtheiten wie Asta Nielsen, Henny Porten, Lilian Harvey oder Marlene Dietrich genutzt. Die Stars fungieren als Werbeträger und bieten als Vorbilder mit ihren unterschiedlichen Images vielfältige Möglichkeiten zur Identifikation. Passbildgroße Portraits, die in Selbstauslöse-Fotoautomaten entstehen – sogenannte Photomaton-Bilder – zeigen, wie das Publikum den Filmgrößen nacheifert.

Individuum und Typ: Eine Gegenüberstellung von Filmbildern und Fotografien aus der Serie Menschen des 20. Jahrhunderts von August Sander zeigt in diesem Ausstellungsteil bei beiden deutlich die Tendenz zur Typisierung. So bilden sich für „das proletarische Kind“, „die Künstlerin“ oder „die Bettlerin“ in Physiognomie, Kleidung und Haltung gewisse Stereotypen aus. Zu sehen sind außerdem Fotoportraits von Schauspieler:innen, die Hans G. Casparius Ende der 1920er Jahre an Filmsets aufnimmt, und die der zeitgenössische Kritiker Kenneth MacPherson 1930 so beschreibt: „Vertraute Gesichter, von ihm aufgenommen, werden zu charakteristischen Momenten der Zeit“.

Blick ins Private: Fotografien und Anekdoten, die vom Leben der Frauen in den Jahren 1918 bis 1933 erzählen, und die vornehmlich aus dem Rhein-Main-Gebiet stammen, bilden – ergänzend zu diesem Ausstellungsteil – den Vorspann zur Ausstellung im Ausstellungsfoyer. Zu den professionellen Fotografien unter anderem von Paul Wolff, Alfred Tritschler oder Ilse Bing aus dem Archiv des Historisches Museum Frankfurt gesellen sich Aufnahmen und Familiengeschichten, die dem DFF nach einem öffentlichen Aufruf von Privatpersonen zur Verfügung gestellt wurden. Die Suche nach historischen Zeugnissen und Familiengeschichten queerer Menschen gestaltet sich schwieriger, weil sie aufgrund von Diskriminierung und Verfolgung oftmals im Verborgenen lebten. Die Arbeit [anderkawer] 1928 der Künstlerin annette hollywood nimmt das Publikum mit auf detektivische Spurensuche.

Die Fotografien und Familiengeschichten sind eine Einladung an das Ausstellungspublikum, sich selbst auf Spurensuche zu begeben und nach Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen den in der Ausstellung gezeigten Filmbildern und den hier und in den eigenen Familienalben überlieferten Fotografien Ausschau zu halten. Über die gesamte Ausstellungsdauer hinweg besteht die Möglichkeit, eigene Familienerinnerungen zu teilen.

DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
Schaumainkai 41
60596 Frankfurt am Main
www.dff.film

Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 11:00 – 18:00

Das Programm des 45. LUCAS – Internationales Festival für junge Filmfans

Logo-PM450FRANKFURT, 7.9.2022. Das 45. LUCAS – Internationales Festival für junge Filmfans bringt vom 6. bis 13. Oktober ein vielfältiges Film- und Begleitprogramm nach Frankfurt, Offenbach und Wiesbaden. Im Kino des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, dem Cinéma, der Caligari FilmBühne in Wiesbaden sowie dem Offenbacher Kino im Hafen 2 können Kinder, Jugendliche und Erwachsene 63 Filme aus aller Welt sehen. Im Zentrum des Festivals stehen die zahlreichen partizipativen Angebote, bei denen junge Filmfans im Festivalgeschehen »Mitmischen!« können. Tickets sind bereits erhältlich, für Schulklassen, Kinder- und Jugendgruppen sind Buchungen ebenfalls möglich. Bis 30. September gilt für frühbuchende Gruppen ein rabattierter Ticketpreis von 3,50 Euro für jeden jungen Filmfan.

©  DFF Foto Oliver Leicht
© DFF Foto Oliver Leicht

„Erneut schafft LUCAS herausragende Kinoerlebnisse für ein junges Publikum und macht dabei vor, wie vielseitig Kino- und Filmerlebnisse schon für die Kleinsten sein können“, sagte Anna Schoeppe auf der heutigen Pressekonferenz im Kino des DFF. Die Geschäftsführerin von HessenFilm und Medien verwies auf die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen LUCAS und der hessischen Filmförderung, die in diesem Jahr durch ein gemeinsam veranstaltetes Branchenpanel ergänzt wird: „Bei dem Panel „Erzählen für junges Publikum – Perspektiven für mehr Teilhabe & Empowerment“ bringen wir Menschen an einen Tisch, die Geschichten für Kinder und Jugendliche abseits von Stereotypen erzählen. Mit diesem Anliegen sind wir im Programm von LUCAS wunderbar aufgehoben.“

Sybille Linke, Leiterin des Kulturamtes der Stadt Frankfurt am Main, unterstrich das große Engagement der Festivalmacher:innen, die Kindern und Jugendlichen die Auseinandersetzung mit „anspruchsvoller Filmkunst jenseits des Gewohnten ermöglichen, die den Blick für Toleranz und Zivilcourage schärfen und zu Fragen und Diskussionen anregen, anstatt fertige Antworten anzubieten.“ Mit zahlreichen Mitmach-Angeboten leiste LUCAS einen wichtigen Beitrag zu einer partizipativ gedachten kulturellen Bildung. Besonders freue sie sich auf die Fortsetzung der „Stadtteiljury“: „Bei diesem Projekt geht LUCAS ganz gezielt auf junge Menschen aus einzelnen Quartieren Frankfurts zu, um sie am Kulturleben der Stadt teilhaben zu lassen und in ihnen die Begeisterung für Filmkultur zu wecken“, so Linke.

©  DFF Foto Oliver Leicht
© DFF Foto Oliver Leicht

Adnan Shaikh, Bürgermeister der Stadt Eschborn, betonte, dass LUCAS mit seinen „künstlerisch aufregenden Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilmen nicht nur an Kinder und Jugendliche gerichtet ist, sondern allen Filmfans inspirierende Geschichten und herausfordernde Werke bietet.“ Die Nachbarstadt Frankfurts unterstützt LUCAS seit vielen Jahren und trägt damit bedeutend zum Kulturangebot für junge Menschen in der Rhein-Main-Region bei. Gerade für Schulen in ländlichen Regionen sei das Online-Angebot ein großer Pluspunkt. LUCAS-Streaming bietet Schulklassen, Kinder- und Jugendgruppen in diesem Jahr die Möglichkeit, die Kurzfilme des Wettbewerbs nach ihrer Kinopremiere bis zum 23. Dezember über die Streamingplattform DFF Kino+ abzurufen. Shaikh: „Ich freue mich, dass die Festivalmacherinnen und -macher hier am Puls der Zeit agieren und ein Angebot schaffen, das auch für Schulklassen in Frage kommt, für die der Weg nach Frankfurt zu weit ist.“ Insbesondere Kurzfilme würden sich für eine flexible Unterrichtsgestaltung sehr gut eignen, so der Bürgermeister der Stadt Eschborn.

Ellen Harrington, Direktorin des DFF, begrüßte ebenfalls das diesjährige Video-On-Demand-Angebot. Zugleich betonte sie, wie wichtig der Austausch zwischen Publikum und Filmschaffenden bei einem Festival ist. „Für richtige Festivalstimmung braucht es dieses besondere Erlebnis, wenn Filmschaffende vor und nach der Filmvorstellung auf der Bühne erscheinen, ihren Film präsentieren und Fragen beantworten“, so Harrington. Für junge Filmfans sei LUCAS eine seltene Gelegenheit, ganz persönliche Einblicke in die Entstehungsgeschichte von Filmen zu erhalten. Die DFF-Direktorin dankte außerdem den Projektfördernden: „Nur durch das Vertrauen, die Unterstützung und ein deutliches Bekenntnis unserer Partner:innen zur Filmkultur ist es uns möglich, heute hier zu stehen und die 45. LUCAS-Ausgabe der Öffentlichkeit zu präsentieren.“

Internationales Wettbewerbsprogramm

©  DFF Foto Oliver Leicht
© DFF Foto Oliver Leicht

Den Mittelpunkt des Festivals bilden die internationalen Wettbewerbe in drei verschiedenen Alterssektionen: 8+, 13+ und 16+ | Youngsters. 45 aktuelle Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilme aus aller Welt, darunter 32 Deutschlandpremieren, konkurrieren um die LUCAS-Preise im Gesamtwert von 21.000 Euro. LUCAS-Festivalleiterin Julia Fleißig erläuterte die Auswahl des Programms: „In den Filmen des Wettbewerbs reist das Publikum durch die Lebenswelten gleichaltriger Protagonist:innen quer über die Welt. Es sind Filme, die unter die Haut gehen und auch mal den Finger in die Wunde legen.“ Bei LUCAS treffen hochgelobte Coming-of-Age-Filme auf Komödien, Abenteuerfilme, Sozialdramen und beeindruckende Dokumentarfilme. Fleißig betonte, dass sowohl Kinder, Jugendliche als auch Erwachsene im Programm von LUCAS fündig werden. „Die Geschichten handeln von wütenden Mädchen, verliebten Jungs und Momenten voller Hoffnung und Angst, von Identität, Kinderarbeit oder Flucht – mal witzig, mal mystisch und stets aufwühlend“, so Fleißig.

Die Entscheidung über die Gewinnerfilme liegt in den Händen der Juror:innen. Die Jurys 8+ und 13+ sind paritätisch mit jungen Filmfans und Branchenprofis besetzt. Sie entscheiden über die Vergabe von fünf LUCAS-Preisen in den Wettbewerbssektionen 8+ und 13+. Eine Jury junger Filmenthusiast:innen aus Griechenland, Kroatien und Deutschland zeichnet einen Film der Sektion 16 + | Youngsters mit dem LUCAS Youngsters Award aus. Ein Teil der jungen Jurymitglieder war zur Pressekonferenz anwesend und tauschte sich in einer Fragerunde mit Julia Fleißig aus.

Der »Stadtteiljury« Award geht an einen Film aus dem Kurzfilmwettbewerb. Eine Jury der ECFA (European Children´s Film Association) vergibt wettbewerbsübergreifend den ECFA Award. Außerdem verleiht Cinema Without Borders seit 2018 einen Preis an einen Wettbewerbsfilm. Über den Publikumspreis entscheiden die Festivalbesucher:innen.

»Mitmischen!«

»Mitmischen!«: Junge Filmfans führen Filmgespräche mit internationalen Gästen. ©  DFF Foto Oliver Leicht
»Mitmischen!«: Junge Filmfans führen Filmgespräche mit internationalen Gästen. © DFF Foto Oliver Leicht

Mit dem partizipativen Filmbildungsangebot »Mitmischen!« bietet LUCAS jungen Menschen Raum und Zeit, die Welt des Films intensiver zu erleben, das Festival zu gestalten und noch tiefer bei LUCAS einzutauchen. Ob als Jurymitglied, Nachwuchskritiker:in, Moderator:in oder Programmkurator:in – auf Augenhöhe diskutieren sie mit Filmschaffenden, sammeln Wissen und erkunden gemeinsam, warum und wie das Geschehen auf der Leinwand uns Welten kennenlernen und fühlen lässt.

Bei »Filmgespräche vorab« befragen junge LUCAS-Teilnehmer:innen die internationalen Filmgäste zu ihren Filmen im Wettbewerb und machen neugierig auf die Filme. Die Interviews entstehen im speziell eingerichteten LUCAS-Studio und werden im Kabelprogramm des Offenen Kanal Rhein-Main (MOK), der Mediathek Hessen und auf der LUCAS-Webseite ausgestrahlt.

Zum zweiten Mal dabei ist die von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt geförderte »Stadtteiljury«. Junge Frankfurter:innen zwischen neun und 14 Jahren haben sich in Fechenheim im Selbstverwalteten Jugendzentrum für einen einwöchigen Workshop zusammengefunden und ihre Jurytätigkeit vorbereitet. Sie übten sich in der Analyse von Kurzfilmen, fairem Diskutieren sowie der multimedialen Aufbereitung von Filmkritiken, ob als Podcast oder Videobeitrag. Während der Festivalwoche küren sie einen Preisträgerfilm aus dem Kurzfilmwettbewerb.

»Filmpat:innen« gestalten auf kreative Art die Vorführung eines Films. Unterstützt von Filmvermittler:innen sichten und analysieren sie in der Gruppe ein Werk, gestalten Filmplakate, stellen Filmsequenzen nach, formulieren an die Handlung angelehnte Dialoge und bereichern somit das Filmerlebnis aller. Beim »Leinwandgespräch« können sich Gruppen und Schulklassen mit Filmschaffenden in einem Workshop austauschen und alles über die Herausforderungen einer Filmproduktion erfahren. Das »Kritikfenster« bietet den Teilnehmer:innen einen Workshop, bei dem sie das Handwerk einer guten Filmkritik erlernen können. Während der Festivalwoche sichten sie Wettbewerbsfilme und veröffentlichen ihre Ansichten tagesaktuell auf der LUCAS-Webseite.

Nebensektionen und Specials

Die »Young European Cinephiles« präsentieren MOMMY (CA 2014. R: Xavier Dolan), den diesjährigen Eröffnungsfilm von LUCAS.
Die »Young European Cinephiles« präsentieren MOMMY (CA 2014. R: Xavier Dolan), den diesjährigen Eröffnungsfilm von LUCAS.

Neben den Wettbewerbsfilmen stehen weitere 18 Filme in Nebensektionen und Specials auf dem Programm. Sechs Jugendliche aus Georgien, Deutschland und Italien – die diesjährigen »Young European Cinephiles« – präsentieren eine eigene Filmreihe zum Thema „Macht“. Die 6. Klasse der Frankfurter Schillerschule stellt als »Klassiker.Klasse« in Anlehnung an die aktuelle Sonderausstellung IM TIEFENRAUSCH. Film unter Wasser den Film WHALE RIDER (NZ/DE 2022. R: Niki Caro) vor. In begleitenden Workshops diskutiert die Schulklasse mit Expert:innen, inwieweit die im Film dargestellte Lebenswelt von Walen einem wissenschaftlichen Blick standhalten kann. Bei den »Minis« können die Allerjüngsten ab drei Jahren zwei Kurzfilmprogramme des Projekts „Cinemini on Tour“ bestaunen.

Das Filmprogramm wird durch drei Gast-Programme komplettiert: Das Youth Advisory Council des US-Generalkonsulats in Frankfurt zeigt auf Einladung von LUCAS und passend zur Sonderausstellung des DFF das Justizdrama DARK WATERS (US 2019. R: Todd Haynes), in dem verseuchtes Grundwasser in den USA eine Rolle spielt. 360°, das Diversitätsprojekt des DFF, präsentiert am Jahrestag der Frauensolidarität gegen die Taliban den Empowerment-Film LIFT LIKE A GIRL (EG/DE/DK 2020. R: Mayye Zayed). Der aus Frankfurter Jugendlichen mit und ohne Fluchterfahrung bestehende Filmclub Blickwechsel Jetzt! stellt den Film SIDEWALK STORIES (US 1989. R: Charles Lane) vor.

Bei einem Panel diskutieren Branchenexpert:innen, wie wir Geschichten ohne Stereotype erzählen können. ©  DFF Foto Oliver Leicht
Bei einem Panel diskutieren Branchenexpert:innen, wie wir Geschichten ohne Stereotype erzählen können. © DFF Foto Oliver Leicht

In Kooperation mit dem Festival „Politik im Freien Theater“ diskutieren Schulklassen bei LUCAS, wie sich Machtkritik in den unterschiedlichen Kunstformen Theater und Film formulieren lässt. Am Festivalsonntag bietet »LUCAS für Familien« freien Eintritt (bis 17 Uhr) für alle Familienmitglieder, sowohl im Kino des DFF als auch in der Dauer- und Sonderausstellung. Für Kinder aus der Ukraine bietet LUCAS die Komödie LUCY IST JETZT GANGSTER (DE 2022. R: Till Endemann) aus dem Wettbewerb 8+ zusätzlich zum deutschen Original mit ukrainischer Einsprache über Kopfhörer an. Am Festivalmittwoch präsentiert HessenFilm und Medien im Kino des DFF das Branchenpanel „Erzählen für junges Publikum – Perspektiven für mehr Teilhabe & Empowerment“.

Rabatt für frühbuchende Gruppen im Kino
Bis 30. September gilt für frühbuchende Gruppen ein rabattierter Ticketpreis von 3,50 Euro für jeden jungen Filmfan (ausgenommen: Caligari FilmBühne).

Tickets und Anmeldung via lucas-filmfestival.de
lucas-info@dff.film oder:  069 961 220 678

Plakate von Ferry Ahrlé gehen ans Deutsche Filmmuseum in Frankfurt

la-strada_1961aVier Jahre nach dem Tod des Malers, Zeichners und Autors Ferry Ahrlé, der im Alter von 93 Jahren in Frankfurt am Main gestorben ist, überlässt seine Witwe Sigrid Ahrlé den gesamten Nachlass der von ihm für deutsche Kinos entworfenen Filmplakate in Form einer Schenkung dem DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum. Hierbei handelt es sich um Ahrlés Plakate zu 60 Filmen, darunter zahlreiche Filmklassiker wie Federico Fellinis LA STRADA, Ingmar Bergmans WILDE ERDBEEREN sowie DAS SIEBENTE SIEGEL, Luis Buñuels VIRIDIANA oder Orson Welles‘ CITIZEN KANE. In der Schenkung enthalten sind darüber hinaus zahlreiche seiner Porträtzeichnungen von Filmgrößen wie Curd Jürgens, Hildegard Knef, Heinz Rühmann, Johannes Heesters und Peter Ustinov.

Sigrid Ahrlé überreichte dem Filmhistoriker Hans-Peter Reichmann und ehemaligen DFF-Sammlungsleiter die Werke, der sie stellvertretend für das DFF in Empfang nahm. Das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum wird ausgewählte Plakate dauerhaft in seinen Räumen präsentieren, zudem ist die Archivierung und Digitalisierung geplant. „Wir freuen uns sehr über diese Schenkung, die unser Plakatarchiv außerordentlich bereichert“, sagte DFF – Direktorin Ellen Harrington. „Ich danke Frau Sigrid Ahrlé ganz herzlich.“

„Ferry fühlte sich dem Filmmuseum immer verbunden, zumal sein Gründer, der ehemalige Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann, zu seinen engsten Freunden zählte“, informiert Sigrid Ahrlé. So war Hoffmann davon überzeugt, dass viele Filme durch die Plakate von Ferry Ahrlé in Deutschland ihr Publikum fanden. Sigrid Ahrlé freut sich, dass die Werke nunmehr an der richtigen Stelle sind, gut aufbewahrt werden und Filminteressierten zugänglich sind. Hans-Peter Reichmann, der den Künstler Ferry Ahrlé vor vielen Jahre kennen- und schätzen lernte, ergänzt: „Das sind alles grafische Juwele, insbesondere LA STRADA, CITIZEN KANE, aber auch JULES UND JIM sind wunderbare Plakate.“

Die Auswahl, welche Plakate dauerhaft ausgestellt werden, wird schwer, da ist sich Reichmann sicher. Doch auch auf der Website des DFF werden in Kürze einige zu sehen sein. „Ferry Ahrlés Filmplakate sind auf den ersten Blick zu erkennen“, betont Hans-Peter Reichmann. Ahrlé lernte 1956 in einer Frankfurter Bar zufällig den damaligen Werbeleiter von Constantin Film, Theo Hinz, kennen. Aus dieser Begegnung entstand eine erfolgreiche Zusammenarbeit, die zehn Jahre Bestand hatte. Theo Hinz war stets stolz, dass er Ferry Ahrlé und dessen grafisches Können für die Filmplakate entdeckte. „Durch Ahrlés unverwechselbaren Stil und seine künstlerische Kraft wurden diese Filme herausgehoben aus dem großen Kinoangebot.“

Ferry Ahrlé selbst sagte: „Ich habe immer versucht, meinen Plakaten filmischen Charakter und künstlerisches Niveau zu geben und auch das Atmosphärische eines Filmes plakativ, in einer Art Kurzform zum Ausdruck zu bringen.“ Wie sehr ihm das gelang, davon zeugt noch heute das Plakat zu dem Filmklassiker CITIZEN KANE. Auf dem Plakat erkennt man nur eine Hand, die nach dem Lorbeer, dem Ruhm, greift. Auch die gesamte Stimmung zu Ingmar Bergmans WILDE ERDBEEREN hat er mit Bild von zwei Sommerhüten, die auf einer Wiese liegen, einprägsam eingefangen.

Weitere Informationen unter www.fa-erry-ahrle.de

Mit der Verleihung des 4. Ehrenpreises an Anna Schudt startete in Wiesbaden das Fernsehkrimifestival

Gestern Abend wurde Anna Schudt der 4. Ehrenpreis des Deutschen FersehKrimi-Festivals in der Caligari-Filmbühne in Wiesbaden verliehen. In "Liebe mich" war Anna Schudt zum letzten Mal als Kommissarin Martina Bönisch an der Seite ihres Kollegen Jörg Hartmann als Hauptkommissar Peter Faber im Dortmunder "Tatort" zu sehen. Nach mehr als zehn Jahren und insgesamt 22 Einsätzen verabschiedet sie sich vom Ermittler-Team aus dem Ruhrgebiet. © Foto Diether v. Goddenthow
Gestern Abend wurde Anna Schudt der 4. Ehrenpreis des Deutschen FersehKrimi-Festivals in der Caligari-Filmbühne in Wiesbaden verliehen. In „Liebe mich“ war Anna Schudt zum letzten Mal als Kommissarin Martina Bönisch an der Seite ihres Kollegen Jörg Hartmann als Hauptkommissar Peter Faber im Dortmunder „Tatort“ zu sehen. Nach mehr als zehn Jahren und insgesamt 22 Einsätzen verabschiedet sie sich vom Ermittler-Team aus dem Ruhrgebiet. © Foto Diether v. Goddenthow

Traditionell mit der Verleihung des Ehrenpreises für besondere Verdienste um den deutschen Fernsehkrimi startete gestern Abend nach zweijähriger, coronabedingter Pause in der Wiesbadener Caligari FilmBühne das Deutsche FernsehKrimi-Festival mit der Verleihung des Ehrenpreises des Deutschen FernsehKrimi-Festivals.

Der Ehrenpreis des Deutschen FernsehKrimi-Festivals, der in diesem Jahr zum vierten Mal verliehen wurde, ging in diesem Jahr an die Schauspielerin Anna Schudt für ihre herausragende schauspielerische Leistung in der Rolle der Hauptkommissarin Martina Bönisch im Dortmunder „Tatort“.

Anna Schudt habe als „Tatort“-Kommissarin Martina Bönisch eine zu Herzen gehende moderne Frau verkörpert, wie sie selten im Fernsehen zu finden sei. Fast unbemerkt nahm sie ihre Rolle an und spielte sie doch enorm vielschichtig. In jedem „Tatort“ sei sie sich treu geblieben und hätte sich doch jedes Mal neu erfunden, so die Jury in ihrer Begründung.

Die Entscheidung für den 4. Ehrenpreis des Deutschen FernsehKrimi-Festivals sei lange vor Bekanntwerden des Ausstiegs Anna Schudts beim „Tatort“ Dortmund gefallen, unterstrich Festivalleiterin Cathrin Ehrlich, die neben Filmjournalist Knut Elstermann und der Mediendramaturgin, der ehemaligen Fernsehspielchefin des HR und Mitbegründerin des
Festivals Liane Jessen, zur Jury gehört.

Jörg Hartmann hielt eine sehr persönliche Laudatio und gestand, dass das Ausscheiden von Anna Schudt auch ein persönlicher Schock für ihn gewesen wäre. © Foto Diether v. Goddenthow
Jörg Hartmann hielt eine sehr persönliche Laudatio und gestand, dass das Ausscheiden von Anna Schudt auch ein persönlicher Schock für ihn gewesen wäre. © Foto Diether v. Goddenthow

Nach der Laudatio von Liane Jessen überreichte Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende den Ehrenpreis an die beliebte Schauspielerin. Schauspielkollege Jörg Hartmann, seit 10 Jahren als ermittelnder Hauptkommissar des Dortmunder-Tatortteams an ihrer Seite, ehrte seine mit ihm freundschaftlich  verbundene Kollegin mit sehr persönlichen Worten. Annas Ausscheiden sei für ihn auch ein persönlicher Schock gewesen. Dieser ‚Tatort‘ war vor allem auch eine zehnjährige wunderbare Reise mit Anna. „Ich hatte keine Idee, wie es weitergehen sollte“.

Im Anschluss wurde der „Tatort – Hydra“ (WDR) aus dem Jahr 2015 gezeigt, in dem Kommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt) und Hauptkommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) im Neonazi-Milieu, versuchen den Mord im Stahlwerk an Kai Fischer, dem Kopf der Dortmunder Szene, aufzuklären.

Der Ehrenpreis des Deutschen FernsehKrimi-Festivals für besondere Verdienste
um den Fernsehkrimi wird seit 2009 vergeben. Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehören neben Ulrike Folkerts, Matthias Brandt und Barbara Auer, der Regisseur und Drehbuchautor Eoin Moore.

goEast 2022 _ Gewinner:innen beim Festival des mittel- und osteuropäischen Films: Hauptpreis für VERA TRÄUMT VOM MEER // Beste Regie für SANFT

Archivbild © Diether v. Goddenthow
Archivbild © Diether v. Goddenthow

VERA TRÄUMT VOM MEER (VERA ANDRRON DETIN, Kosovo/ Albanien/ Nordmazedonien 2021, Regie: Kaltrina Krasniqi, Produzent: Shkumbin Istrefi) gewinnt die mit 10.000 Euro dotierte Goldene Lilie bei der 22. Ausgabe von goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films in Wiesbaden. In diesem Thriller muss sich Vera nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes den patriarchalen Gesellschaftsstrukturen stellen und um grundlegende Rechte kämpfen. Die internationale Jury unter dem Vorsitz von Jasna Đuričić begründete ihre Entscheidung wie folgt: „Die Goldene Lilie für den besten Film geht an einen Film über den Kampf einer Frau gegen eine primitive männliche Welt und eine heruntergekommene Männlichkeit, die leider immer noch an der Macht ist.“

Die Preisverleihung in der Caligari FilmBühne bildete den Abschluss einer ereignisreichen und emotionalen Festivalwoche bei goEast. Nach 7 Tagen voller Filmkunst, Virtual Reality, zahlreichen Diskussionen, Vorträgen und Ausstellungen, bei der 87 Filme gezeigt wurden und mehr als 200 Gäste aus der internationalen Filmbranche Wiesbaden besuchten, wurden die Siegerfilme des Wettbewerbs, aus dem East-West Talent Lab und dem Work-in-Progress-Wettbewerb für XR gekürt und Preise im Gesamtwert von 30.500 Euro verliehen.

Das Regieduo Anna Nemes und László Csuja gewann mit SANFT (SZELÍD, Ungarn/ Deutschland, 2022) den Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden für die Beste Regie, der mit 7.500 Euro dotiert ist. Im Zentrum des Films steht Bodybuilderin Edina, die für Miss Olympia trainiert und dabei zu vielen Opfern bereit ist. „Die Filmemacher:innen erzählen mit ihrem vielschichtigen filmischen Ansatz eine Geschichte, die sorgfältig auf Details achtet und so das Porträt einer Frau voller Würde erschafft. Eine Frau, die sich nach Anerkennung und Liebe sehnt.“, so die Jury.

TAUBES GESTEIN (TERYKONY, Ukraine 2022, Regie: Taras Tomenko) wurde mit dem von der Central and Eastern European Online Library neu ausgelobten CEEOL Preis für den besten Dokumentarfilm, der mit 4.000 Euro dotiert ist, ausgezeichnet. Der Dokumentarfilm wurde an der russisch-ukrainischen Front gedreht und fokussiert auf ein 14-jähriges Mädchen, das täglich inmitten der Schrecken des Kriegs lebt. Die Jury nennt den Film „ein Tribut an die jungen Menschen, die in den Ruinen unserer Welt leben.“

Mit einer lobenden Erwähnung wurde „ein Flüchtlings-Roadmovie, das uns daran erinnert, dass der Krieg überall ist“ ausgezeichnet: DER FALKE (STRAHINJA BANOVIć, Serbien/ Luxemburg/ Frankreich/ Bulgarien/ Litauen, 2021, Regie: Stefan Arsenijević)

Der Preis der Internationalen Filmkritik FIPRESCI in der Kategorie Spielfilm ging an PILGER (PILIGRIMAI, Litauen 2021, Regie: Laurynas Bareiša): „Der Preis der Internationalen Filmkritik für den Besten Spielfilm geht an einen komplexen Film, der auf vielen verschiedenen Ebenen funktioniert und in dem auf vielfältige Weise der aktuelle, schreckliche Krieg mitklingt. Er ist eine mutige Erkundung persönlicher Trauer und der verschiedenen Formen, die diese annehmen kann, außerdem zeigt er dezent, wie sich die Spuren von Gewalt für immer in eine Gemeinschaft einprägen. Gleichzeitig fesselt uns der Film recht unkonventionell als Kriminalfilm und Roadmovie.“

In der Kategorie Dokumentarfilm zeichnete die FIPRESCI-Jury, deren Mitglieder Senem Erdine, Konstanty Kuzma und Alik Shpilyuk waren, TAUBES GESTEIN (TERYKONY, Ukraine 2022, Regie: Taras Tomenko) aus: „Der Preis der Internationalen Filmkritik für den Besten Dokumentarfilm geht an einen Film, der uns auf allen Ebenen überzeugte: künstlerisch, kinematographisch, menschlich, persönlich und politisch. Wir möchten besonders auf die Fähigkeit des Filmemachers hinweisen die Protagonistin empathisch und respektvoll zu behandeln und gleichzeitig sanft und beschützend zu sein.“

Der Merck-Innovationspreis für XR, dotiert mit 3.500 Euro, wurde im Work-in-Progress-Wettbewerb mit 8 teilnehmenden Projekten durch eine Jury, bestehend aus Antoinette Engel, Paola Gazzani Marinelli und Alexandra Gérard an ARCTIC RECALL (Russland, Regie: Anna Tolkacheva) verliehen: „Wir denken, dass das Projekt umsetzbar und an einem wichtigen Punkt in der Produktion ist. Diese 6DoF-Experience wird eine ausgedehnte, poetische Fantasie der Arktis bieten und diesen Raum durch volumetrische Collage für Besucher:innen zugänglich machen. So macht es die dortige Kultur, die Menschen, die Landschaft und die aktuellen Probleme lebendig. In einer Region, in der Künstler:innen oft alleine arbeiten und sich außerhalb einfach zugänglicher Netzwerke befinden, ist dieser Preis um so wichtiger.” Eine lobende Erwähnung bekam das Projekt IF THESE STREETS COULD TALK (Ungarn, Regie: Barna Szász). „Die zeitgemäße, ortsbasierte, interaktive und dokumentarische AR-Experience erweckt die unsichtbare Geschichte von Budapests jüdischem Viertel zum Leben“, so die Jury.

Im East-West Talent Lab, das mit Unterstützung der Heinrich-Böll-Stiftung durchgeführt wurde, fand heute Vormittag der Project Market Pitch vor einer dreiköpfigen Jury, bestehend aus Dr. Catherine Colas, Vera Lacková und Alex Shiriaieff statt. Hier gewann das Projekt I DON’T WANT von Hanis Bagashov aus Nordmazedonien das Renovabis-Recherchestipendium (3.500 Euro) für dokumentarische Vorhaben zu den Themen Menschen- und Minderheitenrechte. „Das sehr intime Familienporträt enthält so problematische Themen wie Religion, Tradition und Ausgrenzung. Die Jury entschied sich einstimmtig, da es nicht nur das vielversprechendste Filmprojekte war, sondern auch der beste Pitch“, begründete die Jury ihre Entscheidung. Der mit 1.500 Euro dotierte Current Time TV Award (USA) ging ebenfalls an I DON’T WANT von Hanis Bagashov, in der Hoffnung, dass der Preis dem Film helfen würde sein verdientes Publikum zu erreichen, während der Pitch the doc-Award im Wert von 500 Euro dem vielversprechenden Sozialdrama ELENA IN DELEYNA (Bulgarien, Regie: Elena Stoycheva) verliehen wurde.

Die Wahl des goEast Medienpartners 3sat, der seit Beginn des Festivals in jedem Jahr den Ankauf für einen Film des Programms anbietet, fiel 2022 auf den Wettbewerbsfilm KLONDIKE (Ukraine/ Türkei, 2022, Regie: Maryna Er Gorbach). Die Jury von 3sat begründete Ihre Entscheidung folgendermaßen: „In ebenso eindringlichen wie vielschichtig komponierten Bildern, die an klassische Malerei und Western-Szenarien erinnern, erzählt KLONDIKE vom Widerstand einer schwangeren Frau gegen die brutalen Realitäten eines Kriegs, in dem die Konfliktparteien in ihrem Kampf um die „richtige“ Zugehörigkeit Familien auseinanderreißen und die Lebensgrundlage der Menschen zerstören. Die meisterliche Inszenierung, die spannungsvoll und irritierend zwischen Realismus, surrealen Momenten und allegorischer Kraft oszilliert, und nicht zuletzt das brillante Schauspiel von Oxana Cherkashyna als Irka verleihen der Geschichte vom Überleben im Krieg ihre stille Wucht. Durch seine Menschlichkeit und universelle Aussage wird der Film auch noch weit jenseits aktueller Berichterstattung und Breaking News über die Grausamkeit des Krieges Bestand und Relevanz haben.“ Der Film soll zum goEast Festival 2023 bei 3sat seine TV-Premiere feiern.

Die 22. Ausgabe von goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films fand vom 19. bis 25. April in Wiesbaden statt.
Zu den Höhepunkten gehörten neben einem abwechslungsreichen Wettbewerb und intensiven Begegnungen im Kino die Besuche international gefeierter Filmemacher:innen wie Paweł Łoziński, die Retrospektive von Lana Gogoberidzes Filmwerk in Kooperation mit der Kinothek Asta Nielsen und Lana Gogoberidzes Anwesenheit beim Festival. Das Symposium, das sich unter dem Titel „Wo geht’s hier nach Osten? Godard, Kino und Ideologie“ mit Jean-Luc Godard und seiner Beziehung zu Mittel- und Osteuropa beschäftigte fand online und vor Ort rege Teilnahme. Mit dem Cinema Archipelago, einem Rahmenprogramm, das über die klassische Kinoerfahrung hinausgeht, betrat das Festival, gefördert vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain, Neuland und ermöglichte u.a. ein erfolgreiches und empowerndes Programm namens Yugoretten – ein Forum für Frauen* aus Ex-Jugoslawien.

Das Festival fand unter den Vorzeichen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine statt, was dazu führte, dass drei russische Filme ersatzlos aus dem Programm genommen wurden. Trotzdem waren einzelne russische Produktionen zu sehen, die keine staatliche Förderung erhalten hatten. Im Mittelpunkt standen ukrainische Filmschaffende und ukrainische Produktionen, von denen drei auch im Wettbewerb zu sehen waren. Ein Filmemacher aus der Ukraine nahm sogar eine 45-stündige Busfahrt auf sich, um seinen Film beim Festival zu präsentieren. Zum Thema des Boykotts russischer Filme gab es am Festivalsamstag ein Podiumsgespräch, bei dem ukrainische Filmschaffende ihre Perspektive und ihre Bedürfnisse erklärten.

Alle Preisträger:innen noch einmal im Überblick:
goEast_2022_450

  1. Goldene Lilie für den Besten Film
    VERA TRÄUMT VOM MEER (VERA ANDRRON DETIN, Kosovo/ Albanien/ Nordmazedonien 2021, Regie: Kaltrina Krasniqi, Produzent: Shkumbin Istrefi)
  2. Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden für die Beste Regie
    SANFT (SZELÍD, Ungarn/ Deutschland, 2022, Regie: Anna Nemes und László Csuja)
  3. CEEOL Preis für den besten Dokumentarfilm
    TAUBES GESTEIN (TERYKONY, Ukraine 2022, Regie: Taras Tomenko)
  4. Lobende Erwähnung der internationalen Jury
    DER FALKE (STRAHINJA BANOVIć, Serbien/ Luxemburg/ Frankreich/ Bulgarien/ Litauen, 2021, Regie: Stefan Arsenijević)
  5. Preis der Internationalen Filmkritik FIPRESCI (Spielfilm)
    PILGER (PILIGRIMAI, Litauen 2021, Regie: Laurynas Bareiša)
  6. Preis der Internationalen Filmkritik FIPRESCI (Dokumentarfilm)
    TAUBES GESTEIN (TERYKONY, Ukraine 2022, Regie: Taras Tomenko)
  7. Merck-Innovationspreis für XR
    ARCTIC RECALL (Russland, Regie: Anna Tolkacheva)
  8. Lobende Erwähnung XR
    IF THESE STREETS COULD TALK (Ungarn, Regie: Barna Szász)
  9. Renovabis-Recherchestipendium
    I DON’T WANT (Nordmazedonien, Regie: Hanis Bagashov)
  10. CurrentTime Award
    I DON’T WANT (Nordmazedonien, Regie: Hanis Bagashov)
  11. Pitch the Doc-Award
    ELENA IN DELEYNA (Bulgarien, Regie: Elena Stoycheva)
  12. 3sat-Ankauf
    KLONDIKE (Ukraine/ Türkei, 2022, Regie: Maryna Er Gorbach)

goEast informiert über das Festivalprogramm und stellt die Wettbewerbsjury vor

goEast_2022_450goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films zeigt von Dienstag, 19., bis Montag, 25. April, 88 Filme aus 43 Ländern.
Die Besucher:innen können sich auf 15 Deutschlandpremieren, eine internationale Premiere und fünf Weltpremieren freuen sowie auf drei filmhistorische Sektionen, Vorträge, Filmgespräche und ein neues Begleitprogramm, das unter dem Titel „Cinema Archipelago“ neue Rezeptionsräume für das Kino und audiovisuelle Kunstformen eröffnet.
„Das goEast-Team hat sich kreativ und widerstandsfähig an die Pandemie angepasst, und nach zwei Jahren Online-Festival, in denen im vergangenen Jahr nur die anwesenden Jury-Mitglieder die Filme live sehen konnten, bringen wir nun endlich wieder alle im Kino persönlich zusammen: unser Publikum, die Jurys und die Filmemacher.“, sagte Ellen M. Harrington, Direktorin des Deutschen Filminstituts & Filmmuseums – DFF. „goEast ist eine lebendige Gemeinschaft, die von dynamischen Gesprächen und Interaktion lebt, und in diesem Jahr freuen wir uns besonders, mit Natalia Libet ein ukrainisches Jurymitglied begrüßen zu können. Die ukrainische Produzentin musste kriegsbedingt ihren Wohnort Kyjiw verlassen und lebt derzeit in Lwiw. Es ist sehr berührend für mich, dass sie trotz des Krieges in ihrem Heimatland zu unserer Jury gehören wird.“, so Festivalleiterin Heleen Gerritsen.

Im goEast Wettbewerb konkurrieren aktuelle Filmproduktionen um die von einer internationalen Jury verliehenen drei Hauptpreise des Festivals. Im Einzelnen sind das die mit 10.000 Euro dotierte „Goldene Lilie“, der mit 7.500 Euro dotierte Preis für die Beste Regie der Landeshauptstadt Wiesbaden und der neu ausgelobte und mit 4.000 Euro dotierte CEEOL-Preis für den besten Dokumentarfilm. Darüber hinaus vergibt die Internationale Filmkritik FIPRESCI mit einer eigenen Jury zwei Preise.

Die 22. Ausgabe von goEast starte mit einem sehr starken Wettbewerb. Es sei wichtiger denn je, „dass wir uns hier in Deutschland mit den (Film-)Kulturen der Länder aus Mittel- und Osteuropa beschäftigen. Uns verbindet mehr als man denkt. Der Krieg hängt natürlich wie ein dunkler Schatten über dem gesamten Programm, umso mehr freue ich mich über die Anwesenheit einer großen ukrainischen Delegation beim Festival. Und dass wir nach zwei Covid-Jahren überhaupt wieder alle gemeinsam im Kino sein können, ist großartig.“, so die so Festivalleiterin

Knapp 200 Gäste aus der Filmbranche Mittel- und Osteuropas werden zum Festival in Wiesbaden erwartet. Eine besondere Ehre ist der Besuch der 93-jährigen georgischen Regisseurin Lana Gogoberidze, welcher die diesjährige Hommage gewidmet ist. Sie reist mit Tochter und Filmemacherin Salomé Alexi zur weltweit ersten Retrospektive ihrer Arbeiten an und wird sowohl bei Filmgesprächen als auch in einem Werkstattgespräch über ihre 60 Jahre umspannende Schaffenszeit Auskunft geben. Auch das Ende des “post-sowjetischen” Zeitalters, sowie Ost- und Westkonflikte werden in dem Programm diskutiert werden. Im Symposium „Wo geht’s hier nach Osten? Godard, Kino und Ideologie in Mittel- und Osteuropa“ diskutieren zahlreiche Vortragende aus Wissenschaft und Film über Jean-Luc Godards Verhältnis zu Mittel- und Osteuropa und den Einfluss, den das mittel- und osteuropäische Kino auf seine eigenen Filme hatte. goEast zeigt elf Filme Godards in Kombination mit acht Werken mittel- und osteuropäischer Filmschaffender. In weiteren Sektionen wie den Anarcho Shorts oder der RheinMain Kurzfilmrolle werden Kurzfilme verschiedener Genres gezeigt. Auch in der Festivalpräsentation, die dieses Jahr dem Dokufest Kosovo aus Prizren gewidmet ist, werden Kurzfilme gezeigt.

Überschattet wird das diesjährige Festivalprogramm vom russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Daher ergeben sich einige kurzfristige Programmänderungen. Im März gab das Festival das Ausscheiden dreier russischer Filme aus dem Programm bekannt. Nun wird auch THIS RAIN WILL NEVER STOP von Alina Gorlova nicht beim Festival zu sehen sein. Stattdessen zeigt goEast in der Matinee am Sonntag, 24. April, in der Caligari FilmBühne in Gedenken an den am 2. April 2022 in Mariupol von russischen Soldaten getöteten litauischen Filmemacher Mantas Kvedaravičius (1976-2022) dessen im Jahr 2016 entstandenen Film MARIUPOLIS (Litauen/ Deutschland/ Frankreich/ Ukraine). Kvedaravičius nähert sich in seinem Dokumentarfilm den Menschen der Stadt an, die versuchen, ein normales Leben zu führen – inmitten von Granateneinschlägen und Krieg.

Für Axel Imholz, Kulturdezernent der Landeshauptstadt Wiesbaden, hat das goEast Filmfestival aktuell besondere Relevanz: „Gerade in Wiesbaden, in dem viele Menschen mit osteuropäischen Wurzeln leben, ist das goEast Filmfestival von Anbeginn zu Hause. Seit 22 Jahren bietet es Einblicke in die gesellschaftlichen Entwicklungen unserer östlichen Nachbarn, oft hoffnungsvoll, mitunter auch ernüchternd. Mit dem russischen Angriff der Ukraine sind wir an einem neuen Tiefpunkt der Ost-West-Beziehungen angekommen. Umso wichtiger ist das vielfältige interdisziplinäre goEast Programm in dieser Zeit. Es bietet nicht nur sehenswerte Filme, z.B. Schätze des postsowjetischen Kinos oder den Film DEUTSCHLAND NEU(N) NULL (FR, 1991) mit dem berühmten Agenten-Darsteller Eddie Constantine, der seine letzten Jahre in Wiesbaden verbrachte. Darüber hinaus gibt es Gelegenheit, an besonderen Orten Wiesbadens, wie z.B. dem Museum Wiesbaden, oder dem Theater im Pariser Hof miteinander ins Gespräch zu kommen“, so Kulturdezernent Axel Imholz.

Anna Schoeppe, Geschäftsführerin von HessenFilm, ist trotz der widrigen Umstände voller Vorfreude auf goEast: „Seit über 20 Jahren bereichert goEast die hessische Festivallandschaft, lockt Menschen aus Wiesbaden, dem Rhein-Main Gebiet, Hessen, Deutschland und Europa ins Kino und begeistert sie für Filme aus Mittel- und Osteuropa. Auch in diesem Jahr hat das Festivalteam Großes geleistet und trotz aller Widerstände, der Trauer und besonderer Herausforderungen ein spannendes und abwechslungsreiches Programm kuratiert, auf das ich mich sehr freue.“

Karin Wolff, Geschäftsführerin des Kulturfonds Frankfurt RheinMain, der in diesem Jahr das neue und innovative Rahmenprogramm „Cinema Archipelago“ fördert, sieht die Aufgabe des Programms in der Stärkung von Solidarität und Verständnis: „Das goEast Filmfestival bringt ost- und mitteleuropäische Geschichte(n) auf die Kinoleinwände und fördert den Dialog zwischen Ost und West in Europa. Dabei steht in diesem Jahr das Festival unversehens und für uns alle bedrückend im Kontext eines Krieges. Das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum e.V. als Organisator des Filmfestivals nutzt jede Chance, Orte der Begegnung zu schaffen und bietet auch dieses Mal ein hybrides Programm. In diesem Jahr sind in der neuen Sektion ‚Cinema Archipelago‘ eine Vielzahl neuer Begegnungsformate geplant, mit der Absicht, in der direkten wie virtuellen Begegnung solidarisches Erleben, Verständnis und gegenseitige Rücksichtnahme zu erreichen. Nie war die Dringlichkeit eines Verbundes aller Bereiche, des Alltags und des Miteinanders stärker. Wir freuen uns auf dieses Festival und wünschen viel Erfolg!“

Heute erscheint die Website des Festivals im neuen Gewand und nun ist auch das komplette Programm online zu finden. Am 19. April wird goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films zum 22. Mal feierlich eröffnet – mit dem Eröffnungsfilm THE BALCONY MOVIE (Film balkonowy, Polen 2021) des polnischen Regisseurs Paweł Łoziński in der Caligari FilmBühne.

Goeast

Die Wettbewerbsjury

Das Festivalteam freut sich, 2022 wieder alle Jurymitglieder der internationalen Jury in Wiesbaden begrüßen und die Filme im Kino zeigen zu können. Den Juryvorsitz der goEast-Jury hat in der 22. Festivalausgabe die serbische Schauspielerin Jasna Đuričić, die im bosnischen Kriegsdrama QUO VADIS, AIDA? unter der Regie von Jasmila Žbanić in der Hauptrolle beeindruckte und für ihre Rolle mehrfach ausgezeichnet wurde. Mitglied der Jury ist außerdem die ukrainische Produzentin Natalia Libet. Sie ist bei ESSE Production House and Digital Religion in Kyjiw tätig; ihre Produktionen wurden auf internationalen Filmfestivals gezeigt. Darunter ANNA, der 2019 bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem Best Shorts Award ausgezeichnet wurde, und STOP-ZEMLIA, der 2021 bei der Berlinale den Gläsernen Bären für den besten Jugendfilm gewann. Die georgische Regisseurin Salomé Jashi, ein weiteres Jurymitglied, war mit ihren Dokumentarfilmen neben vielen anderen internationalen Festivals auch schon im goEast-Wettbewerb vertreten. Zuletzt lief ihr Film TAMING THE GARDEN in den deutschen Kinos.

Zur Jury gehören darüber hinaus der polnische Journalist, Filmschaffende und Kurator Kornel Miglus und der belarussische Regisseur Aliaksei Paluyan. Miglus ist Filmbeauftragter des Polnischen Instituts in Berlin und leitet seit 2005 das ebenfalls in Berlin ansässige Filmfestival filmPOLSKA. Paluyan studierte in Deutschland und drehte mehrere fiktionale und dokumentarische Kurzfilme. Mit LAKE OF HAPPINESS war er 2020 für den Europäischen Filmpreis nominiert. Sein Dokumentarfilm COURAGE hatte seine Premiere bei der Berlinale 2021 und wurde weltweit auf Festivals gezeigt. Darin porträtiert Paluyan ein zivilgesellschaftlich engagiertes Theaterkollektiv in Belarus, das sich gegen das Regime von Herrscher Lukaschenka auflehnt.

In Zeiten von Krieg und Kulturboykott wenige Wochen vor Festivalbeginn positioniert sich das goEast Filmfestival erneut zum vollständigen Boykott russischer Filmschaffender, der von ukrainischen Institutionen gefordert wird. Die Festivalmacher:innen von goEast haben lange darüber diskutiert, wie mit der Boykottforderung in der aktuellen Kriegssituation umzugehen ist und machen einen Kompromiss: goEast veranstaltet am Samstag, 23. April, um 18 Uhr in Kooperation mit unabhängigen Filmschaffenden, Vertreter:innen verschiedener ukrainischer Institutionen und Festivals ein von Festivalleiterin Heleen Gerritsen moderiertes Panel in der Caligari FilmBühne, wo die ukrainischen Teilnehmer:innen den Boykott aus ukrainischer Perspektive diskutieren und ihre Positionen und Ziele erläutern werden. Insgesamt drei russische Filme im Programm, die staatliche Förderung bekommen, oder von Stiftungen finanziert werden, die an die russische Regierung, d.h. den Präsidenten gebunden sind, werden nicht gezeigt. Die Filme HAUSARREST (Delo, Russland/ Deutschland/ Kanada 2021) von Alexei German Jr. und DONAU (Dunay, Russland 2021) von Lyubov Mulmenko wurden von den Filmschaffenden zurückgezogen. Somit besteht der diesjährige Wettbewerb nur aus 14 Filmen. Ebenso wird es in der Sektion Bioskop eine Lücke geben: Regisseurin Ekaterina Selenkina hat ihren Film UMWEGE (Obkhodniye puti, Russland 2021) aus dem Programm zurückgezogen. Stellungnahmen der russischen Filmemacher:innen sind auf der goEast-Website nachzulesen. Die zurückgezogenen Filme werden nicht ersetzt – in Kriegszeiten sind Lücken im Programm durchaus angemessen.