Hessischer Kulturpreis 2017 für Volker Mosbrugger und Matthias Lutz-Bachmann

Wissenschaftsminister Boris Rhein verlieh Prof. Dr. Dr. Lutz-Bachmann (li.) und Prof. Dr. Dr. Mosbrugger den Hessischen Kulturpreis 2017. © kunst.hessen.de / Sabrina Feige
Wissenschaftsminister Boris Rhein verlieh Prof. Dr. Dr. Lutz-Bachmann (li.) und Prof. Dr. Dr. Mosbrugger den Hessischen Kulturpreis 2017.
© kunst.hessen.de / Sabrina Feige

Wiesbaden/Frankfurt. Wissenschafts- und Kunstminister Boris Rhein hat zwei herausragende Wissenschaftler mit dem Hessischen Kulturpreis 2017 geehrt. Die Auszeichnung geht an den Naturwissenschaftler und Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Mosbrugger sowie den Philosophie-Professor und ehemaligen Vizepräsidenten der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Professor Dr. Dr. Matthias Lutz-Bachmann. Der mit 45.000 Euro höchstdotierte Kulturpreis der Bundesrepublik Deutschland wird in diesem Jahr zum 35. Mal von der Hessischen Landesregierung vergeben.

Wissenschafts- und Kunstminister Boris Rhein: „Mit Professor Mosbrugger und Professor Lutz-Bachmann ehren wir zwei Wissenschaftler, die in den vergangenen Jahrzehnten auf ihren Gebieten exzellente Spitzenforschung betrieben haben. Durch ihre Arbeit in der Senckenberg Gesellschaft und an der Goethe-Universität haben sie ihr Wissen geteilt und der Öffentlichkeit nähergebracht. Als wissenschaftliche Botschafter tragen sie zum guten Ruf unseres Landes als Wissenschaftsstandort bei. Ich gratuliere herzlich zu der Auszeichnung.“

Volker Mosbrugger wurde 1953 in Konstanz geboren. Nach seinem Staatsexamen in Biologie und Chemie verfasste er seine Dissertation in Geologie und Paläontologie an der Universität Freiburg, wofür er 1983 seine Promotion erhielt. Mosbrugger habilitierte 1989 an der Universität Bonn und erhielt 1998 mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die höchstdotierte deutsche Wissenschaftsauszeichnung. Seit 2009 ist der Fachmann für Biodiversität und Klimawandel Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

„Mit seinen herausragenden Forschungen zu ökologischen und klimatischen Veränderungen in der Erdgeschichte gibt Prof. Volker Mosbrugger auch Aufschluss darüber, wie sich Ökosysteme heute verändern. In Zeiten des Klimawandels sind diese nicht nur Fragen der Biodiversität, sondern betreffen auch die Zukunft unseres Planeten. Als Generaldirektor hat Prof. Mosbrugger die Einrichtung des ehrwürdigen Senckenberg-Instituts in Größe und Leistung nahezu vervierfacht. Das Naturmuseum ist Aushängeschild und – auch dank ihm – ein Besuchermagnet über die Grenzen Hessens hinaus. Mit der Idee des Senckenberg-Museums der Zukunft soll es bis 2019 noch einmal erweitert werden“, so Wissenschafts- und Kunstminister Boris Rhein.

Matthias Lutz-Bachmann wurde 1952 in Frankfurt am Main geboren. Seine wissenschaftliche Ausbildung begann er mit dem Studium der Philosophie, Katholischen Theologie, Politikwissenschaften an den Hochschulen in Frankfurt, Münster und St. Georgen. 1981 folgte die Promotion in der Philosophie, 1984 in der Theologie und schließlich 1987 die Habilitation. Seit 1994 lehrt und forscht Lutz-Bachmann unter anderem zur Praktischen Philosophie mit dem Schwerpunkt Politische Philosophie und Ethik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, deren Vizepräsident er von 2009 bis 2015 war. Mit besonderer Zuständigkeit für Forschung und Geisteswissenschaften wurden während seiner Amtszeit zahlreiche wissenschaftliche Institute an der Hochschule gegründet und aufgebaut. Lutz-Bachmann ist Mitglied der Ethikkommission der Bundesregierung zum automatisierten Fahren.

„Das rasch zunehmende Wissen und die stetige Verschiebung der Grenzen des technologisch Machbaren stellen die Gesellschaft vor neue ethische Fragen. Die Suche nach allgemeingültigen Antworten auf diese Fragen bringt oft eine besondere Herausforderung mit sich. Prof. Matthias Lutz-Bachmann bietet der Gesellschaft mit seiner Arbeit Halt und moralische Leitlinien. Als Vizepräsident der Goethe-Universität hat er die akademische Forschung und das Renommee der Hochschule enorm gesteigert. Dafür gebührt ihm unser Dank“, so Wissenschafts- und Kunstminister Boris Rhein abschließend.

Hintergrund:
Der Kulturpreis wurde in Anerkennung besonderer Leistungen in Wissenschaft, Kunst und Kulturvermittlung das erste Mal 1982 verliehen. Dazu gehören neben der Literatur auch bildende Künste, Musik, Film, Wissenschaft und Architektur. Die Preisträgerinnen und Preisträger werden von einem Kuratorium ausgewählt. Im Kuratorium, dessen Vorsitz der Hessische Ministerpräsident innehat, sind neben dem Hessischen Minister für Wissenschaft und Kunst Boris Rhein, folgende Persönlichkeiten vertreten:

Jürgen Engel, Architekt, Frankfurt am Main
Michael Herrmann, Intendant Rheingau Musik-Festival
Bernd Leifeld, ehemaliger Geschäftsführer der documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs­GmbH
Michael Quast, Schauspieler, Kabarettist, Regisseur
Hans Sarkowicz, Leiter Ressort hr2 Kultur und Bildung
Dr. Gerhard Stadelmaier, ehemaliger Redakteur und Theaterkritiker im Feuilleton der FAZ
Prof. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt am Main

Steinige Wege: Was Weltmuseen in Mainz und Berlin vereint – Humboldt-Forum-Professor Parzinger zu Gast im Gutenberg-Museum

Foto: Diether v. Goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow

Prof. Hermann Parzinger, Gründungsintendant des Humboldt-Forums in Berlin, ist im Gutenberg-Museum zu Gast

Mainz. Aktuelle Fragen in ihrer historischen Dimension beleuchten, ein neues kulturelles Stadtquartier schaffen, durch innovative Präsentationen in Dialog mit der ganzen Welt treten: Diese Ziele hat Gründungsintendant Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Parzinger für das Humboldt-Forum im Berliner Schloss südlich der Museumsinsel formuliert. Das Gutenberg-Museum in Mainz verfolgt ähnliche Ziele. Am Montag, 6. November, 20 Uhr, spricht der derzeit wohl bekannteste Kulturmanager Deutschlands im Gutenberg-Museum zum Thema „Museumsinsel und Humboldt-Forum: ein neues Weltmuseum in der Mitte Berlins“.

Liebhaber von Kunst, Kultur und Architektur, aber auch alle anderen an gesellschaftlichen Entwicklungen speziell in Mainz und Berlin Interessierten, dürfen gespannt sein, was Parzinger aus dem Innersten des aktuell wohl größten Kulturprojekts Deutschlands in der Bundeshauptstadt zu berichten hat. Denn der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, einer der größten Kultureinrichtungen weltweit, gestaltet die inhaltliche Ausrichtung des Weltmuseums maßgeblich mit, das sich als Pendant zu der auf der Museumsinsel präsentierten abendländischen Kunst und Kultur begreift. Gleichzeitig sieht sich das Humboldt-Forum wiederholt mit harscher Kritik konfrontiert – etwa dazu, dass es kein schlüssiges Konzept für die endgültige inhaltliche Gestaltung des Museums gebe.

Der Vortrag Parzingers in Mainz ist Teil der 2014 vom Gutenberg-Museum entwickelten Vortragsreihe „Neue Perspektiven für das Gutenberg-Museum“, bei der namhafte Repräsentanten des kulturellen Lebens Erfahrungen weitergeben, aus denen sich Anregungen für die Zukunftsfähigkeit des Gutenberg-Museums als Weltmuseum der Druckkunst ableiten lassen. Bisherige Referenten waren Sylvia von Metzler vom Städelschen Museumsverein Frankfurt und Prof. Peter Raue vom Förderverein der Nationalgalerie Berlin.

Ort:
Prof. Hermann Parzinger spricht im Gutenberg-Museum,
Liebfrauenplatz 5, Mainz, am Montag, 6. November, 20 Uhr.
Der Eintritt ist frei, um Anmeldung unter Telefon 06131-12-2640 oder per Mail an gutenberg-museum@stadt.mainz.de wird gebeten.

Der Garten der Avantgarde – Grandiose Ausstellung der Sammlung Kirchhoff eröffnet – Wiesbaden ein Zentrum der Klassischen Moderne

Max Slevogt (1866 - 1932). Landschaft mit Dorf und Bergen (Pfalzlandschaft), 1913, Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow
Max Slevogt (1866 – 1932). Landschaft mit Dorf und Bergen (Pfalzlandschaft), 1913, Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow

Unter großem  Besucherandrang  eröffnete gestern Abend Kunst- und Kulturminister Boris Rhein im Museum Wiesbaden die Ausstellung  „Der Garten der Avantgarde Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…“, die noch bis zum 25. Februar 2018 zu sehen ist

Genau vor 100 Jahren, im Jahr 1917 zeigte der bedeutende Kunstsammler und Mäzen Heinrich Kirchhoff zum ersten Mal seine Sammlung mit Werken des Impressionismus, Expressionismus bis zur Abstraktion im Museum Wiesbaden.

Arnold Hensler (1891 - 1935). Porträtkopf Heinrich Kirchhoff um 1918/19. (Terrakotta). Museum Wiesbaden.Foto: Diether v. Goddenthow
Arnold Hensler (1891 – 1935). Porträtkopf Heinrich Kirchhoff um 1918/19. (Terrakotta). Museum Wiesbaden.Foto: Diether v. Goddenthow

Heinrich Kirchhoff (1874–1934) ließ sich Anfang des 20. Jahrhunderts in Wiesbaden nieder, um sich seinen Leidenschaften Kunst und Natur zu widmen. Innerhalb weniger Jahre stellte er eine hochwertige Sammlung mit Werken des Jugendstils, des Impressionismus und später des Expressionismus zusammen, darunter Werke von Künstlern wie Alexej von Jawlensky, Paul Klee, Emil Nolde und Franz Marc. Kirchhoff wollte seine Sammlungen für alle Bürger öffnen und die Kurstadt zu einem Zentrum der künstlerischen Moderne werden lassen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 galten die Werke seiner Sammlung als „Entartete Kunst“ und wurden aus dem Museum Wiesbaden, in dem sie zuvor ausgestellt worden waren, entfernt (mehr …)

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein. Foto: Diether v. Goddenthow
Kunst- und Kulturminister Boris Rhein. Foto: Diether v. Goddenthow

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein: „Mit ,Der Garten der Avantgarde‘ ist dem Museum Wiesbaden eine spannende Ausstellung gelungen, die Heinrich Kirchhoff einen angemessenen Raum widmet. Besonders freut mich, dass die Kuratoren bei diesem Projekt in enger Kooperation mit der Zentralen Stelle für Provenienzforschung in Hessen und der universitären Forschung zusammengearbeitet haben. Ich wünsche den Besucherinnen und Besuchern einen interessanten Einblick in die Welt eines bemerkenswerten Kunstliebhabers.“

Großer Andrang herrschte nicht nur im völlig überfüllten Vortragssaal, sondern im gesamten Museum. Heinrich Kirchhoff, hätte sicherlich seine Freude gehabt. Foto: Diether v. Goddenthow
Großer Andrang herrschte nicht nur im völlig überfüllten Vortragssaal, sondern im gesamten Museum. Heinrich Kirchhoff hätte sicherlich seine wahre Freude daran gehabt. Foto: Diether v. Goddenthow

 

Ein Rundgang durch die Ausstellung; Der Garten der Avantgarde Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…
Impression der Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …“ Raum 10 mit Arbeiten von Marc Chagall, Emil Nolde, Lehmbruck u. vielen weiteren Expressionisten. Foto: Diether v. Goddenthow
Impression der Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …“ Raum 10 mit Arbeiten von Marc Chagall, Emil Nolde, Lehmbruck u. vielen weiteren Expressionisten. Foto: Diether v. Goddenthow

Der Garten der Avantgarde – Kunst und Natur
Kirchhoffs „Garten der Avantgarde“ eröffnet den Ausstellungsrundgang im historischen Oktogon der Gemäldegalerie. Umfangen von den floralen Fresken im Deckengewölbe, die seinerzeit der Wiesbadener Künstler und Ausstellungsleiter Hans Völcker anfertigte, ist der Raum dem Geist Kirchhoffs und seiner Leidenschaft für die Zusammenführung von Kunst und Natur gewidmet.

Impressionen des einstigen Gartenparadies.
Impressionen des einstigen Gartenparadies.

In einer von Erstem Weltkrieg und Inflation krisenerschütterten Zeit bot das paradiesisch anmutende Idyll in der Wiesbadener Beethovenstraße 10 vielen Künstlern einen Zufluchtsort, der ihre Sehnsucht weckte. Er zog sie magisch an und diente ihnen rund 20 Jahre bis ca. 1933 als Quelle der Inspiration. Hier fanden sich neben Kakteen, Palmgewächsen, Wasserpflanzen, Farnen oder Stauden auch Blütenmeere, Rosenbüsche und verschiedenste Obstbäume. Versteckt waren zwei Vogelvolieren untergebracht, ein künstlich angelegter Flusslauf führte über einen Wasserfall in eine Grotte und kleinere Sitzgruppen luden in Nischen zum Verweilen ein. Im Gästebuch der Familie trugen sich schon bald namhafte Besucher aus allen Regionen Deutschlands ein. So entstanden mitunter auch kleine Künstlerzeichnungen, die bei einem Besuch – etwa von Conrad Felixmüller oder Paul Klee – hinterlassen wurden.

Aufbruch Impressionismus

Max Liebermann (1847 - 1935) Die Tochter des Künstlers am Strand/ Damenbildnis in Weiß. Öl auf Holz. Privatsammlung, Paris. Foto: Diether v. Goddenthow
Max Liebermann (1847 – 1935) Die Tochter des Künstlers am Strand/ Damenbildnis in Weiß. Öl auf Holz. Privatsammlung, Paris. Foto: Diether v. Goddenthow

Der Grundstein der Kunstsammlung Kirchhoffs wurde vornehmlich durch Gemälde des deutschen Impressionismus gelegt. Mit einem bemerkenswerten Gespür für Qualität erstand der Wiesbadener Sammler Hauptwerke des Triumvirats des deutschen Impressionismus: Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt. Die neuartige Freilichtmalerei, die sich dem Malen vor der Natur verschrieben hatte und an den aus Frankreich kommenden Maleinflüssen orientierte, gehörte noch Anfang des 20. Jahrhunderts zu der vom Kaiser wenig geschätzten Avantgarde. Die Künstler wurden hingegen beim aufstrebenden Großbürgertum äußerst populär und erfreuten sich großer Nachfrage. 1918 gab Kirchhoff bei Liebermann, seinerzeit der gefragteste Porträtmaler, sein Bildnis in Auftrag. Im Umkreis der großen Meister erhielten zahlreiche weitere Künstler, deren Werke unter dem Einfluss des Impressionismus entstanden, die Beachtung des Sammlers. Hierzu gehörten unter anderem Wilhelm Trübner, Julius Hess, Oskar Moll oder der junge Max Beckmann. Kirchhoff berücksichtigte aber nicht nur die zeitgenössischen Strömungen in der deutschen Kunst, sondern widmete sich auch den unterschiedlichen angewandten Techniken.

Roman Zieglgänsberger, Kurator der Ausstellung und Kustos für Klassische Moderne im Wiesbadener Museum, erläutert, dass bei Machtübernahme der Nazis alle Arbeiten von Lovis Corinth (1858 - 1915), die vor seinem Schlaganfall entstanden, im Museum bleiben durften, alle späteren als "entartet" wie die anderen Kirchhoff-Bilder entfernt werden mussten. Hier Lovis Corinth: Selbstbildnis in Hut und Mantel. Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow
Roman Zieglgänsberger, Kurator der Ausstellung und Kustos für Klassische Moderne im Wiesbadener Museum, erläutert, dass bei Machtübernahme der Nazis alle Arbeiten von Lovis Corinth (1858 – 1915), die vor seinem Schlaganfall entstanden, im Museum bleiben durften, alle späteren als „entartet“ wie die anderen Kirchhoff-Bilder entfernt werden mussten. Hier Lovis Corinth: Selbstbildnis in Hut und Mantel. Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow

So fanden sich in seiner Sammlung neben Gemälden, Plastiken, Zeichnungen und Aquarellen auch Holzschnitte, Lithografien und Radierungen. Seine über 2.000 Werke umfassenden Bibliothek enthielt unter anderem die von Max Slevogt angefertigten, äußerst seltenen Lithografien zur Luxusausgabe von James Fenimore Coopers Lederstrumpf und die 305 Original-Tuschlithografien zu Johann Wolfgang von Goethes Benvenuto Cellini.

Die „Freie Secession“ und die „Neue Secession“
Zu Max Liebermann, der zwischen 1909 und 1915 wiederholt zu Gast in Wiesbaden war, entstand eine lebenslange Freundschaft. Vermutlich ist auf diese Verbindung Kirchhoffs Interesse an den Berliner Secessionisten zurückzuführen. Die Secession war um die Jahrhundertwende als Gegenbewegung zum etablierten Kunstbetrieb entstanden und versuchte jungen Künstlern Rückhalt gegenüber der kaiserlich konservativen Kunstpolitik zu geben. Nach inneren Streitigkeiten spaltete sich 1914 unter Führung von Max Liebermann die ‚Freie Secession‘ ab, zu der u. a. die Künstler Wilhelm Lehmbruck, Oskar Moll und Renée Sintenis gehörten und die alle Eingang in die Sammlung fanden. Vier Jahre zuvor hatte sich bereits die „Neue Secession“ in Berlin gegründet. Kirchhoff beobachtete die Bewegungen der Berliner Kunstszene genau und versuchte durch seine Ankäufe entsprechende künstlerische Gruppierungen hervorzuheben. In den darauffolgenden Jahren konnten die Freien Secessionisten auch im Museum Wiesbaden ihre Ausstellungen zeigen.

Künstlerförderung in Zeiten der Krise
Die Schrecken des Ersten Weltkriegs stürzten viele Künstler in eine Lebens- und Schaffenskrise. In ihren Werken versuchten sie die traumatischen Eindrücke zu bewältigen und neue Ausdrucksmittel für das Erlebte zu finden. Es war eine Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche und künstlerischen Reformen. Vor allem die jungen Talente, deren Studium zum Teil durch den Krieg jäh unterbrochen wurde, lebten am Existenzminimum. Die Brücke- Künstler hatten es bereits gezeigt: Ohne einen privaten Förderer war auf den künstlerischen Durchbruch kaum zu hoffen. Es war daher ein häufig zu beobachtendes Phänomen, dass sich Künstler einen Sammler suchten und um finanzielle oder ideelle Unterstützung baten. Heinrich Kirchhoff engagierte sich in dieser Zeit besonders für die jungen Maler, die noch am Beginn ihrer Karriere standen. Unter ihnen sind Josef Eberz, Conrad Felixmüller und Walter Jacob hervorzuheben. Als „Mäzen der Moderne“ lud er sie nach Wiesbaden ein und bot ihnen intensive Förderung, Unterkunft und Atelierplatz. Zugrundliegende Vereinbarungen gewährten den Künstlern ein finanzielles Monatsauskommen, wofür sie dem Sammler ein Vorkaufsrecht einräumten. So entstanden zahlreiche Arbeiten vor Ort, die das Umfeld des Sammlers festgehalten haben. Ein besonderer Höhepunkt ist die Grablegung von Walter Jacob. Das Gemälde thematisiert den gemarterten Künstler, der durch seinen Mäzen entschlossen über das Leid hinweggetragen wird. Die Gesichtszüge der Dargestellten sind für den Betrachter eindeutig als die von Heinrich Kirchhoff und Walter Jacob zu identifizieren.

Alexej von Jawlensky – Ein Künstler für Wiesbaden
Der für Wiesbaden bedeutendste Künstler, den Kirchhoff unterstützte, war Alexej von Jawlensky. Nach Kriegsende versuchte er sich von seinem Schweizer Exil aus wieder nach Deutschland zu orientieren. Eine 1920/21 zu diesem Zweck von Galka Scheyer arrangierte Wanderausstellung war in keiner Stadt so erfolgreich wie in Wiesbaden. Maßgeblich dazu beigetragen hatte Heinrich Kirchhoff, der auf Anhieb fünf Gemälde des Künstlers erwarb und ihn zu sich in seinen „Garten der Avantgarde“ einlud. Aufgrund dieses herausragenden Erfolges ließ sich Jawlensky wenig später dauerhaft in Wiesbaden nieder. Die zunehmende Abstraktion im Werk des Malers, seine serielle Bearbeitung eines wiederkehrenden Themas – die Gartenvariationen – weckten die Faszination Kirchhoffs und führten dazu, dass er im Laufe der Zeit über 100 Arbeiten des Künstlers sammelte, darunter nicht weniger als 50 Ölgemälde. Jawlensky zog in die unmittelbare Nachbarschaft seines Sammlers, begleitete ihn auf Ausstellungen und genoss die freundschaftliche Aufnahme in die Familie Kirchhoffs. Aus der Zuneigung zueinander entstanden eine Reihe intimer Werke, in denen Jawlensky seine Hinwendung zur Abstraktion unterbrach. So zog vor allem die Ehefrau des Sammlers mit ihrer von den Künstlern vielgerühmten Schönheit Jawlensky in den Bann. In einem „intimen“ Kabinett sind diese Arbeiten zusammen mit Briefen, Skizzen und einem außergewöhnlichen Schmuckstück, das der Künstler eigenhändig für Tony Kirchhoff kreierte, zu betrachten.

Herzstück Expressionismus
Das Herzstück der ‚Sammlung Kirchhoff‘ bildeten die Expressionisten. Bereits während des Krieges und noch vor Kirchhoffs erster Ausstellung im Museum Wiesbaden hatte er begonnen, farbintensive und formal expressive Gemälde zu sammeln. Gezielt suchte Kirchhoff nach exemplarischen Spitzenwerken seiner Zeit, um den Facettenreichtum des Expressionismus zu erfassen. Jeder Künstler vertrat innerhalb der Sammlung eine eigene künstlerische Position, wodurch schließlich die verschiedensten geistigen und stilistischen Strömungen zusammenfanden und ein Gesamtbild des deutschen Expressionismus widerspiegelten.

Kunsthistorikerin Sibylle Discher, gab mit Ihrer Dissertation und folgender Rekonstruktion der Ausstellung Kirchhoff den Anstoß zur Ausstellung "Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde ...", hier im Raum !0, Herzstück Expressionismus. Foto: Diether v. Goddenthow
Kunsthistorikerin Sibylle Discher, gab mit Ihrer Dissertation und folgender Rekonstruktion der Ausstellung Kirchhoff den Anstoß zur Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …“, hier im Raum !0, Herzstück Expressionismus. Foto: Diether v. Goddenthow

Unter den Bildern finden sich farbgewaltige Arbeiten wie die von Emil Nolde oder solche, die bereits früh in Richtung der Abstraktion deuteten, wie die von Christian Rohlfs. Oskar Kokoschkas Alpenlandschaft weist stattdessen eine ähnliche, kristalline Formensprache auf wie die kurz vor dem Krieg entstandenen Arbeiten von Franz Marc, während Marc Chagall eine ganz eigene poetische Sprache in seinen Bildern entwickelte. Gingen die Kompositionen zwar stilistisch weit auseinander, so ähnelten sie sich inhaltlich: Immer wieder wird der Mensch ins Zentrum gerückt und seine Existenz, sein Handeln und seine Verletzlichkeit überprüft, um der Frage nach der eigenen Identität auf den Grund zu gehen.

Konstruktive und abstrakte Tendenzen

Wassily Kandinsky (1866 - 1944) Ein Zentrum, 1924. Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow
Wassily Kandinsky (1866 – 1944) Ein Zentrum, 1924. Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow

Der Ausgang des Ersten Weltkrieges und der Umsturz von der Monarchie zur ersten deutschen Demokratie führten zu großen Veränderungen. Die herbe Kriegsniederlage und die einsetzende Inflation entrissen den Bürgern ihren Halt, erschütterten ihren Glauben und zwangen sie zum Umdenken. Altbekannte Strukturen zerbrachen und die Gesellschaft geriet ins Wanken. Aus der Zerstörung heraus entstanden künstlerische Ideen einer neuen Lebensgestaltung durch geometrische, abstrakte Konstruktionen. Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger waren 1921/22 als Lehrer dem Bauhaus beigetreten. Ein Jahr später kam auch László Moholy-Nagy hinzu. In jener Zeit begann Kirchhoff, der durch Jawlensky inzwischen mit abstrakten Positionen vertraut geworden war, seine impressionistischen Werke zu veräußern und sich zunehmend eben diesen Bauhaus- Vertretern zuzuwenden. Bedenkt man, dass Kirchhoff zu diesem Zeitpunkt kaum länger als zehn Jahre sammelte, wird die Radikalität und Kompromisslosigkeit deutlich, mit der er entschlossen den Weg vom Impressionismus zur Abstraktion in kürzester Zeit zurücklegte. Das Ende der Sammlung kam abrupt. 1933 wurde mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine so progressive Kunstsammlung im öffentlichen Raum undenkbar. Noch bevor Heinrich Kirchhoff im Oktober 1934 unerwartet verstarb, wurden Teile seiner Sammlung aus dem Museum Wiesbaden entfernt und zurückgegeben. Heute finden sich die Werke weltweit in den rennommiertesten Museen wieder, was bis heute für ihre außergewöhnliche Qualität und Bedeutung spricht.

Heinrich Kirchhoff und seine Nachfolger
Heinrich Kirchhoff zog mit seinem Garten und seinen Bildern nicht nur Botaniker und Künstler an, sondern auch viele Sammler (wie August von der Heydt), Kunsthistoriker (wie Julius Meier-Graefe) oder Kunsthändler (wie Hans Goltz). Für das Museum Wiesbaden von größter Bedeutung entpuppten sich jedoch die beiden Besuche der Künstlerin Hanna Bekker vom Rath (1893–1983). Zweimal hat sich Hanna Bekker bei Kirchhoff ins Gästebuch eingetragen: am 5. Januar 1918 und noch einmal, neun Jahre später, am 20. Oktober 1927. Möglicherweise war es Kirchhoff, der als Künstlermagnet und starke Persönlichkeit einen derart prägenden Eindruck bei ihr hinterließ, dass sie um 1920 begann, selbst Kunst zu sammeln. Eine ihrer ersten Erwerbungen war denn auch die Büste der Knieenden des Bildhauers Wilhelm Lehmbruck, der mit der zeitgleich entstandenen Skulptur Badende in der Sammlung Kirchhoff vertreten war. Wenn man so möchte, kam Hanna Bekker als junge Künstlerin zu Kirchhoff (sie wurde in Stuttgart von der Malerin Ida Kerkovius unterrichtet) und wurde, nach den vielfältigen Eindrücken, die sie dort empfangen hatte, zur Sammlerin und Mäzenin. Ihr Frankfurter Kunstkabinett, das sie nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 eröffnete, war denn auch immer mehr als nur ein Mittel zum Geld verdienen. Sie unterstützte insbesondere diejenigen expressionistischen Künstler, denen sie bereits während des Nationalsozialismus das Malen trotz Arbeitsverbot mutig in ihrem Privathaus in Hofheim am Taunus, dem sogenannten Blauen Haus, ermöglicht hatte. Ihre Privatsammlung mit Hauptwerken von Künstlern wie Max Beckmann, Erich Heckel, Adolf Hölzel, Alexej von Jawlensky oder Karl Schmidt-Rottluff, die ehemals alle auch in der Sammlung Kirchhoff vertreten waren und deren Malerei sie dort kennengelernt hatte, kam 1987 an das Museum Wiesbaden, wo sie heute das hoch qualitätsvolle Fundament der Abteilung Klassische Moderne bildet.

Solch ein Besucheransturm hatten die Ausstellungsmacher in ihren kühnsten Träumen nicht erwartet. Mit der Überblicksausstellung zur Klassischen Moderne "Der Garten der Avantgarde ...." haben sie voll ins Schwarze getroffen. Foto: Diether v. Goddenthow
Solch ein Besucheransturm hatten die Ausstellungsmacher in ihren kühnsten Träumen nicht erwartet. Mit der Überblicksausstellung zur Klassischen Moderne „Der Garten der Avantgarde ….“ haben sie voll ins Schwarze getroffen. Foto: Diether v. Goddenthow

Im Frühjahr 2018 präsentiert das Museum Wiesbaden die Stiftung Brabant. Der Wiesbadener Sammler Frank Brabant (*1937) ist, wenn man so möchte, ein „Enkel“ von
Heinrich Kirchhoff, da er 1963 just bei Hanna Bekker in Frankfurt sein erstes Kunstwerk erwarb – einen Holzschnitt von Max Pechstein. Ihre Persönlichkeit war es nicht zuletzt, die seine Kunstleidenschaft weckte. Heute umfasst seine Sammlung, deren Schwerpunkt ähnlich wie bei Kirchhoff auf expressionistischer und neusachlicher Kunst liegt, etwa 600 Werke. Die Hälfte wird Brabant anlässlich seines 80. Geburtstags großzügig dem Museum Wiesbaden stiften. Jawlenskys frühes Hauptwerk Helene im spanischen Kostüm – das größte Gemälde, das der russische Maler je geschaffen hat – schenkte Brabant dem Museum im Vorgriff darauf bereits im Jahr 2014.

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein (li). freut sich mit Museumsdirektor Dr. Alexander Klar über das gute Gelingen dieser Ausstellung. Foto: Diether v. Goddenthow
Kunst- und Kulturminister Boris Rhein (li). freut sich mit Museumsdirektor Dr. Alexander Klar über das gute Gelingen dieser Ausstellung. Foto: Diether v. Goddenthow

Durch das Hitlerregime wurde die Sammlung Kirchhoff in alle Welt zerstreut. Dennoch bleibt sein Geist in Wiesbaden lebendig, zum einen durch die Werke, die das Museum Wiesbaden seit 1950 zurückerwerben konnte, durch die von Kirchhoff inspirierten Hanna Bekker und Frank Brabant, ihre Sammlungen und nicht zuletzt durch diese Ausstellung.

 

Der Begleitkatalog

katalog-coverZur Ausstellung erschienen ist der gleichnamige Begleit-Katalog:
Der Garten der Avantgarde
Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…
Roman Zieglgänsberger und Sibylle Discher (Hrsg.)
ca. 432 Seiten, 250 Abbildungen, 22 x 26,5 cm
Imhof Verlag, 2017
ISBN 978-3-7319-0584-4
Euro 35,- (Sonderpreis im Museumsshop)
Mit Beiträgen von Annette Baumann, Astrid Becker, Herbert Billensteiner, Sibylle Discher, Peter Forster, Franz Josef Hamm, Gerhard Leistner, Miriam Olivia Merz, Jutta Penndorf, Christiane Remm, Roman Zieglgänsberger

Ort:
Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum
für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄335 2250, Fax 0611 ⁄335 2192
www.museum-wiesbaden.de
museum@museum-wiesbaden.de

Führungen und Veranstaltungen zur Ausstellung
Der Garten der Avantgarde
Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…

Führungen
Sa 28 Oktober 15:00 Uhr
So 29 Oktober 15:00 Uhr
Di 31 Oktober 15:00 Uhr
Sa 4 November 15:00 Uhr
So 5 November 15:00 Uhr
Di 7 November 18:00 Uhr
So 12 November 15:00 Uhr
Di 14 November 18:00 Uhr
Sa 18 November 15:00 Uhr
Di 21 November 18:00 Uhr
Sa 25 November 15:00 Uhr
Di 28 November 18:00 Uhr
So 3 Dezember 15:00 Uhr
Di 5 Dezember 18:00 Uhr
Sa 9 Dezember 15:00 Uhr
Di 12 Dezember 18:00 Uhr
Sa 16 Dezember 15:00 Uhr
So 17 Dezember 15:00 Uhr
Sa 23 Dezember 15:00 Uhr
Sa 30 Dezember 15:00 Uhr

Vorträge
Do 1 Februar 2018 19:00 Uhr
Die Sammlung Kirchhoff. Ein Leuchtfeuer für Wiesbaden
Dr. Sibylle Discher, Co-Kuratorin der Kirchhoff-Ausstellung

Do 8 Februar 2018 19:00 Uhr
Frühe Sammler des russischen Malers Alexej von Jawlensky
Angelica Jawlensky Bianconi, Alexej von Jawlensky-Archiv, Locarno

Kunst & Kuchen
Do 9 November 15:00 Uhr Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…

Art after Work
Di 21 November 19:00 Uhr
„Gartenlust“ – Der Sammler Heinrich Kirchhoff

Angebote für Kinder und Familien

Sa 4 November 11:00 – 14:00 Uhr
Offenes Atelier Spezial am eintrittsfreien Samstag zur Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…“

Sa 18 November 11:00 – 13:30 Uhr
Museumswerkstatt für Kinder: „Mein Traumgarten“. Künstlerisches Gestalten zur Ausstellung „Der Garten der Avantgarde“.

Ort:
landesmuseum-wiesbadenMuseum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum
für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄335 2250, Fax 0611 ⁄335 2192
www.museum-wiesbaden.de
museum@museum-wiesbaden.de

Öffnungszeiten
Mo geschlossen Di, Do 10:00—20:00 Uhr Mi, Fr—So 10:00—17:00 Uhr An Feiertagen 10:00—17:00 Uhr geöffnet. Auch Ostermontag und Pfingstmontag geöffnet

Eintritt Sonderausstellung* 10,— Euro (7,— Euro) * Eintritt in die Sonderausstellungen beinhaltet den Besuch der Sammlungen. Familienangebot: Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre in Begleitung ihrer Eltern freier Eintritt. Weitere Ermäßigungen und Tarife für Gruppen unter: www.museum-wiesbaden.de ⁄preise

Verkehrsanbindung PKW und Reisebusse: A 66, Abfahrt Wiesbaden-Erbenheim, Richtung Stadtmitte, Parkhaus Rheinstraße Bahn: Zum Hbf Wiesbaden mit DB und S1, S8 und S9 aus Richtung Frankfurt und Mainz. Vom Hbf 10 min Fußweg zum Museum Linienbusse: Rheinstraße und Wilhelmstraße.

Service Auch während der Sanierungsmaßnamen an der Fassade sind Museum und Café weiterhin geöffnet. Derzeit wie gewohnt über den Haupteingang in der Friedrich-Ebert-Allee.

Schirn Kunsthalle Frankfurt gelingt künstlerischer deutsch-deutscher Gesamt-Blick auf „Glanz und Elend in der Weimarer Republik von Otto Dix bis Jeanne Mammen“

Jeanne Mammen Aschermittwoch, um 1926. Mammen arbeitete für zahlreiche Zeitschriften, darunter den Ulk, den Simplicissimus und die Jugend. Als ebenso aufmerksame wie distanzierte Flaneurin durchstreifte die Künstlerin Berlin und schilderte besonders Frauen in unterschiedlichen Situationen und Rollen. Foto: Diether v. Goddenthow
Jeanne Mammen Aschermittwoch, um 1926. Mammen arbeitete für zahlreiche Zeitschriften, darunter den Ulk, den Simplicissimus und die Jugend. Als ebenso aufmerksame wie distanzierte Flaneurin durchstreifte die Künstlerin Berlin und schilderte besonders Frauen in unterschiedlichen Situationen und Rollen. Foto: Diether v. Goddenthow

In der großen Themen-Ausstellung „Glanz und Elend in der Weimarer Republik von Otto Dix bis Jeanne Mammen“, vom 27. Oktober 2017 bis 28.Feburar 2018, gelingt es der Schirn Kunsthalle Frankfurt auf faszinierende Weise, einen facettenreichen gesamtdeutschen Blick auf die bildende Kunst in Deutschland von 1918 bis 1933 zu werfen.

Die vermeintlich so glamourösen goldenen Zwanziger waren natürlich nur ein Ausschnitt, eine ganz bestimmte Facette dieser Zeit, die vor allem durch soziale Spannungen, politische Kämpfe, gesellschaftliche Umbrüche, aber auch künstlerische Revolutionen und Neuerungen geprägt war, eine Zeit der Krisen, aber auch der Übergänge zwischen dem deutschen Kaiserreich und dem Regime des Nationalsozialismus, so Philipp Demandt, Direktor der Schirn
Kunsthalle Frankfurt beim heutigen Presse-Preview.

„Die Schirn setzt mit ‚Glanz und Elend in der Weimarer Republik‘ ein Gegengewicht zu den bereits vielfach gezeigten Ausstellungen über die ‚goldenen‘ 1920er-Jahre und wirft einen Blick auf das ungeschminkte Leben in der Weimarer Republik", so Dr. Philipp Demandt. v.li.n.r.: Dr. Helmut Müller, Geschäftsführer Kulturfonds Frankfurt RheinMain, Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, Dr. Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Ausstellung. Foto: Diether v. Goddenthow
„Die Schirn setzt mit ‚Glanz und Elend in der Weimarer Republik‘ ein Gegengewicht zu den bereits vielfach gezeigten Ausstellungen über die ‚goldenen‘ 1920er-Jahre und wirft einen Blick auf das ungeschminkte Leben in der Weimarer Republik“, so Dr. Philipp Demandt. v.li.n.r.: Dr. Helmut Müller, Geschäftsführer Kulturfonds Frankfurt RheinMain, Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, Dr. Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Ausstellung. Foto: Diether v. Goddenthow

All diese Facetten der Weimarer Zeit spiegeln sich in der Ausstellung, aber mehr noch: Mit Ingrid Pfeiffers genial kuratierter Ausstellung wird erstmals ein deutsch-deutsches Gesamtbild der „Weimarer Kunstepoche “wiederhergestellt, welches durch die weitere deutsche Geschichte, wie den zweiten Weltkrieg, den Holocaust und die deutsch-deutsche Teilung, zerrissen worden war. Die Schirn vereint 190 Gemälde, Grafiken und Skulpturen von 62 bekannten sowie bislang weniger beachteten Künstlerinnen und Künstlern, darunter Max Beckmann, Kate Diehn-Bitt, Otto Dix, Dodo, Conrad Felixmüller, George Grosz, Carl Grossberg, Hans und Lea Grundig, Karl Hubbuch, Lotte Laserstein, Alice Lex-Nerlinger, Elfriede Lohse-Wächtler, Jeanne Mammen, Oskar Nerlinger, Franz Radziwill, Christian Schad, Rudolf Schlichter, Georg Scholz und Richard Ziegler. Historische Filme, Zeitschriften, Plakate und Fotografien liefern darüber hinaus Hintergrundinformationen.

Die Zeitschriften und Plakate aus dieser Zeit sollen die Besucher bereits im Treppenhaus ein wenig einstimmen. Mit diesem ersten Eindruck über die viel 'gewaltorientierterer Kommunikation' dieser Zeit betritt er dann die Ausstellungsräume und betrachtet die Werke.  Foto: Diether v. Goddenthow
Die Zeitschriften und Plakate aus dieser Zeit sollen die Besucher bereits im Treppenhaus ein wenig einstimmen. Mit diesem ersten Eindruck über die viel ‚gewaltorientierterer Kommunikation‘ dieser Zeit betritt er dann die Ausstellungsräume und betrachtet die Werke. Foto: Diether v. Goddenthow

Im Fokus der Ausstellung steht das Unbehagen der Epoche, das sich in den Motiven und Inhalten wie auch in einem breiten stilistischen Spektrum zeigt. In thematischen Räumen führt sie Darstellungen und Szenen aus Berlin, Dresden, Leipzig, Rostock, Stuttgart, Karlsruhe, München und Hannover zusammen, die bislang eher getrennt voneinander betrachtet wurden und eher dem „veristischen“ Flügel der Neuen Sachlichkeit zuzuordnen sind.
Viele Künstler erwiesen sich als Seismografen ihrer Zeit und scheinen das Scheitern der Weimarer Republik vorausgeahnt zu haben, lange bevor die Katastrophe tatsächlich eintrat.

Direkte, ironische, wütende, anklagende und oftmals auch prophetische Werke verdeutlichen den Kampf um die Demokratie, zeichnen das Bild einer Gesellschaft in der Krise, mitunter in ihrer Orientierungslosigkeit und im Übergang, besonders beispielhaft und drastisch dargestellt in Karl Hubbachs Werken, hier: "Im Rausch des Irrens", um 1923. Foto: Diether v. Goddenthow
Direkte, ironische, wütende, anklagende und oftmals auch prophetische Werke verdeutlichen den Kampf um die Demokratie, zeichnen das Bild einer Gesellschaft in der Krise, mitunter in ihrer Orientierungslosigkeit und im Übergang, besonders beispielhaft und drastisch dargestellt in Karl Hubbachs Werken, hier: „Im Rausch des Irrens“, um 1923. Foto: Diether v. Goddenthow

„Die Schirn setzt mit ‚Glanz und Elend in der Weimarer Republik‘ ein Gegengewicht zu den bereits vielfach gezeigten Ausstellungen über die ‚goldenen‘ 1920er-Jahre und wirft einen Blick auf das ungeschminkte Leben in der Weimarer Republik. Die rund 200 Werke der 62 Künstlerinnen und Künstler halten der Gesellschaft jener Zeit schonungslos den Spiegel vor. So tritt uns eine Epoche am seidenen Faden der Demokratie vor Augen, eine Zeit, die uns vielleicht in mancher Hinsicht näher ist, als wir glauben wollen“, so Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, über die Ausstellung.

Gerd Graetz. Johlende Nationalsozialisten, 1929. Bleistiftzeichnung auf Papier. Foto: Diether v. Goddenthow
Gerd Graetz. Johlende Nationalsozialisten, 1929. Bleistiftzeichnung auf Papier. Foto: Diether v. Goddenthow

Die Kuratorin der Ausstellung, Dr. Ingrid Pfeiffer, erläutert: „Wir lesen die Geschichte der Weimarer Republik oft vom Ende her – von ihrem Übergang in den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg. Trotz der negativen gesellschaftspolitischen Entwicklungen, die die Künstler in ihren Werken so pointiert schildern, entstand die bis heute prägende ,Moderne‘. Die Weimarer Republik war eine progressive Epoche, in der viele wegweisende Ideen entworfen wurden – nicht nur in der Kunst, der Architektur und dem Design. Es wurde auf allen Ebenen heftig über die Ausrichtung der Republik diskutiert, über die Rolle der Frau, die Wochenarbeitszeit oder über die Paragrafen zu Abtreibung und Homosexualität. Neben dem offenkundigen Elend markieren für mich all diese Tendenzen den Glanz der Weimarer Republik.“

Die Themen und Künstler der Ausstellung
Impression der Ausstellung: GLANZ UND ELEND IN DER WEIMARER REPUBLIK VON OTTO DIX BIS JEANNE MAMMEN 27. OKTOBER 2017 – 25. FEBRUAR 2018. Foto: Diether v. Goddenthow
Impression der Ausstellung: GLANZ UND ELEND IN DER WEIMARER REPUBLIK
VON OTTO DIX BIS JEANNE MAMMEN 27. OKTOBER 2017 – 25. FEBRUAR 2018. Foto: Diether v. Goddenthow

Eines der ersten Werke der Präsentation ist das Gemälde Weimarer Fasching (um 1928/29) von Horst Naumann (1908–1990) – ein Panorama der Gesellschaft, eine konzentrierte Zusammenschau jener Phänomene, die in der Weimarer Republik bestimmend waren: die Vergnügungsindustrie, das Geld, der Sport, die Kirche, das Militär, die Waffen, die rechtsnationale Symbolik oder auch der industrielle Fortschritt. Die Hypothek, die die Weimarer Republik belastete und die junge Demokratie massiv bedrohte, waren die wirtschaftlichen Folgen des Krieges und die moralischen Belastungen durch den Versailler Vertrag und seinen Kriegsschuldparagrafen. Insbesondere die Künstler Otto Dix (1891– 1969), George Grosz (1893–1959) und Georg Scholz (1890–1945) reagierten in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in ihren Werken mit ätzender Kritik auf die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Republik. Kriegsversehrte, Tagelöhner und Arbeitslose prägten das öffentliche Leben und fanden als Motive Einzug in die Kunst. Die Schirn zeigt Werke wie Otto Dix‘ Kriegskrüppel (1920) oder George Grosz‘ Invalide (1921/22), die direkt und mit bissigem Humor die Zustände auf den Straßen abbilden. George Grosz und Georg Scholz engagierten sich mit ihrer politisch hochaktuellen Kunst auch gegen nationalsozialistische Tendenzen und erweisen sich rückblickend mit manchen Arbeiten geradezu als Propheten kommender Ereignisse. So malte etwa Georg Scholz bereits 1921 sogenannte Hakenkreuzritter im Café.

Georg Scholz. Kriegsverein, 1922.  Drei deutschnationale Vertreter des Kriegervereins mit Hakenkreuz am Revers stehen vor dem Lokal "Der eiserne Hindenburg", und sehnen sich zurück nach der Monarchie und bekämpfen die Weimarer Republik mit allen Mitteln. Foto: Diether v. Goddenthow
Georg Scholz. Kriegsverein, 1922. Drei deutschnationale Vertreter des Kriegervereins mit Hakenkreuz am Revers stehen vor dem Lokal „Der eiserne Hindenburg“, und sehnen sich zurück nach der Monarchie und bekämpfen die Weimarer Republik mit allen Mitteln. Foto: Diether v. Goddenthow

Seit ihrer Gründung bekämpften Gegner von rechts und links die Republik, da sie andere Vorstellungen von einer gesellschaftlichen und politischen Ordnung in Deutschland hatten. Kommunistische Aufstände und rechtsradikale Putschversuche waren reale und hypothetische Gefahren. Otto Griebel (1895–1972) gehörte zu den ersten Künstlern, die schon 1922 in ihren Werken alle politischen und sozialen Gegensätze schilderten, denen die junge Republik ausgesetzt war. Zusammen mit Lea Grundig (1906–1977) und Hans Grundig (1901–1958), Conrad Felixmüller (1897–1977), Alice Lex-Nerlinger (1893–1975), Curt Querner (1904–1976) und Otto Nagel (1894– 1967) war Otto Griebel auch Mitglied der Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands (ASSO oder ARBKD), die sich zuerst in Berlin und dann 1930 in Dresden gründete und mit der die Künstler aktiv am politischen Geschehen teilnahmen.

Die wachsende soziale Ungerechtigkeit in der Weimarer Republik thematisiert u. a. Georg Scholz in seinem Bild Von kommenden Dingen (1922), in dem er einen fragwürdigen Deal zwischen den wichtigsten Drahtziehern der frühen Weimarer Republik, dem Industriellen Hugo Stinnes, dem Politiker Walther Rathenau und dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Carl Legien, illustriert. Der Spießer, der Wohlgenährte und von der Inflation profitierende Industrielle und Neureiche taucht als Typus in vielen Darstellungen dieser Zeit auf, wie in Der Schieber (1921/22) von Heinrich Maria Davringhausen (1894–1970). Ihm stehen Porträts wie Arbeitslose (1929) oder Stoffhändler (1932) von Grethe Jürgens (1899–1981) gegenüber, in denen sich für die Künstlerin die harte und unmittelbare Gegenwart abbildete.

Paul Grunwaldt. "Varieté", 1925. Foto: Diether v. Goddenthow
Paul Grunwaldt. „Varieté“, 1925. Foto: Diether v. Goddenthow

In der Weimarer Republik waren Kulturveranstaltungen nicht mehr nur das Privileg einer Elite, sondern sie wurden zum Massenvergnügen: Varietés, Revuetheater, Nachtlokale, Cafés und Bars prägten das gesellschaftliche Leben in den Großstädten und boten Möglichkeiten, dem Alltag zu entfliehen. Die Schirn versammelt Darstellungen wie Tiller Girls (vor 1927) von Karl Hofer (1878–1955), Varieté (1925) von Paul Grunwaldt (1891–1962) oder Lissy im Café (um 1930/32) von Karl Hubbuch (1891– 1979). Auch die Illustrationen und Zeichnungen für die Satirezeitschriften Ulk, Simplicissimus und Jugend, wie Logenlogik (1929) von Dodo (1907–1998) oder Aschermittwoch (um 1926) von Jeanne Mammen (1890–1976), sind Zeugnisse eines ausschweifenden, gedankenverlorenen Treibens und zeigen die Abgründe und Schattenseiten der Vergnügungswelt. Die zunehmende Prostitution wurde nicht nur gesellschaftskritisch von Heinrich Ilgenfritz (1899–1969), beispielsweise mit Ernährerin (1928–1932), oder grotesk von George Grosz und Otto Dix in Dame mit Schleier und Nerz (1920), abgebildet, sondern auch subtiler und empathischer, z. B. in Margot (1924) von Rudolf Schlichter (1890–1955) oder in den Werken von Elfriede Lohse-Wächtler (1899–1940). Letztere lebte zeitweise auf Sankt Pauli in Hamburg: Ihre Darstellungen sind drastisch, wie in Über den Leib (1930), aber manchmal auch fast humorvoll und oft voller Sympathie.

Das Rollenbild der Frau veränderte sich in der Weimarer Republik grundlegend. So porträtierten sich etwa Künstlerinnen wie Lotte Laserstein (1898–1993) und Kate Diehn-Bitt (1898–1993) entsprechend einem Verständnis der „Neuen Frau“ urban, selbstbewusst, mit Bubikopf und bisweilen androgyn. In großer Zahl ergriffen Frauen nun neue Berufe wie Telefonistin, Verkäuferin, Ärztin oder Akademikerin. Nahezu ein Drittel der in der Schirn-Ausstellung präsentierten Kunstschaffenden sind weiblich – es sind Künstlerinnen, die in bisherigen Überblickswerken zur Neuen Sachlichkeit oft fehlten. Gerade auch ihre Werke bezeugen die gesellschaftlichen Entwicklungen hin zu mehr Liberalität und Pluralität.

Arthur Segal. Das Abtreibungsgesetz, 1931. Foto: Diether v. Goddenthow
Arthur Segal. Das Abtreibungsgesetz, 1931. Foto: Diether v. Goddenthow

Die „Frauenfrage“ prägte auch die politische Debatten über Abtreibung (Paragraf 218) und Empfängnisverhütung, Eherechte, Prostitution und Frauenlöhne bis hin zu kulturkritischen Erörterungen von Mode und sexueller Orientierung. Nicht nur in Berlin, mit Jeanne Mammen, Lotte Laserstein und Alice Lex-Nerlinger, sondern auch an vielen anderen Orten – Gerta Overbeck (1898– 1977) und Grethe Jürgens in Hannover, Lea Grundig und Hilde Rakebrand (1901–1991) in Dresden, Kate Diehn-Bitt in Rostock, Elfriede Lohse-Wächtler in Hamburg, Hanna Nagel (1907–1975) in Karlsruhe – erarbeiteten Künstlerinnen eigene Spielarten und Ausprägungen eines gesellschaftskritischen Realismus.

Die Ausstellung präsentiert wichtige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der Weimarer Republik, darunter Galeristen, Journalisten, Schriftsteller, Komponisten, aber auch Industrielle, Ärzte und Naturwissenschaftler. Die Bildnisse der Neuen Sachlichkeit von u. a. Erich Büttner (1889–1936), Kurt Lohse (1892–1958) oder Christian Schad (1894–1982) sind Charakterdarstellungen und eindringliche Kommentare zugleich. Neben diesen realen Persönlichkeiten, die auch stellvertretend für Berufe und Funktionen zu sehen sind, entstanden auch Typen-Porträts, wie Der Radionist (1927) von Kurt Günther (1893–1955). Das Radio als neues Massenmedium war Freizeitvergnügen und Informationsquelle zugleich.

Mit dem Sport greift die Ausstellung ein weiteres Thema der Zeit auf. Für Arbeiterschaft, Bürgertum und Intellektuelle gleichermaßen verkörperte der sportliche Wettkampf ein neues Lebensgefühl. Die Ausstellung zeigt u. a. die Rugbyspieler (1929) von Max Beckmann (1884–1950), Der Schaubudenboxer (1921) von Conrad Felixmüller, Skulpturen von Renée Sintenis (1888–1965), die Sportarten wie Laufen, Fußball oder Boxen abbilden, und Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm Wege zu Kraft und Schönheit (1925).

Die Industrialisierung gehört mit Darstellungen von Maschinen, Fabriken, Bahnhöfen und Brücken zu den häufigsten künstlerischen Motiven der Zeit. Meist sind die Industrieanlagen nicht von hektischer Betriebsamkeit erfüllt, sondern eher kühl und menschenleer wiedergegeben. In diesen melancholischen, apokalyptisch anmutenden Landschaften oder etwa den großformatigen und bildfüllenden Maschinen von Carl Grossberg (1894–1940) zeigt sich die zunehmende Skepsis gegenüber Fortschrittsoptimismus und Technikbegeisterung. Die Weimarer Republik gilt als Übergangszeit vom Deutschen Kaiserreich zur Diktatur des Nationalsozialismus: In vielen Bildern der Zeit werden Anspannung, ein ungutes Gefühl, die Vorahnung einer nahenden Katastrophe sichtbar. Das Unbehagen der Epoche wird unterschwellig deutlich. So auch in dem Bild Todessturz Karl Buchstätters (1928) von Franz Radziwill (1895–1983). Seine Biografie wie auch jene von Rudolf Schlichter spiegeln das zeittypische Changieren zwischen politischen Überzeugungen und das zwiespältiges Verhältnis zum Nationalsozialismus wider.

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KATALOG Glanz und Elend in der Weimarer Republik / Splendor and Misery in the Weimar Republic, Herausgegeben von Ingrid Pfeiffer, mit einem Vorwort von Philipp Demandt und Essays von Andreas Braune, Karoline Hille, Annelie Lütgens, Stéphanie Moeller, Olaf Peters, Dorothy Price und Martina Weinland sowie Ingrid Pfeiffer; des weiteren Künstlerbiografien und eine Chronologie zur Weimarer Republik. Deutsche und englische Ausgabe, je ca. 300 Seiten, ca. 260 Abbildungen, 29 x 24 cm, Hardcover; Gestaltung Sabine Frohmader; Hirmer Verlag, München, ISBN 978-3-7774-2932-8 (deutsch), ISBN 978-3-7774-2933-5 (englisch), 35 € (Schirn), 49,90 € (Buchhandel).

DIGITORIAL Zur Ausstellung bietet die Schirn ein Digitorial an. Das kostenfreie digitale Vermittlungsangebot ist responsiv und in deutscher und englischer Sprache erhältlich. Das Digitorial wird durch die Aventis Foundation ermöglicht. Es ist ab dem 19. September 2017 abrufbar unter www.schirn.de/digitorial.

BEGLEITHEFT Glanz und Elend in der Weimarer Republik. Eine Einführung in die Ausstellung. Herausgeber Schirn Kunsthalle Frankfurt. Auf ca. 40 Seiten werden die wichtigsten Arbeiten der Ausstellung vorgestellt und die historischen und gesellschaftspolitischen Zusammenhänge dargelegt. Ab 12 Jahren, 7,50 € einzeln, im Klassensatz 1 € pro Heft (ab 15 Stück).

Foto: Diether v. Goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow

ORT SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, 60311 Frankfurt
DAUER 27. Oktober 2017 – 25. Februar 2018
INFORMATION www.schirn.de E-MAIL welcome@schirn.de
TELEFON +49.69.29 98 82-0 FAX +49.69.29 98 82-240
EINTRITT 12 €, 9 €; freier Eintritt für Kinder unter 8 Jahren VORVERKAUF Tickets sind online unter www.schirn.de/tickets erhältlich FÜHRUNGEN Mi 19 Uhr, Do 20 Uhr, Fr 11 Uhr, Sa 17 Uhr, So 11 und 16 Uhr FÜHRUNGEN BUCHEN individuelle Führungen oder Gruppenführungen buchbar unter Tel. +49 69 29 98 82-0 und E-Mail fuehrungen@schirn.de AUDIOTOUR

Zur Ausstellung ist eine Audiotour für 4 € erhältlich. Gesprochen von Volker Bruch, bietet sie wesentliche Informationen zu den Kunstwerken DIGITORIAL Das Digitorial wird durch die Aventis Foundation ermöglicht MEDIENPARTNER Acht Frankfurt, VGF KULTURPARTNER HR2 KURATORIN Dr. Ingrid Pfeiffer KURATORISCHE ASSISTENZ Maria Sitte

 

„Sissi-Maler“ Franz Xaver Winterhalter im Doppelporträt am 1.Nov. 2017 im Landesmuseum Mainz

Franz-Xaver-Winterhalter Comte und Comtesse de-Nieuwerkerke. Die doppelte Sissi, links in Verkleidung mit Bart.
Franz-Xaver-Winterhalter Comte und Comtesse de-Nieuwerkerke. Die doppelte Sissi, links in Verkleidung mit Bart.

„Der frische Blick“ im Landesmuseum Mainz
Erik Raskopf vom Staatstheater Mainz betrachtet Doppelporträt des „Sissi-Malers“ Franz Xaver Winterhalter

Im Rahmen der Reihe „Der frische Blick“ im Landesmuseum Mainz der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) ist dieses Mal ein Mann der Bühne zu Gast. Erik Raskopf, der künstlerische Betriebsdirektor des Mainzer Staatstheaters, beschäftigt sich am Mittwoch, 1. November, um 17 Uhr mit dem Doppelporträt „Comte und Comtesse de Nieuwerkerke“ von Franz Xaver Winterhalter. Das Werk zeigt den Bildhauer, Kunstsammler und Kulturpolitiker Alfred Emilien, alias Comte de Nieuwerkerke, und dessen Frau um 1840. „Die theatralen Porträts von Winterhalter haben mich sofort fasziniert. Fast lebensgroß scheinen die Porträtierten so lebendig, dass man denken könnte, sie steigen aus dem Rahmen zum Betrachter“, so der Eindruck von Erik Raskopf bei seinem Rundgang durch das Landesmuseum.

Als künstlerischer Betriebsdirektor und Chefdisponent des Staatstheaters Mainz ist Raskopf seit 2014 für die komplexe Terminierung von Künstlern, Proben, Gewerken, Vorstellungen und die gesamte Spielplandisposition verantwortlich. Zuvor war er unter anderem am Theater Trier, am Nationaltheater Mannheim und am Staatstheater Nürnberg tätig. 2001 wurde er zum Gründungsdirektor des Museums der Augsburger Puppenkiste berufen, dem inzwischen erfolgreichsten Puppentheatermuseum Europas. Hin und wieder betritt er auch selbst „die Bretter, die die Welt bedeuten“, wie aktuell in der Operette „Das Weiße Rössl“.
Mit dem Künstler Franz Xaver Winterhalter widmet sich Raskopf einem der gefragtesten Porträtmaler seiner Zeit (1805-1873). Der bekannte Hofmaler des Klassizismus schuf beispielsweise das berühmte Gemälde der einstigen österreichischen Kaiserin Sissi in prachtvoller weißer Ballrobe mit eingeflochtenen Brillantsternen im Haar. Winterhalter wurde im Schwarzwald geboren und bereits mit 20 Jahren zum Hofmaler im badischen Karlsruhe ernannt, jedoch zog es ihn bald nach Paris. Dort avancierte er zum beliebten und vielbeschäftigten Maler des Adels und der High Society. Er porträtierte unter anderem König Leopold I. von Belgien und dessen Frau, Kaiser Napoleon III. oder Kaiserin Eugénie.

Der „frische Blick“ im Landesmuseum Mainz beginnt am 1. November um 17 Uhr. Der Eintritt beträgt 4 Euro (inklusive einem Glas Sekt). Maximale Teilnehmerzahl: 20 Personen; um Anmeldung unter ellen.loechner@gdke.rlp.de wird gebeten.
Das Landesmuseum Mainz ist im Übrigen an den kommenden Feiertagen geöffnet: am 31. Oktober von 10 bis 20 Uhr und am 1. November von 10 bis 17 Uhr.

GENERALDIREKTION KULTURELLES ERBE RHEINLAND-PFALZ
Landesmuseum Mainz
Große Bleiche 49-51
55116 Mainz

„Der Garten der Avantgarde: Heinrich Kirchhoff – ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…“ – Sensationelle Überblicksausstellung der Klassischen Moderne im Museum Wiesbaden

Genau 100 Jahre nachdem der Privatier und Kunstsammler Heinrich Kirchhoff seine bedeutende Sammlung mit Werken der Avantgarde erstmals im Museum Wiesbaden gezeigt hatte, wird diese nun am selben Ort wieder zusammengeführt. Kirchhoff (1874–1934) ließ sich zur Jahreswende 1908/09 in der Kurstadt Wiesbaden nieder mit dem Wunsch, sich dort seinen Leidenschaften Kunst und Natur zu widmen. links: Kunsthistorikerin Sibylle Discher und Roman Zieglgänsberger, Kustos für die "Klassische Moderne" im Raum 6 "Künstlerförderung in Zeiten der Krise" der Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …“ im Museum Wiesbaden vom 27. Okt. bis 24. Feb. 2018. Foto: Diether v. Goddenthow
Genau 100 Jahre nachdem der Privatier und Kunstsammler Heinrich Kirchhoff seine bedeutende Sammlung mit Werken der Avantgarde erstmals im Museum Wiesbaden gezeigt hatte, wird diese nun am selben Ort wieder zusammengeführt. Kirchhoff (1874–1934) ließ sich zur Jahreswende 1908/09 in der Kurstadt Wiesbaden nieder mit dem Wunsch, sich dort seinen Leidenschaften Kunst und Natur zu widmen.
links: Kunsthistorikerin Sibylle Discher und Roman Zieglgänsberger, Kustos für die „Klassische Moderne“ im Raum 6 „Künstlerförderung in Zeiten der Krise“ der Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …“ im Museum Wiesbaden vom 27. Okt. bis 24. Feb. 2018. Foto: Diether v. Goddenthow

Am Donnerstag, 26. Oktober, um 19.00 Uhr eröffnet das Museum Wiesbaden mit 205 Bildern der „Klassischen Moderne“ die sensationelle Ausstellung „Der Garten der Avantgarde: Heinrich Kirchhoff – ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…“. Mit internationalen Leihgaben wurde ein bedeutender Teil der einst 800 Werke umfassenden Sammlung des Wahl-Wiesbadeners (1874-1934) rekonstruiert und damit ein Kunst-Sammler und -Mäzen von internationalem Rang wiederentdeckt.

Als vor drei Jahren das Museum Wiesbaden der Kunsthistorikerin Sibylle Discher sein Archiv zu Recherchezwecke für ihre geplante Dissertation über den Kunst-Sammler und -Mäzen Heinrich Kirchhoff öffnete, hätte wohl niemand geahnt, dass hieraus – genau nach 100 Jahren der ersten Ausstellung des Sammlers und Gartenliebhabers Kirchhoff im Museum Wiesbaden – eine grandiose Überblicks-Ausstellung der Klassischen Moderne: „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …“ entstehen würde. Die Ausstellung läuft bis zum 24. Februar 2018 im Museum Wiesbaden.

„Die Kunsthistorikerin Sibylle Discher und der Kustos für die Klassische Moderne im Museum Wiesbaden haben in einer fruchtbaren wissenschaftlichen Zusammenarbeit dieses herausragende Projekt für das Museum Wiesbaden durchgeführt. Sibylle Discher rekonstruierte die Sammlung Kirchhoff , und Roman Zieglgänsberger gelang zum wiederholten Mal das Kunststück, dazu eine Ausstellung zu konzipieren, die sich sowohl an Fachkollegen wie an ein breites Publikum richtet“, erklärt Museums-Direktor Dr. Alexander Klar beim heutigen Pressegespräch. „Mit der Ausstellung und dem Ausstellungskatalog ‚Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …‘ wird ein wesentlicher Aspekt unserer Museumsgeschichte aufgearbeitet sowie der Erforschung der Kunst der Moderne in Deutschland ein weiterer wertvoller Mosaikstein hinzugefügt“, so der Museumsdirektor. Man könne die Bedeutung Heinrich Kirchhoffs für Wiesbaden – sowohl für die damalige Kur- und Bäderstadt als auch für die heutige Landeshauptstadt – nicht hoch genug einschätzen.

Skulptur "Die Badende" und im Hintergrund das Bild "Susanna im Bade" (1913) von Wilhelm Lehmbruck (1881– 1919) Foto: Diether v. Goddenthow
Skulptur „Die Badende“ und im Hintergrund das Bild „Susanna im Bade“ (1913) von Wilhelm Lehmbruck (1881– 1919) Foto: Diether v. Goddenthow

Ohne ihn hätte es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen historischen Anlass gegeben, wieder eine Abteilung Klassische Moderne im Museum Wiesbaden aufzubauen. Ohne ihn hätte sich Alexej von Jawlensky 1921 nicht in der Stadt niedergelassen, und ohne ihn hätte die Avantgarde hier zwischen 1916 und 1933 schlicht keine Heimat in einem kunstsinnigen und ‚floralen‘ Paradies gefunden“, ergänzt Kustos Roman Zieglgänsberger. Ja, nicht nur für Wiesbaden, auch für die Entwicklung der Moderne in Deutschland insgesamt war der Sammler Kirchhoff von größter Wichtigkeit, so Zieglgänsberger.

Künstlerliste
Allein ein Blick auf die Künstlerliste der jetzt im Wiesbadener Museum gezeigten 205 Werke aus der ehemaligen Kirchhoff-Sammlung zeugt von der herausragenden Bedeutung des Kunst-Sammlers und -Mäzens:

Ernst Barlach (1870– 1938)
Max Beckmann (1884– 1950)
Heinrich Campendonk (1889– 1957)
Marc Chagall (1887– 1985)
Lovis Corinth (1858– 1925)
Josef Eberz, (1880– 1942)
Alois Erbach (1888– 1972)
Fritz Erler (1868– 1940)
Edmund Fabry (1892– 1939)
Conrad Felixmüller (1897– 1977)
Rudolf Grossmann (1882– 1941)
George Grosz (1893– 1959)
Erich Heckel (1883– 1970)
Arnold Hensler (1891– 1935)
Julius Hess (1878– 1957)
Adolf Hölzel (1853– 1934)
Walter Jacob (1893– 1964)
Alexej von Jawlensky (1864– 1941)
Andreas Jawlensky, (1902– 1984)
Wassily Kandinsky (1866– 1944)
Alexander Kanoldt (1881– 1939)
Paul Klee (1879– 1940)
Oskar Kokoschka (1886– 1980)
Wilhelm Lehmbruck (1881– 1919)
Max Liebermann (1847– 1935)
August Macke (1887– 1914)
Franz Marc (1880– 1916)
László Moholy-Nagy (1895– 1946)
Oskar Moll (1875– 1947)
Otto Mueller (1874– 1930)
Emil Nolde (1867– 1956)
Max Pechstein (1881– 1955)
Walter Püttner (1872– 1953)
Christian Rohlfs (1849– 1938)
Edwin Scharff (1887– 1955)
Kurt Schwitters (1887– 1948)
Renée Sintenis (1888– 1965)
Max Slevogt (1868– 1932)
Wilhelm Trübner (1851– 1917)
Josef Vinecky (1882– 1949)
Hans Völcker (1865– 1944)

Wer war Heinrich Kirchhoff?

Bildnis Heinrich Kirchhoff (1918) von Max Liebermann (1847 - 1935) Foto: Diether v. Goddenthow
Bildnis Heinrich Kirchhoff (1918) von Max Liebermann (1847 – 1935)
Foto: Diether v. Goddenthow

Heinrich Kirchhoff, am 10.Juli 1874 in Essen-Rüttenschied geboren, war zunächst in das gutgehende Bauunternehmen seines Vaters eingetreten, veräußerte es aber nach dessen Tod und übersiedelte 1908 als wohlhabender Privatier in die preußisch-kaiserlich geprägte Kur- und Bäderstadt Wiesbaden. Kirchhoff erwarb das große Grundstück Beethovenstrasse 10 am Wiesbadener Sonnenberg. Hierauf ließ er sich von dem Essener Architekt Paul Dietzsch nicht nur eine komfortable Villa errichten, sondern legte ein exotisches Gartenparadies an.

Wie der Gartenliebhaber jedoch auch zum Kunstliebhaber wurde, weiß man nicht genau; „Während man davon ausgehen kann, dass Kirchhoff – tatkräftig unterstützt von diversen Botanikern – von Beginn an vorhatte, einen exotischen Garten nach seinen Ideen anzulegen, weiß man bis heute nicht, ob es eine familiäre Vorbildung in Sachen Kunst und Kultur gegeben hatte, die er etwa bereits in seiner Jugend genossen und in Wiesbaden nur intensivierte, weil ihm hier als Rentier nun mehr Zeit dafür blieb. Vielmehr scheint es so, dass sein Interesse für die bildende Kunst erst hier vor Ort entfacht wurde – Aber wie kam es dazu?“ fragt Roman Zieglgänsberger.

Impressionen des einstigen Gartenparadies.
Impressionen des einstigen Gartenparadies.

Der Kustos  nimmt an, dass Kirchhoff in Wiesbaden auf Menschen der Kunstszene traf, die ihn begeisterten und diese zweite Leidenschaft in ihm weckten und verfestigten. Ereignisse wie der Skandal um die modernen Kurhaus-Gemälde des beim Kaiser 1907 in Ungnade gefallenen Künstlers Fritz Erler sowie das Gesamtkunstwerk Muschelsaal als auch die Verbindung „Kunst und Kultur“ bei der 1. Großen Kunst- und Gewerbeausstellung im Jahr 1909 sowie neue Parkanlagen mit kunstvollen Skulpturen könnten zudem in Kirchhoff den Drang provoziert haben, beides – die Gartenkunst und die bildenden Künste – kreativ und intelligent miteinander zu vereinen. Der Fall Fritz Erler habe ihn elektrisiert. Auf Erler hatte sich Kirchhoff zuerst „eingeschossen“. Er  hatte entgegen des wilhelminischen Zeitgeistes dem Künstler allein vier Werke abgekauft. Vielleicht war das Ereignis um den modernen Künstler Erler die  Initialzündung, gegen den spießig-kaiserlichen zeitgenössischen Kunst-Geschmack insgesamt aufzubegehren, einen neuen Blick für avantgardistische Kunstströmungen zu bekommen, und vielen  jungen Künstlern der Klassischen Moderne beizustehen, sie mit Ankäufen ihrer Werke,  mit Besorgung und Finanzierung von Wohnung und Ateliers auf Zeit, zu fördern? Mitunter schloss er mit seinen „Schützlingen“ Verträge, sicherte ihnen für zwei Jahre Förderung zu und behielt sich im Gegenzug ein Vorkaufsrecht der Werke vor, erläutert .Sibylle Discher.

Kirchhoff erkannte, dass das 1915 eröffnete neue Wiesbadener Museum bis dato eher über überschaubare Kunstbestände aus dem Legat Johann Isaak von Gernings verfügte, aber praktisch keinerlei Gegenwartskunst vorzuweisen hatte.  In diese von ihm erkannte Lücke stieß Kirchhoff vor, indem er  anbot, seine Werke dort als Dauerleihgaben zu präsentieren.  Bei dem progressiven Direktor des Wiesbadener Museums, Eberhard von Schenk zu Schweinsberg, welcher  Kirchhoff  bei Kunstkäufen  beraten und sich mit dem Sammler befreundet hatte, rannte er offene Türen ein. Die unentwegte Bestückung des Museums Wiesbaden mit Kirchhoffs wachsender Sammlung führte dazu, dass Wiesbaden in den  folgenden Jahren bis 1933 zu einem regelrechten Zentrum der Avantgarde wurde.
Kirchhoffs Vision sei es gewesen, „zwischen den beiden Weltkriegen in der bis dahin auch künstlerisch strikt kaisertreuen Kurstadt Wiesbaden ein weiteres Zentrum der Avantgarde neben Berlin zu schaffen.“ unterstreicht Dr. Alexander Klar. Dass ihm das gelungen sei, bezeuge sein – ebenfalls ausgestelltes und digital zugängliches – Gästebuch, so der Museumsdirektor. Dort ist – zum Teil mit Zeichnungen der Gäste – wunderbar belegt, dass  in der Villa  Kirchhoff das „Who is Who“ der damaligen Avantgarde ein- und ausging. Unter seinen Gästen waren nicht nur Kunstgelehrte und Sammler, sondern vor allem Maler wie Beckmann, Kandinsky, Klee, Nolde oder Rohlfs.

Kirchhoff war der erste deutsche Sammler, der seine privat erworbenen Kunstwerke von Anfang an völlig uneigennützig Museen nicht nur für Sonderausstellungen, sondern als Dauerleihgaben zur Verfügung stellte, weswegen er seine erworbenen Werke im Museum Wiesbaden öffentlich zeigte.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 musste Kirchhoffs Freund, der progressive Direktor des Wiesbadener Museums, Eberhard von Schenk zu Schweinsberg, seinen Hut nehmen. Kurz darauf stirbt Heinrich Kirchhoff im Alter von erst 60 Jahren 1934 an einem „Herzanfall“, wie es in der Anzeige heißt, was durchaus im Zusammenhang mit dem brutalen politischen Umschwung in Verbindung stehen könnte, mutmaßt Roman Zieglgänsberger.

Nach Kirchhoffs Tod muss die Familie die Bilder, die nicht mehr im Wiesbadener Museum hängen dürfen, zurücknehmen. Die Sammlung wird in alle Himmelsrichtungen veräußert, auch nach dem Krieg noch, quasi um zu überleben.
Und mit seiner Sammlung verschwand auch der Name Kirchhoff bis auf Weiteres aus der deutschen Kulturgeschichte, erläutert Alexander Klar, der Kirchhoff von seiner tatsächlichen Bedeutung her als dritten bedeutenden Kunstsammler seiner Generation aus dem Ruhrgebiet in eine Reihe mit Karl Ernst Osthaus und Eberhard von der Heydt stellt.

Die Ausstellung zeichnet die Genese der „Sammlung Kirchhoff“ über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten von 1914 bis 1933 nach. Sie zeigt damit anhand der von Kirchhoff geschätzten Maler die Entwicklung der deutschen Kunst vom Impressionismus (Corinth, Liebermann, Slevogt) über den facettenreichen Expressionismus (Chagall, Kokoschka, Lehmbruck, Macke, Marc) bis zur Abstraktion (Kandinsky, Moholy-Nagy). Am Ende wird anhand präzise ausgewählter Werke aus der ehemaligen Sammlung Kirchhoff – aufwendig recherchiert und zusammengetragen aus nationalen und internationalen Museen und Privatsammlungen – klar, dass der vergessene „Garten Kirchhoff“ deutschlandweit eines der wichtigsten Sammelbecken der Avantgarde in den 1920er-Jahren war.

Rundgang durch die Ausstellung!

Der Begleitkatalog

katalog-coverZur Ausstellung erschienen ist der gleichnamige Begleit-Katalog:
Der Garten der Avantgarde
Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…
Roman Zieglgänsberger und Sibylle Discher (Hrsg.)
ca. 432 Seiten, 250 Abbildungen, 22 x 26,5 cm
Imhof Verlag, 2017
ISBN 978-3-7319-0584-4
Euro 35,- (Sonderpreis im Museumsshop)
Mit Beiträgen von Annette Baumann, Astrid Becker, Herbert Billensteiner, Sibylle Discher, Peter Forster, Franz Josef Hamm, Gerhard Leistner, Miriam Olivia Merz, Jutta Penndorf, Christiane Remm, Roman Zieglgänsberger

Digitalisierungsprozess in der Chemie beschleunigt sich – Finanzminister Dr. Schäfer würdigt Leistung der chemischpharmazeutischen Industrie in Hessen

Foto: Diether v. Goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow

Arbeitgeberverband HessenChemie feiert 70-jähriges Bestehen mit den 12. Wiesbadener Gesprächen zur Sozialpolitik unter dem Titel „Vernetzt. Gehetzt? Wertgeschätzt!“ und einem Jubiläumsempfang mit zahlreichen prominenten Ehrengästen, darunter Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer in Vertretung von Ministerpräsident Volker Bouffier, der kurzfristig zu den Koalitionsgesprächen nach Berlin gerufen wurde. 

Der Jubiläums-Empfang:

Wiesbaden, 24. Oktober 2017. Vor 70 Jahren unterschrieben 35 Unternehmer den Gründungsvertrag des Arbeitgeberverbandes Chemie und verwandte Industrien für das Land Hessen e.V. (HessenChemie). Dieses Ereignis hat der Verband gestern im Anschluss an die 12. Wiesbadener Gespräche zur Sozialpolitik mit einem Empfang im Kurhaus Wiesbaden gefeiert. Zu den über 200 Gästen gehörte auch Hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer.

Dr. Tomas Schäfer, Hessischer Finanzminister Foto:  HessenChemie
Dr. Tomas Schäfer, Hessischer Finanzminister Foto: HessenChemie

„Im Namen der Landesregierung gratuliere ich Ihnen herzlich zum 70-jährigen Bestehen. Die Branche, die Sie vertreten, hat einen jahrzehntelangen und entscheidenden Anteil an der Wohlstandsentwicklung und Innovationsfähigkeit unseres Landes. Ohne Chemie und Pharma wäre Hessen nicht das, was es heute ist“, erklärte der Minister.

Nach dem Krieg lag die hessische Wirtschaft zunächst am Boden. Viele Städte und Fabriken waren zerstört. Doch die Hessen krempelten die Ärmel hoch, packten den Wiederaufbau an und leisteten damit einen wichtigen Beitrag zum deutschen Wirtschaftswunder. Im Rahmen der wirtschaftlichen Wiederherstellung und eines funktionierenden Gemeinwesens organisierten sich auch die Arbeitgeber neu und gründeten den Arbeitgeberverband. Am 28. November 1947 trafen sich hierzu Arbeitgeber aus ganz Hessen. Eine Reihe von Gründungsmitgliedern, wie zum Beispiel B. Braun, Continental,
Fresenius, Merck sowie Merz gehören dem Verband heute noch an.
Insgesamt nahmen an der konstituierenden Sitzung 35 Unternehmer teil. Heute sind im Verband 308 Unternehmen organisiert. Die chemischpharmazeutische Industrie erzielte 2016 einen Gesamtumsatz von rund 26 Mrd. Euro und ist damit in Hessen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

„Die hessische Chemie- und Pharmabranche zeichnet sich auch dadurch aus, dass hier seit vielen Jahren ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein bei der Ausgestaltung der Sozialpartnerschaft unter Beweis gestellt wird. Dieser Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten ist einer der Gründe dafür, dass Auseinandersetzungen seltener sind als wir es etwa bei manchen europäischen Nachbarn beobachten können“, so Finanzminister Dr. Schäfer weiter.

Seit 1947 hat sich natürlich viel verändert. HessenChemie versteht sich heute als moderner und leistungsfähiger Verband für seine Mitglieder. Was sich nicht geändert hat, sei hingegen das ordnungspolitische Grundverständnis des Verbandes: „Dies ist unser Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft, zur Tarifautonomie und zu einer gelebten Sozialpartnerschaft“, betonte Prof. Dr. Heinz-Walter Große, Vorstandsvorsitzender der HessenChemie (B. Braun Melsungen AG).

v.l.: Jürgen Funk, Dr. Oliver Franz, Prof. Dr. Heinz-Walter Große, Dr. Thomas Schäfer, Dirk Meyer. Foto: HessenChemie
v.l.: Jürgen Funk, Dr. Oliver Franz, Prof. Dr. Heinz-Walter Große, Dr. Thomas Schäfer, Dirk Meyer. Foto: HessenChemie

Die Themen unserer Zeit seien mit dem Aufbau der Republik zwar nicht vergleichbar, aber ebenfalls herausfordernd. „Ich denke zum Beispiel an die Globalisierung, den demografischen Wandel und nicht zuletzt die Digitalisierung“, so Große abschließend. Für die Zukunft der Branche zeigte sich der Vorstandsvorsitzende optimistisch.

Die 12. Wiesbadener Gespräche zur Sozialpolitik Über den digitalen Wandel und dessen Auswirkungen auf die Arbeitswelt
Über den digitalen Wandel und dessen Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben am Dienstag Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Unternehmen im Kurhaus der Landeshauptstadt diskutiert. Foto: Diether v. Goddenthow
Über den digitalen Wandel und dessen Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben am Dienstag Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Unternehmen im Kurhaus der Landeshauptstadt diskutiert. Foto: Diether v. Goddenthow

Die 12. Wiesbadener Gespräche zur Sozialpolitik haben am Dienstag gezeigt, dass sich die Branche bereits mitten im Digitalisierungsprozess befindet und sich daraus neue Chancen für Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit ergeben. Dies belegt auch die aktuelle Branchen- Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, die unter www.hessenchemie.de zum Download bereitsteht.

 „Vernetzt. Gehetzt? Wertgeschätzt!“

Über den digitalen Wandel und dessen Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben am Dienstag Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Unternehmen im Kurhaus der Landeshauptstadt diskutiert. Der Arbeitgeberverband HessenChemie hatte zu den 12. Wiesbadener Gesprächen zur Sozialpolitik unter dem Titel „Vernetzt. Gehetzt? Wertgeschätzt!“ eingeladen. Den über 200 Gästen wurde dabei auch eine aktuelle Branchen-Studie vorgestellt. Diese zeigt: Knapp 90 Prozent der befragten Unternehmen erachten das Thema als bedeutsam für ihre Wettbewerbsfähigkeit.

„Digitalisierung ist kein kurzfristiger Trend, sondern ein Prozess
kontinuierlicher Weiterentwicklung in allen Unternehmensbereichen“, sagte Prof. Dr. Heinz-Walter Große, Vorstandsvorsitzender der HessenChemie. Digitale Innovationen und neue Geschäftsmodelle können dabei den Standort und die internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken. „Der technologische Fortschritt bietet auch neue Chancen für gute Arbeitsplätze. Hier müssen wir gemeinsam mit dem Sozialpartner immer wieder passende Lösungen finden und die richtigen Rahmenbedingungen setzen“, so Große.

Um einen Überblick über den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Branche zu erhalten, beauftragte der Arbeitgeberverband HessenChemie das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) mit einer Befragung seiner Mitgliedsunternehmen. Das Ergebnis zeigt, dass die Digitalisierung in den Mitgliedsunternehmen angekommen ist. Bereits 88 Prozent der Befragten befassen sich mit dem Thema; mehr als ein Drittel tut dies sogar intensiv.

Die flexible, schnelle und zuverlässige Verfügbarkeit von Produkten und Dienstleistungen für Kunden sind für 92 Prozent typische  Merkmale eines digitalisierten Unternehmens. Die Bereiche Personal und Logistik sind dabei gute Beispiele und „typische“ Digitalisierungstreiber. Hier können viele Vorteile des digitalen Fortschritts genutzt und eine effiziente Vernetzung der Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette erreicht werden. So kann eine digitale Echtzeit-Kommunikation mit Kunden ganz erhebliche Vorteile im Sinne einer Just-in-time Zulieferung bringen.

Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Hessen benötigt auch in Zukunft qualifizierte Fachkräfte. Allerdings lässt sich vermuten, dass sich die Kompetenzanforderungen weiter verändern werden. Dabei ist die Ausgangslage für die Branche gut, denn die Unternehmen verfügen über hoch qualifiziertes Personal. „Das Engagement der befragten hessischen Unternehmen bei Personalentwicklungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ist bereits heute größer als in der Gesamtwirtschaft“, erklärte Dr. Hans-Peter Klös, Geschäftsführer IW Köln.

Anregungen zur Diskussion lieferten dieses Mal die Vorträge von Prof. Dr. Jan Marco Leimeister, Universitäten St. Gallen und Kassel, Dr. Hans-Peter Klös vom IW Köln und des Präsidenten des Bundesinstituts für Berufsbildung, Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser (links im Bild). Foto: Diether v. Goddenthow
Anregungen zur Diskussion lieferten dieses Mal die Vorträge von
Prof. Dr. Jan Marco Leimeister, Universitäten St. Gallen und Kassel, Dr.
Hans-Peter Klös vom IW Köln und des Präsidenten des Bundesinstituts für
Berufsbildung, Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser (links im Bild). Foto: Diether v. Goddenthow

Aber auch die Führungskräfte sind gefordert. Sie nehmen im Digitalisierungsprozess eine besondere Rolle ein. Nicht nur die Anforderungen an deren Kompetenzen haben sich verändert, zwei Drittel der befragten Mitgliedsunternehmen sehen sie auch als Impulsgeber für neue Ideen.

Der Arbeitgeberverband veranstaltet die Wiesbadener Gespräche zur Sozialpolitik seit 2005 regelmäßig im Kurhaus und lädt dazu Experten aus Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft, Politik und Medien ein. Die Reihe greift aktuelle Themen auf, die eine gesamtgesellschaftliche Relevanz haben. Anregungen zur Diskussion lieferten dieses Mal die Vorträge von Prof. Dr. Jan Marco Leimeister, Universitäten St. Gallen und Kassel, Dr. Hans-Peter Klös vom IW Köln und des Präsidenten des Bundesinstituts für Berufsbildung, Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser.

Über HessenChemie
Im Arbeitgeberverband HessenChemie sind 308 Mitgliedsunternehmen mit 107.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen und kunststoffverarbeitenden Industrie sowie einiger industrienaher Serviceunternehmen zusammengeschlossen. HessenChemie vertritt die tarif- und sozialpolitischen Interessen seiner Mitglieder gegenüber Gewerkschaft, Politik und Öffentlichkeit.

70 Jahre HessenChemie zum Download:Historie 70 Jahre HC.compressed

20. Wiesbadener Literaturtage starten am 5. Nov. 2017 – spartenübergreifendes Programm

wsbn.littage5.-9.11.17wDas spartenübergreifende Festival Wiesbadener Literaturtage – veranstaltet vom Kulturamt Wiesbaden / Literaturhaus Villa Clementine mit Unterstützung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain – feiert in diesem Jahr sein 20. Jubiläum.

Der Auftakt der Literaturtage findet am Sonntag, 5. November, um 18 Uhr im Museum Wiesbaden, Friedrich-Ebert-Allee 2, statt. Das Museum ist einer der Orte, die Frank Witzel bereits als Jugendlichen geprägt haben. Besonders die Gemälde von Jawlensky haben einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen. Zum Auftakt der Literaturtage kann sich der Besucher mit Frank Witzel auf einen virtuellen literarischen Rundgang mit dem Titel „Wiesbadener Heimsuchung“ begeben. Dabei offenbart sich sein individueller Zugang zu bildender Kunst, jenseits von kunsthistorischen Bildbetrachtungen. Seine Geschichten zu zwei Dutzend Gemälden der umfangreichen Sammlung hat Frank Witzel in einem literarischen Text festgehalten, der auch als Mediaguide in Kooperation mit dem Museum und hr2 produziert worden ist. Musikalisch wird der Auftakt der Literaturtage von dem Gitarrenvirtuosen Volkmar Zimmermann untermalt. Geboren in Wiesbaden, lebt dieser seit langer Zeit in Kopenhagen und gehört zu den besten Interpreten zeitgenössischer Gitarrenmusik.

Am Tag darauf – Montag, 6. November, um 19.30 Uhr – kann man Frank Witzel zusammen mit dem Posaunisten Uwe Dierksen vom Ensemble Modern im Literaturhaus unter dem Motto „Grund unter Grund“ erleben. Witzel liest im ersten Teil des Abends aus seinem neuen Roman „Direkt danach und kurz davor“. Das Gespräch mit ihm führt Shirin Sojitrawalla, DLF und taz. Im zweiten Teil verbindet sich Witzels Lyrik mit den Klängen von Uwe Dierksen. Ein Chor unterschiedlicher Stimmen fragt in Frank Witzels neuem Roman „Direkt danach und kurz davor“ nach dem, was wirklich geschah. So steigt der Leser in die Bodenlosigkeit von Geschichte und sieht hinab in das Grauen des Menschenmöglichen. Mit dem Roman war Frank Witzel für die Longlist des Wilhelm Raabe-Literaturpreises nominiert. Im zweiten Teil des Abends trifft Witzel auf den Posaunisten Uwe Dierksen vom Ensemble Modern. Für die Frankfurter Lyriktage haben die beiden ein Projekt erarbeitet, das die Gründe und Untergründe aufzeigt, die sich durch das Aufeinandertreffen, Ineinandergreifen, Ergänzen und Kontrastieren von Musik und Lyrik ergeben.

Ein ganz besonderes Gastspiel findet am Dienstag, 7. November, um 19.30 Uhr im Kleinen Haus des Hessischen Staatstheaters statt: Zum ersten Mal bringen die Schauspielerinnen Jule Böwe, Julia Riedler und Julischka Eichel das ihnen von Frank Witzel gewidmete Stück „Jule, Julia, Julischka“ zu Gehör. Darin geraten drei Schauspielerinnen auf einer Probebühne derart aneinander, dass bald nicht mehr zu sagen ist, wo ihre Rollen anfangen und ihre Figuren enden. Jule Böwe ist Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne. Außerdem kann man sie in vielen Hörspielen und Filmen erleben. Julischka Eichel gehört zum Ensemble im Schauspiel Stuttgart. Neben ihrer Theaterarbeit spielt sie in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen. Julia Riedler ist Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele. Außerdem wirkt sie in Film- und Fernsehproduktionen sowie als Sprecherin in Hörspielen mit. Eingerichtet wurde das Stück von Thomas Martin. Er war von 2010 bis 2017 Chefdramaturg und Hausautor der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.

Der Eintritt für den Auftakt frei. Für die Veranstaltung am Montag, 6. November, Literaturhaus Villa Clementine, Frankfurter Straße 1, kostet der Eintritt 12 Euro, ermäßigt 9 Euro zuzüglich Vorverkaufsgebühr. An der Abendkasse kostet der Eintritt 16 Euro, ermäßigt 13 Euro. Karten gibt es im Vorverkauf bei: Tourist-Information Wiesbaden, Marktplatz 1, Telefon (0611) 1729930; TicketBox in der Wiesbadener Galeria Kaufhof, Kirchgasse 28, Telefon (0611) 304808; Frankfurt Ticket, Frankfurt Hauptwache (B-Ebene), Telefon (069) 1340400; online unter www.wiesbaden.de/literaturtage.

Für die Veranstaltung am Dienstag, 7. November, im Staatstheater Wiesbaden, Kleines Haus, Christian-Zais-Straße 3, kostet der Eintritt 18 Euro, ermäßigt 12 Euro. Kartenvorverkauf: An der Kasse im Theater oder online unter www.staatstheater-wiesbaden.de; Tourist-Information Wiesbaden, Marktplatz 1, Telefon (0611) 1729930; TicketBox in der Wiesbadener Galeria Kaufhof, Kirchgasse 28, Telefon (0611) 304808; online unter www.wiesbaden.de/literaturtage.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.wiesbaden.de/literaturtage.

Steve Reichs „Music for 18 Musicians“ inszeniert von Sylvain Groud

tanzplattformEin außergewöhnliches Tanzkonzert mit 150 Tanzbegeisterten aus der Region wird beim Tanzfestival Rhein-Main in Wiesbaden und Darmstadt gezeigt.

Sie haben getanzt, geschwitzt und gelacht: Zur pulsierend-hypnotischen Musik von Steve Reich bewegten sich an diesem Wochenende 150 tanzbegeisterte Menschen jeden Alters aus der Rhein-Main-Region in den Staatstheatern Darmstadt und Wiesbaden sowie im Künstlerhaus Mousonturm. Unter Anleitung von professionellen Tänzerinnen und Tänzern der Compagnie MAD probten die Tanzenthusiasten für „Music for 18 Musicians“ – ein extragroßes Tanzkonzert des französischen Choreografen Sylvain Groud. Und auch in dieser Woche proben sie weiter (unter anderem in der Alexej von Jawlensky Schule in Wiesbaden).

Treibende Kraft des Stücks ist Steve Reichs Musik, die von dem renommierten Ensemble Links gespielt und von Rémi Durupt dirigiert wird. Zu sehen – oder besser gesagt mitzuerleben – ist das Stück in dieser und in der kommenden Woche im Rahmen des Tanzfestivals Rhein-Main. Ein kollektives Musikerlebnis, bei dem garantiert keiner im Publikum lange still auf seinem Platz sitzen bleiben wird.

„Music for 18 Musicians“ ist ein „Projekt zum Mitmachen“ der Tanzplattform Rhein-Main.

Compagnie MAD: „Music for 18 Musicians“
Eine Choreografie von Sylvain Groud
Fr, 27.10., 19.30 Uhr, Hessisches Staatstheater Wiesbaden (Großes Haus)
Di, 31.10., 19.30 Uhr, Staatstheater Darmstadt (Großes Haus)

Weitere Infos: Tanzfestival

»Süßes oder Saures«: Halloween-Special am 30. & 31. Oktober im Hessischen Staatstheater Wiesbaden

Foto: Diether v. Goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow

Das Hessische Staatstheater Wiesbaden bietet exklusiv zu Halloween am Montag, den 30. Oktober und Dienstag, den 31. Oktober den Besucherinnen und Besuchern ein attraktives Angebot auf ausgewählte Vorstellungen an. Nur an diesen beiden Tagen gibt es 20 % Rabatt auf ausgewählte Vorstellungen. Tickets können, so lange der Vorrat reicht, an der Theaterkasse im Großen Haus, telefonisch oder per Mail erworben werden.

20% Rabatt zu Halloween auf ausgewählte Vorstellungen
Für ausgewählte Vorstellungen erhalten Besucherinnen und Besucher beim Kauf eines Tickets 20 % Rabatt.

Die Vorstellungstermine der Aktion im Überblick
Donnerstag, 2. November »Sand in the Eyes« | 19.30 Uhr | Wartburg
Freitag, 3. November »Loserville (Helden von morgen)« | 19.30 Uhr | Wartburg
Donnerstag, 9. November »Sand in the Eyes« | 19.30 Uhr | Wartburg
Freitag, 10. November »Sand in the Eyes« | 19.30 Uhr | Wartburg
Mittwoch, 15. November »Manon« | 19.30 Uhr | Großes Haus
Samstag, 18. November »Maß für Maß« | 19.30 Uhr | Kleines Haus
Samstag, 25. November »Aus dem bürgerlichen Heldenleben | 19.30 Uhr | Wartburg
Donnerstag, 14. Dezember »Shockheaded Peter« | 19.30 Uhr | Großes Haus

Karten sind telefonisch unter 0611.132 325, an der Theaterkasse oder per Mail an vorverkauf@staatstheater-wiesbaden.de erhältlich.
Die Theaterkasse hat am 30. Oktober von 10 bis 19.30 Uhr und am 31. Oktober von 11 bis 13 Uhr geöffnet.

Weitere Informationen: Hessisches Staatstheater Wiesbaden