Der Garten der Avantgarde – Grandiose Ausstellung der Sammlung Kirchhoff eröffnet – Wiesbaden ein Zentrum der Klassischen Moderne

Max Slevogt (1866 - 1932). Landschaft mit Dorf und Bergen (Pfalzlandschaft), 1913, Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow
Max Slevogt (1866 – 1932). Landschaft mit Dorf und Bergen (Pfalzlandschaft), 1913, Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow

Unter großem  Besucherandrang  eröffnete gestern Abend Kunst- und Kulturminister Boris Rhein im Museum Wiesbaden die Ausstellung  „Der Garten der Avantgarde Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…“, die noch bis zum 25. Februar 2018 zu sehen ist

Genau vor 100 Jahren, im Jahr 1917 zeigte der bedeutende Kunstsammler und Mäzen Heinrich Kirchhoff zum ersten Mal seine Sammlung mit Werken des Impressionismus, Expressionismus bis zur Abstraktion im Museum Wiesbaden.

Arnold Hensler (1891 - 1935). Porträtkopf Heinrich Kirchhoff um 1918/19. (Terrakotta). Museum Wiesbaden.Foto: Diether v. Goddenthow
Arnold Hensler (1891 – 1935). Porträtkopf Heinrich Kirchhoff um 1918/19. (Terrakotta). Museum Wiesbaden.Foto: Diether v. Goddenthow

Heinrich Kirchhoff (1874–1934) ließ sich Anfang des 20. Jahrhunderts in Wiesbaden nieder, um sich seinen Leidenschaften Kunst und Natur zu widmen. Innerhalb weniger Jahre stellte er eine hochwertige Sammlung mit Werken des Jugendstils, des Impressionismus und später des Expressionismus zusammen, darunter Werke von Künstlern wie Alexej von Jawlensky, Paul Klee, Emil Nolde und Franz Marc. Kirchhoff wollte seine Sammlungen für alle Bürger öffnen und die Kurstadt zu einem Zentrum der künstlerischen Moderne werden lassen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 galten die Werke seiner Sammlung als „Entartete Kunst“ und wurden aus dem Museum Wiesbaden, in dem sie zuvor ausgestellt worden waren, entfernt (mehr …)

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein. Foto: Diether v. Goddenthow
Kunst- und Kulturminister Boris Rhein. Foto: Diether v. Goddenthow

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein: „Mit ,Der Garten der Avantgarde‘ ist dem Museum Wiesbaden eine spannende Ausstellung gelungen, die Heinrich Kirchhoff einen angemessenen Raum widmet. Besonders freut mich, dass die Kuratoren bei diesem Projekt in enger Kooperation mit der Zentralen Stelle für Provenienzforschung in Hessen und der universitären Forschung zusammengearbeitet haben. Ich wünsche den Besucherinnen und Besuchern einen interessanten Einblick in die Welt eines bemerkenswerten Kunstliebhabers.“

Großer Andrang herrschte nicht nur im völlig überfüllten Vortragssaal, sondern im gesamten Museum. Heinrich Kirchhoff, hätte sicherlich seine Freude gehabt. Foto: Diether v. Goddenthow
Großer Andrang herrschte nicht nur im völlig überfüllten Vortragssaal, sondern im gesamten Museum. Heinrich Kirchhoff hätte sicherlich seine wahre Freude daran gehabt. Foto: Diether v. Goddenthow

 

Ein Rundgang durch die Ausstellung; Der Garten der Avantgarde Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…
Impression der Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …“ Raum 10 mit Arbeiten von Marc Chagall, Emil Nolde, Lehmbruck u. vielen weiteren Expressionisten. Foto: Diether v. Goddenthow
Impression der Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …“ Raum 10 mit Arbeiten von Marc Chagall, Emil Nolde, Lehmbruck u. vielen weiteren Expressionisten. Foto: Diether v. Goddenthow

Der Garten der Avantgarde – Kunst und Natur
Kirchhoffs „Garten der Avantgarde“ eröffnet den Ausstellungsrundgang im historischen Oktogon der Gemäldegalerie. Umfangen von den floralen Fresken im Deckengewölbe, die seinerzeit der Wiesbadener Künstler und Ausstellungsleiter Hans Völcker anfertigte, ist der Raum dem Geist Kirchhoffs und seiner Leidenschaft für die Zusammenführung von Kunst und Natur gewidmet.

Impressionen des einstigen Gartenparadies.
Impressionen des einstigen Gartenparadies.

In einer von Erstem Weltkrieg und Inflation krisenerschütterten Zeit bot das paradiesisch anmutende Idyll in der Wiesbadener Beethovenstraße 10 vielen Künstlern einen Zufluchtsort, der ihre Sehnsucht weckte. Er zog sie magisch an und diente ihnen rund 20 Jahre bis ca. 1933 als Quelle der Inspiration. Hier fanden sich neben Kakteen, Palmgewächsen, Wasserpflanzen, Farnen oder Stauden auch Blütenmeere, Rosenbüsche und verschiedenste Obstbäume. Versteckt waren zwei Vogelvolieren untergebracht, ein künstlich angelegter Flusslauf führte über einen Wasserfall in eine Grotte und kleinere Sitzgruppen luden in Nischen zum Verweilen ein. Im Gästebuch der Familie trugen sich schon bald namhafte Besucher aus allen Regionen Deutschlands ein. So entstanden mitunter auch kleine Künstlerzeichnungen, die bei einem Besuch – etwa von Conrad Felixmüller oder Paul Klee – hinterlassen wurden.

Aufbruch Impressionismus

Max Liebermann (1847 - 1935) Die Tochter des Künstlers am Strand/ Damenbildnis in Weiß. Öl auf Holz. Privatsammlung, Paris. Foto: Diether v. Goddenthow
Max Liebermann (1847 – 1935) Die Tochter des Künstlers am Strand/ Damenbildnis in Weiß. Öl auf Holz. Privatsammlung, Paris. Foto: Diether v. Goddenthow

Der Grundstein der Kunstsammlung Kirchhoffs wurde vornehmlich durch Gemälde des deutschen Impressionismus gelegt. Mit einem bemerkenswerten Gespür für Qualität erstand der Wiesbadener Sammler Hauptwerke des Triumvirats des deutschen Impressionismus: Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt. Die neuartige Freilichtmalerei, die sich dem Malen vor der Natur verschrieben hatte und an den aus Frankreich kommenden Maleinflüssen orientierte, gehörte noch Anfang des 20. Jahrhunderts zu der vom Kaiser wenig geschätzten Avantgarde. Die Künstler wurden hingegen beim aufstrebenden Großbürgertum äußerst populär und erfreuten sich großer Nachfrage. 1918 gab Kirchhoff bei Liebermann, seinerzeit der gefragteste Porträtmaler, sein Bildnis in Auftrag. Im Umkreis der großen Meister erhielten zahlreiche weitere Künstler, deren Werke unter dem Einfluss des Impressionismus entstanden, die Beachtung des Sammlers. Hierzu gehörten unter anderem Wilhelm Trübner, Julius Hess, Oskar Moll oder der junge Max Beckmann. Kirchhoff berücksichtigte aber nicht nur die zeitgenössischen Strömungen in der deutschen Kunst, sondern widmete sich auch den unterschiedlichen angewandten Techniken.

Roman Zieglgänsberger, Kurator der Ausstellung und Kustos für Klassische Moderne im Wiesbadener Museum, erläutert, dass bei Machtübernahme der Nazis alle Arbeiten von Lovis Corinth (1858 - 1915), die vor seinem Schlaganfall entstanden, im Museum bleiben durften, alle späteren als "entartet" wie die anderen Kirchhoff-Bilder entfernt werden mussten. Hier Lovis Corinth: Selbstbildnis in Hut und Mantel. Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow
Roman Zieglgänsberger, Kurator der Ausstellung und Kustos für Klassische Moderne im Wiesbadener Museum, erläutert, dass bei Machtübernahme der Nazis alle Arbeiten von Lovis Corinth (1858 – 1915), die vor seinem Schlaganfall entstanden, im Museum bleiben durften, alle späteren als „entartet“ wie die anderen Kirchhoff-Bilder entfernt werden mussten. Hier Lovis Corinth: Selbstbildnis in Hut und Mantel. Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow

So fanden sich in seiner Sammlung neben Gemälden, Plastiken, Zeichnungen und Aquarellen auch Holzschnitte, Lithografien und Radierungen. Seine über 2.000 Werke umfassenden Bibliothek enthielt unter anderem die von Max Slevogt angefertigten, äußerst seltenen Lithografien zur Luxusausgabe von James Fenimore Coopers Lederstrumpf und die 305 Original-Tuschlithografien zu Johann Wolfgang von Goethes Benvenuto Cellini.

Die „Freie Secession“ und die „Neue Secession“
Zu Max Liebermann, der zwischen 1909 und 1915 wiederholt zu Gast in Wiesbaden war, entstand eine lebenslange Freundschaft. Vermutlich ist auf diese Verbindung Kirchhoffs Interesse an den Berliner Secessionisten zurückzuführen. Die Secession war um die Jahrhundertwende als Gegenbewegung zum etablierten Kunstbetrieb entstanden und versuchte jungen Künstlern Rückhalt gegenüber der kaiserlich konservativen Kunstpolitik zu geben. Nach inneren Streitigkeiten spaltete sich 1914 unter Führung von Max Liebermann die ‚Freie Secession‘ ab, zu der u. a. die Künstler Wilhelm Lehmbruck, Oskar Moll und Renée Sintenis gehörten und die alle Eingang in die Sammlung fanden. Vier Jahre zuvor hatte sich bereits die „Neue Secession“ in Berlin gegründet. Kirchhoff beobachtete die Bewegungen der Berliner Kunstszene genau und versuchte durch seine Ankäufe entsprechende künstlerische Gruppierungen hervorzuheben. In den darauffolgenden Jahren konnten die Freien Secessionisten auch im Museum Wiesbaden ihre Ausstellungen zeigen.

Künstlerförderung in Zeiten der Krise
Die Schrecken des Ersten Weltkriegs stürzten viele Künstler in eine Lebens- und Schaffenskrise. In ihren Werken versuchten sie die traumatischen Eindrücke zu bewältigen und neue Ausdrucksmittel für das Erlebte zu finden. Es war eine Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche und künstlerischen Reformen. Vor allem die jungen Talente, deren Studium zum Teil durch den Krieg jäh unterbrochen wurde, lebten am Existenzminimum. Die Brücke- Künstler hatten es bereits gezeigt: Ohne einen privaten Förderer war auf den künstlerischen Durchbruch kaum zu hoffen. Es war daher ein häufig zu beobachtendes Phänomen, dass sich Künstler einen Sammler suchten und um finanzielle oder ideelle Unterstützung baten. Heinrich Kirchhoff engagierte sich in dieser Zeit besonders für die jungen Maler, die noch am Beginn ihrer Karriere standen. Unter ihnen sind Josef Eberz, Conrad Felixmüller und Walter Jacob hervorzuheben. Als „Mäzen der Moderne“ lud er sie nach Wiesbaden ein und bot ihnen intensive Förderung, Unterkunft und Atelierplatz. Zugrundliegende Vereinbarungen gewährten den Künstlern ein finanzielles Monatsauskommen, wofür sie dem Sammler ein Vorkaufsrecht einräumten. So entstanden zahlreiche Arbeiten vor Ort, die das Umfeld des Sammlers festgehalten haben. Ein besonderer Höhepunkt ist die Grablegung von Walter Jacob. Das Gemälde thematisiert den gemarterten Künstler, der durch seinen Mäzen entschlossen über das Leid hinweggetragen wird. Die Gesichtszüge der Dargestellten sind für den Betrachter eindeutig als die von Heinrich Kirchhoff und Walter Jacob zu identifizieren.

Alexej von Jawlensky – Ein Künstler für Wiesbaden
Der für Wiesbaden bedeutendste Künstler, den Kirchhoff unterstützte, war Alexej von Jawlensky. Nach Kriegsende versuchte er sich von seinem Schweizer Exil aus wieder nach Deutschland zu orientieren. Eine 1920/21 zu diesem Zweck von Galka Scheyer arrangierte Wanderausstellung war in keiner Stadt so erfolgreich wie in Wiesbaden. Maßgeblich dazu beigetragen hatte Heinrich Kirchhoff, der auf Anhieb fünf Gemälde des Künstlers erwarb und ihn zu sich in seinen „Garten der Avantgarde“ einlud. Aufgrund dieses herausragenden Erfolges ließ sich Jawlensky wenig später dauerhaft in Wiesbaden nieder. Die zunehmende Abstraktion im Werk des Malers, seine serielle Bearbeitung eines wiederkehrenden Themas – die Gartenvariationen – weckten die Faszination Kirchhoffs und führten dazu, dass er im Laufe der Zeit über 100 Arbeiten des Künstlers sammelte, darunter nicht weniger als 50 Ölgemälde. Jawlensky zog in die unmittelbare Nachbarschaft seines Sammlers, begleitete ihn auf Ausstellungen und genoss die freundschaftliche Aufnahme in die Familie Kirchhoffs. Aus der Zuneigung zueinander entstanden eine Reihe intimer Werke, in denen Jawlensky seine Hinwendung zur Abstraktion unterbrach. So zog vor allem die Ehefrau des Sammlers mit ihrer von den Künstlern vielgerühmten Schönheit Jawlensky in den Bann. In einem „intimen“ Kabinett sind diese Arbeiten zusammen mit Briefen, Skizzen und einem außergewöhnlichen Schmuckstück, das der Künstler eigenhändig für Tony Kirchhoff kreierte, zu betrachten.

Herzstück Expressionismus
Das Herzstück der ‚Sammlung Kirchhoff‘ bildeten die Expressionisten. Bereits während des Krieges und noch vor Kirchhoffs erster Ausstellung im Museum Wiesbaden hatte er begonnen, farbintensive und formal expressive Gemälde zu sammeln. Gezielt suchte Kirchhoff nach exemplarischen Spitzenwerken seiner Zeit, um den Facettenreichtum des Expressionismus zu erfassen. Jeder Künstler vertrat innerhalb der Sammlung eine eigene künstlerische Position, wodurch schließlich die verschiedensten geistigen und stilistischen Strömungen zusammenfanden und ein Gesamtbild des deutschen Expressionismus widerspiegelten.

Kunsthistorikerin Sibylle Discher, gab mit Ihrer Dissertation und folgender Rekonstruktion der Ausstellung Kirchhoff den Anstoß zur Ausstellung "Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde ...", hier im Raum !0, Herzstück Expressionismus. Foto: Diether v. Goddenthow
Kunsthistorikerin Sibylle Discher, gab mit Ihrer Dissertation und folgender Rekonstruktion der Ausstellung Kirchhoff den Anstoß zur Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde …“, hier im Raum !0, Herzstück Expressionismus. Foto: Diether v. Goddenthow

Unter den Bildern finden sich farbgewaltige Arbeiten wie die von Emil Nolde oder solche, die bereits früh in Richtung der Abstraktion deuteten, wie die von Christian Rohlfs. Oskar Kokoschkas Alpenlandschaft weist stattdessen eine ähnliche, kristalline Formensprache auf wie die kurz vor dem Krieg entstandenen Arbeiten von Franz Marc, während Marc Chagall eine ganz eigene poetische Sprache in seinen Bildern entwickelte. Gingen die Kompositionen zwar stilistisch weit auseinander, so ähnelten sie sich inhaltlich: Immer wieder wird der Mensch ins Zentrum gerückt und seine Existenz, sein Handeln und seine Verletzlichkeit überprüft, um der Frage nach der eigenen Identität auf den Grund zu gehen.

Konstruktive und abstrakte Tendenzen

Wassily Kandinsky (1866 - 1944) Ein Zentrum, 1924. Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow
Wassily Kandinsky (1866 – 1944) Ein Zentrum, 1924. Öl auf Leinwand. Foto: Diether v. Goddenthow

Der Ausgang des Ersten Weltkrieges und der Umsturz von der Monarchie zur ersten deutschen Demokratie führten zu großen Veränderungen. Die herbe Kriegsniederlage und die einsetzende Inflation entrissen den Bürgern ihren Halt, erschütterten ihren Glauben und zwangen sie zum Umdenken. Altbekannte Strukturen zerbrachen und die Gesellschaft geriet ins Wanken. Aus der Zerstörung heraus entstanden künstlerische Ideen einer neuen Lebensgestaltung durch geometrische, abstrakte Konstruktionen. Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger waren 1921/22 als Lehrer dem Bauhaus beigetreten. Ein Jahr später kam auch László Moholy-Nagy hinzu. In jener Zeit begann Kirchhoff, der durch Jawlensky inzwischen mit abstrakten Positionen vertraut geworden war, seine impressionistischen Werke zu veräußern und sich zunehmend eben diesen Bauhaus- Vertretern zuzuwenden. Bedenkt man, dass Kirchhoff zu diesem Zeitpunkt kaum länger als zehn Jahre sammelte, wird die Radikalität und Kompromisslosigkeit deutlich, mit der er entschlossen den Weg vom Impressionismus zur Abstraktion in kürzester Zeit zurücklegte. Das Ende der Sammlung kam abrupt. 1933 wurde mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine so progressive Kunstsammlung im öffentlichen Raum undenkbar. Noch bevor Heinrich Kirchhoff im Oktober 1934 unerwartet verstarb, wurden Teile seiner Sammlung aus dem Museum Wiesbaden entfernt und zurückgegeben. Heute finden sich die Werke weltweit in den rennommiertesten Museen wieder, was bis heute für ihre außergewöhnliche Qualität und Bedeutung spricht.

Heinrich Kirchhoff und seine Nachfolger
Heinrich Kirchhoff zog mit seinem Garten und seinen Bildern nicht nur Botaniker und Künstler an, sondern auch viele Sammler (wie August von der Heydt), Kunsthistoriker (wie Julius Meier-Graefe) oder Kunsthändler (wie Hans Goltz). Für das Museum Wiesbaden von größter Bedeutung entpuppten sich jedoch die beiden Besuche der Künstlerin Hanna Bekker vom Rath (1893–1983). Zweimal hat sich Hanna Bekker bei Kirchhoff ins Gästebuch eingetragen: am 5. Januar 1918 und noch einmal, neun Jahre später, am 20. Oktober 1927. Möglicherweise war es Kirchhoff, der als Künstlermagnet und starke Persönlichkeit einen derart prägenden Eindruck bei ihr hinterließ, dass sie um 1920 begann, selbst Kunst zu sammeln. Eine ihrer ersten Erwerbungen war denn auch die Büste der Knieenden des Bildhauers Wilhelm Lehmbruck, der mit der zeitgleich entstandenen Skulptur Badende in der Sammlung Kirchhoff vertreten war. Wenn man so möchte, kam Hanna Bekker als junge Künstlerin zu Kirchhoff (sie wurde in Stuttgart von der Malerin Ida Kerkovius unterrichtet) und wurde, nach den vielfältigen Eindrücken, die sie dort empfangen hatte, zur Sammlerin und Mäzenin. Ihr Frankfurter Kunstkabinett, das sie nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 eröffnete, war denn auch immer mehr als nur ein Mittel zum Geld verdienen. Sie unterstützte insbesondere diejenigen expressionistischen Künstler, denen sie bereits während des Nationalsozialismus das Malen trotz Arbeitsverbot mutig in ihrem Privathaus in Hofheim am Taunus, dem sogenannten Blauen Haus, ermöglicht hatte. Ihre Privatsammlung mit Hauptwerken von Künstlern wie Max Beckmann, Erich Heckel, Adolf Hölzel, Alexej von Jawlensky oder Karl Schmidt-Rottluff, die ehemals alle auch in der Sammlung Kirchhoff vertreten waren und deren Malerei sie dort kennengelernt hatte, kam 1987 an das Museum Wiesbaden, wo sie heute das hoch qualitätsvolle Fundament der Abteilung Klassische Moderne bildet.

Solch ein Besucheransturm hatten die Ausstellungsmacher in ihren kühnsten Träumen nicht erwartet. Mit der Überblicksausstellung zur Klassischen Moderne "Der Garten der Avantgarde ...." haben sie voll ins Schwarze getroffen. Foto: Diether v. Goddenthow
Solch ein Besucheransturm hatten die Ausstellungsmacher in ihren kühnsten Träumen nicht erwartet. Mit der Überblicksausstellung zur Klassischen Moderne „Der Garten der Avantgarde ….“ haben sie voll ins Schwarze getroffen. Foto: Diether v. Goddenthow

Im Frühjahr 2018 präsentiert das Museum Wiesbaden die Stiftung Brabant. Der Wiesbadener Sammler Frank Brabant (*1937) ist, wenn man so möchte, ein „Enkel“ von
Heinrich Kirchhoff, da er 1963 just bei Hanna Bekker in Frankfurt sein erstes Kunstwerk erwarb – einen Holzschnitt von Max Pechstein. Ihre Persönlichkeit war es nicht zuletzt, die seine Kunstleidenschaft weckte. Heute umfasst seine Sammlung, deren Schwerpunkt ähnlich wie bei Kirchhoff auf expressionistischer und neusachlicher Kunst liegt, etwa 600 Werke. Die Hälfte wird Brabant anlässlich seines 80. Geburtstags großzügig dem Museum Wiesbaden stiften. Jawlenskys frühes Hauptwerk Helene im spanischen Kostüm – das größte Gemälde, das der russische Maler je geschaffen hat – schenkte Brabant dem Museum im Vorgriff darauf bereits im Jahr 2014.

Kunst- und Kulturminister Boris Rhein (li). freut sich mit Museumsdirektor Dr. Alexander Klar über das gute Gelingen dieser Ausstellung. Foto: Diether v. Goddenthow
Kunst- und Kulturminister Boris Rhein (li). freut sich mit Museumsdirektor Dr. Alexander Klar über das gute Gelingen dieser Ausstellung. Foto: Diether v. Goddenthow

Durch das Hitlerregime wurde die Sammlung Kirchhoff in alle Welt zerstreut. Dennoch bleibt sein Geist in Wiesbaden lebendig, zum einen durch die Werke, die das Museum Wiesbaden seit 1950 zurückerwerben konnte, durch die von Kirchhoff inspirierten Hanna Bekker und Frank Brabant, ihre Sammlungen und nicht zuletzt durch diese Ausstellung.

 

Der Begleitkatalog

katalog-coverZur Ausstellung erschienen ist der gleichnamige Begleit-Katalog:
Der Garten der Avantgarde
Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…
Roman Zieglgänsberger und Sibylle Discher (Hrsg.)
ca. 432 Seiten, 250 Abbildungen, 22 x 26,5 cm
Imhof Verlag, 2017
ISBN 978-3-7319-0584-4
Euro 35,- (Sonderpreis im Museumsshop)
Mit Beiträgen von Annette Baumann, Astrid Becker, Herbert Billensteiner, Sibylle Discher, Peter Forster, Franz Josef Hamm, Gerhard Leistner, Miriam Olivia Merz, Jutta Penndorf, Christiane Remm, Roman Zieglgänsberger

Ort:
Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum
für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄335 2250, Fax 0611 ⁄335 2192
www.museum-wiesbaden.de
museum@museum-wiesbaden.de

Führungen und Veranstaltungen zur Ausstellung
Der Garten der Avantgarde
Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…

Führungen
Sa 28 Oktober 15:00 Uhr
So 29 Oktober 15:00 Uhr
Di 31 Oktober 15:00 Uhr
Sa 4 November 15:00 Uhr
So 5 November 15:00 Uhr
Di 7 November 18:00 Uhr
So 12 November 15:00 Uhr
Di 14 November 18:00 Uhr
Sa 18 November 15:00 Uhr
Di 21 November 18:00 Uhr
Sa 25 November 15:00 Uhr
Di 28 November 18:00 Uhr
So 3 Dezember 15:00 Uhr
Di 5 Dezember 18:00 Uhr
Sa 9 Dezember 15:00 Uhr
Di 12 Dezember 18:00 Uhr
Sa 16 Dezember 15:00 Uhr
So 17 Dezember 15:00 Uhr
Sa 23 Dezember 15:00 Uhr
Sa 30 Dezember 15:00 Uhr

Vorträge
Do 1 Februar 2018 19:00 Uhr
Die Sammlung Kirchhoff. Ein Leuchtfeuer für Wiesbaden
Dr. Sibylle Discher, Co-Kuratorin der Kirchhoff-Ausstellung

Do 8 Februar 2018 19:00 Uhr
Frühe Sammler des russischen Malers Alexej von Jawlensky
Angelica Jawlensky Bianconi, Alexej von Jawlensky-Archiv, Locarno

Kunst & Kuchen
Do 9 November 15:00 Uhr Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…

Art after Work
Di 21 November 19:00 Uhr
„Gartenlust“ – Der Sammler Heinrich Kirchhoff

Angebote für Kinder und Familien

Sa 4 November 11:00 – 14:00 Uhr
Offenes Atelier Spezial am eintrittsfreien Samstag zur Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…“

Sa 18 November 11:00 – 13:30 Uhr
Museumswerkstatt für Kinder: „Mein Traumgarten“. Künstlerisches Gestalten zur Ausstellung „Der Garten der Avantgarde“.

Ort:
landesmuseum-wiesbadenMuseum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum
für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄335 2250, Fax 0611 ⁄335 2192
www.museum-wiesbaden.de
museum@museum-wiesbaden.de

Öffnungszeiten
Mo geschlossen Di, Do 10:00—20:00 Uhr Mi, Fr—So 10:00—17:00 Uhr An Feiertagen 10:00—17:00 Uhr geöffnet. Auch Ostermontag und Pfingstmontag geöffnet

Eintritt Sonderausstellung* 10,— Euro (7,— Euro) * Eintritt in die Sonderausstellungen beinhaltet den Besuch der Sammlungen. Familienangebot: Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre in Begleitung ihrer Eltern freier Eintritt. Weitere Ermäßigungen und Tarife für Gruppen unter: www.museum-wiesbaden.de ⁄preise

Verkehrsanbindung PKW und Reisebusse: A 66, Abfahrt Wiesbaden-Erbenheim, Richtung Stadtmitte, Parkhaus Rheinstraße Bahn: Zum Hbf Wiesbaden mit DB und S1, S8 und S9 aus Richtung Frankfurt und Mainz. Vom Hbf 10 min Fußweg zum Museum Linienbusse: Rheinstraße und Wilhelmstraße.

Service Auch während der Sanierungsmaßnamen an der Fassade sind Museum und Café weiterhin geöffnet. Derzeit wie gewohnt über den Haupteingang in der Friedrich-Ebert-Allee.