Das am 23. Juni 2024 eröffnete Wiesbadener Kunstmuseum Reinhard Ernst an der Wilhelmstrasse 1 hat in seinen ersten 100 Tagen bereits 60.000 Besucher angezogen. Das sei von hier aus „eine Menschenkette bis nach Limburg“, oder sind „mehr Fans, als in das Stadion der Eintracht Frankfurt passen“, oder „600 Menschen täglich“, zog sein Gründungsdirektor Dr. Oliver Kornhoff gemeinsam mit Museumsgründer, Namensgeber und Kunstsammler Reinhard Ernst und Kuratorin Lea Schäfer die überdurchschnittliche Drei-Monats-Bilanz. Wir haben zwar mit vielen Besuchern gerechnet, so Ernst, ,, „in dieser Größenordnung allerdings nicht».
Die Kunst- und Architekturbegeisterten, die das kubusartige Museum Ernst des japanischen Stararchitekten Fumihiko Maki in der Wilhelmstraße 1 vom 23. Juni bis 30. September 2024 besuchten, kamen nicht nur aus der Region und Deutschland, sondern aus mehr als 20 Ländern, insbesondere aus Benelux, aber auch aus Frankreich, Österreich und der Schweiz sowie aus Neuseeland und USA. 17.000 Gäste haben an 700 Gruppenführungen teilgenommen und haben sich „unsere Vorstellungen von moderner Kunst nahebringen lassen, so Kornhoff. Viele Gäste brächten oft schon sehr viel Wissen über moderne Kunst mit, und für sie sei es mitunter richtig überwältigend und eine Körpererfahrung, wenn sie dann die mitunter riesigen Werke in Originalgröße entdeckten. Sie erlebten also nicht nur eine intellektuelle, visuelle, sondern auch eine körperliche Kunsterfahrung, sozusagen eine Art Selbstertüchtigung im Museum, so der Direktor.
Wer dann jedoch noch mehr in die Tiefe gehen möchte, dem seien die Media-Guides empfohlen mit derzeit vier Touren im Angebot, der Tour der Lieblingsstücke, original eingesprochen von Reinhard Ernst, die Tour über die Architektur des Museums, als dritte Tour: „Highlights“ und schließlich eine Kindertour auf der Suche nach dem weißen Wal.
Ein digitales Farblabor für Kinder
Vormittags ist das Museum ausschließlich Kindern und Jugendlichen vorbehalten. „Vor allem freut es meine Frau und mich, dass so viele junge Menschen unser Museum besuchen. Die Begegnung mit Kunst setzt kreative Energien frei und fördert das vernetzte Denken – eine Fähigkeit, die man nicht früh genug erlernen kann. Sie hilft später im Beruf, Zusammenhänge einzuordnen und innovative Lösungen zu finden“, ist Ernst überzeugt.
Allerdings bedeute das aber auch, so Direktor Kornhoff, dass wir zwischen 10.00 und 12.00 Uhr auch keine Einnahmen haben. Aber darum ginge es ihnen ja auch nicht. Das Angebot sei bislang von Schulen und Bildungsinstitutionen sehr stark nachgefragt worden, wir sind bis Dezember völlig ausgebucht, freut sich Kornhoff. Man habe täglich drei bis vier Schulklassen hier. Seit der Eröffnung wurden 100 pädagogische Gruppenführungen mit über 1.500 Kindern durchgeführt. In den Wochen vor den Sommerferien nutzten zahlreiche Gruppen dieses Angebot: von Kitas über Grundschüler bis hin zu Berufsschulen und Schülern der ersten und zweiten Sekundarstufe.
Die zwei Highlights „Kunst“ und „Architektur“
„Das Museum hat sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Publikumsmagneten in Wiesbaden entwickelt“, so der Museumgründer. „Wir haben hier zwei Highlights. Wir haben „Kunst“ und wir haben „Architektur“ Dieses Konzept von erstklassiger Architektur und einer bis dato noch nicht gezeigten Sammlung von internationaler abstrakter Kunst verbunden mit ungewöhnlichen Vermittlungsangeboten und einem hervorragenden kulinarischen Angebot hat unsere Besucher überzeugt.“
Und auf die Frage, ob er, rückblickend betrachtet, jetzt vielleicht irgendetwas am Museum noch hätte besser machen wollen, fiel Ernst nichts, was er hätte besser machen wollen, ein, „allenfalls“, so Ernst, „dass wir größer hätten bauen sollen“. Aber das wäre so mit „den“ Wiesbadenern nicht machbar gewesen. Nein, man sei sehr glücklich über den großen Erfolg des Museums. Man habe mit dem modernen Kunstmuseum als neues kulturelles Highlight der Stadt Wiesbaden auch geholfen, sich mit ihren Bürgern, was den Verfall der Wilhelmstrasse betrifft, zu versöhnen. Das Museum belebe nicht nur die Wilhelmstraße.
Leichter Bilbao-Effekt
Kornhoff spricht in diesem Zusammenhang gar von einem leichten Bilbao-Effekt für Wiesbaden. Zurück geht der Begriff auf die positive, aufwertende Entwicklung, die die einst ein wenig abgewirtschaftete nordspanische Stadt Bilbao nahm, nachdem 1997 das spektakuläre Guggenheim-Museum des US-amerikanischen Architekten Frank O. Gehry eröffnet wurde. Auch Wiesbaden – ob Hotellerie, Einzelhandel oder Kultur bis hin zur Belebung der Fußgängerzone – profitiere mittelfristig von den Besucher-Erfolgen des Museum Reinhard Ernst mit seiner Architektur der „Superklasse“ und „Kunst von Weltrang“.
Erlebnis-Paket Museum Reinhard Ernst
Dass der am meisten geteilte News-Post des Museums, der mit den geöffneten Sonnen-Schirmen der Museumsrestauration Rue 1 war, zeige zudem, dass ein Museum wie dieses vor allem auch ein Ort sei, an dem Menschen sich treffen, gemeinsam etwas erleben und endlich auch wieder an der Wilhelmstraße unter Platanen sitzen und ein Boulevardgefühl entwickeln könnten. Dieses Erlebnis-Paket aus Kunst, Architektur, Geselligkeit und guter Kulinarik sei nicht zu unterschätzen, ob ein Museum angenommen würde oder nicht, so Kornhoff. Auch zeige die hohe Zahl bislang verkaufter Dauerkarten, dass die Wiesbadener ihr Museum Reinhard Ernst liebten, so der Direktor.
Das Museum Reinhard Ernst solle auch zu einem Ort der Gespräche werden. Vorgesehen sei, Künstlerinnen und Künstler zu Talks einzuladen, die in enger Beziehung zum Museum stünden. Aber auch Konzerte und andere Kultur-Events seien vorgesehen, manche hätten auch schon stattgefunden.
Eine wichtige Säule in der Einnahmenstruktur sei die Vermietung des Maki-Saals und des Foyers für Events wie Konzerte, Firmenevents, Podiumsdiskussionen, Geburtstags- oder Jubiliäumsfeiern, (Produkt-)Präsentationen, Modenschauen usw. Die Einnahmen hieraus gingen in die Vermittlung, die für Kinder und Jugendliche kostenlos sei.
Geliebt oder gehasst: „Zuckerwürfel“?
Natürlich gefalle nicht jedem die moderne Architektur inmitten der historischen Wilhelmstraßen-Architektur. Mitunter sei von Betonklotz die Rede, liebevoller auch von „Zuckerwürfel“. Mit dieser Kritik können wir leben, so Ernst. „Denn die Bauten des japanischen Stararchitekten Fumihiko Maki polarisieren immer.“ Die einen liebten sie, die anderen lehnten sie ab. Übrigens: Wer möchte kann noch bis zum 9.02.2025 die Modelle von Makis spektakulären Bauten weltweit in der Sonderausstellung „Fumihiko Maki und Maki & Associates: Für eine menschliche Architektur“ studieren.
Ausblick auf 2025: Fokus auf Helen Frankenthaler
„Farbe ist alles!“ bis März 2026
Unter dem Titel „Farbe ist alles!“ wird noch bis März 2026 die erste umfangreiche Sammlungspräsentation herausragender Werke der Abstraktion nach 1950 aus den USA, Japan und Europa weiterhin zu sehen sein. Gezeigt werden 60 Meisterwerke aus der fast 1.000 Werke umfassenden Sammlung von Reinhard Ernst. Die Ausstellung veranschaulicht die bahnbrechenden Entwicklungen in der Malerei durch Arbeiten von Künstler wie Friedel Dzubas, K.O. Götz, Toshimitsu Imaï, Helen Frankenthaler, Robert Motherwell, Judit Reigl, Tōkō Shinoda, Pierre Soulages, Frank Stella und Fred Thieler. Die Sammlungspräsentation wird alle zwei Jahre wechseln.
Fumihiko Maki Sonderausstellung bis 9.02.2025
Noch bis zum 9. Februar 2025 ist die erste Sonderausstellung „Fumihiko Maki – Maki and Associates: Für eine menschliche Architektur“ im Museum zu sehen. Die Ausstellung widmet sich dem 1928 geborenen, kürzlich verstorbenen japanischen Star-Architekten und zeigt Modelle seiner bedeutendsten Projekte, darunter den Tower 4 des World Trade Centers in New York.
Das „Helen Frankenthaler Jahr 2025″ im mre
2025 werde ein „Helen Frankenthaler“ im Museum Reinhard Ernst werden, so verrät Kuratorin Lea Schäfer. Ab zirka März 2025 stünde dann das Museum Reinhard Ernst ein Jahr lang ganz im Zeichen von Helen Frankenthaler (1928–2011) . Was viele vielleicht nicht wissen: Reinhard Ernst hat im Laufe der Jahre die weltweit größte Privatsammlung ihrer Werke aufgebaut, die fast 50 bedeutende Gemälde aus den Jahren 1950 bis 1990 umfasst. Diese Meisterwerke werden in vier Ausstellungssälen des Museums gezeigt werden, wobei viele der Arbeiten erstmals in Deutschland zu sehen sind. Dies ist zudem die erste große Einzelausstellung Frankenthalers in Deutschland seit fast 25 Jahren, die sich auf ihre großformatigen Leinwandgemälde konzentriert. Darüber hinaus bleibt Frankenthaler auch in der Sammlungspräsentation des Museums präsent.
Die Ausstellung verbindet verschiedene Schaffensphasen der Künstlerin, um die Innovationskraft und Vielfalt ihrer Kunst deutlich zu machen. Auf diese Weise wird ein intensives Bild von Frankenthalers Arbeit vermittelt, die die abstrakte Malerei der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflusst hat.
Im Vorfeld der Ausstellung sendet Arte ein filmisches Porträt über Helen Frankenthaler und ihr Werk. Drehort dazu war unter anderem auch das Museum Reinhard Ernst.
(Diether von Goddenthow/Rhein-Main.Eurokunst)