Kategorie-Archiv: Politisches Sachbuch

„Ich habe kein Problem damit, Donald Trump als Narzissten zu bezeichnen“ – Mary L. Trump zeichnet Psychogramm ihres Onkels

Mary L. Trump: Zu viel und nie genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf (deutsche Ausgabe von Too Much and Never Enough), Heyne Verlag, München 2020, Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten, € 22,00 [D] inkl. MwSt. ISBN: 978-3-453-21815-4
Mary L. Trump: Zu viel und nie genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf (deutsche Ausgabe von Too Much and Never Enough), Heyne Verlag, München 2020, Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten, € 22,00 [D] inkl. MwSt. ISBN: 978-3-453-21815-4
2017 hatten die politisch motivierte Gruppe Citizen Therapists for Democracy und der renommierte US-Psychotherapeut Dr. John Gartner von der John Hopkins University Medical School, Baltimore, (Maryland) Donald Trump eine narzisstische Persönlichkeitsstörung bescheinigt und im Nachrichtenmagazin US-News gewarnt, dass der 45. Präsident der USA an einen unheilbaren „malignen Narzissmus“ leide .

„Donald Trump ist gefährlich geistig krank und charakterlich unfähig, Präsident zu sein“, so Dr. John D. Gartner. Damit verstieß Gartner bewusst gegen die Goldwater-Regel, die Psychiatern eine Diagnose aus der Ferne untersagt. Tausende Psychologen, Psychiater und Psychotherapeuten hatten sich den Citizen Therapists angeschlossen und gemeinsam in einem Manifest die Überzeugung vertreten, dass die „ Freiheit der Menschen in den USA, gar weltweit, durch Narzissten wie Trump bedroht“ sei.

Stellten die Citizen Therapists Ferndiagnosen, so präzisiert nunmehr die  promovierte Expertin für Klinische Psychologie Mary L. Trump aus familiärer Insiderposition Donald Trumps Psychogramm in ihrem in diesen Tagen erschienenen Buch „“Zu viel und nie genug“, Heyne-Verlag, München 2020:„Ich habe kein Problem damit, Donald Trump als Narzissten zu bezeichnen – alle neun Merkmale, wie sie im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) dargelegt sind, treffen auf ihn zu – aber die Rubrizierungen allein reicht nicht“ (Mary L. Trump 2020, S. 25). Nach ihrer fachärztlichen Einschätzung erfülle ihr Onkel möglicherweise ein ganzes Bündel weiterer psychischer Störungen, wie etwa Kriterien einer antisozialen Persönlichkeit Fakt sei, dass Donalds Pathologien so komplex seien und sein Verhalten so unerklärbar, das es für eine genaue und umfassende Diagnostik einer ganzen Batterie an psychologischen und neurologischen Tests bedürfe, resümiert die Autorin.

Wenngleich Mary L. Trump ihren Onkel Donald aufgrund seiner mangelnden psychischen Voraussetzungen mit dem Präsidentenamt für  überfordert hält, entschuldigt sie dessen Verhalten – zumindest indirekt –  mit seiner  traumatischen Kindheit, in der aus ihm wurde, was er heute darstellt. Auf rund 245 Seiten beschreibt und kommentiert die Autorin fachlich kompetent die Leiden der Trump-Kinder an ihren „Problem-Eltern“. Insbesondere das Leiden unter Donald Trumps Vater Fred, dem die Autorin eine antisoziale Persönlichkeitsstörung bescheinigt, was sie anhand zahlreicher, unglaublicher Beispiele plausibilisiert.

„Ein Soziopath in der Elternrolle“, so die Autorin, sei ein Garant für schwere Störungen im kindlichen Selbstverständnis, der Emotionssteuerung und der Beziehung zur Welt, schon gar, wenn niemand da ist, der die Auswirkungen abfedern könne. Und da war niemand. Denn Freds Frau Mary „sei die Art Mutter gewesen, die nicht ihre Kinder tröstete, „sondern sich an ihnen tröstet“. „Sie kümmerte sich um sie, wenn es ihr passte, nicht wenn sie das brauchten“, und sie hatte einen Hang zu Selbstmitleid und flüchtete sich in Märtyrertum „und war sich selbst die Nächste“.

„Wenn wir Glück haben, haben wir als Säuglinge und Kleinkinder mindestens einen Elternteil, der emotional erreichbar ist“, so die Autorin. Mary und Fred seien aber von Anfang an „Problem-Eltern“ gewesen.  Am schlimmsten habe es den zweieinhalbjährigen Donald und den neun Monate alten Robert, die  verletzlichsten, getroffen in der Zeit als die Mutter über ein Jahr in einer Klinik weilte.

Mary L. Trumps Buch „Zu viel und nie genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf“, erschienen im Heyne-Verlag, München 2020, 287 Seiten, 22,00 Euro. Das Werk ist nicht nur ein brillantes Psychogramm des mächtigsten Mannes der Welt,   sondern auch  eine  fundierte Dokumentation über mögliche fatale  Folgen narzisstischen Missbrauchs von Kindern.  Was die Autorin hier an haarsträubenden Familiengeheimnissen ausplaudert, ist kein Einzelfall, sondern geschieht so oder ähnlich  in zig Familien aller Schichten.  Tröstlich bleibt vielleicht die Erkenntnis, dass nicht alle Menschen mit schwerer Kindheit später in ihrem Leben auf die schiefe Bahn geraten oder gar das Zeug zu  narzisstischen Autokraten  entwickeln.  Und nicht jeder Narzisst ist nicht im klinischen Sinne krank, solange er unter seinem Sosein nicht leidet.

So hält der  US-Psychiater Otto Kernberg, Wegbereiter der Erforschung und Behandlung von schweren Persönlichkeitsstörungen, wie dem Narzissmus und dem Borderlinesyndrom,  Donald Trump keineswegs für krank, sondern für „einen gefährlichen Politiker“ .
Als Steigerung der narzisstischen Störung gilt der maligne, der „bösartige Narzissmus“. Betroffene halten sich für großartig, sind unehrlich, aggressiv, misstrauisch, paranoid, rachsüchtig. „Diese Züge können Sie öffentlich bei Trump beobachten. Kein Zweifel!“.(zit. n.: Kerstin Kullmann Der Unermüdliche. Spiegel Nr. 38, 12.09.2020)

Spätestens  nach Mary L. Trumps Lektüre „Zu viel und nie genug. Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf“ kann sich kein Trump-Fan später einmal  aus seiner Verantwortung,  herausreden,  „nichts gewusst zu haben“.

(Rhein-Main.Eurokunst)

Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5)
DSM-5® ist das weltweit anerkannte und etablierte Klassifikationssystem für psychische Störungen,
Diagnostische Kriterien des NARZISSMUS nach DSM-IV bedeuten 5 oder mehr der diagnostische Kriterien müssen erfüllt sein: Laut Donald Trumps Nichte, der Klinischen Psychologin Mary L. Trump, erfüllt ihr Onkel Donald sämtliche Kriterien:

1. Person zeigt ein übertriebenes Selbstwertgefühl (übertreibt die eigenen Fähigkeiten und Talente und erwartet, selbst ohne besondere Leistung als „etwas Besonders“ Beachtung zu finden)
2. Person beschäftigt sich ständig mit Phantasien grenzenlosen Erfolges, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe.
3. Person ist der Meinung, dass er oder sie besonders und einzigartig ist, dass nur Personen mit hohem Status oder in besonderen Institutionen ihn verstehen.
4. Person verlangt ständig Bewunderung
5. Person legt ein Anspruchsdenken an den Tag, stellt Ansprüche an die Behandlung oder unmittelbare Zustimmung zu den eigenen Erwartungen.
6. Person nützt zwischenmenschliche Beziehungen aus, um mit Hilfe anderer die eigenen Ziele zu erreichen.
7. Person zeigt Mangel an Einfühlungsvermögen, kann z.B. nicht erkennen oder empfinden, wie sich andere fühlen und welche Bedingungen diese haben.
8. Person ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, dass andere neidisch auf ihn sind.
9. Person zeigt arrogantes, überhebliches Verhalten oder hat entsprechende Einstellungen

Einige Kriterien sind nicht direkt beobachtbar und lassen sich nur aus der Innenperspektive der Person erschließen.

Die narzisstische Persönlichkeit zeigt Defizite
– in der Selbstwahrnehmung
– in Sprache und Organisation des Denkens
– in der Intentionalität und Volition
– in der Stimmungsregulation
– in der Wahrnehmung von Zeit, Raum und Kausalität.

MALIGNER NARZISSMUS bedeutet zusätzlich
– Antisoziale Merkmale
– Paranoide Züge
– Ich-Syntone Aggressivität
– pathologische Eigenliebe
– übernormale Selbstbezogenheit und Selbstzentriertheit
– exhibitionische Grandiosität
– Gefühle der Überlegenheit
– Rücksichtslosigkeit
– Diskrepanz zwischen übermäßigen Ansprüchen und Rivalität
– infantile Wertvorstellungen (Wohlhabenheit, Kleidung, Attraktivität)
– übermäßige Abhängigkeit von Bewunderung
Quelle: Dr.med.Thomas G. SchaetzlerDonald Trump maligner Narzisst, https://www.aerzteblatt.de/studieren/forum/134802
Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5®. Deutsche Ausgabe herausgegeben von P. Falkai und H.-U. Wittchen, mitherausgegeben von M. Döpfner, W. Gaebel, W. Maier, W. Rief, H. Saß und M. Zaudig, Hogrefe Verlag, ISBN: 9783801728038, 2., korrigierte Auflage 2018, LXIV/ 1,298 Seiten, 169,00 Euro
https://www.hogrefe.de/shop/diagnostisches-und-statistisches-manual-psychischer-stoerungen-dsm-5r-88625.html

„Code Kaputt“ – Anna Wiener entlarvt in ihrem neuesten Buch die toxisch-gierige Parallelwelt des Silicon-Yalley

code-kaputt-coverWer Anna Wieners Job-Tour durch die Silicon-Valley-Parallelwelt des goldrauschgetriebenen Hightech-Kapitalismus gelesen hat, dürfte nicht länger unkritisch profitorientierter und blinder Digitalisierungswut gegenüberstehen,  gerade nicht in Zeiten von Corona, wo oftmals mit angeblichem „Schutz vor der Pandemie“ digitalem Missbrauch Tür und Tor geöffnet wird: Stichwort „Abschaffung des Bargelds“. Dies bedeutete totale Konto-Kontrolle und NegativZins-Zwang.  Wer weiß, dass solche Dinge wie „Abschaffung des Bargelds“ von  Finanzdienstleistern à la Wirecard durch gezielte Lobby-Arbeit bis hin zum Bundesfinanzministerium vorangetrieben werden, durchschaut rasch, dass es oftmals eben nicht um die eigentlichen Bedürfnisse von Menschen geht, sondern schlichtweg um Profit,  Kontrolle, Markt- und Verbraucher-Manipulation, oftmals auf Kosten  breiter Gesellschaftsgruppen, etwa älterer, kranker, bildungsferner oder wenig technikaffiner Menschen, die mit all den digitalen Segnungen vielfach selbständig kaum zurechtkommen oder sich auch von diesen nicht entmündigen lassen möchten.

So segensreich verantwortungsvoll verwendete „Algorithmen“ das Leben vereinfachen und bereichern können, so toxisch kann jedoch auch ihr Missbrauch wirken.

Wiener versammelt in ihrer literarisch brillianten Coming-of-Age-Geschichte nicht nur unzählige Beispiele solcher dysfunktionaler IT-Monster. Vielmehr entlarvt die Autorin die oftmals menschenverachtende Machtbesessenheit und die Dekadenz jener Start-up-Elite mit zum Teil tendenziell autistischen Chefs, die unseren digitalen Alltag bestimmen. Dabei erzählt sie nicht nur präzise von der Geburt des Start-up-Kapitalismus aus dem Geist der Überheblichkeit. Sie protokolliert, wie eine Generation ihre Illusionen verlor.

Gleich in ihrem ersten Beispiel legt Wiener den Daumen in die Wunde eines zum weltweiten Monopolisten avancierten digitalen „Online-Kaufhaus“, welches wir alle wohl kennen „das in den Neunzigern angefangen hatte, Bücher übers Internet zu verkaufen – nicht etwa aus Liebe zur Literatur, sondern aus Liebe zum Kunden und zum effektiv organisierten Konsum -, hatte sich zu einem digitalen Schnäppchenmarkt ausgewachsen, auf dem Haushaltsgeräte, Elektrotechnik, Lebensmittel, Massenmode, Spielwaren, Essbesteck und allerlei Unnützes made in China verkauft wurde. Nachdem das Onlinekaufhaus den gesamten Einzelhandel erorbert hatte, besann es sich wieder auf seine Wurzeln und probierte offenbar verschiedene Wege aus, die Verlagsbranche in den Ruin zu treiben (…) Innerhalb weniger Jahre sollte der Gründer, ein schildkrötenähnlicher ehemaliger Hedgefonds-Manager, zum reichsten Mann der Welt werden (…). Ich wusste nicht, dass das Onlinekaufhaus in der Tech-Branche für seine gnadenlose, datengetriebene Unternehmenskultur verehrt wurde oder dass die proprietären Algorithmen, die neben Romanen über dysfunktionale Familien Kaufempfehlungen für Staubsaugerbeutel und Windeln anzeigten, als hochmodern, bewundernswert und Avantgarde in Sachen angewandtes maschinelles Lernen galten. Ich wusste nicht, dass ein lukratives Schwesterunternehmen dieses Onlinekaufhauses außerdem Cloud-Computing-Services verkaufte – die gebührenpflichtige Nutzung eines weitläufigen internationalen Netzwerkes von Serverfarmen – und damit die Back-End-Infrastruktur für die Websites und Apps anderer Firmen bereitstellte. Ich wusste nicht, dass man das Internet praktisch nicht mehr nutzen konnte, ohne dieses Onlinekaufhaus und seinen Gründer noch reicher zu machen“ (Auszug aus Anna Wiener, CODE KAPUTT, München 2020, SS.11 u. 12) Es dürfte sich hierbei wohl um das Online-Kaufhaus handeln, welches bekanntermaßen zunächst den Namen „Relentless“, „unerbittlich“, erhalten sollte, bevor die Wahl auf Amazon fiel. „Amazone“ war übrigens der Spitzname, den Jeff Bezos seiner Frau MacKenzie gab, weil er es wohl ihrer Hartnäckigkeit verdankt hatte, nicht aufzugeben, als sein  Online-Kaufhaus in den Anfangszeiten kurz vor der Pleite stand.

Anna Wiener legt mit „Code Kaputt“ ein sehr empfehlenswertes Insider-Buch vor, das nicht nur sprachlich wunderbar zu lesen ist, sondern als wichtiger Diskussionsbeitrag über Chancen und Grenzen von Digitalisierung und die Gefahren unregulierter Überwachung gute Argumente liefert.

(Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Anna Wiener. Code kaputt. Macht und Dekadenz im Silicon Valley,
Droemer/Knaur, München (2020),Kartoniert, 320 Seiten, 18,00 Euro, ISBN 9783426277737

 

Interview mit Anna Wiener

Anna Wiener © Droemer Knaur GmbH & Co. KG
Anna Wiener © Droemer Knaur GmbH & Co. KG

Anna, Ihr Buch “Code kaputt” ist kein reines Sachbuch über die Technik-Industrie des Silicon Valley – es ist in erster Linie Ihre ganz
persönliche Geschichte. Wieso haben Sie sich entschieden, dass Buch in dieser Form zu schreiben und haben Sie je daran gezweifelt?

 

Die meisten Geschichten, die über die Tech- Industrie erzählt wurden, handelten von Gründern, Investoren, Führungskräften – triumphale Erzählungen, Geschäftsbüchern. Mein Interesse galt dem Silicon Valley aus der Sicht eines Angestellten. Ich wollte die Bräuche, Werte und das Lexikon dieser Kultur
dokumentieren, aber ich wollte auch erklären, wie es sich anfühlte, dort zu sein – mein eigener Kreislauf aus Verführung und Ernüchterung.
Arbeit kann emotional sein, insbesondere in einer Branche, die junge Menschen dazu ermutigt, ihr persönliches und berufliches Leben vollständig in den Dienst des Unternehmens zu stellen. Ich hoffe, dass meine persönlichen Geschichte einen Teil der strukturellen Dynamiken im Silicon Valley zu diesem speziellen Zeitpunkt der Geschichte in ein anderes Licht rücken kann.

Noch immer träumen viele junge Menschen vom Silicon Valley. Was glauben Sie, woher rührt diese Faszination?

Es ist natürlich verführerisch zu hören, dass Sie die Zukunft gestalten. Einige Menschen haben eine echte Begeisterung für die Transformationsfähigkeit der Technologie oder eine intellektuelle Neugier für die Arbeit selbst; Das möchte ich gar nicht kleinreden. Andere möchten vielleicht dort sein, wo die Action stattfindet, sei es aus dem Wunsch nach Wohlstand oder Macht. Ich denke, für viele Menschen ist die Arbeit in der Tech-Branche einfach eine Möglichkeit, in einem Land, in
dem das soziale Sicherheitsnetz in Trümmern liegt, zahlungsfähig zu bleiben. Persönlich wollte ich das Gefühl haben, einen Platz auf der Welt und eine gewisse Dynamik zu finden: Ich wollte Sicherheit im Moment und Sicherheit für eine Zukunft.

Was war für Sie die größte Ernüchterung des Start-up-Hypes? Gab es einen speziellen Auslöser?

Es gab für mich keinen bestimmen Wendepunkt – es war eher ein langsames Verbrennen. Einiges davon war persönlich und einiges hatte mit den Werten der Branche zu tun. Der tollwütige Individualismus und die allgegenwärtige Vorstellung, dass deine Wirtschaftsleistung deinem Wert als Person entspricht, haben mich sehr getroffen und mir geschadet. Ich habe nie wirklich daran geglaubt, dass das Wichtigste, das eine Person zur Gesellschaft beitragen kann, ein Start-up ist. Ich hatte viele Zweifel und Bedenken – wozu das alles, was ist das Ziel.

Über die Autorin
Anna Wiener ist Journalistin und schreibt für den New YorkerThe Atlantic und Wired über das Silicon Valley, Start-Up-Kultur und die digitale Welt. Sie lebt und arbeitet in San Francisco, Code kaputt ist ihr erstes Buch und sorgt seit Erscheinen in den USA und Großbritannien für Furore.

DAS BUCH: 8 Autoren. 8 Fiktionen. Acht Visionen.

8-Visionen-Cover_Interims250„Die Literatur war schon immer ihrer Zeit voraus.“ Doch gilt dies auch noch in Zeiten einer weltweiten Pandemie? Ob Thomas Morus 1516 in „Utopia“ oder Aldous Huxley 1932 in „Schöne neue Welt““ – schon immer haben Autorinnen und Autoren ihren literarischen Blick auf die Zukunft gerichtet und gefragt, wie unsere Welt, unsere Gesellschaft, aussehen könnte. Genau diese Frage stand am Anfang des Projekts „Acht Visionen. Zukunft. Arbeit. Literatur“, das 2019 vom Literaturhaus Frankfurt und dem Museum für Kommunikation Frankfurt ins Leben gerufen wurde. Diese Frage ist derzeit spannender denn je, denn mit Homeoffice, Homeschooling und anderen hybriden Arbeitsweisen hat die Zukunft der Arbeit im digitalen Transformationsprozess durch die Corona-Krise über Nacht begonnen, beginnen müssen. Und eventuell sogar die Literatur überholt. Welch unterschiedlich literarische Blicke in die Zukunft die acht Autorinnen und Autoren Katharina Adler, Isabelle Lehn, Mariana Leky, Lukas Rietzschel, Jochen Schmidt, Thomas von Steinaecker, Daniel Wisser und Julia Wolf geworfen haben, lässt sich jetzt im Buch „8 Autoren. 8 Fiktionen. Acht Visionen“, herausgegeben von Hauke Hückstädt und Dr. Helmut Gold, nachlesen.

„Dies ist kein Buch über eine Krise. Diese »Acht Visionen« ragen aber in eine Krise hinein. Wir haben Kontaktverbot. Und das hätte eine mögliche Szenerie für eine der Visionen sein können, die Beschreibung einer heruntergekühlten Arbeitswelt, in der man einander nur noch virtuell begegnen darf. Die entworfenen Visionen, denen wir im Buch begegnen, sind in Summe eher kritischer Apparat. Also vielmehr Skepsis, Analyse und Überspitzung anstatt Jubelstimmung, Technologieglaube und Fortschrittsdoktrin“, so Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhaus Frankfurt e.V.

Dialog zwischen Gegenwart und Zukunft
Aufgerufen waren die acht Autorinnen und Autoren zu einem Dialog zwischen Gegenwart und Zukunft, zwischen Realität und Fiktion, zwischen Kommunikation und Literatur. Thomas von Steinaecker formuliert seine Teilnahme an dem Projekt so: „Über die Dinge, die mir wichtig sind, kann ich mir nur klar werden, wenn ich eine Geschichte über sie erfinde.“ Daniel Wisser führt aus: „In einem Großteil der literarischen Werke verschwindet die Arbeit der Protagonist*innen, das Projekt Acht Visionen hingegen will Arbeit in der Literatur sichtbar machen und sie in die Zukunft weiterdenken.“

Leben & Lernen X.0
Thematisch inspiriert wurden die Visionen von dem Projekt „Leben & Lernen X.0. Digitale Bildung– Unsere Zukunft“, welches das Museum für Kommunikation 2017 angestoßen hat. „Eine bemerkenswerte Überraschung war für mich bei dem Projekt »Acht Visionen«: Dass der Blick nach vorne oft mit dem Blick zurück verbunden ist“, so Dr. Helmut Gold, Direktor des Museums für Kommunikation. Und weiter: „In den Texten der Autorinnen und Autoren werden Relikte aus der Jugendzeit in Verbindung gebracht mit gegenwärtigen und zukünftigen Diskussionen. Das ist genau das, was wir im Museum für Kommunikation unter Storytelling versuchen: Geschichte und Geschichten zu erzählen, die in den Objekten schlummern, in Dialog treten mit der Gegenwart und Zukunft wie bei den Leseabenden.“

Sechs der acht Autorinnen und Autoren trafen zwischen September 2019 und Februar 2020 im Museum in Premierenlesungen auf ihr Publikum, die Veranstaltungen mit Mariana Leky und Lukas Rietzschel sowie die für Juni geplante Buchpremiere werden aufgrund der Kontakteinschränkungen zusammengefasst und auf 2021 verschoben.

Informationen zur Publikation
„8 Autoren. 8 Fiktionen. Acht Visionen. Zukunft. Arbeit. Literatur“ Texte von Katharina Adler, Isabelle Lehn, Mariana Leky, Lukas Rietzschel, Jochen Schmidt, Thomas von Steinaecker, Daniel Wisser und Julia Wolf
Herausgegeben von Hauke Hückstädt und Helmut Gold
Preis: 12 Euro // ISBN 978-3-96320-029-8
Erscheinungstermin: 15.06.2020 // Verlag Henrich Editionen

ACHT VISIONEN ist ein Projekt des Literaturhauses Frankfurt mit dem Museum für Kommunikation in Zusammenarbeit mit hr2-kultur. Gefördert von „experimente#digital“, einer Kulturinitiative der Aventis Foundation, sowie dem Kulturamt Frankfurt am Main.

Prof. Susanne Schröter präsentiert am 16.10.2019 im Historischen Museum ihr Buch zum politischen Islam

politischer-Islam-schroeterSusanne Schröter, Professorin an der Goethe-Universität und Mitglied des Forschungsverbundes Normative Ordnungen, spricht am 16. Oktober im Historischen Museum über ihre jetzt erschienene Publikation.

FRANKFURT. Die Mehrheit der Deutschen glaubt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Sie verbinden diese Religion vor allem mit dem Terror im Namen eines unbarmherzigen Gottes, der Unterdrückung von Frauen und Minderheiten sowie einer Ablehnung westlicher Werte. Für solche Assoziationen gibt es nachvollziehbare Gründe, sie resultieren aus dem Erstarken des politischen Islam. Seine Erforschung gehört zu den Schwerpunkten von Susanne Schröter, Professorin für Ethnologie und Mitglied des Forschungsverbundes Normative Ordnungen an der Goethe-Universität. Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich willkommen bei der Vorstellung ihres Buches

„Politischer Islam – Stresstest für Deutschland“
am Mittwoch, dem 16. Oktober 2019, um 18.30 Uhr
im Historischen Museum Frankfurt,
Saalhof 1, Römerberg, 60311 Frankfurt am Main.

Der Eintritt ist frei. Veranstaltet wird die Buchpräsentation vom Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität. Die Begrüßung übernimmt Rebecca Caroline Schmidt, Geschäftsführerin des geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungsverbundes. Moderiert wird die öffentliche Veranstaltung von Jürgen Kaube, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Der politische Islam stellt eine Sonderform des Islam dar und sollte nicht als charakteristisch für diese Weltreligion insgesamt gesehen werden, die auch in Deutschland eine Vielzahl von Facetten besitzt. Gleichwohl übt gerade der politische Islam durch machtbewusstes und strategisch geschicktes Agieren seiner Funktionäre großen gesellschaftlichen Einfluss aus und dominiert zunehmend die staatliche Islampolitik sowie den öffentlichen Dialog. Vielen Menschen fehlt jedoch das Wissen über die Ursprünge und die Ausprägungen des politischen Islam, um Konfliktsituationen richtig einzuschätzen sowie angemessen argumentieren und handeln zu können. Das vorliegende Buch will diese Lücke mit einem fundierten und verständlichen Überblick schließen.

Susanne Schröter, ist Professorin für Ethnologie kolonialer und postkolonialer Ordnungen an der Goethe-Universität, Mitglied des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ und Gründungsdirektorin des „Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam“ (FFGI) am Exzellenzcluster. Zu ihren Forschungsgebieten gehören Islamismus und Dschihadismus, progressiver und liberaler Islam sowie Frauenbewegungen in der islamischen Welt. Sie ist Mitglied der „Hessischen Integrationskonferenz“ und des „Hessischen Präventionsnetzwerk gegen Salafismus“. Zu ihren jüngsten Publikationen zählen: „Religiöse Rechtfertigungen des Dschihadismus“, in: Schellhöh, Jennifer u.a., Hg.: Großerzählungen des Extremen. Neue Rechte, Populismus, Islamismus, War on Terror (Bielefeld: Transcript 2018) und „Islamischer Fundamentalismus“, in: Zentralrat der Juden in Deutschland, Hg.: Jüdische Bildungslandschaften (Berlin: Hentrich & Hentrich 2018).

Infos

Hinweis: Bereits am Montag, 14. Oktober, 19.00 Uhr, wird Prof. Susanne Schröter ihr Buch „Politischer Islam – Stresstest für Deutschland“ im Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität (Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg vor der Höhe) im Gespräch mit dem Journalisten Meinhard Schmidt-Degenhard vorstellen. Anmeldungen unter service@freiheit.org.

Eröffnung des Zentrums für Frankreich- und Frankophoniestudien an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Der Angriff auf Reims im September 1914 führte zu einem radikalen Bruch in den deutsch-französischen Beziehungen, so dass selbst ein wissenschaftlicher Austausch nicht mehr möglich war. Vor diesem Hintergrund des seitherigen totalen Bruchs erhält der nach dem zweiten Weltkrieg zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle geschlossene Friedensvertrag eine noch viel größere Bedeutung. Erst hierdurch wurden kulturelle und wissenschaftliche Kooperationen zwischen beiden Ländern überhaupt erst wieder möglich. Postkarte vom Brand der Kathedrale von Reims, aus dem Fest-Vortrag von Prof. Dr. Thomas W. Gaehtgens, Gründungsdirektor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris.  © Foto: Diether v. Goddenthow
Der Angriff auf Reims im September 1914 führte zu einem radikalen Bruch in den deutsch-französischen Beziehungen, so dass selbst ein wissenschaftlicher Austausch nicht mehr möglich war. Vor diesem Hintergrund des seitherigen totalen Bruchs erhält der nach dem zweiten Weltkrieg zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle geschlossene Friedensvertrag eine noch viel größere Bedeutung. Erst hierdurch wurden kulturelle und wissenschaftliche Kooperationen zwischen beiden Ländern überhaupt erst wieder möglich. Postkarte vom Brand der Kathedrale von Reims, aus dem Fest-Vortrag von Prof. Dr. Thomas W. Gaehtgens, Gründungsdirektor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris. © Foto: Diether v. Goddenthow

Am 4. Juli 2019 wurde feierlich das  Zentrums für Frankreich- und Frankophoniestudien (ZFF) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz  im Atrium maximum in der Alten Mensa auf dem Gutenberg-Campus eröffnet.
Grußworte sprachen Prof. Dr. Georg Krausch, Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Anne-Marie Descôtes, Botschafterin der Republik Frankreich, Dr. Denis Alt, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, Prof. Dr. Alain Bonin, Präsident der Université de Bourgogne, Günter Beck, Bürgermeister der Stadt Mainz, Dr. Jürgen Hartmann, Staatssekretär a.D., Präsident der Deutsch-Französischen Kulturstiftung sowie Prof. Dr. Gregor Wedekind, Zentrum für Frankreich- und Frankophoniestudien.

„Die Wiedereröffnung unserer Universität im Mai 1946 erfolgte auf Initiative der damaligen französischen Besatzungsbehörde. Seither spielen die deutsch-französische Zusammenarbeit und die Frankreichforschung eine wichtige Rolle im universitären Leben der JGU“, betont Prof. Dr. Georg Krausch, Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „So besteht beispielsweise seit mehr als 40 Jahren eine enge Hochschulpartnerschaft zwischen der JGU und der Université de Bourgogne in Dijon, ergänzt durch zahlreiche Partnerschaften mit weiteren französischen Hochschulen etwa in Paris, Nantes und Straßburg. Wir können unseren Studierenden heute bi- und teils sogar trinationale Studiengänge vom Bachelor- über Lehramts- und Masterstudiengänge bis hin zum Deutsch-Französischen Doktorandenkolleg anbieten – ein Ausdruck lebendigen kulturellen Austauschs und gelebter Kooperation.“

Im Hinblick auf vergleichbare Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland besteht eine Besonderheit des neuen Zentrums für Frankreich- und Frankophoniestudien darin, dass es sich in seinen Fragestellungen nicht auf Frankreich beschränkt, sondern die geografische und kulturelle Öffnung auf die Frankophonie fördert. Hierzu unterstützt, pflegt und erweitert das ZFF die zahlreichen bestehenden institutionellen und persönlichen Kontakte mit Frankreich und französischen bzw. frankophonen Hochschulen insbesondere in Kanada und Nordafrika. Zum anderen ist die Arbeit des ZFF dezidiert fächerübergreifend und nachdrücklich nicht auf die Geistes- und Sozialwissenschaften beschränkt. Ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal des ZFF ist die an der Universitätsbibliothek der JGU angesiedelte, mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgebaute herausragende Bibliothek des Forums Interkulturelle Frankreichforschung (FIFF), die eine wertvolle Ressource für Lehre, Forschung und Wissensvermittlung bietet.

„Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz und die Deutsch-Französische Kulturstiftung setzen mit den neuen Zentrum für Frankreich- und Frankophoniestudien hier in Mainz ein klares Zeichen für europäisches und internationales Miteinander“, hebt Anne-Marie Descôtes, Botschafterin der Republik Frankreich, im Rahmen ihres Besuchs auf dem Gutenberg-Campus hervor. „Gerade im aktuellen politischen Kontext ist eine internationale Zusammenarbeit auf allen Ebenen von großer Bedeutung. Die französische Botschaft begrüßt und unterstützt daher diese wichtige Initiative zur Vertiefung der deutsch-französischen Beziehungen – allem voran in den Bereichen der sprachlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Kompetenzen sowie im Einbeziehen der Vielfältigkeit der frankophonen Regionen in der Welt. Allen beteiligten Akteuren danken wir für ihr Engagement und ermutigen sie, auch weiterhin gemeinsam Europa neue derartige Impulse zu geben.“

Das ZFF wird den Austausch und die Kooperation mit anderen universitären Frankreichzentren etwa in Berlin, Bonn, Freiburg, Leipzig und Saarbrücken suchen ebenso wie mit deutsch-französischen Forschungsinstituten wie dem Centre Marc Bloch in Berlin, dem Deutsch-Französischen Institut für Geschichts- und Sozialwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg. Darüber hinaus kooperiert das ZFF mit den in Mainz ansässigen außeruniversitären deutsch-französischen Einrichtungen – dem Institut français, dem Haus Burgund-Franche-Comté und der Deutsch-Französischen Gesellschaft – und nutzt seine Kapazitäten für den Bereich der Wissensvermittlung sowie für die Kooperation mit deutsch-französischen Akteuren auf politischer Ebene.

Eröffnung des Zentrums für Frankreich- und Frankophoniestudien an der JGU: (v.l.) Prof. Dr. Georg Krausch, Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Anne-Marie Descôtes, Botschafterin der Republik Frankreich, Prof. Dr. Alain Bonin, Präsident der Université de Bourgogne, Prof. Dr. Gregor Wedekind, Zentrum für Frankreich- und Frankophoniestudien, Dr. Jürgen Hartmann, Staatssekretär a.D., Präsident der Deutsch-Französischen Kulturstiftung, Dr. Denis Alt, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, und Günter Beck, Bürgermeister der Stadt Mainz. Foto/©: Stefan F. Sämmer, JGU
Eröffnung des Zentrums für Frankreich- und Frankophoniestudien an der JGU: (v.l.) Prof. Dr. Georg Krausch, Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Anne-Marie Descôtes, Botschafterin der Republik Frankreich, Prof. Dr. Alain Bonin, Präsident der Université de Bourgogne, Prof. Dr. Gregor Wedekind, Zentrum für Frankreich- und Frankophoniestudien, Dr. Jürgen Hartmann, Staatssekretär a.D., Präsident der Deutsch-Französischen Kulturstiftung, Dr. Denis Alt, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, und Günter Beck, Bürgermeister der Stadt Mainz. Foto/©: Stefan F. Sämmer, JGU

 

Reims in Flammen. Drama und Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich

In seinem Festvortrag widmete sich Prof. Dr. Thomas W. Gaehtgens, Gründungsdirektor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris und langjähriger Direktor des Getty Research Institute in Los Angeles, dem Thema „Reims in Flammen. Drama und Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich“. Der deutsche Angriff am 19. September 1914 auf die Kathedrale von Reims, der Krönungskirche, die als Ursprungsort der französischen Monarchie gilt, rief einst einen Schrei der Empörung, der Wut, ja des Hasses in Frankreich aus und verfestigte das Deutschland-Bild von den kulturlosen deutschen Barbaren, das sich seit 1871 in französischen Köpfen festgesetzt hatte. Wenngleich gar nicht wirklich gesichert war, ob das Gotteshaus gezielt oder kollateral aufgrund des heftigen Beschusses des Ortes Reims getroffen wurde und in Brand geriet, wurde „Reims“ so zum Symbol deutsch-französischer Zwietracht – und umso wunderbarer erscheine es, so Gaehtgens, dass ausgerechnet hier einige Jahrzehnte später die deutsch-französische Versöhnung zwischen Charles De Gaulle und Konrad Adenauer besiegelt und die tiefe Kluft im Kulturstreit überwunden werden konnte. Aus einem «lieu de discorde», einem Ort der Zwietracht, konnte ein Erinnerungsort der deutsch-französischen Versöhnung, ja Freundschaft, werden.

Nach allen Auseinandersetzungen zwischen Franzosen und Deutschen ist längst „die“ Kooperation Grundlage der deutsch-französischen Beziehungen geworden, so wie es auch das Frankreich-Zentrum der Universität Mainz in der Zukunft verkörpern wird, unterstrich der Festredner.

die-brennende-kathedrale2Buchtipp: Thomas W. Gaehtgens: Die brennende Kathedrale. Eine Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg. Verlag C.H. Beck, München 2018. 351 S. m. 88 Abb., 29,95 €.
Zur Geschichte der JGU-Frankreichforschung 

Seit der Wiedereröffnung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) im Mai 1946 durch die damalige französische Besatzungsbehörde spielen die deutsch-französische Zusammenarbeit und die Frankreichforschung eine wichtige Rolle im universitären Leben auf dem Gutenberg-Campus. So besteht seit mehr als 40 Jahren eine enge Hochschulpartnerschaft zwischen der JGU und der Université de Bourgogne in Dijon, die durch eine Reihe integrierter Studiengänge sowie eine rege universitätsweite Erasmus-Partnerschaft Semester für Semester gelebt wird. Darüber hinaus bestehen mittlerweile auch diverse integrierte Studienprogramme mit weiteren französischen Hochschulen, etwa in Paris, Nantes und Straßburg. Im Jahr 1991 gründete die Universitätsbibliothek Mainz den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sammelschwerpunkt Frankreichforschung, aus dem 2013 das Forum Interkulturelle Frankreichforschung (FIFF) hervorgegangen ist.

Die musikalische Einlage erfolgte durch die Jazzabteilung der Hochschule für Musik.  © Foto: Diether v. Goddenthow
Die musikalische Einlage erfolgte durch die Jazzabteilung der Hochschule für Musik. © Foto: Diether v. Goddenthow

Das neue Zentrum für Frankreich- und Frankophoniestudien (ZFF) an der JGU, das maßgeblich durch die Deutsch-Französische Kulturstiftung finanziert wird, verfolgt das Ziel, die verschiedenen auf Frankreich und frankophone Regionen, Institutionen, Gesellschaften und Kulturen bezogenen Aktivitäten der Universität zu betreiben, zu bündeln, zu vernetzen, aus ihrem Zusammenwirken gemeinsamen Nutzen zu generieren, in ihrer wissenschaftlichen Exzellenz zu steigern sowie kooperative Drittmittel einzuwerben. Mit Blick auf vergleichbare Einrichtungen in ganz Deutschland besteht die Besonderheit des ZFF darin, dass das Zentrum sich nicht auf Frankreich beschränkt, sondern die geographische und kulturelle Öffnung auf die Frankophonie zum Programm hat, und das die Arbeit des ZFF dezidiert multi- und transdisziplinär über die Geistes- und Kulturwissenschaften hinaus ausgerichtet ist.
Forum Interkulturelle  Frankreichforschung
Deutsch-Französische Studiengänge in den Geistes- und Kulturwissenschaften Mainz-Dijon

Prof. Dr. Gregor Wedekind
Zentrum für Frankreich- und Frankophoniestudien
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz

Ede und Unku – ein zeitgeschichtliches Dokument über die grausame Verfolgung der Sinti im Dritten Reich

Der durch die Gruppe „Sinti Swing“ bekannte Berliner Jazz-Musiker Janko Lautenberger hat gemeinsam mit der Journalistin Juliane von Wedemeyer mit „Ede und Unku – die wahre Geschichte“, 240 Seiten, Gütersloh 2018,  das erschütternde Schicksal seiner Sinti-Familie von der Weimarer Republik bis heute nachgezeichnet. Das Autorenduo hat mit ihrer Neuversion von „Ede und Unku“ ein über einen Roman weit hinausgehendes zeitgeschichtlich wertvolles Dokument gegen Rassismus, Diskriminierung  und Verfolgung von Minderheiten als Plädoyer für eine offene Gesellschaft geschaffen.

Ede_und_UnkuDie wahre Geschichte von Ede und Unku ist eine von den beiden Autoren in mühevoller Recherche-Arbeit zusammengetragene, sozialgeschichtlich absicherte „Fortsetzung“ des ursprünglichen Romans „Ede und Unku“, der mit über 5 Mio Exemplaren eines der meistverkauften Bücher in Deutschland ist. Die Erstausgabe erschien 1931, das Buch war viele Jahre Schullektüre und erzählt von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen dem Arbeiterjungen Ede und dem Sintimädchen Unku während der Weimarer Republik. Doch was kaum jemand weiß: Schon kurz nach der Machtergreifung Hitlers wurde das Buch verboten und das »Zigeunermädchen« Unku in einem Konzentrationslager umgebracht. Eben von diesem grausamen Schicksal seiner Ur-Groß-Cousine Unku erzählt der Musiker Janko Lauenberger und dokumentiert, wie sich die Nachfahren, seine Sinti-Familie und er,  in der ehemaligen DDR und später im wiedervereinigten Deutschland arrangiert und etabliert haben.

Gerade in diesen Tagen, da wir den 90. Geburtstag der mit 15 Jahren im KZ ermordeten Jüdin Anne Frank und ihren in 70 Sprachen übersetzten Tagebüchern gedenken, sei dieses Werk sehr empfohlen, weil es am Schicksal des  20jährigen Sinti-Mädchens Unku insgesamt das oftmals übersehene Unrecht  aufgreift, das  den Sinti- und Roma im dritten Reich grausamst widerfahren ist.

( Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst )

Leseprobe

„Richtig denken heißt, mit Richtigkeit und mit Gerechtigkeit denken“ – Alfred Grosser und sein Werk Le Mensch

Prof. Dr. Alfred Grosser , Publizist und Politologe (li.) im Gespräch mit Dr. Günther Nonnenmacher (Mitherausgeber der FAZ von 1992 bis 2014) bei der Buchpräsentation "Le Mensch" in den Kurhaus-Kolonnaden Wiesbaden, veranstaltet von der Hessischen Zentrale für Politische Bildung Wiesbaden. Foto: Diether v. Goddenthow
Prof. Dr. Alfred Grosser , Publizist und Politologe (li.) im Gespräch mit Dr. Günther Nonnenmacher (Mitherausgeber der FAZ von 1992 bis 2014) bei der Buchpräsentation „Le Mensch“ in den Kurhaus-Kolonnaden Wiesbaden, veranstaltet von der Hessischen Zentrale für Politische Bildung Wiesbaden. Foto: Diether v. Goddenthow

„Ich mag nicht das Wort ‚DIE‘: ‚DIE Muslime, DIE Frauen, DIE Juden, DIE Deutschen, DIE Flüchtlinge‘“, beginnt Alfred Grosser im Interview mit Dr. Günther Nonnenmacher (Mitherausgeber der FAZ von 1992 bis 2014) über Inhalte seines neuen Buches „Le Mensch“ den Dialog vor rund 300 gespannten Zuhörern im Saal der Kurhaus-Kolonnaden Wiesbaden am 7. September 2017.  Denn hätte man nach dem Kriege von „den“ Deutschen gesprochen, wäre es wohl nie zu einem Friedensvertrag, zur Rückführung des deutschen Volkes in die Völkerfamilie gekommen, so Grosser. Es gibt nicht DIE Deutschen oder DIE Franzosen, sondern einzelne Menschen, Individuen, wehrt sich Grosser gegen ein altes Grundübel, das aktueller ist denn je, nämlich den verallgemeinernden, vorurteilsbehafteten Finger auf andere zu zeigen. Verallgemeinerung war und ist nicht sein Ding, weswegen Grosser, der sich selbst als jüdischen Atheisten bezeichnet und seit über 40 Jahren mit einer katholisch-gläubigen Frau verheiratet ist, sich zeitlebens  mit der komplexen Fragestellung nach menschlicher Identität auseinandergesetzt hat. Wer bestimme denn, was ein Mensch sei, als Individuum oder Amtsinhaber, als Angehöriger einer Gruppe, Religion oder Ethnie? Facettenreich und mit vielen persönlichen Rückblicken sprach der bekannte Publizist und große Europäer Grosser über die Entstehung und Moral sozialer Identität und Auswirkungen auf den Einzelnen.

„Ich bin ein Mann und keine Frau. Das gibt mir heute noch in der französischen wie deutschen Gesellschaft unverdiente Vorteile. Ich bin alt, aber meine seit langem erwachsenen Söhne arbeiten für mein Ruhestandsgehalt. Ich war beamteter Professor, gehörte also zu jenem privilegierten Teil der Gesellschaft, der nicht arbeitslos werden kann.“, erläutert Grosser ein wenig augenzwinkernd, was er mit menschlicher Identität meint. Denn Menschen haben nicht nur eine, sondern multiple Identitäten, beispielsweise zugleich als Europäer, Deutscher, Hesse, Wiesbadener, Berufstätiger, Frau/Mann, Mutter /Vater usw.
Er sei Franzose durch und durch, sagt Grosser, so wie andere Migranten, die in Frankreich zu Franzosen wurden, und niemand würde da von einem Migrationshintergrund sprechen, so der Publizist, der auch ein Beispiel für die Inkongruenz von Identitäten parat hat: „Als Radfahrer fürchte ich mich vor Autos. Als Autofahrer fürchte ich die Radfahrer: Ein gutes Beispiel einer gespaltenen Identität.“

Veranstaltungs-Impression der Buchpräsentation "Le Mensch" in den Kurhaus-Kolonnaden Wiesbaden, veranstaltet von der Hessischen Zentrale für Politische Bildung Wiesbaden. Foto: Diether v. Goddenthow
Veranstaltungs-Impression der Buchpräsentation „Le Mensch“ in den Kurhaus-Kolonnaden Wiesbaden, veranstaltet von der Hessischen Zentrale für Politische Bildung Wiesbaden. Foto: Diether v. Goddenthow

Die Identität des Individuums komme zum Teil von außen, hänge damit zusammen, in welches kulturelle Umfeld jemand geboren worden sei, in welchem Land usw., aber sie bestehe nicht darin, sich von außen eine Identität überstülpen zu lassen. Identität sei auch und vor allem ein innerseelischer Prozess, und alles, wohin sich der Mensch in seinem Leben entwickele und wofür er sich entscheide, ohne Zuschreibung durch andere.

Seine Erfahrungen und Erkenntnisse fasst Grosser in seinem Spiegel-Bestseller-Buch „LE MENSCH in zahlreichen Artikeln zusammen. Dabei ist er klar in der in der Sprache und konkret in der Sache. Alfred Grosser nimmt das Menschsein auf allen Feldern des gesellschaftlichen Lebens unter die Lupe: Kultur, Politik und Erziehung, Geschlecht, Geschichte und Religion, Geld und nationale Mythen – und natürlich unsere Identität in einem Europa mit Flüchtlingen oder ohne. Er warnt eindringlich vor Politikverachtung und zieht Bilanz über das »Menschwerden inmitten der Verzweiflung am Weltgeschehen«. Sein Credo: »Penser juste, donc à la fois avec justesse et avec justice – Richtig denken heißt, mit Richtigkeit und mit Gerechtigkeit denken. Das klingt zwar im Deutschen nicht so gut, sagt aber doch das Wesentliche.«

Der Amerikanische Patient – Trumps Weltordnung und ihre Folgen für Europa

Der amerikanische Patient  – Gatredner Dr. Josef Braml

Festredner Dr. Josef Braml, USA-Experte Foto:. D. v. Goddenthow © atelier-goddenthow
Festredner Dr. Josef Braml, USA-Experte Foto:. D. v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Als Festredner zur Verleihung des Carol-Nachman-Preises der Landeshauptstadt Wiesbaden für Rheumatologie 2017 konnte in diesem Jahr Dr. Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“, gewonnen werden. Er sprach zu dem Thema „Der Amerikanische Patient – Trumps Weltordnung und ihre Folgen für Europa“, was wegen der wachsenden Forschungsfeindlichkeit in den USA  indirekt auch ein zusehends wichtiges Thema der Medizin wird (siehe hierzu auch March of Science am 22. April 2017 in Frankfurt).
Seiner „Spassbremsenfunktion“ durchaus bewusst, warnte Braml die Zuhörer, bevor er seiner Erschütterung über den „Amerikanischen Patienten – Trumps Weltordung und ihre Folgen für Europa“  freien Lauf ließ. Er habe es selbst nicht für möglich gehalten, dass es  so schlimm kommen werde. Aber mittlerweile sei er sicher: es werde noch viel schlimmer. Bramle habe Trump anfangs nicht so ernst genommen, und wie viele gedacht: der lerne noch dazu, er würde sich schon ins System einpassen und es werde sich alles wieder einrenken.  Mittlerweile sei er fast sicher,: Es wird schief gehen wird“.

Wir hier in Europa dürften uns nicht länger mehr selbst in die Tasche lügen, und glauben, dass dieser Mann irgendwann begreifen, dazulernen und einlenken werde. Nein, das wolle Trump gar nicht, im Gegenteil. Trump habe sich  die seit Jahren in den USA abzeichnende desolate Situation wachsenden Selbstbedienungs-Reichtums Weniger einerseits und   sozialer Absturz breiter Mittelschichten andererseits schamlos  für seine eigenen Zwecke ausgenutzt. Er habe den „Verlierern“  versprochen, den  Establishment-Sumpf auszutrocknen. Er sei dabei psychologisch sogar äußerst geschickt vorgegangen. Denn es gehöre schon etwas dazu, den zumeist  ungebildeten  Massen glauben zu machen, er, der Milliardär, würde ernsthaft etwas für sie „da unten“ tun. Das funktionierte nur, da Trump selbst als „Ungebildeter“, der lediglich zu Vierwortsätzen fähig werde niedergemacht wurde. Denn je mehr Trump vom Establishment  als Trottel, Idiot, Analphabet und Ungebildeter hingestellt wurde, um so stärker konnten sich genau die Leute, die Trump erreichen wollte, mit ihm identifizieren.

Eigentlich sei nicht mal Trump das zentrale Problem. Trump sei vielmehr ein Indikator für die krankende USA. Diese könne nicht mehr die liberale Ordnung, die sie einst selbst geschaffen hat, aufrecht erhalten. Die Folgen für Europa und die  Welt seien dramatisch: Eine in sich geschwächte USA  könne der westlichen Welt  nicht mehr ausreichend Sicherheit, freien Handel und  eine stabile Weltwährung  garantieren. Schon längst ginge es  hinter den Kulissen um einen Systemwettbewerb zwischen USA und China. Amerika, bislang der Garant der Werte westlicher Lebensart von Freiheit, Pluralismus und individuelle Selbstentfaltung, sagt Bramle, wäre dies nicht mehr. Unsere freiheitliche Demokratie sei nicht selbstverständlich, wir müssten selbst um ihren Erhalt kämpfen. Braml glaube, dass sich die Lage in den USA noch verschlimmere,  hoffe, dass sich die Verhältnisse wider ausbalancierten.

Zutrauen – Ideen statt Ideologien – Martin Rupps u. Volker Resing Interview-Buch mit Julia Klöckner

Manuel Herder im Gespräch mit Julia Klöckner während ihrer Buchpräsentation auf dem Stand des Herder-Verlages auf der 67. Frankfurter Buchmesse © massow-picture
Manuel Herder im Gespräch mit Julia Klöckner während ihrer Buchpräsentation auf dem Stand des Herder-Verlages auf der 67. Frankfurter Buchmesse © massow-picture

Ideen statt Ideologien
Julia Klöckner: Was mir in der Politik wichtig ist

In turbulenten Zeiten wie diesen sind Persönlichkeiten vom Format Julia Klöckners  gefragt.  Nicht nur in der Flüchtlingsfrage hat Julia Klöckner schon früh den Blick für soziale Realitäten bewiesen. Sie lässt sich auch nicht vom politisch-korrekten Zeitgeist in die rechte Ecke drängen, wenn sie – wie Alice Schwarzer – dafür plädiert,  frauendiskriminierende Vollverschleierung (Burka oder Nigab mit Augenschlitz)  zu verbieten und ein Integrationsbekenntnis von Neuankömmlingen zu fordern. „Eine Gegenleistung müssen wir aber erwarten: dass sich die Neuankömmlinge an unsere Gesetze halten und unseren Lebensstil respektieren. Sie sollen ihre eigene kulturelle Identität durchaus bewahren, aber nur insoweit, als sie nicht mit unseren Auffassungen von Recht und Gesetz, von Demokratie, von Meinungs- und Religionsfreiheit und der Gleichberechtigung von Mann und Frau widerspricht. Hier können und dürfen wir keine Abstriche machen, weil das die Grundpfeiler unserer freiheitlichen Demokratie sind. Deshalb müssen alle Flüchtlinge wissen: Wer bei uns Schutz und Hilfe sucht, muss bereit sein, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Und er muss sich auch dazu verpflichten.“, so Julia Klöckner.

Sie  hat   kein Verständnis dafür, wenn   Gender-Ideologinnen einerseits Haare darüber spalten, ob, wie einst, Rainer Brüderles  Dekolleté-Bemerkung harmloser Flirt oder Frauendiskriminierung gewesen sei, aber bei offensichtlich gravierenden Frauendiskriminierungen anderer Kulturkreise in unserem Lande wegschauen oder dies paradoxerweise eher noch verteidigen:   „Wenn Nichtgleichberechtigung als kulturelle Vielfalt abgetan wird, halte ich das für schwierig“, so Julia Klöckner bei einem Interview mit Manuel Herder zur Vorstellung ihres Buches ‚Zutrauen   – Ideen statt Ideologien – Was mir in der Politik wichtig ist‘ auf der diesjährigen Buchmesse. „Sie spielen ja wohl auch auf einen Vorfall an, dass in einer Flüchtlingseinrichtung mir ein Imam die Hand nicht geben wollte, weil ich Frau bin, nicht weil ich erkältet bin, nein, weil ich Frau bin. Darüber ist eine heiße Debatte  entbrannt“, so Klöckner: „Was ist der Beweggrund, dass er mir die Hand nicht gegeben hat? Ich finde, dass das Geschlecht kein Grund sein darf. Da gibt es zwar  unterschiedliche Interpretationen: Weil man so viel Respekt vor Frauen hat oder weil man sie nicht als gleichwertig anschaut. Mir persönlich ist es relativ gleich. Wichtig ist, wie es ankommt, und wichtig ist auch das Denken, das hinten dran steht. Ganz viele Männer, die so stark im islamischen Glauben geprägt sind, haben nun mal starke Vorbilder wie diesen Imam. Diese Männer haben oft auch Probleme, Lehrerinnen zu akzeptieren, haben Probleme, Chefinnen zu akzeptieren. Das gilt nie für alle. Pauschalitäten sind immer fehl am Platz. Aber ich habe so viele Rückmeldungen bekommen wie selten zuvor, von wirklich betroffenen Frauen, von einer Maklerin, von Geschäftsfrauen, die sagen: ‚wir wollen gleich behandelt werden!‘. Und das sollten wir eben nicht als kulturelle Vielfalt abtun, wenn Menschen anderer Kulturkreise nicht gewohnt sind, mit Frauen gleichberechtigt umzugehen.
Und wenn man auf der anderen Seite gerne die Offenheiten unseres Landes annimmt: Religionsfreiheit, ein Rechtssystem, das verlässlich ist, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, soziale Absicherung usw., dann gehört zur anderen Seite der Medaille eben auch die Gleichberechtigung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Und übrigens: Auch homosexuelle Partnerschaften sind legal in Deutschland, und auch das sind Punkte, die wir  den Neuankömmlingen abverlangen müssen.  Zusammenhalt unserer Gesellschaft kann nur gewährleistet werden, wenn die Integration derjenigen gelingt, die dauerhaft hier bleiben werden.“, so Julia Klöckner. Wie   für den Philosophen Rüdiger Safranski die Grundsätze und Werte der Gleichberechtigung unantasbar sind und das Grundgesetz über  Koran und Scharia stehen muss, fordert  Julia Klöckner, dass „es wohl nicht zuviel verlangt ist, von Asylbewerbern und Einwanderern ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung als oberste Instanz unseres Staates zu verlangen, wenn sie hier Schutz, Arbeit, Bildung und Versorgung suchen.“

zutrauen-julia-kloecknerJetzt hat die  Seiteneinsteigerin in die politische Parteiarbeit und heutige Hoffnungsträgerin der CDU und  Spitzenkandidatin bei den Landtagswahlen 2016  in Rheinland-Pfalz das Buch „Zutrauen – Ideen statt Ideologien – Was mir in der Politik wichtig ist“ vorgelegt. Hierin verrät die Politikerin, was ihr wichtig ist, und gibt im Gespräch mit den Journalisten Volker Resing und Martin Rupps Auskunft über ihr Verständnis von Politik und gesellschaftlichem Engagement.
Neben Themen wie Glaube, Werte und Heimat, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit, Familienpolitik und alternative Lebensentwürfe, Flüchtlingspolitik und Integration spricht sie auch über persönliche Weggefährten und Vorbilder. Im Kern komme es ihr darauf an, Probleme unideologisch und pragmatisch zu lösen, Konzepte für die Zukunft zu haben, das Land voran zu bringen, sagt sie und weiter: „Wir brauchen ein politisches Verständnis, das nicht Legislaturperioden, sondern Generationen im Blick hat.“ Anstatt zu bevormunden, möchte sie den Menschen zutrauen, selbst zu erkennen, was gut ist, welche Veränderungen und auch welche Politiker notwendig sind.

Wer Julia Klöckners  – mitunter unkonventionellen  – Ansichten und politisch pragmatische Herangehensweisen  besser verstehen möchte, dem sei ihr Buch  „Zutrauen – Ideen statt Ideologien – Was mir in der Politik wichtig ist“ wärmstens empfohlen. Erschienen ist es im Herder-Verlag Freiburg 2015, 192 Seiten, 19,99 Euro (als E-Book 15,99 Euro).

Diether v. Goddenthow (Rhein-Main.Eurokunst.com)