Kategorie-Archiv: Wissenschaft und Medizin

Warum das menschliche Gehirn viel besser ist als KI – Der Neurologe Prof. Dr. Volker Busch begeistert mit seinen Thesen beim Sommerempfang der Heilberufe

Austausch auf dem Neroberg in Wiesbaden (v. l. n. r.): Prof. Dr. med. Volker Busch (Impulsvortrag), Dr. Heike Winter (Präsidentin Psychotherapeutenkammer Hessen), Dr. Doris Seiz (Präsidentin Landeszahnärztekammer Hessen), Diana Stolz (Hessische Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, CDU), Dr. Edgar Pinkowski (Präsident Landesärztekammer Hessen), Ursula Funke (Präsidentin Landesapothekerkammer Hessen), Prof. Dr. Sabine Tacke (Präsidentin Landestierärztekammer Hessen) und Stephan Allroggen (Vorstandsvorsitzender Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen) Foto: Jörg Puchmüller
Austausch auf dem Neroberg in Wiesbaden (v. l. n. r.): Prof. Dr. med. Volker Busch (Impulsvortrag), Dr. Heike Winter (Präsidentin Psychotherapeutenkammer Hessen), Dr. Doris Seiz (Präsidentin Landeszahnärztekammer Hessen), Diana Stolz (Hessische Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, CDU), Dr. Edgar Pinkowski (Präsident Landesärztekammer Hessen), Ursula Funke (Präsidentin Landesapothekerkammer Hessen), Prof. Dr. Sabine Tacke (Präsidentin Landestierärztekammer Hessen) und Stephan Allroggen (Vorstandsvorsitzender Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen) Foto: Jörg Puchmüller

Auf dem diesjährigen Sommerempfang der Heilberufe, zu dem die Körperschaften der hessischen Heilberufe am 10. Juli 2024 unter dem Titel „Mensch vs. Maschine – Warum starke Köpfe die KI nicht fürchten brauchen “ eingeladen hatten, begeisterte der Gastredner Prof. Dr. Volker Busch die gut 150 Gäste im Wiesbadener Opel-Bad.

Prof. Dr. Sabine Tacke, Präsidentin der Landestierärztekammer Hessen, eröffnete den Abend und unterstrich, dass es längst nicht mehr zur Debatte stünde, ob man in der Medizin KI wolle oder nicht. Anwendungen, die auf diesen Technologien fußen, seien bereits allgegenwärtig und die Frage sei vielmehr, wie man sich jetzt und künftig dazu verhalte. Hierzu erhoffe sie sich neue und wissenschaftlich fundierte Anhaltspunkte.

Gesundheitsministerin Diana Stolz betonte, dass die Landesregierung den Fortschritt von KI zur Optimierung von Diagnostik und Therapie begrüße. „Die Zunahme von Rechenleistung und Datenmengen eröffnet dem Gesundheitswesen ganz neue Möglichkeiten für die Gesundheitsversorgung. Schon heute spielt KI eine immer größere Rolle und in der medizinischen Bildgebung kommt sie mittlerweile regelmäßig zum Einsatz. Darüber hinaus kann KI das Gesundheitspersonal z. B. bei Routinearbeiten oder Verwaltungsangelegenheiten entlasten und unterstützen.“

„Mensch vs. Maschine – Warum starke Köpfe die KI nicht fürchten brauchen “

Prof. Dr. Volker Busch, Neurologe, Psychiater und Wissenschaftler am Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Regensburg eröffnete sein Plädoyer für Natürliche Intelligenz mit der These „Der Mensch ist viel mehr“ als KI.

Prof. Dr. Volker Busch, Neurologe, Psychiater und Wissenschaftler. Soeben erschien sein neues Buch "Kopf hoch" im Droemer-Knaur Verlag München. © Foto Diether von Goddenthow
Prof. Dr. Volker Busch, Neurologe, Psychiater und Wissenschaftler. Soeben erschien sein neues Buch „Kopf hoch“ im Droemer-Knaur Verlag München. © Foto Diether von Goddenthow

Korrelieren ist nicht Denken

Während Künstliche Intelligenz (KI) zwar größere Datensätze überblicken und erheblich rascher als der Mensch Muster erkennen und etwa aus Wetterdaten, Röntgenbildern usw. Ergebnisse generieren könne, habe dies mit menschlicher Intelligenz recht wenig zu tun. Denn KI „korreliere“ nur und „denke nicht“. Korrelieren habe mit Denken nichts zu tun, so Busch. Korrelieren und große Datenzusammenhänge überblicken und darin Muster zu identifizieren, bedeute nicht, „zu verstehen was passiert.“ Das sei „der fundamentale Unterschied“ zwischen KI und menschlichem Gehirn. Aber leider sei dies vielen mit Google aufgewachsenen jüngeren Menschen gar nicht klar.

Busch untermauerte seine These, dass der Mensch viel mehr sei, mit einschlägigen Beispielen. Eine Medizin-Software habe beispielsweise nur dann Hautkrebs zu 99,9 Prozent erkannt, wenn auf Bildern mit Hautveränderungen der zur Tumorgrößenbestimmung verwendete Maßbandschnipsel abgebildet war. Da sie nicht denken kann, hatte sie einfach „Maßbandschnipsel“ plus „Hautveränderung“ gleich „bösartig“ korreliert. Beim Test an menschlicher Haut, wo die Maßband-Orientierung fehlte, versagte die dermatologische KI mit einer Trefferquote von 60 Prozent jämmerlich. Eine Kuherkennungssoftware habe die Rinder nur erkannt, wenn diese auf einer grünen Wiese standen. Kühe am Strand erkannte die Software nicht, da nur Tier mit grünem Hintergrund zu „Kuh korreliert“ wurde. Mit hellem Strand funktionierte das schon nicht mehr

KI-Schwachstelle: Gefahr falscher Zusammenhänge

Eine weitere Schwachstelle von KI besteht auch darin, falsche Zusammenhänge herzustellen. Bekannt ist beispielsweise die Geschichte eines Google-Bots von 2016 mit der unsinnigen Schlagzeile „Speiseeis verursacht Sonnenbrand“. Da hatte die Software einfach eine Art Dreisatzlogik versucht: Wenn im Sommer mehr Speiseeis gegessen wird und es mehr Sonnenbrände gibt, dann verursacht Speiseeis mehr Sonnenbrand. So ähnlich wie der Volksglaube, die Störche brächten die Kinder, da während im Frühsommer die Anzahl der Storchenpopulation steigt, auch die Geburtenrate hochschnellt.

Was das Gehirn der KI überlegen macht

Obgleich das menschliche Gehirn im Vergleich zu einem der größten Hochleistungs-Computer in Garching mit einer Geschwindigkeit von 100 Petaflops lediglich  1 Petaflop leiste, arbeite es effizienter und sei  dem Computer haushoch überlegen, so Busch. Denn der Mensch kann in Kontexten denken: „Wir können Sinn und Verstand hinein addieren, wir können denken“, zumindest im Prinzip. Denn auch wir machten Dummheiten, und es wäre ziemlich dämlich zu behaupten, der Mensch denke fehlerfrei.

Was aber mache Menschen gegenüber der Ki intelligenter? Was mache es aus, dass der „Mensch viel mehr ist“ als KI?, fragte Busch und gab zugleich selbst die Antwort: Es sei „unsere Fähigkeit, nicht nur Zusammenhänge in großen Daten zu finden“, sondern , „dass wir Denkenwissen addieren und ergänzen“, wozu unter anderem „Lebenserfahrungen, die wir gemacht haben, logische Schlussfolgerungen ziehen zu können, Fantasie und Gefühle zu entwickeln“ gehörten.

Maschinen besitzen kein Arbeitsgedächtnis

Hirnphysiologisch betrachtet, sei, sehr vereinfacht dargestellt, der Präfrontale Cortex mit Vorderlappen, auch Arbeitsgedächtnis genannt,  für unser Denken verantwortlich. Das Arbeitsgedächtnis könne man sich wie eine „Bühne vorstellen“, so Busch. Auf dieser Bühne  werden all die Daten und das „was Sie da so wahrnehmen: Ihre Erfahrungen, Ihre Gefühle, Ihre Fantasie, Ihre Kombinatorik – zusammengebracht, dies alles miteinander in Bezug gesetzt und zu einem Ergebnis geführt, so der Neurologe. Dieser Ort korreliere mit unserer Intelligenz, aber leider auch mit dem, was verloren ginge, wenn wir älter werden. Je „breiter Ihre Bühne ist, desto höher ist Ihr IQ“, wobei bekanntermaßen ab zirka dem 30. Lebensjahr ein paar Blanken von der Bühne abgebaut würden.

Der Hippocampus ist unser Bibliothek von Erfahrungs-Wissen

Etwas wettgemacht werde der Verlust im Arbeitsspeicher durch unsere Erfahrungsbibliothek, dem Hippocampus (Seepferdchen). Man könne sich den „Hippocampus als eine riesige Bibliothek an Wissen und Erfahrung vorstellen“. In dieser „Bibliothek“, so Busch, sei alles drin,  was Menschen an Erfahrungen gemacht haben, etwa wie man koche, segle, Gitarre spiele, oder auch die beruflichen, handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten, Fremdsprachen, Erfahrungen mit Mitmenschen – alles sei da gespeichert. „Und soll ich Ihnen etwas sagen: Es gibt nach allem, was wir wissen, keine Begrenzung nach oben! Die Bibliothek ist nie voll! Unsere Erfahrungen sind nie maximal. Es werden zur Not immer noch Regale angebaut“, ermutigt Busch sein gebannt zuhörendes Publikum. Das menschliche Gehirn nutze sich nicht ab wie ein Computer. Im Gegenteil: Je mehr wir es gebrauchen, umso besser werden wir. Beim Computer wäre das genau umgekehrt, zudem habe er keine  Arbeitsgedächtnis und könne natürlich auch keine neuen Eindrücke und Erfahrungswissen miteinander in Verbindung bringen, also das vollbringen, was das menschliches Denken kennzeichne.

Allein der Mensch ist zu intuitivem Denken fähig

Während KI-Software mit Daten gefüttert werden müsse, mache der Mensch  seine Erfahrungen selbst. Ein Computer kann das nicht. Als Besonderheit könne beim Menschen  das Sammeln von Erfahrungswissen, von Weltwissen, in bestimmten Entscheidungssituationen auch manchmal dazu führen,  „dass wir Entscheidungen treffen, die gegen die Datenlage sprechen. Und genau das macht uns erfolgreich“, ist Busch überzeugt. Diese Fähigkeit, aus dem Bauch heraus zu entscheiden, obwohl zunächst alle Fakten  dagegen zu sprechen scheinen oder eine bestimmte Entscheidung nicht hergeben, nennen wir Intuition. Zu intuitivem Denken ist allein der Mensch fähig.

Intuitives Denken hilft auch, klug zu entscheiden

Beispielsweise habe er, so Busch, als junger Mediziner auf einer Babyintensivstation erlebt, wie wertvoll menschliches Bauchgefühl helfen könne, klug zu entscheiden: Während er als diensthabender Jung-Arzt auf einen Notruf der erfahrenen Kinderkrankenschwester Agnes hin in der Säuglingsstation alle Parameter vorhandener Kontroll-Apparate, an dem der Säugling angeschlossen war. kontrolliert und für unauffällig befunden hatte, habe Schwester Agnes darauf bestanden, dass „mit dem Baby irgendetwas nicht stimmt“. Und Schwester Agnes, die aus ihrer Intuition heraus gehandelt hatte, „hatte recht, nicht nur einmal, sie hatte fast immer recht gehabt“, so Busch. Denn die erfahrene Krankenschwester habe etwas erfasst, „was Maschinen oder KI nicht erfassen können. Das ist zum Beispiel das Bewegungsverhalten von Kindern. Ein Kind bewegt sich anders, wenn es krank ist. Da ist das Hautkolorit: Kinder haben eine ganz andere Hautfarbe, wenn sie krank sind. Die Fäzis riechen anders, wenn sie krank sind“. Das seien alles Dinge, so Busch, die eine KI nicht erkenne, aber ein Mensch mit entsprechender Erfahrung schon. Schwester Agnes habe „schon lange keine Bücher mehr gelesen, aber ihre Erfahrungsbibliothek sei gut gefühlt gewesen“, während er als Jung-Arzt viele Bücher gelesen hatte, „aber seine Erfahrungsbibliothek noch leer gewesen“ sei.
„Diese Lebenserfahrung spülen wir ins Arbeitsgedächtnis auf unsere Bühne, und verbinden sie mit neuen Informationen, vermischen sie auf dieser Bühne, und dadurch entsteht das Einordnen, das Denken, Verstehen und Bauchgefühl“, erläutert der Neurologe am eigenen Beispiel, wie er allmählich immer mehr wertvolles Erfahrungswissen sammeln konnte, wodurch er erst der gute Arzt wurde, der er ist.

Intuition ist immer an Erfahrung gebunden

Intuition sei immer erfahrungsbasiert, und keine kosmische Eingebung, für die sie die Menschen manchmal hielten. Intuition basiere auf einer Erfahrung, „die wir gemacht haben, die irgendwann sagt: hier stimmt etwas nicht. Das könne beispielsweise ein Grund dafür sein, dass manch „ein Chirurg im OP nochmal aufmache“, ein „Zöllner jemanden an der Grenze rauswinke“, ohne dass es eine sachliche Begründung gäbe. Intuition sei keine Einbildung. Einbildung liege beispielsweise vor, wenn wir, ohne entsprechende Vorerfahrungen glauben, aus dem Bauch heraus das „Richtigere“ zu erkennen. Einbildung wäre beispielsweise, wenn heute jemand erzähle, er habe 2019 schon die Corona-Krise vorausgesehen. Denn niemand hatte bis zum Ausbruch von Corona eine derartige „Pandemieerfahrung“ gemacht. Doch „Intuition ist immer an Erfahrungen gebunden! Schwester Agnes hatte sie. Ich nicht!“, so Busch, rückblickend selbstkritisch ehrlich!

70 Prozent intuitiver Entscheidungen stimmen

Natürlich können Intuitionen auch mal trügerisch und falsch sein. Sie seien “keine innere Stimme, der man immer vertrauen könne“. Wissenschaftliche Studien schätzten, so Busch, dass lediglich 70 Prozent der Bauchentscheidungen korrekt seien. Diese ließen sich jedoch durch systematisches allabendliches Reflektieren seiner Tagesentscheidung noch um 10 Prozent verbessern. Mehr aber ginge kaum: Das läge mitunter daran, dass viele Situationen einfach neu seien, in denen dann Erfahrungswissen wenig nütze. Aber auch zu starke Gefühle könnten das Bauchgefühle kaputt machen, etwa bei heftiger Verliebtheit, oder auch zu starken negativen Emotionen wie Ängsten. Zu starke emotionale Zustände wirken eher realitätsverzerrend, Menschen könnten beispielsweise „Blind vor Liebe“, „Blind vor Wut“ sein, sich von „der Angst aufgefressen“ fühlen.

Der Preis für Technikgläubigkeit ist Verlust an Erfahrungswissen

Je mehr „die“ Technik uns Menschen „die“ Arbeit erleichtere oder abnähme, was ja erst einmal begrüßenswert sei, wachse jedoch auch die Gefahr, dass menschliches Erfahrungswissen zurück- oder verlustig ginge, womit unsere Abhängigkeit von KI-Software und Apparaten wachse. Mit seiner 25jährigen Erfahrung als Hirnforscher in der Psychiatrie glaube er, so Busch, dass „man für alles im Leben immer einen Preis zahlt“, ob es die Art sei, wie wir uns ernährten, wie wir mit unserem Lebenspartner umgingen, unsere Freunde behandelten. Irgendwann kommt es irgendwo an, und wirkt zurück, im positiven wie im negativen Sinn. „Und ich glaube, ganz ehrlich, dass wir auch einen Preis zahlen müssen für diese fantastische multimediale Welt, für diese vielen Informationen, und all den tollen Sachen, die damit verbunden sind“, befürchtet Busch.

Es sei ja noch ganz lustig, wenn wir bei Nutzung einer Eierkochen-App vielleicht ein wenig unsere Eierkoch-Kompetenz einbüßten, aber wenn angehende Ärzte eher auf KI als auf sich selbst vertrauen, könnten sie ihre Erfahrungsbibliothek letztlich nur unzureichend füllen. Seit in der Regensburger Neurologie neben dem CT auch ein hochmoderner Kernspin verfügbar sei, was die besten diagnostischen Bilder liefere und wirklich ein großer Fortschritt für Patienten sei, „untersuchen die Assistenzärzte nicht mehr neurologisch. Weil sie es nicht mehr brauchen oder denken, es nicht mehr zu brauchen. Die Röhre sagt dir das schon. Und wehe, es fällt aus. Dann stehen sie wie ein Ochs vorm Berg und können mit dem Reflexhammer dann nicht mehr richtig umgehen!“, so Busch. Das wäre eben der Preis, „den wir bezahlen müssen für neue Technologien, und das ist manchmal der Verlust, Erfahrungen zu machen.“

Wenn verlorengegangenes  Erfahrungswissen gefährlich wird

Aber es ginge noch tiefer, so Busch, was er mit einem Beispiel aus Grönland untermauerte: Dort stiegen seit 2004 die lebensgefährlichen (Jagd-) Unfälle, und zwar seit die jungen Inuit zur Orientierung GPS nutzten. Statt wie einst üblich, erst nach achtjähriger Ausbildung durch einen erfahrenen Jägers allein zur Jagd gehen zu dürfen, hielten immer mehr junge Leute dank Google-Maps das nicht mehr für nötig. Wenn dann in der arktischen Wildnis ihr GPS ausfällt, hätten die Jung-Jäger ein großes Problem, „weil sie nie gelernt haben, Sternenbilder zu interpretieren, Schneegestöber einzuschätzen usw.“, so Busch. Der kulturelle Wandel durch diese Technologien sei so rasant, dass Fachleute inzwischen überzeugt davon seien, „dass das komplette Orientierungswissen der Inuit in zwei Generationen komplett verschwunden sein wird, was über mehrere Jahrhunderte aufgebaut worden ist“, zitiert Busch aus einer wissenschaftlichen Studie eines Kollegen, worüber dieser im Spiegel schrieb.

Mit dem „Auge“ des Menschen durch die „Brille“ von KI

Es ginge ja nicht darum, auf technischen Fortschritt zum Wohle der Menschen zu verzichten. Im Gegenteil: KI und was man damit alles, insbesondere auch in der Medizin im Bereich in der Diagnostik verbessern könne, begrüße er, so Busch. Eine Gefahr sieht der Neurologe jedoch darin, wenn „wir die ganze Zeit unser Denken, unser Fühlen abgeben an eine Technik“, wenn Menschen die technischen Fähigkeiten über die eigenen kognitiven Potentiale stellten. Damit verhindere der Mensch, wertvolles Erfahrungswissen zu sammeln und ausreichend seine eigene „Bibliothek“ zu füllen.
Wenn man hingegen die KI zunächst ihre immensen Potentiale ausspielen lasse, um die Ergebnisse danach denkend zu beurteilen, könnten KI und Mensch gute Freunde werden und sich bestens ergänzen.
Beide seien wichtig. Dabei sei KI, in Metaphern gedacht, jedoch die Brille, die den Blick schärfen, die Kantenschärfe verbessern und mehr Detailgenauigkeit erlauben könne. Aber „sehen“ könne nur der Mensch. „Ich gebe gern zu, dass die Brillen, die wir auf den Markt bringen, immer besser und immer schärfer werden – aber sie ersetzen das Denken nicht“, so Busch. Des Menschen Stärke ist sein „Sehen-Können“ und „unsere Chancen liegen  im Arbeitsgedächtnis: präzise und sorgfältig denken zu können“, erläutert der Neurologe. „Mit scharfen Sinnen die Welt zu beobachten, viel Wissen anzueignen, viel Erfahrung zu sammeln, miteinander auszutauschen, gemeinsam aus Fehlern zu lernen“, sei das, „ was uns auszeichnet“, so Busch. Digitale Assistenzsysteme können uns daher nur ergänzen, nicht aber ersetzen.
Fazit: Der Mensch ist viel besser als KI. Er muss sie nicht fürchten, wenn er lernt mit ihr richtig umzugehen.

Dank an den Redner – Vorrang für natürliche Intelligenz bestätigt!

Dr. Doris Seiz, Präsidentin der Landeszahnärztekammer Hessen, dankte dem Vortragsredner des Abends für seinen äußerst anschaulichen, fundierten wie sehr unterhaltsam präsentieren Vortrag. In ihrem Schlusswort unterstrich die Präsidentin, dass sie grundsätzlich eine Verfechterin natürlicher Intelligenz sei und dieser Vortrag sie in ihrer Sichtweise bestätigt und gefestigt habe. Dennoch sehe sie den immensen Nutzen der KI, gerade auch im medizinischen Bereich. Seiz stellte noch einmal den Wert des Austauschs von Politik und Heilberufen heraus, der bei Gelegenheiten wie dem alljährlichen Sommerempfang des hessischen Bündnisses in entspannter Atmosphäre und angeregt durch wissenschaftliche Impulse auf Augenhöhe stattfinde. Nicht konfrontativ, sondern einzig konstruktiv und in stetigem Diskurs seien die vielen aktuellen Herausforderungen der Heilberufe zu lösen und ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen zu schaffen, so die Präsidentin abschließend.

(Dokumentation: Diether von Goddenthow)

Weiter Informationen: Prof. Dr. Volker Busch

Buchtipp:
Prof. Dr. Volker Buch: Kopf hoch!: Mental gesund und stark in herausfordernden Zeiten | Mentale Stärke trainieren. Droemer-Knaur, München 2024

Das Bündnis „Heilen & Helfen“ wurde im Jahr 2007 von den hessischen Körperschaften der Heilberufe ins Leben gerufen, um den Anliegen der Heilberufe mehr Gehör in der Politik und Aufmerksamkeit im gesellschaftlichen Diskurs zu verschaffen. Es setzt sich aus verschiedenen Verbänden und Kammern zusammen: Landesärztekammer Hessen, Landeszahnärztekammer Hessen, Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen, Landesapothekerkammer Hessen, Psychotherapeutenkammer Hessen und Tierärztekammer Hessen. Informationen über das Bündnis Heilen & Helfen und seine Geschichte: www.heilberufehessen.de

„Make Science Not War!“ war die Botschaft vom Mainzer Wissenschaftskongress „Curious Future Insight Conference 2024″

In mehreren Räumen konnte die Eröffnung der Wissenschaftskonferenz Curious 2024 in der Rheingoldhalle Mainz verfolgt werden. © Foto Diether von Goddenthow
In mehreren Räumen konnte die Eröffnung der Wissenschaftskonferenz Curious 2024 in der Rheingoldhalle Mainz verfolgt werden. © Foto Diether von Goddenthow

2500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt, darunter 12 Nobelpreisträger , Nachwuchsforscher, PostDocs, Doktorandinnen und Doktoranden, Studierende, Zukunftsforscher und Organisatoren verschiedenster Disziplinen trafen sich vom 10. bis 11. Juli 2024 zur Curious Future Insight Conference 2024 in der Mainzer Rheingoldhalle.

Zwei Tage lang war Mainz interdisziplinäres wissenschaftliches Zentrum, welches die klügsten Wissenschaftler und erfolgreichsten Innovatoren der Welt zusammenbrachte und ihnen die Plattform bot, ihre Arbeiten vorzustellen, künftige Trends von Wissenschaft und Technologie zu erkunden und nach Lösungen für die Herausforderungen von heute zu ringen. Der interdisziplinäre Themen-Bogen war weit gespannt. Er reichte von den Bereichen Gesundheit, Ernährung, synthetische Biologie über Materialien, Werkstoffe, Energie, Digitalisierung, künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Robotik bis hin zu Mobilität, Raumfahrt sowie zu „den“ Geheimnissen des menschlichen Geistes und neuen Formen von Zusammenarbeit.

Viele Workshops fanden in sogeannten Kuppeln 1 - 5 statt,. © Foto Diether von Goddenthow
Viele Workshops fanden in sogeannten Kuppeln 1 – 5 statt,. © Foto Diether von Goddenthow

Die Curious zählt zu einer der weltweit größten Konferenzen über Wissenschaft und Technologie, und wurde 2018 vom Darmstädter Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck anlässlich des 350-jährigen Bestehens initiiert. Die Wissenschaftskonferenz findet alle zwei Jahre statt. Eröffnet wurde die Curios 2024 von Ulrich Betz, Vorsitzender Future Insight eV, Senior Vice Presid Innovation, Merck KGaA, Darmstadt, Johannes Baillou, Vorsitzender der Geschäftsleitung und des Familie E. Merck KG, Belén Garijo, Vorsitzender der Geschäftsleitung und CEO Merck Darmstadt, Clemens Hoch, Minister für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz sowie Nino Haase, Oberbürgermeister von Mainz. Dabei unterstrichen sie in Anlehnung an die Mainzer Science Declaration „Make Science Not War!“ ihre Überzeugung, dass der menschliche Fortschritt eng mit weiteren Fortschritten in Wissenschaft und Technologie verknüpft sei, und Wissenschaft eine Kraft des Guten sei, die es ermögliche, viele der dringendsten Herausforderungen der Menschheit zu lösen, und dass sich aus zukünftigen wissenschaftlichen und technologischen Anstrengungen heraus enorme Chancen ergeben werden.
Die Curious 2024 fand in hybrider Form statt, so dass auch nicht physisch in Mainz Anwesende aus aller Welt den Vorträgen und vielen Events live folgen konnten.

Einer der prominentesten Redner der den Reigen der Hauptvorträge eröffnete, war BionTech-Mitbegründer Uğur Sahin, Professor für Translationale Onkologie und Immun, Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Helmh Institut für Translationale Onkologie (HI-TRON). © Foto Diether von Goddenthow
Einer der prominentesten Redner der den Reigen der Hauptvorträge eröffnete, war BionTech-Mitbegründer Uğur Sahin, Professor für Translationale Onkologie und Immun, Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Helmh Institut für Translationale Onkologie (HI-TRON). © Foto Diether von Goddenthow

Die Liste der Redner liest sich wie ein „Who is Who“ der Wissenschaftselite, darunter die Chemienobelpreisträgerin 2020 Emmanuelle Charpentier, vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie an der Humboldt-Universität Berlin, oder der Physik-Nobelpreisträger Professor Steven Chu, von der Stanford University. Er widmete sich in seinem Vortrag bestimmten Materialien als Schlüsseltechnologie für die Erreichung von Netto-Null-Treibhausgasemissionen. BioNTech-Mitbegründer Uğur Sahin, Professor für Translationale Onkologie und Immun an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Helmholtz  Institut für Translationale Onkologie (HI-TRON),  gab Einblicke zum Forschungsstand einer individualisierten Krebs- und Infektionsmedizin: So könnten demnächst (wohl ab 2033) neuartige (Bio-)Technologien die Behandlung von Krebs und Infektionskrankheiten revolutionieren.

Impression hier aus der Poster-Ausstellung  von Courios 2024 © Foto Diether von Goddenthow
Impression hier aus der Poster-Ausstellung von Courios 2024 © Foto Diether von Goddenthow

Ralph Marquardt, CIO Evonik Operations GmbH, referierte über nachhaltige Chemie als eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit, und zeigte mögliche  Lösungsansätze auf. Der Biowissenschaftler und Gewinner des Merck Future Insight Prize 2023 Professor Khalid Salaita von der Privaten Emory University in Atlanta, gab Einblicke in seinen Forschungsbereich der DNA-Mechanotechnologie mit Blick auf Nukleinsäuren, die molekulare Kräfte spüren und erzeugen und grundlegende Forschungsinstrumente und neue biomedizinische Diagnostik ermöglichen können.
Weitere Referenten und ihre Themen der Curious 2024 findet man unter: https://www.curiousfutureinsight.org/_speakers/

Merck Future Insight Prize 2024

Lauren Gardner erhielt den mit 500 000 Euro dotierten Merck future inside prize 2024
Lauren Gardner erhielt den mit 500 000 Euro dotierten Merck future inside prize 2024

Einer der Höhepunkte war die Verleihung des mit 500 000 Euro dotierten Future Insight Prize 2024 an Professorin Lauren Gardner , Vertreterin der Johns Hopkins University, Baltimore, USA, für ihre Beiträge zur Entwicklung fortschrittlicher Systeme künstlicher Intelligenz (KI),die dabei helfen sollen, künftige Pandemien schneller zu erkennen und einzudämmen.
„Die vorbildliche Arbeit von Lauren Gardner und ihrem Team von der Johns Hopkins University hat während der Covid-19-Pandemie einen bedeutenden Beitrag zur öffentlichen Gesundheit geleistet. Mit der Verleihung des Future Insight Prize hoffen wir, dass sie die laufenden Bemühungen beschleunigen kann, eine Welt zu schaffen, die besser darauf vorbereitet ist, zukünftige Pandemien vorherzusagen und zu verhindern“, sagte Belén Garijo, Vorsitzende der Geschäftsleitung von Merck, bei der heutigen Preisverleihung in Mainz.

Während der Covid-19-Pandemie entwickelte sich das interaktive Dashboard von Gardner und ihrem Team zum maßgeblichsten und zentralsten Datenerfassungs- und -austauschsystem für die Meldung und Nachverfolgung der weltweiten Gesundheitsergebnisse von Covid-19. Der Future Insight Prize wird es ihr ermöglichen, ausgefeilte Modelle und Datensysteme für die öffentliche Gesundheit weiterzuentwickeln, die die internationale Pandemievorsorge und Reaktionsfähigkeit verbessern können.

Bei der Preisverleihung im Rahmen der Curious2024 – Future Insight Conference in Mainz teilte Gardner ihre Vision mit, welche Auswirkungen der Preis auf ihre Arbeit haben wird: „Der Erhalt des Future Insight Prize wird unsere Mission an der Johns Hopkins University weiter unterstützen, prädiktive Modelle zu verfeinern und Entscheidungshilfen zu verbessern, die für die wirksame Bewältigung gesundheitlicher Notfälle von entscheidender Bedeutung sind. Diese Anerkennung bestärkt unser Engagement für die Entwicklung neuer KI-gestützter Lösungen, um zukünftige Bedrohungen durch bekannte Viren oder andere biologische Quellen vorherzusehen und einzudämmen.“

Zu Gardners aktuellen Projekten gehören die Verbesserung epidemiologischer Instrumente zur Früherkennung von Krankheitsausbrüchen, die Schaffung eines zentralen Open-Data-Repositorys und die Förderung der Integration der öffentlichen Gesundheitspolitik durch Schulungen und Kapazitätsaufbau. Ihre Arbeit zielt darauf ab, neue Standards bei der Nutzung von KI für die öffentliche Gesundheit zu setzen und robuste globale Reaktionen auf neu auftretende Infektionskrankheiten zu fördern.

Der Future Insight Prize wurde 2018 von der Merck KGaA, Darmstadt, Deutschland, ins Leben gerufen, um bahnbrechende Forschung zu unterstützen, die Lösungen für große globale Herausforderungen bietet. Der Preis würdigt nicht nur vergangene wissenschaftliche Leistungen, sondern soll auch zukünftige Durchbrüche ermöglichen. Der Future Insight Prize 2025 wird im Bereich der Regenerativen Medizin vergeben. Vorschläge für potenzielle Kandidaten können der Future Insight Prize Jury vorgelegt werden .

Mainz und Rheinland-Pfalz  werden auch Curious 2025 fördern

Auf Wiedersehen bis zum nächsten Jahre in der Mainzer Rheingoldhalle zur Curious 2025 © Foto Diether von Goddenthow
Auf Wiedersehen bis zum nächsten Jahr in der Mainzer Rheingoldhalle zur Curious 2025 © Foto Diether von Goddenthow

Das Land Rheinland-Pfalz und die Landeshauptstadt Mainz freuen sich wie Wissenschaftsminister Hoch und Oberbürgermeister Haase versicherten, dass „wir dieses Konferenzformat nach Mainz holen konnten“ und sagten zu, auch im kommenden Jahr Curious 2025 zu unterstützen. Denn Rheinland-Pfalz sei derzeit Deutschlands innovativstes Bundesland und in der Biotechnologie sowie  weltweit führend.

Neues Schmerzmittel könnte Opioide langfristig ersetzen

Bindung von Aniquinazolin B an einen Opioidrezeptor- Abb./©: Mohamed Elbadawi / JGU
Bindung von Aniquinazolin B an einen Opioidrezeptor- Abb./©: Mohamed Elbadawi / JGU

Opioide gehören zu den am längsten bekannten Naturstoffen mit pharmakologischer Wirkung und sind hervorragende Schmerzmittel. Ein bekanntes Beispiel ist Morphium, das Anfang des 19. Jahrhunderts erstmalig isoliert und synthetisiert wurde und das für Schwerkranke im letzten Lebensstadium ein Segen ist. Die Kehrseite: Bei unsachgemäßem Gebrauch können Opioide zu Abhängigkeiten führen, ebenso zu drastischen Nebenwirkungen wie Atemstillstand. In den USA wurden Opioide stark in den Medien beworben – und als Folge auch bei leichteren Beschwerden verschrieben. Den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zufolge gab es im Zeitraum von 1999 bis 2021 in den USA fast 645.000 Tote durch eine Opioid-Überdosis. Auch Deutschland hat die Opioidkrise bereits erreicht: Hierzulande wird vor allem Heroin mit den Wirkstoffen gestreckt. Während bei Heroin 200 Milligramm tödlich wirken, genügen bei dem Opioid Fentanyl bereits zwei Milligramm. In Deutschland starben 2022 mehr als 1.000 Personen im Zusammenhang mit dem Konsum von Opioiden.

40.000 Naturprodukte als Ausgangsbasis
Zwar schreiten die Regierungen ein, um diese Krise einzudämmen. Dennoch sind viele Menschen abhängig von Opioiden oder leiden unter Schmerzen, die gelindert werden müssen. Es besteht daher ein dringender Bedarf an sichereren Schmerzmitteln. Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) konnten hier – mit finanzieller Unterstützung des DFG-Graduiertenkollegs „Life Sciences – Life Writing“ – einen Erfolg erzielen. „Ein Naturprodukt namens Aniquinazolin B aus dem Meerespilz Aspergillus nidulans greift ebenfalls an den Opioidrezeptoren an und könnte Opioide künftig ersetzen“, sagt Roxana Damiescu, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas Efferth. Als Ausgangsbasis diente dem Team eine chemische Datenbank mit über 40.000 Naturprodukten. Wie gut binden diese Stoffe an den entsprechenden Rezeptor? Und haben sie die Eigenschaften, die Arzneimittel brauchen? So muss die Substanz beispielsweise eine gewisse Wasserlöslichkeit aufweisen. Da es sich um Approximationsrechnungen handelte, die umso präziser werden, je öfter sie durchgeführt werden, standen pro Substanz rund 750.000 Einzelrechnungen an. Eine solch riesige Zahl an Kalkulationen würde jeden normalen PC weit über seine Leistungsgrenzen hinaus fordern, daher nutzte das Team den Supercomputer MOGON der JGU. Die Top 100 der Wirkstoffe wurden anschließend mit weiteren Berechnungsmethoden untersucht.

Die Top Ten wurden im Labor untersucht
Für die Top Ten, die daraus resultierten, hieß es: Biochemische Analyse im Labor. Als erstes stand die Sicherheit auf dem Programm. Die Forschenden untersuchten an menschlichen Nierenzellen, ob höhere Konzentrationen des Wirkstoffs den Zellen etwas anhaben können und sie abtöten. Anschließend kamen zwei weitere Testprinzipien zum Einsatz. „Das erste widmet sich der Frage: Existiert die theoretisch vorhergesagte hohe Bindungsenergie der Substanzen an die Schmerzrezeptoren auch in der realen Welt?“, erläutert Thomas Efferth, Leiter der Abteilung Pharmazeutische Biologie. Da eine Bindung der Substanzen an die Rezeptoren allein nicht ausreicht – die Bindung muss auch die Funktion ändern –, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Hemmung der biologischen Funktion mit einem zweiten Testsystem. Einer der Wirkstoffe passierte alle Tests mit Bravour: Aniquinazolin B aus dem Meerespilz Aspergillus nidulans. „Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass dieser Wirkstoff eine ähnliche Wirkung haben könnte wie Opioide, jedoch deutlich weniger Nebenwirkungen aufweist“, fasst Roxana Damiescu zusammen.

Die Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten Journal ChemMedChem veröffentlicht.

Boehringer-Ingelheim-Preis 2024: neue Forschungs-Erkenntnisse zu Komplikationen der Leberzirrhose und der Bedeutung von Stickstoffmonoxid in Fettgewebszellen

PD Dr. Christian Labenz (l.) und Dr. Andy Wing Chun Man (r.) haben für ihre exzellenten Forschungsarbeiten den Boehringer-Ingelheim-Preis 2024 erhalten. © Universitätsmedizin Mainz / Dominik Gruszczyk
PD Dr. Christian Labenz (l.) und Dr. Andy Wing Chun Man (r.) haben für ihre exzellenten Forschungsarbeiten den Boehringer-Ingelheim-Preis 2024 erhalten. © Universitätsmedizin Mainz / Dominik Gruszczyk

(Mainz, 10. Juli 2024, rdr) PD Dr. Christian Labenz und Dr. Andy Wing Chung Man erhalten den diesjährigen Boehringer-Ingelheim-Preis für ihre exzellenten Forschungsarbeiten: Christian Labenz von der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik hat im Rahmen einer großen Studie wichtige Erkenntnisse zur Früherkennung einer neurologischen Komplikation der Leberzirrhose gewonnen. Andy Wing Chun Man vom Institut für Pharmakologie hat herausgefunden, dass Stickstoffmonoxid und dessen Regulation auch in Fettgewebszellen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung kardiometabolischer Erkrankungen spielt. Der Boehringer-Ingelheim-Preis ist mit 30.000 Euro dotiert und geht zu gleichen Teilen an die beiden Nachwuchswissenschaftler.

„Mit dem Boehringer-Ingelheim-Preis 2024 würdigen wir Forschungsarbeiten von großer gesellschaftlicher Relevanz – denn es geht um die Volkskrankheit Adipositas und die Leberzirrhose als häufigste Ursache für Leberkrebs. Ich gratuliere den beiden Preisträgern sehr herzlich und freue mich, dass wir auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit haben, solche herausragenden Arbeiten auszuzeichnen und auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zur Förderung unseres wissenschaftlichen Nachwuchses zu leisten“, betonte der kommissarische Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Hansjörg Schild.

„Es ist mir eine große Freude, heute den beiden hervorragenden Nachwuchswissenschaftlern Dr. Andy Wing Chung Man und Dr. Christian Labenz zum Boehringer-Ingelheim-Preis gratulieren zu dürfen. Als gemeinnützige Stiftung liegt es uns besonders am Herzen, exzellente Talente zu motivieren, innovative Forschungsvorhaben zu unterstützen und dadurch einen wichtigen Beitrag für unser aller Wohl zu leisten“, ergänzt Christoph Boehringer, Vorsitzender des Vorstands der Boehringer Ingelheim Stiftung.

PD Dr. Christian Labenz erhält den Preis für seine Arbeit aus dem Bereich der klinischen Medizin. Er sagt: „Unsere Ergebnisse haben direkte Implikationen für die klinische Versorgung von Patient:innen mit Leberzirrhose und eröffnen neue Optionen bis hin zu einer personalisierten Therapie. Dr. Andy Wing Chung Man wird für seinen Beitrag im Bereich der theoretischen Medizin ausgezeichnet. Sein Fazit: „Ein kleines Molekül mit großer Wirkung steht im Mittelpunkt unserer Arbeit. Wir konnten zeigen, dass die gezielte Beeinflussung von Enzymen, die im Fettgewebe Stockstoffmonoxid – chemische Formel NO – bilden, einen vielversprechenden Ansatz für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden etwa für die koronare Herzkrankheit darstellt.“

Beide Nachwuchswissenschaftler stellten ihre Forschungsarbeit im Rahmen der feierlichen Preisverleihung vor. Den Festvortrag zu neuen Signalmechanismen im angeborenen Immunsystem und im Herz-Kreislauf-System mit dem Titel „Cyclic GMP-AMP: a novel second messenger in innate immune and cardiovascular signaling“ hielt Univ.-Prof. Dr. Ulrich Förstermann, Seniorprofessor am Institut für Pharmakologie und ehemaliger Dekan und Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin Mainz.

Mit dem Boehringer-Ingelheim-Preis zeichnet die Boehringer Ingelheim Stiftung aufstrebende wissenschaftliche Talente der Universitätsmedizin Mainz für exzellente wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der theoretischen und klinischen Medizin aus. Der Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und wird seit 1969 jährlich vergeben. Seit 1995 wird er von der Boehringer Ingelheim Stiftung dotiert.

Einzelheiten zur Arbeit von PD Dr. Christian Labenz:

PD Dr. Christian Labenz ist Stellvertretender Leitender Oberarzt an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. Er erhält den Boehringer-Ingelheim-Preis 2024 im Bereich klinische Medizin. Ausgezeichnet wird seine im Journal of Internal Medicine publizierte Arbeit „Minimal hepatic encephalopathy is associated with a higher risk of overt hepatic encephalopathy and poorer survival“. Im Rahmen der darin beschriebenen Studie mit 1462 Teilnehmer:innen konnte Christian Labenz wichtige Erkenntnisse zur Früherkennung einer neurologischen Komplikation der Leberzirrhose gewinnen.

Konkret geht es um die offensichtliche („overte“) hepatische Enzephalopathie (HE): Diese Funktionsstörung des Zentralen Nervensystems ist eine der häufigsten und schwerwiegendsten Komplikationen der Leberzirrhose und tritt in unterschiedlichen Schweregraden auf – die Symptome reichen von Persönlichkeitsveränderungen, Desorientiertheit und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Von großer Bedeutung wäre es, Risikopatient:innen für die Entwicklung einer overten HE frühzeitig entdecken und gegebenenfalls prophylaktisch behandeln zu können.

Ein möglicher Ansatz für die Früherkennung von Risikopatient:innen könnte die Detektion der mildesten Form der HE – im Fachjargon „minimale HE“ – sein. Die minimale HE kann durch spezialisierte neuropsychologische Tests diagnostiziert werden: Der Goldstandard ist der sogenannte Psychometric Hepatic Encephalopathy Score (PHES): Der PHES Test besteht aus fünf papierbasierten Einzeltests, bei denen die Patient:innen beispielsweise einen Zahlenverbindungstest auf Zeit absolvieren müssen.

Welche Bedeutung eine minimale HE in Bezug auf die Entwicklung einer overten HE hat, wurde bislang nicht im größeren Rahmen erforscht. Diese Lücke schließt die nun mit dem Boehringer-Ingelheim-Preis prämierte Arbeit: Erstmals haben die Forschenden im Rahmen eines internationalen Konsortiums, welches durch das Cirrhose Centrum Mainz (CCM) und Dr. Labenz als Leitung angeführt wird, eine multizentrische Studie zu dieser Fragestellung konzipiert und durchgeführt. Mit insgesamt1462 Patient:innen aus acht europäischen Ländern und den USA – 500 von ihnen stammten aus dem CCM – ist es die bisher größte publizierte multizentrische Studie mit einer Langzeitbeobachtung der Patient:innen zum Thema HE.

Zusammengefasst konnte das Forschungsteam um Christian Labenz im Rahmen der Analysen nachweisen, dass die Testung auf das Vorliegen einer minimalen HE vor allem bei Patient:innen im intermediären Stadium der Leberzirrhose eine Vorhersage für die Entwicklung einer overten HE zulässt. Weitere Analysen zeigten, dass eine kombinierte Teststrategie bestehend aus dem leicht und überall durchführbaren Animal Naming Test, bei dem Patient:innen verschiedene Tiernamen innerhalb von einer Minute aufzählen müssen, und dem deutlich aufwendigeren PHES-Test die Prognose des Risikos weiter verbessern kann.

Die Ergebnisse haben direkte Implikationen für die klinische Versorgung von Patient:innen mit Leberzirrhose und eröffnen neue Optionen bis hin zu einer personalisierten Therapie. Aufbauend auf den Ergebnissen der aktuellen Studie wollen die beteiligten Wissenschaftler:innen nun eine Therapiestudie initiieren, mit dem Ziel, eine overte HE bei Patient:innen mit hohem Risiko von vornherein zu verhindern.

Originalpublikation:
Gairing S.J., Mangini C., Zarantonello L., Gioia S., Nielsen E.J., Danneberg S., Lok A.S., Sultanik P., Galle P.R., Labenz J., Thabut D., Marquardt J.U., Bloom P.P., Lauridsen M.M., Montagnese S., Nardelli S., Labenz C.; Minimal hepatic encephalopathy is associated with a higher risk of overt hepatic encephalopathy and poorer survival; Journal of Internal Medicine (2024) 295, 331 – 345, https://doi.org/10.1111/joim.13747

Einzelheiten zur Arbeit von Dr. Andy Wing Chung Man:

Dr. Andy Wing Chung Man, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pharmakologie der Universitätsmedizin Mainz, erhält den Boehringer-Ingelheim-Preis 2024 im Bereich theoretische Medizin für seine Arbeit „Deletion of adipocyte NOS3 potentiates high-fat diet-induced hypertension and vascular remodelling via chemerin”, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Cardiovascular Research.

Im Mittelpunkt der Arbeit steht ein kleines Molekül mit großer Wirkung: Bereits 1992 hat die Zeitschrift Science Stickstoffmonoxid mit der chemischen Formel NO aufgrund seiner Bedeutung zum „Molekül des Jahres“ erklärt. Im Jahr 1998 folgte der Medizinnobelpreis für die Entdeckung der Rolle von NO als Signalmolekül im Herz-Kreislauf-System. In der Wand von Blutgefäßen wird NO hauptsächlich durch das Enzym NOS3, auch als endotheliale NO-Synthase (eNOS) bezeichnet, gebildet. Das Enzym ist benannt nach den Zellen, die die innerste Schicht der Blutgefäße bilden, den Endothelzellen, in denen es entdeckt wurde. In der Vergangenheit hat sich eNOS/NOS3 als primärer Regulator des Blutdrucks und der Gefäßfunktion in der Gefäßwand etabliert.

NOS3 kommt jedoch nicht nur in Endothelzellen, sondern auch in anderen Zelltypen vor: etwa in den Fettzellen des weißen Fettgewebes und des perivaskulären Fettgewebes (PVAT), welches die Blutgefäße umgibt. Dabei ist Fettgewebe weit mehr als eine Ansammlung von Fettzellen, auch Blutgefäße sowie Nerven- und Immunzellen sind dort zu finden.

Jüngste Studien, die teils auch in der Pharmakologie in Mainz durchgeführt wurden, ließen vermuten, dass NOS3 in Fettzellen, die im Fachjargon Adipozyten heißen, ebenfalls eine Rolle bei der Regulation der Gefäßfunktion im Fettgewebe spielen könnte, doch ein direkter Beweis fehlte. In dem Zusammenhang bekommt NOS3 eine enorme Bedeutung, da Übergewicht heutzutage eine Epidemie ist, die entscheidend zur Entstehung von Bluthochdruck und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt.

Die nun mit dem Boehringer-Ingelheim-Preis ausgezeichnete Arbeit beantwortet erstmals Fragen zur spezifischen Funktion der NOS3 in Fettgewebe und liefert diesbezüglich wichtige neue Erkenntnisse. Untersucht wurden Mäuse, die kein NOS3-Enzym in Adipozyten bilden können. Die erste Erkenntnis: Fehlt NOS3 in Fettzellen, verliert das perivaskuläre Fettgewebe seine antikontraktile Funktion und die Blutgefäße können schlechter relaxieren. Ferner verhindert NOS3 in Fettzellen eine Entzündung des Gewebes, hemmt pathologische Gefäßversteifungen und Kollagenablagerungen und hält die Arterien elastisch. Schließlich reguliert NOS3 die Absonderung von Adipokinen – Verbindungen, die vermutlich für die Entstehung verschiedener Erkrankungen verantwortlich sind, die auf Übergewicht zurückzuführen sind, wie Bluthochdruck und Gefäßverengungen. So bildeten Mäuse ohne NOS3-Enzym vermehrt ein solches Adipokin namens Chemerin, was unter anderem zu Bluthochdruck führte. In dem Zusammenhang ist interessant, dass Chemerin kürzlich bereits mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht wurde.

Zusammengenommen deuten alle diese Ergebnisse darauf hin, dass die gezielte Beeinflussung des NOS3/Chemerin Systems im Fettgewebe ein vielversprechender Ansatz für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden für kardiometabolische Erkrankungen sein könnte, also Krankheitsbilder, die das Herz-Kreislauf-System und/oder Stoffwechselvorgänge betreffen, wie etwa die koronare Herzkrankheit.

Für die erfolgreiche Studie arbeitete Dr. Andy Wing Chung Man mit Kollegen und Kolleginnen des Instituts für Pharmakologie und des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz zusammen.

Originalpublikation:
Man A.W.C., Zhou Y., Reifenberg G., Camp A., Münzel T., Daiber A., Xia N., Li H.; Deletion of adipocyte NOS3 potentiates high-fat diet-induced hypertension and vascular remodelling via chemerin; Cardiovascular Research (2023) 119, 2755 – 2769, https://doi.org/10.1093/cvr/cvad164

Universitätsmedizin Mainz startet bei „Rudern gegen Krebs“

© Foto Stiftung Leben mit Krebs
© Foto Stiftung Leben mit Krebs

(Mainz, 03.07.2024, svm) Bei der Ruder-Benefiz-Regatta der Stiftung Leben mit Krebs geht die Universitätsmedizin Mainz mit 15 Booten ins Rennen. Die Veranstaltung findet am Sonntag, 7. Juli 2024, ab 9 Uhr auf dem Rhein, Höhe Mainzer Winterhafen statt. Der Erlös von „Rudern gegen Krebs“ in Mainz kommt Projekten des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen Mainz (UCT Mainz) und der Stiftung Kinderkrebsforschung Mainz, die Krebspatienten bei Sport und Bewegung unterstützen, zugute.

„Ein starkes Zeichen gegen Krebs“ setzen 68 Teams aus Unternehmen, Behörden oder privaten Initiativen auch in diesem Jahr wieder bei „Rudern gegen Krebs“ auf dem Rhein bei Mainz. Die Universitätsmedizin Mainz geht mit 15 Booten und 60 Rudernden an den Start.

„Ich bin begeistert, dass sich so viele Mitarbeitende der Unimedizin Mainz bei ‚Rudern gegen Krebs‘ engagieren“, sagt Univ.-Prof. Dr. Ralf Kiesslich, Vorstandsvorsitzender und Medizinischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz. „Als Team setzen wir uns für unsere Patient:innen und für das Thema Gesundheit ein – dabei ist das abgestimmte und gemeinsame Handeln – wie beim Rudern — wichtig.“ Der Vorstand der Universitätsmedizin Mainz unterstützt die Regatta-Teilnahme und übernimmt die Startgebühr für die 15 Boote des #TeamUM.

Die Benefiz-Regatta ist eine Initiative der Stiftung Leben mit Krebs und hat das Ziel, auf die große Bedeutung von Bewegungs- und Unterstützungsprogrammen in der onkologischen Therapie aufmerksam zu machen und diese gezielt zu fördern. Die Stiftung organisiert die Rennen für einen guten Zweck seit 2005 deutschlandweit mit lokalen Partnern. Mainz war vor 24 Jahren der erste Austragungsort. Die diesjährigen Partner der Mainzer Regatta sind wie schon im letzten Jahr das Universitäre Centrum für Tumorerkrankungen Mainz (UCT Mainz) und die Stiftung Kinderkrebsforschung Mainz. Ausgerichtet wird das Rennen vom Mainzer Ruderverein 1878 e. V. (MRV). Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase, haben gemeinsam die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen.

Bewegung ist ein wichtiger Faktor während der Krebstherapie

Der Erlös der Regatta in Mainz kommt Projekten des UCT Mainz und der Stiftung Kinderkrebsforschung Mainz zugute, bei denen Bewegung im Mittelpunkt steht. „Wir wissen heute, dass körperliche Aktivität bei onkologischen Erkrankungen eine zentrale Rolle spielt“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Thomas Kindler, Leiter des UCT Mainz. „Regelmäßige Bewegung steigert in allen Stadien einer Krebserkrankung die Lebensqualität und kann zudem die Wiedererkrankungsrate und Lebenserwartung von Krebspatienten positiv beeinflussen.“

Zu den durch „Rudern gegen Krebs“ geförderten UCT-Projekten gehört die im Rahmen des OnkoAktiv-Netzwerks durchgeführte allgemeine sport- und bewegungstherapeutische Beratung und Begleitung von Krebspatienten. Das Angebot wird durch das Institut für Physikalische Therapie, Prävention und Rehabilitation (IPTPR) der Universitätsmedizin Mainz unterstützt. Das ebenfalls durch die Regattaerlöse gesponserte Projekt „Personalisierte, digital gestützte Bewegungstherapie während der Immuntherapie“ bietet spezifische Bewegungstherapien für Patienten während einer Immuntherapie. Dabei kooperiert das UCT Mainz mit der Abteilung Sportmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Die Stiftung Kinderkrebsforschung Mainz wird ihren Anteil am Erlös von „Rudern gegen Krebs“ nutzen, um begleitende Therapiekonzepte zur Stärkung der Abwehrkräfte von chronisch kranken und tumorkranken Kindern zu unterstützen. Univ.-Prof. Dr. Fred Zepp, Vorsitzender der Stiftung und ehemaliger Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz, betont die Bedeutung der Angebote: „Durch aktivierende Bewegungs- und Sportprogramme sowie durch psychosoziale Betreuungsangebote kann das körperliche und seelische Wohlbefinden der betroffenen Kinder stabilisiert werden. Dies sind wichtige Faktoren, um den Heilungsprozess und damit die Lebensqualität unserer jungen Patientinnen und Patienten zu verbessern“

„Rudern gegen Krebs“ 2024 startet am 7. Juli 2024 am Mainzer Ruderverein e. V. 1878, am Victor-Hugo-Ufer 1, 55116 Mainz. Beginn der Rennen ist um 09:00 Uhr. Parallel zur Regatta beantworten Vertreter der beteiligten Organisationen in moderierten Gesprächsrunden Fragen der Besucher. Für Kinder bietet der Mainzer Ruderverein ein zusätzliches Programm an. Die Regatta und das Rahmenprogramm enden um 18:00 Uhr.

Weitere Informationen im Internet unter rudern-gegen-krebs.de.

 

Assistierter Suizid: Wie selbstbestimmt dürfen wir sterben? – Abschlussveranstaltung der Mainzer Stiftungsprofessur

Impression aus dem Hörsaal. © Foto Diether von Goddenthow
Impression aus dem Hörsaal. © Foto Diether von Goddenthow

Nach neun ethisch strittigen Themen wie „Ist medizinische Versorgung ein Menschenrecht?“, „Sollte Embryonenforschung ein deutsches Tabu bleiben?“, „Ethik in Zeiten von Corona?“, „Demenz: Darf ich über mein späteres Ich bestimmen?“ usw., wird Stiftungsprofessorin Dr. Bettina Schöne-Seifert in ihrer letzten Vorlesung der Reihe der Frage nachgehen: „Wie selbstbestimmt dürfen wir sterben?“ Prof. Bettina Schöne-Seifert plädiert für einen liberalen Umgang mit Suizidhilfe. Im anschließenden Gespräch wird ihr Talkpartner Dr. Michael de Ridder sein.

Die Präsenzveranstaltung findet statt am 2. Juli 2024, 18:15 Uhr bis ca. 20 Uhr, im Haus Recht und Wirtschaft I, Hörsaal RW 1, Jakob-Welder-Weg 9, Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Eintritt frei, ohne Voranmeldung

Veranstaltungsreihe im Rahmen der Aktionswoche Alkohol vom 08. bis 16.06.2024 in Mainz

"Die Dosis macht das Gift" (Paracelsus). Wer jedoch weder in unschädlichen Mengen trinken, noch sein Trinken kontrollieren kann, sollte besser völlig auf Alkohol verzichten. © Foto Diether von Goddenthow
„Die Dosis macht das Gift“ (Paracelsus). Wer jedoch weder in unschädlichen Mengen trinken, noch sein Trinken kontrollieren kann, sollte besser völlig auf Alkohol verzichten. © Foto Diether von Goddenthow

Nicht allein der Alkohol macht die Sucht, sondern der Mensch ist’s.  Wer intelligent in kleinen Mengen und nicht regelmäßig die  Kulturdroge Alkohol zu sich nimmt, braucht in der Regel auf ein gelegentliches  Weinchen oder Bierchen in Maßen  nicht verzichten. Wer aber ein Problem mit Alkohol hat, und daher  psychisch und physisch die Alkoholmenge selbst nicht kontrollieren kann, was schon beim täglichen Verlangen nach einem Feierabendbier beginnt, der muss wirklich höllisch aufpassen, nicht (allmählich) alkoholabhängig zu werden.
Das Tückische an diesem Nervengift Alkohol  besteht unter anderem bekanntermaßen ja darin, dass er euphorisierend und angstvermindernd zugleich wirkt, aber nach einer  gewissen Gewöhnung nach immer höheren Dosen verlangt, um den Level zu halten. Wie Paracelsus  wusste,  macht letztlich die Dosis das Gift. Wer also in ehrlicher Selbstreflektion merkt, allzu oft die empfohlenen Mindestdosen doch zu überschreiten, sollte möglichst ganz darauf verzichten.  Alkohol ist für 200 Krankheiten verantwortlich und sei auch ein weibliches Problem ( pta-Forum).

Mehr detaillierte Informationen aus Wissenschaft und Praxis versprechen zahlreiche Veranstaltungen vom 08. bis 16. Juni 2024 im Rahmen der bundesweiten Aktionswoche Alkohol. Eine zentrales Anliegen dieser Alkoholwoche ist es, eine breite Öffentlichkeit über die Risiken des Alkoholkonsums zu informieren und möglichst viele Menschen zum Nachdenken über ihren eigenen Umgang mit Alkohol anzuregen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) organisiert die Aktionswoche Alkohol 2024. Schirmherr der Präventionskampagne ist der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert.

In Mainz veranstalten die Jugend- und Drogenberatungsstelle BRÜCKE im Amt für Jugend und Familie der Landeshauptstadt Mainz sowie die Suchtberatungsstelle der Regionale Diakonie Rheinhessen in Mainz in Kooperation folgende Veranstaltungen:

Montag, 10.06.2024
15:00 Uhr
Webinar „Und wer sieht mich?“
Webinar für mitbetroffene Angehörige suchterkrankter Menschen
https://diakonie-rheinhessen.de/ich-suche-rat-hilfe/sucht/aktionswoche-alkohol-2024

Montag, 10.06.2024
18:00 Uhr
Webinar „Und wer sieht mich?“
Webinar für mitbetroffene Angehörige suchterkrankter Menschen
https://diakonie-rheinhessen.de/ich-suche-rat-hilfe/sucht/aktionswoche-alkohol-2024

Mittwoch, 12.06.2024
15:00 Uhr
Webinar „Den eigenen Raum schützen“
Webinar für mitbetroffene Angehörige und Eltern suchterkrankter
junger Menschen und junger Erwachsener (Alkohol/ Cannabis)
https://diakonie-rheinhessen.de/ich-suche-rat-hilfe/sucht/aktionswoche-alkohol-2024

Mittwoch, 12.06.2024 18:30 Uhr
„Weck, Worscht und zu viel Dorscht“ – Ein Abend zum Thema Alkohol und Abhängigkeit. In der Jugend- und Drogenberatung „BRÜCKE“
(Kaiserstraße 24, 55116 Mainz).
Mit Dr. Xenia Kersting (Universitätsmedizin Mainz), Peter Haag
(Suchtberatung Alzey der Regionale Diakonie Rheinhessen) und
Heino Ernst (Suchthilfe Alzey).

Samstag, 15.06.2024 18 Uhr (Einlass 17:30 Uhr)
Kurzfilmvorführung „Erinnerungen einer vergessenen Kindheit“ in
Anwesenheit des Regisseurs Lars Smekal im CinéMayence
(Schillerstraße 11, 55116 Mainz). Dankenswerter Weise unterstützt
von der Fachabteilung Suchtprävention im Landesamt für Soziales,
Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz.
Der Film ist freigegeben ab 12 Jahre (FSK ab 12 Jahre).

Informationen über:
Aktionswoche Alkohol: https://www.aktionswoche-alkohol.de
Suchthilfen Mainz https://www.suchthilfen-mainz.dewoche/
Regionale Diakonie Hessen-Nassau https://diakonierheinhessen.de/ich-suche-rat-hilfe/sucht
Suchtprävention Rheinland-Pfalz: https://suchtprävention.rlp.de/

Curious 2024 – Future Insight Conference am 10./11. Juli in Mainz – Internationale Sichtbarkeit des Biotechnologiestandorts Rheinland-Pfalz wird weiter erhöht

csm_Curious2024_graphics_2_5a10daafd0Der Innovationskongress „Curious Future Insight Conference“ wird im kommenden Jahr 2024 in der Mainzer Rheingoldhalle stattfinden. Die Curious ist eine 2018 vom Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck anlässlich des 350-jährigen Bestehens initiierte Innovationskonferenz im Bereich Wissenschaft und Technologie, die alle zwei Jahre stattfindet. Der Fokus liegt auf Wissenschaft kombiniert mit Technologie und Innovation. Sie adressiert die Beantwortung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart durch die Wissenschaft, um den Blick auf eine bessere Zukunft zu richten. Hochkarätige Gäste werden die Konferenz zu einem Event mit grenzüberschreitender Aufmerksamkeit machen. Einzelheiten haben das Land, die Landeshauptstadt Mainz und der Future Insight e.V. bekanntgegeben.

„Die Konferenz deckt ein breites wissenschaftliches Themenspektrum ab und ist für unsere Universitäten, Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sowie für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Landes von herausragendem Interesse. Sie fördert junge Top-Talente und kann als Anziehungspunkt internationale Spitzenkräfte anwerben. Als Element der Biotechnologiestrategie des Landes erhöht die Curious Future Insight Konferenz die internationale Sichtbarkeit des Innovationslandes weiter und stärkt das Interesse am Standort Rheinland-Pfalz. Die „Curious 2024“ passt thematisch hervorragend nach Mainz und nach Rheinland-Pfalz“, sagte Dr. Denis Alt, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit. Alt zeigte sich davon überzeugt, dass die Konferenz ein positives Zukunftsbild in die Gesellschaft senden werde, gleichzeitig die gesellschaftliche Akzeptanz von Wissenschaft und Technologie fördere und den forschenden Einrichtungen des Landes eine Plattform für neue Kooperationen und Netzwerke biete.

„Wissenschaft, Technologie und Innovation – drei Kernthemen unserer Landeshauptstadt Mainz vereint unter dem Dach einer hochkarätigen Konferenz. Ich freue mich, dass die Innovationskonferenz Curious 2024 in Mainz zu Gast sein wird. Mainz entwickelt sich zum international erfolgreichen Life Science- und Biotechnologiestandort, mit der Curious können wir im nächsten Jahr nahtlos daran anknüpfen, die Sichtbarkeit des Biotechnologiestandortes Mainz nachhaltig zu erhöhen“, so der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase.

„Die Vision der Curious Future Insight Konferenz ist es, Menschen über Wissenschaft zu verbinden, den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt zu unterstützen und damit zum Aufbau einer friedvollen Welt beizutragen, getreu dem Motto der Veranstaltung „United by science for a better tomorrow“. Wir freuen uns sehr, diese Konferenz mit internationaler Strahlkraft an einem aufstrebenden Biotechnologiestandort wie Mainz durchführen zu können“, sagte Dr. Ulrich Betz, Vorsitzender des Future Insight e.V..

Die Curious2024 soll vom 10. bis 11. Juli 2024 in der Rheingoldhalle in Mainz stattfinden. Ausrichter der Veranstaltung ist der Future Insight e.V.. Stadt und Land haben mit dem Future Insight e.V. einen Kooperationsvertrag abgeschlossen und beteiligen sich jeweils finanziell in Höhe von 250.000 Euro.

Kongressinformationen zur Curious 2024 sowie zu Bewerbungsmöglichkeiten, als auch zum Kauf von Onsite- oder Online-Ticktes finden Sie unter https://www.curiousfutureinsight.org/.

Ethische Fragen in der modernen Medizin: Zehn strittige Themen Moderne Medizin – mit ihren wachsenden Möglichkeiten, unser Leben, Sterben und Kranksein zu beeinflussen – wirft zahlreiche ethische Fragen auf.

Bei ihrer Antrittsvorlesung am 23.04.2024 spricht die Stiftungsprofessorin Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert, von der Universität Münster, über ethische Fragen in der modernen Medizin, hier zum Thema Vorsorgeregelung für den Fall von Demenz, und inwieweit "darf ich über mein späteres Ich bestimmten?", nämlich, wenn der angenommene negative Demenzverlauf nicht wie befürchtet eintritt, sondern man ein "glücklich Dementer" wird. © Foto Diether von Goddenthow
Bei ihrer Antrittsvorlesung am 23.04.2024 spricht die Stiftungsprofessorin Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert, von der Universität Münster, über ethische Fragen in der modernen Medizin, hier zum Thema Vorsorgeregelung für den Fall von Demenz, und inwieweit „darf ich über mein späteres Ich bestimmten?“, nämlich, wenn der angenommene negative Demenzverlauf nicht wie befürchtet eintritt, sondern man ein „glücklich Dementer“ wird. © Foto Diether von Goddenthow

Ethische Fragen in der modernen Medizin: Zehn strittige Themen
Moderne Medizin – mit ihren wachsenden Möglichkeiten, unser Leben, Sterben und Kranksein zu beeinflussen – wirft zahlreiche ethische Fragen auf.

Manche dieser Fragen haben bereits eine längere Vorgeschichte, andere stellen sich brandneu; manche gehen uns als Individuen an, andere als Gesellschaft. Bettina Schöne-Seifert führt uns an zehn Abenden jeweils hinein in eine bestimmte medizinethische Kontroverse mit ihren sachlichen Hintergründen und widerstreitenden Positionen. So wird es etwa ein Mal darum gehen, ob wir in „guten Tagen“ darüber bestimmen dürfen, wie man uns im Fall einer späteren schweren Demenz behandelt: Antibiotika bei einer anderenfalls tödlichen Lungenentzündung? Forciertes Füttern trotz Wegdrehen des Kopfes? Ein anderer Abend widmet sich der Forschung an frühen menschlichen Embryonen, wie sie in zahlreichen anderen Ländern zum Nutzen von Wissenschaft und medizinischem Fortschritt erfolgt, bei uns aber strikt verboten ist. Wie steht es argumentativ mit dem Streit um die Homöopathie? Wie mit dem Anspruch auf medizinische Versorgung in allen Teilen der Welt? Wie mit den konkurrierenden Vorstellungen davon, was wir als Tod eines Menschen ansehen? Wie schließlich mit dem Einsatz biomedizinischer Mittel zu Zwecken der Verbesserung ganz gesunder Menschen?

Zu vielen dieser Fragen haben wir alle starke Überzeugungen und Intuitionen. Doch vielleicht verdienen sie, auf den Prüfstand gestellt zu werden? Und zudem: Selbst wenn es keine Moraltheorie gibt, die hier umfassende und unkontroverse Antworten liefern könnte, kann man an den konkreten Fragestellungen auch etwas über das moralische Argumentieren selbst erfahren: Darüber, dass man nicht alle Fragen des Erlaubten oder Gebotenen dem geltenden Recht überlassen sollte. Darüber, dass gute ethische Argumente sich in mehreren Handlungszusammenhängen bewähren müssen. Und darüber, dass medizinethische Herausforderungen Spaß machen können, auch wenn sie gelegentlich provozieren.

In ihren Vorlesungen wird Bettina Schöne-Seifert Fragen nach dem richtigen Handeln diskutieren, die sich für unsere heutige Gesellschaft und die moderne Medizin neu oder anders stellen als in früheren Zeiten. Wie selbstbestimmt dürfen wir sterben? Ist medizinische Versorgung ein Menschenrecht? Sollte Embryonenforschung ein deutsches Tabu bleiben? Zehn aktuelle und strittige Themen stehen im Zentrum der Vorlesungen, die erläutern werden, was jeweils genau in Frage steht und welchen Beitrag die Ethik zu den Antworten leisten kann, über die wir uns verständigen müssen.

Die Präsenzveranstaltungen finden an Dienstagabenden (Ausnahme 30. April) von 18:15 Uhr bis ca. 20 Uhr im Haus Recht und Wirtschaft I, Hörsaal RW 1, Jakob-Welder-Weg 9, Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz statt.

Impression aus dem Hörsaal. © Foto Diether von Goddenthow
Impression aus dem Hörsaal. © Foto Diether von Goddenthow

23. April 2024 – Eröffnungsveranstaltung
Demenz: Darf ich über mein späteres Ich bestimmen?
Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
im Gespräch mit: Petra Gerster

07. Mai 2024
Organspende: Ist die Widerspruchslösung eine Freiheitszumutung?
Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
im Gespräch mit: PD Dr. Ana Paula Barreiros

14. Mai 2024
Keimbahn-Eingriffe: Ist das menschliche „Genom“ sakrosankt?
Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
im Gespräch mit: Dr. Peter Spork

21. Mai 2024
Was spricht gegen „Enhancement“? Medizin jenseits von Therapie
Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
im Gespräch mit: Prof. Dr. Klaus Lieb

28. Mai 2024
Embryonenforschung: Deutschland als Trittbrettfahrer?
Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
im Gespräch mit: Volkart Wildermuth

04. Juni 2024
Ethik in Zeiten von Corona? Zum Impfen und Triagieren
Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
im Gespräch mit: Prof. Dr. Norbert Paul

11. Juni 2024
Zugang zu medizinischer Versorgung: ein Menschenrecht?
Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
im Gespräch mit: Prof. Dr. Tim Henning

18. Juni 2024
Streit um den „richtigen Tod“? Hirntod, Herztod, Gesamttod
Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
im Gespräch mit: Dr. Axel Rahmel

25. Juni 2024
Kügelchen versus Schulmedizin: Warum nicht beides?
Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
im Gespräch mit: Dr. Christian Weymayr

02. Juli 2024 – Abschlussveranstaltung
Assistierter Suizid: Wie selbstbestimmt dürfen wir sterben?
Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
im Gespräch mit: Dr. Michael de Ridder

KI erobert Medizin – 8000 besuchten Internistenkongress der DGIM im Wiesbadener RheinMain CongressCenter

Industrieausstellung zur Medizin der Zukunft auf dem 130. Internistenkongress in Wiesbaden © Foto Diether von Goddenthow
Industrieausstellung zur Medizin der Zukunft auf dem 130. Internistenkongress in Wiesbaden © Foto Diether von Goddenthow

Wiesbaden – Mit mehr als 8000 Internistinnen und Internisten vor Ort in Wiesbaden und online ging gestern der 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin zu Ende. Mit 1400 Vorträgen in insgesamt 410 wissenschaftlichen Sitzungen spiegelte das Programm des 130. Internistenkongresses erneut die gesamte Breite der Inneren Medizin wider. Zentrale Themen der Tagung waren die Chancen und Grenzen der Präzisionsmedizin, Forschung in der Inneren Medizin, der Umgang mit Fehlern sowie die Auswirkungen diverser Krisen – von Klimawandel bis Fachkräftemangel. Das zentrale Querschnitt-Thema war KI im medizinischen Alltag, denn seit Jahren und zusehends immer rascher durchdringt KI alle Bereiche der Medizin von der Allgemeinmedizin bis zur Urologie. Auf dem Kongress wurden die Chancen, Risiken und Vertrauenswürdigkeit einer „schönen“ oder – vielleicht auch –  „bedrohlichen“ neuen Welt diskutiert.

Kann KI Zeitmangel in der Medizin „heilen“?

DGIM Future. VR-Brillen (VR = Virtuelle Realität) können in der Medizin vielfältig zum Einsatz kommen, etwa bei der Arztausbildung, wo sie Krankheiten bei Patienten simulieren oder virtuelle Operationen zur Übung zulassen. Sie können in der Augenheilkunde dienen zur Sichtfeldmessung, Ermittlung von Farb- und Kontrastempfindlichkeit, und in der Psychotherapie (z.B. bei bei Paranoia oder starken Ängsten ) usw. © Foto Diether von Goddenthow
DGIM Future. VR-Brillen (VR = Virtuelle Realität) können in der Medizin vielfältig zum Einsatz kommen, etwa bei der Arztausbildung, wo sie Krankheiten bei Patienten simulieren oder virtuelle Operationen zur Übung zulassen. Sie können in der Augenheilkunde dienen zur Sichtfeldmessung, Ermittlung von Farb- und Kontrastempfindlichkeit, und in der Psychotherapie (z.B. bei bei Paranoia oder starken Ängsten ) usw.
© Foto Diether von Goddenthow

Wäre ein vermehrter Einsatz von KI in der Medizin ein probates Mittel, ein an Zeitmangel erkranktes medizinisches Versorgungs-System zu heilen?

Gerade in der Inneren Medizin begegnet medizinisches Personal einer so großen Vielfalt an Krankheitsbildern, dass die Übersicht kaum noch zu wahren ist. Darüber hinaus müssen klinische Befunde, Laborwerte und Bildgebung zusammengeführt werden: Hier könnte eineKI-gestützte Entscheidungshilfe Wege zur Diagnose aufzeigen und wertvolle Zeit sparen. „Angesichts des wachsenden Fachkräftemangels in der Medizin können technische Hilfsmittel, die den Arbeitsalltag erleichtern, extrem hilfreich dabei sein, unsere Aufmerksamkeit wieder mehr den Patientinnen und Patienten und ihren individuellen Bedürfnissen zuzuwenden“, sagt Kongresspräsident Professor Dr. med. Andreas Neubauer, Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie am UKGM in Marburg.

Aber wieviel Verantwortung sollte eine KI in der Medizin tragen? Wie weit darf und sollte unser Vertrauen gehen? „Die Frage müsste lauten: Entspricht das Vertrauen in die KI dem, was sie leisten kann? Wie bei jedem Hilfsmittel, dass in der Medizin genutzt wird, muss die oder der Behandelnde sich im Klaren darüber sein, was die Hilfe leisten kann – und was eben nicht“, sagt Professor Dr. Martin Hirsch, der das Institut für Künstliche Intelligenz am UKGM leitet und Mitglied der Kommission Digitale Transformation in der Inneren Medizin der DGIM ist.
Kann dies nicht garantiert werden, verlieren Patienten rasch ihr – mitunter ohnehin sehr ambivalentes –  Vertrauen in KI-unterstützte Medizin. So gibt es  gegenüber  Apparate-Medizin, OP-Robotik oder Telemedizin ohnehin schon  bei vielen Patienten gewisse Hemmschwelle. Es geht bei der KI also nicht bloß um technische Optimierung, sondern vor allem darum,  Vertrauen dafür bei Patienten aufzubauen.  Wie aber „konstituiert sich Vertrauen? Und was folgt daraus für das Design von Ki-Anwendungen?“ war eine der zentralen Fragestellung, über die   die Psychologin und Doktorandin Nadine Schlicker, vom Institut für Ki in der Medizin an der Universität Marburg, referierte.  Ihren Untersuchungen im Rahmen ihrer Doktorarbeit referierte, beispielsweise: „Wie kommen medizinische Laien zur Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit ihres KI-Arztes?“

Impression vom Internisten-Kongress der DGIM in Wiesbaden. © Foto Diether von Goddenthow
Impression vom Internisten-Kongress der DGIM in Wiesbaden. © Foto Diether von Goddenthow

Aber es geht nicht nur um das Vertrauen von Patienten, sondern auch um das der Ärzte in die KI. So kann ein zu hohes Maß an Vertrauen  dazu führen, dass Ärztinnen und Ärzte sich zu unkritisch auf diese Technologie verlassen, während zu wenig Vertrauen darin resultieren kann, dass sie die Vorteile dieser Technologie nicht nutzen. „Denn trotz ihrer erheblichen Potentiale muss auch für KI stets die oberste ärztliche Maxime gelten: Primum nil nocere – das Bestmögliche erreichen, ohne zu schaden, und ein unausgewogenes Maß an Vertrauen zu ihr ist ein wichtiger Einflussfaktor“, unterstrich Professor Dr. med. Ivica Grgic, Oberarzt der Klinik für Nephrologie und Mitglied des Instituts für KI in Marburg, hinzu.

„Vertrauensbildende Maßnahmen“ – wie KI und Medizin zusammenkommen können
Damit KI-gestützte Entscheidungshilfen eine echte Erleichterung im Behandlungsalltag werden können und das Vertrauen von Ärzteschaft und Patientinnen und Patienten gleichermaßen genießen, gilt es – so Martin Hirsch – einige Punkte bei der Etablierung zu
beachten:

  • Ärztinnen und Ärzte können nicht ersetzt werden! Das Vertrauensverhältnis und der Austausch zwischen Behandelnden und Patientin oder Patient ist entscheidend für den Behandlungserfolg und darf nicht von Hilfsmitteln ersetzt, sondern lediglich ergänzt werden.
  • Ethische Standards entwickeln und der KI vermitteln: Gerade, aber nicht nur am Lebensende, gewinnt die ethische Komponente bei medizinischen Entscheidungen an Bedeutung. Nicht jede lebensverlängernde Maßnahme, die die KI vorschlägt, entspricht dem Wunsch der Patientin oder des Patienten und nicht alles, was medizinisch möglich ist, bringt einen vertretbaren Nutzen. „Ihre Wirkmächtigkeit für die Medizin kann KI nur entfalten, wenn wir klare ethische Rahmenbedingungen setzen“, so Hirsch.
  • KI kann nicht im Sprint Einzug in die Medizin halten: Vor dem Einsatz von KI in der Medizin als Entscheidungshilfe muss die gesellschaftliche Auseinandersetzung zu ethischen Fragen in der Medizin stehen.
  • Von der Behandlung zur Heilung: KI kann im Gesundheitssystem notwendige Freiräume schaffen, wenn wir sie so anlegen, dass sie ethisch geprägt, präventiv ausgerichtet und gesundheitsfördernd ist.

„Die KI wird uns keine schnelle Zeitersparnis bringen, aber mittelfristig echte Gewinne für ein Gesundheitssystem, das derzeit von massivem Fachkräftemangel getrieben ist“, so Hirsch.

KI-Assistenz aus der Notaufnahme

Im Rahmen des Ausstellungsbereichs DGIM Futur in der Halle Nord des RMCC Wiesbaden hatten die  Kongressteilnehmer die Möglichkeit, eine KI-Assistenz aus der Notaufnahme kennenzulernen (DokPro, DokKab, DokBox), mittels VR-Brillen u.a. Organfunktionen zu erleben, ihre Fähigkeiten im Umgang mit virtuellen Notfallsituationen zu testen und neuartige, immersive medizinische Lern- und Onboarding-Konzepte kennenzulernen. Konzipiert wurde das Angebot von Kongresssekretär Professor Dr. med. Ivica Grgic und  Professor Dr. Martin Hirsch.

Die DocKab, ein Teilprojekt von DokPro, dient der automatisierten Ki-gestützten Ersteinschätzung in der Notaufnahme. Liegt keine lebensbedrohliche (rote Triage-Stufe) vor, wird der Patient in die Kabine gebeten, an Sensoren angeschlossen und anhand seiner der "KI" gegebenen Antworten und Angaben eine Gesamteinschätzung vorgenommen.  Alle Infos und Auswertungen werden dokumentiert u. dem KIS übergeben. Das medizinische Personal überwacht die Prozesse in DokKab mittels Tablet. © Foto Diether von Goddenthow
Die DocKab, ein Teilprojekt von DokPro, dient der automatisierten Ki-gestützten Ersteinschätzung in der Notaufnahme. Liegt keine lebensbedrohliche (rote Triage-Stufe) vor, wird der Patient in die Kabine gebeten, an Sensoren angeschlossen und anhand seiner der „KI“ gegebenen Antworten und Angaben eine Gesamteinschätzung vorgenommen. Alle Infos und Auswertungen werden dokumentiert u. dem KIS übergeben. Das medizinische Personal überwacht die Prozesse in DokKab mittels Tablet. © Foto Diether von Goddenthow

Beim DokPro-Projekt handelt es sich um eine Ki-basierte Ersteinschätzung des Gesundheits-/Befindlichkeitszustands von Patienten. Es handelt sich dabei um eine  modulare KI-Plattform, die, so die Info-Tafel, darauf ausgelegt ist, Patienteninformationen strukturiert zu erfassen und basierend darauf Ersteinschätzungen zur Weiterverwendung für den (Not-/Tele-Haus-)Arzt abzugeben. Die DokKab ist beispielsweise für den Einsatz in der klinischen Notfallstation vorgesehen. Die DokBox in Containergröße, verfügt zudem über einen variabel gestaltbaren Behandlungsraum, und soll in Kliniken, Altenheimen und Flüchtlingsunterkünften zum Einsatz kommen. Zudem ist auch der mobile Einsatz vorstellbar, um etwa Unterversorgung in ländlichen Gebieten entgegenzuwirken (einmal wöchentlich kommt der mobile Doc ins Dorf). Hierdurch könne man, so die Entwickler, unnötige Klinikbesuche vermeiden und Patienten einen niederschwelligen Zugang zu Untersuchungen ermöglichen.

Hohe Ehrungen während des Kongresses

Im Rahmen ihres Jahreskongresses   und Fachtagung vergab die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) außerdem ihre Forschungspreise, Ehrungen für verdiente Persönlichkeiten der Fachgesellschaft und die Medienpreise an Persönlichkeiten, die sich um die Innere Medizin, die internistische Forschung sowie die Vermittlung medizinischer Fragestellungen besonders verdient gemacht haben.

Höchste Auszeichnung der DGIM: Leopold-Lichtwitz-Medaille für Professor Gerd Hasenfuß

Die Leopold-Lichtwitz-Medaille der DGIM, die höchste Auszeichnung der Fachgesellschaft, erhielt in Anerkennung seiner großen Verdienste um die Innere Medizin Professor Dr. med. Gerd Hasenfuß. Hasenfuß ist seit 1998 Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Universitätsprofessor für Innere Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen. Er ist mit zahlreichen Wissenschaftspreisen ausgezeichnet, darunter der Theodor-Frerichs-Preis der DGIM. 2015/2016 war er Vorsitzender und Kongresspräsident der 122. Jahrestagung der Fachgesellschaft. Unter seiner Leitung entstand die DGIM-Initiative „Klug entscheiden“, die bis heute unter Mitarbeit der internistischen Schwerpunktgesellschaften regelmäßig Über- und Unterversorgung in der Inneren Medizin benennt.

DGIM-Medienpreise: Erster Platz für „Wann stirbst Du endlich?“ in ZEIT Verbrechen

Die mit insgesamt 10.000 Euro dotierten DGIM Medienpreise wurden in diesem Jahr an Beiträge zum Thema „Pflegekrise: Gute Medizin braucht gute Pflege“ vergeben. Die erste Auszeichnung ging an ein junges Autorenteam, bestehend aus Martin Hogger, Kristina Ratsch, Marina Klimchuk und David Holzapfel für Ihren Beitrag „Wann stirbst du endlich?“ in ZEIT Verbrechen. Der zweite Medienpreis wurde an Carina Frey vergeben für ihren Beitrag „Heute hier, morgen dort“, veröffentlicht in „brand eins“. Den dritten Preis erhielt Autorin Nina Himmer für den Beitrag „Ein Heim sucht nach Rettung“, der in der Apotheken Umschau erschienen ist.

Vergabe von drei Ehrenmitgliedschaften
Des Weiteren ernannte die Fachgesellschaft im Rahmen der festlichen Abendveranstaltung drei verdiente Persönlichkeiten zu Ehrenmitgliedern: den Internisten und Kardiologe Professor Dr. med. Georg Ertl, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Medizinischen Klinik und Poliklinik I sowie bis 2020 Inhaber des Lehrstuhls für Innere Medizin am Universitätsklinikums Würzburg; er ist aktuell Generalsekretär der DGIM und trug auch davor schon als Vorsitzender entscheidend zum Erfolg der Fachgesellschaft bei. Seit 2002 ist der zudem Mitglied der Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Professor Dr. med. Hans-Jochem Kolb ist Internist und Hämatoonkologe und führte 1975 die erste erfolgreiche Knochenmarkstransplantation in Deutschland bei einem Kind mit aplastischer Anämie durch. 1978 folgte die erste erfolgreiche Transplantation bei Erwachsenen mit refraktärer Leukämie und aplastischer Anämie. Seit 1985 hatte Kolb eine C2-Professur für maligne Hämatologie an der Universität München inne, ab 1996 ebendort eine C3-Professur. Auf ihn geht das Konzept der Donor-Lymphozytentransfusion als kurative Therapie bei hämatologischen Neoplasien zurück.

Dr. Bernd-Michael Neese befasst sich als Germanist und Historiker mit der Stadtgeschichte Wiesbadens und hat hierzu zahlreiche Bücher und Artikel veröffentlicht. Seine Abhandlung „Der Internistenkongress in Wiesbaden 1882–2022“ entwickelte sich in diesem Zusammenhang. Bernd-Michael Neese befasste sich zudem mit Dr. Emil Pfeiffer. Der lebenslang in Wiesbaden praktizierende Arzt war mit einer 32-jährigen Amtszeit der am längsten wirkende Generalsekretär der DGIM. Die Ergebnisse der Untersuchungen zu Leben und Werk von Emil Pfeiffer sollen Ende des Jahres 2024 in einer umfangreichen Studie dargestellt werden.

Mit dem Ende der Fachtagung übernahm Professor Dr. med. Jan Galle, Lüdenscheid, den Vorsitz der Fachgesellschaft. Den vom 3. bis 6. Mai 2025 stattfindenden 131. Internistenkongress stellt der Nephrologe unter das Motto „Resilienz – sich und andere stärken“.

Weitere Informationen rund um den Kongress und sein Programm mit über 1000 (hybriden) Vorträgen. 

(DGIM / Diether von Goddenthow)