Kategorie-Archiv: Internistenkongress

Prof. Zeidler begeistert mit Vortrag „Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“ zum Auftakt des Patiententages

Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende u. DGIM-Vorstandsvorsitzender  Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner ehren die mit 103 Jahren wohl älteste Wiesbadenerin und frühere Chefärztin der Gerontologischen Klinik. © Foto Diether von Goddenthow
Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende u. DGIM-Vorstandsvorsitzender Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner ehren die mit 103 Jahren wohl älteste Wiesbadenerin und frühere Chefärztin der Gerontologischen Klinik. © Foto Diether von Goddenthow

Beim Empfang zum Auftakt des 16. Wiesbadener Patiententages begeisterte Festredner Professor Dr. med. Henning Zeidler, ehemaliger Direktor der Klinik für Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover, mit seinem Vortrag „Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“. Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende hatte am Freitagabend, 21. April, den Auftaktempfang zum 16. Wiesbadener Patiententag im Rahmen des 129. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im Festsaal des Rathauses eröffnet.

„Zum 16. Mal haben sich die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin und die Stadt Wiesbaden zusammengetan, um im Rahmen des jährlichen Internistenkongresses zum einen die Fachthemen der versammelten Ärztinnen und Ärzte den Wiesbadener Bürgerinnen und Bürgern nahe zu bringen und gleichzeitig auf einem lebendigen Gesundheitsmarkt verschiedene Organisationen zu präsentieren, die zu vielen klinischen Fragen Gespräche, Informationen, Tests und auch Antworten bieten“, sagte Mende. „Der Internistenkongress ist das Flaggschiff der medizinischen Tagungen in Wiesbaden. Der gute Ruf Wiesbadens als exzellenter Standort für Gesundheitsthemen ist mit ihm untrennbar verbunden.“

„Der Patiententag ist eine echte Publikumsveranstaltung, gedacht für alle Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger. Er bietet Informationen von Fachleuten, medizinischen Organisationen und Selbsthilfegruppen für Patienten. Der Patiententag bietet den Bürgerinnen und Bürgern einen ‚niedrigschwelligen‘, also einen leichten und entspannten Zugang, die medizinische Wissenschaft besser nachzuvollziehen. Die hier gehaltenen Fachvorträge und Podiumsdiskussionen werden den Besucherinnen und Besuchern nicht nur Alltagshilfe sein, sondern sie auch mit neuen Erkenntnissen der medizinischen Forschung vertraut machen und sicher einen Beitrag zur Prävention leisten.“ bekräftigte der Oberbürgermeister.

Hocherfreut war der  Oberbürgermeister, die mit 103 Jahren wohl älteste Wiesbadenerin, die gebürtige Hamburger Ärztin, Dr. Inge-Maria Haeckelmann, im Ratssaal begrüßen zu dürfen. Anfang der 1980er Jahre war die Alternsmedizinerin nach Wiesbaden gekommen, wo sie als Chefärztin in der Geriatrischen Klinik bis zu ihrer Pensionierung tätig war. Gemeinsam mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM), dem Gießener Internisten und Rheumatologen Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner, überreichte der Oberbürgermeister Dr. Haeckelmann eine Ehrenurkunde der „Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).

„Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“

Festredner Professor Dr. med. Henning Zeidler, ehemaliger Direktor der Klinik für Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover. Professor Zeidler sprach zum Thema „Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“  © Foto Diether von Goddenthow
Festredner Professor Dr. med. Henning Zeidler, ehemaliger Direktor der Klinik für Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover. Professor Zeidler sprach zum Thema „Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“ © Foto Diether von Goddenthow

Der Gießener Internist und Rheumatologe Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner, neuer Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) und Kongresspräsident, skizzierte die Themen des Patiententages und stellte  Professor Dr. med. Henning Zeidler, den Festredner des Auftaktempfangs  vor.

Bereits vor seiner Emeritierung 2007 hatte Prof. Zeidler begonnen, intensiv die Biographien großer Künstler vor dem Hintergrund ihrer Krankheiten aufzuarbeiten, insbesondere Lebensverläufe von rheumageplagten bekannten  Malern. In seinem Festvortrag „Rheuma und Kunst: Maler und ihre Krankheiten“ ging er auf die   Kranken- und Leidens-Geschichten von Auguste Renoir, Alexej von Jawlensky, Raoul Dufy sowie von Niki des Saint Phalles ein. Letztere litt  unter Lungenerkrankungen.
Dabei hinterfragte er, wie die Künstler zu ihrer Zeit mit  ihrer Krankheit umgingen, wie sie ihr Kranksein bewältigten, zu welchen schöpferischen Leistungen sie vor und nach Ausbruch ihrer Krankheit fähig waren. Wichtig war ihm auch zu erfahren, wie die betroffenen Künstler ihre Krankheit in ihren Bildern verarbeiteten, wie sie ihre Leiden selbst wahrnahmen im Vergleich zu den medizinischen Dokumenten. Zudem spann Prof. Zeidler einen Bogen zum Wandel in der Rheumatherapie von Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute.

 Auguste Renoir

Besonders schwer von rheumatoider Arthritis war einst der französische Maler Auguste Renoir (1841 – 1919) betroffen. Er war 54 Jahre alt, als die Krankheit bei ihm ausbrach. Aber aller Pein zum Trotz malte er immer weiter, täglich in seinem Garten und mit positivem Gemüt:   „Vor allem will ich die Menschen erfreuen mit allem, was schön ist“. Damit er das konnte, versuchte er die Beweglichkeit seiner Hände zu erhalten, unter anderem mit Jonglieren, Lederbällen werfen und Klavierspielen und ähnlichem. „Damit war Renoir quasi der Erfinder der Physiotherapie“, erklärte Zeidler. Zudem erhielt er  Medikamente wie Antipyrin, später dann Acetylsalicylsäure. Zudem: Wassergüsse, Bäderkuren. Irgendwann benötigte er Stock, Krücken und schließlich einen Rollstuhl mit Kissen und einen Tragestuhl, mit den man ihn vom Haus in den Garten heben konnte. Seine Schuhe musste er aufschneiden, um seinen schmerzenden Füße Platz zu verschaffen.
Als er nur noch vom Rollstuhl aus malen konnte und seine Finger sich zusehends verkrümmten, ließ sich Renoir die Pinsel zwischen seine bandagierten Hände und den mit Schlauchverband aus Leinen umwickelten Daumen stecken. Aus einer Fahrradmechanik baute er eine drehbare Staffelei. So konnte er selbst vom Sitzen aus durch Weiterkurbeln des mit Leinwand bespannten Untergrundgrundes weiterhin auch große Format malen. Sein größtes Ölgemälde „Les Baigneuses“ (1918/19) maß 160 x 110 cm, und hängt heute im Musée d’Orsay, Paris. Dass Renoir seine Krankheit damals dennoch so positiv bewältigen konnte lag sicher auch mit  auch an der guten Pflege und an dem Umstand, dass er praktisch täglich in seinem Garten sitzend, malen konnte.

Alexei Jawlensky 

Ausschnitt aus "Große Meditation" 1937
Ausschnitt aus „Große Meditation“ 1937

Einen sehr schweren Verlauf nahm die rheumatoide Arthritis beim Maler Alexej Jawlensky (1865 – 1941).  Sie brach 1929 aus, da war er 65 Jahre alt. Trotz zahlreicher Kuren und Behandlungen, zunächst mit Spermin-Injektionen, Röntgenstrahlen und Goldspritzen, später mit Pyramidon, Radiophan-Spritzen, Elektrobädern usw. war Jawlensky ab 1938 völlig gelähmt. Anders wie Renoir hat  Jawlensky ständig auch materielle Existenzsorgen, was sicherlich auch zum Verlauf seiner Krankheit mit beitrug.
An seiner speziell entwickelten Staffelei mit zwei Brettern waren acht Ölpapiere, oben und  unten je vier, mit Reißzwecken befestigt. Unten an der Staffelei waren zudem zwei Pflöcke so angebracht, dass  seine Palette sogleich an der Staffelei und seinen Knien aufliegen konnte, so dass er sie nicht mit einer Hand halten musste. Denn er benötigte beide Hände, um den Pinsel führen zu können.  Pinsel und Farben waren ebenfalls in unmittelbarer Reichweite positioniert. Diese krankheitsbedingten Einschränkungen sind auch der Grund dafür, weswegen Jawlensky seither nur noch in kleineren Formaten malte. Die Krankheit beeinflusste also Jawlenskys Werk gewaltig, viel stärker als im Fall Renoir, der unter größerer Anstrengung und mit „Tricks“ immerhin bis zuletzt seinem Stil treubleiben konnte. Bei Jawlensky entstanden erst durch die Bilder seine abstrakten Gesichter, etwa die Serie  „Meditationen“ in maximalen Bildformaten von 18 x 13 cm bis 24 x 10 cm. Aber seinem Ruhm tat dies keinen Abbruch, vielleicht im Gegenteil: Die abstrakten Gesichtern wurden fast so etwas wie sein „Markenzeichen“.

Raoul Dufy

Einen wiederum völlig anderen, sehr wechselhaften Verlauf nahm Raoul Dufys (1877 – 1953) rheumatische Erkrankung. Der französische Maler des Fauvismus, der 1937 das mit 600 m²  größte Bild der Welt „La Fée Electricité“ zur Weltausstellung schuf, wurde 1935 im Alter von 58 Jahren vom Rheuma erwischt. Sein Glück im Unglück war, dass  1950  der Bostoner Arzt Dr. Homburger in einer Kunstzeitung über ihn von  seinem Rollstuhlschicksal lass, und anbot, ihn mit der neuen Cortison-Therapie zu behandeln. Die Therapie war zunächst sehr erfolgreich. Schon innerhalb weniger Tage wurde er mobil, begann wieder zu malen, konnte Farbtuben selbst ausdrücken. Aber es gab Komplikationen. Er entwickelte das typische angeschwollene Cortinson-Gesicht, das so genannte Chushinggesicht. Er bekommt Osteoporose und ein Abszess am Gesäß. Dufy, so Prof. Zeidler, war einer der ersten mit Kortison behandelten Patienten, weswegen auch noch nicht viel über die Nebenwirkungen bekannt war. Zunächst verlief also seine Behandlung recht erfolgreich. Dufy konnte ohne erkennbare Veränderungen weiter malen. Aber es  gab schwere, später gar tödliche Nebenwirken wie innere  Darmblutungen. Diese wurden verursacht durch die gleichzeitige Gabe von    „hochdosiertem Aspirin“ und „Kortison“.

Niki des Saint Phalle

Niki des Saint Phalles Exponat der aktuellen Ausstellung NIKI DE SAINT PHALLE 3. FEBRUAR – 21. MAI 2023 in der Schirn  Kunsthalle Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow
Niki des Saint Phalles Exponat der aktuellen Ausstellung NIKI DE SAINT PHALLE
3. FEBRUAR – 21. MAI 2023 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow

Niki des Saint Phalle (1930 – 2002) war eine der populärsten Künstlerinnen ihrer Generation. Sie startete 1953 nach einem Nervenzusammenbruch ihre Künstlerkarriere. Das Ex-Modell wurde zunächst mit ihren Schießbildern und später mit ihren großformatigen Frauenfiguren, den Nanas, weltberühmt. In ihrer Selbstwahrnehmung der Krankheit glaubte Niki des Saint Phalles stets, dass vor die giftigen Dämpfe, die beim Schneiden von Styropor für ihre Großfiguren entstanden,  „ihre Lungen verätzt“ hätten. Professor Zeidler fand beim Studium ihrer Krankenakte jedoch heraus, dass Niki des Saint Phalles Leiden schon viel weiter in ihrer Biographie zurückreichte: So litt die Künstlerin  seit 1949 nach einer Bilddarmentzündung bereits unter schweren Atemproblemen, 1958 wurde eine erste Diagnose Pneumonie gestellt. Und, was auch kaum bekannt ist: Niki des Saint Phalles litt an einem angeborenen selektiven Immunglobulin-A-Mangel. Dies war eventuell eine der Hauptursachen ihres lebenslangen Leidensweges, so Prof. Zeidler. Denn zirka 30 Prozent der von diesem Immundefekt Betroffenen (1 zu 1000) leiden verstärkt unter Infektionen wie Sinusitis, Bronchitis, Lungenentzündung, manch einer auch unter Durchfall und  Autoimmunkrankheiten wie z.B. Lupus, rheumatoide Arthritis, Immunthyreoiditis, Morbus Crohn.

Die Lungenerkrankung beeinflusste auch Niki des Saint Phalles  künstlerisches Schaffen. Beispielsweise entstanden, nachdem sie in St. Moritz wieder gelernt hatte, frei durchatmen, ab 1979 ihre ersten berühmten Luftskulpturen „Skinnies“. Und nicht von ungefähr lebte Niki des Saint Phalles wegen des für ihre Lunge angenehmen Klimas am Ende ihres Lebens in San Diego, Kalifornien. Hier schuf sie ihren, von indianischen und mexikanischen Symbolen inspirierten Park „Califa“. Diesen konnte sie nicht mehr vollenden. Sie verstarb nach fünfmonatigem Klinikaufenthalt 2001 an akutem Atemnotsyndrom infolge ihrer Pneumonie.

Selten erhielt ein Vortragsredner einen solch lang andauernden Applaus wie Professor Dr. med. Henning Zeidler für seine hochinteressanten Ausführungen zum Auftakt des Patiententages.

Patiententag 

patiententag-2023Der Patiententag am Samstag, 22. April, von 9.30 bis 16 Uhr im Rathaus, Schlossplatz 6, war traditionell gut besucht und gab Laien wie Fachleuten Auskunft zu aktuellen Gesundheitsthemen. Vertreten waren Ärzte, Gesundheitsexperten von medizinischen und pflegerischen Einrichtungen sowie Vertreter von Selbsthilfegruppen. Einige der Vorträge wurden als Hybridveranstaltung durchgeführt und live ausgestrahlt.

(Diether von Goddenthow /Rhein-Main. Eurokunst)

129. Internisten-Kongress: Update Long COVID Professor Dr. med. Clara Lehmann, Leiterin Infektionsschutzzentrum (ISZ), Infektionsambulanz & PostCOVID-Ambulanz,Innere Medizin I, Uniklinik Köln

Endlich wieder ohne Corona kann der Internisten-Kongress im Wiesbadener RheinMain-KongressCenter stattfinden. Für Entspannung während des eng getakteten Kongress-Programms sorgen vielfältige kulturelle Angebote. © Foto Diether von Goddenthow
Endlich wieder ohne Corona kann der Internisten-Kongress im Wiesbadener RheinMain-KongressCenter stattfinden. Für Entspannung während des eng getakteten Kongress-Programms sorgen vielfältige kulturelle Angebote. © Foto Diether von Goddenthow

Professor Dr. med. Clara Lehmann, Leiterin Infektionsschutzzentrum (ISZ),Infektionsambulanz & PostCOVID-Ambulanz,Innere Medizin I, Uniklinik Köln

Von Long COVID  sind allein in der europäischen Region der WHO in den Jahren 2020 bis 2021 17 Millionen Menschen betroffen, weltweit sind es schätzungsweise 65 Millionen. Prognosen gehen davon aus, dass bis März 2023 20 Millionen Europäer an Long COVID leiden werden. Im Durchschnitt werden bis zu 10 Prozent der mit SARS-CoV-2 infizierten Personen die Krankheit entwickeln.

Die Krankheit ist definiert durch eine bestätigte oder wahrscheinliche SARS-CoV-2-Infektion in der Anamnese, wobei die Symptome in der Regel drei Monate nach Beginn der COVID-19-Infektion vorhanden sind und mindestens zwei Monaten andauern. Zu den Symptomen gehören Müdigkeit, Kurzatmigkeit, kognitive Störungen, aber auch viele andere Symptome können auftreten, die nachweislich die Lebensqualität beeinträchtigen. Die Symptome können neu auftreten oder seit der Infektion mit COVID-19 andauern und lassen sich nicht auf eine andere Diagnose zurückführen. Mehrere persönliche und umweltbedingte Faktoren beeinflussen die Prävalenz von Long COVID in der europäischen Bevölkerung. Was die individuellen Faktoren anbelangt, so ist die Prävalenz bei Frauen, in der Altersgruppe von 25 bis 69 Jahren und bei Personen, die wegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, am höchsten. Sozioökonomische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle und Bewohner benachteiligter Gebiete, wirtschaftlich inaktive Personen und Personen, die an aktivitätseinschränkenden Gesundheitszuständen leiden, scheinen stärker betroffen zu sein. Andererseits scheint die Impfung das Risiko einer Long-COVID-Erkrankung um 15 bis 50 Prozentzu senken. Long COVID kann alle Organsysteme betreffen, darunter Herz, Lunge, Nieren, Milz, Leber, Bauchspeicheldrüse, das Immunsystem, den Magen-Darm-Trakt, das neurologische System, die Blutgefäße sowie das männliche und weibliche Fortpflanzungssystem. Dieser multisystemische Charakter macht die Forschung noch komplizierter.

Kosten von Long COVID für die Gesellschaften Es wird geschätzt, dass Long COVID in den USA und im Vereinigten Königreich wirtschaftliche Kosten in Höhe von 3,7 Billionen US-Dollar(über 5 Jahre) beziehungsweise 2,5 Milliarden GBP (pro Jahr) verursacht. Arbeitsplätze und Arbeitsmärkte werden in Mitleidenschaft gezogen, und Arbeitnehmer:innen werden arbeitslos. Es mangelt an standardisierten Konzepten für den Arbeitsplatz.

Aktueller Stand des Wissens über die Krankheit Derzeit werden eine Reihe verschiedener Hypothesen als mögliche Ursachen für Long COVID untersucht, darunter: Persistenz des Virus im Körper, Überreaktion (Hyperinflammation) des Immunsystems, mitochondriale Dysfunktion, dysfunktionale neurologische Signalübertragung, Befall des autonomen Nervensystems, endotheliale Dysfunktion, EBV-Reaktivierung oder gestörte Blutgerinnung). Ein besseres Verständnis der Ursachen von Long COVID ist entscheidend für die Entwicklung einer optimalen Behandlung und Betreuung der Patienten:innen.

Long COVID kann mit ähnlichen „postakuten Infektionssyndromen“ (PAIS) verglichen werden, wie denen, die durch Viren wie Ebola, Dengue, Epstein-Barr-Virus (EBV), MERS-CoV, SARS-CoV-1 oder Influenza verursacht werden. Es können Synergien mit der Forschung zu diesen postakuten Infektionssyndromen gezogen werden. Das beispiellose Ausmaß der Long COVID gibt der Forschung zu PAIS neue Impulse.

Pflege und Behandlung von Patient:innen Personen, die von Long COVID betroffen sind, stoßen in ihrem Familien- und Arbeitskreis oft auf Skepsis und werden von den Ärzten oft falsch diagnostiziert. Da noch keine Biomarker für die Routinediagnose zur Verfügung stehen, stützt sich die Diagnose von Long COVID bisher hauptsächlich auf klinische Untersuchungen. Derzeit ist die Behandlung der Krankheit kostspielig und komplex. Die derzeitigen Behandlungen sind nur individuell und symptomorientiert. Da das medizinische Wissen über Long COVID noch am Anfang steht, werden den Patient:innen nicht immer angemessene Behandlungen angeboten, und manchmal werden von Mediziner:innen immer noch kontraproduktive Therapien empfohlen.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

• Long COVID ist eine schwere somatische Krankheit mit biologischen Ursachen. Es handelt sich nicht um eine psychosomatische Krankheit.

• Verschiedene Symptome beeinträchtigen die Organsysteme der Patienten auf multisystemische Weise. Die häufigsten Symptome sind extreme Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Kurzatmigkeit, kardiovaskuläre Probleme und Konzentrationsschwierigkeiten. Long COVID ist auch durch eine Belastungsintoleranz gekennzeichnet, was bedeutet, dass körperliche oder geistige Anstrengungen oder Stress die Symptome verschlimmern.

• Bei Long COVID handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die sich über mehrere Monate oder Jahre hinzieht, wobei die Rekonvaleszenz durch Schwankungen mit Rückfallphasen gekennzeichnet ist.

• Die wichtigsten Prävalenzfaktoren für Long COVID sind das weibliche Geschlecht, die Altersspanne (25 bis 69 Jahre) und Krankenhausaufenthalte nach einer Infektion mit SARSCoV-2. Während die Impfstoffe in einigen Fällen Komplikationen verursachen können, scheint die Impfung gegen COVID-19 die Prävalenz von Long COVID deutlich zu verringern.

• Die Ursachen von Long COVID sind noch nicht vollständig geklärt, und es werden derzeit mehrere Hypothesen untersucht.

• Die derzeitige Behandlung von Long COVID ist symptomorientiert und nicht kurativ. Eine Reihe von Arzneimitteln wird derzeit untersucht.

Literatur: https://www.bmj.com/content/376/bmj.o158. BMJ 2022; 376:o158, Baraniuk C, Covid-19: How Europe is approaching long COVID, 20 January 2022.

WHO, A clinical case definition of post COVID-19 condition by a Delphi consensus, 6 October 2021, https://www.who.int/publications/i/item/WHO-2019-nCoV-Post_COVID-19_conditionClinical_case_definition-2021.1.

Davis HE, McCorkell L, Vogel JM et al. Long COVID: major findings, mechanisms and recommendations. Nat Rev Microbiol 21, 133–146 (2023), https://doi.org/10.1038/s41579-022- 00846-2.

Politico, Collis H, WHO urges action as 17M long COVID cases estimated in Europe region, September 13, 2022, https://www.politico.eu/article/who-urges-action-as-17m-long-covidcases-estimated-in-europe-region/.

See also the study published in the International Journal of Infectious Diseases, Characteristics of long-COVID among older adults: a cross-sectional study, DaitchV, September 30, 2022, https://www.ijidonline.com/article/S1201-9712(22)00535-5/fulltext.

129. Internisten-Kongress zum aktuellen Wandel der Medizin – Übergewicht, Stoffwechsel und Immunsystem bilden eine unheilige Allianz, aber auch Ansatz für neue Therapien

Endlich wieder ohne Corona kann der Internisten-Kongress im Wiesbadener RheinMain-KongressCenter stattfinden. Für Entspannung während des eng getakteten Kongress-Programms sorgen vielfältige kulturelle Angebote. © Foto Diether von Goddenthow
Endlich wieder ohne Corona kann der Internisten-Kongress im Wiesbadener RheinMain-KongressCenter stattfinden. Für Entspannung während des eng getakteten Kongress-Programms sorgen vielfältige kulturelle Angebote. © Foto Diether von Goddenthow

Während  Bürger  am Patiententag im Wiesbadener Rathaus von Experten, Organisationen des Gesundheitswesens und Selbsthilfegruppen  medizinisch-praktischen Rat einholen konnten, eröffnete der 129. Internisten-Kongress   Wiesbaden. Noch bis zum 25.04. 2023  werden wieder mehrere tausend Ärzte neueste Erkenntnisse und Entwicklungen zu zentralen Themen der Inneren Medizin untereinander austauschen.  Ein Schwerpunkt  galt am Samstag, 22.04.23,  unter anderem dem Gegenstand aktueller Forschung wie sehr  starkes Übergewicht als ein  Risikofaktor mit einen schweren Verlauf der Infektionskrankheit COVID-19 zusammenhängen?   Es könnte, so der Forschungsstand, an der engen Interaktion zwischen Stoffwechsel und Immunsystem liegen –dieser Zusammenhang wird von Forschenden nicht nur bei der „COVID-19-Verlaufsfrage“ zunehmend in den Blick genommen. Bekannt ist schon länger: Adipositas, insbesondere das viszerale Fett, löst eine chronische Entzündung im Körper aus, und betrifft somit auch das Immunsystem. Expertinnen und Experten bezeichnen Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes deshalb inzwischen auch als chronischentzündliche Erkrankungen. Warum Fettstoffwechsel und Immunsystem sich gegenseitig so stark beeinflussen und wie dies neue Therapieansätze für die Folgeerkrankungen von Übergewicht ermöglichen könnte, ist Thema der heutigen Kongress-Pressekonferenz sowie des Symposiums „Novel concepts in obesity-related metabolic diseases” im Rahmen des Internistenkongresses 2023.

Evolutionär haben Stoffwechsel und Immunsystem einen gemeinsamen Ursprung. „In einfachen Lebewesen wie etwa der Fruchtfliege lässt sich erkennen, dass es Interaktionen zwischen immunologischen und metabolischen Signalwegen gibt“, erklärt Professor Dr. med. Andreas Schäffler, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III, Universitätsklinikum Gießen. Diese sogenannten Crosstalks seien bis heute auch beim Menschen erhalten geblieben. „In unserem menschlichen Organismus steuern identische Moleküle sowohl Stoffwechsel- als auch Entzündungsvorgänge.“ Die enge Verknüpfung ist oft wichtig und nützlich: So versorgen Zellen des Fettgewebes bei einer akuten Infektion oder Entzündung die Immunzellen mit Energie, um die Immunreaktion zu unterstützen. Vice versa bewirken Erkrankungen, die den Stoffwechsel betreffen, Reaktionen im Immunsystem,wie etwa erhöhte Entzündungswerte.

Großes Interesse an den neuesten Erkenntnissen der Inneren Medizin und gutbesuchte Veranstaltungen /Vorträge kennzeichnen den 129. Internistenkongress. © Foto Diether von Goddenthow
Großes Interesse an den neuesten Erkenntnissen der Inneren Medizin und gutbesuchte Veranstaltungen /Vorträge kennzeichnen den 129. Internistenkongress. © Foto Diether von Goddenthow

Problematisch wird die enge Interaktion, wenn Fettgewebe, insbesondere im Bauchraum, das normale Maß überschreitet. Die erhöhte Aktivität der Fettzellen lässt Makrophagen, also Zellen des Immunsystems, in das Gewebe einwandern. „Dies führt zu einer leichten aber fortwährenden chronischen Entzündungsreaktion, die sowohl im lokalen Fettgewebe als auch im gesamten Körper auftritt.“ Das zeige sich dann im Blut unter anderem durch einen Anstieg des C-reaktiven Proteins, auch „Adipositas-CRP“ genannt. Zudem kommt es zur Insulinresistenz, bei der die Zellen Insulin nicht mehr ausreichend aufnehmen können und somit der Blutzucker steigt. Diese durch den Stoffwechsel (Metabolismus) ausgelöste lokale und systemische Entzündungsreaktion (Inflammation) bezeichnen Forschende als „Metaflammation“. „Die chronische Aktivierung des Immunsystems hat eine reduzierte Infektionsabwehr zur Folge, aber auch Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, metabolisches Syndrom und ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfälle“, erklärt Schäffler.

Praxisnahe vor Ort-Präsentationen gibt es bei der Industrieausstellung in der Halle Süd. © Foto Diether von Goddenthow
Praxisnahe vor Ort-Präsentationen gibt es bei der Industrieausstellung in der Halle Süd. © Foto Diether von Goddenthow

„Metaflammation“ ist aber auch zum Ansatz für die Erforschung neuer Behandlungsmethoden ebendieser Erkrankungen geworden. Die Idee: Mittels Kontrolle der Entzündungsreaktion die Risiken für die Folgeerkrankungen der Adipositas zu reduzieren. „Zu den wichtigsten Studien gehören dabei zwei Arbeiten aus 2017 und 2019“, erklärt Schäffler. Der CANTOS Trial 2017 war die erste prospektive, randomisierte, klinische Phase-III-Studiean über 10 000 Patientinnen und Patienten. Hierbei wurden Hochrisikopatientinnen undpatienten aufgenommen, die einen Myokardinfarkt erlitten hatten und ein erhöhtes CRP aufwiesen. Sie bekamen den entzündungshemmenden Antikörper Canakinumab. Zwar konnte das Diabetesrisiko dadurch nicht vermindert, dafür aber die kardiovaskuläre Sterblichkeit deutlich reduziert werden. „Hingegen zeigte sich im CIRT-Trial von 2019, bei dem adipösen Patienten eine anti-entzündliche und das Immunsystem unterdrückende medikamentöse Therapie mit dem Wirkstoff Methotrexat erhielten, keine kardioprotektive Wirkung.“ „Das zeigt, dass wir noch viel mehr Erkenntnisse darüber erlangen müssen, wie genau – auf Ebene der Organe, Zellen, Organellen – die immuno-metabolische Schnittstelle funktioniert“, so Schäffler. „In Zukunft könnten molekular maßgeschneiderte anti-entzündliche Therapien ein wichtiger neuer Therapieansatz sein, mit einem ganz neuen Wirkmechanismus als die bisherigen Therapien des metabolischen Syndroms – nämlich über das Immunsystem.“

Innere Medizin als Detektivarbeit: DGIM lädt unter dem Leitgedanken „Systemisch Denken – Individuell Therapieren“ zum Jahreskongress

In wenigen Tagen werden sich vom 22. bis 25.April 2023 wieder mehrere Tausend Ärzte zum Internistenkongress im Wiesbadener RheinMain KongressCenter treffen. © Foto Diether von Goddenthow
In wenigen Tagen werden sich vom 22. bis 25.April 2023 wieder mehrere Tausend Ärzte zum Internistenkongress im Wiesbadener RheinMain KongressCenter treffen. © Foto Diether von Goddenthow

„Systemisch Denken – Individuell Therapieren“ – unter diesen Leitgedanken stellt die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) ihre 129. Jahrestagung, zu der sie vom 22. bis 25. April 2023 mehrere tausend Teilnehmende im RheinMain CongressCenter in Wiesbaden erwartet. Auch 2023 werden alle wissenschaftlichen Veranstaltungen im Live-Stream übertragen, um Ärztinnen und Ärzte, die nicht vor Ort dabei sein können, einzubeziehen. In Kooperation mit der Stadt Wiesbaden und der Apotheken Umschau veranstaltet die DGIM heute, am Samstag, dem 22. April 2023 zudem wieder den traditionellen Patiententag im Rathaus Wiesbaden.

Ob in Gesundheit oder Krankheit: Der Körper und seine Funktionen sind ein hochkomplexes System. Internistische Erkrankungen bleiben deshalb meist nicht auf ein Organ beschränkt – sie interagieren mit dem Gesamtorganismus und können so Symptome im gesamten Körper auslösen. Und auch moderne Therapien verursachen mitunter Wirkungen und Nebenwirkungen weit abseits des ursprünglich betroffenen Organs. „Diese Erkenntnis ist nicht neu. Und doch kann sie bei der heute üblichen – und auch wichtigen – Spezialisierung der einzelnen Fachgebiete leicht aus dem Blick geraten“, sagt Professor Dr. med. Ulf MüllerLadner, Präsident der DGIM und Kongresspräsident des diesjährigen Kongresses. „In der Inneren Medizin muss es das Ziel sein, stets die übergreifenden Verbindungen einer Erkrankung, so klein das Ursprungsorgan oder der Primärherd auch sein mag, im Blickfeld zu behalten oder den Horizont dahingehend zu erweitern. Deshalb widmet sich der diesjährige Kongress schwerpunktmäßig diesen Interaktionen – und den Folgen, die sich daraus für Diagnostik, Therapie, Forschung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit ergeben“, so der Internist und Rheumatologe.

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Über diesen Schwerpunkt hinaus wird der Kongress in rund 400wissenschaftlichen Sitzungen mit rund 1350 Vorträgen die gesamte Bandbreite der Inneren Medizin abdecken – von neuen nationalen und internationalen Behandlungsleitlinien der verschiedenen internistischen Fächer, über aktualisierte „Klug entscheiden“-Empfehlungen zur Reduktion von Über- und Unterversorgung bis hin zu berufspraktischen Themen wie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zahlreiche Sessions des wissenschaftlichen Programms werden von der Nachwuchsorganisation JUNGE DGIM gestaltet, eine internationale Perspektive ermöglichen die gemeinsamen Sitzungen mit dem Gastland Israel. „Und wie immer nehmen wir beim Kongress auch die Zukunft in den Blick: Wie können neue therapeutische Ansätze künftig rascher den Sprung aus der Wissenschaft in die klinische Anwendung finden? Wo stehen wir aktuell bei der Entwicklung, Nutzung und Qualitätssicherung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) und anderer Medizin-Apps?“, so Müller-Ladner.

Am Samstag, dem 22. April 2023, wird in Kooperation mit der Stadt Wiesbaden und der ApothekenUmschau zudem wieder der beliebte Patiententag stattfinden. Im Wiesbadener Rathaus werden an diesem Tag Vorträge zu ausgewählten Themen angeboten – von Einsamkeit im Alter bis zur Prävention und Behandlung von Herzkrankheiten. Hierzu sind Betroffene, Angehörige und Interessierte herzlich eingeladen. Die Teilnahme am Patiententag ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Die Teilnahme am Kongress ist in Präsenz, online oder als Kombination möglich (Teilnahme in Präsenz mit zusätzlichem vergünstigtem Online-Zugang). Weitere Informationen unter: https://kongress.dgim.de/registrierung/anmeldung/.

Mit rund 8000 Teilnehmern endete gestern der 128. Internistenkongress der DGIM erfolgreich in Wiesbaden

Obwohl sämtliche 750 Referate und Vorträge auch online zur Verfügung stehen, war das Bedürfnis  diese lieber in Präsenz zu erleben zu können recht groß. © Foto Diether v. Goddenthow
Obwohl sämtliche 750 Referate und Vorträge auch online zur Verfügung stehen, war das Bedürfnis diese lieber in Präsenz zu erleben zu können recht groß. © Foto Diether v. Goddenthow

Mit rund 8000 Teilnehmern –etwa 60 Prozent in Präsenz und 40 Prozent online – ist gestern der 128.Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin DGIM in Wiesbaden erfolgreich zu Ende gegangen.

Professor Dr. med. Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des LMU Klinikums München sowie Vorsitzender der DGIM 2021/2022 leitete als Präsident des 128. Kongresses die wissenschaftliche Großveranstaltung.
Unter dem Hauptthema: „Die Grenzen der Inneren Medizin“ deckte der Kongress in über 750 Vorträgen die gesamte Bandbreite der Inneren Medizin ab.
Die Hauptthemen des 128. Internistenkongresses umfassten die folgenden Säulen:

  • Grenzen ärztlichen Handelns – Was kann die Medizin, was kann die oder der Einzelne leisten? Welche Rolle spielen Überlastung und Resilienz heute?
  • Ethische Grenzen – Welche medizinischen Maßnahmen können oder sollten gerade am Lebensende noch ergriffen werden? Was entspricht dem Patientenwillen? Was wirkt sich tatsächlich auf die Lebensqualität aus?
  • Medizinische Grenzen – Was ist medizinisch möglich und welchen Preis ist die Gesellschaft bereit, dafür zu zahlen?
  • Überwindung von Grenzen – Der (medizinisch-)technische Fortschritt verschiebt die Grenzen des Machbaren immer weiter. Zu den Durchbrüchen der letzten Jahre zählen u.a. neue Herzklappen, mRNA- und Antikörper-basierte Therapeutika, aber auch der zunehmende Einsatz der Telemedizin.
  • Grenzen zwischen der Inneren Medizin und anderen Fachgebieten – sind nicht in Stein gemeißelt: Sie sind fließend, unscharf, verschieben sich stetig und sollten für interdisziplinäre Kooperationen immer offen sein. Wie ist der Status quo?
  • Nicht überwundene Grenzen – Wie kann die Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die klinische Praxis – etwa bei der personalisierten Medizin – besser und schneller gelingen? Welchen Weg haben wir bei der Digitalisierung noch vor uns?

Der kommende DGIM-Kongress findet unter der Leitung von Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner vom22.04.2023 bis 25.04.2023 zum Thema „Systemisch Denken – Individuell Therapieren“ statt. Er ist wieder als Hybrid-Veranstaltung – in Wiesbaden und online – geplant.

128. Internistenkongress unter dem Motto „Die Grenzen der Inneren Medizin“ Jahrestagung der DGIM findet als Hybrid-Kongress statt

128. Kongress der DGIM: Internisten tagen vom 30.04 bis 3.05.2022  im Wiesbadener RheinMain Congress Center unter dem Motto „Die Grenzen der Inneren Medizin“ © Foto Diether v. Goddenthow
128. Kongress der DGIM: Internisten tagen vom 30.04 bis 3.05.2022 im Wiesbadener RheinMain Congress Center unter dem Motto „Die Grenzen der Inneren Medizin“ © Foto Diether v. Goddenthow

128. Kongress der DGIM: Internisten tagen unter dem Motto „Die Grenzen der Inneren Medizin“ Jahrestagung der DGIM findet als Hybrid-Kongress statt

Wiesbaden, 30. April 2022 – Nach einem pandemiebedingt abgesagten Kongress in 2020 und einem ausschließlich digital abgehaltenen Kongress in 2021 findet die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) im Frühjahr wieder als Präsenzveranstaltung statt. Vom Tagungsort im Wiesbadener Rhein-Main-Congress-Center aus werden Vorträge auch auf der Kongressplattform gestreamt und stehen im Nachgang on demand zur Verfügung. Für dieses Hybrid-Format haben sich die Organisatoren nicht zuletzt aufgrund des überragenden Erfolgs des letztjährigen Online-Kongresses entschieden, bei dem eine Rekordzahl von über 9000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern erreicht wurde. Die Jahrestagung findet vom 30. April bis 03. Mai 2022 statt.

Obwohl sämtliche 750 Referate und Vorträge auch online zur Verfügung stehen, war das Bedürfnis  diese lieber in Präsenz zu erleben zu können recht groß. © Foto Diether v. Goddenthow
Obwohl sämtliche 750 Referate und Vorträge auch online zur Verfügung stehen, war das Bedürfnis diese lieber in Präsenz zu erleben zu können recht groß. © Foto Diether v. Goddenthow

„Die Grenzen der Inneren Medizin“ lautet das Leitthema des diesjährigen Kongresses, auf dem Kongresspräsident Professor Dr. med. Markus M. Lerch aus München den Begriff der „Grenze“ in all seinen Facetten auslotet. Denn die Innere Medizin ist nicht nur mit medizinischen Grenzen und den Grenzen ihres Fachgebietes konfrontiert. Auch ethische Grenzen, Grenzen am Lebensende, Kostengrenzen, Grenzen des technisch Möglichen und Sinnvollen spielen in der täglichen Routine eine Rolle. „Als Ärzte müssen wir uns immer auch fragen: Was bringt dem Patienten wirklich Lebensqualität zurück, und was entspricht letztlich dem Willen des Patienten?“, betont Lerch, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des LMU-Klinikums München. „Sind wir bereit, auf die Prioritäten und Lebensentwürfe unserer Patienten einzugehen, selbst dann, wenn sie unserem Selbstbild als Heilenden entgegenstehen?“

Den zwischenmenschlichen Austausch kann keine Videomeeting ersetzen. © Foto Diether v. Goddenthow
Den zwischenmenschlichen Austausch kann keine Videomeeting ersetzen. © Foto Diether v. Goddenthow

So wenig scharf die von den Betroffenen subjektiv empfundenen Grenzen zwischen Gesundheit und Beeinträchtigung, zwischen guter und schlechter Lebensqualität sind, so verhandelbar ist oft auch die medizinische Definition von Krankheit: Ab welchem messbaren Grenzwert ist ein Befund pathologisch? Wo endet der Bereich des „Normalen“, und ist jede Abweichung davon automatisch auch behandlungsbedürftig? „Mit immer empfindlicheren Diagnosemethoden dringen wir in Bereiche vor, die prognostisch möglicherweise nicht mehr relevant sind“, sagt Lerch etwa mit Blick auf immer sensitivere Labormethoden. Auch Kosten setzen Grenzen und werfen die Frage auf, welcher Wert einem Zugewinn an Lebensqualität oder Lebenszeit zugemessen wird – etwa bei extrem teuren Implantaten im Bereich der Kardiologie oder bei neuartigen Krebsmedikamenten, die mit monatlichen Behandlungskosten von mehr als zehntausend Euro zu Buche schlagen.

Wo Grenzen sind, sind Grenzstreitigkeiten oft nicht fern. Ab welchem physiologischen Richtwert soll Behandlungsbedürftigkeit beginnen? Welche Erkrankung soll eher chirurgisch, welche endoskopisch behandelt werden? Und – insbesondere mit Blick auf eine voranschreitende Digitalisierung – wie weit darf das Recht auf Leben und Gesundheit dem Datenschutz geopfert werden und umgekehrt? „Kontroverse Themen wie diese möchten wir auf dem Kongress intensiv diskutieren, etwa in entsprechenden Pro- und Contra-Symposien“, so Lerch.

Kongress-Impressionen. © Foto Diether v. Goddenthow
Kongress-Impressionen. © Foto Diether v. Goddenthow

Die Schwerpunktthemen des Kongresses im Einzelnen sind:
– Grenzen ärztlichen Handelns – Was kann die Medizin, was kann die oder der Einzelne leisten? Welche Rolle spielen Überlastung und Resilienz heute?
– Ethische Grenzen – Welche medizinischen Maßnahmen können oder sollten gerade am Lebensende noch ergriffen werden? Was entspricht dem Patientenwillen, was wirkt sich tatsächlich auf die Lebensqualität aus?
– Medizinische Grenzen – Was ist medizinisch möglich und welchen Preis ist die Gesellschaft bereit, dafür zu zahlen?
– Überwindung von Grenzen – Der (medizinisch-)technische Fortschritt verschiebt die Grenzen des Machbaren immer weiter. Zu den Durchbrüchen der letzten Jahre zählen u.a. neue Herzklappen, mRNA- und Antikörper-basierte Therapeutika, aber auch der zunehmende Einsatz der Telemedizin.
– Grenzen zwischen der Inneren Medizin und anderen Fachgebieten – sind nicht in Stein gemeißelt: Sie sind fließend, unscharf, verschieben sich stetig und sollten für interdisziplinäre Kooperationen immer offen sein. Wie ist der Status quo?
– Nicht überwundene Grenzen – Wie kann die Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die klinische Praxis – etwa bei der personalisierten Medizin – besser und schneller gelingen? Welchen Weg haben wir bei der Digitalisierung noch vor uns?

Über diese Schwerpunkte hinaus deckt der noch bis morgen im Rhein-Main-Kongress-Center (RMCC) stattfindende Kongress in über 750 Vorträgen die gesamte Bandbreite der Inneren Medizin ab.

Erster digitaler Kongress der DGIM im Zeichen von Corona und Klimawandel ging gestern in Wiesbaden zu Ende

logo-internistenkongress21Wiesbaden, April 2021 – 16 parallel laufende Kanäle, darunter ein englischsprachiger, 357 Sitzungen, rund 1200 Vorträge und 1100 Referentinnen und Referenten – erstmals in vollständig digitaler Ausführung ging gestern nach vier Tagen der 127. Internistenkongress zu Ende. Mit rund 9000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – darunter knapp 900 Medizinstudierende und rund doppelt so viele DGIM-Mitglieder als in den Vorjahren – verzeichnete die digitale DGIM-Jahrestagung die bislang höchste Teilnehmerzahl. Neben der Teilnahme an wissenschaftlichen Online-Sessions konnten sich die Teilnehmer auch als Avatare auf der virtuellen Kongressplattform austauschen. Thematisch war der Kongress von den großen Schlüsselthemen der Zeit – der aktuellen Corona-Pandemie und der noch existentielleren Krise des Klimawandels und seinen Folgen für die Gesundheit – geprägt. Mit Abschluss des Kongresses endet der Vorsitz des aktuellen DGIM-Präsidenten Sebastian Schellong, sein Nachfolger ist der Gastroenterologe Markus M. Lerch.

Auch mehr als ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie prägen der Umgang mit und die Folgen von COVID-19 weiterhin den Alltag in den Kliniken. Der Kongress bot daher die Plattform, sich über die neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zu COVID-19 auszutauschen, die sich aktuell stetig und in rasantem Tempo aktualisieren. „Das Kongressmotto ‚Von der Krise lernen‘ verweist jedoch über die aktuelle Pandemie-Erfahrung hinaus“, so Kongresspräsident Professor Dr. med. Sebastian Schellong. „Nämlich auf die grundsätzliche Notwendigkeit und Möglichkeit, verantwortungsvoll gute Medizin zu machen, auch wenn Ressourcen knapp sind.“ Denn knapper werdende Ressourcen und die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels werden Gesellschaft und Medizin in den kommenden Jahrzehnten prägen. Neben den Folgen des Klimawandels für die Gesundheit des Einzelnen, befasste sich der Kongress auch mit der Frage, wie Ärztinnen und Ärzte und die Institutionen des Gesundheitswesens einen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten können.

„‘Von der Krise lernen‘ – das bedeutet aber auch – nach den Erfahrungen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie – einmal mehr auf die Tatsache hinzuweisen, dass verantwortungsvolle Medizin generell oft eher ein „Weniger“ an Leistungen bedeutet, als ein „Mehr“, sagt Schellong. In seiner Rede im Rahmen der festlichen Abendveranstaltung – aufgrund der Coronapandemie in diesem Jahr digital (https://dgim.meta-dcr.com/kongress2021/crs/festliche-abendveranstaltung)

– legte Schellong am Beispiel des Carotis-Screenings dar, wie der heutige, ökonomisch getriebene Wettbewerb im Gesundheitswesen zu Leistungsausweitungen führt, die weder zur Gesundheit des einzelnen Patienten positiv beitragen, noch einen verantwortungsvollen Umgang mit den finanziellen Mitteln der Solidargemeinschaft darstellen. Auch Professor Dr. med. Jürgen Floege, Kongresspräsident des ausgefallenen Kongresses 2020, verwies in seiner Rede darauf, dass Deutschland zwar zu den Ländern mit den höchsten Gesundheitskosten pro Kopf gehöre, gleichzeitig bei der Lebenserwartung innerhalb der EU nur Durchschnitt sei. Dass mehr Gesundheitsleistungen nicht automatisch zu mehr Gesundheit führen, zeigte er an einer eindrücklichen Grafik auf: Der körperlichen Minderaktivität der heute 15-Jährigen in Deutschland und die gesundheitlichen Gefahren, die daraus resultieren – eine Ausweitung von Gesundheitsleistungen kann diese Problematik nicht lösen.

Ihre 127. Jahrestagung nahm die DGIM auch zum Anlass, zahlreiche Auszeichnungen zu vergeben. Da der Kongress im Vorjahr ausgefallen war, wurde die höchste Auszeichnung der Fachgesellschaft, die Leopold-Lichtwitz-Medaille, für die Jahre 2020 und 2021 verliehen. Sie ging an Professor Dr. med. Ulrich R. Fölsch und Professor Dr. med. Tilman Sauerbruch. Der mit 30.000 Euro dotierte Theodor-Frerichs-Preis 2021 ging an Professor Dr. med. Rafael Kramann aus Aachen, der gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Innere Medizin (DSIM) verliehene Präventionspreis ging an Professor Dr. med. Robert Wagner aus Tübingen. Zudem vergab die DGIM zum dritten Mal ihre Medienpreise für herausragende journalistische Veröffentlichungen.

Mit rund 28.000 Mitgliedern ist die DGIM die größte medizinische Fachgesellschaft in Deutschland und Europa. Ihr Kongress endet mit dem Wechsel der Präsidentschaft: Für das Jahr 2021/2022 übernimmt Professor Dr. med. Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des LMU-Universitätsklinikums München, den Vorsitz der Fachgesellschaft. Unter seinem Vorsitz wird der nächste Internistenkongress vom 30. April bis 3. Mai 2022 zum Thema „Die Grenzen der Inneren Medizin“ stattfinden.

Intensivmediziner veröffentlichen Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von COVID-19-Patienten

© Foto: Diether v Goddenthow
© Foto: Diether v Goddenthow

Berlin – Im Rahmen der COVID-19-Epidemie geht die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) von einem weiteren Anstieg an intensivpflichtigen Patienten aus. Bei der Behandlung dieser Patienten sind besondere Aspekte zu beachten. Unter Federführung der DGIIN haben Experten mehrerer Fachgesellschaften aktuelle Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19 veröffentlicht.

„Die Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 entwickelt sich derzeit sehr dynamisch. Wir gehen fest davon aus, dass dies zu einem weiteren Anstieg an Intensivpatienten führt“, sagt Professor Dr. med. Stefan Kluge, Vorstandsmitglied der DGIIN und Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Es ist uns wichtig, den Kliniken vor Ort in einem kompakten Paper Empfehlungen zum Umgang mit COVID-19-Patienten zur Verfügung zu stellen, die eine intensivmedizinische Behandlung brauchen. Diese Veröffentlichung hat die DGIIN daher jetzt federführend gemeinsam mit weiteren Fachgesellschaften herausgegeben (DGIIN, DIVI, DGP, DGAI). Grundsätzlich empfiehlt die Fachgesellschaft, dass sich multidisziplinäre Teams in den jeweiligen Kliniken mit der Thematik befassen sollten. Dazu sollen in jedem Fall Intensivmediziner, Pflegekräfte, Infektiologen und Krankenhaushygieniker gehören.

In den Empfehlungen geben die Experten einen Überblick zum aktuellen Kenntnisstand der Diagnostik, dem möglichen Krankheitsbild und worauf bei den Schutzmaßnahmen für das Personal besonders zu achten ist. Laut den Empfehlungen sollte definitiv nur geschultes Personal Zugang zu den Betroffenen haben und dieses Personal möglichst von der Versorgung anderer Patienten freigestellt werden. Konkrete Empfehlungen zu therapeutischen Aspekten wie Medikamentengaben, Beatmung und adjuvanten Maßnahmen werden ebenfalls gegeben. Hinsichtlich der genauen Hygienemaßnahmen und Schutzausrüstung verweisen die Experten auf die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI).

„Mit Blick auf die steigende Anzahl der Patienten haben wir uns auch mit der Verfügbarkeit der Intensivbetten beschäftigt“, so Professor Dr. med. Christian Karagiannidis, Präsident elect der DGIIN und leitender Oberarzt an der Lungenklinik Köln-Merheim. In Kürze werden das ARDS-Netzwerk (Acute Respiratory Distress Syndrome-Netzwerk), das sich mit akutem Lungenversagen beschäftigt, und die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) gemeinsam mit dem RKI eine Webseite freischalten, auf der Kliniken alle freien Intensivkapazitäten melden sollen. Derzeit können Kliniken vorhandene Kapazitäten im Melderegister des ARDS-Netzwerkes angeben.

Hier finden Sie die ausführlichen Empfehlungen der DGIIN.

DGIIN fordert praxistaugliche Regelungen im Umgang mit COVID-19
Quarantäne für Medizinisches Personal darf Patientenversorgung nicht gefährden

Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) begrüßt ausdrücklich die vom Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlichte Ergänzung zum Nationalen Pandemieplan zu COVID-19. Die Fachgesellschaft kritisiert hingegen die Regelungen für medizinisches Personal, das engen ungeschützten Kontakt (≤2 Meter) zu einem bestätigten COVID-19-Fall im Rahmen der Pflege oder medizinischen Untersuchung hatte. Das RKI empfiehlt hier bei Kontakt ohne verwendete Schutzausrüstung eine häusliche Quarantäne. Diese Vorgabe ist aus Sicht der DGIIN nicht praktikabel und würde bei strikter Beachtung zu einem Kollaps der Gesundheitsversorgung durch Krankenhäuser und Arztpraxen führen.

„Als DGIIN ist es uns ein wichtiges Anliegen, dass es klare Handlungsempfehlungen im Umgang mit COVID-19-Patienten gibt. Diese müssen allerdings auch praxistauglich sein und die Funktionsfähigkeit der Gesundheitsversorgung in Kliniken und Arztpraxen gewährleisten“, sagt Professor Dr. med. Stefan John, Präsident der DGIIN. Mitarbeitende in der Notfallaufnahme kommen beispielweise im Laufe eines Arbeitstages mit einem großen Personenkreis des übrigen dort tätigen medizinischen Fachpersonals in Kontakt. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine COVID-19-Erkrankung bei einem Mitarbeiter (oder auch Patienten) noch nicht erkannt und diagnostiziert ist. Kommt es dann zu einer nachgewiesenen Infektion mit SARS-CoV-2 und nachfolgender COVID-19-Erkrankung müssten laut aktuellen Empfehlungen des RKI alle Kontaktpersonen ebenfalls in Quarantänestellung.

„Die Empfehlung des RKI würde damit unmittelbar wesentliche und relevante Versorgungsbereiche eines Krankenhauses stilllegen. Ein solcher Ausfall kann aufgrund der ohnehin schon dünnen Personaldecke nicht kompensiert werden“, gibt John zu bedenken. Nach Ansicht der Fachgesellschaft droht dadurch eine Unterversorgung im Gesundheitssystem, da Menschen mit anderen schwerwiegenden Erkrankungen und akuter Behandlungsbedürftigkeit dann nicht mehr ausreichend versorgt werden könnten.

Vor diesem Hintergrund hat es in der jüngsten Vergangenheit Abweichungen von der Empfehlung des RKI gegeben. In Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden haben sich Krankenhäuser nicht nur der Maximalversorgung für ein anderes Vorgehen entschieden, um die Sicherheit der zum Teil kritisch erkrankten Patienten durch Ausfall von ganzen Belegschaften nicht zu gefährden. „Solche Abweichungen können zur Verunsicherung der Bevölkerung und des medizinischen Personals beitragen. Wir brauchen daher andere, praxistaugliche und gut umsetzbare Regelungen als die bisher bestehenden. Nur so können zukünftige Abweichungen verhindert werden“, sagt der Experte, der auch Leiter des Funktionsbereichs Intensivmedizin am Klinikum Nürnberg ist. Die DGIIN fordert daher eine Änderung der Regelungen für medizinisches Personal, das engen, ungeschützten Kontakt (≤2 Meter) zu einem bestätigten COVID-19-Fall im Rahmen der Pflege oder medizinischen Untersuchung hatte. Dafür bietet die Fachgesellschaft ihre Zusammenarbeit mit dem RKI an. Asymptomatische Kontaktpersonen sollten unter klar geregeltem Schutz und Überwachungsmaßnahmen weiterhin an der Patientenversorgung teilnehmen können.

Die DGIIN schlägt dafür klare Handlungsempfehlungen vor:
Asymptomatisches medizinisches Personal der Kategorie I des RKI nach Kontakt mit einer SARS-CoV-2-positiven Person muss unverzüglich auf SARS-CoV-2 getestet werden. Bei fehlenden Symptomen oder sonstigen Zeichen einer Infektion kann die betreffende Person zunächst weiter bis zum endgültigen negativen Testergebnis arbeiten. Sie muss dabei jedoch einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Weiterhin sollte zweimal pro Tag Fieber gemessen und ein Gesundheitstagebuch geführt werden mit einer Dokumentation des allgemeinen Befindens. Die Kontaktpersonen werden außerdem gebeten, auch im häuslichen Umfeld Hygienemaßnahmen einzuhalten und auf den Besuch von größeren öffentlichen Veranstaltungen zu verzichten. Zudem muss alle zwei bis drei Tage ein Test der Person auf das Virus erfolgen.

„Sobald das Virus bei einer Kontaktperson nachgewiesen wird, muss eine häusliche Quarantänestellung erfolgen. Das gleiche gilt für Kontaktpersonen, die plötzlich Symptome zeigen. Diese müssen ebenfalls nach sofortiger Testung eine häusliche Quarantäne einhalten“, so John. Es verstehe sich von selbst, dass bei schweren Symptomen oder beim Vorliegen von Risikofaktoren und relevanten Vorerkrankungen für diese Fälle eine stationäre Behandlung erforderlich ist.

„Die DGIIN ist sich sehr wohl bewusst, welche Verantwortung das Robert-Koch-Institut bei seinen Empfehlungen tragen muss. Wir weisen aber auch darauf hin, dass solche Empfehlungen zukünftig dringend in Abstimmung mit den Fachgesellschaften und Verbänden entstehen sollten, insbesondere aus der Notfall- und Akutmedizin sowie Intensivmedizin“, appelliert John. Nur so können nach Ansicht der DGIIN die sehr komplexen medizinischen Abläufe sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung der gesamten Bevölkerung auf dem notwendigen hohen Niveau sichergestellt werden.

Der 125. Internistenkongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. in Wiesbaden endet heute – Zentrales Thema war „Digitalisierung der Medizin“

Digitale Medizin auf dem Vormarsch. © Foto: Diether v. Goddenthow
Digitale Medizin auf dem Vormarsch. © Foto: Diether v. Goddenthow

Wiesbaden – Der 125. Internistenkongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) geht heute nach vier Tagen mit rund 8300 Teilnehmern in Wiesbaden zu Ende. Neben dem Kongressmotto „Digitale Medizin“ stellte der DGIM-Vorsitzende Professor Dr. med. Claus F. Vogelmeier auch die nicht-apparative und nicht-medikamentöse Therapie, die internistische Intensivmedizin, die Arbeit der Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung und die seltenen Erkrankungen in den Mittelpunkt. Vorerst bleibt der Internistenkongress in Wiesbaden – zunächst bis zum Jahr 2023. Mit dem Kongress endet der Vorsitz des DGIM-Präsidenten, Nachfolger ist der Nephrologe Professor Jürgen Floege aus Aachen.

Expertensymposium des Deutschen Ärzteverlags zum Thema Impfen, nämlich wie Ärzte auch Impfmuffel und -gegner zu Schutzimpfungen, z.B. gegen Masern, motivieren können. Hier mit Eckart von Hirschhausen als "Gesicht" der Kampagne "Ich bin gemimpft. Und Sie? Lassen Sie uns reden!". © Foto: Diether v. Goddenthow
Expertensymposium des Deutschen Ärzteverlags zum Thema Impfen, nämlich wie Ärzte auch Impfmuffel und -gegner zu Schutzimpfungen, z.B. gegen Masern, motivieren können. Hier mit Eckart von Hirschhausen als „Gesicht“ der Kampagne „Ich bin geimpft. Und Sie? Lassen Sie uns reden!“. © Foto: Diether v. Goddenthow

Als größte internistische Fachgesellschaft in Europa erfüllt die DGIM mit ihrem Kongress zentrale Aufgaben: Für hochkarätige ärztliche Fortbildung zu sorgen und den ärztlichen Nachwuchs für die Innere Medizin zu gewinnen. Mit seinem Leitthema „Digitale Medizin – Chancen, Risiken, Perspektiven“ thematisierte der Kongress-Präsident Claus Vogelmeier nicht zuletzt dessen Arbeitswirklichkeit – denn die Digitalisierung hält längst Einzug in die Medizin. Neben Risiken digitaler Errungenschaften betonte Vogelmeier immer auch die damit verbundene Chance der Entlastung von Medizinerinnen und Medizinern: „Richtig angewendet kann die Digitale Medizin uns wieder in die Lage versetzen, unsere Patienten mehr zu berühren – im wörtlichen, aber auch im übertragenen Sinn“, so der Kongresspräsident.

Impression der Industrieausstellung, © Foto: Diether v. Goddenthow
Impression der Industrieausstellung, © Foto: Diether v. Goddenthow

Ihre 125. Jahrestagung war für die DGIM auch in diesem Jahr Anlass, zahlreiche Auszeichnungen zu vergeben. So erhielt Professor Dr. med. Johannes Köbberling aus Wuppertal die höchste Anerkennung der Fachgesellschaft, die Leopold-Lichtwitz-Medaille. Der mit 30.000 Euro dotierte Theodor-Frerichs-Preis ging an Dr. med. Andreas Ramming aus Erlangen, der gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Innere Medizin (DSIM) verliehene Präventionspreis ging an Dr. med Carolin Lerchenmüller aus Heidelberg. Erstmals vergab die DGIM auch drei Medienpreise für herausragende journalistische Veröffentlichungen zum Kongressthema „Digitale Medizin“.

Impression der Industrieausstellung. Schulung am Ultraschallgerät mit studentischen Modells. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impression der Industrieausstellung. Schulung am Ultraschallgerät mit studentischen Modells. © Foto: Diether v. Goddenthow

Diese war auch thematische Richtschnur für die zahlreiche Hauptsitzungen auf dem Internistenkongress. Namhafte Experten aus dem In- und Ausland informierten über die neuesten digitalen Errungenschaften, von Big Data über Telemonitoring bis hin zur Künstlichen Intelligenz.

Pflegeroboter in der Erprobung -  © Foto: Diether v. Goddenthow
Pflegeroboter in der Erprobung – © Foto: Diether v. Goddenthow

Auch in Sachen Nachwuchsförderung setzte der 125. Internistenkongress neue Maßstäbe: Unter der Leitung der Jungen Internisten der DGIM erfreute sich das Nachwuchsprogramm „Forum Junge Internisten“ besonders großer Nachfrage – Jungmedizinerinnen und -mediziner blickten regelmäßig auf gefüllte Sitzreihen, insbesondere weil sie Themen wie die nach wie vor problematische Work-Life-Balance in der Medizin thematisierten.

Ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm hat am Rande des Kongresses für gute Unterhaltung gesorgt. Hier beim Science Slam in Halle Süd, mit Publikums-Sieger Prof. Dr. Marek Lommatzsch mit seinem Vortrag "Asthma: Ein no-brainer?", knapp vor Dr. Jasmin Barmann-Aksözens Vortrag. "Häm O'Globin and Family - Leberkrebsrisiko bei akuter Porphyrie" © Foto: Diether v. Goddenthow
Ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm sorgte am Rande des Kongresses für gute Unterhaltung. Hier beim Science Slam in Halle Süd, mit Publikums-Sieger Prof. Dr. Marek Lommatzsch mit seinem Vortrag „Asthma: Ein no-brainer?“, knapp vor Dr. Jasmin Barmann-Aksözens Vortrag. „Häm O’Globin and Family – Leberkrebsrisiko bei akuter Porphyrie“ © Foto: Diether v. Goddenthow

Mit rund 27.000 Mitgliedern ist die DGIM die größte medizinische Fachgesellschaft in Deutschland und Europa. Ihr Kongress endet mit dem Wechsel der Präsidentschaft: Für das Jahr 2019/2020 übernimmt Professor Dr. med. Jürgen Floege, Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, rheumatologische und immunologische Erkrankungen an der Uniklinik der RWTH Aachen, den Vorsitz der Fachgesellschaft. Unter seinem Vorsitz wird der nächste Internistenkongress am 25. bis 28. April 2020 unter dem Motto „Ärzte als Forscher“ in Wiesbaden stattfinden.

 

Wissenschaft wird Popkultur… Science Slam – anlässlich des Internistenkongresses am 6. Mai 2019 im RMCC

Der Philosoph Voltaire war einer der größten Ärztekritiker seiner Zeit. Vielleicht hätte er heutzutage seine Pointen als Science Slammer unters Volk gebracht. © Dia aus dem Festvortrag vom 5.Mai 2019 "Digitale Medizin - Chancen, Risiken, Perspektiven" von Prof. Dr. med. Claus F. Vogelmeier -
Der Philosoph Voltaire war einer der größten Ärztekritiker seiner Zeit. Vielleicht hätte er heutzutage seine Pointen als Science Slammer unters Volk gebracht. © Dia aus dem Festvortrag vom 5.Mai 2019 „Digitale Medizin – Chancen, Risiken, Perspektiven“ von Prof. Dr. med. Claus F. Vogelmeier

Nach der festlichen Abendveranstaltung am Sonntagabend im Kurhaus lädt heute die Gesellschaft für Innere Medizin erneut auch die Öffentlichkeit herzlich ein zum ersten Science Slam. Dieser ist kostenfrei und findet statt im Rahmen des 125. Internistenkongresses 2019 mit Vorträgen aus dem Bereich Medizin und Life Sciences Auf der Bühne präsentieren sich erfahrene Slamer, wie Johannes Hinrich von Borstel, ebens wie inspirierte Newcomer, die in kurzen populärwissenschaftlichen Vorträgen ihre Forschungsprojekte oder ihre medizinischen Steckenpferde erklären – unterhaltsam, amüsant, authentisch und kreativ. Anschließend entscheidet das Publikum, bei welchem Slamer der Funke überspringt und wer am Ende gewinnt. Organisiert, moderiert und durchgeführt wird der Slam von Dr. Christine Tretow aus Marburg, einer Pionierin auf dem Gebiet der wortgewandten Wissenschaftsvermittlung.

Der erste Science Slam  in der Geschichte des Internistenkongresses.© Foto: Diether v. Goddenthow
Der erste Science Slam in der Geschichte des Internistenkongresses.© Foto: Diether v. Goddenthow

Termin: Montag, 6. Mai 2019, 20.00 Uhr
Ort: RheinMain CongressCenter / Saal 1 (Eingang Halle Süd)
riedrich-Ebert-Allee 1,
65183 Wiesbaden