„In Zeiten von IPad und digitalen Medien ist es so schön und wichtig für die Seele, wenn wir hier Bücher sehen, von denen wir uns gar nicht vorstellen konnten, dass sie überhaupt verlegt wurden“, schwärmte Marianne Grosse, Kulturdezernentin der Landeshauptstadt Mainz bei ihrer gestrigen Eröffnung der 24. Mainzer Minipressen-Messe in der Rheingold-Halle. Unterstützt wurde sie dabei von „Johannes Gutenberg“, alias Harro Neuhardt von „Die Jünger Gutenbergs“, Dr. Annette Ludwig, Direktorin des Gutenberg-Museums, Prof. Dr. Jürgen Hardeck, Geschäftsführer Kultursommer Rheinland-Pfalz und Jürgen Kipp, Leiter der Minipressen-Messe.
Jürgen Kipp wird auch Mister Minipressen-Messe genannt, da er seit 31 Jahren mit viel Herzblut und großer Professionalität das Mekka für Kleinverlage, Handdruckpressen und Autoren mit einem guten Händchen für Individualisten erfolgreich organisiert.
In diesem Jahr, so Jürgen Kipp, gibt es über 50 Prozent Neuanmeldungen. Insgesamt seien 260 Ausstellende auf der Internationalen Buchmesse der Kleinverlage und Handpressen vertreten. Die bekannte Vielfalt der Minipressen-Messe konnte hierdurch noch einmal gesteigert werden.
Ein absoluter Rekord sei auch, so Marianne Grosse, dass sich 120 Autorinnen und Autoren zu Lesungen angemeldet haben. Die Internationale Mainzer Minipressen-Messe sei vor allem auch Ausdruck einer unglaublichen Energie. Leidenschaft und Kreativität ihrer Macher.
Zu finden gibt es fast alles: Vom traditionellen Pressendruck über das eBook bis zum illustrativen Holzschnitt, von der Originallithographie bis zum hochwertigen Einband, vom liebenswerten Kinderbuch bis zum illustrierten Klassiker, von Büchern in Packpapier bis zur Literaturzeitschrift im Hochglanzdruck, vom papiermechanischen Objekt bis zum dreidimensionalen Popup, von der Publikationsinitiative bis zu Poetry Slam, von der persönlichen Biographie bis zu print on demand, von regionalen Autoren bis hin zu international gefeierten Schritstellern, von bibliophilen Ausgaben, mittelalterlicher Buchmalerei, von Kalligrafie bis PopArt. Dies sowie ein breites Rahmenprogramm finden Besucher noch bis zum 2. Juli 2017 auf der Mainzer Minipressen-Messe, der Internationalen Buchmesse der Kleinverlage und künstlerischen Handpressen.
V.O.Stomps-Preisverleihung
Zu Ehren des legendären Gründer der Eremitenpresse Victor Otto Stomps (1897 – 1970) vergibt die Stadt Mainz seit 1979 anlässlich der Minipressen-Messe den Stomps-Preis „für herausragende kleinverlegerische Leistungen. Mit dem V.O. Stomps-Preis werden Qualität und persönliches Engagement im Bereich der Kleinverlagsszene honoriert. Diese Auszeichnung gilt nicht dem wirtschaftlichen Erfolg, sondern hervorragenden Leistungen, die unter den schwierigen Bedingungen für Kleinverleger besonderes Talent und Einfallsreichtum erkennen lassen.
Der 20. V.O. Stomps-Preis wurde am Donnerstag, 29. Juni 2017, im Rahmen einer Feierstunde mit anschließendem Empfang gegen 20 Uhr im Gutenberg-Museum von Kulturdezernentin Marianne Grosse überreicht.
„Meine Bücher sind wie eine Frucht; an den Kern, die Literatur, ist oft schwer heranzukommen. Umso wichtiger sind eine schöne Schale und ein gutes Fruchtfleisch”, sagt Svato Zapletal, Hamburger Verleger, der den mit 3.500 Euro dotierten V.O.Stomps-Preis aus den Händen von Kulturdezernentin Marianne Grosse erhielt. Seit 40 Jahren hat Zapletal 70 Bücher anspruchsvolle Werke illustratorisch bereichert, gedruckt und in originelle Einbände verpackt. Darunter so bedeutende Autoren wie Franz Kafka, Kurt Tucholsky, Daniil Charms, Doris Dörrie und Hans Magnus Enzensberger. Selbst Martin Heidegger hat den Kleinverleger nicht abgeschreckt. 2001 wurden seine Bücher im Gutenberg-Museum ausgestellt. Die Jury zeichnet mit dem 20. V.O. Stomps-Preis einen Verleger aus, der mit seinem buchkünstlerischen Werk eine beachtliche Kontinuität aufweist: Zur diesjährigen 24. Minipressen-Messe legte er sein 71. Buch vor.
Grafik, Gestaltung, Illustrationen stammen bei allen Büchern vom Verleger. Die Bücher und Drucke werden im Handsatz und in guter handwerklicher Qualität hergestellt, auf einer Andruckpresse gedruckt und zu erschwinglichen Preisen angeboten. Svato Zapletal bereichere mit visuellen Kunst die Bücher, bringe sie mit seinen Illustrationen zum „Erleuchten“, indem er „mir meine Geschichte neu erkläre“, so der Laudator Dr. Lothar Schöne.
Den V.O. Stomps-Förderpreis in Höhe von 1.500 Euro erhielten Gisa Schraml und Frédéric Guille, Betreiber des Berliner Kollektiv Tod-Verlages.
Der Kollektiv Tod Verlag ist ein Kollektiv von Druckern, die hauptsächlich in Siebdruck und Holzdruck arbeiten. Seit etwa acht Jahren ist Kollektiv Tod mit seinen handgefertigten Kunstdruckbüchern regelmäßig auf Buchmessen von Paris bis Barcelona anzutreffen.
Darüber hinaus gibt es immer wieder kleinere Ausstellungen und Street-Art-Projekte zu sehen. Die erste vom Kollektiv Tod produzierte Arbeit, der Friedrichshainer Totentanz, beschäftigte sich mit den langsam aussterbenden kollektiven Strukturen in der Berliner Hausbesetzerszene. Im Kern ginge es dem Kollektiv Tod Verlag um das Thema „Freiheit“, so Oswald Buss, Laudator.
Harry Oberländer, bis 2016 langjähriger Leiter des Hessischen Literaturforum/Mousonturm erinnerte in seinem Festvortrag an Victor Otto Stomps, der 1897 in Krefeld geboren wurde, und mit seinen Eltern in jungen Jahren nach Berlin umzog als sein Vater Syndikus bei der Deutschen Reichsbank wurde. Nach Studiums-Abbruch und kurzer Zwischenstation bei der Ufa absolvierte Stomps 1923 eine Lehre bei der Deutschen Bank. 1926 gründete er den legendären Verlag „Die Rabenpresse“. Hier erschien unter anderem die Literaturzeitschrift „Der Fischzug“. Die Redaktion oblag Walther G. Oschilewski. Nach fünf Ausgaben musste diese jedoch im gleichen Jahr ihr Erscheinen wieder einstellen. Es folgte 1932 bis 1934 die Literaturzeitschrift Der weiße Rabe. Auf auf Druck der Nationalsozialisten und aus finanziellen Gründen musste Stomps 1937 den Verlag verkaufen.
Um die Rabenpresse kristallisierte sich in dieser Zeit ein literarischer Zirkel, der sich zumeist nur privat traf. Im gehören unter anderem an: Walther G. Oschilewski, Gertrud Kolmar, George A. Goldschlag, Jens Heimreich, Horst Lange und dessen Frau Oda Schaefer, Peter Huchel, Werner Bergengruen, Georg Zemke, Herbert Fritsche, Joachim Maass, Robert Seitz, Rolf Bongs, Werner Helwig, Eberhard Meckel, Heinz Oskar Wuttig und Hans Gebser, der in der Schweiz als Philosoph Jean Gebser bekannt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete Stomps 1949 in Frankfurt am Main einen neuen Verlag, die Eremitenpresse, mit der er 1954 nach Stierstadt im Taunus umzog. 1967 verließ er den Verlag, ging nach West-Berlin und gründete seinen dritten Verlag, die Neue Rabenpresse.
Veranstaltungsort
Rheingoldhalle
Rheinstraße 66
55116 Mainz
Telefon: 49 (0)61 31 / 242-0
Veranstalter
Gutenberg-Museum
Liebfrauenplatz 5
55116 Mainz
Telefon: 06131/12 26 40
gutenberg-museum@stadt.mainz.de
www.gutenberg-museum.de