Kategorie-Archiv: Frankfurter Museen

Kulturelle Schätze unterm Sternenhimmel entdecken in der Nacht der Museen in Frankfurt und Offenbach am 4. Mai 2024

Impression Nacht der Museen Archivbild© Foto Diether von Goddenthow
Impression Nacht der Museen Archivbild© Foto Diether von Goddenthow

ffm. Nach der glanzvollen Rückkehr im vergangenem Jahr lädt die Nacht der Museen in Frankfurt und Offenbach am Samstag, 4. Mai, von 19 bis 2 Uhr, zu einer Kunst- und Kulturnacht mit über 40 Locations, die den Bogen von Gregorianischen Klängen über die berühmteste deutsche Künstlerin des 20. Jahrhunderts bis hin zu künstlicher Intelligenz spannt.

Aufgrund der großen Anzahl an Ausstellungen, Führungen, Workshops, Konzerten, Lesungen und anderen Specials wird jeder Besuch der Nacht der Museen zu einem ganz persönlich kuratierten Erlebnis. Mit nur einem Ticket erhalten Besucherinnen und Besucher am Samstag, 4. Mai, Zutritt zu allen teilnehmenden Veranstaltungsorten in Frankfurt, Offenbach und Eschborn und nutzen kostenlos den Shuttle-Service mit Bussen und einer historischen Straßenbahn.

„Auch in diesem Jahr können wir mit einem Ticket eine Vielzahl der Frankfurter Museen, viele weitere Kulturinstitutionen und historische Orte zugänglich machen. Das umfangreiche Programm bietet Jung und Alt etwas zum Staunen, ganz nach dem eigenen Geschmack und Interesse“, freut sich die Dezernentin für Kultur und Wissenschaft Ina Hartwig.

So manchen zieht es zu den großen Ausstellungen wie „Kollwitz“ im Städel Museum und der Hip-Hop-Ausstellung „The Culture“ in der Schirn Kunsthalle. Andere sind hingegen fasziniert vom Zugang zu Orten, die normalerweise der Öffentlichkeit weitestgehend verschlossen bleiben – wie die Europäische Zentralbank, die seltene Einblicke in ihre Sammlung zeitgenössischer Kunst Europas gewährt oder die limitierten Führungen, bei denen es zum Beispiel mit Taschenlampen ins Fischergewölbe unter der Alten Brücke geht. Wer hoch hinaus will, den erwartet ein fantastischer Skylineblick auf der neu eröffneten Dachterrasse des Städels. Und auch die deutsche Demokratiegeschichte lässt sich erkunden. 175 Jahre nachdem die Nationalversammlung in der Paulskirche die erste deutsche Verfassung beschloss, ist die Urkunde wieder an ihrem Geburtsort ausgestellt.

Die Nacht der Museen ist eine Veranstaltung des Kulturamts der Stadt Frankfurt zusammen mit k/c/e Marketing. Veranstalter ist der Museumskooperationspool vertreten durch den Magistrat der Stadt Frankfurt am Main.

Alles Infos über nacht.museumsufer.de

Programm-Info aller teilnehmenden Museen 

Tickets buchen 
Normalpreis: 15,75 Euro
Ermäßigter Preis: 10,75 Euro

Teilnehmende Frankfurter Museen
Archäologisches Museum
Bibelhaus ErlebnisMuseum
Caricatura Museum Frankfurt
Deutsche Börse Photography Foundation
Deutsches Romantik-Museum
DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
DIALOGMUSEUM
Dommuseum
Europäische Zentralbank
Exilarchiv der Deutschen Nationalbibliothek
EXPERIMINTA ScienceCenter
Fotografie Forum Frankfurt
Frankfurter Goethe-Haus
Frankfurter Kunstverein
Geldmuseum der Deutschen Bundesbank
Haus am Dom
Historisches Museum Frankfurt inkl. Goldene
Waage
Ikonenmuseum Frankfurt
Institut für Stadtgeschichte inkl.
Fischergewölbe
Jüdisches Museum Frankfurt
Museum Judengasse Frankfurt inkl. Goldener
Apfel
Junges Museum Frankfurt
Kaisersaal im Römer
Kriminalmuseum
LIEBIGHAUS SKULPTURENSAMMLUNG
Massif Central
MOMEM – Museum of Modern Electronic
Music
MAK – Museum Angewandte Kunst
Museum für Kommunikation
Museum Giersch der Goethe-Universität
MUSEUM MMK FÜR MODERNE KUNST,
TOWER MMK, ZOLLAMT MMK
Paulskirche
SCHIRN KUNSTHALLE
Senckenberg Naturmuseum
Städel Museum
Sternwarte/Physikalischer Verein
Stoltze-Museum
Struwwelpeter Museum
Weltkulturen Museum
Zoo Frankfurt

Teilnehmende Offenbacher Museen
Deutsches Ledermuseum
Druckwerkstatt im Bernardbau
Haus der Stadtgeschichte
Klingspor Museum
SCAPE° (ehm. Wetter- und Klima-werkstatt)

Neue Dauerausstellung „Natur + Medizin“ öffnet ab 18. April 2024 im Senckenberg-Museum

Leuchtbild-Arzneistoffen-aus-der-Natur. Sabrina Fritz formfellows-Kommunikations-Design © Senckenberg
Leuchtbild-Arzneistoffen-aus-der-Natur. Sabrina Fritz formfellows-Kommunikations-Design © Senckenberg

Frankfurt am Main, 16.04.2024. Insektenschutz aus TausendfüßerSekret, Schwangerschaftstest per Krallenfrosch-Substanzen, Krebstherapie mit Hilfe eines Meeresschwamms – was verblüffend klingt, gibt es wirklich: Menschen und auch Tiere nutzen zahlreiche Naturstoffe für ihre Gesundheit. Die neue Dauerausstellung „Natur + Medizin“ im 2. Obergeschoss des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt gibt ab 18. April Einblick in die erstaunliche Vielfalt dieser Wirkstoffe aus dem Reich der Pilze, Flechten, Bakterien, Pflanzen und Tiere und ihren medizinischen Nutzen. Ein riesiges Leuchtbild hinter einer rekonstruierten Apothekenfassade versammelt in einer eindrucksvollen Collage über 100 dieser für die Pharmazie bedeutsamen Organismen. Zudem werden die Geschichte der Heilkunde, globale Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Biodiversität und Anthroposphäre sowie die „Medizin der Tiere“ betrachtet. Die Ausstellung wurde ermöglicht durch die Else KrönerFresenius-Stiftung.

Ein außergewöhnlicher „Dschungel“ leuchtet auf einem sieben Meter breiten und deckenhohen Bild durch die Pforte der historischen HirschApotheke im Zentrum der Ausstellung: Über den rosa Blüten eines Fingerhuts schwebt ein Fischwarm, gleich neben einem überdimensionalen Kolibakterium und auf dem gigantischen Austernpilz steht ein winziges Pferd. Sie alle und die zahlreichen weiteren Organismen, die zu sehen sind, haben eines gemeinsam – sie werden in der Pharmazie und Medizin als Heilstoffe genutzt. Welche Wirkstoffe sich genau in den einzelnen Lebewesen verbergen und wie sie in Medikamenten zur Anwendung kommen, können Besucher*innen an einem Medienterminal herausfinden.

„Die ‚Naturapotheke‘ ist durch den Verlust der Artenvielfalt und die menschliche und industrielle Ausbeutung der Naturressourcen und des Naturwissens stark bedroht. Ein neuer Umgang, gerade auch mit dem weltweiten Gesundheitswissen ist dringend nötig. Ich freue mich sehr, dass wir dank der Förderung der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung nun sowohl einen Blick auf das heutige und auf historische Verhältnisse von Natur + Medizin werfen und globale Perspektiven aufzeigen“, erklärt Prof. Dr. Brigitte Franzen, Direktorin des Naturmuseums am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Der Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Prof. Dr. Klement Tockner erläutert weiter: „Der One-Health-Ansatz basiert auf dem Verständnis, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt eng miteinander verwoben sind. Vorbeugung und interdisziplinäre Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Humanmedizin und Umweltwissenschaften, sind jedoch unerlässlich, um die Wechselwirkungen zwischen Biodiversität, Klimawandel und menschlicher Gesundheit zu verstehen und folglich innovative Strategien zum Schutz der Natur und des Menschen zu entwickeln. Wir benötigen dringend einen Paradigmenwechsel hin zu einem Natur-positiven Handeln und einen ganzheitlichen Ansatz im Schutz der Umwelt und in der Sicherung unseres Wohlergehens, der Prävention und Vorsorge ins Zentrum stellt.“

Um bedrohte Tiere geht es im Ausstellungsbereich „Falsche Medizin“. Die dort ausgestellten Exponate, wie Tigerfell und Narwalzahn stehen als Beispiele für Organismen, die vermeintlich Wirkstoffe enthalten und deshalb gejagt oder getötet werden. „Das am häufigsten illegal gehandelte Tier weltweit ist aktuell das Schuppentier. Durch mangelndes Wissen oder fehlenden Zugang zu Medikamenten werden diese und viele weitere Arten bedroht“, erläutert Museumskurator Dr. Thorolf Müller. Dass auch frühe Praktiken der Heilkunde von mythischen, spirituellen oder philosophischen Vorstellungen geprägt waren, wird im Kapitel „Geschichte der Medizin“ exemplarisch thematisiert. Archäologische Funde belegen aber auch, dass Menschen mit den Heilmitteln aus der Natur oft richtig lagen und es sich manchmal um ein sehr altes Wissen handelt. In der Reiseapotheke der 5000 Jahre alten Eismumie „Ötzi“ fanden Forschende einen Baumpilz, den Birkensporling – seine antibiotische und blutstillende Wirkung ist heute wissenschaftlich nachgewiesen.

Ebenfalls historisch ist die Fassade, die den Ausstellungsraum gliedert, und der Frankfurter Hirsch-Apotheke, einer der ältesten Apotheken der Mainmetropole, nachempfunden ist. Sie ist die Keimzelle des FreseniusKonzerns und der gemeinnützigen Else Kröner-Fresenius-Stiftung, die das Ausstellungsprojekt maßgeblich fördert. „Unsere Stifterin, Else Kröner, hat von der Hirsch-Apotheke ausgehend in ihrem beeindruckenden Lebenswerk einen weltweit tätigen Gesundheitskonzern aufgebaut. Ihr Ziehvater, Dr. Eduard Fresenius, unterhielt einen Apothekergarten für die Gewinnung von Grundstoffen seiner naturheilkundlichen Produkte, und heute stellt das Unternehmen Fresenius aus Naturstoffen Medikamente her. Auf diese Entwicklung und auf die Bedeutung der Naturstoffe in der modernen Medizin wollen wir die Blick in den Raum hinter der Fassade der Hirschapotheke Foto: Nicklas Bauske, Senckenberg Tigerfell, Narwalzahn und Schuppentier stehen als Beispiele für Organismen, die vermeintlich Wirkstoffe enthalten und deshalb gejagt oder getötet werden. Foto: Nicklas Bauske, Senckenberg Der Eichelhäher nimmt ein Bad in einem Ameisenhaufen und schützt mithilfe der Ameisensäure sein Gefieder vor Parasiten wie Milben, Läusen, Bakterien oder Pilzen. Foto: Anna Frenkel, Senckenberg Seite 3 von 4 Allgemeinheit, aber auch besonders alle im Gesundheitsbereich Tätigen hinweisen“, erläutert Prof. Dr. Michael Madeja, Vorstandsvorsitzender der Else Kröner-Fresenius-Stiftung.

Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere nutzen Stoffe aus der Natur, um sich selbst zu heilen: So nehmen manche Vögel, wie der Eichelhäher, ein Bad in einem Ameisenhaufen und schützen mithilfe der Ameisensäure ihr Gefieder vor Parasiten wie Milben, Läusen, Bakterien oder Pilzen. „Das gleiche Ziel verfolgt auch der Schwarzmaki, wenn er an einem Tausendfüßer knabbert und dessen Sekret in seinem Fell verteilt. Dass die Flüssigkeit den Halbaffen auch in einen Rauschzustand versetzt, ist eine Nebenwirkung, die unsere Museumspräparatorin im Gesichtsausdruck des Ausstellungsstücks überzeugend eingefangen hat“, erläutert Museumskuratorin Adela Kutschke. Eine Wandprojektion mit Soundeffekten greift weitere Geschichten der Selbstheilung von Tieren exemplarisch auf. Manche Tiere verblüffen Naturforschende in der Biomedizin auch heute noch mit ihren Superkräften: Das mikroskopisch kleine Bärtierchen kann seinen Stoffwechsel durch Austrocknung reduzieren und so die widrigsten Lebensbedingungen überstehen. Nacktmulle sind kleine Nagetiere, die unterirdisch in Höhlensystemen leben, sehr alt werden, kaum an Erkrankungen wie Krebs leiden und unempfindlich gegen Schmerzen sind. Lebensechte Modelle dieser und weiterer Tiere aus den Werkstätten der Zoologischen Präparation des Frankfurter Forschungsinstituts und Naturmuseums sind in der Ausstellung zu sehen.

Doch nicht nur das Potential zur Heilung schlummert in der Natur. Auch Infektionskrankheiten, sogenannte Zoonosen, können zwischen Tieren und Menschen übertragen werden. „Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Zoonosen steigt durch Bevölkerungswachstum, globalen Handel, zunehmende Mobilität, Klimaveränderungen, Wildtiermärkte, Massentierhaltung und das Eindringen des Menschen in natürliche und naturnahe Lebensräume“, erklärt Tockner. Drei große Modelle von Krankheitserregern – das Coronavirus SARS-CoV-2, ein Pest-Bakterium und ein Malaria-Erreger – hängen in der Ausstellung über einem Tisch, an dem man sich über verschiedene zoonotische Infektionskrankheiten informieren kann.

Neue Dauerausstellung“ Natur + Medizin“
ab dem 18. April im
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Senckenberganlage 25,
60325 Frankfurt am Main

Eintritt: 12 Euro, Kinder und Jugendliche 6-17 Jahre: 6 Euro, weitere Preise und online-Tickets unter: senckenberg.ticketfritz.de Öffnungszeiten: Täglich von 9 bis 17 Uhr, Mittwoch bis 20 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertage bis 18 Uhr. Das Museum ist am Karfreitag, 24. Dezember, 31. Dezember und 1. Januar geschlossen.

Frankfurt bleibt Bundeshauptstadt der komischen Kunst, das Caricatura logischerweise „Kanzleramt“

"Auch weiterhin wird das Museum ein Ort sein, der zum lauten Lachen einlädt" Martin Sonntag, neuer Leiter des Caricatura Museums Frankfurt. Er war seit 2000  Geschäftsführer der Galerie für Komische Kunst in Kassel.
„Auch weiterhin wird das Museum ein Ort sein, der zum lauten Lachen einlädt“ Martin Sonntag, neuer Leiter des Caricatura Museums Frankfurt. Er war seit 2000 Geschäftsführer der Galerie für Komische Kunst in Kassel.

Es fiel Martin Sonntag nicht leicht, jetzt nach dem unverhofften  frühen  Tod seines Vorgängers und jahrzehntelangen Freundes und „komischen“ Weggefährten  Achim Frenz, Heiterkeit in der Presserunde zu versprühen.  Aber  Humor macht keine Pause, insbesondere nicht im Caricatura Museum für Komische Kunst in Frankfurt, welches gerade seine grandiose Loriot-Schau bis zum 12. Mai 2024 verlängert hat.

Der neue Cariactura-Leiter Martin Sonntag,  gestern seit   99 Tagen im Amt,  entwarf, nachdem er alle „aufs Wildeste“ begrüßt hatte,  seine Pläne zur Zukunft des Museums als Gedächtnis, Motor und Ort der Komischen Kunst vor.  Das Caricatura Frankfurt sei das  Museum mit dem mutmaßlich höchsten Komikgehalt in der deutschen Museumslandschaft. Mit Karikaturen, Bildgeschichten, Cartoons und Comics zeige das einzige Museum für Komische Kunst in Europa die größte Vielfalt des Genres.

Caricatura-Museum  - Kanzleramt der komischen Kunst © Foto Diether von Goddenthow
Caricatura-Museum – Kanzleramt der komischen Kunst © Foto Diether von Goddenthow

Achim Frenz und seiner Hartnäckigkeit sei es zu verdanken, dass  2008  Caricatura im Herzen der Mainmetropole eröffnet werden konnte.  Und der der Standort sei kein Zufall, so Sonntag. Denn seit den frühen 60er Jahren behauptet sich Frankfurt am Main als Hauptstadt der Satire. „Die hier gegründeten Satiremagazine PARDON und TITANIC lockten zahlreiche Künstler wie F.W. Bernstein, Robert Gernhardt, Chlodwig Poth, Hans Traxler, F.K. Waechter sowie Autoren wie Bernd Eilert, Eckhard Henscheid und Pit Knorr in die Stadt. Sie schrieben als Künstlergruppe Neue Frankfurter Schule Kunstgeschichte und prägen bis heute die deutsche Komiklandschaft.“, so der neue Museumsleiter. Deswegen: „Frankfurt bleibt die Bundeshauptstadt der komischen Kunst.“ Und das Caricatura sei folglich dessen „Kanzleramt“, so Sonntag.

Mit dem „Kanzleramt“ habe man viel vor: „Alles wird anders“ und „doch bleibe alles gleich“.  Sonntag halte nichts davon, wie mancherorts üblich, dass sich mit der neuen Leitung auch gleich das Logo eines Hauses ändere. Das Caricatura-Logo bleibe wie es ist und das Caricatura bleibe auch – trotz gewisser Veränderungen – natürlich  weiterhin  Ort der Neuen Frankfurter Schule.

In Zukunft werde aber noch stärker als bisher auf die Nachwirkungen der Neuen Frankfurter Schule geschaut: „Wer sind die Kinder, Enkel und Urenkel dieser Komikschule und wie entwickelt sich die Komische Kunst grundsätzlich?“ Das seien Fragestellungen, so Sonntag, „die das Programm inhaltlich leiten sollen.“
Dazu werde die Sammlungsausstellungsfläche  neu gestaltet und inhaltlich neu aufgestellt. Auch in Zukunft werden immer Werke der Künstler der Neuen Frankfurter Schule zu sehen sein, „aber die Sammlung hat sich mittlerweile stark erweitert und wird auch weiterhin wachsen. So sieht das neue Konzept der Sammlungsausstellung vor, alle Künstlerinnen und Künstler, die in der Sammlung vertreten sind, regelmäßig in wechselnden Zusammenstellungen zu präsentieren.“

Bis die räumliche Umgestaltung abgeschlossen sein werde, gäbe es einen ersten Zwischenschritt auf dem Weg zur neuen Sammlungspräsentation. Zu seinem 95. Geburtstag würdigt das Museum im Mai 2024 Hans Traxler mit einem Schwerpunkt in der Sammlungsetage.

Gezeigt werden bisher unveröffentlichte Arbeiten Traxlers aus den letzten drei Jahren, „allesamt Arbeiten höchster künstlerischer Qualität, die die große Meisterschaft Hans Traxlers beweisen“, wie Martin Sonntag feststellt. Ein weiteres Kabinett ist F. W. Bernsteins Selbstportraits vorbehalten, von denen aktuell eine neue Buchzusammenstellung erschienen ist.

Geplant ist, bis Herbst 2024 die Umgestaltung der 1. Etage abzuschließen, um dann neben der Sammlungspräsentation auch einen zusätzlichen Kabinettraum nutzen zu können. „Mit diesem Bereich soll die Dynamik des Hauses erhöht werden“, sagt Sonntag. Kurzfristige und schnelle Präsentation aktueller Themen, Ausstellungen von Nachwuchskünstlerinnen und –künstlern sowie Ausflüge in Nachbardisziplinen von Karikatur und Cartoon sind geplant.

Drei Wechselausstellungen jährlich
Im Erdgeschoss und in der Galerie dürfen sich die Besucherinnen und Besucher auch weiterhin auf Wechselausstellungen freuen. Ab dem 30. Mai 2024 ist die Fläche dem Wuppertaler Zeichner und Cartoonisten André Poloczek alias POLO gewidmet. Ab September dem Sondermann-Schöpfer Bernd Pfarr. Für 2025 stehen Ausstellungen mit Werken von unter anderem Walter Moers und Michael Sowa auf dem Programm.

Jüngere satirefest machen
Insbesondere mit der Frage, wie man das Museum auch für jüngere Generationen attraktiv macht, will und wird sich Martin Sonntag mit seinem Team beschäftigen. „Wir müssen uns immer wieder die Fragen stellen: Warum sollte man ins Caricatura Museum gehen? Was macht es auch für die jüngere Generation attraktiv? Und was können wir aktiv tun, um die Hemmschwelle für einen Museumsbesuch zu senken?“ Dabei rückt vor allem der Nachwuchs in den Fokus der Kuratorinnen und Kuratoren. Die bisherigen Wechselausstellungen präsentierten bereits Künstlerinnen und Künstler, die in der Tradition der Neuen Frankfurter Schule beheimatet sind. Die nächsten Generationen junger Zeichnerinnen und Zeichner stehen in den Startlöchern oder am Anfang ihrer Karriere. Das Museum kann und will ihnen eine Plattform bieten. Und zeigen: Die Karikatur lebt, und die Komische Kunst hat etwas zu sagen. Vor allem  sei es auch ein Anliegen, Kinder und Jugendliche an Satire heranzuführen. So frühestens ab der 8. /9. Klasse wären Jugendliche allmählich  in der Lage, Ironie und leise Zwischentöne der Bildsatire zu verstehen.

Ein Museum des Lachens bleiben

Auch weiterhin wird das Museum ein Ort sein, der zum lauten Lachen einlädt. Es ist aber auch ein Ort der leiseren Zwischentöne, der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Themen, ein Ort des Diskurses. Das möchte Martin Sonntag in Zukunft verstärken. Bewusst will man einen Kontrapunkt zur aktuellen Erregungsgesellschaft setzen. „Satire spitzt zu, und der Betrachter muss sich zu ihr verhalten.“, erläutert Martin Sonntag. „Man muss mit ihren Inhalten nicht einverstanden sein. Das ist nicht ihre Absicht. Vielmehr deckt sie auf, provoziert und evoziert zum spannenden Meinungsaustausch und trägt – im besten Fall – zum Erkenntnisgewinn bei. Gerade unser Museum ist prädestiniert, generationenübergreifend ins Gespräch zu kommen, eine – im positiven Sinne – Streitkultur wiederzubeleben.“ Spaß und Erkenntnisgewinn dürfen aber einen wichtigen und nicht zu vernachlässigenden Aspekt nicht ausblenden: den der Ästhetik. Vom schnellen Strich bis hin zu opulenten Gemälden – Komische Kunst ist in Stilistik und Aussage vielfältig und auch ein ästhetischer Genuss. Was oftmals so spielerisch einfach daherkommt, ist hart erarbeitet.

Weitere Infos über: Caricatura Museum für Komische Kunst Frankfurt

Neue Besucherterrasse mit Skyline-Blick des Städel Museum öffnet ab 28. März 2024 – 500 Freikarten für die ersten Besucher

Das Städel Dach Foto: Städel Museum Norbert Miguletz
Das Städel Dach Foto: Städel Museum Norbert Miguletz

Frankfurt am Main, 27. März 2024. Ab morgen, dem 28. März, ist die neue Besucherterrasse auf dem Dach des Städel Museums für das Publikum zugänglich. Vom Städel Dach können die Besucher einen unvergesslichen Panoramablick auf die Frankfurter Skyline genießen. Der Zugang zum Städel Dach ist im Eintrittspreis des Städel Museums enthalten. Zur Eröffnung der neuen Besucherterrasse gibt es 500 Freikarten, die zum Besuch der Dauerausstellung und des Städel Dachs berechtigen. Die Freikarten sind ausschließlich an der Museumskasse erhältlich.

Die Brüstung der Besucherterrasse musste von 90 cm auf 120 cm aufgefüttert und durch  eingezogenen Armierungsstahl zusätzlich ertüchtigt werden.  © Foto Diether von Goddenthow
Die Brüstung der Besucherterrasse musste von 90 cm auf 120 cm aufgefüttert und durch eingezogenen Armierungsstahl zusätzlich ertüchtigt werden. © Foto Diether von Goddenthow

Mike Josef, Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, hat das Städel Dach heute eröffnet: „Mit dem Städel Dach haben wir einen neuen Place-to-be, der für Frankfurterinnen und Frankfurter und auch für Touristen ein besonderer Anziehungspunkt sein wird. Von hier aus lässt sich ein großartiger Panoramablick auf unsere Stadt erleben, die Skyline und das Städel gehören fest zu Frankfurt. Das Städel überrascht Besucherinnen und Besucher nicht nur mit Ausstellungen und vielfältigen Bildungsangeboten, sondern auch mit beherzten Bauprojekten wie diesem. Mein Dank gilt allen, die die Besucherterasse geplant und möglich gemacht haben.“

Oberbürgermeister Mike Josef, Wolfgang Kirsch, Vorsitzender des Städelschen Kunstinstituts  und Dr. Philipp Demandt, Direktor des Städel-Museum. © Foto Diether von Goddenthow
Oberbürgermeister Mike Josef, Wolfgang Kirsch, Vorsitzender des Städelschen Kunstinstituts und Dr. Philipp Demandt, Direktor des Städel-Museum. © Foto Diether von Goddenthow

Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums, über die Idee des Städel Dachs: „Unsere neue Besucherterrasse ist die Krönung des Museumsbesuchs. Der Blick vom Städel Dach ist spektakulär und steht für die einzigartige Verbindung des Museums mit der Stadt und seiner Bürgergesellschaft. Als Frankfurter Museum wird das Städel getragen von zahlreichen privaten Förderern, Unternehmen und Stiftungen. Bis heute ermöglicht dieses außergewöhnliche Engagement, dass unsere Besucher in ‚ihrem Städel‘ Kunst erleben, Neues entdecken und zusammenkommen können – an einem Ort, an dem sie gerne sind, sei es in der Sammlung, im Städel Garten oder auf dem neuen Städel Dach. Ich danke den privaten Spendern für ihre Großzügigkeit, die den Bau der Besucherterrasse erst ermöglicht hat, und den Architekten schneider+schumacher sowie allen Projektbeteiligten für ihren Einsatz SKYLINEBLICK VOM MUSEUMSDACH – DAS STÄDEL DACH IST ERÖFFNET Seite 2/3 und die Vorfreude, mit der sie dieses Bauvorhaben begleitet haben. Das Städel Dach ist wie der Städel Garten und die weiteren baulichen Um- und Neubauten der letzten Jahre Teil eines großen Masterplans, mit dem die Attraktivität und Aufenthaltsqualität des Museums gestärkt werden soll.“

Treppenhaus der Spindeltreppen. © Foto Diether von Goddenthow
Treppenhaus der Spindeltreppen. © Foto Diether von Goddenthow

Auf einer Höhe von 15 Metern erstrahlt das Städel Dach über dem Haupteingang des Museums. Es befindet sich auf dem Mittelrisalit der historischen Mainuferfassade. Die Arbeit an der von schneider+schumacher konzipierten und mit zahlreichen Projektbeteiligten umgesetzten Besucherterrasse wurde im August 2022 begonnen. Den Architekten war es ein Anliegen, einen Ort zu schaffen, der einen außergewöhnlichen Blick auf die Stadt ermöglicht. Dabei wurde die unter Denkmalschutz stehende Fassade nicht verändert; im Inneren wurde eine platzsparende Lösung für den Aufgang auf die neue Besucherterrasse geschaffen. Dies gelang durch den Einbau zweier Spindeltreppen aus Stahl. Die zwei Zylinder mit jeweils 50 Stufen sind je zwölf Meter hoch und schaffen eine Verbindung zwischen Alt und Neu. Das Städel Dach ist ganzjährig für die Museumsbesucher geöffnet und über die Sammlung Alte Meister erreichbar. Im Zuge der Baumaßnahme für die neue Besucherterrasse ist im Zentrum der Sammlung Alte Meister ein Stifter-Saal entstanden, der dem Gründer und Namensgeber des Museums Johann Friedrich Städel und seiner Vision eines Bürgermuseums gewidmet ist. Das Städel Museum als älteste deutsche Museumsstiftung ist bis heute eine größtenteils privat finanzierte Stiftung bürgerlichen Rechts. Zahlreiche Freunde und Förderer folgen der Tradition des Stifters und bedenken das Städel Museum mit Kunstwerken, mit Vermögen oder in Testamenten. Auch das Städel Dach wurde vollständig aus privaten Spenden finanziert.

Panoramablick auf die Frankfurter Skyline von der neuen Besucherterrasse im Städel Museum Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow
Panoramablick auf die Frankfurter Skyline von der neuen Besucherterrasse im Städel Museum Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow

Alle Informationen rund um den Besuch des Städel Dachs finden sich auf der Website staedelmuseum.de.

COSIMA VON BONIN FEELINGS – vom 21. MÄRZ – 9. JUNI 2024 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt

Ausstellungsimpression von  COSIMA VON BONIN FEELINGS 21. MÄRZ – 9. JUNI 2024 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Im Vordergrund die Installation "Missy Misdemeanour #2, 2011, Sammlung Grässlin, St. Georgen. © Foto Jutta Ziegler
Ausstellungsimpression von COSIMA VON BONIN
FEELINGS 21. MÄRZ – 9. JUNI 2024 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Im Vordergrund die Installation „Missy Misdemeanour #2, 2011, Sammlung Grässlin, St. Georgen. © Foto Jutta Ziegler

Cosima von Bonin (*1962) schafft Transformationen des Alltäglichen. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert vom 21. März bis zum 9. Juni 2024 eine einmalige Inszenierung, für die die Künstlerin jüngste, noch nie in Deutschland gezeigte Arbeiten mit bekannten Werken kombiniert. Für ihre raumgreifenden Ausstellungen nutzt sie zahlreiche Referenzen aus der Populärkultur ebenso wie aus Film, Mode, Musik und Kunst. Erschöpfte Kuscheltiere, weiche Zäune, Raketen, Comic-Figuren wie Daffy Duck oder Bambi – Cosima von Bonin verbindet verschiedene Akteur*innen zu einem Ensemble, einer Gemeinschaft. Ihre künstlerischen Strategien sind Verfremdung, Aneignung, Zusammenarbeit und Delegieren. Zu sehen sind rund 70 Arbeiten, darunter Skulpturen, Installationen sowie eine Auswahl ihrer charakteristischen textilen Bilder, die aus verschiedenen Stoffen nach Anweisung der Künstlerin genäht wurden. Ihre Rauminszenierungen, die zunächst bunt und lustig wirken, können bei näherer Betrachtung für irritierende Momente und gemischte Gefühle sorgen. Zwischen Humor und Dunkelheit, Verspieltheit und Dringlichkeit, Fantasie und erschreckender Realität changierend, geht es der Künstlerin dabei immer wieder um Widerspruch, Beziehung und Selbstreflexion.

Die Vielfalt der Bezüge ist ein Markenzeichen Cosima von Bonins. Basis ihrer Kunst ist ein breites Netzwerk, auf das sie sich in ihren Werken bezieht oder das sie direkt in ihre Ausstellungen einbindet. Ihre ausgewiesenen Referenzen reichen von den Künstler*innen Isa Genzken, Mike Kelley und Cady Noland über Musiker*innen wie Rihanna, Britney Spears oder Missy Elliott bis hin zu Vorbildern aus TV, Literatur und Fashion. „Wir sind viele“ überschreibt sie ihre künstlerische Praxis und durchbricht traditionelle Vorstellungen von Autor*innenschaft. Cosima von Bonin involviert in den Herstellungsprozess ihrer Arbeiten Techniker*innen, Schreiner*innen sowie Schneiderinnen und arbeitet in ihren Inszenierungen mit Musiker*innen wie Moritz von Oswald und Dirk von Lowtzow oder den Drag Queens Mary Messhausen und proddy produzentin zusammen. Zu ihren Kollaborateur*innen zählen auch wiederkehrende Figuren, Charaktere und Gegenstände, die in ihrem Werk häufig in Variationen und in Serien auftauchen. Wie eine Familie führt die Künstlerin sie im Ausstellungsraum auf Podesten, in Displays und Set-Designs zusammen und lässt sie zueinander in Beziehung treten.

Dr. Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, betont: „Auf den ersten Blick bunt und fröhlich, erkundet Cosima von Bonins Kunst bei genauer Betrachtung Zwischentöne, Gegensätze und Abgründe. Für ihre große Einzelausstellung in der Schirn schafft die Künstlerin aus neuesten Arbeiten einen Parcours des doppelbödigen Humors. Mit künstlerischen Strategien wie Aneignung, Zuspitzung und dem pointierten Spiel mit Wort und Bild verbindet sie zahlreiche Referenzen, Erinnerungen und Erfahrungen zu Emotionen, zu ‚feelings‘.“

Katharina Dohm, Kuratorin der Ausstellung, über die Künstlerin: „Cosima von Bonin inszeniert in ihren Installationen niedliche Erscheinungen, katastrophale Szenen und das lustvolle Scheitern. Ihre Figuren und Skulpturen verbinden sich zu sozialen Gemeinschaften, die miteinander in den Dialog treten, sich gegenseitig kommentieren und uns in die Irre führen. Als Künstlerin tritt sie hinter ihre Arbeiten zurück. Sie bricht mit der traditionellen Idee vom alleinigen schöpferischen Genius und tut sich stattdessen mit anderen zusammen: ‚Wir sind viele‘. Bewusst zelebriert sie raumgreifend Erschöpfung und Untätigkeit und verbindet damit auch eine subversive Kritik an kapitalistischen Arbeitsvorstellungen und gesellschaftlichen Konventionen sowie am Kunstbetrieb.“

THEMEN UND WERKE DER AUSSTELLUNG

Cosima von Bonin. Umhäkelter Betonmischer, hier genannt: Open Your Shirt Please 5, 2019. Courtesy of the artist and Gaga, Mexico City, Guadalajara, and Los Angeles. © Foto Jutta Ziegler
Cosima von Bonin. Umhäkelter Betonmischer, hier genannt: Open Your Shirt Please 5, 2019. Courtesy of the artist and Gaga, Mexico City, Guadalajara, and Los Angeles. © Foto Jutta Ziegler

In der Schirn präsentiert Cosima von Bonin Skulpturen aus verschiedensten Materialien und Oberflächen. Ihre textilen „soft sculptures“ lassen Kleines groß, Hartes weich und Süßes bitter werden und finden ihre Vorbilder in Werken von Dorothea Tanning, Claes Oldenburg oder Mike Kelley. Gleich im ersten Raum der Ausstellung zeigt eine Installation ein riesenhaftes kuscheliges Küken auf einer überdimensionierten Rakete sitzend. In Open Your Shirt Please 6 (2019) liegt eine Gruppe rosa Schweinchen platt und müde auf einer Platte aus rostfreiem Stahl. Cosima von Bonins spielzeugartige Figuren wirken oft niedlich, bevor sich ein Moment der Irritation einstellt. Das Küken ist in sich zusammengesunken und hat sich auf sich selbst erbrochen, neben den Schweinchen liegen Fetischspielzeuge wie Handschellen.

An den Wänden oder in Podeste eingelassen zeigt die Schirn auf Keilrahmen gespannte Textilbilder, die Cosima von Bonin „Lappen“ nennt. Sie wirken wie Werbetafeln und erinnern an Blinky Palermos Monochrome der späten 1960er-Jahre oder Sigmar Polkes Malereien auf billigen Stoffen. Neben Zitaten aus der Comic-Welt greift die Künstlerin in diesen aus verschiedenen Textilien zusammengesetzten Patchwork-Arbeiten Signature Styles von Designer*innen wie den X-Stitch von Martin Margiela oder Textfragmente aus Songs und Literatur auf. Innere Widersprüche und abgründiger Humor treten in Cosima von Bonins Arbeiten häufig aus einem Spiel mit Wort und Bild hervor. So verwendet sie für die Kunststoffskulptur Cute (Pink Version) (2018) die Lettern einer Schriftart, die an die Titelbilder von Gruselromanen erinnert. In den Textilbildern Gaslighting und Love Bombing (beide von 2023) wiederum bringt die Künstlerin die süßen Konturen von Bambi mit Bezeichnungen für psychische Manipulationstechniken in Liebesbeziehungen zusammen.

Als Schlüsselfigur ihres Werks begleitet die Comic-Ente Daffy Duck das Publikum wie ein Leitmotiv durch die Ausstellung in der Schirn. Kennzeichnend für die kampflustige lispelnde Nervensäge Daffy ist ihr egoistischer, geltungssüchtiger und unerschütterlicher Charakter. Obwohl sie immer wieder scheitert, gibt sie sich nie geschlagen, sondern steht auf und macht weiter. In der Serie Open Your Shirt Please 1–9 von 2019 kämpft Daffy Duck gegen das mächtige Schwarz, das ihn aus dem Bild zu drängen droht. Unverdrossen erscheint er jedoch immer wieder auf der Bildfläche. In den jüngsten Textilarbeiten wie Kalt Modern Teuer sowie Emporkömmling und Social Climber (alle 2023) zeigt sich der Antiheld mit neuem Selbstbewusstsein. Die Skulptur Church of Daffy (2023) im letzten Raum der Ausstellung präsentiert ihn schließlich wie einen Propheten mit erhobenen Händen und im karierten Lendenschurz. Doch ist er schon so nah an den Rand seines Podests getreten, dass er zu fallen droht. Daneben steckt in Blame Shifting (2020) eine ganze Gruppe von Bugs Bunnys kopfüber in einer Mülltonne.

Immer wieder adressiert die Künstlerin in ihren Bildwelten die Strategien des Kapitalismus und der Vermarktung, die Konsumwelt und das große Bedürfnis der Menschen dazuzugehören. Häufig artikulieren ihre Arbeiten einen Zustand der Müdigkeit und Erschöpfung oder zelebrieren die Untätigkeit und das Faulenzen. Sie bringen damit auch eine Verweigerungshaltung gegenüber neoliberaler Arbeitsmoral und gesellschaftlichen Regeln zum Ausdruck. So entsprechen drei mit Samt überzogene Stoffzäune aus der Serie Fence (Short Version, Long Version, Corner Version) von 2020 nicht den Vorstellungen von einer wehrhaften Abgrenzung, sondern wirken vielmehr weich und anschmiegsam. Wie die Zäune erscheinen auch drei Leuchtskulpturen in Form von qualmenden Zigaretten unangepasst und signalisieren Rebellion und Müßiggang. Andere Werke der Ausstellung wie eine Gruppe von zwölf leuchtend bunt hochglanzlackierten Raketen aus der Serie Loser (2020/21) begegnen Leistungsdruck und Selbstoptimierungswahn mit glatten, harten Oberflächen, motiviert und aufrecht stehend. Doch verspricht ihr Titel Loser keinen Erfolg. In der Skulptur Kings of the B (2019) sind zwei Raketen bereits erschlafft in einem Zementmischer stecken geblieben. In What If It Barks 5 (Petite Version With Blue Ukulele) und What If It Barks 6 (Petite Version With Black Ukulele) (beide 2018) scheinen zwei Fische im Bühnenoutfit jederzeit bereit, mit ihren Ukulelen ein Lied anzustimmen. Auch hier täuscht der erste Eindruck: Einer der Makrelen hängt das Instrument wie ein Gewicht an einer Kette um den Körper, und das Musizieren bleibt wohl aus. Es ist dieses Wechselspiel der Performativität, der Gefühle, des Scheiterns und des Weitermachens, das Cosima von Bonin in der Ausstellung als dem Soziotop ihrer Kunst kreiert.

COSIMA VON BONIN wurde 1962 in Mombasa, Kenia, geboren. Sie kam 1986 nach Köln, wo sie in den 1990er-Jahren Teil der boomenden Kunstszene war und bis heute lebt und arbeitet. Ihre Werke wurden international ausgestellt, u. a. bei der 59th Venice Biennale (2022), Skulptur Projekte Münster (2017), Glasgow International (2016) und der documenta 12 (2007). Zahlreiche Einzelausstellungen fanden u. a. statt im Museum of Contemporary Art, Los Angeles; CCS Bard, Annandale-on-Hudson; Oakville Galleries, Ontario; Sculpture Center, Long Island City, New York; mumok – Museum moderner Kunst; Stiftung Ludwig Wien; Mildred Lane Kemper Art Museum, St. Louis; Museum Ludwig, Köln; Musée d’Art Moderne et Contemporain, Genf; Kölnischer Kunstverein und Kunstverein in Hamburg. Ihre Arbeiten befinden sich u. a. in der de la Cruz Collection, Miami; im Museum Ludwig, Köln; mumok – Museum moderner Kunst; Stiftung Ludwig Wien; Museum of Contemporary Art, Los Angeles; Museum of Modern Art, New York, und dem Stedelijk Museum Amsterdam.

KATALOG COSIMA VON BONIN. FEELINGS, herausgegeben von Katharina Dohm, mit Beiträgen von Diedrich Diederichsen, Katharina Dohm und Clara Drechsler sowie einem Vorwort des Direktors der Schirn Kunsthalle Frankfurt Sebastian Baden, deutsch-englische Ausgabe, 224 Seiten, ca. 130 Abbildungen, 22 × 28 cm, Klappenbroschur, Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, ISBN 978-3-7533-0600-1, 35 € (Schirn), 38 € (Buchhandel)

ORT
SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, 60311 Frankfurt am Main
DAUER 21. März – 9. Juni 2024
INFORMATION schirn.de E-MAIL welcome@schirn.de
TELEFON +49.69.29 98 82-0 TICKETS im Onlineshop der Schirn und an der Schirn Kasse
EINTRITT 10 €, ermäßigt 8 €, freier Eintritt für Kinder unter 8 Jahren
ÖFFNUNGSZEITEN Di, Fr bis So 10-19 Uhr, Mi und Do 10-22 Uhr FÜHRUNGEN BUCHEN Individuelle Führungen für Gruppen sind ab sofort buchbar unter fuehrungen@schirn.de
INFORMATIONEN ZUM BESUCH Alle Informationen zum Besuch unter schirn.de/besuch/faq

 

KOLLWITZ – Städel Museum Frankfurt widmet Deutschlands berühmtestem Künstler vom 20. März bis 9. Juni 2024 eine große Schau

Käthe Kollwitz, Selbstbildnis mit aufgestütztem Kopf, 1889/91 © Städel Museum
Käthe Kollwitz, Selbstbildnis mit aufgestütztem Kopf, 1889/91 © Städel Museum

„Es gibt neben Käthe Kollwitz wohl keine andere Künstlerin in Deutschland, die sich so selbstbestimmt und zielstrebig eine derart frühe und anhaltende Karriere erstritt. Ihr Schaffen wirkte bis in die USA und nach China – und wurde von vielen gesellschaftlichen wie politischen Ismen instrumentalisiert, gerade auch im Nachkriegsdeutschland. Sie ist die berühmteste deutsche Künstlerin des 20. Jahrhunderts und doch eine Ausnahmeerscheinung: Käthe Kollwitz (1867– 1945)“, unterstreicht Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums beim Pressegespräch.

Deutschlands berühmtester Künstler ist eine Frau namens Käthe Kollwitz

Käthe Kollwitz ist nicht nur Deutschlands berühmteste Künstlerin, sondern auch Deutschlands berühmtester Künstler. „Kein anderer deutscher Künstler und keine andere Künstlerin, haben im 20. Jahrhundert eine auch nur annähernd so breite künstlerische, soziale und politische Rezeption erfahren, wie Käthe Kollwitz.“, so Philipp Demandt.  Keinem anderen Künstler seien allein drei monographische Museen in einem und demselben Land gewidmet. Nach keinem anderen Künstler würden 46 Schulen, 327 Straßen, 75 Wege, 13 Ringe, 11 Plätze, 2 Alleen , 2 Siedlungen, 2 Ufer, und je ein Hof, ein Park, eine Promenade sowie eine Brücke bekannt wie im Fall Käthe Kollwitz, hat der Städeldirektor nachgewiesen. Ausnahme, so Demandt: Bei Straßennamen läge Albrecht Dürer im Ranking  vorn. „Ohne Zweifel und Übertreibung“, so Demandt, „war und ist Käthe Kollwitz die berühmteste bildende Künstlerin der deutschen Geschichte. Das Gesicht dieser Frau, hier schmollend, Sie kennen es alle, in rund 100 Selbstporträts verewigt und auf Millionen von Postkarten, Plakaten und Publikationen und Briefmarken verbreitet, war schon lange vor 1989 zu der moralisch geistigen Ikone angesichts der Wechselfälle des 20. Jahrhunderts geworden, und, das ist wichtig zu betonen, in beiden Teilen des lange geteilten Deutschlands, das, wenn auch unter unterschiedlichen Vorzeichen rezipiert.“

Die große Kollwitz-Schau vom 20. März bis 9. Juni 2024

Das Städel Museum Frankfurt präsentiert vom  20. März bis 9. Juni 2024 mit "KOLLWITZ" Deutschlands berühmteste Künstlerin. © Foto Diether von Goddenthow
Das Städel Museum Frankfurt präsentiert vom 20. März bis 9. Juni 2024 mit „KOLLWITZ“ Deutschlands berühmteste Künstlerin. © Foto Diether von Goddenthow

Das Städel Museum Frankfurt widmet dieser wichtigen Künstlerin der Klassischen Moderne nach bald 60 Jahren nicht gezeigter Kollwitz-Schätze im Städel-Archiv die große Sonderausstellung „Kollwitz“ vom 20. März bis 9. Juni 2024. Auf zwei Etagen im Ausstellungshaus werden die  Vielfalt, Sprengkraft und Modernität von Käthe Kollwitz Werks präsentiert. Dabei soll dieser deutsche ‚Mythos Kollwitz‘ beleuchtet und vermittelt werden. „Für unser Haus gilt dies erst recht, als das Städel Museum Werke von Käthe Kollwitz bereits zu ihren Lebzeiten erwarb und seit dem Ankauf der Sammlung Goedeckemeyer durch die Stadt Frankfurt 1964 einen fundierten Bestand vor allem ihrer Druckgrafik bewahrt. Unsere Besucherinnen und Besucher erwartet mit dieser Ausstellung die Begegnung mit einer Künstlerin, deren Werk bis heute nichts an Aktualität verloren hat.“, so der Museumsdirektor beim Pressegespräch.

Kollwitz ging als Künstlerin eigene Wege: Sie entschied sich ebenso kühn wie zielstrebig nicht für Malerei, sondern vor allem für Druckgrafik und Zeichnung und fand darin zu einer eigenständigen Bildsprache von eindringlicher Unmittelbarkeit. In ihrer Kunst verhandelte sie aus neuer Perspektive existenziell menschliche Fragen, auch unbequeme Themen, und wollte damit auf die Gesellschaft einwirken.
Künstlerin und Werk wurden nicht zuletzt deshalb in Deutschland nach 1945 politisch vereinnahmt – eine Rezeption, die in der breiten Öffentlichkeit bis heute nachwirkt.

Ausstellungs-Impresseion, hier im Bereich "Käthe Kollwitz politisch"  © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungs-Impresseion, hier im Bereich „Käthe Kollwitz politisch“ © Foto Diether von Goddenthow

Ausgehend von dieser komplexen Rezeptionsgeschichte sowie dem umfangreichen, eigenen Bestand und bereichert um Werke aus führenden Museen und Privatsammlungen zeigt die Ausstellung mehr als 110 eindrucksvolle Arbeiten auf Papier, Plastiken und frühe Gemälde der Künstlerin, darunter herausragende Leihgaben unter anderem aus dem Berliner Kupferstichkabinett, dem Käthe Kollwitz Museum Köln, dem Art Institute of Chicago, dem Sprengel Museum Hannover oder der Staatsgalerie Stuttgart. Pointiert bezeugen diese Werke Kollwitz’ Entscheidung für das Medium Grafik sowie ihre Experimentierfreude und Unangepasstheit. Sie offenbaren die Besonderheit ihrer Themen, ihres Formenvokabulars und ihrer kompositorischen Dramaturgie. Darüber hinaus befasst sich die Ausstellung mit dem Spannungsfeld zwischen Ästhetik und Politik in ihrem Werk. Ein Überblick über die deutsch-deutschen Lesarten der Künstlerin nach 1945 reflektiert abschließend die Wirkmacht kulturpolitischer Erzählungen.

Käthe Kollwitz, das deutsche politische Gewissen nach dem Kriege. © Foto Diether von Goddenthow
Käthe Kollwitz, das deutsche politische Gewissen nach dem Kriege. © Foto Diether von Goddenthow

Regina Freyberger, Leiterin der Graphischen Sammlung ab 1800 am Städel Museum und Kuratorin der Ausstellung: „Es ist äußerst herausfordernd, völlig unvoreingenommen zu bleiben, denn wir tragen immer – bewusst oder unbewusst – unsere eigenen Vorstellungen und Erfahrungen mit uns. Dies gilt besonders bei einer Künstlerin wie Kollwitz, die durch Schul- oder Straßennamen, Briefmarken und Reproduktionen ihrer Werke seit Jahrzehnten zu unserem Alltag gehört. Dass sie zu den großen Ausnahmeerscheinungen in der Kunst der Klassischen Moderne zählt, kann dadurch schnell in Vergessenheit geraten. Dabei ist das Werk von Kollwitz experimentierfreudig, unkonventionell und außerordentlich konsequent. Kollwitz weigerte sich, Kunst nur um ihrer selbst willen zu schaffen, und traf daher die radikale Entscheidung, vor allem grafisch zu arbeiten. Sie wählte anti-bürgerliche, letztlich auch politische Themen und verhandelte sie aus neuen Blickwinkeln in einer einprägsamen, bis heute packenden Bildsprache. Ihre Kunst ist, wie große Kunst immer, zeitlos und zeitlos aktuell.“

Käthe Kollwitz. Turm der Mütter vor einem Gräberfeld, Verdun, erster Weltkrieg. © Foto Diether von Goddenthow
Käthe Kollwitz. Turm der Mütter vor einem Gräberfeld, Verdun, erster Weltkrieg. © Foto Diether von Goddenthow

Die Ausstellung wird gefördert durch die DZ BANK, die Gemeinnützige Kulturfonds Frankfurt RheinMain GmbH und den Städelschen Museums-Verein e. V. mit den Städelfreunden 1815. Weitere Unterstützung erfährt das Vorhaben durch die Georg und Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung, die Wolfgang Ratjen Stiftung und die Aventis Foundation.

„Wir freuen uns sehr, mit der Unterstützung der Kollwitz-Ausstellung erneut unsere langjährige Verbundenheit mit dem Städel Museum auszudrücken, die bereits vor mehr als 15 Jahren mit der Übergabe eines Konvoluts von 220 Fotografien aus der renommierten Fotosammlung der DZ BANK für die Sammlung Gegenwartskunst im Städel ihren Anfang nahm. Kollwitz’ Druckgrafiken und Zeichnungen lassen mit ihrer forcierten Nahsicht und der betonten Ausleuchtung bisweilen an Fotografien denken, ein Medium, das die Entwicklung der Künste im 19. Jahrhundert nachhaltig beeinflusste. Kollwitz, die in einer Zeit radikaler Umbrüche lebte und arbeitete, schuf zudem Werke, die, wie Fotografien häufig auch, Ausdruck gesellschaftlicher Veränderung sind. Wir wünschen allen Besucherinnen und Besuchern dieser Ausstellung einen neuen, anregenden Blick auf Käthe Kollwitz“, so die Co- Vorstandsvorsitzenden der DZ BANK AG Uwe Fröhlich und Dr. Cornelius Riese.

Sammlung Goedeckemeyer im Städel Museum

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Das Städel Museum verdankt seine umfangreichen Bestände zu Käthe Kollwitz dem Frankfurter Kunstkenner und Grafiksammler Helmut Goedeckemeyer (1898–1983). Als Zeitgenosse der Künstlerin begann er nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Sammeln ihrer Werke und baute über Jahrzehnte eine der größten deutschen Privatsammlungen von Arbeiten der Künstlerin auf. Sie umfasst die meisten ihrer in Auflage erschienen Druckgrafiken sowie einzelne überarbeitete Zustandsdrucke, Zeichnungen und Bronzeskulpturen: im Ganzen mehr als 200 Werke. Da Goedeckemeyer seine Sammlung der Forschung und für zahlreiche Kollwitz- Ausstellungen aktiv zur Verfügung stellte, ermöglichte er nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen westdeutschen Städten eine erneute Auseinandersetzung mit der in der NS- Zeit verfemten Künstlerin. Im Städel, dem er seit den 1920er-Jahren eng verbunden war, wurde die Sammlung 1958 und 1965 gezeigt. Sie wurde 1964 von der Stadt Frankfurt für die Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut erworben und ergänzt seitdem den Kollwitz-Bestand, der bereits unter dem damaligen Städel Direktor Georg Swarzenski ins Museum kam. Im Städel zählt die Kollwitz-Sammlung heute zu den umfangreichsten Werkkomplexen der klassischen Moderne.

Kollwitz – Eine Einführung in die Ausstellung

Impression, Bereich "Sonderweg Grafik". © Foto Diether von Goddenthow
Impression, Bereich „Sonderweg Grafik“. © Foto Diether von Goddenthow

Die künstlerische Vielfalt von Kollwitz veranschaulicht zu Beginn der Ausstellung eine Reihe außergewöhnlicher Selbstbildnisse. Kollwitz, die in den rund 55 Jahren ihrer Schaffenszeit in Zeichnung, Druckgrafik und Plastik über 100 Selbstporträts schuf, setzte sich in diesen Werken nicht nur mit ihrer eigenen Person oder der Rolle als Künstlerin, Frau und Mutter auseinander, sondern erprobte hier auch technische Verfahren sowie Haltungen und Mimik für spätere Kompositionen (vgl. Selbstbildnis mit vorgestreckter Hand, ca. 1900).

Käthe Kollwitz. Skulptur Die Klage. Modell 1938 /40. Guss von 1960. © Foto Diether von Goddenthow
Käthe Kollwitz. Skulptur Die Klage. Modell 1938 /40. Guss von 1960. © Foto Diether von Goddenthow

Die Ausstellung richtet den Blick in den folgenden Kapiteln auf das Kühne und Moderne im Schaffen von Kollwitz und befasst sich zunächst mit ihrer Entscheidung für die Druckgrafik. Trotz einer Ausbildung zur Malerin wandte sich die junge Künstlerin im Winter 1890/91 konsequent diesem Medium zu – ein riskanter Schritt, denn Druckgrafik wurde damals zwar wieder verstärkt als eigenständige künstlerische Ausdrucksform geschätzt, doch behielt die Malerei ihre Vorrangstellung. In der Ausstellung sind – neben frühen Gemälden – erste Radierwerke sowie Studienblätter aus dieser Schaffensphase zu sehen, die eindrücklich die Wechselwirkung zwischen Zeichnung und Radierung nachvollziehbar machen.

Käthe Kollwitz "Vergewaltigt" (Ausstellungsbereich Bauernkriege) von 1907 /8  © Foto Diether von Goddenthow
Käthe Kollwitz „Vergewaltigt“ (Ausstellungsbereich Bauernkriege) von 1907 /8 © Foto Diether von Goddenthow

Schon in ihren frühen Werken verhandelte Kollwitz aktuelle, existenziell menschliche Themen. Von Schriftstellern wie Gerhart Hauptmann oder Émile Zola inspirierte Grafiken befassen sich etwa mit dem Verhältnis der Geschlechter. Zeichnungen wie Frauenschicksal (Martyrium der Frau) (ca. 1889) behandeln anhand der Gretchen- Figur aus Goethes Faust das schwierige Schicksal unverheirateter schwangerer Frauen. Auch später reflektierte Kollwitz den Erfahrungshorizont von Frauen – eine damals für das Werk einer Künstlerin ungewöhnliche und emanzipierte Perspektive.

Kollwitz erarbeitete sich ihre einprägsame, unmittelbar packende Bildsprache über einen teils langwierigen Werkprozess. Ihre stärksten Kompositionen zeichnen sich durch große Nahsicht, dynamische Zuspitzungen und eine Konzentration auf die menschliche Figur aus. In der Ausstellung werden diese dramaturgischen Mittel durch die Gegenüberstellung von einzelnen Blättern aus der Folge Ein Weberaufstand (1893–1897) mit Werken Max Klingers verdeutlicht, den Kollwitz sehr schätzte. Außerdem werden der Entstehungsprozess und die Zuspitzung einer Komposition anhand der Radierung Beim Dengeln (1905), dem dritten Blatt der Folge Bauernkrieg (1902/03–1908), nachvollzogen. Die siebenteilige Radierfolge, die Kollwitz’ Erfolg als Grafikerin begründete, offenbart schließlich den unkonventionellen Umgang der Künstlerin mit der Erzählform des Zyklus und eine spürbar politische Haltung.

Käthe Kollwitz "Zertretene", 1900. Auf Holbeins radikales Gemälde "Der tote Christus im Grab von 1521/22 (Kunstmuseum Basel) griffen im späten 19. Jahrhundert auch Kollwitz' ehemaliger Lehrer Karl Stauffer-Bern und Max Klinger zurück - allerdings unter Aufgabe der ursprünglich religiösen Bedeutung. © Foto Diether von Goddenthow
Käthe Kollwitz „Zertretene“, 1900. Auf Holbeins radikales Gemälde „Der tote Christus im Grab von 1521/22 (Kunstmuseum Basel) griffen im späten 19. Jahrhundert auch Kollwitz‘ ehemaliger Lehrer Karl Stauffer-Bern und Max Klinger zurück – allerdings unter Aufgabe der ursprünglich religiösen Bedeutung. © Foto Diether von Goddenthow

Den menschlichen Körper, ihr eigentliches Motiv, inszenierte Kollwitz als zeitlos gestisch-emotionale Ausdrucksform: Alles ist auf den Körper konzentriert, vollzieht sich an ihm und durch ihn. Selbst für das klassische Bildthema von Mutter und Kind fand die Künstlerin auf diese Weise unkonventionelle neue Formulierungen, wie die körperlich-leibliche ‚Verklammerung‘ in Frau mit totem Kind (1903) oder wie die tänzerische Bewegung in Tod und Frau (1910).

Käthe Kollwitz Frau mit Orange, 1901. Für Kollwitz eine ungewöhnlich lyrische Darstellung. © Foto Diether von Goddenthow
Käthe Kollwitz Frau mit Orange, 1901. Für Kollwitz eine ungewöhnlich lyrische Darstellung. © Foto Diether von Goddenthow

Kollwitz’ Umgang mit den technischen Möglichkeiten von Druckgrafik und Zeichnung ist stark experimentell geprägt. Besonders deutlich wird dies in ihren Arbeiten nach der Jahrhundertwende, als unter dem Einfluss der französischen Moderne sowie zweier Parisaufenthalte die Farbe in ihrem Schaffen wieder an Bedeutung gewann. Für kurze Zeit entstanden Zeichnungen und Radierungen von hoher malerischer Qualität, die zum Teil auch technisch äußerst innovativ sind, wie Frau mit Orange (1901), Weiblicher Rückenakt auf grünem Tuch (1903) oder das Pariser Kellerlokal (1904).

Immer wieder erweist sich außerdem das gesamte Schaffen von Kollwitz als kontinuierlicher Prozess, in dem einzelne Motive und Bildlösungen über Jahrzehnte hinweg durch alle Medien immer wieder neu reflektiert und formuliert werden. Die Ausstellung spürt diesem Aspekt anhand des Holzschnittzyklus Krieg (1921/23) nach, den Kollwitz in Trauer um den im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohn Peter schuf.
Wechselwirkungen mit der Bildhauerei zum Beispiel zeigen sich hier nicht nur in den geschlossenen, monumental wirkenden Formen, sondern auch in der Weiterentwicklung kompositorischer Ideen. Das dritte Blatt Die Eltern (1921/22) variiert das für den eigenen Sohn geschaffene Denkmal Trauernde Eltern (vollendet 1932, heute Deutscher Soldatenfriedhof, Vladslo).

Impression: Käthe Kollwitz politisch © Foto Diether von Goddenthow
Impression: Käthe Kollwitz politisch © Foto Diether von Goddenthow

Im Gegensatz zur damals verbreiteten Vorstellung einer „l’art pour l’art“ vertrat Kollwitz zeitlebens selbstbewusst die Ansicht, Kunst könne und müsse Zwecke verfolgen. Sie sah sich als etablierte Künstlerin geradewegs in der Verantwortung, an einer gesellschaftlichen Veränderung mitzuwirken. In der krisenhaften Zeit der Weimarer Republik übernahm sie konkrete politische Aufträge, wobei nicht der Auftraggeber ausschlaggebend war, sondern das Anliegen, für das sie ihr Bildvokabular dem Medium entsprechend anpasste und schärfte. Zeichnungen, mit denen sie die soziale Not des Industrieproletariats anprangerte, entstanden außerdem für die satirische Zeitschrift Simplicissimus (vgl. Wärmehallen, 1908/09).

Käthe Kollwitz: "Arbeiter kommend vom Bahnhof", 1897/99 © Foto Diether von Goddenthow
Käthe Kollwitz: „Arbeiter kommend vom Bahnhof“, 1897/99 © Foto Diether von Goddenthow

Kollwitz’ bereits früh getroffene Entscheidung, Motive und Themen aus dem Milieu der Arbeiter zu gestalten, war auch ästhetisch motiviert. Das vermeintlich Direkte, Ungekünstelte dieser Menschen reizte sie; später kamen die Erfahrungen aus der Kassenarztpraxis ihres Mannes hinzu und führten zu sozialem Engagement und zu einfühlsamen Werken wie Brustbild einer Arbeiterfrau mit blauem Tuch (1903) oder Zwei Studien einer Arbeiterfrau (1910). Im Kern war die Motivwahl, also das künstlerische Interesse an der Arbeiterschaft, anti-bürgerlich und widersprach der klassischen Ästhetik. Dadurch und aufgrund des späteren sozialkritischen, praktisch-politischen Ansatzes entwickelte ihr Werk eine unvergleichliche Sprengkraft, die für die Moderne und darüber hinaus wegweisend war.

Käthe Kollwitz: Mutter Krauses Fahrt ins Glück. 1929. © Foto Diether von Goddenthow
Käthe Kollwitz: Mutter Krauses Fahrt ins Glück. 1929. © Foto Diether von Goddenthow

Heute ist in Deutschland kaum ein anderer Künstlername – im Positiven wie Negativen – stärker mit Vorstellungen und Emotionen besetzt als der von Käthe Kollwitz. Schon zu Lebzeiten rankten sich um die Künstlerin einseitige Stereotype: Sie galt als „pessimistische Elendsmalerin“, als „religiöse Künstlerin“ oder als „sozialdemokratische Agitatorin“. Durch die politische Vereinnahmung von Kollwitz in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg klingen diese teils noch immer nach. Die im Nationalsozialismus verfemte Künstlerin diente nach 1945 als Vorbild für den kulturellen wie geistigen Neuanfang. Es setzte ein öffentliches, identitätsstiftendes Kollwitz-Gedenken ein, das ab 1946 zur Gründung von Kollwitz-Schulen und der (Um-)Benennung von Straßen führte. Während des Kalten Krieges wurde die Künstlerin beiderseits der deutschen Grenze politisch funktionalisiert: Ihre Werke wurden vereinfachend entweder als „realistisch-revolutionär“ (Ost) oder „ethisch- humanistisch“ (West) gedeutet. Die Forschung hat diese Lesarten zwar längst korrigiert, doch wirken sie bis heute nach.

Kollwitz-Denkmal „Pietà“ in der „Neuen Wache“, Berlin

 

Käthe Kollwitz Pietà  Modell 1937/40, Guss Anfang 1940. In dieser kleinen Bronze (stattliche Museen zu Berlin, neue Nationalgalerie), die auch Mutter und Sohn genannt wird, verhandelte Kollwitz nach mehr als zwanzig Jahren erneut den Tod ihres im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohnes, für dessen Verpflichtung an die Front sie sich  eine Mitschuld gab. Diese  "Schuld" und Verzweiflung über den gefallenen Sohn sollte sie nie mehr verlassen, was auch stark in ihren Werken immer wieder durchscheint. Helmut Kohl, dessen Bruder Walter im Krieg gefallen war,  verband ein Leben lang eine große Nähe zu Kollwitz Werk. Nach der Widervereinigung beschloss er - praktisch im Alleingang - die Skulptur in Berlins "Neue Wache" als Mahnmal gegen den Krieg installieren zu lassen.Seit 1993 dient Pietè dort in ihrer vierfachen Vergrößerung dem zentralen "Gedenken der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft". Kohls einsame Entscheidung löste eine komplexe Diskussion aus. Allerdings herrscht mittlerweile Einigkeit darüber, dass es wohl keine bessere mahnende Skulptur für diesen Ort gibt wie "Pietà". © Foto Diether von Goddenthow
Käthe Kollwitz Pietà Modell 1937/40, Guss Anfang 1940. In dieser kleinen Bronze (stattliche Museen zu Berlin, neue Nationalgalerie), die auch Mutter und Sohn genannt wird, verhandelte Kollwitz nach mehr als zwanzig Jahren erneut den Tod ihres im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohnes, für dessen Verpflichtung an die Front sie sich eine Mitschuld gab. Diese „Schuld“ und Verzweiflung über den gefallenen Sohn sollte sie nie mehr verlassen, was auch stark in ihren Werken immer wieder durchscheint. Helmut Kohl, dessen Bruder Walter im Krieg gefallen war, verband ein Leben lang eine große Nähe zu Kollwitz Werk. Nach der Widervereinigung beschloss er – praktisch im Alleingang – die Skulptur in Berlins „Neue Wache“ als Mahnmal gegen den Krieg installieren zu lassen. Seit 1993 dient Pietà dort in ihrer vierfachen Vergrößerung dem zentralen „Gedenken der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“. Kohls einsame Entscheidung löste eine komplexe Diskussion aus. Allerdings herrscht mittlerweile Einigkeit darüber, dass es wohl keine bessere mahnende Skulptur für diesen Ort gibt wie „Pietà“. © Foto Diether von Goddenthow

Als bekanntestes Kollwitz-Denkmal dient eine vierfach vergrößerte Nachbildung ihrer Bronze Pietà (Mutter mit totem Sohn) (1937–1939), mit der sie nach über zwanzig Jahren erneut den Tod ihres im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohnes thematisierte, seit 1993 in der Neuen Wache in Berlin dem zentralen „Gedenken der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“. Die Ausstellung gibt abschließend einen Überblick über die einzelnen Phasen der komplexen Rezeptionsgeschichte der Künstlerin in Deutschland und will über dieseVergegenwärtigung einen unverstellten Blick auf Kollwitz und ihre Kunst ermöglichen.

Katalog: Zur Ausstellung erschien im Verlag Hatje Cantz ein von Regina Freyberger herausgegebener Katalog. Mit einem Vorwort von Philipp Demandt und Texten von Linda Baumgartner, Regina Freyberger, Gudrun Fritsch, Alexandra von dem Knesebeck, Katharina Koselleck, Andreas Schalhorn und Iris Schmeisser. Deutsche Ausgabe, 283 Seiten, 207 Abb., 48 Euro (Museumsausgabe). Der Katalog kann im Städel-Shop, im Buchhandel oder online unter shop.staedelmuseum.de erworben werden.

Tickets: Di–Fr, Sa, So + Feiertage 16 Euro, ermäßigt 14 Euro; ab 20.3.24 Di–Fr 16 Euro, ermäßigt 14 Euro, Sa, So + Feiertage 18 Euro, ermäßigt 16 Euro; jeden Dienstag ab 15.00 Uhr 9 Euro; freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren. Gruppen ab 10 regulär zahlenden Personen: 14 Euro pro Person; ab 20.3.24 16 Euro pro Person. Für alle Gruppen ist generell eine Anmeldung unter Telefon +49(0)69-605098-200 oder info@staedelmuseum.de erforderlich.

Caricatura-Gründer Achim Frenz gestorben

Caricatura-Gründer Achim Frenz ist plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11.3.2024 verstorben. © Foto Diether von Goddenthow
Caricatura-Gründer Achim Frenz ist plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11.3.2024 verstorben. © Foto Diether von Goddenthow

Caricatura-Gründer Achim Frenz gestorben Frankfurt / Kassel, 11.3.2024. Im Namen der Familie geben das Caricatura Museum Frankfurt und die Caricatura Galerie Kassel bekannt, dass Caricatura-Gründer Achim Frenz plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11.3.2024 verstorben ist. Achim Frenz (* 27. November 1957 in Bremerhaven, † 11. März 2024 in Kassel) hat als Gründer und ehemaliger Leiter des Caricatura Museums Frankfurt – Museum für Komische Kunst und der Caricatura Galerie Kassel nicht nur zwei wichtige Institutionen der Komischen Kunst auf den Weg gebracht und geprägt, sondern sich auch unermüdlich bundesweit für die Belange dieser Kunstgattung eingesetzt. Das gesamte Caricatura-Team und Weggefährten sind zutiefst betroffen. Erst im Oktober vergangenen Jahres wurde Frenz aus dem aktiven Dienst als Leiter des Museums verabschiedet. Er hinterlässt seine Frau, seinen Sohn mit Ehefrau und zwei Enkel.

In seiner Zeit als Leitung des Museums verantwortete Frenz den Aufbau und die Erweiterung der Sammlung des Hauses, die zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand mehr als 8.000 Originale der Zeichner der Neuen Frankfurter Schule sowie rund 6.500 Zeichnungen weiterer Karikaturisten umfasste. Unter seiner Leitung wurden die regelmäßigen Neuhängungen der Dauerausstellung zur Neuen Frankfurter Schule und 42 Sonderausstellungen kuratiert. Krönender Abschluss seiner Karriere war die aktuelle Ausstellung „Ach was. Loriot zum Hundertsten“ zu Ehren des wohl bedeutendsten deutschen Humoristen.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Verlagen gab Frenz die Buchreihe Caricatura Museum Edition heraus, die die vielfältigen Ausstellungen im Museum dokumentieren. Zudem etablierte er mit seinem Team das Festival der Komik, das alljährlich als Ergänzung zu den Ausstellungen auf dem Weckmarkt satirische Bühnenkunst während des Museumsuferfestes präsentiert. 2020 wurden das Caricatura Museum Frankfurt und die Caricatura Galerie Kassel mit dem Hessischen Kulturpreis gewürdigt. Erstmals erhielten ein Museum und eine Galerie diese Auszeichnung.

„Der Tod von Achim Frenz hat uns alle unvorbereitet getroffen und tief erschüttert. Er war nicht nur Vordenker und Wegbereiter für die Komische Kunst, sondern auch Mentor und Freund. So Vieles hat er erreicht, so Vieles hatte er noch vor. Die Komische Kunst steht für einen Moment still – um in seinem Sinne weiterzumachen“, sagte Weggefährte Martin Sonntag, der Achim Frenz nach dessen Verabschiedung im Oktober 2023 als neuer  Leiter des Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst nachfolgt.

Otto Kajetan Weixler, Kuratoriumsvorsitzender, Achim Frenz, Leiter Caricatura Museum a.D., Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main, und Laudator Pit Knorr, Autor der Neuen Frankfurter Schule, bei der Verabschiedung von Frenz in der Evangelischen Akademie am 9.10.2023. © Foto Diether von Goddenthow
Otto Kajetan Weixler, Kuratoriumsvorsitzender, Achim Frenz, Leiter Caricatura Museum a.D., Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main, und Laudator Pit Knorr, Autor der Neuen Frankfurter Schule, bei der Verabschiedung von Frenz in der Evangelischen Akademie am 9.10.2023. © Foto Diether von Goddenthow

Bestürzt habe sie die Nachricht vom Tod Achim Frenz‘ vernommen, so Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main. „Erst Ende letzten Jahres haben wir ihn mit einem Festakt in der Evangelischen Akademie in den Ruhestand verabschiedet. Er war voller Pläne und Ideen. Sein Wirken für die Stadt Frankfurt und für die Neue Frankfurter Schule war stets von großer Hingabe geprägt. Diese Hingabe spiegelt sich in seinen großen Verdiensten wider. Ohne Achim Frenz gäbe es das Caricatura Museum in Frankfurt nicht, dass dazu beigetragen hat, dass die Komische Kunst als ernstzunehmende Kunst zum Gattungsbegriff wurde. Mit ihm verlieren wir einen großen Visionär und unermüdlichen Kämpfer für die Komische Kunst. Wir werden ihn sehr vermissen.“ so die Frankfurter Kulturdezernentin.

Kleiner Rückblick

Schon früh kam Achim Frenz mit der Komischen Kunst in Kontakt. Sein Studium an der Kunst- und Gesamthochschule Kassel schloss der gebürtige Bremer mit der Diplomarbeit „Die Grenzen der Satire“ ab. Mit Kommilitonen entwarf und verbreitete er im Künstlerkollektiv „Visuelle Opposition“ politische Plakate mit komisch-satirischem Ansatz und legte den Fokus auf die Entwicklung einer eigenen Komik. Prägend waren die von den Studierenden initiierten Lehrstunden bei F.K. Waechter und F.W. Bernstein, die als Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule die Nachkriegssatire und Humorlandschaft maßgeblich beeinflusst hatten. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Redakteur und Karikaturist bei der nordhessischen Ausgabe des „Pflasterstrand” und setzte sich auch hier intensiv mit dem Medium Satire auseinander. Mitte der 1980er Jahre war er federführend als Initiator wie Kurator an Ausstellungen in Kassel beteiligt, die die zeitgenössische Komische Kunst in Deutschland dokumentierten. Erstmals wurde die Komische Kunst als eigenständige und ernstzunehmende Gattung wahrgenommen. Mit der Gründung des Kulturbahnhofs Kassel schuf Frenz dann mit Mitstreitern auch einen ständigen Ausstellungsort der Komischen Kunst: Die Caricatura – Galerie für Komische Kunst Kassel, die er bis 2000 leitete und in deren Vorstand er bis zu seinem Tod vertreten war.

Seit 2006 war Frenz zudem Mitherausgeber der Satirezeitschrift Titanic. In den Sommerakademien für Komische Kunst, die die Caricatura Galerie Kassel in Kooperation mit dem Caricatura Museum Frankfurt veranstaltet, setzte er sich seit 2007 für die Ausbildung junger Zeichner ein. Seine Expertise war auch als Jurymitglied gefragt, unter anderem beim Göttinger Elch, beim Deutschen Karikaturenpreis, beim Wilhelm-Busch-Preis und beim Ludwig-Emil-Grimm-Preis.

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Sonderausstellung zur 350 jährigen Geschichte des Bankhauses Metzler im Historischen Museum Frankfurt

 

Friedrich Metzler (1794 1825) © HMF, Horst Ziegenfusz
Friedrich Metzler (1794 1825) © HMF, Horst Ziegenfusz

Die B. Metzler seel. Sohn & Co. AG ist Deutschlands älteste Privatbank, die sich noch vollständig in Familienbesitz befindet. Ihre Ursprünge gehen auf das Jahr 1674 zurück: Benjamin Metzler (1650-1686) gründete in Frankfurt zunächst ein Handelsunternehmen für Tuchwaren. Der koloniale Fernhandel, aber auch die weiteren internationalen Handelsbeziehungen führten dazu, dass auch Geldgeschäfte eine wichtige Rolle spielten. Das Warengeschäft wurde zunehmend vom Geld- und Wechselgeschäft abgelöst, bis sich im 18. Jahrhundert ein beispielhafter Wandel vom Handels- zum Bankhaus vollzog. Im 19. Jahrhundert zählten vermögende Privatiers zur Kundschaft der Bank, deren Hauptgeschäft nun die Vermögensverwaltung (Depotgeschäft), individuelle Finanzdienstleistungen und der Handel mit börsennotierten Wertpapieren (Effekten) war.

Der Name „B. Metzler seel. Sohn & Co.“ leitet sich von den Söhnen des Firmengründers Benjamin Metzler her, die durch diese Namensgebung an ihren verstorbenen (seligen) Vater erinnern wollten.

Nach dem Ersten Weltkrieg litt das Bankhaus Metzler unter Inflation und Wirtschaftskrise. Viele Privatbanken verschwanden in dieser Zeit, und auch das Bankhaus Metzler musste das Geschäft verkleinern und Mitarbeitende entlassen. Im März 1944 wurde das Bankgebäude bei einem Luftangriff zerstört und viele Geschäftsunterlagen vernichtet. Bei einem Umzug im Jahr 2014 entdeckte man bis dahin unbekannte Dokumente aus der NS-Zeit, die neuen Forschungen Erkenntnisse zur Rolle der Bank im Nationalsozialismus lieferten.

Die Zeit nach dem Krieg war für das Bankhaus eine Phase, in der der Wiederaufbau des eigenen Vermögens als Grundlage für das Bankgeschäft Priorität hatte. 1972 wurde erstmals nach 298 Jahren ein Geschäftsbericht vorgelegt. Der eigentliche Aufschwung erfolgte Ende der 1970er Jahre mit der Expansion der Wertpapiermärkte. 1986 änderte das Unternehmen seine Rechtsform zu einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und schuf eine Holdingstruktur nach angelsächsischem Vorbild. Im Jahr 2021 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Heute konzentriert sich das Bankhaus auf individuelle Kapitalmarktdienstleistungen für Institutionen und Privatkunden.

Die Ausstellung

Impression aus dem 13 Sammlerraum der neuen Ausstellung "Metzler 1674-2024. Bankiers in Frankfurt" im Historischen Museum  ab 8.3.24© HMF, Stefanie Kösling
Impression aus dem 13 Sammlerraum der neuen Ausstellung „Metzler 1674-2024. Bankiers in Frankfurt“ im Historischen Museum ab 8.3.24© HMF, Stefanie Kösling

Die Kabinett-Ausstellung im 13. Sammlerraum gliedert sich in vier Themen und zeigt neben Objekten aus der Sammlung des Museums zahlreiche Dokumente und Bilder aus dem Historischen Metzler-Archiv.

Das Thema „Merchand Banquiers“ (Händlerbankiers) bildet schlaglichtartig die vielfältige 350-jährige Geschichte des Bankhauses ab. Vom Bürgerbrief des Gründers Benjamin Metzler aus dem Jahr 1676 über einen Wechsel von 1754 bis hin zu einem erst 2014 entdeckten Schreiben aus der NS-Zeit. Eine Infografik dokumentiert anschaulich in Zahlen die Entwicklung der Mitarbeitenden von 1900 bis in die Gegenwart. Unter dem Stichwort „Bürgersinn“ wird das gesellschaftliche und kulturelle Engagement der Familie mit den präsentierten Schenkungen der Familie an die Stadt sichtbar, wie etwa der goldene Prunkbecher, aus dem 1903 Kaiser Wilhelm II. trank. Das Thema „Frauen“ rückt die weiblichen Familienmitglieder in den Fokus, wie etwa die „erste Bankerin Frankfurts“, Christina Babara Metzler, die 1757 als unverheiratete Frau die Geschäftsleitung übernahm.

Fotografien und Skizzen der Standorte des Bankhauses und auch der repräsentativen Anwesen, die die Familie seit dem 19. Jahrhundert in und um Frankfurt erwarb und erbaute, werden im Thema „Orte“ präsentiert. Darunter das Haus Metzler in Bonames, der Badetempel in Offenbach oder die Historische Villa Metzler am Schaumainkai.

Themen-Tour Wie eng die Metzler’sche Familien- und Firmengeschichte mit der Stadtgeschichte verknüpft ist, ist in der ständigen Ausstellung des Historischen Museums zu sehen. Eine anlässlich der Kabinett-Ausstellung konzipierte Themen-Tour führt über den 13. Sammlerraum hinaus durch die Abteilung „Frankfurt Einst?“ und folgt über 18 Stationen den Spuren der Familie Metzler.

Öffnungszeiten:
Montag geschlossen
Dienstag bis Sonntag: 11 bis 18 Uhr (Schulklassen können – mit Anmeldung und in Begleitung von Lehrpersonal – von Dienstag bis Freitag ab 9 Uhr das HMF und das JuM besuchen)

Eintrittspreise Dauerausstellung: 8 €/4 € ermäßigt Wechselausstellung: 10 €/5 € ermäßigt Museum Vollpreis: 12 €/6 € ermäßigt Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: Eintritt frei!

Ort:
Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1,
60311 Frankfurt am Main T +49 69 212-35599
info@historisches-museum-frankfurt.de
www.historisches-museum-frankfurt.de

Werkschau-Ausstellung „IN SERIEN – 40 Jahre serien.lighting“ eröffnet im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main

© MAK
© MAK

Vor vier Jahrzehnten gründeten die damaligen Designstudenten Manfred Wolf und Jean-Marc da Costa ein Unternehmen mit der Idee, innovatives Leuchtendesign mit hohem technologischen und handwerklichen Anspruch zu verbinden. Wie kaum ein anderer Leuchtenhersteller steht serien.lighting seitdem für einen kompromisslosen Fokus auf Designqualität, technisches Knowhow, Innovation und Avantgardeanspruch. Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main öffnet im März 2024 dem Leuchtenhersteller zu seinem vierzigjährigen Jubiläum auf fast 300 m2 den Raum für eine umfassende Werkschau und Retrospektive. Ein stringentes Ausstellungskonzept lässt Interessierte in die Welt von serien.lighting eintauchen.

IN SERIEN
Der Ausstellungstitel IN SERIEN beschreibt die initiale Motivation, die zur Gründung des Unternehmens führte und zugleich namensgebend wurde: Die Auseinandersetzung mit formal reduzierten Produkten und einer zeitgemäßen, an serielle Fertigung angelehnten Ästhetik, die sich mit neuen Technologien von den expressiven Unikaten der Achtzigerjahre abheben sollte. Die Werkschau zeigt eindrucksvoll, wie konsequent diese Grundhaltung über vier Jahrzehnte immer wieder formal und technologisch von den Designern und ihrem Team neu interpretiert wurde. Das umfangreiche gestalterische Werk von Wolf und da Costa zeigt auf, wie konzeptuelle Kontinuität in Verbindung mit lebendiger Kreativität zu einer Handschrift werden kann, die auch bei sich wandelnden Technologien immer wiedererkennbar bleibt.

Die Welt von serien.lighting
Die Macher entwarfen ein Ausstellungskonzept, das in seiner Gradlinigkeit das Design, die Entwicklung und Geschichte des Unternehmens widerspiegelt. Das Motiv der filigranen Objekte im Raum, das der Produktgestaltung von serien.lighting zugrunde liegt, wurde mit dem Ausstellungskonzept großmaßstäblich übersetzt. Die Gestalter Wolf und da Costa folgen dabei der strengen Geometrie der Museumsarchitektur von Richard Meier und präsentieren die Jubiläumsschau als ein Modulraster im Raum, in dem alle Entwürfe gleichberechtigt präsentiert werden. Wie in einzelnen Schaufenstern kommen die frühen Leuchten ebenso zur Geltung wie aktuelle Modelle. Auch Sonderentwicklungen, z. B. für Synagogen und Bibliotheken, werden präsentiert, zudem Bücher, Kataloge und Plakate aus 40 Jahren Firmengeschichte. Zusätzlich bieten Projektionen Rückblicke in die Unternehmensgeschichte und Einblicke in herausragende Projekte, bei denen Leuchten von serien.lighting für gutes Licht sorgen.

Über serien.lighting
serien.lighting ist ein innovationsbegeisterter Hersteller von Leuchten mit hohem Designanspruch, der neueste Lichttechnik, serielle Fertigung, handwerkliches Können und hochwertige Materialien in seinen Produkten vereint. Das Unternehmen mit Sitz in Rodgau, in der Nähe von Frankfurt am Main, wurde Anfang der 80er Jahre von den beiden Designern Manfred Wolf und Jean-Marc da Costa gegründet und wird seit 40 Jahren von ihnen gemeinsam geführt. Eigene Entwürfe und die weiterer Designer sind bis heute Grundlage der Kollektion, die Leuchten für Wohnraum, Büro, Hotel und Gastronomie sowie soziale und kulturelle Einrichtungen umfasst. Immer wieder realisiert das Designteam auch projektbezogene Sonderlösungen.

Die Ausstellung IN SERIEN ist vom 3. bis 24. März 2024 im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main zu sehen.

Weitere Infos unter: www.serien.com

The Culture Hip-Hop und zeitgenössische Kunst im 21 Jahrhundert. Interdisziplinäre Ausstellung in der Schirn Kunsthalle Frankfurt ab 29. Februar

Schirn Kunsthalle Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow
Schirn Kunsthalle Frankfurt. © Foto Diether von Goddenthow

Anlässlich seines 50. Geburtstags widmet die Schirn Kunsthalle Frankfurt dem Hip-Hop und seinem tiefgreifenden Einfluss auf die aktuelle Kunst und Kultur unserer Gesellschaft vom 29. Februar bis 26. Mai 2024 eine große, interdisziplinäre Ausstellung.

Hip-Hop entstand in der Bronx im New York der 1970er-Jahre als kulturelle Bewegung unter Schwarzen und lateinamerikanischen Jugendlichen. Durch große Blockpartys entwickelte er sich schnell zu einer Kultur, die auf den vier Säulen MCing oder Rappen, DJing, Breaking oder Breakdance und Graffiti gründet. Von Anfang an übte Hip-Hop Kritik an vorherrschenden Strukturen und kulturellen Erzählungen und bot neue Möglichkeiten, um diasporische Erfahrungen auszudrücken und Alternativen zu bestehenden Machtverhältnissen zu schaffen. Dies ging mit einem wachsenden sozialen und politischen Bewusstsein sowie Wissensbildung einher, die als fünfte Säule gelten. Heute ist Hip-Hop ein globales Phänomen, das zahlreiche Innovationen in Musik, Mode, Technologie sowie bildender und darstellender Kunst vorangetrieben hat.

Ausstellungsimpression "The Culture" in der Schirn. Beim Cat-Walk der Hip-Hop-Größen, kann auch besichtigt werden, wie Mode zur Kunst erklärt und gefeiert wird. © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungsimpression „The Culture“ in der Schirn. Beim Cat-Walk der Hip-Hop-Größen, kann auch besichtigt werden, wie Mode zur Kunst erklärt und gefeiert wird. © Foto Diether von Goddenthow

Basierend auf den Ursprüngen des Hip-Hop in den USA präsentiert die Ausstellung „THE CULTURE“ über 100 Arbeiten zumeist aus den letzten 20 Jahren, darunter Gemälde, Fotografien, Skulpturen und Videos sowie Mode von international bekannten Künstler*innen der Gegenwart, darunter Lauren Halsey, Julie Mehretu, Tschabalala Self, Arthur Jafa, Kahlil Joseph, Virgil Abloh und Gordon Parks. Sie gliedert sich in die sechs Themenbereiche Pose, Marke, Schmuck, Tribut, Aufstieg und Sprache. „THE CULTURE“ beleuchtet die politischen, kulturellen und ästhetischen Merkmale, die Hip-Hop zu einem globalen Phänomen gemacht und ihn als künstlerischen Kanon unserer Zeit etabliert haben. Die Ausstellung greift zudem zeitgenössische Themen und Debatten auf – von Identität, Rassismus und Appropriation bis hin zu Sexualität, Feminismus und Empowerment.

Die Ausstellung „THE CULTURE. Hip-Hop und zeitgenössische Kunst im 21. Jahrhundert“ wird gefördert durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain mit zusätzlicher Unterstützung von Deutsche Börse Group.

Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, betont: „Hip-Hop ist eine gesellschaftlich prägende und einflussreiche kulturelle Bewegung, die in der Schirn erstmals in Deutschland in einem künstlerischen Ausstellungskontext zu sehen ist. Wir zeigen zusammen mit internationalen Partner*innen den großen Einfluss, den Hip-Hop auf die zeitgenössische Kunst und die Pop-Kultur der letzten 20 Jahre hatte. Mit einem umfassenden Rahmenprogramm greift die Schirn zudem Aspekte der lokalen Hip-Hop-Szene auf – ihre Verbindungen, aber auch die Unterschiede zur US-Geschichte sowie zeitgenössische Debatten über Empowerment und Identität.“

Die Kurator*innen Asma Naeem (Baltimore Art Museum, Dorothy Wagner Wallis Director) und Gamynne Guillotte (ehemals Chief Education Officer), Hannah Klemm (ehemals Associate Curator of Modern and Contemporary Art, Saint Louis Art Museum) und Andréa Purnell (Community Collaborations Manager) über die Ausstellung: „Der Einfluss des Hip-Hop auf die Kultur ist so maßgeblich, dass er zu einem neuen Kanon geworden ist. Dieser konkurriert mit der westlichen kunsthistorischen Tradition, an der sich viele Museen orientieren und ihre Ausstellungen entwickeln. Hip-Hop zeigt alternative Ideale hinsichtlich künstlerischer Qualität und Exzellenz, die sich auf Afro-lateinamerikanische Identitäten und Geschichten konzentrieren. Die Ausstellung ‚THE CULTURE‘ verdeutlicht, dass viele der überzeugendsten bildenden Künstler*innen der Gegenwart sich in ihrer Praxis direkt mit diesem Kanon auseinandersetzen. Die visuelle Kultur des Hip-Hop mit ihren subversiven Taktiken und ihrem Einsatz für soziale Gerechtigkeit taucht überall in der heutigen Kunst auf, in Malerei, Performance, Mode, Architektur ebenso wie auch in der Technologie.“

In einer der ersten Sektionen  wird diese achtminütige Einkanal-Video gezeigt, das im Zusammenhang mit Jay-Zs gleichnamigen Song TNEG steht, der weithin als Entschuldigung an seine Frau Beyoncé für seine Untreue und sein emotionales Versagen als Ehemann verstanden wird. Hier in der Szene verflechten die Tänzer Storyboard P und Okwul Okpokwasili ihre Körper in einem bewegenden zweiteiligen Tanz aus Verlangen, Schmerz und Bedauern" © Foto Diether von Goddenthow
In einer der ersten Sektionen wird diese achtminütige Einkanal-Video gezeigt, das im Zusammenhang mit Jay-Zs gleichnamigen Song TNEG steht, der weithin als Entschuldigung an seine Frau Beyoncé für seine Untreue und sein emotionales Versagen als Ehemann verstanden wird. Hier in der Szene verflechten die Tänzer Storyboard P und Okwul Okpokwasili ihre Körper in einem bewegenden zweiteiligen Tanz aus Verlangen, Schmerz und Bedauern“ © Foto Diether von Goddenthow

DIE SEKTIONEN DER AUSSTELLUNG „THE CULTURE“ präsentiert in sechs Sektionen künstlerische Arbeiten in einem dynamischen Dialog mit Mode und historischen Ephemera. Einige Werke stehen in direktem Bezug zu Hip-HopSongs, die in der Ausstellung über QR-Codes aufgerufen und angehört werden können. Unter die modischen Highlights der Ausstellung fallen u. a. Looks aus den Kollektionen von Virgil Abloh für Louis Vuitton, der legendären Streetwear-Marke Cross Colours sowie von Daniel „Dapper Dan“ Day und Gucci. Zu den berühmten historischen Ephemera gehören eine Kopie des Albums Beat Bop / Test Pressing (1983) von Jean-Michel Basquiat und Rammellzee, ein Vivienne Westwood Buffalo Hat (1984), den Pharrell Williams bei der Grammy-Verleihung 2014 berühmt machte, und mehrere von Lil’ Kims ikonischen Perücken, nachgestaltet von der Original-Hairstylistin Dionne Alexander.

POSE Die künstlerischen Arbeiten in diesem Teil der Ausstellung „THE CULTURE“ untersuchen, was sich über Gesten, Körperhaltung und die Art, wie sich jemand präsentiert, vermittelt. Michael Vasquez, Nina Chanel Abney oder Tschabalala Self erforschen binärgeschlechtliche und rassistische Stereotype, loten die Grenze zwischen Wertschätzung und Aneignung aus, betrachten die Beziehung zwischen Publikum und Darsteller*innen und fragen, welche Körper als gefährlich oder verletzlich gelten und wer darüber entscheidet. Für die einen ist die Selbstdarstellung ein Mittel zum Überleben, für die anderen eine Möglichkeit, sich zu behaupten, und für wieder andere ein Werkzeug, um feste Vorstellungen über körperliche Ausdrucksformen auf den Kopf zu stellen.

Devan Shimoyama "Cloud Break" (Wolkenbruch), 2022, zeigt Timberland-Stiefel, Strasssteine, Seidenblumen, Epoxidharz und Kette. © Foto Diether von Goddenthow
Devan Shimoyama „Cloud Break“ (Wolkenbruch), 2022, zeigt Timberland-Stiefel, Strasssteine, Seidenblumen, Epoxidharz und Kette. © Foto Diether von Goddenthow

MARKE Das Konzept der Marke beschränkt sich nicht nur auf die Differenzierung und Vermarktung kommerzieller Güter. Vielmehr umfasst es auch die Art und Weise, wie eine Person die verfügbaren Kommunikationstechnologien einschließlich der sozialen Medien nutzt, um sich in der Öffentlichkeit zu positionieren. In den vergangenen Jahrzehnten fungierten Hip-Hop-Künstler*innen als inoffizielle Werbepartner*innen großer Marken, die zu ihrem Stil und ihrer gewünschten Außendarstellung passten. Das Aneignen von Luxusmarken, um etwas Einzigartiges zu schaffen, wie etwa durch den legendären Designer Daniel R. Day, besser bekannt als Dapper Dan, stellt den Begriff des Originals infrage und unterstreicht die unschöne Beziehung zwischen Luxuslabels und denjenigen, die absichtlich von ihnen ausgeschlossen werden. Egal, ob sie Mode entwerfen, Musik aufnehmen oder Kunst machen, die Künstler*innen lassen die Grenzen zwischen jenen Kunstformen und (Selbst-)Vermarktung verschwimmen. Die Ausstellung zeigt Arbeiten von Kudzanai Chiurai, Larry W. und ein Video in Zusammenarbeit von Athur Jafa, Malik Sayeed und Elissa Blount Moorhead. Sie greifen Konsum, Zurschaustellung von Luxusgütern sowie komplexe und festgefahrene Vorstellungen von Männlichkeit auf, die sich bei vielen Hip-Hop-Stars beobachten lassen.

SCHMUCK Während Stil oft durch Klasse und Politik bestimmt wird, kleidet sich kaum eine Kultur so exzentrisch – und so einflussreich – wie der Hip-Hop. Von Lil’ Kims bunten Perücken bis hin zu den überbordenden Goldketten von Big Daddy Kane und Rakim: Einige der bedeutendsten und einzigartigsten Stile haben ihren Ursprung im Hip-Hop. Künster*innen wie Miguel Luciano oder Hank Willis Thomas zeigen funkelnden Schmuck, glitzernde Grillz auf den Zähnen oder die ikonischen Nike Air-Force-1-Sneaker – sie werden in erster Linie getragen, um gesehen zu werden. Arbeiten von Murjoni Merriweather, Yvonne Osei und Lauren Halsey feiern sowohl das Kunsthaar als selbstbewusste Form des Schmucks in Schwarzen Communities als auch das Haarstyling als eigenständige Kunstform. Der Schmuck im Hip-Hop ist in der Lage, eurozentrischen Schönheitsidealen etwas entgegenzusetzen und Konzepte von Geschmack und gesellschaftlichen Konventionen infrage zu stellen.

TRIBUT Vom Name-Dropping in einem Song bis hin zum Porträt von verstorbenen Rap-Legenden auf einem T-Shirt oder als Tattoo – Hommagen, Respekt und „Shout-Outs“ als Zeichen von Dank sind ein wesentlicher Bestandteil der Hip-Hop-Kultur. Solche Verweise zeigen, wer Einfluss hat und wer wichtig ist; sie würdigen und ehren das Erbe und Vermächtnis verstorbener Künstler*innen und schaffen untereinander Netzwerke. Die Hervorhebung einzelner Künstler*innen und Stile trägt zur Kanonisierung des Hip-Hop bei – so werden bestimmte Kunstwerke, Songs und Rapper*innen kollektiv für ihre künstlerische Leistung und ihren historischen Einfluss gefeiert. Für das W Magazine fotografiert Carrie Mae Weems die Musikerin Mary J. Blige mit einer Krone, der nonfungible Token (NFT) Heir to the Throne (2021) von Derrick Adams ist von Jay-Zs DebütStudioalbum Reasonable Doubt (1996) inspiriert und Roberto Lugo schafft einen Street Shrine 1: A Notorious Story (Biggie) [Straßenschrein 1: A Notorious Story (Biggie)] (2019) aus Keramik. Als globale Kunstform ist Hip-Hop zu einem Maßstab für Künstler*innen des 21. Jahrhunderts geworden. Mit dem Tribut an den Hip-Hop und seine konzeptuelle und soziale Entwicklung setzen sich bildende Künstler*innen mit der Idee auseinander, dass der einst homogene, weiße und beständige Kanon der Kunstgeschichte fließend ist und durchlässig für eigene Biografien und Hintergründe wird. So stellen die Künstler*innen infrage, was als schön gilt, wer ikonisch ist und wessen Geschichte wertvoll ist.

Impression der Ausstellung "The Culture" © Foto Diether von Goddenthow
Impression der Ausstellung „The Culture“ © Foto Diether von Goddenthow

AUFSTIEG Der Tod sowie Vorstellungen von Auferstehung beziehungsweise Aufstieg und dem Leben nach dem Tod tauchen häufig in Hip-Hop-Songs auf: von der Trauer um eine*n verstorbene*n Freund*in über die ständige Gefahr, sich als Schwarze Person im städtischen Raum zu bewegen bis hin zu Gedanken über die Unsterblichkeit, die durch Ruhm entsteht. Die Ausstellung zeigt Werke, die von den Themen des spirituellen Aufstiegs in der Kultur inspiriert sind wie etwa Ascent [Aufstieg] (2018) aus der DuRags-Serie von John Edmonds. Kahlil Joseph zeichnet mit der Videoarbeit m.A.A.d. (2014) ein üppiges, zeitgenössisches Porträt von Compton, Kalifornien, der Heimatstadt des mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Hip-Hop-Künstlers Kendrick Lamar. Ein Songtitel von Lamar ist auch titelgebend für die Collage Promise You Will Sing About Me [Versprich, dass du über mich singen wirst] (2019) von Robert Hodge. Auf diese Weise benutzen Künstler*innen Hip-Hop auch als Ausdrucksform, um Verlust zu verarbeiten, zu trauern und zu gedenken.

SPRACHE Hip-Hop ist eine Kunstform, in der es im Wesentlichen um Sprache geht: die visuelle Sprache des Graffiti, eine musikalische Sprache, die Scratching und Sampling umfasst, und natürlich das geschriebene und gesprochene Wort. Call-and-Response-Gesänge, gefolgt von Rap-Reimen und Texten, die über die Tracks gelegt werden, bilden die Grundlage für Hip-Hop-Musik. Neben dem Sprechgesang ist eines der erkennbarsten Merkmale des Hip-Hop das Graffiti. Seit den 1970erJahren bemalen oder besprühen Graffiti-Writer Züge, Teile der städtischen Infrastruktur und Wände mit grellen Farben. Viele Writer signieren ihre Werke mit wiedererkennbaren „Tags“. Sie erforschen die erkennbaren Formen von Buchstaben und Zahlen und treiben Tags bis an die Grenze der Lesbarkeit. Die Schirn zeigt Werke von u. a. Jean-Michel Basquiat, RAMM:ΣLL:ZΣΣ

(Rammellzee), Adam Pendleton oder Gajin Fujita, die zentrale Elemente des Graffiti auf Papier, Leinwand oder großformatigen Holzplatten umsetzen. Manche Botschaften sind für alle verständlich, während andere in Verweisen, Technologien oder Formen verschlüsselt sind, die Insiderwissen erfordern und für sich beanspruchen, nicht allgemein verstanden zu werden.

Die Ausstellung wurde organisiert vom Baltimore Museum of Art und dem Saint Louis Art Museum und wird präsentiert in Zusammenarbeit mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt.

Die Ausstellung „THE CULTURE“ in der Schirn wird im Kunstverein Familie Montez mit der Videoinstallation ISDN (2022) von Stan Douglas fortgesetzt sowie erweitert durch eine Ausstellung rund um Milestones des Hip-Hop im MOMEM, eine Filmreihe zur 50-jährigen Geschichte des HipHop im DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum und einer Aktion des Diamant Offenbach: Museum of Urban Culture.

Sowohl die Ausstellung als auch die Publikation werden von einem umfangreichen Netzwerk aus Berater*innen unterstützt, darunter Mitglieder der Community, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen, die sich mit Hip-Hop beschäftigen.

Künstler und Künstlerinnen der Ausstellung: Abbey Williams, Adam Pendleton, Adrian Octavius Walker, Alex de Mora, Alvaro Barrington, Amani Lewis, Anthony Olubunmi Akinbola, Babe Ruth, Baby Phat, Bruno Baptistelli, Caitlin Cherry, Carrie Mae Weems, Chance the Rapper, Charles Mason III, Cross Colours, Daniel „Dapper Dan“ Day, Damon Davis, Deana Lawson, Derrick Adams, Devan Shimoyama, Devin Allen, Dionne Alexander, El Franco Lee II, Eric N. Mack, Ernest Shaw Jr., Fahamu Pecou, Gajin Fujita, Hank Willis Thomas, Hassan Hajjaj, James Brown, Jayson Musson, Jean-Michel Basquiat, Jen Everett, John Edmonds, Jonathan Lyndon Chase, Jordan Casteel, José Parlá, Joyce J. Scott, Julie Mehretu, Kahlil Joseph, Kahlil Robert Irving, Kudzanai Chiurai, LA II, Larry W. Cook, Lauren Halsey, Luis Gispert, Maï Lucas, Malcolm McLaren, Maxwell Alexandre, Megan Lewis, Michael Vasquez, Miguel Luciano, Miquel Brown, Monica Ikegwu, Murjoni Merriweather, Nina Chanel Abney, NIA JUNE, Kirby Griffin und APoetNamedNate, Nicholas Galanin, Pharrell Williams, Rammellzee, Rammellzee und K-Rob mit Jean-Michel Basquiat, Rashaad Newsome, Robert Hodge, Robert Pruitt, Roberto Lugo, Rozeal, Shabez Jamal, Sheila Rashid, Shinique Smith, Shirt, Stan Douglas, Tariku Shiferaw, Telfar Clemens, Texas Isaiah & Ms. Boogie, The Isley Brothers, TNEG (Arthur Jafa, Elissa Blount Moorhead, Malik Sayeed), Travis Scott, Troy Lamarr Chew II, Tschabalala Self, Virgil Abloh, Vivienne Westwood und Malcolm McLaren, Wales Bonner, Willy Chavarria, Wilmer Wilson IV, Yvonne Osei, Zéh Palito.

RAHMENPROGRAMM Im umfassenden Rahmenprogramm der Ausstellung kommen zudem weitere Stimmen zu Wort. THE VOICES In dem partizipativ angelegten Projekt sprechen Protagonist*innen mit regionalen Szenebezug zu Themen und Werken der Ausstellung in persönlichen Statements und stellen auf dieser Vermittlungsebene innerhalb der Ausstellung weiteren Kontext zu dem Gesehenen bereit OPENING CELEBRATION Die Ausstellung wird am 28. Februar eröffnet mit DJ-Sets von DJ Haitian Star aka Torch (Advanced Chemistry) und Chelo. EXPERT TALK Am 29. Februar sprechen die Co-Kurator*innen der Ausstellung, Asma Naeem (Direktorin des Baltimore Museums of Art) und Andréa Purnell (Saint Louis Art Museum) mit Schirn Kurator Matthias Ulrich über den Einzug von Hip-Hop in die zeitgenössische Kunst FEEDBACK In der Talk-Reihe mit Miriam Davoudvandi sprechen jeweils am 5. März und 7. Mai weibliche Persönlichkeiten der deutschen Hip-Hop- und Rap-Szene wie OG LU, Cora E., Liz und Sabrina Setlur mit der Gastgeberin SCHIRN AT NIGHT Die legendäre Party zelebriert am 13. April „THE CULTURE“ stilecht mit Live-Performances und einer Hip-Hop-Jam BLOCKPARTY Am 27. April findet eine Blockparty um den Kunstverein Familie Montez statt WORD CUP RELOADED Die Veranstaltung in drei Teilen am 17.,18. und 19. Mai orientiert sich am ehemaligen Hip-Hop-TV-Format VIVA Word Cup und wird in adaptierter Form live in die Schirn geholt. Kuratiert von Joana Tischkau, Nuray Demir, Mearg Negusse, Sophie Yukiko, Meliha Cinar und moderiert von Tyron Ricketts

KATALOG THE CULTURE. HIP HOP AND CONTEMPORARY ART IN THE 21ST CENTURY, herausgegeben von Diana Murphy und Virginia Gresham, mit Beiträgen von Devin Allen, Salome Asega, Lawrence Burney, Rikki Byrd, Valerie Cassel Oliver, Aurélie Clemente-Riuz, Sekou Cooke, Martha Cooper, Martha Diaz, David A. M. Goldberg, Gamynne Guillotte, René de Guzman, Mona Haydar, Ebony L. Haynes, Tahir Hemphill, Jillian Hernandez, Michael Holman, Msia Kibona Clark, Hannah Klemm, Lindsay Knight, Maï Lucas, Charity Marsh, Jesse McCarthy, Jeffrey Q. McCune Jr., madison moore, Jordana Moore Saggese, Noriko Manabe, Alex de Mora, Asma Naeem, Jessica N. Pabón-Colón, Hardeep Pandhal, Wendel Patrick, Alphonse Pierre, Andréa Purnell, Simon Reynolds, Seph Rodney, Elena Romero, Franklin Sirmans, Skeme, Danez Smith, Lester Spence, Greg Tate, Carol Tulloch, Charles Tshimanga, TT The Artist, D. Waktins, Simone White, Ekow Eshun, Lydia Yee, englische Ausgabe, 306 Seiten, ca. 235 Abbildungen, 23,5 x 30 cm, Hardcover, Gregory R. Miller & Co. Verlag, ISBN 978-1-941366-54-7, 45 € (an der Schirn Kasse und im OnlineShop).

BROSCHÜRE THE CULTURE. HIP-HOP UND ZEITGENÖSSISCHE KUNST IM 21. JAHRHUNDERT, herausgegeben von Matthias Ulrich, mit Beiträgen von Charlotte Furtwängler und Oliver Kautny (beide Cologne Hip Hop Institute), deutsche und englische Ausgabe, je 40 Seiten, 11 x 16,5 cm, ohne Verlag

ORT SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, 60311 Frankfurt am Main DAUER 29. Februar – 26. Mai 2024 INFORMATION schirn.de E-MAIL welcome@schirn.de TELEFON +49.69.29 98 82-0 TICKETS im Onlineshop unter schirn.de/shop und an der Schirn Kasse

TICKETS im Onlineshop unter schirn.de/shop und an der Schirn Kasse

EINTRITT 12 €, ermäßigt 10 €, freier Eintritt für Kinder unter 8 Jahren

ÖFFNUNGSZEITEN Di, Fr bis So 10-19 Uhr, Mi und Do 10-22 Uhr

INDIVDUELLE FÜHRUNGEN BUCHEN Individuelle Führungen oder Gruppenbuchungen sind buchbar unter fuehrungen@schirn.de
INFORMATIONEN ZUM BESUCH Alle Informationen zum Besuch unter schirn.de/besuch/faq