Frankfurt am Main, 13.10.2023. Eine Yupik-Maske aus Alaska, eine Malerei der Aborigines, eine Miniaturlandschaft aus der Song-Dynastie, ein holländisches Interieurgemälde aus dem 17. Jahrhundert: Was ein Bild zeigt oder gerade nicht zeigt, enthüllt ein bestimmtes figuratives Schema, das durch die formalen Mittel und durch die Anordnung, mit der es seine Wirkungskraft entfaltet, gekennzeichnet ist. Der bedeutende französische Anthropologe Philippe Descola stellt am 21. Oktober sein Buch „Die Formen des Sichtbaren – eine Anthropologie der Bilder“ in einer Diskussion mit Peter Geimer, Leiter des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris, im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt vor.
Bilder ermöglichen uns einen Zugang zu dem, was unterschiedliche menschliche Lebensformen ausmacht. Gestützt auf einen globalen und historisch weit ausgreifenden Vergleich von Werken einer atemberaubenden Vielfalt, entwickelt Philippe Descola in seinem Buch Buch „Die Formen des Sichtbaren – eine Anthropologie der Bilder“ die Grundlagen für eine Anthropologie der menschlichen Bildkunst.
Die bildliche Darstellung ist laut Descola nicht allein der Fantasie derer überlassen, die die Bilder erschaffen. Wir stellen nur dar, was wir wahrnehmen, oder uns vorstellen, und wir stellen uns nur vor und nehmen nur wahr, was uns die Gewohnheit zu unterscheiden gelehrt hat. Der visuelle Pfad, den wir bei der Abbildung der Welt einschlagen, hängt für Descola daher davon ab, welcher der vier Regionen des von ihm entdeckten ontologischen Archipels wir angehören: Animismus, Naturalismus, Totemismus oder Analogismus. Jeder von ihnen entspricht eine bestimmte Art, die Welt zu begreifen, ihre Kontinuitäten und Diskontinuitäten wahrzunehmen.
Philippe Descola, geboren 1949, ist emeritierter Professor für Anthropologie am Collège de France, Directeur d’Études an der École des Hautes Études en Sciences Sociales EHESS und gilt als einer der bedeutendsten französischen Anthropologen der Gegenwart. In seinen Forschungen entwickelt er eine vergleichende Anthropologie, die sowohl die Humanwissenschaften als auch die Reflexion über die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit revolutioniert hat. Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit der Goldmedaille des Centre national de la recherche scientifique (CNRS), der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung Frankreichs. Sein Buch „Die Formen des Sichtbaren. Eine Anthropologie der Bilder“ gewann 2021 den Prix Fondation Martine Aublet.
Lesung: Philippe Descola „Die Formen des Sichtbaren“ Datum: Samstag, 21. Oktober 2023, 19.30 Uhr Ort: Senckenberg Naturmuseum Frankfurt, Senckenberganlage 25, 60325 Frankfurt
Durch den Abend führt Peter Geimer, Leiter des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris.
Begrüßung: Brigitte Franzen, Direktorin des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt. Übersetzung ins Deutsche: Marianne Crux
Eine Veranstaltung des Institut français Deutschland in Kooperation mit dem Senckenberg Naturmuseum und mit dem IFRA-SHS / Institut français Frankfurt.
„Man könnte ja auch sagen, die Insekten nerven. Was wir beim ‚Manchmal-Nerven‘ gerne vergessen, ist, dass sie eigentlich ständig für uns da sind, und wir ständig auf sie angewiesen sind“, eröffnet Prof. Dr. Andreas Mulch, Leiter des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt, gemeinsam mit Senckenberg-Direktorin Dr. Brigitte Franzen sowie ISOE-Leiterin Dr. Marion Mehring und Ausstellungskurator Maximilian Bugert den Presse-Rundgang durch die neue Sonderausstellung „Stadtinsekten – Frankfurts kleine Helfer“ vom 29.09.2023 bis 01.12.2024.
Die in die drei Bereiche „Gefahren und Chancen für Stadtinsekten“, „Kleine Helfer“ und „Erforschung der Stadtinsekten“ gegliederte Ausstellung lädt dazu ein, die faszinierenden kleinen Lebewesen und ihre oftmals dem städtischen Umfeld angepassten Lebensweisen in Frankfurt kennenzulernen und (wert-)schätzen zu lernen. Zudem sind die Bürger von jung bis alt dazu eingeladen, diese kleinen Wesen gemeinsam mit Wissenschaftlern im Rahmen des Projektes „SLInBio“ zu erforschen . Denn die Ausstellung ist zugleich Teil des großen interdisziplinären Forschungsprojektes „SLInBio – Städtische Lebensstile und die Inwertsetzung von Biodiversität: Libellen, Heuschrecken, Hummeln und Co“ unter Leitung des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE). Beteiligt an diesem deutschlandweit einmaligen Projektverbund sind neben ISOE und dem Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum auch die Goethe-Universität, NABU Frankfurt am Main e.V., BioFrankfurt – Das Netzwerk für Biodiversität e.V., Palmengarten der Stadt Frankfurt sowie Grünflächenamt und Umweltamt der Stadt Frankfurt.
„In Frankfurt und Umgebung kommen erstaunlich viele Insekten vor und sie erfüllen Aufgaben, die auch für uns Menschen nützlich sind. Die Insekten übernehmen wichtige Funktionen, denn sie sind Bestäuber, Aasbeseitiger und natürliche Schädlingsbekämpfer und vieles mehr. Für eine intakte Natur und damit auch für den Menschen sind sie unersetzlich“. erläutert Dr. Brigitte Franzen, Direktorin des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt.: „Wir möchten mit der Ausstellung ein Gefühl der Wertschätzung für diese kleinen Helfer und ihre Leistungen wecken, die zu oft unbeachtet bleiben.“
Die Ausstellung zeigt, dass in Städten wie in Frankfurt ganz unterschiedliche Insektengruppen auf engem Raum ein Mosaik aus ganz verschiedenen Lebensräumen bilden können. Diese Habitatstrukturen mitsamt ihrer Bewohner werden beispielhaft vorgestellt: Brachflächen, ursprüngliche Waldstücke, wie der Frankfurter Biegwald, städtische Parks und botanische Gärten, Streuobstwiesen, private Gärten aber auch die Innenstadt bieten unterschiedlichsten Insekten einen Lebensraum. „Um einen Überblick über die hier lebenden Insekten zu bekommen, waren die Ergebnisse des Projekts „Biotopkartierung“, das im Auftrag des Umweltamtes der Stadt Frankfurt am Main durch das Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt erfolgt ungeheuer hilfreich,“ sagt Kurator der Ausstellung Maximilian Bugert und erläutert weiter: „Seit 1985 wurden hier Wildnisflächen in der Mainmetropole untersucht. Viele der dabei gefundenen Arten, zeigt das Senckenberg Naturmuseum in seiner Schau.
Dazu gehört auch die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens): wunderschön, wenn sie ihre hellblauen Flügel öffnet, aber ansonsten fast unsichtbar, da hervorragend getarnt. Die in ganz Europa unter Schutz stehende Art ist auf Frankfurts Brachflächen regelmäßig anzutreffen. Das „Chamäleon“ unter den Insekten kann die Körperfarbe in ein bis zwei Tagen der Umgebung anpassen. „Nicht genutzte Brachflächen werden in der Stadt in kurzer Zeit von der Natur erobert. Sie verändern sich aber auch schnell, so dass verschiedene Pflanzen und Insekten dort einen Lebensraum finden. Erst gibt es dort offene Böden, die zum Beispiel einen Lebensraum für erdnistende Bienen oder die Ödlandschrecke bieten, dann wachsen niedrige Stauden und Gräser bis Gehölze und Bäume hinzukommen, die dann meistens wieder gerodet werden“, erklärt Bugert.
Langlebigere Lebensräume in Frankfurt sind Waldgebiete, wie der Biegwald – ein Stück „alter Wildnis“ zwischen Bockenheim und Rödelheim. Dort krabbelt beispielsweise der Heldbock (Cerambyx cerdo) auf ursprünglichen, dickstämmigen Eichen. Er gilt deshalb als „Urwaldrelikt“ und gehört – mit einer Größe von einem kleinen Finger – zu den größten Käfern Europas. Er ist vom Aussterben bedroht und gilt als streng geschützt. In der Ausstellung können Besuchende dem Heldbock helfen zu überleben, indem sie ihm „Trittsteine“ anbieten, um von einem Lebensraum zum anderen zu gelangen.
Als optisches Highlight zieht das überproportional, im Maßstab von 40:1 erstellte Modell einer Hainschwebfliege die Besucher beim Betreten der Ausstellung sofort unweigerlich in ihren Bann und ins Thema „Stadt-Insekten“ hinein. Fast wie Blick durch ein Horoskop präsentiert sich die genial gestaltete Fliegenskulptur den Besuchern. Zunächst glaubt man, dass es sich bei dem „Wesen“ um eine Wespe handeln könnte. Denn die Hainschwebfliege ähnelt mit ihrem gelb-schwarz geringelten Hinterleib ein wenig einer großen Wespe, oder gar einer kleineren Hornisse. Die sich von Nektar ernährende Hainschwebfliege verfügt jedoch, anders als die Wespen, über keinen Giftstachel. Sie ist für Menschen absolut harmlos, und ungeheuer nützlich als Bestäuber sehr vieler Pflanzen, sogar von Petersilie. Das dürfte besonders die Frankfurter freuen, da Petersilie bekanntermaßen eines der sieben benötigten Grüne-Soße-Kräuter ist. Zudem vertilgt die Hainschwebfliege Blattläuse. Früher hätte man gesagt: Die Hainschwebfliege ist ein absoluter Nützling, was jedoch, ganzheitlich drauf geschaut, Blödsinn ist, da es keine wirklichen Schädlinge gibt. Alle Insekten sind in ihrer Gesamtheit für unser aller Ökosystem wichtig und wert geschützt und unterstützt zu werden.
Für Wespen die Maus auf dem Teller so lecker wie ein Schnitzel
Als weiterer Eyecatcher dürfte auch die Installation einer auf den ersten Blick „typischen“ Gartentisch-Garnitur“ Besucher in ihren Bann ziehen. Erst auf den zweiten Blick offenbar sich, was wirklich auf den Tellern liegt: eine tote Maus, an der sich die Wespen genauso laben, wie an dem Schnitzel mit grüner Soße auf dem zweiten Teller. Was viele nicht wissen: Wespen sind nicht nur Bestäuber, sondern auch Aasfresser, und helfen, Kleintier-Kadaver (in Städten) zu beseitigen. Zudem fangen Wespen Mücken, um ihre Brut damit zu füttern. Wespen am Hause halten Mücken fern.
Was Insekten noch alles für uns leisten, wird im Ausstellungsbereich „Kleine Helfer“ besonders auch am Beispiel der Streuobstwiesen klar. Ohne Bestäuber sähe die Qualität der Apfelernte anders aus. Frankfurter Kulturgüter wie der Apfelwein oder, wie erwähnt, die Grüne Soße wären seltene, kostspielige Güter. Insgesamt neun Symbole erinnern in der Ausstellung immer wieder daran, welche Systemleistungen Insekten kostenlos für uns bereitstellen: vom Bestäuben, über das Recyceln von Materialien, als Futter für andere Tiere bis zur Erholung. Auf der Parkbank in der Ausstellung können Besuchende zum Beispiel die Schönheit und Vielfalt der sechsbeinigen Helfer ganz bewusst genießen und dabei entspannen: Über einen Beamer werden Bilder von Frankfurter Stadtinsekten projiziert. Auch eigene Fotos können dafür per E-Mail an stadtinsekten@senckenberg.de eingeschick werden; sie werden regelmäßig in der Ausstellung ergänzt.
Bei aller Vielfalt sind die Stadtinsekten aber auch einigen Gefahren ausgesetzt, sei es durch Lichtverschmutzung bei der Straßen- und Gebäudebeleuchtung oder durch mit Pestiziden belastete Baumaterialien, die ins Grundwasser gelangen. „Für die Erhaltung der Insektenvielfalt ist auch die Stadtgesellschaft gefragt“, sagt Prof. Dr. Andreas Mulch, Leiter des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt und Senckenberg-Direktoriumsmitglied und erläutert: „Das Verhalten der Menschen hat direkten Einfluss auf die Vielfalt von Libellen, Schmetterlingen, Bienen und anderen Insekten. Die Forschung des Projekts SLInBio soll helfen, Maßnahmen zu identifizieren, durch die die Insektenvielfalt in der Stadt gefördert werden kann. In der Ausstellung thematisieren wir die Forschung und geben erste Anregungen.“ „Um Insekten zu schützen, braucht es ein breites Bündnis und Wissen, wie wichtig Insekten für uns als Gesellschaft sind. Das loten wir im Forschungsprojekt SLInBio aus“, sagt Projektleiterin Dr. Marion Mehring vom ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung. „Die Ausstellung ist ein zentrales Element unserer Forschungsarbeit, die nach den Auswirkungen städtischer Lebensstile auf die Insektenvielfalt fragt.“
In dem Kooperationsprojekt SLInBio wird unter anderem auch von Senckenberg-Entomologen untersucht, wie es konkret um die Insektenvielfalt in den privaten Gärten Frankfurts steht. Dazu haben sie 16 Hausgärten und Kleingartenparzellen in Frankfurt untersucht. Dort nahmen sie DNA-Proben von Insektenspuren auf Blütenköpfen, Blättern sowie aus dem Wasser um nachzuweisen, welche Insekten dort vorkommen. Die Auswertungen sind noch nicht abgeschlossen, doch die ersten Ergebnisse zeigen bereits, dass die Gärten selbst in Großstädten wie Frankfurt insektenreich sein können.
Wer mithelfen möchte, mehr über die Insektenvielfalt in Hessen herauszufinden, kann über das Projekt „Insekten Hessen“ (https://portal.insekten-hessen.de) eigene Beobachtungen mit dem Mobiltelefon dokumentieren und hochladen. Ein Zähler in der Ausstellung zeigt die aktuellen Zahlen der gemeldeten Insektenarten, der Individuen und der Personen, die mitmachen.
„Stadtinsekten – Frankfurts kleine Helfer“ 29. September 2023 bis 01. Dezember 2024 Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.
Senckenberg Naturmuseum
Senckenberganlage 25,
60325 Frankfurt am Main
Eintritt
Erwachsene (ab 18 Jahre) 12,00 €
Kinder, Schüler*innen, Jugendliche
ab 6 Jahre
4,50 €
Familie: 2 Erwachsene und
bis zu 3 Kinder von 6-17 Jahren
30,00 €
Vom 8. September bis 3. Dezember 2023 zeigt das Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt die einzigartige Ausstellung „Floralia: Merian – Schultz – Crespo“ -Drei Frauen zwischen Kunst und Erforschung“ mit brillanten historischen Zeichnungen und Malerei von Motiven aus der Pflanzen- und Insekten-Welt.
Frankfurt am Main, 7.9.2023. Drei außergewöhnliche Frankfurterinnen, drei Epochen, eine Leidenschaft: Maria Sibylla Merian (1647–1717), Elisabeth Schultz (1817–1898) und Ulrike Crespo (1950–2019) stehen für die Beobachtung der Pflanzenwelt (Flora) und ihre Dokumentation. Das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt zeigt eine Auswahl ihrer eindrucksvollen Zeichnungen und Malereien sowie druckgrafischen und experimentell-fotografischen Arbeiten. Die Analyse der Flora ist ein wichtiges Gebiet der Biodiversitätsforschung. Gleichzeitig sind Pflanzendarstellungen in der Kunst ein reizvolles Motiv. In Frankfurt haben es diese drei Persönlichkeiten zur Meisterschaft der künstlerisch-wissenschaftlichen Auseinandersetzung und Bildgebung gebracht. Die Ausstellung stellt ihre Werke epochenübergreifend gegenüber und beleuchtet das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst. Die Schau wird gefördert von der Crespo Foundation.
Rot leuchten die zarten Blütenköpfe des filigran und naturgetreu gezeichneten Klatschmohns. Auf den blau-lila, an Hortensien erinnernden Blütenblättern lassen Regentropfen ganz eigene Muster und Farbmischungen entstehen. Eine Raupe erklimmt die Goldgelbe Lilie, auf deren Blättern verschiedene Insekteneier und Puppen liegen, während darüber schon der geschlüpfte Falter thront. Elisabeth Schultz, Ulrike Crespo und Maria Sibylla Merian sind die Schöpferinnen dieser außergewöhnlichen, exemplarisch herausgegriffenen Pflanzenportraits – Ulrike Crespo bezieht natürlichen Regen mit ein, in Merians Fall wird dabei sogar das Zusammenspiel der Tiere und ihrer Futterpflanze im Ökosystem dargestellt.
„Die Verbindung einer künstlerischen mit einer forschenden Tätigkeit ist das Besondere an den Werken der drei – von uns in der neuen Sonderausstellung portraitierten – Frauen. In ihren Werken kommt eine Neugier, ein Drang zum Entdecken und ein geduldiges Befassen mit Details in Naturräumen und Beobachten von Zusammenhängen zum Ausdruck“, erläutert Kuratorin und Museumsdirektorin Dr. Brigitte Franzen und fährt fort: „Anhand ihrer Arbeiten zeigt die Ausstellung die Blickweisen und Untersuchungsinteressen der drei Frauen über die jeweiligen Zeitalter des Barock, der Industrialisierung und der Postmoderne hinweg und beleuchtet dabei das Verhältnis von Natur, Wissenschaft und Kunst.“
Von Maria Sibylla Merian werden mehrere Originalexemplare ihres berühmten Raupenbuches „Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung“, (unkoloriert, koloriert und Umdruckexemplar) präsentiert. In detailreich komponierten Darstellungen veranschaulichte sie den Zyklus eines Insekts: vom Ei über die Raupe und das Stadium der Puppe bis hin zum Falter – arrangiert um die und auf der jeweiligen Nahrungspflanze. Diese Darstellungsform war ihre künstlerische Erfindung. Allen ihren Arbeiten gingen empirische Beobachtungen voraus. Sie studierte die Insekten, ihre Entwicklung und ihren natürlichen Lebensraum, begann die Tiere zu züchten und systematisch zu erforschen. Ihre Tätigkeit als zeichnende Naturkundlerin beziehungsweise naturkundlich forschende Künstlerin war eine Ausnahme in ihrer Zeit. An einer Medienstation können Besuchende digital durch das Raupenbuch sowie Merians Buch mit Surinamischen Pflanzen und Insekten „Dissertatio De Generatione Et Metamorphosibus Insectorum Surinamensium“ blättern. Darüber hinaus sind bisher nahezu unbekannte, Merian zugeschriebene Originalzeichnungen von Pflanzen mit Tieren sowie Handmalereien von Insekten, Schnecken und Blumen nach Georg Hoefnagel zu sehen.
Elisabeth Schultz widmete ihre künstlerische Arbeit der vollständigen Dokumentation der Frankfurter Flora. Über 40 Jahre hinweg entstand ein bis heute einzigartiges Kompendium von über 1200 Gouachen, mit dem die Künstlerin einen „Atlas der wildwachsenden Pflanzen aus der Umgebung von Frankfurt am Main“ schuf. Rund 40 Blätter aus diesem Gesamtwerk, dass sie der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung nach ihrem Tod vermachte, sind erstmals in der Ausstellung zu sehen. Versehen sind die Werke mit den botanischen Bestimmungen im Lateinischen wie auch den deutschen Trivialnamen. Obwohl Schultz weder den genauen Fundort noch das Funddatum vermerkte, gibt ihre Arbeit einen Einblick in die Frankfurter Pflanzenwelt zu ihrer Lebzeit. „Ihre Darstellung erinnert an Vorgehensweisen in Herbaren, Sammlungen konservierter, meist getrockneter und gepresster Pflanzen, bei der alle Teile einer Pflanze zergliedert und auf einem Papierbogen zusammengebracht werden“, erklärt Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. So stellt Schultz auch Blätter umgedreht dar, um die Unterseite erkennen zu lassen, oder knickt ganze Pflanzenteile ab, wenn sie für die Darstellung auf einer Seite zu groß sind. „Ihre Werke erfüllen dabei wissenschaftliche Standards botanischer Zeichnungen, wie Vollständigkeit, Realitätsgebundenheit und faktische Authentizität“, führt Tockner aus. Gleichzeitig folgen sie einer eigenen Bild- und Lichtregie, bei der mit künstlerischen Stilmitteln Plastizität und Räumlichkeit erzeugt werden, denn ihren Lebensunterhalt verdiente sie als Zeichenlehrerin. 1897 wurde Schultz als erste Frau zum Ehrenmitglied der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, heute Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, ernannt.
Von Ulrike Crespo wird eine Auswahl ihrer „Rainflowers“ gezeigt. Die Arbeiten sind untrennbar mit „Glenkeen Garden“ verbunden, einem Landschaftspark mit verschiedenen gärtnerisch gestalteten und natürlich belassenen Zonen, den die Künstlerin gemeinsam mit ihrem Partner Michael Satke an der Küste in West Cork, Irland in langjähriger Arbeit angelegt hat. Sie nähert sich den Pflanzen fotografisch und experimentell. Die individuellen Blütenstände oder Blätter sind ihr Material, das sie im Fall der „Rainflower“-Serie, die über 200 Blätter umfasst, direkt auf die Scanfläche eines Farbkopierers arrangiert, um den Ausdruck anschließend dem Wetter auszusetzen. Die durch Regenwasser unterschiedlich stark aufgelösten Farben verleihen ihren Werken die besonderen, abstrakten Effekte. Im darauffolgenden Transformationsprozess scannt Crespo die Motive erneut ein, um den bildnerischen Prozess digital abzuschließen. Ihre „Rainflowers“ rücken das Spiel von exakter digitaler Aufzeichnung und zufälligen, durch die Naturelemente entstehenden Mustern ins Zentrum. Das endgültige Format der Motive dieser Serie behandelt die Künstlerin sehr offen, je nach Ort und Funktion, als wandfüllende Arbeit oder als Fotoobjekt. Die Ausstellung zeigt die kleinformatigen „Originalvorlagen“, die für die finalen Bilder wiederum eingescannt wurden, mehrere großformatige ungerahmte Drucke sowie ein Motiv als Fototapete, das über eine ganze Wand des Ausstellungsraumes gezogen ist.
Alle drei Frauen verbindet neben ihrer kenntnisreichen Blickweise auf das Feld der Botanik ihr besonderes Interesse an der Publikation ihrer Darstellungen in Form von Büchern oder Kompendien. Die Veröffentlichung der eigenen Arbeit kommt bis heute einer Art „Ritterschlag“ im Wissenschafts- und Kunstsystem sowie in der öffentlichen Wahrnehmung gleich. Merian und Schultz ermöglichte die künstlerische Auseinandersetzung mit der Natur einen Zugang zur Beschäftigung mit diesem – in ihrer Zeit von Männern dominierten und Frauen lange verwehrten – naturwissenschaftlichen Feld. Immer noch spielen das Zeichnen, das bildliche Dokumentieren und das Erstellen von Infografiken in den Naturwissenschaften eine zentrale Rolle zur Erfassung der beobachteten Welt. Die Publikationen der drei Künstlerinnen ermöglichen bis heute eine Verbreitung ihrer Werke. In der Ausstellung werden auch historische Hintergründe sowie die unterschiedlichen Produktionsprozesse vergleichend reflektiert.
„Floralia: Merian – Schultz – Crespo“
8. September bis 3. Dezember 2023
Senckenberg Naturmuseum Frankfurt
Senckenberganlage 25
60325 Frankfurt
Eintritt
Erwachsene (ab 18 Jahre) – 12,00 €
Kinder, Schüler*innen, Jugendliche ab 6 Jahre – 4,50 €
Familie: 2 Erwachsene und bis zu 3 Kinder von 6-17 Jahren – 30,00 €
Minifamilie: 1 Erwachsene*r und 2 Kinder von 6-17 Jahren – 18,00 €
Salzkristalle wachsen auf einer korallenartigen Keramik – einem „tentakulären Wesen“ der Installation „Looking for Medusa“. Foto: Linda Weiß
Frankfurt am Main, 01.06.2023. Korallen und Riffe sehen, hören und fühlen, also multisensorisch erfahren – dazu lädt die Installation „Looking for Medusa“ ab dem 2. Juni 2023 ein. Inspirationsquelle der Künstlerinnen Linda Weiß und Nina M.W. Queissner sind Ovids „Metamorphosen“, in denen der Dichter die mythische Geburt der Koralle aus dem Blut der Medusa erzählt. In einem hypothetischen und experimentell angelegten Lebensraum verschmelzen Skulptur und Klang miteinander. Die Fragilität und die Faszination der Riffe, ihre Gefährdung und ihre Geheimnisse sind der Resonanzboden für das Projekt. Die Installation ist Teil der Ausstellungsreihe „Triff das Riff!“, die das komplexe System Korallenriffe nacheinander aus den drei Perspektiven „Gesellschaft“, „Kunst“ und „Forschung“ beleuchtet. Mit diesem Format erprobt Senckenberg innovative und flexible Ausstellungsformen, um das Museum als Ort des Dialogs und Diskurses zu öffnen sowie aktuelle Entwicklungen und unterschiedliche Sichtweisen in Dauerausstellungen einzubringen.
Auf einer mit Seegras gepolsterten Liegefläche können Besucher*innen dokumentarischen und imaginären Unterwasserklängen lauschen, die Gerüche der getrockneten Wasserpflanzen wahrnehmen und fühlen, wie sich der Klang per Körperschallwandler auf dem Untergrund und dem eigenen Körper ausbreitet. Über ihren Köpfen schweben auf zwei transparenten Platten Keramiken, deren Formen Wasserlebewesen nachempfunden sind. Die Objekte bilden teils farbige Salzkristalle auf der Oberfläche aus, sodass bizarre Muster und Strukturen auf dem Glas entstehen. Umgeben ist dieser Ort in der Korallenriff-Inszenierung des Museums von großen Wandbehängen – besetzt mit phantastischen, organisch anmutenden Strukturen aus Gips, Textil und Leder. Hier und da wirkt es, als ob der Kopf einer Medusa aus dem fleischfarbenen Untergrund hervorbricht. Aus verborgenen Lautsprechern sind Wasserklänge zu hören.
„Für sich genommen ist das Korallenriff eine visuell sehr ausdrucksstarke Skulptur, eine hyperrealistische Konstruktion des Ökosystems Riff in verschiedenen Zuständen. Queissner und Weiß stellen sich der ungewöhnlichen Situation, nicht in einem unbesetzten Ausstellungsraum ein Projekt zu inszenieren. Stattdessen bauen sie neue Lesarten und ‚Kulturen der Natur‘ in den Raum ein. Sie bieten mit „Looking for Medusa“ verschiedene Zugänge zum Verständnis von Korallenriffen an“, sagt Museumsdirektorin Dr. Brigitte Franzen und fährt fort: „Plötzlich ist man umgeben von besonderen Klängen. Wandbehänge bilden einen Raum im Raum, in dem sich phantastische, mit Salz bewachsene Korallenwesen aufhalten. Die Installation hat eine außergewöhnliche Wirkung und ich freue mich darauf zu erleben, wie Besucher*innen den Raum für sich nutzen und den Anstoß aufnehmen, sich mit der Natur der Riffe und deren Interpretationen auseinanderzusetzen.“
In seinen „Metamorphosen“ beschreibt Ovid, wie Perseus der Medusa, dem Wesen mit dem versteinernden Blick und dem Schlangenhaar, den Kopf abschlägt. Als er das Haupt neben sich ablegt, berührt das Medusenblut die dort wachsenden Meerespflanzen und eine Metamorphose beginnt: Die Pflanzen verhärten sich zu Korallenstöcken, die Nymphen im Meer verstreuen. Die zentrale Klangkomposition ist inspiriert von der Geschichte der monströsen Transformation der Medusa zur Koralle. „Auf der Liegefläche kann man in diese Erzählung eintauchen“, sagt Queissner und erläutert weiter: „Die verwendeten Sounds sind eine Mischung aus Originalaufnahmen aus der Natur und im Studio produzierten Klängen. Wir haben uns stark mit den Reaktionen des Korallenriffs in Abhängigkeit von der stofflichen Zusammensetzung des Wassers beschäftigt. Deshalb beziehen sich die Klänge auch auf das Wasser in verschiedenen Bewegungs- und Aggregatzuständen. Die Zuhörer*innen werden eingeladen, in die verschiedenen Klangwelten unter Wasser einzutauchen.“
Um Transformation geht es auch bei den schwebenden Salzkristallexperimenten. Die kleinen Keramiken erinnern an Korallententakel; Weiß hat sie in Petrischalen verschiedenen Salzlösungen ausgesetzt. Die getrockneten Salzkristalle bilden eigene Strukturen auf den „tentakulären Wesen“, wie die Künstlerin sie nennt, und unterscheiden sich in Form und Farbe, je nachdem wie sich das Salz zusammensetzt. „Es ist faszinierend zu sehen, wie das Salzwasser die Körper durchdringt. Sie durchlaufen sozusagen einen Stresstest, und wir können beobachten, wie sie sich dabei transformieren.“ Eine weitere Skulptur ist so platziert, dass einige der salzbewachsenen Körper aus der Nähe erfahrbar werden.
Die Wandobjekte greifen visuelle und inhaltliche Aspekte des Riffs und der Figur der Medusa in ihren Formen und Farben auf. „Wie ausschnitthafte Fundstücke vom Meeresboden dokumentieren sie die Verwandlung der Medusa in steinerne Strukturen, sie oszillieren zwischen dem Marinen und dem Mythologischen,“ erörtert Weiß und sagt weiter: „Die Klänge, die Nina mit Hilfe der integrierten Lautsprecher hinzufügt, erwecken die Szenerie zum Leben.“ Queissner ergänzt: „Die marinen Klanglandschaften verleihen der Fauna und Flora eine Stimme. Ich habe sie mit Hydrophonen in Korallenriffen des südlichen Roten Meeres aufgenommen. Sie spielen mit den qualitativen Eigenschaften des Hörens über und unter Wasser. Die Differenzen dieser Sinneswahrnehmungen sind je nach Medium – Luft oder Wasser – frappierend und produzieren völlig unterschiedliche Klangfarben und -spektren.“
Auf der flexiblen Displayarchitektur des Künstlers Markus Zimmermann, dem „Transformer“, wird der Rechercheprozess zur Entstehung der künstlerischen Arbeit erläutert. Hier finden auch Zitate Raum, die zum Nachdenken über Transformation und Metamorphose anregen. Das multifunktionale Display-Modul ist ein zentrales Element der Ausstellungsreihe „Triff das Riff!“, das schnell und einfach mit neuen Inhalten bespielt werden kann und nahezu vollständig aus recycelten Materialien besteht. So ist es möglich, auf aktuelle Fragestellungen oder Anregungen von Besuchenden zu reagieren und Inhalte anzupassen.
Über die Ausstellungsreihe
„Triff das Riff!“ findet im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes „Temporäre Permanenz (TemPe) – Innovative und flexible Vermittlung aktueller gesellschaftlich relevanter Themen in Dauerausstellungen“ statt. Das Projekt wird stetig weiterentwickelt und vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE) in Bonn in Wirkung und Funktionalität erforscht. Das DIE untersucht, wie sich das komplexe Verhältnis von Inhalten und Form einer Ausstellung auf das Erleben im Museum und auf mögliche Lernprozesse auswirkt. Hierfür ist besonders interessant, den Einfluss der unterschiedlichen visuellen und multisensorischen Elemente der drei verschiedenen Perspektiven von „Triff das Riff!“ zu untersuchen.
Vom 2. Dezember 2022 bis 21. Mai 2023 war die Perspektive Gesellschaft zu sehen. Auf die künstlerische Perspektive von Nina M.W. Queissner und Linda Weiß, die ab 2. Juni 2023 gezeigt wird, folgt die Perspektive der aktuellen Forschung Anfang 2024.
Über die Künstlerinnen
Nina M. W. Queissner (geb. 1990, Darmstadt) hat in Frankreich und Belgien Bildende Kunst, elektroakustische Musik und Klangkunst studiert. Zu ihren künstlerischen Arbeiten gehören Installationen, Videos und Performances sowie Komposition für Kinoton und Radiosendungen. Mithilfe von Aufnahmetechnologien und Komposition von Klanglandschaften entwickelt Queissner eine praxisorientierte Forschung, die die ästhetische Erfahrungsdimension des Klangs in seiner Beziehung zu Landschaft und Umwelt untersucht.
Linda Weiß (geb. 1987, Hanau) studierte Freie Kunst an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main und schloss 2022 als Meisterschülerin ihr Studium an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart ab. In ihren Mixed Media-Installationen verschränkt sich Alltägliches mit sozio-ökologischen Metabolismen. Inspiriert ist ihr Materialumgang von taktilen Praktiken (Fermentieren, Kompostieren, Teig kneten, Recycling) und Methoden der Geistes- sowie Naturwissenschaften.
Das Kuratorinnen- und Projektteam
Die Entstehung der multisensorische Installation „Looking for Medusa“ wurde von der freien Autorin und Kuratorin Dr. Ellen Wagner betreut. Lisa Voigt ist Kuratorin der Ausstellungsreihe „Triff das Riff!“ vom Senckenberg Naturmuseum Frankfurt. Sie betreute und gestaltetet gemeinsam mit Senckenberg-Kollegin Christina Höfling auch die Perspektive Gesellschaft. Die Koordination des Gesamtprojekts liegt bei Katarina Haage, ebenfalls vom Senckenberg Naturmuseum Frankfurt.
Rahmenprogramm:
Interessant sind zudem die weiteren Veranstaltungstermine rund um die Ausstellung „Triff das Riff!“. Eine aktuelle Übersicht und alle weiteren Informationen zu Themen, Terminen und zur Anmeldung finden Sie dann unter: https://museumfrankfurt.senckenberg.de/de/kalender/
Frankfurt, 17.03.2023. Mauerblümchen, Ritzenrebellen und Co: Das neue Buch „Das wächst in deiner Stadt“ bietet urbane Vielfalt buchstäblich zum Niederknien. Der Naturführer von Senckenbergerin Dr. Julia Krohmer und Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein von der Universität Freiburg richtet den Blick auf die unzähligen kleinen Kräuter und Gräser in den Ritzen, Fugen und Ecken der Städte. Das Bestimmungsbuch lädt alle Menschen dazu ein, genauer hinzusehen – denn viele nehmen Pflanzen, wenn überhaupt, nur als grünen Hintergrund oder Straßenbegleitgrün wahr. Dies soll sich nun dank des gerade erschienenen Buches ändern.
An das letzte Tier, das sie gesehen haben, erinnern sich die meisten Menschen. Aber wie ist das bei der letzten Pflanze? Viele nehmen Pflanzen eher als Hintergrund oder grüne Dekoration war. Nur die wenigsten achten auf die Form der Blätter oder eine besondere Wuchsform. Diese sogenannte „Plant Blindness“ führt zur mangelnden Wertschätzung von Pflanzen und zu einem begrenzten Interesse an ihrem Schutz und ihrer Bewahrung – fatal gerade in den Städten, wo Pflanzen dringend gebraucht werden, um die Folgen des Klimawandels abzumildern. Ein neuer Stadtnaturführer lädt dazu ein, gegen diese „Pflanzenblindheit“ vorzugehen, den Blick vom Smartphone eine Etage tiefer zu richten – und zu staunen, was am Boden alles wächst!
„Wer hinschaut, findet sogar in unseren von Beton und Asphalt geprägten Innenstädten überall Leben: Winziges, zähes Grün wächst, zwischen Pflastersteinen, in Rinnsteinfugen und Mauerritzen. Und eben nicht nur Grün, sondern eine Vielzahl von Kräutern, Gräsern und Moosen“, erläutert Krohmer und fährt fort: „In Deutschland haben sich etwa 500 Arten an diese extremen Bedingungen angepasst und stellen, in dem sie Tritt- und Fahrbelastung, Hitze, Bodenverdichtung und Verschmutzung trotzen, wertvolle Mikro-Ökosysteme für zahlreiche Insekten und andere Organismen dar. Die meisten der städtischen ‚Unkräuter‘ liefern reichlich Nektar und Pollen. Viele blühen schon sehr früh im Jahr und sind deshalb als Nahrungsquelle gerade dann wichtig, wenn es noch wenige Blüten für Insekten gibt. Kaum zu unterschätzen ist auch die Bedeutung der Pflasterfugenvegetation als Trittsteinbiotop für die Verbindung von Lebensräumen in der stark zerschnittenen Stadtumgebung.“
Auch für den Menschen sind die „Ritzenrebellen“ laut der Autorinnen vielfältig nützlich: Ein dichter Bewuchs in den Fugen des Kopfsteinpflasters erhöht dessen Festigkeit. Grüne Fugen nehmen Oberflächenwasser auf, erhöhen die Versickerung und binden Staub. An heißen Sommertagen tragen sie beträchtlich zur Kühlung der gepflasterten Flächen bei – sogar im zweistelligen Grad-Bereich. „Und außerdem sind sie, spätestens auf den zweiten Blick, auch einfach schön, nicht nur durch ihre Blüten, sondern auch durch die Formenvielfalt ihrer Blätter“, ergänzt die Senckenbergerin.
Am Beispiel von Frankfurt am Main lässt sich zeigen, dass die Flächen, um die es hier geht, gar nicht unbeträchtlich sind. Im öffentlichen Raum nehmen die gepflasterten Areale circa zwei Prozent der Stadtfläche ein, das sind rund sechseinhalb Quadratkilometer. Bei den 63 verschiedenen Pflastertypen beträgt der Anteil der Fugenfläche je nach Typ 15 bis 35 Prozent, was dann stadtweit ein bis zwei Quadratkilometern entspricht – zum Vergleich: die sieben Frankfurter Naturschutzgebiete haben eine Gesamtfläche von etwas über einem Quadratkilometer. Im Rahmen einer 2013 bei Senckenberg durchgeführten Masterarbeit wurden in diesem Habitat 317 Pflanzenarten gefunden, was fast einem Viertel der gesamten Flora Frankfurts entspricht – auf weniger als einem Prozent der Stadtfläche!
„Dieses Beispiel verdeutlicht, wie vielfältig und wertvoll dieser von den meisten Menschen komplett übersehene Habitattyp ist. Durch die Klimaerwärmung verändert sich die städtische Flora beträchtlich. Gleichzeitig bietet die Fugenvegetation ein großes Potential, den Anteil von Grün im besiedelten Bereich zu erhöhen, etwa durch breitere Fugen oder die Verwendung von Rasengittersteinen. Vor diesem Hintergrund ist es wünschenswert, dass sich künftig viel mehr Menschen mit diesem buchstäblich mit Füßen getretenen Lebensraum und seinen Pflanzen beschäftigen“, so Klein.
Die Autorinnen Klein und Krohmer führen in ihrem Buch einladend und niederschwellig an die omnipräsenten pflanzlichen Überlebenskünstler heran. Das handliche Bestimmungsbuch stellt die häufigsten Stadtpflanzen anschaulich und originell vor. Zwei Abbildungen zu jeder Art zeigen die Pflanzen in ihrem städtischen Lebensraum und als „Idealform“ mittels einer Illustration. Kurze Texte liefern die wichtigsten Erkennungsmerkmale und Eigenschaften sowie Wissenswertes zu jeder Art.
„Das wächst in Deiner Stadt“ ist zudem ein Mitmachbuch zur Stadtbotanik-Aktion #Krautschau, die seit 2020 auch in Deutschland immer beliebter wird und mehr Bewusstsein für die Präsenz von Wildpflanzen im urbanen Raum und für die Bedeutung von Natur in den Städten schafft. Senckenberg lädt auch dieses Jahr, rund um den Internationalen Tag der biologischen Vielfalt am 22. Mai, zu einer bundesweiten Aktionswoche vom 18. bis 29. Mai zum Mitmachen ein und möchte alle Botanik-Begeisterten und Mauerblümchen-Fans dazu animieren, den pflanzlichen „Ritzenrebellen“ mit bunter Kreide vor Ort Aufmerksamkeit zu verschaffen, die Beschriftung zu fotografieren und in den sozialen Medien zu teilen. Der neu erschienene Naturführer ist hierbei eine perfekte Hilfe! Mehr dazu unter: www.senckenberg.de/krautschau
Frankfurt, 01.12.2022. Das Senckenberg Naturmuseum erarbeitet neue Ausstellungs- und Vermittlungsformen, die den Transfer von naturwissenschaftlichen Fragestellungen in die Gesellschaft und umgekehrt untersuchen. Mit „Triff das Riff!“ eröffnet das erste experimentelle Ausstellungsprojekt in diesem Kontext. Wie lassen sich Forschungsergebnisse und gesellschaftliche Diskurse verbinden, was macht Forschungsmuseen zu zentralen Orten dieses Dialogs und wie gelingt es, nachhaltig und innovativ über den musealen Raum hinaus Wirkung zu erzielen zu Themen wie Biodiversitätsverlust, Klimawandel und deren Auswirkungen? Im Ausstellungsprojekt „Triff das Riff!“ werden durch Kollaboration, Kooperation und Co-Kreation drei verschiedene Perspektiven zu den Themenfeldern Nutzen, Schutz und Gefährdung von Korallenriffen erarbeitet. Die drei Blickwinkel Gesellschaft, Kunst und Wissenschaft werden bis August 2024 nacheinander im Museum gezeigt.
„In der ersten gesellschaftlichen Perspektive unseres Projekts greifen wir Impulse von Besuchenden auf, die wir durch Interventionen in unserer Dauerausstellung erhalten haben,“ so Museumsdirektorin Dr. Brigitte Franzen. „Als Forschungsmuseum möchten wir die Ergebnisse unserer Wissenschaft wirkungsvoll vermitteln; dies gelingt, wenn wir andere Ansichten mit einbeziehen und mit unseren Besuchenden in den Austausch gehen“, so Franzen.
Zentrales Element für alle drei Ausstellungsperspektiven ist ein multifunktionales Display-Modul, mit dem das Museumsteam schnell und kreativ auf aktuelle Fragestellungen reagieren kann. Der Künstler Markus Zimmermann hat hierfür einen Prototypen aus nahezu vollständig recycelten Materialien gestaltet. „Die Architektur dient hier als Werkzeug“, erklärt Zimmermann. „Das Modul kann medial flexibel bespielt werden und eignet sich für den Transfer vielseitiger Inhalte“, fährt er fort.
Der in diesem Vorhaben verfolgte Ansatz der Co-Kuration bedeutet für die erste Perspektive „Gesellschaft“ die Zusammenarbeit mit dem Senckenberg Jugendbeirat und mit verschiedenen Riffschutz-Organisationen. „Von den Mitgliedern des Jugendbeirats kam der Impuls, auf die Frage einzugehen, was wir in Frankfurt konkret für die Erhaltung von Riffen tun können“, so die Kuratorin Christina Höfling. „Wir sind daher in den Kontakt mit Riffschutz-Organisationen getreten und haben Handlungsoptionen erarbeitet“, fährt sie fort. Lisa Voigt, ebenfalls Kuratorin des Projekts, betont, dass in der Zusammenarbeit auch sehr persönliche Beiträge entstanden sind, wie etwa der Audiobeitrag von Cynthia Julca, Praktikantin des Leibniz-Programms „Next Generation“, die einen inneren Konflikt zwischen moderner Lebensweise und den negativen Auswirkungen auf die Natur beschreibt. „Wir spiegeln in diesem Ausstellungsprojekt auf vielfältige Weise die gegenseitige Abhängigkeit von Mensch und Natur und wir betrachten den Einfluss menschlichen Handelns auf unsere Umwelt“, ergänzt Voigt.
„Dieses innovative Projekt soll dazu beitragen, dass wir in der Gesellschaft vom Wissen zum Handeln kommen“, betont Prof. Dr. Angelika Brandt, Leiterin der Marinen Zoologie bei Senckenberg und Mitglied des Direktoriums. Sie verweist auf die Bedeutung der Ozeane für die Menschheit, die zurzeit auch im Fokus der UN Dekade für Ozeanforschung stehen. „Ich freue mich, dass dieses Ausstellungsprojekt als erstes das Ökosystem Korallenriff betrachtet! Es gilt, die Ozeane, die unser Klima regulieren, Sauerstoff produzieren und CO2 senken, unbedingt zu schützen – und hierzu können alle einen Beitrag leisten!“, fährt sie fort.
Bei „Triff das Riff!“ gibt es außerdem einen Faktencheck rund um das Thema Korallenriff. An einer Station des Ausstellungs-Displays können Besuchende Fragen rund um das Ökosystem Riff stellen, welche Forschende des wissenschaftlichen Projektpartners Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen im Laufe des Projekts beantworten. Die Rückmeldungen werden in der Ausstellung zu sehen sein.
Das Ausstellungsprojekt „Triff das Riff!“ findet im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes „Temporäre Permanenz (TemPe) – Innovative und flexible Vermittlung aktueller gesellschaftlich relevanter Themen in Dauerausstellungen“ statt, wird stetig weiterentwickelt und vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE) in Bonn beforscht. Museen bieten Menschen jeden Alters die Möglichkeit, neue Dinge zu lernen und ihren Horizont zu weiten. Deshalb sind Museen als Lernorte auch für die Bildungswissenschaft ein wichtiges Forschungsfeld. Das DIE untersucht, wie sich die Gestaltung einer Ausstellung auf das Erleben im Museum und auf mögliche Lernprozesse auswirkt. Hierfür ist besonders interessant, den Einfluss der unterschiedlichen Gestaltungselemente der drei verschiedenen Perspektiven von „Triff das Riff!“ zu untersuchen.
Am 2. Dezember 2022 startet die gesellschaftliche Perspektive auf das Korallenriff. Ab 1. Juni 2023 folgt die künstlerische Perspektive, gestaltet von den Künstlerinnen Nina Queissner und Linda Weiß. Die wissenschaftliche Perspektive ist ab Winter 2023/24 zu sehen.
Kombitickets: 12 Euro für Erwachsene, 6 Euro für Kinder und Jugendliche (6 bis 15 Jahre) sowie 30 Euro für Familien (2 Erwachsene und bis zu 3 Kinder).
Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr 9 – 17 Uhr, Mi 9 – 20 Uhr, Sa, So und Feiertage 9 – 18 Uhr.
Zu einem Nachmittag mit Spinnen lädt Senckenberg-Arachnologe Peter Jäger am 24.09. ein. Foto: Senckenberg/Jäger
Frankfurt am Main, den 21.09.2022. Senckenberg-Arachnologe Dr. Peter Jäger lädt am Samstag, dem 24.09.2022 die interessierte Öffentlichkeit zu einem „Spinnen-Nachmittag“ ein. Vier Expert*innen berichten im Arthur von Weinberg-Haus des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt über Neuigkeiten aus der Spinnenforschung. An einem Stand informiert die Deutsche Arachnologische Gesellschaft über ihre Arbeit.
Aktuell sind Spinnen in aller Munde: Insbesondere die − sich neuerdings in Deutschland heimisch fühlende – „Nosferatu“- oder Kräuseljagdspinne hat zu viel Unsicherheit in der Bevölkerung geführt. Am Samstag, dem 24.09. findet bei Senckenberg ein Treffen von Personen statt, die eine große Leidenschaft für die Achtbeiner teilen und den Ruf der „gruseligen Spinne“ zurechtrücken möchten.
Im Rahmen eines „Nachmittags mit Spinnen“ erläutert Dr. Tim Lüddecke von der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem LOEWE Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE-TBG) wie „Achtbeinige Pharmazeuten Spinnengift zu Medizin machen“. Anja Melcher, Doktorandin an der Universität Trier, informiert die Zuhörer*innen in ihrem Vortrag „Du bist, was du isst“ über Nahrungsanalysen von Spinnen und ihre Bedeutung für die Biodiversitätsforschung. Die Vogelspinnengattung Sericopelma steht im Fokus des Beitrags von Volker von Wirth vom Theraphosid Research Team in Eitting. Gastgeber Dr. Peter Jäger beleuchtet das Liebesleben der Achtbeiner und erklärt, dass „Love-Bites“ bei Spinnen häufiger sind, als bislang angenommen. In den Veranstaltungpausen zwischen den 30-minütigen Vorträgen gibt es die Möglichkeit, mit den Spinnenbegeisterten ins Gespräch zu kommen.
Veranstaltung: „Ein Nachmittag mit Spinnen“ – Eine Veranstaltung von und mit Peter Jäger
Datum: Samstag, 24. September 2022, 14:45 Uhr (Einlass) – 18:30 Uhr
Ort: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, Grüner Hörsaal im Arthur von Weinberg-Haus, Robert-Mayer-Straße 2, 60325 Frankfurt
Die Veranstaltung ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Treibt die Kosten weltweit nach oben: der Nordamerikanische Ochsenfrosch (Lithobates catesbeianus). Foto: Privat /Senckenberg
Hauptverursacher für die Schäden zwischen 1986 und 2020 sind der Nordamerikanische Ochsenfrosch und die Braune Nachtbaumnatter
Frankfurt/Gelnhausen, 29.07.2022. Invasionen durch Amphibien und Reptilien – wenn sich Arten über die Regionen hinaus ausbreiten, in denen sie heimisch sind – haben die Weltwirtschaft zwischen 1986 und 2020 mindestens 16 Milliarden Euro gekostet. Laut einer heute im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie gelten zwei Arten dabei als die größten Kostenverursacher: der Nordamerikanische Ochsenfrosch und die Braune Nachtbaumnatter. Die Ergebnisse des Wissenschaftler*innen-Teams, unter der Leitung von Senckenberg-Forscher Dr. Phillip Haubrock, machen deutlich, dass wirksamere politische Maßnahmen erforderlich sind, um die Ausbreitung aktueller und künftiger invasiver Amphibien und Reptilien zu begrenzen.
Die Braune Nachtbaumnatter (Boiga irregularis) kam durch Einschleppungen auf die westpazifische Insel Guam –wahrscheinlich durch Truppentransporte während des Zweiten Weltkrieges. Durch das Fehlen von natürlichen Feinden vermehrten sich die Schlangen rasant. Heute leben auf der Insel mehr als 10.000 Individuen pro Quadratkilometer. Mit einer verheerenden Wirkung auf die Fauna der Insel: Innerhalb weniger Jahre waren viele Vogelarten und andere Kleintiere der Insel, die als Beutetiere der Schlange in Frage kamen, ausgestorben oder gefährdet. Als Folge der weitreichenden Ausrottung der Vögel – und damit von wichtigen Samenausbreitern – ist nun auch die Flora Guams bedroht. „Gemeinsam mit dem Nordamerikanischen Ochsenfrosch – Lithobates catesbeianus – ist die Braune Nachtbaumnatter von 1986 bis 2020 verantwortlich für einen weltweiten finanziellen Schaden von knapp 16 Milliarden Euro – das sind 96,3 bzw. 99,3 Prozent der Gesamtkosten, die invasive Amphibien und Reptilien in diesem Zeitraum verursacht haben“, erläutert Dr. Phillip Haubrock von der Außenstelle Gelnhausen des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt.
Erstautor und Doktorand Ismael Soto von der University of South Bohemia in České Budějovice und weitere Kolleg*innen haben unter der Leitung von Haubrock die weltweiten Kosten von Amphibien- und Reptilieninvasionen anhand von Daten aus der InvaCost-Datenbank untersucht, in der die wirtschaftlichen Kosten von Arteninvasionen zusammengestellt sind. Die Daten stammen aus von Expert*innen begutachteten Artikeln, Dokumenten auf Webseiten von Regierungen, Hochschulen und Nichtregierungsorganisationen sowie aus weiteren Dokumenten, die von Fachleuten für biologische Invasionen eingeholt wurden. „Unsere Auswertung ergibt, dass sich die Gesamtkosten für die Invasion von Reptilien und Amphibien zwischen 1986 und 2020 auf über 16,5 Milliarden Euro belaufen. Davon entfielen 6,1 Milliarden Euro auf Amphibieninvasionen, 10,1 Milliarden Euro auf Reptilieninvasionen und 0,2 Milliarden Euro auf Invasionen, die sowohl Amphibien als auch Reptilien betreffen“, ergänzt der Senckenberg-Forscher.
Laut der Studie stehen 99,7 Prozent der durch Amphibien verursachten Kosten im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Invasionen, z. B. für die Ausrottung invasiver Arten. 96,6 Prozent der durch Reptilien verursachten Kosten sind dagegen auf Schäden zurückzuführen, die direkt durch die Invasionen verursacht werden, wie beispielsweise Ernteverluste. Invasive Amphibien belasten besonders die Geldbeutel Europas – 96,3 Prozent der wirtschaftlichen Kosten entstehen in europäischen Ländern. Die Länder Ozeaniens und der pazifischen Inseln sind mit 99,6 Prozent der Gesamtkosten vor allem durch Reptilieninvasionen betroffen.
„Unsere Studie zeigt erstmals die weltweit entstehenden Kosten durch die Herpetofauna auf. Die Schäden sind sehr wahrscheinlich noch viel höher, als uns InvaCost aufzeigen kann – es fehlt an Daten, sodass sich die bisherige Erfassung nur auf einige wenige Arten und Regionen konzentriert und auf die letzten Jahrzehnte beschränkt ist. Wir gehen außerdem davon aus, dass die Invasionsraten in Zukunft zunehmen werden – dem wird ein Anstieg der wirtschaftlichen Kosten folgen“, resümiert Haubrock und schlussfolgert: „Die wirtschaftlichen Kosten können durch Investitionen in Maßnahmen zur Begrenzung des globalen Transports invasiver Amphibien und Reptilien und durch frühzeitiges Erkennen von Invasionen reduziert werden. Dies könnte die Notwendigkeit eines langfristigen Managements von invasiven Arten und das Ausmaß der entstandenen Schäden verringern – Vorbeugen ist günstiger als Heilen!“
Im Stadtbezirk Südost wurden einzelne Exemplare der Asiatischen Tigermücke gesichtet. Nach Abstimmung zwischen der Landeshauptstadt Wiesbaden und der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V. (KABS) soll nun zeitnah versucht werden, einer Weiterverbreitung der Population entgegenzuwirken und die bestehende Ansiedlung zurückzudrängen.
Die Stadt Wiesbaden ist Mitglied in der KABS, die die Bekämpfungsmaßnahme koordiniert und umsetzt. Betroffene Anwohner werden gebeten, die Maßnahme zu unterstützen und bei Bedarf Zutritt auf die Grundstücke und Balkone der unteren Geschosse zu gewähren. Die KABS wird die betroffenen Haushalte in den nächsten Tagen auch direkt informieren.
Zwei Einzeltiere der invasiven Mückenart wurden von Anwohnerinnen im Mai und Juni sichergestellt und zur Bestimmung an die KABS übergeben. Nachdem sich die Vermutung bestätigt hatte, dass es sich bei den Tieren tatsächlich um Exemplare von Tigermücken handelte, führte die KABS ein erweitertes Fallen-Monitoring durch, um das potentielle Verbreitungsgebiet näher abzugrenzen. Im Umfeld Frankfurter Straße/Gustav-Stresemann-Ring wurde nun ein Bearbeitungsgebiet für die Bekämpfung festgelegt.
Je schneller eine Population entdeckt wird, desto besser kann man gegen sie vorgehen. Daher ist es sehr wichtig, dass sich auch weiterhin Personen melden, wenn sie verdächtige, kleine, sehr aggressive, schwarz-weiß gezeichnete Stechmücken bemerken, damit weitere bislang noch unbekannte Bestände im Stadtbereich entdeckt und bekämpft werden können. „Sanft“ erschlagene Exemplare, die noch untersuchbar sind, können von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KABS vor Ort abgeholt werden. Zudem können der KABS Fotos mit Hinweisen und Standortdaten über die E-Mail-Adresse tigermuecke@kabsev.de geschickt werden.
Die ursprünglich aus Südostasien stammende Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) wird seit Ende des 20. Jahrhunderts mit dem stetig zunehmenden internationalen Warenhandel und der steigenden Mobilität der Menschen weltweit verschleppt. Durch ihre Fähigkeit, eine große Bandbreite natürlicher und künstlicher Wasseransammlungen zur Aufzucht ihrer Larven zu nutzen, kann sich die sehr anpassungsfähige Stechmückenart in neuen Gebieten schnell ansiedeln.
Die Asiatische Tigermücke ist eine nur drei bis zehn Millimeter große, aber sehr aggressive Stechmückenart, deren Weibchen auf der Suche nach einer Blutmahlzeit den Menschen im Gegensatz zu den heimischen Stechmücken auch am hellen Tag hartnäckig verfolgen. Hat sie sich erst einmal erfolgreich angesiedelt und kann sie sich ungestört vermehren, wird sie für den Menschen sehr lästig. Vor allem in tropischen Bereichen kann die wärmeliebende Art zahlreiche Viren auf den Menschen übertragen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es derzeit auch hier zur Übertragung von Viren durch die Asiatische Tigermücke kommt, ist zwar derzeit recht gering, kann jedoch auch nicht völlig ausgeschlossen werden. Als Überträger von Corona-Viren ist die Asiatische Tigermücke nicht bekannt.
Fragen beantwortet der Leiter der AG Exotische Stechmücke bei der KABS per Mail an artur.joest@kabs-gfs.de. Weitere Informationen zur Asiatischen Tigermücke gibt es unter www.kabsev.de und www.wiesbaden.de/ Stichwort „Stechmücken“.
Frankfurt, 20.07.2022. Welche Rolle spielen Archive in und für Museen? Inwiefern sind historische Dokumente und Artefakte relevant für heutige Forschungen und Ausstellungen? Wie arbeitet man inter- und transdisziplinär mit Archiven und wie macht man sie bekannt? Das Institut für Stadtgeschichte, die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg sowie die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung mit ihrem Senckenberg Naturmuseum Frankfurt haben seit 2018 gemeinsam die Digitalisierung der Senckenberg-Archive erarbeitet und stellen nun zum Abschluss das Projekt in einer Podiumsdiskussion am Mittwoch, 27. Juli um 17 Uhr im Frankfurter Naturmuseum vor: „Die Vergangenheit der Zukunft – Archive und (Natur-)Museen“.
Dezentral aufbewahrt, zentral zugänglich – das ist die Idee hinter dem digitalen Senckenberg-Archiv. Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Kooperationsprojektes wurden bis 2022 insgesamt 20 Bestände mit mehr als 370.000 Seiten von Johann Christian Senckenberg, bzw. rund um seine Person digitalisiert. Die Dokumente sind in drei zentralen Frankfurter Institutionen untergebracht und wurden nun durch Digitalisierung zusammengeführt und gemeinsam in einer von der Universitätsbibliothek betriebenen Online-Plattform für alle interessierten Nutzer*innen zugänglich gemacht.
Das Vermächtnis des Mediziners, Naturforschers und Stifters Johann Christian Senckenberg (1707-1772) ist von großer Bedeutung für die Stadt Frankfurt am Main. Bis in die Gegenwart hinein führen unterschiedliche Einrichtungen der Kultur, der Wissenschaft und des Gemeinwohls „Senckenberg“ in ihrem Namen. Die sogenannten „Senckenberg-Bestände“ des Instituts für Stadtgeschichte, der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt am Main und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung bilden in ihrer Gesamtheit eine unersetzliche historische Quellenbasis für die deutsche Stadt- und Universitätsgeschichte, die Museums-, Wissenschafts- und Medizingeschichte sowie für die religionsgeschichtliche Entwicklung in Deutschland. Sie gelten als Schlüsselbestände der deutschen und internationalen Naturforschung, sind aber genauso für eine ganze Reihe allgemeiner wissenschaftshistorischer Fragestellungen von erheblicher Bedeutung. Die Senckenberg-Bestände mit Dokumenten aus dem Zeitraum 1730 bis 1950 sind beispielhaft für die Entwicklung der neuzeitlichen Wissensgesellschaft. Sie sind von überregionaler Bedeutung und geben Einblick in die rasante Entwicklung moderner Wissenschaftskultur.
Das neu geschaffene digitale Archiv wird im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Senckenberg Naturmuseum vorgestellt. Dr. Katharina Schmidt-Loske, Leiterin des Biohistoricums am Museum Alexander Koenig Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Bonn, führt in die Themen Archive, Museen und die Bedeutung der Wissenschaftsgeschichte ein. Im Anschluss diskutiert sie gemeinsam mit Senckenberg-Museumsdirektorin Dr. Brigitte Franzen und mit Dr. Mathias Jehn (Leiter des Archivzentrums der Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg Frankfurt am Main) sowie mit Dr. Kristina Odenweller (Leiterin der Abteilung Sammlungen am Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main) die Ergebnisse des Projektes sowie die Frage nach der Zukunft der erschlossenen Materialien zur Geschichte der Senckenberg-Einrichtungen.
Eva-Maria Magel, Leiterin des Kulturressorts der Rhein-Main-Zeitung/FAZ, führt als Moderatorin durch den Abend.
Veranstaltung: Podiumsdiskussion und Veröffentlichung des digitalen Senckenberg- Archivs: „Die Vergangenheit der Zukunft – Archive und (Natur-)Museen“
Auf dem Podium: Dr. Katharina Schmidt-Loske (Leiterin des Biohistoricums am Museum Alexander Koenig Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Bonn), Dr. Brigitte Franzen (Direktorin des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt), Dr. Mathias Jehn (Leiter des Archivzentrums der Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg Frankfurt am Main), Dr. Kristina Odenweller (Leiterin der Abteilung Sammlungen am Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main)
Moderatorin: Eva-Maria Magel (Leiterin des Kulturressorts der Rhein-Main-Zeitung/FAZ)
Datum: Mittwoch, 27. Juli 2022, 17:00 Uhr Ort: Senckenberg Naturmuseum Frankfurt, Senckenberganlage 25, 60325 Frankfurt
Der Eintritt ist kostenfrei. Um Anmeldung wird gebeten unter: https://sgn.one/senckenberg-archive