Die faszinierenden Insektenwelten des Frankfurter Palmengartens erleben in einer Fotoausstellung von Dr. Hilke Steinecke

Die Fotoausstellung "Insektenwelt " wird gezeigt in der Villa Leonhardi im Frankfurter Palmengarten © Foto Diether von Goddenthow
Die Fotoausstellung „Insektenwelt “ wird gezeigt in der Villa Leonhardi im Frankfurter Palmengarten © Foto Diether von Goddenthow

In einer spannenden Fotoausstellung der Botanikerin und Kustodin Dr. Hilke Steinecke präsentiert der Frankfurter Palmengarten in den Räumen der Villa Leonhardi  seit dem 1. Oktober eine faszinierende Insektenwelt, die direkt vor den Haustüren der Mainmetropole existiert.

Dr. Hilke Steinecke hat 10 einzigartige Favoriten ihrer Insektenbeobachtungen im 26 Hektar großen Palmengarten und Botanischen Garten aus dem Sommer 2022 zusammengestellt und gibt hochinteressante Einblicke in die Mikro-Welt von Bienen, Wespen und Co., von „Insekten, die ich jetzt 2022 das erste Mal hier gesehen habe“, und ein „bisschen aufregend sind, die durch ihre bizarre Form auffallen oder beispielsweise in Beutesituationen ‚erwischt‘ wurden“, so Steinecke. Sie sei ganz begeistert, „wenn ich solche Motive finde wie Beute- oder Mordmotive. Denn, wenn es die Jäger auf den Gejagten gibt, ist ja das Ökosystem schon viel mehr vernetzt – das spricht dafür, dass es einfach viel lebendiger ist.“ Vom Stahlblauen Grillenjäger über den Königskerzen-Mönch bis zur Großen Lehmwespe tauchen im Palmengarten immer wieder zahlreiche spannende Sechsbeiner auf, die dort Nahrung und Schutz finden.

Die Ausstellung ist Teil von SLInBio

Diese Ausstellung sei als ein Teil des Forschungsrahmenprojektes ‚SLInBio – Städtische Lebensstile und die Inwertsetzung von Biodiversität‘ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert worden, sagt Patricia Germandi, Biologin und Leiterin Kommunikation und Veranstaltung. „Wir hatten schon andere Module, die wir dazu im Garten eröffnet haben, wie den ‚Insektenfreundlichen Goethegarten‘, und auch Teile von unserem Schmetterlingshaus“, so Germandi. Die Biologin unterstreicht, dass die aktuelle Ausstellung im Rahmen dieses Verbundprojektes neben einer kontinuierlichen fachlichen Bestandsaufnahme von Insekten und weiteren vielseitigen Publikumsformaten rund um unser aktuelles Leitthema ‚Blüten- und Bestäuberökologie‘ einen Beitrag dafür leiste.

Ein Citizen-Science-Projekt zum Mitmachen 

Dazu habe man vor drei Jahren auch ein Bürgerwissenschafts-Projekt, ein sogenanntes Citizen-Science-Projekt, gestartet, das alle Interessierten einlädt, Teil des Forschungsprojekts zu werden, die Schönheit und Vielfalt der Insektenwelt zu beobachten, an Workshops und Führungen teilzunehmen und eigene Erkenntnisse und fotografische Beobachtungen auf die digitale Plattform https://www.inaturalist.org/projects/tiere-und-pilze-in-frankfurts-botanischen-garten einzustellen. Steineckes fotokünstlerischen Arbeiten können ermutigen, selbst in die Welt der Insekten einzutauchen, als Laienexperte oder auch als Fotograf. „Wir haben gesagt, wir wollen die wildlebenden Arten haben“, erläutert die leidenschaftliche Hobbyfotografin. Ein ähnliches Projekt habe man schon mal für wildlebende Tiere und Pilze gemacht. Man sei hier in Frankfurt ein Verbund aus quasi drei Botanischen Gärten der Stadt Frankfurt, wozu Wissenschaftsgarten, Botanischer Garten und Palmengarten gehörten. Seit drei Jahren gäbe es eine ganz Reihe verschiedenster Beobachter, die ihre Beobachtungen einstellen, „und ich bin da auch völlig begeistert, weil Fotografieren sowieso mein Hobby ist, und die Insekten auch“, schwärmt die Botanikerin. Geradezu sensationell sei, dass sie von drei Gärten jetzt ungefähr 1300 Insekten-Arten gefunden und dokumentiert haben, davon allein über 800 Insektenarten, zahlreiche eingeschleppt oder im Zuge der Klimaerwärumg eingewandert.

Ausstellungshighlights

"Das ist die Raupe vom Königskerzenmönch, das ist eigentlich ein relativ kleiner unscheinbarer braugrauer Schmetterling", Dr Hilke Steinecke bei der Presseführung. © Foto Diether von Goddenthow
„Das ist die Raupe vom Königskerzenmönch, das ist eigentlich ein relativ kleiner unscheinbarer braugrauer Schmetterling“, Dr Hilke Steinecke bei der Presseführung. © Foto Diether von Goddenthow

Den Ausstellungs-Rundgang startet Steinecke an der Makroaufnahme „Raupe vom Königskerzenmönch“, eigentlich ein relativ kleiner unscheinbarer braugrauer Schmetterling, so die Botanikerin, aber mit persönlichem Bezug. Denn es „war eigentlich das erste spannende Insekt, was wir im Goethegarten entdeckt haben“. Dieser im nordöstlichen Teil des Palmengartens anlässlich Goethes 250. Geburtstages 1999 angelegte Garten wurde erst kürzlich auch insektenfreundlich umgestaltet. Wir haben gleich fünf Raupen entdeckt, das war natürlich toll sei. Die Raupe ist ungefähr so lang, wie ein halber Finger dick. Die ist auf dem Bild schon kurz vor der Verpuppung, und dann kommt dann dieser Schmetterling raus, so Steinecke, schon als Grundschulkind so ein bisschen Faible für Raupen hatte, diese am Straßenrand gesammelt, großgezogen und geguckt habe, „was denn da rauskommt“. Für sie als Kind sei „das immer eine wahnsinnige Spannung gewesen“. Das Schlüpfen der Schmetterlinge können übrigens zurzeit auch Besucher des Blüten- und Schmetterlingshauses durch Blick in den „gläsernen Schlupfkasten“ im Palmengarten miterleben.

Dank Insektenwiese, Blütenbestäuber-Beet, Insektenhotel und weiterer nachhaltiger Bemühungen, etwa Anbau insektenbeliebter Pflanzen, habe man bereits „hier wieder ein breites Insektenleben“. Ganz beliebte Pflanzen für Insekten, die man verstärkt angepflanzt habe, seien zum Beispiel Mannstreu-Arten. Auf solch einer Edeldistel „ haben wir das erste Mal in diesem Jahr in größeren Mengen die große Lehm-Wespe gesehen“, so Steinecke. Man frage sich immer, wofür ihre wahnsinnige Wespentaille gut sei. Das habe bislang noch kein Wissenschaftler wirklich erklären können. Die Lehm-Wespe sei eine Gewinnerin vom Klimawandel. Denn die Lehm-Wespe mag es warm, war früher zunächst nur so im Oberrheingraben zu sehen, und wandere jetzt immer weiter nach Norden.

Das neue Insektenhotel beim Goethegarten des Frankfurter Palmengartens. © Foto Diether von Goddenthow
Das neue Insektenhotel beim Goethegarten des Frankfurter Palmengartens. © Foto Diether von Goddenthow

Auf demselben Lehm-Wespen-Bild im Hintergrund angeflogen kommt ein stahlblauer Grillenjäger aus Mexiko, der an eine Drohne erinnert, und sich von Heuschrecken /Grillen ernährt. „Den gibt es auffällig eigentlich auch erst seit ein paar Jahren hierzulande“, erläutert die Botanikerin. An anderer Stelle, zwei Räume weiter, sieht man die mexikanische Wespe in einer brutalen Jagdszene.

Was weniger bekannt ist, dass Fliegen auch als Bestäuber ganz wichtig seien, etwa die Gruppe der Schwebfliegen, im Unterschied zu den eher wahrgenommen Aasfliegen. Es gibt viele Schwebfliegen-Arten. Manche, etwa die Hornissenschwebfliege, tarnen sich wie stechende Bienen (Immen) schwarzgelb-geringelt. Die sehen auch von der Größe her fast echt aus wie eine Hornisse, sind aber völlig harmlos. Der Clou: Dank ihrer Tarnung dringt die  Hornissenschwebfliege unerkannt in Hornissennester ein. Sie tut den Hornissen und deren Brut aber nichts, sondern legt ihre Larven in deren „Nest“. Die Larven werden vom Hornissenstamm einfach mit ernährt, ähnlich wie ein Kuckucksei vom Wirtsvogel ausgebrütet wird.

Kaisermantel - ein typischer  Waldfalter.©  Dr. Hilke Benecke
Kaisermantel – ein typischer Waldfalter.© Dr. Hilke Benecke

Besonders eindrucksvoll zeigt Steineckes Makroaufnahme   die faszinierenden Flügelmaserungen des „Kaisermantels“. Der Edelfalter wurde schon immer mal auch im Botanischen Garten gesichtet. Bei dieser Art, übrigens Schmetterling des Jahres 2022, handelt es sich um einen typischen Waldfalter, den man auch häufiger im Wald im Taunus findet, so Steinecke.

Ein Ausstellungs-Highlight der brutaleren Art ist die Beute-Szene des zu Beginn schon erwähnten „Stahlblauen Grillenjägers“, einer Hornissenart, hier passend als Blickfang gegenüber der Kuchentheke gezeigt. In Makro-Vergrößerung kann man als Betrachter quasi miterleben, wie diese Hornisse ihre erbeutete Grille ein paarmal herumgedreht hat, um dabei deren Flügel und Kopf  abzuzwicken, damit sie sie schließlich besser davonschleppen kann. „Der Stahlblaue Grillenjäger ist 1960 das erste Mal aus Mexiko nach Europa, nach Südfrankreich, eingeschleppt worden. Damals war es im Norden ja noch viel, viel zu kalt, und erst in den letzten Jahren tauchen die vermehrt eben in Deutschland auf“, so Steinecke. Interessant sei, dass diese Wespenart zur Brutaufzucht keine Löcher in Böden, sondern in Hölzern bevorzuge. Noch  habe sie nicht das neue große Insektenhotel im Goethegarten entdeckt, sondern nutze das alte, was hinterm Kinder-Garten existiert. In  vorhandene Löcher transportiere die Wespe auch ihre Eier, dann stopft sie eine Grille rein, wovon sich die Brut ernährt und schließlich wird das Loch zugemacht mit alten Grashalmen.

Stahlblaue Grillenjäger, ursprünglich aus Mexiko, jetzt auch bei uns eingewandert. ©  Dr. Hilke Benecke
Stahlblaue Grillenjäger, ursprünglich aus Mexiko, jetzt auch bei uns eingewandert. © Dr. Hilke Benecke

Großartig ist auch das Motiv des „Apfelbaum-Glasflüglers“, einem tagaktiven Schmetterling, bei dem die Flügel durchsichtig sind. Die die Larven leben unter der Rinde von Apfelbäumen, wodurch der Falter  seinen Namen erhielt. In größeren Populationen können sie sogar zu Schädlingen werden, bei uns eher nicht, da er selten sei, so Steinecke. Sie musste viel Geduld aufbringen, bis sie solch einen Vertreter in dieser eindrucksvollen Beute-Pose erwischen konnte.

Eine Seltenheit ist auch die gelungene Ablichtung einer Gicht-Wespe, die so heißt, da sie äußerlich ein wenig einem Gichtfinger ähnelt. Auch dieses faszinierendes Insekt nutzt andere Tierchen für ihren Nachwuchs, aber viel brutaler als die Hornissen-Schwebfliege etwa, indem sie ihre Eier in andere Insekten über einen überlangen Legebohrer hineinspritzt. Der Wirt wird dabei von der Larve quasi allmählich von innen her aufgefressen. Der Legebohrer ist größer als der eigentliche Insektenkörper selbst. Und es ist praktisch kaum möglich, eine Gicht-Wespe in ganzer Länge und in ruhiger Pose vor die Linse zu bekommen. Dr. Hilke Steinecke gelang dies. Allein schon dieses Schnappschusses wegen lohnt,  die Ausstellung anzuschauen, einen Kaffee dabei zu trinken und anschließend  die schlüpfenden Falter und lebendige Schmetterlinge im  Blüten- und Schmetterlingshaus zu erleben, deren Flatter-Saison gerade begonnen hat.

Willkommen im Blüten- und Schmetterlingshaus.©  Foto: Diether von Goddenthow
Willkommen im Blüten- und Schmetterlingshaus.© Foto: Diether von Goddenthow

Der Palmengarten ist nicht nur Schaugarten, er nimmt auch immer wieder an Forschungsprojekten teil. In Initiativen wie iNaturalist, bei dem sich Teilnehmer aus aller Welt vernetzen und gemeinsam Naturbeobachtungen dokumentieren, oder SLInBio, einem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Forschungsprojekt zur Unterstützung der Insektenvielfalt, zeigen Experten und Naturinteressierte Wege auf, wie die Wertschätzung für Insekten in der Stadtbevölkerung erhöht werden kann. Und hierzu gehört unter anderem, genau zu dokumentieren, welche Insekten in welcher Anzahl bei uns leben. Dabei entdecken die Naturinteressierten und Biologen immer wieder besondere Sechsbeiner und lichten sie ab, wie Kustodin Hilke Steinecke.

Weitere Infos zur Ausstellung sowie das vollständige Programm zum Familienwochenende gibt es unter palmengarten.de