Senckenberg zeigt: „Floralia: Merian – Schultz – Crespo“- Drei Frauen zwischen Kunst und Erforschung der Pflanzen

© Senckenberg Naturmuseum
© Senckenberg Naturmuseum

Vom 8. September bis 3. Dezember 2023 zeigt das Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt die einzigartige Ausstellung „Floralia: Merian – Schultz – Crespo“ -Drei Frauen zwischen Kunst und Erforschung“ mit brillanten historischen Zeichnungen und Malerei von Motiven aus der Pflanzen- und Insekten-Welt.

Frankfurt am Main, 7.9.2023. Drei außergewöhnliche Frankfurterinnen, drei Epochen, eine Leidenschaft: Maria Sibylla Merian (1647–1717), Elisabeth Schultz (1817–1898) und Ulrike Crespo (1950–2019) stehen für die Beobachtung der Pflanzenwelt (Flora) und ihre Dokumentation. Das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt zeigt eine Auswahl ihrer eindrucksvollen Zeichnungen und Malereien sowie druckgrafischen und experimentell-fotografischen Arbeiten. Die Analyse der Flora ist ein wichtiges Gebiet der Biodiversitätsforschung. Gleichzeitig sind Pflanzendarstellungen in der Kunst ein reizvolles Motiv. In Frankfurt haben es diese drei Persönlichkeiten zur Meisterschaft der künstlerisch-wissenschaftlichen Auseinandersetzung und Bildgebung gebracht. Die Ausstellung stellt ihre Werke epochenübergreifend gegenüber und beleuchtet das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst. Die Schau wird gefördert von der Crespo Foundation.

Rot leuchten die zarten Blütenköpfe des filigran und naturgetreu gezeichneten Klatschmohns. Auf den blau-lila, an Hortensien erinnernden Blütenblättern lassen Regentropfen ganz eigene Muster und Farbmischungen entstehen. Eine Raupe erklimmt die Goldgelbe Lilie, auf deren Blättern verschiedene Insekteneier und Puppen liegen, während darüber schon der geschlüpfte Falter thront. Elisabeth Schultz, Ulrike Crespo und Maria Sibylla Merian sind die Schöpferinnen dieser außergewöhnlichen, exemplarisch herausgegriffenen Pflanzenportraits – Ulrike Crespo bezieht natürlichen Regen mit ein, in Merians Fall wird dabei sogar das Zusammenspiel der Tiere und ihrer Futterpflanze im Ökosystem dargestellt.

„Die Verbindung einer künstlerischen mit einer forschenden Tätigkeit ist das Besondere an den Werken der drei – von uns in der neuen Sonderausstellung portraitierten – Frauen. In ihren Werken kommt eine Neugier, ein Drang zum Entdecken und ein geduldiges Befassen mit Details in Naturräumen und Beobachten von Zusammenhängen zum Ausdruck“, erläutert Kuratorin und Museumsdirektorin Dr. Brigitte Franzen und fährt fort: „Anhand ihrer Arbeiten zeigt die Ausstellung die Blickweisen und Untersuchungsinteressen der drei Frauen über die jeweiligen Zeitalter des Barock, der Industrialisierung und der Postmoderne hinweg und beleuchtet dabei das Verhältnis von Natur, Wissenschaft und Kunst.“

Von Maria Sibylla Merian werden mehrere Originalexemplare ihres berühmten Raupenbuches „Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung“, (unkoloriert, koloriert und Umdruckexemplar) präsentiert. In detailreich komponierten Darstellungen veranschaulichte sie den Zyklus eines Insekts: vom Ei über die Raupe und das Stadium der Puppe bis hin zum Falter – arrangiert um die und auf der jeweiligen Nahrungspflanze. Diese Darstellungsform war ihre künstlerische Erfindung. Allen ihren Arbeiten gingen empirische Beobachtungen voraus. Sie studierte die Insekten, ihre Entwicklung und ihren natürlichen Lebensraum, begann die Tiere zu züchten und systematisch zu erforschen. Ihre Tätigkeit als zeichnende Naturkundlerin beziehungsweise naturkundlich forschende Künstlerin war eine Ausnahme in ihrer Zeit. An einer Medienstation können Besuchende digital durch das Raupenbuch sowie Merians Buch mit Surinamischen Pflanzen und Insekten „Dissertatio De Generatione Et Metamorphosibus Insectorum Surinamensium“ blättern. Darüber hinaus sind bisher nahezu unbekannte, Merian zugeschriebene Originalzeichnungen von Pflanzen mit Tieren sowie Handmalereien von Insekten, Schnecken und Blumen nach Georg Hoefnagel zu sehen.

Elisabeth Schultz widmete ihre künstlerische Arbeit der vollständigen Dokumentation der Frankfurter Flora. Über 40 Jahre hinweg entstand ein bis heute einzigartiges Kompendium von über 1200 Gouachen, mit dem die Künstlerin einen „Atlas der wildwachsenden Pflanzen aus der Umgebung von Frankfurt am Main“ schuf. Rund 40 Blätter aus diesem Gesamtwerk, dass sie der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung nach ihrem Tod vermachte, sind erstmals in der Ausstellung zu sehen. Versehen sind die Werke mit den botanischen Bestimmungen im Lateinischen wie auch den deutschen Trivialnamen. Obwohl Schultz weder den genauen Fundort noch das Funddatum vermerkte, gibt ihre Arbeit einen Einblick in die Frankfurter Pflanzenwelt zu ihrer Lebzeit. „Ihre Darstellung erinnert an Vorgehensweisen in Herbaren, Sammlungen konservierter, meist getrockneter und gepresster Pflanzen, bei der alle Teile einer Pflanze zergliedert und auf einem Papierbogen zusammengebracht werden“, erklärt Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. So stellt Schultz auch Blätter umgedreht dar, um die Unterseite erkennen zu lassen, oder knickt ganze Pflanzenteile ab, wenn sie für die Darstellung auf einer Seite zu groß sind. „Ihre Werke erfüllen dabei wissenschaftliche Standards botanischer Zeichnungen, wie Vollständigkeit, Realitätsgebundenheit und faktische Authentizität“, führt Tockner aus. Gleichzeitig folgen sie einer eigenen Bild- und Lichtregie, bei der mit künstlerischen Stilmitteln Plastizität und Räumlichkeit erzeugt werden, denn ihren Lebensunterhalt verdiente sie als Zeichenlehrerin. 1897 wurde Schultz als erste Frau zum Ehrenmitglied der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, heute Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, ernannt.

Von Ulrike Crespo wird eine Auswahl ihrer „Rainflowers“ gezeigt. Die Arbeiten sind untrennbar mit „Glenkeen Garden“ verbunden, einem Landschaftspark mit verschiedenen gärtnerisch gestalteten und natürlich belassenen Zonen, den die Künstlerin gemeinsam mit ihrem Partner Michael Satke an der Küste in West Cork, Irland in langjähriger Arbeit angelegt hat. Sie nähert sich den Pflanzen fotografisch und experimentell. Die individuellen Blütenstände oder Blätter sind ihr Material, das sie im Fall der „Rainflower“-Serie, die über 200 Blätter umfasst, direkt auf die Scanfläche eines Farbkopierers arrangiert, um den Ausdruck anschließend dem Wetter auszusetzen. Die durch Regenwasser unterschiedlich stark aufgelösten Farben verleihen ihren Werken die besonderen, abstrakten Effekte. Im darauffolgenden Transformationsprozess scannt Crespo die Motive erneut ein, um den bildnerischen Prozess digital abzuschließen. Ihre „Rainflowers“ rücken das Spiel von exakter digitaler Aufzeichnung und zufälligen, durch die Naturelemente entstehenden Mustern ins Zentrum. Das endgültige Format der Motive dieser Serie behandelt die Künstlerin sehr offen, je nach Ort und Funktion, als wandfüllende Arbeit oder als Fotoobjekt. Die Ausstellung zeigt die kleinformatigen „Originalvorlagen“, die für die finalen Bilder wiederum eingescannt wurden, mehrere großformatige ungerahmte Drucke sowie ein Motiv als Fototapete, das über eine ganze Wand des Ausstellungsraumes gezogen ist.

Alle drei Frauen verbindet neben ihrer kenntnisreichen Blickweise auf das Feld der Botanik ihr besonderes Interesse an der Publikation ihrer Darstellungen in Form von Büchern oder Kompendien. Die Veröffentlichung der eigenen Arbeit kommt bis heute einer Art „Ritterschlag“ im Wissenschafts- und Kunstsystem sowie in der öffentlichen Wahrnehmung gleich. Merian und Schultz ermöglichte die künstlerische Auseinandersetzung mit der Natur einen Zugang zur Beschäftigung mit diesem – in ihrer Zeit von Männern dominierten und Frauen lange verwehrten – naturwissenschaftlichen Feld. Immer noch spielen das Zeichnen, das bildliche Dokumentieren und das Erstellen von Infografiken in den Naturwissenschaften eine zentrale Rolle zur Erfassung der beobachteten Welt. Die Publikationen der drei Künstlerinnen ermöglichen bis heute eine Verbreitung ihrer Werke. In der Ausstellung werden auch historische Hintergründe sowie die unterschiedlichen Produktionsprozesse vergleichend reflektiert.

„Floralia: Merian – Schultz – Crespo“
8. September bis 3. Dezember 2023
Senckenberg Naturmuseum Frankfurt
Senckenberganlage 25
60325 Frankfurt

Öffnungszeiten
Mo., Di., Do., Fr. 9:00 – 17:00 Uhr
Mi. 9:00 – 20:00 Uhr
Sa., So., Feiertage 9:00 – 18:00 Uhr

Eintritt
Erwachsene (ab 18 Jahre) – 12,00 €
Kinder, Schüler*innen, Jugendliche ab 6 Jahre – 4,50 €
Familie: 2 Erwachsene und bis zu 3 Kinder von 6-17 Jahren – 30,00 €
Minifamilie: 1 Erwachsene*r und 2 Kinder von 6-17 Jahren – 18,00 €

Weitere Informationen finden Sie unter: museumfrankfurt.senckenberg.de