Frankfurt bleibt Bundeshauptstadt der komischen Kunst, das Caricatura logischerweise „Kanzleramt“

"Auch weiterhin wird das Museum ein Ort sein, der zum lauten Lachen einlädt" Martin Sonntag, neuer Leiter des Caricatura Museums Frankfurt. Er war seit 2000  Geschäftsführer der Galerie für Komische Kunst in Kassel.
„Auch weiterhin wird das Museum ein Ort sein, der zum lauten Lachen einlädt“ Martin Sonntag, neuer Leiter des Caricatura Museums Frankfurt. Er war seit 2000 Geschäftsführer der Galerie für Komische Kunst in Kassel.

Es fiel Martin Sonntag nicht leicht, jetzt nach dem unverhofften  frühen  Tod seines Vorgängers und jahrzehntelangen Freundes und „komischen“ Weggefährten  Achim Frenz, Heiterkeit in der Presserunde zu versprühen.  Aber  Humor macht keine Pause, insbesondere nicht im Caricatura Museum für Komische Kunst in Frankfurt, welches gerade seine grandiose Loriot-Schau bis zum 12. Mai 2024 verlängert hat.

Der neue Cariactura-Leiter Martin Sonntag,  gestern seit   99 Tagen im Amt,  entwarf, nachdem er alle „aufs Wildeste“ begrüßt hatte,  seine Pläne zur Zukunft des Museums als Gedächtnis, Motor und Ort der Komischen Kunst vor.  Das Caricatura Frankfurt sei das  Museum mit dem mutmaßlich höchsten Komikgehalt in der deutschen Museumslandschaft. Mit Karikaturen, Bildgeschichten, Cartoons und Comics zeige das einzige Museum für Komische Kunst in Europa die größte Vielfalt des Genres.

Caricatura-Museum  - Kanzleramt der komischen Kunst © Foto Diether von Goddenthow
Caricatura-Museum – Kanzleramt der komischen Kunst © Foto Diether von Goddenthow

Achim Frenz und seiner Hartnäckigkeit sei es zu verdanken, dass  2008  Caricatura im Herzen der Mainmetropole eröffnet werden konnte.  Und der der Standort sei kein Zufall, so Sonntag. Denn seit den frühen 60er Jahren behauptet sich Frankfurt am Main als Hauptstadt der Satire. „Die hier gegründeten Satiremagazine PARDON und TITANIC lockten zahlreiche Künstler wie F.W. Bernstein, Robert Gernhardt, Chlodwig Poth, Hans Traxler, F.K. Waechter sowie Autoren wie Bernd Eilert, Eckhard Henscheid und Pit Knorr in die Stadt. Sie schrieben als Künstlergruppe Neue Frankfurter Schule Kunstgeschichte und prägen bis heute die deutsche Komiklandschaft.“, so der neue Museumsleiter. Deswegen: „Frankfurt bleibt die Bundeshauptstadt der komischen Kunst.“ Und das Caricatura sei folglich dessen „Kanzleramt“, so Sonntag.

Mit dem „Kanzleramt“ habe man viel vor: „Alles wird anders“ und „doch bleibe alles gleich“.  Sonntag halte nichts davon, wie mancherorts üblich, dass sich mit der neuen Leitung auch gleich das Logo eines Hauses ändere. Das Caricatura-Logo bleibe wie es ist und das Caricatura bleibe auch – trotz gewisser Veränderungen – natürlich  weiterhin  Ort der Neuen Frankfurter Schule.

In Zukunft werde aber noch stärker als bisher auf die Nachwirkungen der Neuen Frankfurter Schule geschaut: „Wer sind die Kinder, Enkel und Urenkel dieser Komikschule und wie entwickelt sich die Komische Kunst grundsätzlich?“ Das seien Fragestellungen, so Sonntag, „die das Programm inhaltlich leiten sollen.“
Dazu werde die Sammlungsausstellungsfläche  neu gestaltet und inhaltlich neu aufgestellt. Auch in Zukunft werden immer Werke der Künstler der Neuen Frankfurter Schule zu sehen sein, „aber die Sammlung hat sich mittlerweile stark erweitert und wird auch weiterhin wachsen. So sieht das neue Konzept der Sammlungsausstellung vor, alle Künstlerinnen und Künstler, die in der Sammlung vertreten sind, regelmäßig in wechselnden Zusammenstellungen zu präsentieren.“

Bis die räumliche Umgestaltung abgeschlossen sein werde, gäbe es einen ersten Zwischenschritt auf dem Weg zur neuen Sammlungspräsentation. Zu seinem 95. Geburtstag würdigt das Museum im Mai 2024 Hans Traxler mit einem Schwerpunkt in der Sammlungsetage.

Gezeigt werden bisher unveröffentlichte Arbeiten Traxlers aus den letzten drei Jahren, „allesamt Arbeiten höchster künstlerischer Qualität, die die große Meisterschaft Hans Traxlers beweisen“, wie Martin Sonntag feststellt. Ein weiteres Kabinett ist F. W. Bernsteins Selbstportraits vorbehalten, von denen aktuell eine neue Buchzusammenstellung erschienen ist.

Geplant ist, bis Herbst 2024 die Umgestaltung der 1. Etage abzuschließen, um dann neben der Sammlungspräsentation auch einen zusätzlichen Kabinettraum nutzen zu können. „Mit diesem Bereich soll die Dynamik des Hauses erhöht werden“, sagt Sonntag. Kurzfristige und schnelle Präsentation aktueller Themen, Ausstellungen von Nachwuchskünstlerinnen und –künstlern sowie Ausflüge in Nachbardisziplinen von Karikatur und Cartoon sind geplant.

Drei Wechselausstellungen jährlich
Im Erdgeschoss und in der Galerie dürfen sich die Besucherinnen und Besucher auch weiterhin auf Wechselausstellungen freuen. Ab dem 30. Mai 2024 ist die Fläche dem Wuppertaler Zeichner und Cartoonisten André Poloczek alias POLO gewidmet. Ab September dem Sondermann-Schöpfer Bernd Pfarr. Für 2025 stehen Ausstellungen mit Werken von unter anderem Walter Moers und Michael Sowa auf dem Programm.

Jüngere satirefest machen
Insbesondere mit der Frage, wie man das Museum auch für jüngere Generationen attraktiv macht, will und wird sich Martin Sonntag mit seinem Team beschäftigen. „Wir müssen uns immer wieder die Fragen stellen: Warum sollte man ins Caricatura Museum gehen? Was macht es auch für die jüngere Generation attraktiv? Und was können wir aktiv tun, um die Hemmschwelle für einen Museumsbesuch zu senken?“ Dabei rückt vor allem der Nachwuchs in den Fokus der Kuratorinnen und Kuratoren. Die bisherigen Wechselausstellungen präsentierten bereits Künstlerinnen und Künstler, die in der Tradition der Neuen Frankfurter Schule beheimatet sind. Die nächsten Generationen junger Zeichnerinnen und Zeichner stehen in den Startlöchern oder am Anfang ihrer Karriere. Das Museum kann und will ihnen eine Plattform bieten. Und zeigen: Die Karikatur lebt, und die Komische Kunst hat etwas zu sagen. Vor allem  sei es auch ein Anliegen, Kinder und Jugendliche an Satire heranzuführen. So frühestens ab der 8. /9. Klasse wären Jugendliche allmählich  in der Lage, Ironie und leise Zwischentöne der Bildsatire zu verstehen.

Ein Museum des Lachens bleiben

Auch weiterhin wird das Museum ein Ort sein, der zum lauten Lachen einlädt. Es ist aber auch ein Ort der leiseren Zwischentöne, der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Themen, ein Ort des Diskurses. Das möchte Martin Sonntag in Zukunft verstärken. Bewusst will man einen Kontrapunkt zur aktuellen Erregungsgesellschaft setzen. „Satire spitzt zu, und der Betrachter muss sich zu ihr verhalten.“, erläutert Martin Sonntag. „Man muss mit ihren Inhalten nicht einverstanden sein. Das ist nicht ihre Absicht. Vielmehr deckt sie auf, provoziert und evoziert zum spannenden Meinungsaustausch und trägt – im besten Fall – zum Erkenntnisgewinn bei. Gerade unser Museum ist prädestiniert, generationenübergreifend ins Gespräch zu kommen, eine – im positiven Sinne – Streitkultur wiederzubeleben.“ Spaß und Erkenntnisgewinn dürfen aber einen wichtigen und nicht zu vernachlässigenden Aspekt nicht ausblenden: den der Ästhetik. Vom schnellen Strich bis hin zu opulenten Gemälden – Komische Kunst ist in Stilistik und Aussage vielfältig und auch ein ästhetischer Genuss. Was oftmals so spielerisch einfach daherkommt, ist hart erarbeitet.

Weitere Infos über: Caricatura Museum für Komische Kunst Frankfurt