Als unsere Zukunft erfunden wurde – Liebieghaus Skulpturensammlung Frankfurt gibt Einblick in den „Maschinenraum der Götter“ – ab 8. März 2023

Die Liebieghaus Skulpturensammlung widmet sich 2023 einer der aufregendsten Verbindungen in der Geschichte der Menschheit – jener zwischen Kunst und Technik. Es ist eine globale Erzählung voller Mythen und Visionen, geheimnisvoller Fabeln, fiktiver und realer Innovationen und herausragender Meisterwerke. Die Ausstellung mit dem Titel „Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde“ berichtet von der Geschichte der Wissenschaften in den antiken, arabischen und asiatischen Kulturen und ihrem Einfluss auf die Entwicklung der Kunst. © Foto Diether von Goddenthow
Die Liebieghaus Skulpturensammlung widmet sich 2023 einer der aufregendsten Verbindungen in der Geschichte der Menschheit – jener zwischen Kunst und Technik. Es ist eine globale Erzählung voller Mythen und Visionen, geheimnisvoller Fabeln, fiktiver und realer Innovationen und herausragender Meisterwerke. Die Ausstellung mit dem Titel „Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde“ berichtet von der Geschichte der Wissenschaften in den antiken, arabischen und asiatischen Kulturen und ihrem Einfluss auf die Entwicklung der Kunst. © Foto Diether von Goddenthow

Die Liebieghaus Skulpturensammlung Frankfurt geht vom 8. März bis 10. September 2023  zurück an die Wiege der Technologiegeschichte der Menschheit. In „Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde“ gelingt es den Kuratoren Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann, Sammlungsleiter der Abteilung Antike und Asien, Liebieghaus Skulpturensammlung, und Projektleiter Jakob Salzmann, wissenschaftlicher Volontär, ausgezeichnet einen großen Bogen der Technologiegeschichte und ihrer innewohnenden Verbindung zwischen Kunst und Technik kulturübergreifend von der Vergangenheit bis in die Zukunft zu spannen.

„Die Bedeutung von Naturwissenschaften und Technologie für die Kunst war den Menschen offensichtlich zu allen Zeiten bewusst, außer im 20. Jahrhundert. Bis dahin störte sich niemand an der Engführung von Technik und Ästhetik, die in den antiken, arabischen und asiatischen Kulturräumen als selbstverständlich galt. Im 20. Jahrhundert wurde diese Einheit von Kunst und Technik irrtümlich aufgespalten. Diesen Graben gilt es nun wieder zu schließen, um der Kunst und ihrer Geschichte gerecht zu werden. Ein Beitrag ist unsere Ausstellung, die dafür ein Netzwerk aus Künstlern und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen zusammenführt, um ihre neuesten Forschungen und Leistungen im Bereich der Wissenschaftsgeschichte vorzustellen“, erläutert Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann beim Pressegespräch.

Ausstellungs-Impression: Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Liebieghaus Skulpturensammlung. Rechts der Nachbau eines Telluriums (Erde), Frankreich 1849, welches eine spezielle  Planetenmaschine zur Demonstration der Bewegungen von Erde und Mond und der Sonne  als feste Lichtquelle demonstriert. © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungs-Impression: Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Liebieghaus Skulpturensammlung. Rechts der Nachbau eines Telluriums (Erde), Frankreich 1849, welches eine spezielle Planetenmaschine zur Demonstration der Bewegungen von Erde und Mond und der Sonne als feste Lichtquelle demonstriert. © Foto Diether von Goddenthow

Die Ausstellung „Maschinenraum der Götter – Wie unsere Zukunft erfunden wurde“ berichtet von der Geschichte der Wissenschaften in den antiken, arabischen und asiatischen Kulturen und ihren Einfluss wiederum auf die bildende Kunst, sagt Dr. Philipp Demandt, Direktor der Liebieghaus Skulpturensammlung. In der Antike seien Technik und bildende Kunst sehr eng miteinander verbunden gewesen, eine Verbindung, die verlorengegangen sei, „an die zu erinnern, diese Ausstellung sich vorgenommen hat.“

In Frankfurt werden 97 bedeutende Werke gezeigt, viele davon aus internationalen Museumssammlungen, aus Wien, aus Athen, aus Neapel, aus Rom und selbst aus New York. Es sei  eine multimediale Ausstellung , eine multimediale Ausstellungs-Architektur, die das ganze Liebieghaus in ein Museum verwandelt, in dem die Verbindung von Kunst und Wissenschaft über 5000 Jahrtausende verlebendigt wird.

Ausstellungs-Impression: Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Liebieghaus Skulpturensammlung. © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungs-Impression: Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Liebieghaus Skulpturensammlung. © Foto Diether von Goddenthow

„Wir wollen mit dieser Ausstellung einen unverstellten Blick auf die antike Wissenschaft und ihren kulturgeschichtlichen Einfluss werfen.“ In der Antike könne eben das Phänomen beobachte werden, wie aus der Wissenschaft die Vorstellung einer zukünftigen und auch eben fantastischen Technologie entwickelt worden sei, so ähnlich wie wir das heute aus dem Science-Fiktion-Genre  kennen, so Demandt. Das Liebieghaus zeige, basierend auf den Hauptwerken der Sammlung des Liebieg-Hauses, ergänzt um entsprechende Leihgaben „quasi kaleidoskopartig die aufregende Verbindung zwischen Kunst und Technik über die Grenzen der Jahrtausende und der Kulturkreise hinweg.“ Das reiche bis zur heutigen zeitgenössischen Kunst: Denn im LIebieghaus kommt es zu einem Wiedersehen mit Jeff Koons, dessen faszinierende Apollo Kithara (2019–2022) aus dem British Museum gleichsam eine Wiederbelebung der antiken  Marmorstatue des Apollon bedeute, hier dargestellt, musizierend mit provokanter Python, der er Leben eingehaucht hat. Jeff Koons Arbeit griffe zugleich bewusst einzelne Aspekte der Forschungsarbeiten des Liebieghauses zur antiken Statuenpolychromie, der antiken Statuenfarbigkeit auf. Denn die „Götter“ waren einst bunt.  So böte das Werk von Jeff Coons auch „gewissermaßen eine zeitgenössische Antwort auf die Sehnsucht der Antike und auch des arabischen, islamischen Kulturraums, die Skulptur durch roboterhafte Bewegungen zu verlebendigen,  der Skulptur quasi Leben einzuhauchen.“

Die Ausstellung „Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde“, vom 8. März bis 10. September 2023, wird gefördert durch die Art Mentor Foundation Lucerne, Gemeinnützige Kulturfonds Frankfurt RheinMain GmbH und die Freunde der Tat des Städelschen Museums-Vereins e. V.

0-maschinenraum-der-goetter---liebig-skulpturenhaus-frankfurt-160--(c)-diether-von-goddenthowOrt: Liebieghaus Skulpturensammlung, Schaumainkai 71, 60596 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten: Di, Mi 12.00–18.00 Uhr, Do 10.00–21.00 Uhr, Fr–So 10.00–18.00 Uhr, montags geschlossen

Information: www.liebieghaus.de
Besucherservice und Führungen: info@liebieghaus.de, buchungen@liebieghaus.de, Telefon: +49(0)69-605098-200, Fax: +49(0)69-605098-112
Eintritt: 12 Euro, ermäßigt 10 Euro, freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren, Tickets sind auch im Online-Shop unter shop.liebieghaus.de erhältlich.

Rundgang durch die Ausstellung
Von Ägyptern und Mesopotamien übernehmen die griechischen Dichter zahlreiche Anregungen, so auch die Darstellung fiktiver Hochtechnologie im Mythos. Schon im 7. oder 6. Jahrhundert v. Chr. berichtet der für seine Heldengedichte Ilias und Odyssee bekannte Homer von goldenen Robotern, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind und die Götter bedienen. Der grenzenlos produktive griechische Gott der Ingenieurskunst Hephaist und sein genialer Urenkel Daidalos sind Urheber einer Serie von Erfindungen: Antike Schriftquellen schildern die von ihnen entwickelten Raumschiffe, Fluggeräte, Androide, Roboter, Automata und High-Tech-Waffen.© Foto Diether von Goddenthow
Von Ägyptern und Mesopotamien übernehmen die griechischen Dichter zahlreiche Anregungen, so auch die Darstellung fiktiver Hochtechnologie im Mythos. Schon im 7. oder 6. Jahrhundert v. Chr. berichtet der für seine Heldengedichte Ilias und Odyssee bekannte Homer von goldenen Robotern, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind und die Götter bedienen. Der grenzenlos produktive griechische Gott der Ingenieurskunst Hephaist und sein genialer Urenkel Daidalos sind Urheber einer Serie von Erfindungen: Antike Schriftquellen schildern die von ihnen entwickelten Raumschiffe, Fluggeräte, Androide, Roboter, Automata und High-Tech-Waffen.© Foto Diether von Goddenthow

Die Ausstellung beginnt mit Ägypten und Mesopotanien. Man könnte aber auch vom Ende her,  in der Gegenwart beginnen, und quasi 5000 Jahre zurückwandern, erläutert Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann. Es ginge ja darum, zu zeigen wie früh der Mensch bereits zu forschen begonnen und Wissen angehäuft habe, um die Welt zu verstehen.  Die Ausstellung erstreckt sich über die gesamte Sammlungspräsentation der Liebieghaus Skulpturensammlung und bietet beeindruckende Dialoge zwischen den Exponaten des Liebieghauses und Leihgaben aus internationalen Museumssammlungen. 

Der Rundgang umfasst eine Zeitspanne von mehr als fünf Jahrtausenden.
Das Wissen der europäischen Antike entstammt vor allem den Kulturen des vorderasiatischen und ägyptischen Raums. Die Griechen und Römer entwickelten es weiter, ließen verstärkt philosophische Gedanken einfließen. Da es kaum Grenzen, sondern lediglich Einflussgebiete gab, verbreiteten sich die wissenschaftlichen Erfahrungen innerhalb der Kulturräume und neues Wissen entstand. Diese Entwicklung endete in der Spätantike überall dort, wo die Naturwissenschaften aus religiösen Gründen unterdrückt wurden. Kriege und Kreuzzüge und der Einfluss der christlichen Kirche im westlichen Europa bedrohten das Wissen der Antike. Im arabisch-islamischen Kulturraum wiederum zeigt sich, dass die wissenschaftlichen Errungenschaften der antiken Naturwissenschaften und Philosophie gesammelt, übersetzt und fortentwickelt wurden. Im arabischen Raum waren vom 8. bis 15. Jahrhundert Bagdad, Kairo, Samarkand und Damaskus Wissenszentren mit bedeutenden Gelehrten und Universitäten. Erst zögerlich drangen diese Erkenntnisse in den europäischen Raum, um dann in der Renaissance einen großen Widerhall zu erfahren.

Ausstellungs-Impression: Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Liebieghaus Skulpturensammlung. © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungs-Impression: Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Liebieghaus Skulpturensammlung. © Foto Diether von Goddenthow

Bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. wurden naturwissenschaftliche Forschungsprogramme mit beispielloser Energie vorangetrieben.

Eine auf den ersten Blick unscheinbare runde 4000 Jahre alte Keilschrifttafel erwies sich als Sensation. Denn auf ihr war bereits der Satz des Pythagoras, der zum Wissen der  Menschheit gehört, festgehalten. © Liebieghaus Skulpturensammlung
Eine auf den ersten Blick unscheinbare runde 4000 Jahre alte Keilschrifttafel erwies sich als Sensation. Denn auf ihr war bereits der Satz des Pythagoras, der zum Wissen der Menschheit gehört, festgehalten. © Liebieghaus Skulpturensammlung

Die Bauprojekte in Ägypten und im Nahen Osten (Mesopotamien) erforderten chemische Forschung, um der hohen Nachfrage nach veredelten Materialien gerecht zu werden, ebenso wie zuverlässige Vermessungstechniken für bautechnische Präzision. Für Letztere, aber auch für die Messung von Zeit und für die Voraussage der Zukunft war eine intensive Erforschung der Himmelsmechanik unabdingbar. Aus der Astronomie resultierten schließlich wesentliche Erkenntnisse zu Mathematik und Geometrie. Verdeutlicht wird dies in der Ausstellung etwa durch eine babylonische Schrifttafel mit dem Satz des Pythagoras, der schon vor 4000 Jahren zum Wissen der Menschen gehörte.

In der griechischen Mythologie findet sich auch die Darstellung fiktiver Hochtechnologie. Schon im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. berichten Homer und andere Schriftsteller von goldenen Robotern, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind und die Götter bedienen. Antike Schriftquellen schildern die Erfindungen von Hephaist und Daidalos: Raumschiffe, Fluggeräte, Androide, Roboter, Automata und High-Tech-Waffen. Die Ausstellung präsentiert ein Wandgemälde mit Hephaist, der in seiner Schmiede in Gegenwart der Thetis die neuen Waffen für den griechischen Helden Achill fertigt (Pompeji, 1. Jh. n. Chr.), die Statue des griechischen mythologischen Königs Ixion, der wegen seiner Vergehen an ein radförmiges Raumschiff montiert wurde (römisch, erste Hälfte 2. Jh. n. Chr.), oder die Statue des Ikaros, Sohn des Daidalos, der mit den von seinem Vater konstruierten Flügeln der Sonne zu nah kam und ins Meer stürzte (römisch, 1. Jh. nach Chr.). Der griechische Titan Prometheus soll den Menschen sogar produziert haben: Er setzte einen technischen Bauplan um und kreierte eine Maschine.

Statue der Athena aus der Hand des Bronzebildhauers Myron (1. Jh. n. Chr.) © Foto Diether von Goddenthow
Statue der Athena aus der Hand des Bronzebildhauers Myron (1. Jh. n. Chr.) © Foto Diether von Goddenthow

Die berühmte römische Marmorkopie der Statue der Athena aus der Hand des Bronzebildhauers Myron (1. Jh. n. Chr.) ist ebenfalls in diesem Teil zu sehen. Sie steht wie keine andere Persönlichkeit in der griechischen Mythologie für Aufklärung, Forschung, Kunst und Technologie. Zudem bewahrt das Liebieghaus das einzige erhaltene großformatige Porträt des makedonischen Königs Alexanders des Großen (150–50 v. Chr.) auf. Es ist aus Alexandria, gefertigt aus ägyptischem Alabaster, und zeigt eine Persönlichkeit, die in ihrem Machtstreben allgemein von der Wissenschaft und im Besonderen von ihrem Lehrer Aristoteles profitierte. In diesem Geiste wurde bald nach dem Tod Alexanders des Großen die epochemachende Forschungsanstalt „Bibliothek von Alexandria“ gegründet.

Die ersten echten mechanischen Apparate wurden um 500 v. Chr. verwirklicht – mit einem Höhepunkt in den Jahren zwischen 300 v. Chr. und 100 n. Chr. Nur wenige dieser Funde sind erhalten. Antike Texte geben jedoch eine Vorstellung von den ursprünglichen Mechaniken. Philon von Byzanz (3. bis 2. Jh. v. Chr.) und Heron von Alexandria (1. Jh. n. Chr.?) liefern Bauanleitungen von Modellen für physikalische Experimente sowie für mechanische Wunderwerke, animierte Skulpturen und automatische Theaterbühnen, etwa das Figurenkarussell des Heron von Alexandria, welches bereits pneumatisch angetrieben worden war.

3D-Druck-Rekonstruktionen zweier Bronzestatuen der Rebhuhn jagenden-Kinder. 8 dieser immer wieder leicht unterschiedlichen Kinder-Jagdszenen waren einst im Karussell-"Kino" so angebracht, dass beim Drehen die Illusion bewegter "Jagd-Bilder" entstand. © Foto Diether von Goddenthow
3D-Druck-Rekonstruktionen zweier Bronzestatuen der Rebhuhn jagenden-Kinder. 8 dieser immer wieder leicht unterschiedlichen Kinder-Jagdszenen waren einst im Karussell-„Kino“ so angebracht, dass beim Drehen die Illusion bewegter „Jagd-Bilder“ entstand. © Foto Diether von Goddenthow

In enger Zusammenarbeit mit dem Metropolitan Museum of Art in New York ist das 3D-Modell zweier Bronzestatuen entstanden: Die zwei Kinder, die ein Rebhuhn jagen, waren vermutlich Teil eines kinematografischen Wunderrades. Darüber hinaus sind die spektakulären Ergebnisse der französischen Grabungen an der Domus Aurea (64 n. Chr.) durch das Team von Françoise Villedieu (CNRS Aix-en-Provence) im Frankfurter Liebieghaus zu sehen. In der extravaganten römischen Palastanlage des Nero befand sich ein großer und luxuriöser Bankettsaal, der durch einen wiederentdeckten gewaltigen Mechanismus wie eine Art Drehbühne unter einem künstlichen Sternenhimmel angetrieben wurde.

Für den antiken Menschen bestand die Welt aus der Erde, den Planeten und den Fixsternen.

Ausstellungs-Impression: Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Liebieghaus Skulpturensammlung. Vorne rechts: Rekonstruktion von Archimedes Sphaira (Kugel), sein legendärer  „Planeten-Apparat“. © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungs-Impression: Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Liebieghaus Skulpturensammlung. Vorne rechts: Rekonstruktion von Archimedes Sphaira (Kugel), sein legendärer „Planeten-Apparat“. © Foto Diether von Goddenthow

Man nahm an, dass die Planeten, einschließlich Sonne und Mond, aber auch die Gesamtheit der Fixsterne jeweils auf einer eigenen durchsichtigen Kugelschale befestigt wären und um die feststehende Erde kreisen würden (geozentrisches Weltbild). Die Ausstellung zeigt einen 2017 entstandenen experimentellen Nachbau einer sogenannten Sphaira des Universalgelehrten Archimedes von Syrakus (um 287 bis 212 v. Chr.). Angetrieben durch Gewichte oder Wasserkraft zeigte der Apparat zu jeder Zeit die – aus Sicht der Erde – korrekte Position der Planeten und Fixsterne.

Nachbau des ursprünglich wohl mit Wasserkraft angetriebenen Planeten-Apparats, einer Abbildung der Welt,  in der Form eines Modells, einer „Kugel“ (Sphaira). Er zeigte zu jeder Zeit die aus der Sicht der Erde korrekte Position der Planeten und Fixsterne an. © Foto Diether von Goddenthow
Nachbau des ursprünglich wohl mit Wasserkraft angetriebenen Planeten-Apparats, einer Abbildung der Welt, in der Form eines Modells, einer „Kugel“ (Sphaira). Er zeigte zu jeder Zeit die aus der Sicht der Erde korrekte Position der Planeten und Fixsterne an. © Foto Diether von Goddenthow

Die moderne Variante der antiken Sphaira ist die Armillarsphäre. In der europäischen Kunst taucht dieses kostbare astronomische Instrument häufig in Skulpturen auf, die Atlas als Träger des Himmelsgewölbes zeigen. Die Statue des Atlas (sog. Atlas Farnese) (römisch, 2. Jh. n. Chr. mit neuzeitlichen Ergänzungen) aus Marmor zeigt den Himmelsglobus mit 41 Sternbildern, darunter die 12 Tierkreiszeichen.

Die Entdeckung des sogenannten Mechanismus von Antikythera ist eine Sensation.

Digitale Rekonstruktion des Mechanismus von Antikythera   © Liebieghaus Skulpturensammlung /ony Freeth
Digitale Rekonstruktion des Mechanismus von Antikythera
© Liebieghaus Skulpturensammlung /ony Freeth

Vor 120 Jahren entdeckten Schwammtaucher mehrere oxidierte Bronzeklumpen in einem antiken griechischen Schiffswrack. In vielen Forschungsschritten wurde deutlich, dass es sich um das hochkomplexe Zahnradgetriebe eines astronomischen Instruments (3.–1. Jh. v. Chr.) handeln muss. Die Erforschung wurde in den letzten Monaten abgeschlossen und die Ergebnisse des Forschungsteams um den Mathematiker Tony Freeth werden nun aufwendig medial aufbereitet in der Ausstellung vorgestellt.

Blüte im arabisch-islamischen Kulturraum

Lange vor Beginn der europäischen Renaissance in Italien im 15. Jahrhundert erlebten die antike Philosophie und die antiken Wissenschaften eine Blüte im arabisch-islamischen Kulturraum.

Ausstellungs-Impression: Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Liebieghaus Skulpturensammlung. Links: Rekonstruiertes Universalastrolabium von Aḥmad Ibn as-Sarrāǧ (1328–1329). Im Hintergrund: Modell der Sternwarte von Rey (alt-teheran) © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungs-Impression: Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Liebieghaus Skulpturensammlung. Links: Rekonstruiertes Universalastrolabium von Aḥmad Ibn as-Sarrāǧ (1328–1329). Im Hintergrund: Modell der Sternwarte von Rey (alt-teheran) © Foto Diether von Goddenthow

In der Zeit zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert, dem „Goldenen Zeitalter des Islam“, wurden die antiken Schriften übersetzt, um den Zugang zu Wissen zu ermöglichen. Wissenschaftler verschiedener Ethnien lehrten und forschten in Bagdad und an anderen Orten mit weitreichender Wirkung. Es entstanden Observatorien in Bagdad, Maragha, Rey (Teheran) und Samarkand, um die Mechanik der Himmelskörper über lange Zeiträume hinweg zu studieren und zu dokumentieren. In der Ausstellung sind Präzisionsmessgeräte, wie das Universalastrolabium von Aḥmad Ibn as-Sarrāǧ (1328–1329) zu sehen. Zudem können verschiedene Modelle von Wissenschaftseinrichtungen und Nachbauten wissenschaftlicher Instrumente gezeigt werden, die dank der Leistungen des Frankfurter Forschungsinstituts für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften unter der Leitung von Fuat Sezgin entstanden sind.

Elefantenuhr auf einer Zeichnung von Farrukh ibn ‘Abd al-Latif von 1315 © Foto Diether von Goddenthow
Elefantenuhr auf einer Zeichnung von Farrukh ibn ‘Abd al-Latif von 1315 © Foto Diether von Goddenthow

Der berühmte islamische Ingenieur al-Ǧazarī führte die Entwicklung von komplexen Modellen, Automaten und Uhrwerken aus den antiken Schriften fort. Er beschreibt in seinem Standardwerk „Buch des Wissens von sinnreichen mechanischen Vorrichtungen“, 1205, die Funktion zweier Zeitmesser – einer sogenannten Becheruhr und einer sogenannten Elefantenuhr. Letztere wird auf einer Zeichnung von Farrukh ibn ‘Abd al-Latif von 1315 dargestellt. Darüber hinaus leisteten die physikalischen Experimente in Bagdad und im arabischen Spanien den wissenschaftlichen Durchbruch zur Erforschung des Lichts: Abbas ibn Firnas (um 810–887), Alkindus (gest. um 873), Ibn Sahl (um 940–um 1000) und Alhazen (um 965–nach 1040) revolutionierten die optische Lehre und belegten den wahren Charakter des Lichtstrahls.

Die wissenschaftlichen und philosophischen Aktivitäten der Inder gingen jenen der Griechen voraus. Indische Gelehrte, allen voran Aryabhata (476–550 n. Chr.) und Brahmagupta (598–665 n. Chr.), schufen die Grundlagen für die moderne Astronomie und Mathematik. Aryabhata berechnete etwa das Verhältnis von Mondumlauf zu Erdrotation und verfolgte die Idee des heliozentrischen Weltbildes. Der indische Kulturraum grenzte an das alte China, das über die Seidenstraße mit dem Nahen Osten und dem Mittelmeerraum verbunden war. In China wurden komplexe Kunsttechnologien entwickelt wie die Produktion von Porzellan. Auch der Buchdruck mit beweglichen Lettern ist keine reine Entdeckung von Johannes Gutenberg (um 1400–um 1468), sondern geht auf den Chinesen Bi Sheng (972–1052) zurück. Er fertigte bewegliche Schriftzeichen aus Porzellan an.

Die Künste und Wissenschaften florierten in der europäischen Renaissance – auch maßgeblich durch die Förderung von Cosimo (1389–1464) und Lorenzo de’ Medici (1449–1492). In Florenz stellte Cosimo etwa, unterstützt von byzantinischen Gelehrten, eine Forschungsbibliothek zusammen. Er schloss damit an die Tradition an, die von der Bibliothek von Alexandria über die Schriftensammlungen in Byzanz und das Haus der Weisheit in Bagdad bis zu den Universitäten von Samarkand reicht.

Gestützt auf die Daten der islamischen Astronomen hatte sich Nikolaus Kopernikus (1473–1543) für das seit der Antike diskutierte Modell einer heliozentrischen Welt stark gemacht. Sein Ansatz, dass nicht die Erde, sondern vielmehr die Sonne im Zentrum der kreisenden Planenten steht, wurde durch die Entdeckung des Fernrohrs evident. So beobachtete Galileo Galilei (1564–1642) dank der Vergrößerungen, dass die Venus verschiedene Phasen der Ausleuchtung durch die Sonne durchläuft. Johannes Kepler (1571–1630) wiederum erkannte, dass die Bahnen der Planeten auf Ellipsen verlaufen. Isaac Newton (1643–1727) lieferte dafür später die Berechnungsgrundlage.

Die Ausstellung wirft auch einen Blick auf das Zeitalter der Aufklärung und präsentiert u. a. die Büste des Gelehrten Jean-Jaques Rousseau von Jean-Antoine Houdon aus dem Jahr 1780. Im 18. Jahrhundert wurde zudem der Grundstein für den späteren wirtschaftlichen Aufschwung gelegt. Automatisierte und programmierte Prozesse gewannen an Bedeutung in der Produktion. Zu sehen ist das Modell eines programmierbaren Webstuhls von Jacques des Vaucanson von 1746. Der automatisierte Webstuhl, der über Lochkarten programmiert werden konnte, trug entscheidend zur Entwicklung der Textilindustrie bei.
Am Beispiel der Skulptur des Liebieghauses Maria Immaculata von Matthias Steinl, 1688, wird deutlich, wie das Christentum in seinen Schriften Bilder der griechischen und römischen Antike nutzte und mit neuer Bedeutung auflud. Die christliche Mondsichelmadonna bezieht sich auf das antike griechische Kultbild der Artemis von Ephesos – eine Statue, die zahlreiche Himmelssymbole wie eine Mondsichel, die Sonne und Tierkreiszeichen besaß. Durch die Gleichsetzung mit Maria, die auf einer Mondsichel schwebt, wird aus der apokalyptischen Himmelsvision in der Bibel eine heilsbringende Erscheinung, die hundertfach in Holz geschnitzt verbreitet wurde.

Jeff Koons Apollo Kithara. Drei, eigens aus Los Angeles eingeflogene Techniker waren nötig, um der sich bewegenden Schlange  wieder Leben einzuhauchen. © Foto Diether von Goddenthow
Jeff Koons Apollo Kithara. Drei, eigens aus Los Angeles eingeflogene Techniker waren nötig, um der sich bewegenden Schlange wieder Leben einzuhauchen. © Foto Diether von Goddenthow

Den Abschluss des Rundgangs bildet das Werk Apollo Kithara (2019–2022) des Künstlers Jeff Koons. Es ist zugleich eine Wiederbelebung einer antiken Marmorstatue des musizierenden Apoll aus dem British Museum. Die Arbeit greift zum einen ganz bewusst einzelne Aspekte der Forschungsarbeiten der Liebieghaus Skulpturensammlung zur antiken Statuenpolychromie auf. Zum anderen bietet sie auch eine zeitgenössische Antwort auf die Sehnsucht der Antike und des arabisch-islamischen Kulturraums, der Skulptur durch roboterhafte Bewegung Leben einzuhauchen.

Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde
Ausstellungsdauer: 8. März bis 10. September 2023

0-maschinenraum-der-goetter---liebig-skulpturenhaus-frankfurt-160--(c)-diether-von-goddenthowOrt: Liebieghaus Skulpturensammlung, Schaumainkai 71, 60596 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten: Di, Mi 12.00–18.00 Uhr, Do 10.00–21.00 Uhr, Fr–So 10.00–18.00 Uhr, montags geschlossen
Information: www.liebieghaus.de
Besucherservice und Führungen: info@liebieghaus.de, buchungen@liebieghaus.de, Telefon: +49(0)69-605098-200, Fax: +49(0)69-605098-112
Eintritt: 12 Euro, ermäßigt 10 Euro, freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren, Tickets sind auch im Online-Shop unter shop.liebieghaus.de erhältlich.

Audioguide-App: Der Audioguide begleitet durch die lange Geschichte der Technik und Wissenschaft: Von der Antike bis ins Zeitalter der Industrialisierung lässt sich die tiefe Verbindung zwischen technischen Erfindungen und Kunst anhand herausragender Objekte erleben. Die App in deutscher Sprache beinhaltet Audiotracks und Abbildungen zu rund 20 Stationen und hat eine Dauer von etwa 60 Minuten. Die Tour ist ab Ende März als kostenlose App für die Betriebssysteme iOS und Android erhältlich und kann entweder bequem von zu Hause oder im Liebieghaus WiFi auf das Smartphone geladen werden. Vor Ort im Museum kann der Audioguide ab dem 8. März zu einem Preis von 5 Euro (8 Euro für zwei Audioguides) ausgeliehen werden.

Überblicksführungen: Spektakuläre naturwissenschaftliche Erkenntnisse, technische Errungenschaften und mythische Geschichten: Die Tour zur Ausstellung erlaubt jeweils freitags und samstags einen einzigartigen Blick auf die in der Antike zusammen gedachten Künste und Wissenschaften sowie ihren kulturgeschichtlichen Einfluss. Tickets (Eintritt und Führung) zum Preis von 15 Euro sind im Online-Shop unter shop.liebieghaus.de erhältlich.

Online-Tour: Die Online-Tour der Ausstellung widmet sich interaktiv den faszinieren Errungenschaften vielfältiger antiker Superhirne und dem spannenden Verhältnis von Kunst und Wissenschaft. Das ausgewählte Bildmaterial ermöglicht es, die zum Teil technisch aufwändigen Ausstellungsstücke in einer einzigartigen Nahsicht zu erleben. Jeweils mittwochs, 12.00 Uhr, Tickets zum Preis von 5 Euro sind im Online-Shop unter shop.liebieghaus.de erhältlich.

„La Bohème – Toulouse-Lautrec und die Meister vom Montmartre“ – Kurpfalzmuseum Heidelberg feiert 60 Jahre deutsch-französische Freundschaft

„La Bohème – Toulouse-Lautrec und die Meister vom Montmartre“. Vom 5.März bis 11.Juni 2023 Kurpfälzisches Museum Heidelberg. © Foto Diether von Goddenthow
„La Bohème – Toulouse-Lautrec und die Meister vom Montmartre“. Vom 5.März bis 11.Juni 2023 Kurpfälzisches Museum Heidelberg. © Foto Diether von Goddenthow

Das Kurpfälzisches Museum Heidelberg feiert 60 Jahre deutsch-französische Freundschaft mit einem ganz besonderem künstlerischen Feuerwerk: der Überblicksschau „La Bohème – Toulouse-Lautrec und die Meister vom Montmartre“. Seit dem 5. März bis einschließlich 11.Juni 2023 werden absolute Meisterwerke der Plakatkunst um 1900 präsentiert, darunter wertvolle Originallithographien, die zu den einschlägigen Klassikern der Kunstgeschichte zählen.

Neben Lautrecs Plakaten hält „La Bohème“ viele spannende Entdeckungen aus seinem künstlerischen Umfeld bereit, dazu gehören Arbeiten von Alfons Mucha, Théophile-Alexandre Steinlen, Pierre Bonnard und Felix Vallotton aus den Jahren 1885 bis 1900. Im Zusammenspiel mit kunsthandwerklichen Kostbarkeiten bringt die Ausstellung das einzigartige Flair des Pariser Fin de Siècle nach Heidelberg.

„La Bohème – Toulouse-Lautrec und die Meister vom Montmartre“ Ausstellungsimpression.© Foto Diether von Goddenthow
„La Bohème – Toulouse-Lautrec und die Meister vom Montmartre“ Ausstellungsimpression.© Foto Diether von Goddenthow

Besucher können hier wunderbar eintauchen in die faszinierende Belle Époque: Theater und Opernhäuser und auch zwielichtige Etablissements der Halbwelt (demimonde) waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Paris die populären Orte der Zeit. Im „théâtre libre“ sollten die Schauspieler nicht nur ihre Rollen – im klassischen Verständnis von Theater – „spielen“, sondern auch diese regelrecht „verkörpern“.

Die Theater und Opernhäuser, die vor dem Hintergrund zum Teil großer Not breiter Schichten die Illusion einer schillernden anderen Welt „des Lebens und Spielens“ kontrastierten,  wurden für Zuschauer und zahlreiche Künstler zum Zufluchtsort vor der  Realität des Alltags. So verbrachten viele Künstler sehr viel Zeit in den Etablissements der Pariser „demi-monde“ (Halbwelt) und traten ohne Scheu  auf laszive Art und Weise auf als Tänzerinnen, Sängerinnen und Prostituierte.

Henri Toulouse-Lautrec Plakat für die Tänzerin Jane Avril-1899 © Foto Diether von Goddenthow
Henri Toulouse-Lautrec Plakat für die Tänzerin Jane Avril-1899 © Foto Diether von Goddenthow

Fasziniert von weiblichen Reizen und „dem“ Milieu, fanden Toulouse Lautrec und die Künstler des Montmartre in den Vergnügungstempeln der Umgebung ihre Modelle, um sie in entsprechenden, oftmals animierenden Posen auf ihren Werbeplakaten verewigen zu können. Mit charakteristischen Accessoires wie Hüten, Pelzen, Röcken oder Handschuhen peppten sie die „Werbeauftritte“ der Damen und der Kabarett-Betriebe auf.

Besonders bekannt sind die Plakate aus der Welt von Zirkus und Kabarett, durch die auch  Toulouse Lautrec  populär wurde, insbesondere mit seinem Werbeplakat  der  gefeierten Cancan-Tänzerin La Goulue im Moulin Rouge. Dieses Plakat-Debüt verhalf Lautrec über Nacht zum Durchbruch. Gute Plakate steigerten zudem die Popularität seiner Modelle. So machten Lautrecs Plakate beispielsweise auch den Kabarettbesitzer Aristide Bruant zu einer der bekanntesten Figuren des Montmartres. Lautrec malte ihn häufig ausgestattet mit schwarzem Hut und rotem Schal. Populär war auch das Chat Noir, ein „cabaret atistique“, wo Dichter, Intellektuelle, Künstler und Sänger sich trafen und debattierten.

Ende des 19. Jahrhunderts gelangte das Werbeplakat insbesondere auch durch die erstmals mögliche industrielle Massenfertigung zu großer Popularität. Das Plakat war „das“ Werbemedium der aufblühenden Gründerzeit im öffentlichen Raum schlechthin.
Beworben wurde praktisch alles, ob es um Glühbirnen, Champagner, Schokolade oder um technische Geräte ging, oder es sich, wie in der Ausstellung gezeigt, um Reklame für die Zentren von Vergnügen und Zerstreuung handelte.

Zahlreiche Künstler konnten mit dem neu aufkeimenden „Reklamemarkt“ ihre Auftragseinbußen aufgrund des Siegeszuges der Fotografie im  Portrait-Bereich kompensieren. Rein motivtechnisch  wurden mitunter banale Werbebotschaften nicht selten durch Rückgriffe auf traditionelle anspruchsvolle Bildmuster überhöht, um Plakate inhaltlich aufzuladen und aufzuwerten.

„La Bohème – Toulouse-Lautrec und die Meister vom Montmartre“ Ausstellungsimpression.© Foto Diether von Goddenthow
„La Bohème – Toulouse-Lautrec und die Meister vom Montmartre“ Ausstellungsimpression.© Foto Diether von Goddenthow

Auch im literarischen Bereich herrschte im ausgehenden 19. Jahrhundert Aufbruchsstimmung. Eine neue zu Geld gekommene bürgerliche Mittel- und Oberschicht konnte sich Zeitschriften und Magazin und auch Bücher leisten.  So wurden immer mehr Grafiken benötigt, um die populären und mitunter auch politischen Magazine dieser Zeit zu illustrieren, wie etwa Le Mirliton und Le Courrier francais. Die politisch aufgeladenen Illustrationen waren häufig zudem ironisch, karikierend und kritisch wie die Ausrichtung der Zeitschriften selbst.

Außerdem wurden Theaterprogramme und Buchcover häufig genutzt, um bevorstehende Aufführungen oder Literaturveröffentlichungen anzukündigen oder zu bewerben.

Toulouse-Lautrecs Malstil war von der japanischen Kunst und dem französischen Impressionismus beeinflusst. Er verwendete lebendige Farben und flache Flächen, um seine Figuren darzustellen, und legte Wert auf die Erfassung von Bewegung und Momentaufnahmen.

Einige seiner berühmtesten Werke sind „Moulin Rouge: La Goulue“ (1891), „Jane Avril“ (1893), „Aristide Bruant dans son cabaret“ (1892) und „La Toilette“ (1896).

Toulouse-Lautrec ist einer der prominentesten Künstler Frankreichs und seine Arbeiten gehören heute fraglos zum kollektiven Bildgedächtnis der Europäer.

Kurpfälzisches Museum
Hauptstraße 97
69117 Heidelberg
https://www.museum-heidelberg.de/

Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Montag geschlossen sowie am 24., 25. und 31. Dezember, 1. Januar, 1. Mai und am Fastnachtsdienstag

Airport-Rundfahrten für viele Vereine und Institutionen wieder kostenlos buchbar

© Airport
© Airport

Unter dem Motto „Aktiv für die Region“ unterstützt Flughafenbetreiber Fraport bereits seit vielen Jahren Vereine und öffentliche Einrichtungen im Umland. Nun lebt für diese Institutionen innerhalb des Nachbarschaftsrahmens auch ein beliebtes Freizeit-Angebot wieder auf: Eingetragene Vereine, Bildungseinrichtungen, Feuerwehren und gemeinnützige Institutionen lädt die Fraport AG zu einer kostenlosen Rundfahrt an den Airport ein.

Insgesamt stehen in der laufenden Saison 400 kostenlose Touren auf dem Programm des Besucherservices. Diese Rundfahrten dauern jeweils 45 Minuten und finden aktuell montags sowie donnerstags zwischen 10 und 17 Uhr statt. Die Teilnehmerzahl ist auf 45 Personen begrenzt.

Jürgen Harrer, Leiter Unternehmenskommunikation der Fraport AG, begrüßt die Wiederaufnahme des Services: „Die kostenlosen Rundfahrten sind ein Angebot an die Region, das sich in den Jahren vor der Corona-Pandemie stets sehr großer Beliebtheit erfreut hat. Wir freuen uns sehr, dass wir in dieser Saison endlich wieder Freizeitgruppen aus unserer Nachbarschaft als Gäste am Airport begrüßen können.“

Der Flughafen begeistert Besucherinnen und Besucher mit internationalem Flair, der Faszination Fliegen, mit Technik und Logistik. „Diese Rundfahrten bieten unseren Nachbarn die Möglichkeit, Frankfurt Airport völlig neu kennenzulernen und immer wieder neu zu entdecken. Sie sind daher für uns eine einzigartige Gelegenheit, um mit unseren Nachbarn in Kontakt und in Dialog zu treten – das wollen wir künftig wieder verstärkt tun“, kündigt er an.

Privatpersonen und -gruppen sowie alle Gäste, die von weiter her einen Ausflug an Deutschlands wichtigstes Luftverkehrsdrehkreuz planen, können unter www.fra-tours.com eine kostenpflichtige Rundfahrt buchen. Die Website liefert auch Informationen zum Fraport Besucherzentrum und zur Besucherterrasse am Terminal 2 des Airports, die ab dem 25. März täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet ist.

Mehr Informationen zu den vielfältigen Services am Flughafen Frankfurt finden Fluggäste und Besucher auf der Reise-Homepage, im Service-Shop sowie über die Social-Media-Kanäle auf Twitter, Facebook, Instagram, YouTube und LinkedIn.

www.fra-tours.com

Am 26.März 2023 Tag der offenen Tür im LEIZA – Leibniz-Zentrum für Archäologie Mainz

Blick auf das Ludwig Lindenschmit-Forum  © Foto Diether von Goddenthow
Blick auf das Ludwig Lindenschmit-Forum © Foto Diether von Goddenthow

Es ist soweit! Das neue Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) öffnet seine Türen und lädt zum Kennenlernen ein. Unter dem Motto „Was war, ist“ bieten werden Einblicke in die archäologische Spitzenforschung, die Restaurierungswerkstätten, Labore, Bibliothek geboten. Zudem werden erste Schlaglichter zu sehen sein auf die zukünftigen Ausstellungen, die ab 2024 zu sehen sein werden. Für das leibliche Wohl und ein Kinder-/Familienprogramm ist ebenfalls gesorgt.

Leibniz-Zentrum für Archäologie Mainz
Ludwig-Lindenschmit-Forum 1
55116 Mainz

Universitäten Mainz und Würzburg planen deutsche Beteiligung am neuen NASA-Weltraumteleskop COSI

COSI Germany Team (v.l.n.r): Prof. Dr. Uwe Oberlack (JGU), Dr. Hiroki Yoneda (JMU), Saurabh Mittal (JMU), Dr. Thomas Siegert (JMU), Dr. Savitri Gallego (JGU), Prof. Dr. Karl Mannheim (JMU), Jan Lommler (JGU). ©: Uwe Oberlack
COSI Germany Team (v.l.n.r): Prof. Dr. Uwe Oberlack (JGU), Dr. Hiroki Yoneda (JMU), Saurabh Mittal (JMU), Dr. Thomas Siegert (JMU), Dr. Savitri Gallego (JGU), Prof. Dr. Karl Mannheim (JMU), Jan Lommler (JGU). ©: Uwe Oberlack

Mit einem zweitägigen Workshop, zugleich ein Kick-off Meeting, haben die Universitäten Mainz und Würzburg die deutsche Beteiligung am NASA-Satelliten COSI vorbereitet. Aus Mainz ist die Gruppe von Prof. Dr. Uwe Oberlack vom Exzellenzcluster PRISMA+ beteiligt, aus Würzburg die Gruppe um den Astrophysiker Dr. Thomas Siegert.

Das Gammastrahlenteleskop mit dem Namen Compton Spectrometer and Imager (COSI) wird die jüngste Geschichte der Sternentstehung, von Sternexplosionen und der Bildung chemischer Elemente in der Milchstraße untersuchen, die für die Entstehung der Erde selbst entscheidend waren. Es wird vom Space Sciences Laboratory der University of California Berkeley geleitet und soll 2027 als neueste „kleine Astrophysik-Mission“ (Small Explorer) der NASA starten. Im Oktober 2021 hatte die NASA COSI aus 18 eingereichten Vorschlägen als neues Weltraumteleskop ausgewählt.

COSI wird die Gammastrahlung radioaktiver Atome untersuchen, die bei der Explosion massereicher Sterne entstehen, um zu kartieren, wo in der Milchstraße chemische Elemente entstanden sind. Die Mission wird auch den mysteriösen Ursprung der Positronen in unserer Galaxie erforschen, die auch als Antielektronen bekannt sind – subatomare Teilchen, die die gleiche Masse wie Elektronen, aber eine positive Ladung haben. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Suche nach Strahlung, die von Teilchen der Dunklen Materie erzeugt wird.

Die deutsche Beteiligung an COSI ist eine Kooperation des Lehrstuhls für Astronomie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und des Exzellenzclusters PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und wird durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert. Besonders interessant an der Mission ist die neue Thematik der „Megaelektronenvolt (MeV)-Gammaastronomie“, denn sie erlaubt die Beobachtung des Himmels in einem Bereich der elektromagnetischen Strahlung, der noch weitgehend unerforscht ist. Frühere Missionen unter führender deutscher Beteiligung, wie das erste Compton-Teleskop COMPTEL auf dem Compton Gamma-ray Observatory der NASA in den 90er-Jahren und das europäische Teleskop INTEGRAL in den letzten 20 Jahren, haben im Hinblick auf die Empfindlichkeit der Himmelsdurchmusterung nur die hellsten Quellen sehen können. COSI wird hier deutlich empfindlicher.

Dieser Energiebereich ist aber nicht nur wenig erforscht, er ist auch besonders interessant, weil er den Bereich der Energieniveaus in Atomkernen darstellt, die Ruheenergie der Positronen umfasst, sowie die Suche nach Dunkler Materie in einem bisher nicht zugänglichen Bereich ermöglicht. Kürzliche Hinweise auf astrophysikalische Neutrinos könnten auf Quellen hindeuten, die im MeV-Energiebereich sichtbar sein könnten. „COSI wird dutzende Quellen innerhalb und außerhalb der Milchstraße detektieren und dadurch den Weg frei machen für noch größere Weltraumteleskope”, sagt der Würzburger Astrophysiker Dr. Thomas Siegert.

„Die COSI Mission hat vielfältige Anknüpfungspunkte zum Forschungsprogramm von PRISMA+“, erläutert der Mainzer Experimentalphysiker Prof. Dr. Uwe Oberlack. „Einer von ihnen ist das Forschungsfeld der Antimaterie – mit Blick auf die Suche nach galaktischen Positronen -, ein anderer die Suche nach Dunkler Materie. Das ist deshalb spannend, da als Alternative zu schwereren hypothetischen Teilchen der Dunklen Materie, sogenannten WIMPs, zunehmend auch Teilchen bei leichten Massen im MeV-Bereich als Kandidaten für diese exotische Materieform diskutiert werden. Hier wird COSI ein neues Beobachtungsfenster für die Suche nach Dunkler Materie mit Gammastrahlen öffnen. Auch die Multimessenger-Astronomie im Hinblick auf die Suche nach kosmischen Neutrinos, die wir bei PRISMA+ mit dem IceCube Experiment betreiben, könnte von der neuen Mission profitieren.“

Dr. Thomas Siegert ergänzt: „Der Würzburger Lehrstuhl für Astronomie ist mit seinen vielfältigen Arbeitsgruppen passgenau für dieses Vorhaben aufgestellt. Mit COSI können wir die Jets von Mikroquasaren untersuchen, also Doppelsterne mit einem Neutronenstern oder einem schwarzen Loch. So stellen wir fest, ob diese Quellen auch große Mengen an Positronen erzeugen. In Würzburg arbeiten wir gemeinsam an Jet-Modellen auf allen Größenskalen — von kleinsten schwarzen Löchern bis hin zu aktiven Galaxienkernen. Des Weiteren interessieren wir uns für die Bildung chemischer Elemente in Sternen und durch Supernovae. Diese kann mittels COSI besonders detailliert untersucht werden, da die radioaktiven Elemente charakteristische Gammastrahlen aussenden, die sich dank COSIs hoher spektraler Auflösung voneinander unterscheiden lassen. So lernen wir, warum die Verteilung der Elemente in der Milchstraße so ist, wie sie ist.“

Beim Workshop in Mainz wurden zunächst die COSI-Kollaboration und der Status der Vorbereitungen zum Beispiel im Hinblick auf die Datenanalyse vorgestellt. Anschließend diskutierten die Teilnehmer die geplanten Arbeitspakete, aktuelle Forschungsfragen und den momentanen Stand der Vorbereitung. Im Ergebnis war es ein sehr guter Start, um das COSI-Team in Deutschland zu formen und die nächsten Schritte abzusprechen. Eines ist jetzt schon klar: Der Start der Mission wird von allen Teilnehmenden mit großer Spannung erwartet.

Weiterführende Links:

https://www.nasa.gov/press-release/nasa-selects-gamma-ray-telescope-to-chart-milky-way-evolution

https://cosi.ssl.berkeley.edu/

https://www.nasa.gov/press-release/nasa-selects-gamma-ray-telescope-to-chart-milky-way-evolution

https://www.physik.uni-wuerzburg.de/astro/mitarbeiter/ag-siegert/

 

Zoos teilen Wissen zum World Wildlife Day Verband der Zoologischen Gärten geht mit europaweiter Forschungsdatenbank online

Verhaltensforschung bei den Bonobos im Zoo Frankfurt © Zoo Frankfurt
Verhaltensforschung bei den Bonobos im Zoo Frankfurt © Zoo Frankfurt

ffm. Am Freitag, 3. März, ist der World Wildlife Day oder auch Internationaler Artenschutztag der Vereinten Nationen (UN). An diesem Tag geht die Zoo Science Library des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ) und des Europäischen Zoo- und Aquarienverbands (EAZA) online.

Die frei zugängliche Forschungsdatenbank listet begutachtete – in der Fachsprache: peer-reviewed – Veröffentlichungen aus internationalen Fachzeitschriften auf, die unter Beteiligung der VdZ- und EAZA-Mitgliederzoos und Aquarien entstanden sind. Beginnend mit rund 600 Publikationen aus den Jahren 2020 und 2021, werden weitere Einträge sukzessive hinzugefügt. Eine nutzerfreundliche Suche hilft, relevante Publikationen schnell aufzufinden.

Die Forschung zählt mit dem Natur- und Artenschutz und der Bildung zu den Aufgaben moderner Zoos. „Wir und unsere Partner forschen als Teil eines globalen Netzwerkes in unseren Zoos und in der Natur. Umso mehr freuen wir uns, mit der Zoo Science Library jetzt den Beitrag unserer Zoos zur Wissenschaft gebündelt sichtbar zu machen“, erklärt Volker Homes, Geschäftsführer des VdZ. „Wir tragen mit unserer Forschung in der Biologie, Veterinärmedizin, den Sozialwissenschaften und in weiteren Bereichen zum Wissensgewinn bei und ermöglichen faktenbasierte Entscheidungen in der Praxis. Dieses Wissen wird immer wichtiger – in den Zoos, aber auch in den ursprünglichen Lebensräumen der Tiere, um Arten vor der Ausrottung zu bewahren.“

Der World Wildlife Day macht seit 2013 auf das dramatische Artensterben aufmerksam, das vor allem durch Lebensraumzerstörung, Übernutzung und Wilderei sowie durch den Klimawandel befeuert wird.

Die Zoo Science Library wird ab Freitag, 3. März, unter zoosciencelibrary.org online gestellt.

Hintergrundinformationen finden sich auch in der Broschüre „Forschungsort Zoo – Beiträge und Potenziale der VdZ-Zoos für die wissenschaftliche Forschung“ unter vdz-zoos.org.

Über den VdZ

Der VdZ mit Sitz in Berlin ist die führende Vereinigung wissenschaftlich geleiteter Zoologischer Gärten. Rund 40 Millionen Menschen besuchen jährlich die 71 VdZ-Zoos, mehr als eine Million profitiert von den besonderen Bildungsangeboten der Zoos in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Spanien. Geschäftsführer des Verbands ist Volker Homes und Präsident der Leipziger Zoodirektor Prof. Jörg Junhold. Der 1887 gegründete VdZ ist der weltweit älteste Zoo-Verband und gab den Anstoß zur Gründung des Weltzooverbands.

Über die EAZA

Die European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) wurde 1992 gegründet und ist der weltweit größte regionale Zoo- und Aquarienverband mit über 400 Mitgliedsinstitutionen in 48 Ländern. EAZA ermöglicht die Zusammenarbeit innerhalb der Zoo- und Aquariengemeinschaft in Europa und Westasien im Bereich Bildung, Forschung und Naturschutz. Die Mitgliedschaft in EAZA basiert auf strengen Akkreditierungsanforderungen. EAZA veröffentlicht JZAR, das Open-Access-Journal of Zoo and Aquarium Research, siehe auch jzar.org.

Nicole Keller & Oliver Schumacher gewinnen Europäischen Architekturfotografie-Preis architekturbild 2023

Heidelberg/Frankfurt/Potsdam – Das Hamburger Fotografenteam Nicole Keller & Oliver Schumacher ist der Gewinner des Europäischen Architekturfotografie-Preis architekturbild 2023 mit dem Thema »Provisorium│Stopgap«. Eine siebenköpfige Jury wählte die Bildserie auf den ersten Platz. In dem international ausgeschriebenen und anonym durchgeführten Wettbewerb, der insgesamt mit 6000 Euro dotiert ist, wurden außerdem zwei weitere Preise, fünf Auszeichnungen und 20 Anerkennungen vergeben.

Nicole Keller & Oliver Schumacher, so die Juryvorsitzende Dea Ecker, »erreichen mit ihrem Bilderquartett das scheinbar Unmögliche: Ein Arrangement aus Hoch- und Querformaten, das trotz der unterschiedlichen Sujets dennoch zu einem großen Ganzen wird – und das mit spielerischer Leichtigkeit. Der zarte Humor, der bei jedem Motiv mitschwingt, und das subtile Farbspiel binden die Aufnahmen trotz aller Unterschiedlichkeit zu einer intellektuell-ästhetischen Serie zusammen. Eine fotografisch elegante und zugleich heitere Komposition, die das Thema ˏProvisoriumˊ in ganz eigenständiger Weise interpretiert.«

Das Duo selbst schreibt: »Provisorien begegnen uns tagtäglich, meist nehmen wir sie gar nicht wahr. Uns interessieren vor allem die absurden, irritierenden, komischen Provisorien. Es sind erfrischende Brüche in der sonst so ˏperfektenˊ Welt. Sie machen Unmögliches möglich. Zugleich zeigt sich da auch etwas Unschuldiges, als hätten Kinder ihre Hand im Spiel. So werden aus Problemen und Fehlern die eigentlichen Hingucker. Gar Kunst? Zumindest eine Kunst der schnellen Problemlösung, der Fantasie und der ungewollten (?) Komik. In diesen Provisorien und – vor allem – ihrer Menschlichkeit liegt eine freundliche Wärme. Wir laden ein, diese Alltagsmomente mit offenen Augen zu suchen, zu entdecken und sich über sie zu freuen.«

Zwei weitere gleichwertige Preise gingen an Katharina Roters aus Berlin für eine Schwarz-Weiß-Serie, die in Armenien angesiedelt ist, und an hiepler, brunier, ebenfalls Berlin, für ihre Serie »Gap Stop«.

Jurymitglied Kristin Baumert zu Ersterer: »Scheinbar triste Hinterhofszenen, eine starre Anordnung, menschenleer und dennoch so intensiv. Beim Betrachten läuft ein Film vor meinen Augen ab: Kinder spielen mit einem Ball, ihr freudiges Gelächter dringt durch die Straßen, ein Schuss – Tor! Die Serie von Katharina Roters aufgemalten Toren auf Häuserwänden zeigt ein Provisorium, das keineswegs negativ ist. Im Gegenteil: Es erhellt und gibt Hoffnung und Zuversicht.«

Jurymitglied Brigida González zu »Gap Stop«: »Schon mit der Umkehrung des Themas ˏStopgapˊ zu ˏGap Stopˊ zeigen uns die beiden Fotografen ihre Lesart der Aufgabe. Sie macht deutlich, wie vielschichtig das Thema interpretiert werden kann. Denn noch wichtiger als das, was die Fotografen zeigen, ist das, was sie nicht zeigen. Hier wird die Abwesenheit von Architektur vergegenwärtigt. Unser Bild von fertiggestellter Architektur wird etwa durch sichtbare Armierungen aufgelöst und sagt uns zugleich: Hier wird weitergebaut. Die sichtbaren Freiräume zwischen den Baukörpern machen neugierig auf das, was einmal entstehen wird. Dabei umkreist die Kamera die Baukörper auf delikate und gekonnte Weise.«

Auszeichnungen erhielten die Serien von Matthias Jung, Thomas Kummerow, Piet Niemann, Apostolis Tsolakidis und Sven Weber.

Anerkennungen gingen an Swen Bernitz, Axel Beyer, Alexander Butz, Markus Dorfmüller, HGEsch, Ulla Franke, Helge Garke, Wolfgang Gerlich, Maximilian Gottwald, Michael Himpel, Wolfram Janzer, Alexander Mai & Mikula Platz, Andreas Thomas Mayer, Michael Nischke, Walter Oczlon, Emanuel Raab, Gregor Sailer, Daniel Seiffert, Albrecht Voß sowie Michael Zegers.

Bilderserien hier!

Die Jury des EAP 2023
Dea Ecker, Ecker Architekten, Heidelberg (Juryvorsitz)
Kristin Baumert, Bundesstiftung Baukultur, Potsdam
Heike Schuler, Leiterin Papierwerkstatt, Deutsches Architekturmuseum (DAM), Frankfurt am Main (erkrankt)
Brigida González, Architekturfotografin, Stuttgart
Helena Huber-Doudová, Kuratorin Architektursammlung National Galerie Prag, Prag/Berlin
Wojciech Czaja, Journalist, Autor, Moderator, Wien
Oliver Mezger, Architekt, Fotograf, Vorstand, Geschäftsführer architekturbild e.v., Heidelberg

Kooperationspartner

Deutsche Architekturmuseum (DAM), Frankfurt am Main

Das DAM organisiert Wechselausstellungen zu nationalen und internationalen Architektur- und Städtebauthemen des 20./21. Jahrhunderts, präsentiert in einer umgebauten Gründerzeitvilla am Museumsufer Frankfurt mit dem ikonischen Haus-im-Haus von Architekt Oswald Mathias Ungers. Als Diskussionsort für aktuelle Fragen veranstaltet es Tagungen und Workshops, gibt Publikationen heraus und bietet ein vielfältiges Vermittlungsprogramm für Kinder und Jugendliche. 2022-24 wird das Museum am Schaumainkai umfangreich saniert, das »DAM Ostend« am Danziger Platz in Frankfurt wird in dieser Zeit zum Interimsquartier für Ausstellungen, Veranstaltungen und Workshops.

Bundesstiftung Baukultur, Potsdam

Die Bundesstiftung Baukultur ist eine unabhängige Einrichtung, die für hochwertiges Planen und Bauen eintritt. Sie verfolgt damit das Ziel, die gebaute Umwelt als wesentlichen Faktor für Lebensqualität zu einem gemeinschaftlichen Anliegen zu machen. Durch Veranstaltungen, Publikationen und Kooperationen fördert die Stiftung den öffentlichen Diskurs über Baukultur und vernetzt Akteure miteinander. Alle zwei Jahre legt die Bundesstiftung Baukultur dem Bundeskabinett und dem Bundesparlament einen Bericht zur Lage der Baukultur in Deutschland vor.

Preisverleihung und Ausstellungseröffnung

Die Preisverleihung und Eröffnung finden am Freitag, den 12. Mai 2023 um 19 Uhr im DAM Ostend, dem Interimsquartier des Deutschen Architekturmuseums in der Henschelstraße 18 in 60314 Frankfurt am Main statt. Die Ausstellung läuft bis 2. Juli 2023. Der Katalog (av edition) kostet 28,00 Euro.

Veranstaltungen im Gutenberg-Museum vom 06.03. bis 12.03.2023

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Veranstaltungen, die vom 06.03.  bis 12.03.2023 im Gutenberg-Museum stattfinden, mit der Bitte um Veröffentlichung.

Montag, 06.03.2023, 9.00-17.00 Uhr

Drucken und Setzen im Druckladen des Gutenberg-Museums für große und kleine Gruppen. Setzen mit Holzlettern, Drucken der Motive im Hochdruck. Weitere Projekte nach Absprache. Kosten: Werkstattbeitrag (Voranmeldung erforderlich, Tel. 06131-122686 oder gm-druckladen@stadt.mainz.de).

Dienstag, 07.03.2023, 9.00-17.00 Uhr
Drucken und Setzen im Druckladen des Gutenberg-Museums für große und kleine Gruppen. Setzen mit Holzlettern, Drucken der Motive im Hochdruck. Weitere Projekte nach Absprache. Kosten: Werkstattbeitrag (Voranmeldung erforderlich, Tel. 06131-122686 oder gm-druckladen@stadt.mainz.de).

Dienstag, 07.03.2023, 10.00, 11.00, 12.00, 14.00, 15.00 und 16.00 Uhr
(und auf Nachfrage)
Druckvorführung an der Gutenberg-Presse.

Mittwoch, 08.03.2023, 9.00-17.00 Uhr
Drucken und Setzen im Druckladen des Gutenberg-Museums für große und kleine Gruppen. Setzen mit Holzlettern, Drucken der Motive im Hochdruck. Weitere Projekte nach Absprache. Kosten: Werkstattbeitrag (Voranmeldung erforderlich, Tel. 06131-122686 oder gm-druckladen@stadt.mainz.de).

Mittwoch, 08.03.2023, 10.00, 11.00, 12.00, 14.00, 15.00 und 16.00 Uhr (und auf Nachfrage)
Druckvorführung an der Gutenberg-Presse.

Donnerstag, 09.03.2023, 9.00-17.00 Uhr
Drucken und Setzen im Druckladen des Gutenberg-Museums für große und kleine Gruppen. Setzen mit Holzlettern, Drucken der Motive im Hochdruck. Weitere Projekte nach Absprache. Kosten: Werkstattbeitrag (Voranmeldung erforderlich, Tel. 06131-122686 oder gm-druckladen@stadt.mainz.de).

Donnerstag, 09.03.2023, 10.00, 11.00, 12.00, 14.00, 15.00 und 16.00 Uhr (und auf Nachfrage)
Druckvorführung an der Gutenberg-Presse.

Freitag, 10.03.2023, 9.00-17.00 Uhr
Drucken und Setzen im Druckladen des Gutenberg-Museums für große und kleine Gruppen. Setzen mit Holzlettern, Drucken der Motive im Hochdruck. Weitere Projekte nach Absprache. Kosten: Werkstattbeitrag (Voranmeldung erforderlich, Tel. 06131-122686 oder gm-druckladen@stadt.mainz.de).

Freitag, 10.03.2023, 10.00, 11.00, 12.00, 14.00, 15.00 und 16.00 Uhr (und auf Nachfrage)
Druckvorführung an der Gutenberg-Presse.

Samstag, 11.03.2023, 10.00, 11.00, 12.00, 14.00, 15.00 und 16.00 Uhr (und auf Nachfrage)
Druckvorführung an der Gutenberg-Presse.

Samstag, 11.03.2023, 10.00-15.00 Uhr  
Offene Werkstatt im Druckladen des Gutenberg-Museums
für Einzelpersonen und Große und kleine Gruppen mit max. 5 Teilnehmer:innen. Drucken von eigenen oder vorhandenen Motiven, Setzen mit Holzlettern. Sondermaterialien auf Anfrage. Kosten: Werkstattbeitrag

Samstag, 11.03.2023, 11.00 Uhr  
Öffentliche Führung durch die Dauerausstellung des Gutenberg-Museums mit den Gästeführer:innen der Stadt Mainz; Führung 10 Euro/erm. 8 Euro/Kinder bis einschl. 8 Jahre frei (zzgl. Eintritt). Voranmeldung unter Tel. 06131-242827/888 oder gaestefuehrung@mainzplus.comerforderlich.

Samstag, 11.03.2023, 13.30-16.30 Uhr
Nachlass von großen und kleinen Sünden
Druckvorführung von Ablassbriefen im 1. Stock des Gutenberg-Museums
Sonntag, 12.03.2023, 12.00, 13.00, 14.00, 15.00 und 16.00 Uhr (und auf Nachfrage)
Druckvorführung an der Gutenberg-Presse (15 Uhr im Rahmen der Kinderführung).

Sonntag, 12.03.2023, 15.00-17.00 Uhr
Familiensonntag

Von tanzenden Buchstaben und bunten Blättern – Spannende Kinderführung von A bis Z mit Druckerschwärze und zauberhaften Büchern im Reich der schwarzen Kunst.  Für Kinder ab 6 Jahre und ihre Eltern. Treffpunkt 15 Uhr an der Museumskasse | Mobile Druckwerkstatt: Drucken im Foyer des Gutenberg-Museums. Teilnahmebeitrag pro Kind: Führung 2 Euro und Drucken 2 Euro, inkl. Eintritt, erm. Eintritt 3,50 Euro für Eltern und begleitende Angehörige

Von Montag bis Freitag zwischen 9.00-17.00 Uhr
Einzelbetreuung und Druckaufträge im Druckladen des Gutenberg-Museums
Erstellen privater Drucksachen unter fachkundiger Hilfe. Entgegennahme von Aufträgen nach persönlicher Absprache (Voranmeldung erforderlich, Tel. 06131-122686 oder gm-druckladen@stadt.mainz.de)

„Weltflucht und Moderne“ – Wiesbadener Museum entdeckt einen der profiliertesten Jungendstilkünstler Oskar Zwintscher neu

Weltflucht und Moderne: Museum Wiesbaden präsentiert Dresdener Größe des Jugendstils - Oskar Zwintscher. Eine großangelegte Ausstellung im Museum Wiesbaden holt das facettenreiche Werk des Künstlers vom 3. März bis zum 23. Juli 2023 nach 114 Jahren nach Wiesbaden zurück. Bild: Hauptsaal der Ausstellung unter anderem das kolossale Gemälde von OSKAR ZWINTSCHER, Begegnung, 1915, Öl auf Leinwand, 200 × 200 cm, Leihgabe der Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum. Mitte links Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden, neben ihm Kurator Dr. Peter Forster, Kustos Sammlungen 12. bis 19. Jh., Museum Wiesbaden. © Foto Diether von Goddenthow
Weltflucht und Moderne: Museum Wiesbaden präsentiert Dresdener Größe des Jugendstils – Oskar Zwintscher. Eine großangelegte Ausstellung im Museum Wiesbaden holt das facettenreiche Werk des Künstlers vom 3. März bis zum 23. Juli 2023 nach 114 Jahren nach Wiesbaden zurück.
Bild: Hauptsaal der Ausstellung unter anderem das kolossale Gemälde von OSKAR ZWINTSCHER, Begegnung, 1915, Öl auf Leinwand, 200 × 200 cm, Leihgabe der Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum. Mitte links Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden, neben ihm Kurator Dr. Peter Forster, Kustos Sammlungen 12. bis 19. Jh., Museum Wiesbaden. © Foto Diether von Goddenthow

Diese Ausstellung „Weltflucht und Moderne“ ist im Grunde ein großes Finale, das Finale einer mehrjährigen Forschungsarbeit der staatlichen Kunstsammlungen in Dresden zu Oskar Zwintscher, die sowohl das Œuvre wie auch die Maltechnik von Zwintscher erforscht haben, schwärmt Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden. Das Museum Wiesbaden sei froh und sehr dankbar für diese Kooperation mit der Kunstsammlung Dresden. Zuerst wurde die Zwintscher-Schau mit Gemälden, Zeichnungen und Karikaturen des großen sächsischen Malers und Zeichners am Albertinum in Dresden gezeigt. Kuratiert von Dr. Peter Forster und Valerie Ucke, werden in Wiesbaden vom 2. März  bis 23. Juli 2023 in einem anderen Kontext nun 80 Arbeiten aus den unterschiedlichen Gattungen des Jugendstils präsentiert, darunter allein knapp 60 Zwintscher-Bilder seines facettenreichen Werkes, darunter Porträts von prominenten Mitgliedern der Gesellschaft der Jahrhundertwende oder von Zwintschers Muse und Ehefrau Adele. Die Schau spannt mit ikonischen Porträts, brillanten Zeichnungen und Karikaturen, Beispielen angewandter Kunst bis hin zu idyllischen Landschaften den Bogen vom Jugendstil über den Symbolismus bis hin zum Vorgriff auf die Neue Sachlichkeit.

Ausstellungs-Impression Weltflucht und Moderne, Museum Wiesbaden vom 2.März bis 23. Juli 2023 © Foto Diether von Goddenthow
Ausstellungs-Impression Weltflucht und Moderne, Museum Wiesbaden vom 2.März bis 23. Juli 2023 © Foto Diether von Goddenthow

Der Hauptteil der präsentierten Werke sind Dresdener Leihgaben, zudem etliche Bilder von privaten Sammlern, wodurch eine solch einzigartige Dichte seiner Bilder in „Weltflucht und Moderne“ erreicht werden konnte. Diese steht zudem in Bezügen zu den hauseigenden Sammlungen „Alter Meister“ und der „Jugendstil-Sammlung von F.W. Neess“, wodurch eine noch weitere Tiefe erreicht wird.

Die Achse Dresden Wiesbaden sei historisch erprobt, so Henning. Bereits 1899, nachdem die erste Zwintscher-Ausstellung in Dresden stattfand, machte die spätere Wanderausstellung auch Station in Wiesbaden. 1909 gab es eine zweite Ausstellung, bei der das Museum Wiesbaden, seinen ersten Zwintscher, ein Proträt von  Dr. Ferdinand Gregori angekauft hat.

Oskar Zwintscher, Porträt Dr. Ferdinand Gregori, 1907 © Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert
Oskar Zwintscher, Porträt Dr. Ferdinand Gregori, 1907 © Museum Wiesbaden. Foto: Museum Wiesbaden/Bernd Fickert

Das Porträt Gregoris, einem Hofschauspieler am Burgtheater in Wien und früherer Leiter der dortigen Akademie für Musik und darstellende Kunst, geriet in Folge der Ausstellungen im damaligen progressiven Kunstsalon Banger und dem Wiesbadener Rathaus nach dem Einzug in die Museumssammlung in Vergessenheit. Das Bild bildet den Schlusspunkt der Ausstellung, bewusst auch als Überleitung zur sich anschließenden Kabinett-Ausstellung von Karl Otto Hy, einem Wiesbadener Chronisten.

Oskar Zwintscher gilt in der Kunstwelt als eine der ganz großen künstlerischen Wiederentdeckungen unserer Zeit. Auch im Museum Wiesbaden, so müsse man bekennen, sei Zwintscher in Vergessenheit geraten, und erst durch die epochale Schenkung der umfangreichen Jugendstilsammlung von Ferdinand Wolfgang Neess wieder zum Vorschein gekommen. Denn in Neess Sammlung befanden sich auch zwei Zwintscher-Gemälde, die 2019 seit der Eröffnung der Jugendstil-Dauerausstellung dort entsprechend präsentiert werden.
Zwintscher sei ein unglaublich facettenreicher faszinierender Künstler, der in verschiedenen Gattungen gearbeitet hat. Er sei sowohl maltechnisch als auch vom malerischen Können her ein herausragender Künstler. Peter Forster hat jahrelang Zwintschers Arbeit erforscht, und setzt sie nun  gemeinsam mit Valerie Ucke in „Weltflucht und Moderne“ wunderbar in Szene.

Der Künstler Oskar Zwintscher sei so gut, dass es eigentlich keiner großen Worte bedürfe, um diesen Künstler auch nur annähernd zu verbalisieren und zu übersetzen, um ihm tatsächlich gerecht zu werden, unterstreicht Peter Forster, der seinem Anspruch, als Kunsthistoriker zu glauben, Antworten im Sinne des Künstlers liefern zu können, im Fall Oskar Zwintscher aufgegeben habe. Denn „in dem Fall habe ich Oskar Zintscher selbst als Frage empfunden“, und „ich kann mir nicht vorstellen, dass er selbst, trotz etlicher Versuche seine Kunst zu erklären, diese tatsächlich auf den Punkt gebracht hätte, so der Kurator, der sich unter anderem auf einen Brieffund „Oskar Zwintschers an einen Wiesbadener Kritiker“ bezieht, und sich trotz positiver Kritik derart missverstanden fühlte, dass er den Kritiker nach Dresden einlud, damit er verstehe, worum es ihm ginge.

Oskar Zwintscher zählt zu den großen künstlerischen Wiederentdeckungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und des Museums Wiesbaden, Kurartor Dr. Peter Forster ist ganz fasziniert von dem großartigen Künstler Oskar Zwintscher. Im Hintergrund unter anderem das Werk "Blicke auf Oskar Zwintschers Lehre an der Dresdner Kunstakademie" von Richard Müller.© Foto Diether von Goddenthow
Oskar Zwintscher zählt zu den großen künstlerischen Wiederentdeckungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und des Museums Wiesbaden, Kurartor Dr. Peter Forster ist ganz fasziniert von dem großartigen Künstler Oskar Zwintscher. Im Hintergrund unter anderem das Werk „Blicke auf Oskar Zwintschers Lehre an der Dresdner Kunstakademie“ von Richard Müller.© Foto Diether von Goddenthow

Oskar Zwintscher (1870, Leipzig–1916, Loschwitz) studierte Kunstgewerbe in Leipzig und Malerei an der Kunstakademie in Dresden. Einen Namen machte er sich als Porträtmaler, Werbegrafiker und Karikaturist für Zeitschriften wie „Meggendorfers humoristische Blätter“ oder „PAN“. 1898 zeichnete die Schokoladenfabrik Stollwerck Zwintscher für die Gestaltung berühmter Sammelbilder aus. Wiesbaden zählte schon 1899 zu den Stationen seiner Ausstellungstournee. Zwintscher stand der Reformbewegung nahe und pflegte Kontakt zu den Künstlervereinigungen der Jahrhundertwende u.a. der Künstlerkolonie in Worpswede, der Berliner Bohème oder der Münchner Secession. 1904 erhielt der Maler eine Professur an der Dresdener Kunstakademie, während renommierte Museen seine Kunst erwarben. 1909 wurden seine Arbeiten bereits zum zweiten Mal im Wiesbadener Rathaus ausgestellt. In diesem Jahr kaufte das Museum Wiesbaden ein Porträt des Schauspielers Ferdinand Gregori an. Heute befinden sich drei seiner Gemälde und eine Papierarbeit in der musealen Sammlung. Zwintscher verstarb bereits 1916 und das Ausstellungsprojekt Weltflucht und Moderne ist das Ergebnis jüngster Forschungsprojekte in Dresden.

Forschungen an den Neuzugängen aus der Jugendstilsammlung Ferdinand Wolfgang Neess, darunter das Bildnis mit gelben Narzissen, brachten das Porträt wieder ans Licht. Im Bildnis vollendet sich Zwintschers Meisterschaft — und sie verdeutlichen seine Qualitäten als Maler des Jugendstils und des Symbolismus. Porträts entwickelten sich nach und nach zum Kern von Zwintschers Werk. Er verstand es, durch Vereinfachungen in den Kompositionen die Aufmerksamkeit auf das Gesicht, und vor allem auf die Augen zu lenken. Bereits von seinen Zeitgenossen wurde Zwintschers Bildnissen eine gewisse Strenge und Kühle nachgesagt: „Was aber dieser an sich so herben Kunst ganz besonders starke und merkwürdige Reize leiht, ist, daß hinter ihrer Altmeisterlichkeit die ganze nervöse Psychologie unseres Zeitalters in einer ganz besonders empfänglichen Persönlichkeit hervorblickt.“ Lothar Brieger-Wasservogel, 1910

Der Maler ordnete seine Bilder in klaren Formen, häufig in vertikaler Linienbetonung und mit Bezug auf Ornamente. Neben repräsentativen Damenbildnissen, die auch großbürgerliche Salons zieren konnten, entstanden sehr private Bildnisse, in denen mitunter Spuren des Alters kaum idealisiert und ungeschönt dargestellt sind. Besonders häufig, insgesamt in 14 Porträts, ist seine Frau Adele als zentrale Quelle von Zwintschers Inspiration wiederzufinden.

Ebenfalls bekannt war der Maler für seine Nähe zur Natur, die in seinen Gemälden zum Ornament wird. Seine Modelle finden sich darin dynamisch eingebettet wieder. Die Beschäftigung mit der Landschaft nahm in Zwintschers Werk neben der Porträtkunst einen wichtigen Platz ein. In jungen Jahren begann er mit impressionistisch aufgelösten Szenen, experimentierte jedoch mehr und mehr mit der Betonung der Fläche und klaren Strukturen in seinen Landschaften. Besonders Frühlings- und Sommermotive — häufig in starken Hochformaten und leuchtenden Farben — stehen symbolisch für Aufbruch, hoffnungsvollen Beginn, Jugend und Wachstum.

„Die Galerie Neue Meister im Albertinum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hat in einem mehrjährigen wissenschaftlichen Projekt die Maltechnik und das Œuvre Zwintschers grundlegend erforscht“, unterstreicht Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden. „Wir freuen uns sehr, dass wir dank der Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden diesen Künstler, der uns insbesondere im Kontext der epochalen Schenkung der Jugendstilsammlung Ferdinand Wolfgang Neess so wichtig ist, jetzt hier im Rhein-Main-Gebiet vorstellen können. Die Ausstellung feiert die überragende malerische Qualität Zwintschers, zudem gibt sie faszinierende Einblicke in seine Maltechnik.“

„Die Ausstellung ‚Weltflucht und Moderne‘ über das Werk des Malers Oskar Zwintscher erlaubt einen umfassenden Blick in das vielverzweigte Wurzelwerk der Moderne zwischen Jugendstil, Symbolismus und Neuer Sachlichkeit. Das Museum Wiesbaden hat im Kontext seiner Jugendstil-Sammlung den in Dresden verorteten Maler Zwintscher für sich neu entdeckt und eine Brücke in die Staatliche Kunstsammlung Dresden geschlagen. Es ist eine besondere Bestätigung der Stiftungsarbeit, wenn unsere Förderungen solche neuen Bezüge und Forschungsfelder aufschließen, die das Museum Wiesbaden und seine Sammlung weiter vernetzen und differenzieren,“ betont Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung.

„Weltflucht und Moderne“ vereint 80 Exponate, darunter Skulptur, Keramik, Plakatkunst, Zeichnungen und Gemälde in einem vielseitigen Rundgang. Im Fokus stehen die symbolistischen Porträtarbeiten des Malers, aber auch Landschaftsdarstellungen in der Manier des Jugendstils oder Beispiele angewandter Kunst geben Einblicke in sein facettenhaftes Œuvre. Innerhalb von Themenblöcken wie „Landschaften“, „Zwintschers künstlerischem Umfeld“, „Adele Zwintscher“ und „Portraits“ werden Zwintschers unterschiedliche Schaffensphasen vorgestellt. Unter den Exponaten befinden sich neben den berühmten Stollwerck-Sammelbildern auch eine Ikone aus dem Dresdener Sammlungsbestand, das Bildnis einer Dame mit Zigarette. Die Ausstellung wird umrahmt von einem vielseitigen Veranstaltungsprogramm. Eine kostenfreie Media Tour in der MuWi-App begleitet die Schau.

weltflucht-und-moderne-logoWeiterführende Inhalte bietet der gleichnamige Ausstellungskatalog (HG: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Andreas Dehmer & Birgit Dalbajewa, Sandstein Verlag 2022, ISBN 978-3-95498-681-1, 42,– Euro an der Museumskasse).

Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2,
65185 Wiesbaden
https://museum-wiesbaden.de/

Urformen – Figürliche Eiszeitkunst Europas – Die ältesten Kunstwerke der Menschheit jetzt im Stadtmuseum Wiesbaden

Nicole Weidel, M.A. beim Rundgang durch die neue Ausstellung im SAM „Urformen – Figürliche Eiszeitkunst Europas“(1.März bis 11.Juni 2023). Die Anfänge künstlerischen Schaffens reichen bis in die jüngere Altsteinzeit der letzten Eiszeit vor 42.000 – 11.700 Jahren zurück, als großte Teile des nördlichen Europas noch unter riesigen Gletschern lagen, während Mammutherden durch die europäische Steppenlandschaft zogen, und das Homo sapiens, sapiens aus dem heutigen „Nahen Osten stammend“ gerade den Neandertaler hierzulande „abgelöst“ hatte. © Foto Diether von Goddenthow
Nicole Weidel, M.A. beim Rundgang durch die neue Ausstellung im SAM „Urformen – Figürliche Eiszeitkunst Europas“(1.März bis 11.Juni 2023). Die Anfänge künstlerischen Schaffens reichen bis in die jüngere Altsteinzeit der letzten Eiszeit vor 42.000 – 11.700 Jahren zurück, als große Teile des nördlichen Europas noch unter riesigen Gletschern lagen, während Mammutherden durch die europäische Steppenlandschaft zogen, und der frühe Mensch, der  Homo sapiens sapiens aus dem heutigen „Nahen Osten stammend“, gerade den Neandertaler hierzulande „abgelöst“  hatte. © Foto Diether von Goddenthow

Eigentlich müsste es ja Holz- oder Leder-Zeit heißen, aber es gäbe ja keine derartigen Funde, die dies unbeschadet 45 000 Jahre überdauert hätten, weswegen man eben von der Steinzeit, der Früh- und Spätsteinzeit, spräche, so Museumspädagogin Nicole Weidel M.A., beim  Rundgang durch die neue  Ausstellung „Urformen – Figürliche Eiszeitkunst Europas“. Diese wurde  gestern Abend im Stadtmuseum Wiesbaden am Markt (SAM) von Sabine Philipp M.A., Direktorin des Stadtmuseums, eröffnet. Angereist aus Michelstadt und Eberstadt im Odenwald  war das Elfenbein-Schnitzerteam um Designer- und Schnitzermeister Bernhard Röck aus Europas letzter Elfenbein-Schnitzschule, die übrigens junge begabte  Leute einlädt, bei ihnen das krisensichere Holz- und Elfenbein-Schnitzerhandwerk zu erlernen.

Frauenfigur. Originalgetreu nachgeschnitzt von Bernhard Röck. © Foto Diether von Goddenthow
Frauenfigur. Originalgetreu nachgeschnitzt von Bernhard Röck. © Foto Diether von Goddenthow

Die Elfenbeinschnitzer haben einen Großteil der präsentierten Figuren der „Eiszeitkunst“ in ihren Originalmaterialien nachgeschnitzt und somit originalgetreue Replikate geschaffen.  Diese vermitteln einen authentischen Eindruck von den ursprünglichen Formen der Figuren, welche die Menschen in ihrem Alltag einst umgaben. Die originalgetreuen Nachbildungen dürfen zudem angefasst werden, so dass ihr Aussehen und ihre vollendeten Formen auch taktil erlebbar werden. Das kommt insbesondere auch Menschen mit Sehbehinderungen und Kindern sehr entgegen.

 

Nachdem im vergangenen Jahr vier eigens im SAM kuratierte Ausstellungen gezeigt werden konnten, handelte es sich bei dieser Ausstellung „Urformen – Figürliche Eiszeitkunst Europas“ um eine Wanderausstellung der Arbeitsgemeinschaft Weltkultursprung aus Ulm. Die Ausstellung geht vom 1. März bis 11. Juni 2023 und präsentiert 23 ausgewählte Kunstwerke der jüngeren Altsteinzeit (42.000 bis 11.700 vor heute). Die Originale stammen aus den  berühmtesten Fundstellen in Deutschland, Frankreich, Tschechien, der Slowakei und Russland und sind zwischen 42.000 und 11.700 Jahre alt. Sie zeigen die Bedeutung des Kunstschaffens in der Steinzeit und geben Einblick in die Lebenswelt der damaligen Menschen. Sie sind die ältesten bekannten Kunstwerke der Menschheit überhaupt, und zeichnen sich durch ihre künstlerische Einzigartigkeit und zugleich überraschend modern anmutende Ästhetik aus.

Der Löwenmensch (Replikat), der im Museum Ulm steht, ist die größte und geheimnisvollste der Eiszeit-Skulpturen. © Foto Diether von Goddenthow
Der Löwenmensch (Replikat), der im Museum Ulm steht, ist die größte und geheimnisvollste der Eiszeit-Skulpturen. © Foto Diether von Goddenthow

Absolute Highlights sind unter anderem die gut 40 000 Jahre alten Schwanenflügelknochenflöte und Mammutelfenbeinflöte,  Replikats-Leihgaben aus dem Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren, sowie der „Löwenmensch“ , ein Höhlenfund vom Hohlenstein-Stadel im Lonetal (Schwäbische Alb). Beim  „Löwenmensch“ handelt es sich um eine 31,1 cm große und zirka 35.000 bis 41.000 Jahre alte Skulptur aus Mammut-Elfenbein. Sie stellt  einen Menschen mit dem Kopf und den Gliedmaßen eines Höhlenlöwen dar und gibt der Wissenschaften weiterhin viele Rätsel auf.

Ergänzung durch die ältesten „Kunstwerke“ Hessens

In den Vitrinen werden heimische Originalfunde gezeigt, etwa aus den eiszeitlichen Höhlen bei Runkel-Steeden (Kreis Limburg-Weilburg), die sich in der Sammlung Nassauischer Altertümer (SNA) der Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden befinden. Die Funde gehören zu den ältesten menschlichen Artefakten in der SNA sowie zu den ältesten "Kunstwerken" Hessens. © Foto Diether von Goddenthow
In den Vitrinen werden heimische Originalfunde gezeigt, etwa aus den eiszeitlichen Höhlen bei Runkel-Steeden (Kreis Limburg-Weilburg), die sich in der Sammlung Nassauischer Altertümer (SNA) der Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden befinden. Die Funde gehören zu den ältesten menschlichen Artefakten in der SNA sowie zu den ältesten „Kunstwerken“ Hessens. © Foto Diether von Goddenthow

Thematisch ergänzt wird die Ausstellung mit ausgewählten Originalfunden aus den eiszeitlichen Höhlen bei Runkel-Steeden (Kreis Limburg-Weilburg), die sich in der Sammlung Nassauischer Altertümer (SNA) der Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden befinden. Sie gehören zu den ältesten menschlichen Artefakten in der SNA sowie zu den ältesten „Kunstwerken“ Hessens. Für die Archäologie der Altsteinzeit stellt der Fundplatz von Steeden darüber hinaus eine wichtige Referenz zur Schwäbischen Alb dar. Zusätzlich lieferten die aus Wiesbaden geleiteten Ausgrabungen im 19. Jahrhundert wichtige Impulse für die Erforschung des urgeschichtlichen Menschen.

Die Wanderausstellung ist eine Produktion der Arbeitsgemeinschaft Weltkultursprung, gefördert von der Stiftung Baden-Württemberg.

Begleitbroschüre
Zur Ausstellung ist eine kostenlose Begleitbroschüre im sam – Stadtmuseum am Markt erhältlich. Die Sonderausstellung und die Begleitbroschüre sind in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch zugänglich.

Weitere Informationen, insbesondere auch über Führungen und  Rahmenprogramm!