COSIMA VON BONIN FEELINGS – vom 21. MÄRZ – 9. JUNI 2024 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt

Ausstellungsimpression von  COSIMA VON BONIN FEELINGS 21. MÄRZ – 9. JUNI 2024 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Im Vordergrund die Installation "Missy Misdemeanour #2, 2011, Sammlung Grässlin, St. Georgen. © Foto Jutta Ziegler
Ausstellungsimpression von COSIMA VON BONIN
FEELINGS 21. MÄRZ – 9. JUNI 2024 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Im Vordergrund die Installation „Missy Misdemeanour #2, 2011, Sammlung Grässlin, St. Georgen. © Foto Jutta Ziegler

Cosima von Bonin (*1962) schafft Transformationen des Alltäglichen. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert vom 21. März bis zum 9. Juni 2024 eine einmalige Inszenierung, für die die Künstlerin jüngste, noch nie in Deutschland gezeigte Arbeiten mit bekannten Werken kombiniert. Für ihre raumgreifenden Ausstellungen nutzt sie zahlreiche Referenzen aus der Populärkultur ebenso wie aus Film, Mode, Musik und Kunst. Erschöpfte Kuscheltiere, weiche Zäune, Raketen, Comic-Figuren wie Daffy Duck oder Bambi – Cosima von Bonin verbindet verschiedene Akteur*innen zu einem Ensemble, einer Gemeinschaft. Ihre künstlerischen Strategien sind Verfremdung, Aneignung, Zusammenarbeit und Delegieren. Zu sehen sind rund 70 Arbeiten, darunter Skulpturen, Installationen sowie eine Auswahl ihrer charakteristischen textilen Bilder, die aus verschiedenen Stoffen nach Anweisung der Künstlerin genäht wurden. Ihre Rauminszenierungen, die zunächst bunt und lustig wirken, können bei näherer Betrachtung für irritierende Momente und gemischte Gefühle sorgen. Zwischen Humor und Dunkelheit, Verspieltheit und Dringlichkeit, Fantasie und erschreckender Realität changierend, geht es der Künstlerin dabei immer wieder um Widerspruch, Beziehung und Selbstreflexion.

Die Vielfalt der Bezüge ist ein Markenzeichen Cosima von Bonins. Basis ihrer Kunst ist ein breites Netzwerk, auf das sie sich in ihren Werken bezieht oder das sie direkt in ihre Ausstellungen einbindet. Ihre ausgewiesenen Referenzen reichen von den Künstler*innen Isa Genzken, Mike Kelley und Cady Noland über Musiker*innen wie Rihanna, Britney Spears oder Missy Elliott bis hin zu Vorbildern aus TV, Literatur und Fashion. „Wir sind viele“ überschreibt sie ihre künstlerische Praxis und durchbricht traditionelle Vorstellungen von Autor*innenschaft. Cosima von Bonin involviert in den Herstellungsprozess ihrer Arbeiten Techniker*innen, Schreiner*innen sowie Schneiderinnen und arbeitet in ihren Inszenierungen mit Musiker*innen wie Moritz von Oswald und Dirk von Lowtzow oder den Drag Queens Mary Messhausen und proddy produzentin zusammen. Zu ihren Kollaborateur*innen zählen auch wiederkehrende Figuren, Charaktere und Gegenstände, die in ihrem Werk häufig in Variationen und in Serien auftauchen. Wie eine Familie führt die Künstlerin sie im Ausstellungsraum auf Podesten, in Displays und Set-Designs zusammen und lässt sie zueinander in Beziehung treten.

Dr. Sebastian Baden, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, betont: „Auf den ersten Blick bunt und fröhlich, erkundet Cosima von Bonins Kunst bei genauer Betrachtung Zwischentöne, Gegensätze und Abgründe. Für ihre große Einzelausstellung in der Schirn schafft die Künstlerin aus neuesten Arbeiten einen Parcours des doppelbödigen Humors. Mit künstlerischen Strategien wie Aneignung, Zuspitzung und dem pointierten Spiel mit Wort und Bild verbindet sie zahlreiche Referenzen, Erinnerungen und Erfahrungen zu Emotionen, zu ‚feelings‘.“

Katharina Dohm, Kuratorin der Ausstellung, über die Künstlerin: „Cosima von Bonin inszeniert in ihren Installationen niedliche Erscheinungen, katastrophale Szenen und das lustvolle Scheitern. Ihre Figuren und Skulpturen verbinden sich zu sozialen Gemeinschaften, die miteinander in den Dialog treten, sich gegenseitig kommentieren und uns in die Irre führen. Als Künstlerin tritt sie hinter ihre Arbeiten zurück. Sie bricht mit der traditionellen Idee vom alleinigen schöpferischen Genius und tut sich stattdessen mit anderen zusammen: ‚Wir sind viele‘. Bewusst zelebriert sie raumgreifend Erschöpfung und Untätigkeit und verbindet damit auch eine subversive Kritik an kapitalistischen Arbeitsvorstellungen und gesellschaftlichen Konventionen sowie am Kunstbetrieb.“

THEMEN UND WERKE DER AUSSTELLUNG

Cosima von Bonin. Umhäkelter Betonmischer, hier genannt: Open Your Shirt Please 5, 2019. Courtesy of the artist and Gaga, Mexico City, Guadalajara, and Los Angeles. © Foto Jutta Ziegler
Cosima von Bonin. Umhäkelter Betonmischer, hier genannt: Open Your Shirt Please 5, 2019. Courtesy of the artist and Gaga, Mexico City, Guadalajara, and Los Angeles. © Foto Jutta Ziegler

In der Schirn präsentiert Cosima von Bonin Skulpturen aus verschiedensten Materialien und Oberflächen. Ihre textilen „soft sculptures“ lassen Kleines groß, Hartes weich und Süßes bitter werden und finden ihre Vorbilder in Werken von Dorothea Tanning, Claes Oldenburg oder Mike Kelley. Gleich im ersten Raum der Ausstellung zeigt eine Installation ein riesenhaftes kuscheliges Küken auf einer überdimensionierten Rakete sitzend. In Open Your Shirt Please 6 (2019) liegt eine Gruppe rosa Schweinchen platt und müde auf einer Platte aus rostfreiem Stahl. Cosima von Bonins spielzeugartige Figuren wirken oft niedlich, bevor sich ein Moment der Irritation einstellt. Das Küken ist in sich zusammengesunken und hat sich auf sich selbst erbrochen, neben den Schweinchen liegen Fetischspielzeuge wie Handschellen.

An den Wänden oder in Podeste eingelassen zeigt die Schirn auf Keilrahmen gespannte Textilbilder, die Cosima von Bonin „Lappen“ nennt. Sie wirken wie Werbetafeln und erinnern an Blinky Palermos Monochrome der späten 1960er-Jahre oder Sigmar Polkes Malereien auf billigen Stoffen. Neben Zitaten aus der Comic-Welt greift die Künstlerin in diesen aus verschiedenen Textilien zusammengesetzten Patchwork-Arbeiten Signature Styles von Designer*innen wie den X-Stitch von Martin Margiela oder Textfragmente aus Songs und Literatur auf. Innere Widersprüche und abgründiger Humor treten in Cosima von Bonins Arbeiten häufig aus einem Spiel mit Wort und Bild hervor. So verwendet sie für die Kunststoffskulptur Cute (Pink Version) (2018) die Lettern einer Schriftart, die an die Titelbilder von Gruselromanen erinnert. In den Textilbildern Gaslighting und Love Bombing (beide von 2023) wiederum bringt die Künstlerin die süßen Konturen von Bambi mit Bezeichnungen für psychische Manipulationstechniken in Liebesbeziehungen zusammen.

Als Schlüsselfigur ihres Werks begleitet die Comic-Ente Daffy Duck das Publikum wie ein Leitmotiv durch die Ausstellung in der Schirn. Kennzeichnend für die kampflustige lispelnde Nervensäge Daffy ist ihr egoistischer, geltungssüchtiger und unerschütterlicher Charakter. Obwohl sie immer wieder scheitert, gibt sie sich nie geschlagen, sondern steht auf und macht weiter. In der Serie Open Your Shirt Please 1–9 von 2019 kämpft Daffy Duck gegen das mächtige Schwarz, das ihn aus dem Bild zu drängen droht. Unverdrossen erscheint er jedoch immer wieder auf der Bildfläche. In den jüngsten Textilarbeiten wie Kalt Modern Teuer sowie Emporkömmling und Social Climber (alle 2023) zeigt sich der Antiheld mit neuem Selbstbewusstsein. Die Skulptur Church of Daffy (2023) im letzten Raum der Ausstellung präsentiert ihn schließlich wie einen Propheten mit erhobenen Händen und im karierten Lendenschurz. Doch ist er schon so nah an den Rand seines Podests getreten, dass er zu fallen droht. Daneben steckt in Blame Shifting (2020) eine ganze Gruppe von Bugs Bunnys kopfüber in einer Mülltonne.

Immer wieder adressiert die Künstlerin in ihren Bildwelten die Strategien des Kapitalismus und der Vermarktung, die Konsumwelt und das große Bedürfnis der Menschen dazuzugehören. Häufig artikulieren ihre Arbeiten einen Zustand der Müdigkeit und Erschöpfung oder zelebrieren die Untätigkeit und das Faulenzen. Sie bringen damit auch eine Verweigerungshaltung gegenüber neoliberaler Arbeitsmoral und gesellschaftlichen Regeln zum Ausdruck. So entsprechen drei mit Samt überzogene Stoffzäune aus der Serie Fence (Short Version, Long Version, Corner Version) von 2020 nicht den Vorstellungen von einer wehrhaften Abgrenzung, sondern wirken vielmehr weich und anschmiegsam. Wie die Zäune erscheinen auch drei Leuchtskulpturen in Form von qualmenden Zigaretten unangepasst und signalisieren Rebellion und Müßiggang. Andere Werke der Ausstellung wie eine Gruppe von zwölf leuchtend bunt hochglanzlackierten Raketen aus der Serie Loser (2020/21) begegnen Leistungsdruck und Selbstoptimierungswahn mit glatten, harten Oberflächen, motiviert und aufrecht stehend. Doch verspricht ihr Titel Loser keinen Erfolg. In der Skulptur Kings of the B (2019) sind zwei Raketen bereits erschlafft in einem Zementmischer stecken geblieben. In What If It Barks 5 (Petite Version With Blue Ukulele) und What If It Barks 6 (Petite Version With Black Ukulele) (beide 2018) scheinen zwei Fische im Bühnenoutfit jederzeit bereit, mit ihren Ukulelen ein Lied anzustimmen. Auch hier täuscht der erste Eindruck: Einer der Makrelen hängt das Instrument wie ein Gewicht an einer Kette um den Körper, und das Musizieren bleibt wohl aus. Es ist dieses Wechselspiel der Performativität, der Gefühle, des Scheiterns und des Weitermachens, das Cosima von Bonin in der Ausstellung als dem Soziotop ihrer Kunst kreiert.

COSIMA VON BONIN wurde 1962 in Mombasa, Kenia, geboren. Sie kam 1986 nach Köln, wo sie in den 1990er-Jahren Teil der boomenden Kunstszene war und bis heute lebt und arbeitet. Ihre Werke wurden international ausgestellt, u. a. bei der 59th Venice Biennale (2022), Skulptur Projekte Münster (2017), Glasgow International (2016) und der documenta 12 (2007). Zahlreiche Einzelausstellungen fanden u. a. statt im Museum of Contemporary Art, Los Angeles; CCS Bard, Annandale-on-Hudson; Oakville Galleries, Ontario; Sculpture Center, Long Island City, New York; mumok – Museum moderner Kunst; Stiftung Ludwig Wien; Mildred Lane Kemper Art Museum, St. Louis; Museum Ludwig, Köln; Musée d’Art Moderne et Contemporain, Genf; Kölnischer Kunstverein und Kunstverein in Hamburg. Ihre Arbeiten befinden sich u. a. in der de la Cruz Collection, Miami; im Museum Ludwig, Köln; mumok – Museum moderner Kunst; Stiftung Ludwig Wien; Museum of Contemporary Art, Los Angeles; Museum of Modern Art, New York, und dem Stedelijk Museum Amsterdam.

KATALOG COSIMA VON BONIN. FEELINGS, herausgegeben von Katharina Dohm, mit Beiträgen von Diedrich Diederichsen, Katharina Dohm und Clara Drechsler sowie einem Vorwort des Direktors der Schirn Kunsthalle Frankfurt Sebastian Baden, deutsch-englische Ausgabe, 224 Seiten, ca. 130 Abbildungen, 22 × 28 cm, Klappenbroschur, Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, ISBN 978-3-7533-0600-1, 35 € (Schirn), 38 € (Buchhandel)

ORT
SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, 60311 Frankfurt am Main
DAUER 21. März – 9. Juni 2024
INFORMATION schirn.de E-MAIL welcome@schirn.de
TELEFON +49.69.29 98 82-0 TICKETS im Onlineshop der Schirn und an der Schirn Kasse
EINTRITT 10 €, ermäßigt 8 €, freier Eintritt für Kinder unter 8 Jahren
ÖFFNUNGSZEITEN Di, Fr bis So 10-19 Uhr, Mi und Do 10-22 Uhr FÜHRUNGEN BUCHEN Individuelle Führungen für Gruppen sind ab sofort buchbar unter fuehrungen@schirn.de
INFORMATIONEN ZUM BESUCH Alle Informationen zum Besuch unter schirn.de/besuch/faq