Als der Mensch zu malen begann – Urknall der Kunst – Moderne trifft Vorzeit ab 24.März 2023 im Landesmuseum Darmstadt

Wo liegt der Ursprung der Kunst? Dieser Frage ging der deutsche Ethnologe Leo Frobenius zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach. Über zwei Dutzend Expeditionen führten ihn und seine Forschungsteams zu den Höhlenmalereien Europas, Afrikas und Asiens. Der wohl bekannteste Mitreisende war der ungarische Forscher Lászlo Almásy. Seine Entdeckung der »Höhle der Schwimmer« erfuhr 1996 durch die Verfilmung »Der Englische Patient« nachträglich ungeahnte Berühmtheit. © Foto Diether von Goddenthow .
Wo liegt der Ursprung der Kunst? Dieser Frage ging der deutsche Ethnologe Leo Frobenius zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach. Über zwei Dutzend Expeditionen führten ihn und seine Forschungsteams zu den Höhlenmalereien Europas, Afrikas und Asiens. Der wohl bekannteste Mitreisende war der ungarische Forscher Lászlo Almásy. Seine Entdeckung der »Höhle der Schwimmer« erfuhr 1996 durch die Verfilmung »Der Englische Patient« nachträglich ungeahnte Berühmtheit. © Foto Diether von Goddenthow
.

In einer fantastischen Ausstellung „Urknall der Kunst. Moderne trifft Vorzeit“ vom 24.März bis 25. Juni 2023, richtet das Hessische Landesmuseum Darmstadt den Blick auf die Wiege der Malerei der Menschheit. und stellt sie in einen Dialog mit Werken der klassischen Moderne.
„Wir zeigen eine reine Vorzeit im unmittelbaren Dialog mit der modernen Kunst. 1937 war die berühmte Ausstellung Prehistoric RockPictures in Europe and Africa im Museum of Modern Art in New York. Es war der Direktor Alfred Barr, der die besondere Qualität dieser vorzeitlichen Malerei erkannte und fragte: ‚Wie kommen denn vorzeitliche Malereien, die sonst nur unzugänglich irgendwo auf der Welt in versteckten Höhlen zu sehen sind, wie kommen diese auf die Wand? Wie kommen sie ins Museum?‘ Und das war damals nur möglich, weil es den Ethnologen Leo Frobenius und sein Institut gab, die mit Expeditionen, beginnend 1904, in der ganzen Welt unterwegs waren, und systematisch in Afrika, Südeuropa, in Asien, in Australien und auch ein bisschen in Nordeuropa Höhlenmalereien und Felsritzungen dokumentierte und aufgenommen haben. Auf diese Weise schufen sie ein Kompendium der Maler, der Kunst der Vorzeit, wie es weltweit einmalig ist.“, erläutert Dr. Martin Faass, Direktor des Hessischen Landesmuseums, beim Presserundgang.

Das Leo Frobenius Institut ist in Frankfurt Anfang des 20.Jahrhundert gegründet worden, es ist heute noch in Frankfurt, gehört heute zur Universität Frankfurt und verfügt mit 8000 Dokumentationen von Höhlenmalerei, also von Nachschöpfungen über ein weltweit einmaliges Archiv von Höhlenmalerei, die heutzutage zum Teil an ihren Fundorten nicht mehr existiert. Das Archiv ist sozusagen eine Art „Konserve“ zur Bewahrung dieser vorzeitlichen Kunst, vertieft Dr. Richard Kuba, Leiter des Leo Frobenius Instituts.

Und damals waren diese Bilder schon eine Sensation. Man muss sich vorstellen. Damals war diese „Kunst“ absolut neu. Als 1878 die nordspanische Altamira-Höhle entdeckt wurde, da wollte man ja Anfangs noch kaum glauben, dass das wirklich so alt ist. Man dachte eher daran, dass das irgendwie ein zeitgenössischer Scherz on Künstlern ist, die das so ein bisschen ausgemalt haben, und jetzt ein wenig von der Steinzeit erzählen wollten. Man hat wirklich lange Zeit gezweifelt, dass wir es da mit Malerei der Prähistorie zu tun haben, die bis 10 000/20 000 Jahre zurückreicht. Und es dauerte tatsächlich noch einige Zeit bis nach 1902 mehr und mehr diese Höhlen in Südfrankreich entdeckt wurden, so dass man es gar nicht mehr in Abrede stellen konnte, dass man es da wirklich mit Malereien zu tun hat, die so unglaublich alt sind und vielleicht so etwas wie die Anfänge der Malerei darstellen, erzählt Dr. Faass.

Es war damals eine ungeheure Sensation diese Entdeckung. Und dass Leo Frobenius dieses Archiv aufbauen konnte, lag daran, dass ihn auf seinen zahlreichen Expeditionen Künstler begleiteten, die die Felsenbilder und -Ritzungen abmalten, wissenschaftlich dokumentieren. Hierdurch konnte er später diese riesigen Malereien in Ausstellungen zeigen, vertieft Kuratorin Dr. Jessica Schmidt.  So zeigte das Institut ab den 1930er Jahren nun regelmäßig die neuesten Felsbilder unmittelbar nach der Rückkehr der Expeditionsteams. Und zeitgleich gab es ganze Touren von Ausstellungen, Wanderausstellungen durch Deutschland und Europa mit Stationen u.a.: Berlin, Hamburg, Köln, Oslo, Amsterdam, Zürich, Brüssel und Paris. Auf der Einladungsliste der Pariser Ausstellung befinden sich berühmte Namen wie Picasso, Miró, Rothschild und Citroen. Frobenius bemühte sich gezielt darum, Künstler und bekannte Persönlichkeiten zu den Vernissagen einzuladen. Die Felsbildkopien werden hierdurch zunehmend als eigenständige Kunstwerke wahrgenommen. Eine Ausstellung davon,  der absolute Höhepunkt, so Faass, fand 1937 im Museum of Modern Art in New York statt. Auf drei Etagen wurden die Felsbilder und Felsritzungen aus der Sammlung Leo Frobenius gezeigt. Es war eine große Sensation damals in New York.
Und hier erkannte der MOMA-Direktor Alfred Barr schon sehr früh, dass es zwischen dieser prähistorischen Malerei und den Werken der klassischen Moderne Verbindungen gab. Denn Barr richtete zusätzlich in der vierten Etage eine Ausstellung mit Werken der klassischen Moderne aus, bestückt aus der eigenen MOMA-Sammlung, die Bezüge zu den prähistorischen Kunstwerken sichtbar machten. Es waren Namen darunter wie Picasso, Masson, Arp und andere, die dort schon gezeigt wurden, und zum ersten Mal dieses Thema aufgriff „Vorzeit und Moderne“.

Erstmals die Werke der Vorzeit in unmittelbaren Dialog zur Moderne zeigen

MOMA-Direktor Barr 1937 ging aber  noch nicht soweit, die Werke  in einen unmittelbaren Dialog zu stellen. „Das machen wir, das Hessische Landesmuseum Darmstadt, jetzt hier in dieser Ausstellung. Wir machen es tatsächlich zum ersten Mal. Das hat es bisher in dieser Form nicht gegeben, wie ohnehin diese Felszeichnungen des Instituts Frobenius lange unbeachtet waren, in dem Archiv in Frankfurt lagen, und erst seit 2016 überhaupt wiederentdeckt worden sind. Beginn war 2016 die große Ausstellung im Martin Gropiusbau in Berlin, es folgt die andere große Ausstellung unter anderem in Mexico City und im Museum Rietberg Zürich, wo über 100 000 Besucher begeistert diese prähistorischen Malereien gesehen haben.“, so Faass.
Und es sei immer wieder neu eine Sensation, diese Bilder zu sehen. Das Hessische Landesmuseum Darmstadt hat diesen unmittelbaren Dialog zwischen „Urzeit und Modene“ zum Konzept der Ausstellung gemacht, für den Betrachter gleich zu erkennen an der Hängung „prähistorische Felsenbildnachschöpfungen“ im Wechsel zu Werken von Joan Miró, Paul Klee, Pablo Picasso, Hans Arp, Willi Baumeister und André Masson mit entsprechenden Informationstexten. Sehr gut professionell, und zugleich niedrigschwellig gemacht.

„Diese Felsenbild-Abbildungen waren damals sehr inspirierend für die Klassische Moderne, sie waren auch für die Künstlerinnen und Künstler der Moderne eine Sensation, ein entscheidendes Aha-Erlebnis, so dass viele Künstler aus diesen Werken , von denen sie sich inspiriert fühlten, Dinge in ihr eigenes Werk übernommen haben, der mindestens davon inspiriert waren.
So haben wir gesagt: Ja, dann stellen wir doch einmal diese prähistorische Malerei in einen unmittelbaren Dialog mit Künstlern der klassischen Moderne. Und das ist der Kern unserer Ausstellung, dazu haben wir 7 Künstler ausgewählt, um sie den prähistorischen Malereien gegenüberzustellen.“ so Direktor des Hessischen Landesmuseums“, sagte Dr. Martin Faass

Weitere Informationen und Ausstellungsort: 
Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1
64283 Darmstadt