Der Hase ist des Jägers Tod – Faszinierende interdisziplinäre Süd-Afrika-Schau von der Steinzeit bis Safari-Tourismus

Safari-Erlebnisse pur in der großen naturhistorischen Jahresschau: Vom 21. März 2024 bis zum 2. Februar 2025 zeigt das Museum Wiesbaden - Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur - seine große Sonderausstellung "Der Hase ist des Jägers Tod. Kultur und Natur des südlichen Afrikas". © Foto Diether von Goddenthow
Safari-Erlebnisse pur in der großen naturhistorischen Jahresschau: Vom 21. März 2024 bis zum 2. Februar 2025 zeigt das Museum Wiesbaden – Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur – seine große Sonderausstellung „Der Hase ist des Jägers Tod. Kultur und Natur des südlichen Afrikas“. © Foto Diether von Goddenthow

Das Hessische Landesmuseum Wiesbaden ist – mit Ausnahme des Naturkunde-Museums Münster – das einzige deutsche Museum, welches jedes Jahr in seiner naturhistorischen Sparte noch eine große aufwändige naturwissenschaftliche Jahresausstellung präsentiert. In diesem Jahr ist es dem Museum Wiesbaden mit seiner Schau zum südlichen Afrika „Der Hase ist des Jägers Tod. Kultur und Natur des südlichen Afrika“, die vom 21. März 2024 bis 2. Februar 2025 läuft, besonders gut gelungen. Besucher tauchen sofort ein in eine mit über 500 Tiermodellen und Präparaten in Originalgröße fantasievoll komponierten Tierwelt auch gut 100 Arten des südlichen Afrikas. Es geschieht so intensiv, wie es in keiner Safari oder im Zoo möglich wäre. Es ist zudem alles ohne Risiko für Leib und Leben, selbst, wenn vor dem Maul eines zu Beginn rechts im Sumpf lauernden Krokodils nur noch der Tropenhut eines anscheinend soeben verschlungenen Forschers etwas hervorlugt. Von den oberen Wänden prangen etliche originalgetreue Reproduktionen steinzeitlicher Höhlenmalereien. Es ist eine Auswahl aus über 10 000 gescannten Aufnahmen, die ein beeindruckendes historisches Zeug der intensiven Beziehungen zwischen Mensch und Tier Afrikas abgeben.

Naturwissenschaft mit herrlichem Humor gespickt: Hier war anscheinend nicht der Hase, sondern das Krokodil des Jägers Tod. © Foto Diether von Goddenthow
Naturwissenschaft mit bissigem Humor: Nicht der Hase, sondern das Krokodil war des Jägers Tod. © Foto Diether von Goddenthow

Entsprechend liegt der zentrale Focus der Ausstellung auf den Mensch-Tier-Beziehungen, insbesondere in Namibia. Dieser Jahrtausende langen Interaktion zwischen Menschen und ihrer Umwelt wird im Kontext wechselseitiger anthropologischer, kulturanthropologischer, biologischer und archäologischer Bezogenheit nachgespürt. Ausstellungs-Intention ist dabei, insbesondere bei jungen Menschen Neugier und Faszination für die Biologie und Kultur des südlichen Afrikas zu wecken. Zudem sollen Besucher auch für den Schutz der biologischen Vielfalt, dem Verstehen ethnisch-kultureller Diversität und auf einen Rückblick auf koloniales Unrecht sensibilisiert werden.

Die Jahresausstellung der Naturhistorischen Sammlungen des Museums basiert auf zwei Säulen: Im Bereich der Natur begeben sich die Gäste auf eine Reise durch die verschiedenen Lebensräume des facettenreichen südlichen Afrikas und finden sich Auge in Auge mit Elefanten, Löwe und Giraffe. Dabei reicht das Spektrum von der trockenen Etosha-Pfanne bis zum Okavango-Delta. „Das Museum Wiesbaden bietet mit dieser Ausstellung eine weitere Reise zur Beschreibung dieser Welt an“, so Direktor Andreas Henning. „Seit mehreren Jahren geht es den Naturhistorischen Sammlungen darum, Besucherinnen und Besucher die biologische Vielfalt der Erde vor Augen zu führen. Wesentlich dabei ist jedoch stets der Mensch als Teil seiner Umwelt. Wir skizzieren historische wie auch gegenwärtige Strategien des Zusammenlebens zwischen Mensch und Natur – sowohl erfolgreiche, als auch missglückte.“

Begehbares Panorama mit mehr als 100 Tierarten Südafrikas

Mehr Safari-Feeling auf einen Blick geht kaum. © Foto Diether von Goddenthow
Mehr Safari-Feeling auf einen Blick geht kaum. © Foto Diether von Goddenthow

Für die Ausstellung wurden im Museum erstmals lebensgroße Modelle von Giraffe und Elefant geschaffen. Den Präparatorinnen und Präparatoren gelangen so Meisterstücke ihres Fachgebietes. Wie keine anderen Tiere stehen diese Riesen für die Faszination Savanne. Denn nirgends sonst auf der heutigen Welt vereinen sich so vielfältig und zahlreich große Säugetiere einschließlich der Big Five. In der Ausstellung treten sie in Beziehungen zu einander und verdeutlichen sinnbildlich das komplexe System der Natur. In einem riesigen begehbaren Panorama können mehr als 100 Tierarten studiert werden. Der Mensch als Teil dieses Systems greift mit seinem Handeln ein, weshalb die Ausstellung auch von den Konflikten und Chancen, die ein Zusammenleben mit Wildtieren mit sich bringt, berichtet. Es geht dabei um Fragen wie Elefanten von Feldern ferngehalten werden können oder in der Bevölkerung Verständnis für das Wandern großer Tierherden entstehen kann. Diese Themen wurden in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael Bollig von der Universität zu Köln und seinem Team erarbeitet.

Ein faszinierendes originalgetreues Modell eines Elefanten, der letzten pflanzenfressenden Riesen Südafrikas mit einem Körpergewicht von über 1000 Kilogramm.  © Foto Diether von Goddenthow
Ein faszinierendes originalgetreues Modell eines Elefanten, der letzten pflanzenfressenden Riesen Südafrikas mit einem Körpergewicht von über 1000 Kilogramm. © Foto Diether von Goddenthow

„Sicher fasziniert Afrikas Natur die Menschen des Nordens seit vielen Generationen. Mancher hält sie für ein unberührtes Paradies ohne jegliche menschliche Beeinflussung, die sie nicht ist“, erläutert Kurator Hannes Lerp. „Die Ausstellung thematisiert die heutigen Herausforderungen, denen die Menschen vor Ort gegenüberstehen, wenn sie mit Elefanten und Löwen in der Nachbarschaft leben. Ebenso sind die wirtschaftlichen Interessen anzuerkennen, und mit dem Naturschutz in Einklang zu bringen.“ Dem Kurator ist es wichtig, dass Debatten zur Großwildjagd nicht dominant von europäischen Vorstellungen beschnitten werden. Denn wir selbst schauen gerne nach Afrika und vergessen unsere eigene Kontroverse zur Jagd auf Wölfe und Luchse.

Einen herben Kontrast zur Savannenlandschaft im UG bildet das im romantisierenden  Hemingway-Charme gestaltete Jagdzimmer mit all den Jagdtrophäen von Großwildjägern. © Foto Diether von Goddenthow
Einen herben Kontrast zur Savannenlandschaft im UG bildet das im romantisierenden Hemingway-Charme gestaltete Jagdzimmer mit all den Jagdtrophäen von Großwildjägern. © Foto Diether von Goddenthow

Die zweite Säule der Ausstellung bildet die Kulturgeschichte der Region. Dank der Kooperation mit Archäologen der Goethe-Universität Frankfurt zeigt das Museum Aufnahmen prähistorischer Felsbilder in Originalgröße, die im Rahmen mehrerer Kampagnen unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Breunig angefertigt wurden. Diese frühen Quellen bezeugen die lange Beziehung von Mensch und Tier seit mindestens 12.000 Jahren. Für die jüngste Vergangenheit stehen ethnologische Objekte aus der Sammlung bereit. Hier sieht der zweite Kurator der Ausstellung, Andy Reymann, eine besondere Verantwortung der Museen: „Deutschland war eine Kolonialmacht und es ist klar, dass in fast allen historischen Sammlungen auch Zeugnisse dieser Zeit zu finden sind. Als Landesmuseum sind wir seit 2004 bestrebt, unsere Sammlungen auf ihre koloniale Vergangenheit hin zu überprüfen. Als Teil der bundesweiten 3-Wege-Strategie bildeten unsere Objekte aus Namibia dabei bereits den Grundstock unserer allerersten digitalen Aufarbeitung und wurden seither weiter beforscht.

Hochinteressante Exponate  , insbesondere der Berger-Sammlung, erwartet Besucher im oberen Teil II der Ausstellung. Hier beispielsweise Original-Giftpfeile, die die San zur Jagd eingesetzt haben. Das Gift gewannen sie auch einem Giftkäfer, aber auch aus Pflanzen, etwa einer Giftbohne. © Foto Diether von Goddenthow
Hochinteressante Exponate , insbesondere der Berger-Sammlung, erwartet Besucher im oberen Teil II der Ausstellung. Hier beispielsweise Original-Giftpfeile, die die San zur Jagd eingesetzt haben. Das Gift gewannen sie auch einem Giftkäfer, aber auch aus Pflanzen, etwa einer Giftbohne. © Foto Diether von Goddenthow

Der kulturanthropologische Teil der Schau startet dabei mit der Vorstellung einiger in Namibia ansässigen Gemeinschaften und ihrer Lebensweisen zu Beginn der Kolonialzeit. Weiter werden die Gäste durch die Präsentation von historischen Objekten bis zur Thematisierung des Genozids der deutschen Schutztruppe an den Herero und Nama geführt. Auch Sammlungsobjekte des aus Wiesbaden stammenden Missionars Carl Berger werden vorgestellt. Als Mitglied der Rheinischen Missionsgesellschaft war er während der Aufstände 1904 direkt vor Ort und schildert in seinen schriftlichen Berichten die Ereignisse.

„Als deutscher Missionar befand sich Carl Berger in einem Spannungsfeld zwischen christlicher Nächstenliebe, deutschem Imperialismus und persönlichem Profitstreben“, betont der Kulturanthropologe Reymann. Er ist der verantwortliche Wissenschaftler für die Koordinierungsstelle zur Aufarbeitung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in hessischen Landeseinrichtungen und Mit-Kurator der Ausstellung: „So steht dieser Missionar inmitten der größten Konflikte zwischen den kolonialen Begehren der Deutschen und der ansässigen Bevölkerung. Er stand in persönlicher Beziehung zu Hendrik Witbooi, dem heutigen Nationalhelden Namibias, und Simon Kooper, dem Anführer der Nama während der Aufstände.“
Der Genozid bildet jedoch nicht den Abschluss der Ausstellung. Im letzten Teil der kulturanthropologischen Sektion wird das heutige Namibia seit seiner Unabhängigkeit 1990 präsentiert. Dabei liegt der Fokus auf der Frage, wie mit dem kolonialen Erbe umgegangen werden kann und wie Versöhnung möglich ist.

Die Ethnologin Jutta MacConnel hier vor ihrem Original-Damara-Festkleid, welches sie dem Museum Wiesbaden für die Ausstellungs-Dauer überlassen hat. © Foto Diether von Goddenthow
Die Ethnologin Jutta MacConnel hier vor ihrem Original-Damara-Festkleid, welches sie dem Museum Wiesbaden für die Ausstellungs-Dauer überlassen hat. © Foto Diether von Goddenthow

Die Ethnologin und Mitkuratorin Jutta MacConnell lässt in Interviews die verschiedenen Perspektiven der heutigen namibischen Gesellschaft zu Wort kommen und zeigt anhand aktueller Kooperationsprojekte, wie ein offenes Miteinander der durch die koloniale Geschichte verstrickten Nationen möglich ist.

 

 

Neben einem vielseitigen Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm begleitet eine kostenfreie Media-Tour in der MuWi-App die Schau.
Weitere Informationen: https://museum-wiesbaden.de/suedliches-afrika

Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum
für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2
65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄ 335 2250 (-51)
Fax 0611 ⁄ 335 2192
Besucherinformationen

Publikation zur Ausstellung:

Alexandra Kafitz, gemeinsam mit Kurator Andy Reymann Autorin des Begleit-Werkes "Ein Bäckersohn in Südwest-Afrika", hat die historischen Akten und Briefe transkribiert. © Foto Diether von Goddenthow
Alexandra Kafitz, gemeinsam mit Kurator Andy Reymann Autorin des Begleit-Werkes „Ein Bäckersohn in Südwest-Afrika“, hat die historischen Akten und Briefe transkribiert. © Foto Diether von Goddenthow

Zur Ausstellung erschien die Publikation „Ein Bäckersohn in Südwest-Afrika – Deutscher Kolonialismus in Afrika am Beispiel des Wiesbadener Missionars Carl Berger“ in Deutsch und Englisch von Alexandra Kafirz und Andyy Reymann. Die hierin abgebildeten und transkribierten persönlichen Briefe und Stationsberichte des Missionars und Farmers Carl Berger während der Hochzeit des Kolonialismus geben tiefe subjektive Einblicke über Erfahrungen dieses Zeitzeugen und „wie er sein Handeln gegenüber seinen Vorgesetzten zu legitimieren suchte. Die Briefe und Berichte Carl Bergers sind ein wichtiges Zeitzeugnis. Sie spiegeln, wie der sich selbst sieht, seine Ambitionen und sein christliches Missions-Verständnis. Zugleich zeigen sie seine Einbindung in das System des deutschen Kolonialismus. So können Bergers Texte als Grundlage weiterer Forschungen dienen.“, aus dem Prolog „Die Schätze im Archiv“, Seite 5.

Hauptförderer:

Die Ausstellung wird unterstützt durch die Alfred Weigle Stiftung, die Nassauische Sparkasse, Gramenz GmbH, die Freunde des Museums Wiesbaden e.V., den Nassauischen Verein für Naturkunde e.V. und Christiane Matten.
In Kooperation mit der Goethe Universität Frankfurt am Main, der Universität zu Köln und dem Projekt rewilding the antropocene. Hr2 ist Kulturpartner der Ausstellung.