„Nach dem Leben geformt. Hans Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils“ vom 20.03. bis 21.07.2024 im Wiesbadener Stadtmuseum am Markt

Nach dem Leben geformt. Hand Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils. Vom 20.03. - 21.07.2024 im sam - Stadtmuseum am Markt Wiesbaden. Ausstellungsimpression. © Foto Diether von Goddenthow
Nach dem Leben geformt. Hand Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils. Vom 20.03. – 21.07.2024 im sam – Stadtmuseum am Markt Wiesbaden. Ausstellungsimpression. © Foto Diether von Goddenthow

Das Wiesbadener Stadtmuseum am Markt (sam) zeigt vom 20. März bis zum 21. Juli 2024 die wunderbare Ausstellung „Nach dem Leben geformt. Hans Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils“.  Erstmals widmet sich eine Ausstellung  diesem brillanten, aber in Vergessenheit geratenen Keramiker und Bildhauer.  Auf der letzten Station der Wanderausstellung im sam – Stadtmuseum am Markt in Wiesbaden werden alle bislang bekannten 56 Figuren gezeigt. Bei der Wiesbadner Wewerka-Schau werden diese durch neue  Wandtexte ergänzt. Verschollene Werke Hans Wewerkas sind durch Fotografien  ebenfalls vertreten.

sam-Direktorin Sabine-Philipp M.A. © Foto Diether von Goddenthow
sam-Direktorin Sabine-Philipp M.A. © Foto Diether von Goddenthow

Diese Wanderausstellung ist ein Kooperationsprojekt mit dem Wewerka-Archiv in Magdeburg und dem Keramikmuseum Westerwald in Höhr-Grenzhausen. Es sei Dr. Vera Klewitz, Kuratorin Sammlung Nassauischer Altertümer, die auf drei Wewerka-Stücke in unserer Altertümer-Sammlung stieß und Kontakt mit dem Wewerka-Archiv in Magdeburg und Keramikmuseum in Hör-Grenzhausen aufnahm, zu verdanken, dass wir diese Ausstellung jetzt auch in Wiesbaden zeigen können, freut sich sam-Direktorin Sabine Philipp M.A. So konnten wir bei dieser „Gelegenheit auch mal unsere Objekte zeigen, und dieses Ganze in einem größeren Gesamtzusammenhang stellen“, wozu „wir das freie Kuratoren -Team Blanka und Ulrich Linnemann gewinnen konnten“. Per  Werkauftrag haben sie sich der Ausstellung angenommen.

Die Linnemanns, ausgewiesene Keramik-Experten, haben unermüdlich geforscht und gewühlt und viel Neues über Hans Wewerka entdecken und herausfinden und die wichtigsten Ergebnisse für die Wiesbadener Ausstellung aufbereiten können. Während die Wanderausstellung bei den vorherigen Stationen ohne Texte präsentiert wurde, „war es uns ganz wichtig, die Besucher ein wenig zu begleiten, und das Ganze textlich entsprechend einzubinden.“ erzählt die sam-Direktorin. Dieser Aufwand hat sich sehr gelohnt, da nunmehr nicht bloß die wunderbaren Figuren und Gefäße Hans Wewerkas gezeigt werden, sondern vor dem Hintergrund Wewerkas Biografie auch ein kleiner  historischer Abriss der „Keramik-Geschichte“ im Kannenbäcker-Land erzählt wird. Sie beginnt in der  Zeit als der Westerwald bei Gründung des Herzogtums-Nassau diesem als Territorium zugeschlagen wurde. Die herausragendeb Tonvorkommen und Keramik- Produktion war wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region und dann auch für das Herzogtum Nassau. Damals erwarb der Altertumsverein für Geschichtsforschung /Altertums- und Geschichtsforschung Westerwälder Steinzeug, und 1912 auch ein Konvolut mit modernem Westerwälder Steinzeug der Manufaktur Reinhold Merkelbach in Höhr-Grenzhausen. Es waren Exponate von den Werkbund-Mitgliedern Richard Riemerschmid, Albin Müller, Fritz Helmuth Ehmcke und Paul Wynand. Und bei diesem Konvolut waren eben auch drei Figuren von Hans Wewerka dabei.

Kurator Ulrich Linnemann. © Foto Diether von Goddenthow
Kurator Ulrich Linnemann. © Foto Diether von Goddenthow

Aber nicht nur aufgrund der eigenen Sammlungsstücke habe Westerwälder Steinzeug für Wiesbaden eine besondere Bedeutung, sondern insbesondere auch, so Kurator Ulrich Linnemann, da Wiesbaden Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem durch den Forscher Ernst Zais führend war bei der Erforschung, Entdeckung und regionalen Zuordnung des rheinischen Steinzeugs. Ernst Zais habe als Wiesbadener selbst auch Ausgrabungen im Westerwald gemacht, und geklärt, welche Steinzeug-Gefäße im Museumsbesitz aus dem Westerwald kommen, und welche Stücke eben aus den anderen Steinzeug-Provinzen, beziehungsweise Steinzeug-Produktionsorten des rheinischen Steinzeugs kommen, so Linnemann.

Ende des 19 Jahrhunderts habe es, so Linnemann, im Deutschen Reich verschiedene Gewerbeausstellungen gegeben, was die Stadt Wiesbaden bewog, ebenfalls, wie zuvor in Düsseldorf, Krefeld und anderswo, auch in Wiesbaden eine Gewerbeausstellung zu veranstalten. Hiervon zeugt ein in der Ausstellung präsentiertes Jugendstil-Plakat. Es markiert nach 1900 eine tiefgreifende stilistische Wende.

Seltene Stücke, darunter links  der "Krug in "Braun geflammter Entwurf Richard Riemerschmid um 1900", "Seidel in "Kölnisch braun", Bowle in "Grau glasiert", Entwurf Calr Mehlen, "Senftopf  "Mattgrau", "Teller /Salznäpfchen/ Eierbecher in "Mattgrau" aus dem Hause Merkelbach für Vereinigte Steinzeugwerke, 1912. © Foto Diether von Goddenthow
Seltene Stücke, darunter links der „Krug in „Braun geflammter Entwurf Richard Riemerschmid um 1900″, „Seidel in „Kölnisch braun“, Bowle in „Grau glasiert“, Entwurf Calr Mehlen, „Senftopf „Mattgrau“, „Teller /Salznäpfchen/ Eierbecher in „Mattgrau“ aus dem Hause Merkelbach für Vereinigte Steinzeugwerke, 1912. © Foto Diether von Goddenthow

Die Pariser Weltausstellung 1900 erteilte der Stilvielfalt des Historismus eine deutliche Absage. Der aufkommende Jugendstil und das Moderngestein, ein damals neu entwickeltes braungeflammtes Steinzeug, sowie Lauflasuren machten auf der Pariser Weltausstellung Furore. So gelangte das Westerwälder Steinzeug zwischen 1900 und 1914 zu einer neuen Blüte. Im Bürgertum war es inzwischen schick geworden, modernes Steinzeug aus dem Westerwald zu erwerben.
Eben in dieser Zeit des Aufbruchs und Experimentieren wurde Hans Wewerker von 1903 bis 1905 Schüler an der Keramischen Fachschule Hör, die gerade verstaatlicht, erweitert und um ein chemisch-technisches Laboratorium ergänzt worden war, und namhafte Lehrer beschäftigten konnte, darunter Ernst Barlach, der Hans Wewerkas Werk sichtbar stilistisch prägte.

Hans Wewerka formte seine aus dem Leben gegriffenen Figuren mit feinfühliger Beobachtungsgabe und einem eigenwilligen Stil, der dem   Westerwälder Steinzeug eine neue Richtung gab. Hier von links: "Schuhriemen-Verkäuffer" (um 1910/11), "Obstverkäufer", im Hintergrund aufgedruckt eine verschollene Figur "Dame mit kleinem Korb", "Frau mit Kiepe" sowie "Korbtägerin". © Foto Diether von Goddenthow
Hans Wewerka formte seine aus dem Leben gegriffenen Figuren mit feinfühliger Beobachtungsgabe und einem eigenwilligen Stil, der dem Westerwälder Steinzeug eine neue Richtung gab. Hier von links: „Schuhriemen-Verkäuffer“ (um 1910/11), „Obstverkäufer“, im Hintergrund aufgedruckt eine verschollene Figur „Dame mit kleinem Korb“, „Frau mit Kiepe“ sowie „Korbtägerin“. © Foto Diether von Goddenthow

Hans Wewerka galt bereits seit seiner Jugend als Ausnahmeerscheinung im Bereich der künstlerischen Keramik. Schon in jungen Jahren schuf er Entwürfe für die Herstellung von Figuren aus Steinzeug – im Kannenbäckerland eine Besonderheit. Nur wenige Künstler wie der Niederländer Joseph Mendes da Costa hatten bisher salzglasiertes Steinzeug zur Herstellung figürlicher Plastik verwendet.
DSCF8114 jugendstil plakat gewerbeausstellung wsbn 1906 - 450 (c) diether von goddenthowAn der Kunstgewerbeschule Düsseldorf werden der Bildhauer Rudolf Bosselt, ebenfalls ein Mitglied des Deutschen Werkbundes, und der Schriftentwerfer Fritz Helmuth Ehmcke zu Lehrern von Hans Wewerka. Nach dem Studium 1911 folgt Wewerka Rudolf Bosselt an die Kunstgewerbeschule Magdeburg. Dort wird er zuletzt Lehrer der Klasse Bildhauer und Modelleure, die er zusammen mit Professor Carl Wegner unterrichtet. Mendes da Costas Figur Sabbat (um 1900) wurde 1910 gemeinsam mit Wewerkas bekanntestem Werk Demonstrant (um 1910) in Düsseldorf ausgestellt. Auf der Brüsseler Weltausstellung von 1910 waren zwei seiner Marktfrauen zu sehen, diesmal zusammen mit Werken von Ernst Barlach, der für kurze Zeit sein Lehrer war. Es ist wahrscheinlich, dass Barlach und Mendes da Costa wegweisend für den jungen Westerwälder waren.
Mit nur 27 Jahren starb Hans Wewerka 1915 im Feldlazarett nahe der französischen Stadt Arras. Die Ausstellung ist sehr empfehlenswert.

Nach dem Leben geformt. Hand Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils. Vom 20.03. - 21.07.2024 im sam - Stadtmuseum am Markt Wiesbaden. Ausstellungsimpression. Auf ihrer letzten Station werden alle bislang bekannten 56 Figuren gezeigt. Verschollene Werke sind durch Fotografien vertreten. Neben seinen wenigen Gefäßentwürfen wird erstmals auch das letzte Werk des Künstlers von 1915 vorgestellt. © Foto Diether von Goddenthow
Nach dem Leben geformt. Hand Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils. Vom 20.03. – 21.07.2024 im sam – Stadtmuseum am Markt Wiesbaden. Ausstellungsimpression. Auf ihrer letzten Station werden alle bislang bekannten 56 Figuren gezeigt. Verschollene Werke sind durch Fotografien vertreten. Neben seinen wenigen Gefäßentwürfen wird erstmals auch das letzte Werk des Künstlers von 1915 vorgestellt. © Foto Diether von Goddenthow

Hans Wewerkas Inspirationsquellen waren  von die von Armut geprägte ländliche Bevölkerung im Westerwald und das bürgerliche Leben in Düsseldorf. Die nach dem Leben geformten Figuren gaben auch dem Westerwälder Steinzeug eine neue Richtung und sind stilistisch zwischen Jugendstil und Expressionismus einzuordnen.

(Dokumentation: Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)