Wiesbadens Geschichte neu erzählt aus der Perspektive seiner Wasserverwendung zur Römer- und Kaiser-Zeit – ab 21.09.2022 im sam

Am 2.Oktober 2022 – Römertag am SAM Dern’sches Gelände

Im Rahmen des "Wiesbadener Jahrs des Wassers" 2022 beleuchtet die Sonderausstellung "Wasser Macht Identität" im sam - Stadtmuseum am Markt - die kulturhistorische Seite der Wiesbadener Badetradition. Schwerpunkte bilden ihre Anfänge zur Römerzeit sowie ihre Rezeption um 1900, als die sogenannte "Weltkurstadt" ihre zweite Blütezeit erlebte. Zu sehen ist die Ausstellung vom 21. September 2022 bis zum 29. Januar 2023. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogrammm. © Foto Diether von Goddenthow
Im Rahmen des „Wiesbadener Jahrs des Wassers“ 2022 beleuchtet die Sonderausstellung „Wasser Macht Identität“ im sam – Stadtmuseum am Markt – die kulturhistorische Seite der Wiesbadener Badetradition. Schwerpunkte bilden ihre Anfänge zur Römerzeit sowie ihre Rezeption um 1900, als die sogenannte „Weltkurstadt“ ihre zweite Blütezeit erlebte. Zu sehen ist die Ausstellung vom 21. September 2022 bis zum 29. Januar 2023. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogrammm. © Foto Diether von Goddenthow

Seinen heißen Quellen hat es Wiesbaden zu verdanken, die älteste  durchgehend  besiedelte Stadt Hessens zu sein. Und sie ist mit Aachen zusammen die älteste Bäderstadt Deutschlands. Anhand des Elements Wasser und seiner vielfältigen – insbesondere kurativen –  Verwendung  wird nun die Geschichte Wiesbadens zur Römer- und Kaiser-Zeit  neu erzählt in der wunderbaren Ausstellung WASSER MACHT IDENTITÄT vom 21.09.2022 – 29.01.2023 im sam – Stadtmuseum am Markt (Dern’sche Gelände).

„Die heißen Quellen haben unsere Stadt zu dem gemacht, was sie heute ist! So ist das Wiesbadener Jahr des Wassers für uns eine großartige Gelegenheit, zwei Aspekten näher auf den Grund zu gehen: der Badekultur in Wiesbaden zur Römerzeit und dem Umgang mit diesem Erbe um 1900.“, so Sabine Philipp M.A., Direktorin des Wiesbadener Stadtmuseums (sam) bei einem Presserundgang. Ihr und den beiden Kuratoren, Dr. Vera Klewitz (für die Badekultur um 1900) und Dr. Burger-Völlmecke (für die antike Badekultur) ist mit der Ausstellung „Wasser Macht Identität“  gelungen, zu den Themen neue Erkenntnisse zu präsentieren und diese anschaulich zu vermitteln. „95 Prozent der Objekte stammen aus unserer umfangreichen und bedeutenden Sammlung Nassauischer Altertümer sowie der Stadthistorischen Sammlung, wovon viele der Öffentlichkeit bisher unbekannt sein dürften“, so die Museumsdirektorin.  Bereichert wird die Ausstellung durch Leihgaben, vorwiegend aus der Kulturregion RheinMain, darunter medizinisches sensationelles Instrumentarium, etwa ein Vaginalspeculum aus dem Römisch Germanischen Zentralmuseum Mainz (RGZM), wie es ähnlich  noch heute von Gynäkologen Verwendung findet.

Die Ausstellungsmacher (vli.:) Dr Burger Völlmecke, Kurator Sammlung Nassauischer Altertümer | Archäologie Vor- und Frühgeschichte bis Mittelalter;-Sabine-Philipp M.A. Direktorin sam, -Dr Vera Klewitz-Kuratorin Sammlung Nassauischer Altertümer | Sammlungen Kunsthandwerk & Grafik Mittelalter bis heute (©)-Diether von Goddenthow
Die Ausstellungsmacher (vli.:) Dr Burger Völlmecke, Kurator Sammlung Nassauischer Altertümer | Archäologie Vor- und Frühgeschichte bis Mittelalter;-Sabine-Philipp M.A. Direktorin sam, -Dr Vera Klewitz-Kuratorin Sammlung Nassauischer Altertümer | Sammlungen Kunsthandwerk & Grafik Mittelalter bis heute (©)-Diether von Goddenthow

Spektakulär ist auch Dr. Burger-Völlmeckes zufällige Entdeckung von Resten der baulichen Ausstattung aus den römischen Kranzplatz-Termen in Kisten der Sammlung Nassauischer Altertümer, darunter Fragmente einer Deckenverkleidung aus edlem Carrara-Marmor. Bislang war man davon ausgegangen, dass es von den römischen Kranzplatzthermen, deren gewaltige Fundamentreste beim Aushub für den Bau des Palasthotels (um 1903) entdeckt worden waren, keine physischen Überreste mehr vorhanden seien. Dieser Irrtum ist jetzt widerlegt und eröffnet auch hier neue Perspektiven wissenschaftlicher Betrachtung. Die Ausstellung steckt voll solch historischer Überraschungen.

Teil 1 „Wasser Macht Identität im römischen Wiesbaden“

wasser-macht-identitaet---zur-roemerzeitDer Zeitbogen wird  ab 6 /15 n. Chr. gespannt, also ab der Zeit kurz nach Ankunft römischer Truppen am Rhein, wodurch auch die  rechtsrheinische Region um die alte Keltensiedlung Wiesbaden insbesondere aufgrund ihrer heißen Quellen einen rasanten Aufstieg erfuhr. Diese Entwicklung bis zur Spätantike  veranschaulicht  Teil 1 der Ausstellung in den vier Schwerpunkten: Wasser für das Seelenheil – Religion und Kult, Wasser für Roms Städte – Meisterwerke der Infrastruktur, Wassertechnik, Wasser für den Leib – Wellness und Heilung.
Die heißen Quellen von Wiesbaden wurden schon bald für ausgedehnte Badeanlagen genutzt. Sie standen am Schützenhof, am Adlerterrain sowie am Kochbrunnen, deren heilsame Wirkung bis nach Rom bekannt war. Zu Ihnen gehörte auch das Angebot medizinischer Dienste, von denen das hochentwickele chirurgische und medizinische Besteck berichtet. Grabsteine von Soldaten und Zivilsten hingegen belegen deren Herkunft aus weit entfernten Gegenden des Römischen Reiches. Durch sie war das Leben im römischen Heilkurort Wiesbaden von vielen verschiedenen Kulturen und Religionen geprägt, die anhand von Fundmaterial rekonstruiert werden können. Reste von Wasserleitungen und Verteilerbecken bezeugen darüber hinaus das hochentwickelte Wissen römischer Ingenieure.

Teil 2 „Wasser Macht Identität in Wiesbaden um 1900

wasser-macht-identitaet---zur-roemerzeit-u-kaierzeit„Ende des 19. Jahrhunderts baute Wiesbaden sein System zur Ver- und Entsorgung von Wasser aus und investierte dabei zugleich in ihre Kuranlagen. Dabei besann sie sich auf ihre römischen Traditionen“, erläutert Dr. Vera Klewitz zur Einführung des Rundgangs durch Teil 2 der Ausstellung. Dieser Teil stünde in einem interessanten Spannungsbogen von Zerstörung, Interpretation und Rekonstruktion des römischen Erbes zu einer zweiten Blütezeit der Wiesbadener Badekultur um 1900, so die Kuratorin. Dabei wird aufgezeigt, welche Bedeutung Wiesbaden seiner römischen (Bade‐)Tradition beimaß, wie sich dies im öffentlichen Bewusstsein und schließlich im Stadtbild ausdrückte. So wurde Wilhelm II. bei seinen Besuchen in Wiesbaden mit dem Schriftzug »SALVE IMPERATOR« willkommen geheißen. Die römische »Heidenmauer« wurde zeittypisch instandgesetzt, erhielt jedoch ein neues »Römertor« zugunsten des Verkehrs. Antike Thermenanlagen wurden entdeckt, jedoch mit einem Hotel bzw. einer neuen Thermenanlage überbaut: dem Kaiser‐Friedrich‐Bad.

Besondere Themenschwerpunkte sind:  Alt weicht neu – das „Palasthotel“ und das „Römertor“ sowie „Baden im Luxus – das Baden im Kaiser Friedrich Bad“ und  „Trinken und Wandeln – Die Kochbrunnen-Anlage“ vor dem Hintergrund eines Zeitgeistes, als  die Menschen vom Wiesbadener Quellwasser des Kochbrunnens Heilung erwarteten – sei es durch innere oder äußere Anwendungen, so Dr. Vera Klewitz. Nachdem um 1890 der wetterfeste Trink- und Wandelgang nach Plänen des Architekten Wilhelm Christian Boglers errichtet worden war, wurde das Kochbrunnenwasser von uniformierten „Kochbrunnenmädchen“ der illustren Badegesellschaft gereicht. In der Ausstellung werden Pläne und Grundrisse gezeigt, und neben Bildern auch Geräte badeärztliche Verfahren präsentiert, wie sie damals als fortschrittlich galten, etwa der  „Blauen Heinrich“ zur Tuberkulose-Eindämmung.

Kuratorin Dr. Vera Klewitz erläutert die Funktion des Blauen Heinrich zur Eindämmung der Tuberkulose Ende des 19. Jahrhunderts. Foto (©)-Diether von Goddenthow
Kuratorin Dr. Vera Klewitz erläutert die Funktion des Blauen Heinrich zur Eindämmung der Tuberkulose Ende des 19. Jahrhunderts. Foto (©)-Diether von Goddenthow

Nur wenige Jahre nach der Entdeckung des Tuberkulose stellte der Kronberger Lungenfacharzt Peter Dettweiler 1889 beim 8. Kongress für Innere Medizin in Wiesbaden die vom ihm entwickelte „Taschenflasche für Hustende“, vor erläutert Dr. Vera Klewitz. In dieses blaue Fläschchen konnte der hoch infektiöse Auswurf hineingespuckt und unter dem Klappdeckel isoliert werden, statt wie bis dahin üblich als Ansteckungsquelle auf dem Trottoir zu landen. Der Fuß des Fläschchens war abschraubbar, so dass es  sich  mit Wasser oder einer Desinfektionslösung durchspülen und wieder  reinigen ließ.

Besucher sollten sich ein wenig Zeit nehmen für diese Ausstellung, die viele Überraschungen bereit hält und Wiesbadens Geschichte aus – kurativer – Wasseranwendung  neu erzählt.

(Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

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