„MIT SCHWUNG UND GEFÜHL“ – KONZERT IN DER ROTUNDE DES BIEBRICHER SCHLOSSES am 20. März 2024

© Foto Diether von Goddenthow
© Foto Diether von Goddenthow

Am 20.3.2024 um 1830 Uhr präsentieren Studierende der Wiesbadener Musikakademie Kammermusik und Lieder der Romantik in der Rotunde des Biebricher Schlosses.

Auf dem Programm stehen ebenso ausdrucksvolle wie virtuose Werke, Lieder und Kammermusik aus Romantik und Moderne, u.a. von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann, Gaetano Donizetti und Francis Poulenc. Die Beiträge versprechen unterhaltsam und vor allem rhythmisch prickelnd zu werden.

Veranstaltende sind neben der Wiesbadener Musikakademie der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) und das Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Prof. Dr. Markus Harzenetter, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen begrüßt die Gäste, Claudia Hölbling, Direktorin der Wiesbadener Musikakademie, führt kurz in die Veranstaltung ein, Petra Zellner, Vertreterin des Direktors des LBIH, spricht abschließende Worte.

Ziel der beliebten Rotundenkonzerte ist es seit vielen Jahren, den Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit zu geben, die historischen Räumlichkeiten des Biebricher Schlosses kostenfrei zu erleben.

Es wird um eine  Spende für die Musizierenden gebeten. Der Einlass beginnt ab 18:00 Uhr. Es gibt eine Pause.

„Homo sapiens raus! Heimspiel für Greser & Lenz” – in ihrer ersten Werkschau ab 16.03.2024 Kunsthalle Jesuitenkirche Aschaffenburg

Greser & Lenz, ohne Titel, Aquarell auf Papier, © Greser & Lenz, Foto: Sabine Denecke (Museen der Stadt Aschaffenburg)
Greser & Lenz, ohne Titel, Aquarell auf Papier, © Greser & Lenz, Foto: Sabine Denecke (Museen der Stadt Aschaffenburg)

Sie sind legendär, erfanden „Genschman“, „Die roten Strolche“ und konnten 2015 nach den Anschlägen  auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo»  ihre religionskritischen Karikaturen  nur unter Polizeischutz zeigen.  Jetzt präsentiert die  Kunsthalle Jesuitenkirche  in Aschaffenburg vom 17.3. bis 18.8.2024 Deutschlands berühmtestes Karikaturisten-Duo: Greser & Lenz.

Mit der Ausstellung „Homo sapiens raus! Heimspiel für Greser & Lenz“ ehrt  die Kunsthalle Jesuitenkirche die beiden in Aschaffenburg lebenden Karikaturisten Achim Greser und Heribert Lenz mit dieser großen ersten Werkschau in ihrer Heimatstadt ist. Kuratiert wurde die Ausstellung von PD Dr. Thomas Schauerte, Direktor der Museen der Stadt Aschaffenburg.

Die etwa 150 gezeigten Originale verdeutlichen, wie Greser & Lenz in der großen Tradition der „Neuen Frankfurter Schule“ zu ihrer eigenen grafischen Sprache gefunden haben.  Das Karikaturisten-Duo verbindet im wahrsten Sinne des Wortes eine unverwechselbare Handschrift, denn innerhalb ihrer Werke gibt es keine Arbeitsteilung. So ergänzen sie sich bis zur völligen Ununterscheidbarkeit.

Die Ausstellung legt besonderen Fokus auf die technisch brillanten Tierszenen, die seit 2008 in der F.A.Z. veröffentlicht werden und seither für große Aufmerksamkeit sorgen. In der Tradition des jahrtausendealten Erzählmediums der Fabel werden juristische Fragestellungen des Staatsrechts ins Bild gesetzt und dabei – ausnahmslos durch Tiere – pointiert beantwortet. Diese Karikaturen interpretieren das Sujet der Tierfabel völlig neu.

Greser & Lenz, ohne Titel, Aquarell auf Papier, © Greser & Lenz, F. A. Z., Foto: Sabine Denecke (Museen der Stadt Aschaffenburg)
Greser & Lenz, ohne Titel, Aquarell auf Papier, © Greser & Lenz, F. A. Z., Foto: Sabine Denecke
(Museen der Stadt Aschaffenburg)

Neben ihren bekannten karikaturistischen Zeichnungen zu politischen und gesellschaftlichen Themen beeindrucken Greser & Lenz auch durch großformatige, freie Arbeiten. Hierzu zählen Leinwandbilder wie farbenfrohe Waldansichten, Genreszenen aus Kneipen der Region und surreale Bildkompositionen, wie etwa „Armstrong führt Laika Gassi“. Diese Werke sind in der Kunsthalle erstmals zu sehen.

Zusätzlich präsentiert die Ausstellung eine Vielzahl von Zeichnungen mit Lokal und Regionalbezug, darunter Bierdeckel für eine bekannte Aschaffenburger Biermarke, aber auch viel diskutierte Arbeiten wie das Gresersche Soloprojekt „Der Führer privat“.

Achim Greser (geb. 20.5.1961 in Lohr/Main) und Heribert Lenz (geb. 26.2.1958 in Schweinfurt) lernten sich während ihres gemeinsamen Studiums an der Fachhochschule Würzburg kennen und seitdem verlief ihr Werdegang parallel. Die beiden leben in einem großen Haus in Aschaffenburg mit gemeinsamem Atelier.

Greser & Lenz werden mit renommierten Auszeichnungen, darunter dem „Deutschen Karikaturpreis“ sowie dem im März dieses Jahres verliehenen „Göttinger Elch“, geehrt.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit einem einführenden Essay von Andreas Platthaus, dem Ressortleiter für Literatur und literarisches Leben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Publikation wurde großzügig durch den Förderkreis der Kunsthalle Jesuitenkirche e. V. unterstützt und ist an der gemeinsamen Kasse des Christian Schad Museums / Kunsthalle Jesuitenkirche erhältlich. Zudem ist sie über den Buchhandel bestellbar.

 

 

Kunsthalle Jesuitenkirche
Pfaffengasse 26
63739 Aschaffenburg
Öffnungszeiten
Dienstag 10–20 Uhr
Mittwoch bis Sonntag, Feiertage 10–18 Uhr
montags geschlossen

Wiesbadener Museum bringt erste Retrospektive über den Sonnenmaler Max Pechstein im Rhein-Main-Gebiet

Die große Sonderausstellung „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ stellt vom 15. März bis 30. Juni 2024 jüngste Forschungsergebnisse vor und zeigt farbenprächtige Gemälde, wie kontraststarke Holzschnitte. Bild: Max Pechstein (1881 - 1955). Sonnenuntergang an der See, 1921. © Foto Diether von Goddenthow
Die große Sonderausstellung „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ stellt vom 15. März bis 30. Juni 2024 jüngste Forschungsergebnisse vor und zeigt farbenprächtige Gemälde, wie kontraststarke Holzschnitte. Bild: Max Pechstein (1881 – 1955). Sonnenuntergang an der See, 1921. © Foto Diether von Goddenthow

Max Pechstein (1881–1955), Maler und Grafiker der deutschen Avantgarde, kreierte sein gesamtes Schaffen inspiriert von der Sonne. Als bislang unerkannter roter Faden durchzieht sie alle Werkgruppen und Phasen des Künstlers. Die große Sonderausstellung „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ stellt vom 15. März bis 30. Juni 2024 jüngste Forschungsergebnisse vor und zeigt farbenprächtige Gemälde, wie kontraststarke Holzschnitte. Das Museum Wiesbaden präsentiert die erste Retrospektive des Künstlers im Rhein-Main-Gebiet und stellt alle Themen des Künstlers – von Aktmalerei, Tanz bis hin zu Krieg, Familie und Religion – sowohl in farbigen als auch schwarzweißen Arbeiten vor. Ein besonderer Höhepunkt ist das erstmals seit fast 30 Jahren öffentlich ausgestellte Hauptwerk Selbstbildnis, liegend von 1909.

Dr. Andreas Henning Direktor des Hessischen Landesmuseums Wiesbaden und Kurator  Dr. Roman Zieglgänsberger Kustos Klassische Moderne am Museum Wiesbaden,  starten die Presseführung. Im Hintergrund der hochvergrößerte Holzschnitt von Max Peschstein "Untergehende Sonne (Ostseestrand) von 1946 © Foto Diether von Goddenthow
Dr. Andreas Henning Direktor des Hessischen Landesmuseums Wiesbaden und Kurator Dr. Roman Zieglgänsberger Kustos Klassische Moderne am Museum Wiesbaden, starten die Presseführung. Im Hintergrund der hochvergrößerte Holzschnitt von Max Peschstein „Untergehende Sonne (Ostseestrand) von 1946 © Foto Diether von Goddenthow

Max Pechstein prägte die Kunstepoche der Moderne von 1906 und 1912 gemeinsam mit der Dresdener Künstlervereinigung „Brücke“, zu der auch Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Emil Nolde und Karl Schmidt-Rottluff zählten. Die „Brücke“-Künstler nutzen Farbe als Ausdrucksmittel von Emotionen und lösten sie vom realen Gegenstand. Pechstein machte es sich zum Ziel, dass die Betrachter seiner Arbeiten die Gefühlsregungen, die er bei seinen Reisen spürte nachempfinden können sollten.
Eine besondere Inspiration für Max Pechstein war der niederländische Künstler Vincent van Gogh. Nicht nur seine Maltechnik sondern sein Ansatz, Kunst, Leben und Natur zu verbinden und sich mit dem Leben und den Menschen in all seinen Facetten zu befassen beflügelte seinen kreativen Prozess. Symbolisieren Sonnenblumen bei beiden Künstlern das Leben mit ihren zum Teil aufblühenden, aufgeblühten und verblühten Blumen, so symbolisieren Sonnenstrahlen für Pechstein die Verbindung zwischen Himmel und Erde und Sonnenaufgänge die Hoffnung.

Pechstein beschäftigte sich ein halbes Jahrhundert mit der Sonne als einem seiner Hauptgegenstände seiner Arbeit. Der Kustos für die Klassische Moderne am Museum Wiesbaden und Kurator der Schau, Dr. Roman Zieglgänsberger, bezeichnet ihn als den „Sonnenmaler des 20. Jahrhunderts“.

Die Sonne war Teil seines Schaffens, so Dr. Roman Ziegelgänsberger. Bild: Max Pechstein "Aufgehende Sonne", 1933. © Foto Diether von Goddenthow
Die Sonne war Teil seines Schaffens, so Dr. Roman Ziegelgänsberger. Bild: Max Pechstein „Aufgehende Sonne“, 1933. © Foto Diether von Goddenthow

Die Sonne erscheint positiv besetzt als Lebensspender der Natur in allen wesentlichen Themen des Künstlers, häufig sogar in ihrem Zentrum: Akt & Figur, Bühne & Tanz, Paradies & Krieg, Boote & Fischer, Familie & Religion. Wie auch schon beim französischen Impressionisten Monet malt Pechstein sie in allen denkbaren Farben – von Rot, Orange bis hin zu Weiß, Pink, Blau und Grün.

Eine Vielzahl an Arbeiten zeigt die Sonne aber auch in Schwarzweiß. Der maximale Kontrast bot dem Künstler inhaltliche Möglichkeiten um beispielsweise ihre Härte, Unerbittlichkeit oder ihre Zugehörigkeit zu unserem Planeten zu zeigen. Der Kurator wirft die Leitfrage der Schau auf: „Warum verzichtete ein expressiver Maler, dem es vordringlich um Emotionen ging, freiwillig und nicht selten auf das entscheidende, am Beginn des 20. Jahrhunderts soeben ‚neu erfundene Werkzeug‘ Farbe?“

Max Pechstein "Akt in der Düne", 1924.  im Themenbereich "Natürlich nackt!" der  großen Retrospektive „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ © Foto Diether von Goddenthow
Max Pechstein „Akt in der Düne“, 1924. im Themenbereich „Natürlich nackt!“ der großen Retrospektive „Max Pechstein – Die Sonne in Schwarzweiß“ © Foto Diether von Goddenthow

Neben farbenprächtigen Gemälden und Hauptwerken des Künstlers rückt die Ausstellung Die Sonne in Schwarzweiß Pechsteins Kunst auf Papier, welche aus dem Blick der Forschung geraten ist, in den Fokus. Als ausgebildeter Dekorationsmaler und Absolvent eines kunsthandwerklichen Studiums bei Otto Gussmann an der Kunstakademie Dresden entwickelte Pechstein schon früh eine Vorliebe für Druckgrafik in Schwarzweiß. „Nach längerem Malen ergreift mich Sehnsucht nach der Farbigkeit des Schwarzen in der Graphik … die kräftigen Schnitte im Holz, den energische Riß der Nadel auf dem Metall, das schmeichelnde Hauchen der Kreide über den Stein.“ Max Pechstein, 1921
So stellt die Schau ausgewählte Gemälde aus einem Themengebiet mit druckgrafischen Werken gegenüber. Ein Höhepunkt ist das großformatige Selbstbildnis, liegend von 1909, welches mit der Schau erstmals seit 1996 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Es ist die erste Retrospektive des Künstlers im Rhein-Main-Gebiet.

Eintritt
Ticketerwerb an der Tageskasse oder Buchung online:
https://tickets.museum-wiesbaden.de/
Sonderausstellung* 12,— Euro (9,— Euro ermäßigt)
* Eintritt in die Sonderausstellungen beinhaltet den Besuch der Sammlungen.
Eintritt frei für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Öffnungszeiten
Di, Mi, Fr, Sa und So 10—17 Uhr
Do 10—21 Uhr
Mo geschlossen
Weitere Informationen: Max Pechstein. Die Sonne in Schwarzweiss

Der Katalog zur Ausstellung:

katalog-cover die sonne in schwarzweiss max pechstein 2024_160Sehr empfehlenswert ist der zur Ausstellung erschienene wissenschaftliche Katalog (herausgegeben von Roman Zieglgänsberger für das Museum Wiesbaden) mit Beiträgen von Katharina Henkel, Annika Weise, Aya Soika, Petra Lewey (Michael Imhof Verlag, 256 Seiten, 34 € an der Museumskasse, ISBN 978-3-7319-1409-9).

Eine kostenfreie Media-Tour in der MuWi-App begleitet die Schau.

In Kooperation mit dem Brücke-Museum Berlin, den Kunstsammlungen Zwickau — Max-Pechstein-Museum, sowie der Max Pechstein Urheberrechtsgemeinschaft, Hamburg ⁄ Berlin.

Die Ausstellung wird gefördert vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Max Pechstein Stiftung und den Freunden des Museums Wiesbaden e.V.

HR2 ist Kulturpartner der Ausstellung.

Caricatura-Gründer Achim Frenz gestorben

Caricatura-Gründer Achim Frenz ist plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11.3.2024 verstorben. © Foto Diether von Goddenthow
Caricatura-Gründer Achim Frenz ist plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11.3.2024 verstorben. © Foto Diether von Goddenthow

Caricatura-Gründer Achim Frenz gestorben Frankfurt / Kassel, 11.3.2024. Im Namen der Familie geben das Caricatura Museum Frankfurt und die Caricatura Galerie Kassel bekannt, dass Caricatura-Gründer Achim Frenz plötzlich und unerwartet in der Nacht zum 11.3.2024 verstorben ist. Achim Frenz (* 27. November 1957 in Bremerhaven, † 11. März 2024 in Kassel) hat als Gründer und ehemaliger Leiter des Caricatura Museums Frankfurt – Museum für Komische Kunst und der Caricatura Galerie Kassel nicht nur zwei wichtige Institutionen der Komischen Kunst auf den Weg gebracht und geprägt, sondern sich auch unermüdlich bundesweit für die Belange dieser Kunstgattung eingesetzt. Das gesamte Caricatura-Team und Weggefährten sind zutiefst betroffen. Erst im Oktober vergangenen Jahres wurde Frenz aus dem aktiven Dienst als Leiter des Museums verabschiedet. Er hinterlässt seine Frau, seinen Sohn mit Ehefrau und zwei Enkel.

In seiner Zeit als Leitung des Museums verantwortete Frenz den Aufbau und die Erweiterung der Sammlung des Hauses, die zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand mehr als 8.000 Originale der Zeichner der Neuen Frankfurter Schule sowie rund 6.500 Zeichnungen weiterer Karikaturisten umfasste. Unter seiner Leitung wurden die regelmäßigen Neuhängungen der Dauerausstellung zur Neuen Frankfurter Schule und 42 Sonderausstellungen kuratiert. Krönender Abschluss seiner Karriere war die aktuelle Ausstellung „Ach was. Loriot zum Hundertsten“ zu Ehren des wohl bedeutendsten deutschen Humoristen.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Verlagen gab Frenz die Buchreihe Caricatura Museum Edition heraus, die die vielfältigen Ausstellungen im Museum dokumentieren. Zudem etablierte er mit seinem Team das Festival der Komik, das alljährlich als Ergänzung zu den Ausstellungen auf dem Weckmarkt satirische Bühnenkunst während des Museumsuferfestes präsentiert. 2020 wurden das Caricatura Museum Frankfurt und die Caricatura Galerie Kassel mit dem Hessischen Kulturpreis gewürdigt. Erstmals erhielten ein Museum und eine Galerie diese Auszeichnung.

„Der Tod von Achim Frenz hat uns alle unvorbereitet getroffen und tief erschüttert. Er war nicht nur Vordenker und Wegbereiter für die Komische Kunst, sondern auch Mentor und Freund. So Vieles hat er erreicht, so Vieles hatte er noch vor. Die Komische Kunst steht für einen Moment still – um in seinem Sinne weiterzumachen“, sagte Weggefährte Martin Sonntag, der Achim Frenz nach dessen Verabschiedung im Oktober 2023 als neuer  Leiter des Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst nachfolgt.

Otto Kajetan Weixler, Kuratoriumsvorsitzender, Achim Frenz, Leiter Caricatura Museum a.D., Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main, und Laudator Pit Knorr, Autor der Neuen Frankfurter Schule, bei der Verabschiedung von Frenz in der Evangelischen Akademie am 9.10.2023. © Foto Diether von Goddenthow
Otto Kajetan Weixler, Kuratoriumsvorsitzender, Achim Frenz, Leiter Caricatura Museum a.D., Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main, und Laudator Pit Knorr, Autor der Neuen Frankfurter Schule, bei der Verabschiedung von Frenz in der Evangelischen Akademie am 9.10.2023. © Foto Diether von Goddenthow

Bestürzt habe sie die Nachricht vom Tod Achim Frenz‘ vernommen, so Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt am Main. „Erst Ende letzten Jahres haben wir ihn mit einem Festakt in der Evangelischen Akademie in den Ruhestand verabschiedet. Er war voller Pläne und Ideen. Sein Wirken für die Stadt Frankfurt und für die Neue Frankfurter Schule war stets von großer Hingabe geprägt. Diese Hingabe spiegelt sich in seinen großen Verdiensten wider. Ohne Achim Frenz gäbe es das Caricatura Museum in Frankfurt nicht, dass dazu beigetragen hat, dass die Komische Kunst als ernstzunehmende Kunst zum Gattungsbegriff wurde. Mit ihm verlieren wir einen großen Visionär und unermüdlichen Kämpfer für die Komische Kunst. Wir werden ihn sehr vermissen.“ so die Frankfurter Kulturdezernentin.

Kleiner Rückblick

Schon früh kam Achim Frenz mit der Komischen Kunst in Kontakt. Sein Studium an der Kunst- und Gesamthochschule Kassel schloss der gebürtige Bremer mit der Diplomarbeit „Die Grenzen der Satire“ ab. Mit Kommilitonen entwarf und verbreitete er im Künstlerkollektiv „Visuelle Opposition“ politische Plakate mit komisch-satirischem Ansatz und legte den Fokus auf die Entwicklung einer eigenen Komik. Prägend waren die von den Studierenden initiierten Lehrstunden bei F.K. Waechter und F.W. Bernstein, die als Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule die Nachkriegssatire und Humorlandschaft maßgeblich beeinflusst hatten. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Redakteur und Karikaturist bei der nordhessischen Ausgabe des „Pflasterstrand” und setzte sich auch hier intensiv mit dem Medium Satire auseinander. Mitte der 1980er Jahre war er federführend als Initiator wie Kurator an Ausstellungen in Kassel beteiligt, die die zeitgenössische Komische Kunst in Deutschland dokumentierten. Erstmals wurde die Komische Kunst als eigenständige und ernstzunehmende Gattung wahrgenommen. Mit der Gründung des Kulturbahnhofs Kassel schuf Frenz dann mit Mitstreitern auch einen ständigen Ausstellungsort der Komischen Kunst: Die Caricatura – Galerie für Komische Kunst Kassel, die er bis 2000 leitete und in deren Vorstand er bis zu seinem Tod vertreten war.

Seit 2006 war Frenz zudem Mitherausgeber der Satirezeitschrift Titanic. In den Sommerakademien für Komische Kunst, die die Caricatura Galerie Kassel in Kooperation mit dem Caricatura Museum Frankfurt veranstaltet, setzte er sich seit 2007 für die Ausbildung junger Zeichner ein. Seine Expertise war auch als Jurymitglied gefragt, unter anderem beim Göttinger Elch, beim Deutschen Karikaturenpreis, beim Wilhelm-Busch-Preis und beim Ludwig-Emil-Grimm-Preis.

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Woche der Meinungsfreiheit: Gemeinsam die Demokratie verteidigen

woche-der-meinungsfreiheit-2024Vierte Ausgabe der bundesweiten „Woche der Meinungsfreiheit“ vom 3. bis 10. Mai 2024 / Programm kann von Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen mitgestaltet werden / Bestellung von Materialpaketen über Buchhandlungen und Verlage möglich

Frankfurt am Main, 11. März 2024. Vermehrte Angriffe auf demokratische Grundwerte, andauernde gesellschaftliche Konflikte und eine Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung: Das Debattenklima hierzulande wird rauer und Eckpfeiler der demokratischen Gesellschaft geraten ins Wanken. Auch der Blick ins Ausland – nicht zuletzt der Tod Alexej Nawalnys – führt vor Augen, wie wichtig und zugleich bedroht die Demokratie ist. Das betrifft auch die Meinungsfreiheit, die Basis aller demokratischen Diskurse und Entscheidungen ist. Im Wahljahr 2024 nimmt die „Woche der Meinungsfreiheit“ vom 3. bis 10. Mai 2024 daher die Zukunft der Demokratie in den Fokus.

Vom Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai bis zum Tag der Bücherverbrennung in Deutschland am 10. Mai lädt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gemeinsam mit der neu gegründeten Stiftung Freedom of Expression und der Frankfurter Agenturallianz Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen dazu ein, deutschlandweit Veranstaltungen und Kampagnen zu initiieren. Angesichts der Europawahl am 9. Juni sowie dreier Landtagswahlen in Deutschland liegt ein Schwerpunkt in diesem Jahr darin, unter dem Motto #DemokratieWählenJetzt zum aktiven Eintreten für die Demokratie, u.a. durch die Beteiligung an Wahlen aufzurufen.

Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins und Vorsitzender der Stiftung Freedom of Expression: „Die Prognosen für die Wahlen im Jahr 2024 verdeutlichen die Fragilität von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten. Es liegt an uns, dem entgegenzuwirken! Durch die „Woche der Meinungsfreiheit“ setzen wir ein deutliches Signal für eine offene, demokratische Gesellschaft, Vielfalt und Freiheitsrechte. Ich ermutige alle Mitglieder unserer Branche und darüber hinaus, aktiv zu werden und unsere Möglichkeiten zur Beteiligung zu nutzen.“

Den Auftakt zur Aktionswoche bildet der Diskussionsabend „Freies Wort – freies Europa?“ am 3. Mai 2024 im Literaturhaus Frankfurt mit dem Historiker Jan-Pieter Barbian, dem Schriftsteller György Dalos und der Journalistin und Autorin Petra Reski, moderiert von Shelly Kupferberg. Die Veranstaltung richten der Börsenverein und der S. Fischer Verlag gemeinsam aus. Sie ist Teil der Initiative »Wissen Erinnern Fragen«. Am 5. Mai beteiligt sich der Börsenverein als Partner bei einer Veranstaltung der Stadt Frankfurt in der Frankfurter Paulskirche zu 75 Jahren Grundgesetz. Für den 7. Mai 2024 ist eine Veranstaltung zu Demokratie, Respekt und Vielfalt in Europa in der Dresdner Frauenkirche geplant.

Die Buchbranche spielt wie in den Vorjahren auch eine zentrale Rolle während der „Woche der Meinungsfreiheit“. Buchhandlungen haben die Möglichkeit, durch Plakate, Postkarten, Thementische und Schaufenstergestaltung auf die Kernthemen der Woche aufmerksam zu machen. Verlage bringen durch Veranstaltungen und die Nutzung sozialer Medien vermehrt Bücher zu aktuellen gesellschaftlichen Themen ins Blickfeld der Öffentlichkeit.

Neue Stiftung Freedom of Expression

Um die Woche der Meinungsfreiheit und weitere Projekte zu unterstützen, wurde im Dezember 2023 die Stiftung Freedom of Expression gegründet. In der Stiftung sind der Börsenverein, die Frankfurter Agenturallianz sowie Repräsentanten aus Verlagen, Bildung und Politik vertreten. Die Stiftung Freedom of Expression setzt sich für die Freiheit des Wortes und des Ausdrucks in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft ein.

Margit Ketterle, Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Freedom of Expression: „Ich freue mich sehr, zusammen mit den Kuratoriumsmitgliedern für unser Anliegen zu arbeiten. Die Woche der Meinungsfreiheit hat sich als wichtiges Forum etabliert und ist in der aktuellen politischen Lage notwendiger denn je. Doch Demokratieförderung benötigt auch eine finanzielle Basis, dafür haben wir die Stiftung geschaffen, die gemeinsam mit unseren vielen Partnern aus der Zivilgesellschaft wirksam für die Meinungs- und Kunstfreiheit eintreten wird.“

Mitgestaltung der Aktionswoche
Wer sich an der „Woche der Meinungsfreiheit“ 2024 beteiligen möchte, kann sich über das Kontaktformular auf der Website www.woche-der-meinungsfreiheit.de registrieren. Konkrete Veranstaltungsideen und Aktionen werden über ein Onlineformular unter www.woche-der-meinungsfreiheit.de/mitmachen/ eingereicht. Es stehen verschiedene Formate zur Auswahl, darunter Diskussionen, Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Social-Media-Aktionen und redaktionelle Beiträge.

2023 erzielte die „Woche der Meinungsfreiheit“ mit mehr als 60 Veranstaltungen, Aktionen und Kampagnen eine beachtliche Resonanz auf nationaler Ebene. Zusammen mit den Veranstaltungen, Presseaktivitäten und der begleitenden Kampagne wurden seit dem Start 2021 mehr als 408 Millionen Kontakte erreicht.

Über die Woche der Meinungsfreiheit
Die „Woche der Meinungsfreiheit“ wurde 2021 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels zusammen mit der Frankfurter Agenturallianz initiiert. Ziel ist es, mit einem breiten Bündnis eine Woche lang auf die Bedeutung des freien Wortes für unsere Gesellschaft aufmerksam zu machen. Im vergangenen Jahr haben sich über 50 zivilgesellschaftliche Organisationen und Unternehmen angeschlossen, darunter Verlage, Buchhandlungen, Pressehandel, Bibliotheken, Gewerkschaften, Kirchen, Musikszene, Vereine, Verbände und Stadtverwaltungen.

Die „Frankfurter Agenturallianz“, bestehend aus Kommunikationsexperten und Kommunikationsexpertinnen aus dem Rhein-Main Gebiet, die weitgehend pro bono für die Initiative arbeiten, unterstützt den Börsenverein und die Stiftung Freedom of Expression bei der Aktionswoche. Die Kampagnenidee der Kreativen wurde 2022 mit dem Internationalen Deutschen PR-Preis der DPRG sowie einer Effie-Nominierung ausgezeichnet.

Infos: „Woche der Meinungsfreiheit“ 2024  über: www.woche-der-meinungsfreiheit.de

Sonderausstellung zur 350 jährigen Geschichte des Bankhauses Metzler im Historischen Museum Frankfurt

 

Friedrich Metzler (1794 1825) © HMF, Horst Ziegenfusz
Friedrich Metzler (1794 1825) © HMF, Horst Ziegenfusz

Die B. Metzler seel. Sohn & Co. AG ist Deutschlands älteste Privatbank, die sich noch vollständig in Familienbesitz befindet. Ihre Ursprünge gehen auf das Jahr 1674 zurück: Benjamin Metzler (1650-1686) gründete in Frankfurt zunächst ein Handelsunternehmen für Tuchwaren. Der koloniale Fernhandel, aber auch die weiteren internationalen Handelsbeziehungen führten dazu, dass auch Geldgeschäfte eine wichtige Rolle spielten. Das Warengeschäft wurde zunehmend vom Geld- und Wechselgeschäft abgelöst, bis sich im 18. Jahrhundert ein beispielhafter Wandel vom Handels- zum Bankhaus vollzog. Im 19. Jahrhundert zählten vermögende Privatiers zur Kundschaft der Bank, deren Hauptgeschäft nun die Vermögensverwaltung (Depotgeschäft), individuelle Finanzdienstleistungen und der Handel mit börsennotierten Wertpapieren (Effekten) war.

Der Name „B. Metzler seel. Sohn & Co.“ leitet sich von den Söhnen des Firmengründers Benjamin Metzler her, die durch diese Namensgebung an ihren verstorbenen (seligen) Vater erinnern wollten.

Nach dem Ersten Weltkrieg litt das Bankhaus Metzler unter Inflation und Wirtschaftskrise. Viele Privatbanken verschwanden in dieser Zeit, und auch das Bankhaus Metzler musste das Geschäft verkleinern und Mitarbeitende entlassen. Im März 1944 wurde das Bankgebäude bei einem Luftangriff zerstört und viele Geschäftsunterlagen vernichtet. Bei einem Umzug im Jahr 2014 entdeckte man bis dahin unbekannte Dokumente aus der NS-Zeit, die neuen Forschungen Erkenntnisse zur Rolle der Bank im Nationalsozialismus lieferten.

Die Zeit nach dem Krieg war für das Bankhaus eine Phase, in der der Wiederaufbau des eigenen Vermögens als Grundlage für das Bankgeschäft Priorität hatte. 1972 wurde erstmals nach 298 Jahren ein Geschäftsbericht vorgelegt. Der eigentliche Aufschwung erfolgte Ende der 1970er Jahre mit der Expansion der Wertpapiermärkte. 1986 änderte das Unternehmen seine Rechtsform zu einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und schuf eine Holdingstruktur nach angelsächsischem Vorbild. Im Jahr 2021 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Heute konzentriert sich das Bankhaus auf individuelle Kapitalmarktdienstleistungen für Institutionen und Privatkunden.

Die Ausstellung

Impression aus dem 13 Sammlerraum der neuen Ausstellung "Metzler 1674-2024. Bankiers in Frankfurt" im Historischen Museum  ab 8.3.24© HMF, Stefanie Kösling
Impression aus dem 13 Sammlerraum der neuen Ausstellung „Metzler 1674-2024. Bankiers in Frankfurt“ im Historischen Museum ab 8.3.24© HMF, Stefanie Kösling

Die Kabinett-Ausstellung im 13. Sammlerraum gliedert sich in vier Themen und zeigt neben Objekten aus der Sammlung des Museums zahlreiche Dokumente und Bilder aus dem Historischen Metzler-Archiv.

Das Thema „Merchand Banquiers“ (Händlerbankiers) bildet schlaglichtartig die vielfältige 350-jährige Geschichte des Bankhauses ab. Vom Bürgerbrief des Gründers Benjamin Metzler aus dem Jahr 1676 über einen Wechsel von 1754 bis hin zu einem erst 2014 entdeckten Schreiben aus der NS-Zeit. Eine Infografik dokumentiert anschaulich in Zahlen die Entwicklung der Mitarbeitenden von 1900 bis in die Gegenwart. Unter dem Stichwort „Bürgersinn“ wird das gesellschaftliche und kulturelle Engagement der Familie mit den präsentierten Schenkungen der Familie an die Stadt sichtbar, wie etwa der goldene Prunkbecher, aus dem 1903 Kaiser Wilhelm II. trank. Das Thema „Frauen“ rückt die weiblichen Familienmitglieder in den Fokus, wie etwa die „erste Bankerin Frankfurts“, Christina Babara Metzler, die 1757 als unverheiratete Frau die Geschäftsleitung übernahm.

Fotografien und Skizzen der Standorte des Bankhauses und auch der repräsentativen Anwesen, die die Familie seit dem 19. Jahrhundert in und um Frankfurt erwarb und erbaute, werden im Thema „Orte“ präsentiert. Darunter das Haus Metzler in Bonames, der Badetempel in Offenbach oder die Historische Villa Metzler am Schaumainkai.

Themen-Tour Wie eng die Metzler’sche Familien- und Firmengeschichte mit der Stadtgeschichte verknüpft ist, ist in der ständigen Ausstellung des Historischen Museums zu sehen. Eine anlässlich der Kabinett-Ausstellung konzipierte Themen-Tour führt über den 13. Sammlerraum hinaus durch die Abteilung „Frankfurt Einst?“ und folgt über 18 Stationen den Spuren der Familie Metzler.

Öffnungszeiten:
Montag geschlossen
Dienstag bis Sonntag: 11 bis 18 Uhr (Schulklassen können – mit Anmeldung und in Begleitung von Lehrpersonal – von Dienstag bis Freitag ab 9 Uhr das HMF und das JuM besuchen)

Eintrittspreise Dauerausstellung: 8 €/4 € ermäßigt Wechselausstellung: 10 €/5 € ermäßigt Museum Vollpreis: 12 €/6 € ermäßigt Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: Eintritt frei!

Ort:
Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1,
60311 Frankfurt am Main T +49 69 212-35599
info@historisches-museum-frankfurt.de
www.historisches-museum-frankfurt.de

„Nach dem Leben geformt. Hans Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils“ ab 20.03.2024 im Stadtmuseum Wiesbaden

Das sam – Stadtmuseum am Markt in Wiesbaden zeigt vom 20. März bis 21. Juli 2024 in der Sonderausstellung „Nach dem Leben geformt. Hans Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils“ unter anderem 56 einzigartige, in Vergessenheit geratene Skulpturen des bekannten Bildhauers und Keramikers Hans Wewerka im Spannungsfeld von Jugendstil, Realismus und Expressionismus. Seine Motive zeigen vorwiegend Menschen des Alltags seiner Zeit wie Marktfrauen, Frauen mit Kindern und Wanderhändler. Kuratiert haben die Ausstellung Blanka Linnemann, M.A. und Ulrich Linnemann

Der lange Zeit nur Kennern bekannte Keramiker und Bildhauer Hans Wewerka (1888 – 1915), geboren in Nordböhmen bei Gablonz in Österreich‐Ungarn und aufgewachsen in Höhr‐Grenzhausen im Westerwald, wurde erst jüngst wiederentdeckt. Wiesbaden bildet die vierte und letzte Station der Wanderausstellung, deren Konzeption als Werkschau um neugewonnene Erkenntnisse zu Leben und Werk des im 1. Weltkrieg als Soldat jung gestorbenen Künstlers bereichert wird.

1912 erwarb das Landesmuseum Nassauischer Altertümer für den geplanten Museumsneubau an der Rheinstraße ein größeres Konvolut modernen Westerwälder Steinzeugs, darunter drei Figuren von Hans Wewerka. Das Ensemble von 18 Keramiken, dass sich im Sammlungsbestand der Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden, Sammlung Nassauischer Altertümer befindet, wird in der Ausstellung in Teilen gezeigt. Es dient als Ankerpunkt für einen erweiterten Blick auf den künstlerischen Aufbruch, der das Westerwälder Steinzeug um 1900 erfasste und die Voraussetzungen für Hans Wewerkas innovative Figurenplastik schuf.

Auch Wiesbaden hatte Anteil an dieser Entwicklung. Heute vergessen, erhielt Ernst Barlach hier 1909 auf der 1. Großen Wiesbadener Kunst‐ und Gewerbeausstellung die Goldene Medaille und den Ehrenpreis des preußischen Staates für seine von der Russlandreise 1906 inspirierte Figurenplastik. 1904/05 begegnete Hans Wewerka ihm, der noch vor seinem künstlerischen Durchbruch stand, an der Königlichen Keramischen Fachschule in Höhr als Lehrer für figürliches Modellieren und Zeichnen. Dieses Zusammentreffen prägte persönlich und künstlerisch den jungen Hans Wewerka, wie sich an seinen figürlichen Arbeiten der Frühzeit deutlich zeigt.

Hans Wewerkas Figurenplastik – empathischer Blick auf Menschen des Alltags mit künstlerischer Raffinesse und Reduktion auf das Wesentliche

Hans Wewerkas Kleinplastik entstand zwischen 1908/1909 und 1913. In dieser Zeit bildete er sich an der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf bei Rudolf Bosselt (1871 – 1938) zum Bildhauer weiter und wirkte ab 1911 als Lehrer an der Kunstgewerbeschule Magdeburg in der Klasse für Bildhauer und Modelleure.

Die Figuren zeigen im Spannungsfeld von Jugendstil, Realismus und Expressionismus vorwiegend Menschen des Alltags wie Marktfrauen, Frauen mit Kindern und Wanderhändler. Seine Motive fand der Künstler zumeist auf der Straße und auf Marktplätzen in dem um 1900 verarmten, kleinbäuerlich geprägten Westerwald. Gezeigt werden alle bislang bekannten 56 Figuren, die 11 verschollenen im Foto. Ausgeführt zumeist in salzglasiertem Steinzeug durch die Keramikfirmen Reinhold Hanke und Reinhold Merkelbach, markieren sie den Beginn figürlicher Serienproduktion in der Westerwälder Steinzeugindustrie.

Schon die Zeitgenossen rühmen die hohe plastische Qualität von Wewerkas figürlicher Plastik, für die er, bisher unbekannt, 1910 auf der Brüsseler Weltausstellung eine Silbermedaille erhielt. Die reduzierte, blockhafte Formgebung im Frühwerk erinnert an Barlachs Figuren von Bauern und Bettlern, die nach der Russlandreise 1906 entstanden. Prägenden Einfluss, insbesondere bei der Themenwahl hatten darüber hinaus der für seine Kleinplastik gerühmte niederländische Bildhauer Joseph Mendes da Costa (1863 – 1939) sowie der Bildhauer und Reformpädagoge Rudolf Bosselt. Ausgewählte Werke aller drei Künstlern sind in der Ausstellung zu sehen.

Gezeigt werden in Wiesbaden auch die wenigen, sicher nachweisbaren Gefäßentwürfe, die Hans Wewerka mehrheitlich für die Firma Reinhold Hanke aus Steinzeug schuf. Darunter befindet sich als Leihgabe aus Magdeburger Museumsbesitz eine Bowle mit einem Fries musizierender Putten, die nunmehr zweifelsfrei als Werk von Hans Wewerka anzusehen ist.

Die Ausstellung bietet eine einzigartige Gelegenheit, das gesamte, vor allem figürlich geprägte Lebenswerk von Hans Wewerka vor dem Hintergrund seiner Biographie zu sehen und Hans Wewerkas bedeutenden Beitrag zur deutschen Keramikkunst des frühen 20. Jhs. zu würdigen.

„Nach dem Leben geformt. Hans Wewerka und das Westerwälder Steinzeug des Jugendstils“
20. März bis 21. Juli 2024 im sam – Stadtmuseum am Markt in Wiesbaden

sam – Stadtmuseum am Markt
Marktplatz, 65183 Wiesbaden
0611 – 44 75 00 60
info@stadtmuseum‐wiesbaden.de
Öffnungszeiten
Di – So 11 bis 17 Uhr, Do 11 bis 20 Uhr
Eintritt
6 € | 4 €*, Freier Eintritt für alle unter 18 Jahren.
*Ermäßigung für Studierende, Auszubildende, Freiwilligendienstleistende, Schwerbehinderte, Arbeitslose,
Besitzende der Wiesbaden TouristCard, der Ehrenamtscard oder der Kurkarte sowie Fahrkarten der Thermine.

 

Wälder. Von der Romantik in die Zukunft – ab 16.03.2024 im Deutschen Romantik-Museum, Senckenberg Naturmuseum Frankfurt sowie im Museum Sinclair-Haus in Bad Homburg

Drei Museen im Rhein-Main-Gebiet nehmen sich vom 16. März bis 11. August 2024 in der Sonderausstellung „Wälder. Von der Romantik in die Zukunft“ gemeinsam der Wälder an: Das Deutsche Romantik-Museum, das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt und das Museum Sinclair-Haus in Bad Homburg kooperieren in einem großen mehrteiligen Ausstellungsprojekt. Die transdisziplinäre Ausstellung verknüpft wissenschaftliche, ökologische und ästhetische Zugänge von damals und heute. Mit Exponaten aus den Künsten, der Kultur- und Forstgeschichte sowie den Naturwissenschaften spannt die Schau den Bogen von der Epoche der Romantik über die Gegenwart bis in die Zukunft. Vor dem Hintergrund von Klima- und Biodiversitätskrisen bringt die Ausstellung am Beispiel des hochromantischen Themas „Wald“ frühe Ansätze zur Entwicklung anderer Naturverhältnisse in einen Dialog mit aktuellen Fragestellungen.

Die Ausstellung ist in 13 Themeninseln organisiert, die sich über alle drei Museen verteilen. Das neue Verständnis der Natur in der Romantik mit seinen Auswirkungen bis in die Gegenwart steht im Fokus der Ausstellung im Deutschen Romantik-Museum. Im Senckenberg Naturmuseum Frankfurt erwarten Sie aktuelle Perspektiven der Naturwissenschaften im Spiegel ihrer gesellschaftlichen Relevanz im Austausch mit künstlerischen Forschungen. Das Museum Sinclair-Haus stellt die Künste beider Epochen in den Mittelpunkt und erkundet, wie Mensch-WaldVerbindungen im Möglichkeitsraum der Kunst imaginiert werden. Weitere Informationen unter waelder-ausstellung.de sowie auf den Webseiten der drei Museen.

Deutsches Romantik-Museum Ökologisches Denken und Naturethik

Im Deutschen Romantik-Museum können sich die Gäste auf eine facettenreiche Reise durch die Kultur- und Wissensgeschichte der Wälder von der Romantik bis in die Gegenwart begeben. Welches Naturverständnis die romantischen Künstler und Schriftstellerinnen, Wissenschaftler und Komponistinnen um 1800 in ihren Wald-Arbeiten entwarfen und wie aktuell dieses ist, steht im Zentrum des ersten Kapitels „Der ganze Wald“. In einem dichten Gefüge aus Bildern und Noten, Texten und Dingen, bewegter Schrift und Musik kann der romantische Wald hier mit Augen und Ohren erfahren werden. Diesen Imaginationen stellt die Ausstellung den realen Zustand der Wälder um 1800 zur Seite. Das zweite Kapitel „Waldumbau“ erzählt von ihrem schlechten Zustand in dieser Zeit, und macht nachvollziehbar, dass die Wälder, durch die wir heute streifen, ein Produkt forstwirtschaftlicher Praktiken sind, die damals entwickelt wurden. Den nicht menschlichen, den „(tierlichen) Waldumbau“ behandelt das dritte Kapitel. Es betrachtet und belauscht den Borkenkäfer und seine Verwandten, die sich, wenn wir die Perspektive verändern, als Lehrmeister für den dringend gebotenen Umbau zu einem klimaresilienten Mischwald verstehen lassen. Das vierte Kapitel erkundet den „Wald von Nahem“. Es führt in den faszinierenden Mikrokosmos der Moose, Pilze und Flechten und in den unsichtbaren Unterwald. Die Nahsicht lässt die Komplexität von Ökosystemen erahnen. Das fünfte Kapitel der Ausstellung fragt, ob nicht nur Menschen, sondern auch Wälder Rechte haben. Rechte der Natur sind seit einigen Jahren in verschiedenen Verfassungen verankert worden. Ob ihre Anerkennung, die mit einer Pflicht zur Fürsorge für die Natur verbunden ist, einen Weg aus der Not der Wälder weist?

Mit künstlerischen Arbeiten u. a. von Rodrigo Arteaga, Nicholas Bussmann, Flechten, Anne Duk Hee Jordan, Markus Maeder, Antje Majewski, David Monacchi, Chris Shafe, Marieken Verheyen.

Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt Wissen über den Wald

Das Senckenberg Naturmuseum Frankfurt lädt zu einem außergewöhnlichen Waldspaziergang ein: Eine Wanderkarte leitet durch die Kapitel „Wälderwissen“, „Das ,Wir‘ und die Wälder“, „Leben und Sterben der Wälder“ sowie „Wälder modellieren“, die in der ersten und zweiten Etage des Museums – eingebettet in die Dauerausstellung – zu entdecken sind. Der Weg führt unter anderem zu einer indigenen Universität des Waldwissens im Amazonasgebiet, einem Protestcamp zum Waldsterben bis hin zu einem Kameraflug von den Wurzeln in die Wipfel eines virtuellen Urwalds. Erstaunliche wissenschaftliche Ergebnisse aus der Senckenberg-Forschung und zahlreiche Präparate von Waldbewohnern werden spannungsreich ergänzt durch Positionen des dänischen Künstlers Jakob Kudsk Steensen und der Schweizer Künstlerin Ursula Biemann, die in eine eindrucksvolle Bilderwelt ihrer eigenen Erforschung der Wälder einladen. Die Dresden Frankfurt Dance Company unter Leitung des Choreographen Ioannis Mandafounis setzt das Thema tänzerisch-performativ um. Die Performance lädt an zehn Mittwochabenden Besuchende dazu ein, sich gemeinsam auf eine Reise durch den Wald zu machen und sich darin zu verlaufen. Eindrückliches dokumentarisches Material zum Joseph Beuys Projekt „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ – das als erstes ökologisches Kunstwerk der Welt gilt und schon damals einen aktivistischen Ansatz hatte – sowie Plakate, historische Unterlagen und gesellschaftliche Zeitzeugnisse zum Lebenskreislauf von Wäldern eröffnen weitere Perspektiven. Wie ein zukünftiger Wald in 50 bis 100 Jahren aussehen könnte, veranschaulichen wissenschaftliche Modellierungen von Senckenberg-Forschenden.

Mit künstlerischen Arbeiten von Ursula Biemann, Dresden Frankfurt Dance Company unter Leitung des Choreographen Ioannis Mandafounis, Joseph Beuys Estate, Elisabeth Schultz, Jakob Kudsk Steensen.

Museum Sinclair-Haus Wälder der Künste

Im Museum Sinclair-Haus gehen die Besucherinnen und Besucher auf eine sinnliche Wald-Erkundungsreise: Die drei Ausstellungskapitel öffnen den Blick für neue Sichtweisen auf Natur in den Künsten der Romantik und der Gegenwart. Im Kapitel „In die Wälder!“ spricht das Zusammenspiel von Texten aus der Romantik und zeitgenössischen Kunstwerken wie bei einem Waldbesuch unterschiedliche Sinne an. Die Arbeit „One Tree ID“ von Agnes Meyer-Brandis etwa basiert auf der Tatsache, dass Pflanzen „Volatile Organic Compounds“ (VOCs) emittieren und damit kommunizieren. „One Tree ID“ verdichtet die DuftIdentität eines bestimmten Baumes zu einem komplexen Parfüm, das Besuchende benutzen können, um als Mensch möglicherweise an der Pflanzenkommunikation teilhaben zu können. Das zweite Kapitel „Erdlebenbilder“ (dieser romantische Begriff sollte klarstellen, dass es der Landschaftsmalerei der Zeit um mehr ging als Natur darzustellen) zeigt Waldbilder in den Medien Zeichnung, Malerei, Fotografie, Musik und Datenvisualisierung. Sie erzählen davon, wie faszinierend Wälder auf Menschen wirken, wie (bild-)gewaltig und zugleich zerbrechlich diese vielschichtigen Ökosysteme sind. Das dritte und letzte Ausstellungskapitel „Waldangst – Waldlust“ lockt in den Wald als Ort des Schauderns. Das Kapitel hat zwei Teile: Im ersten führen Märchen, Bilder und Objekte aus der Kunst und Populärkultur auf die Spuren menschlicher Urängste. Der zweite Teil dieses Kapitels dreht den Blick um: Hier steht die Sorge um die Zukunft der Wälder im Mittelpunkt – und die Frage, was trösten und Hoffnung schenken kann. Was können wir von der Romantik für unsere heutigen Beziehungen zu Wäldern lernen?

Mit künstlerischen Arbeiten u. a. von Yann Arthus-Bertrand, Julius von Bismarck, Carl Blechen, August Cappelen, Ellie Davies, Heinrich Dreber, Jasper Goodall, Wilhelm Klein, Carl Friedrich Lessing, Agnes MeyerBrandis, Beth Moon, Loredana Nemes, Mariele Neudecker, Katina Vasileva Peeva, Friedrich Preller, Sophie Reuter, Abel Rodríguez, Johann Wilhelm Schirmer, Rasa Smite & Raitis Smits, Thomas Struth, Thomas Wrede, Zheng Bo.

Neues „Hessen macht Zukunft“-Festival bringt frischen Wind in die Unternehmensnachfolge

Hessen macht Zukunft - Begrüßung der Gäste. © Foto Diether von Goddenthow
Hessen macht Zukunft – Begrüßung der Gäste. © Foto Diether von Goddenthow

Die Gründung eines Unternehmens ist eine große Herausforderung, bei der innovative Ideen, unternehmerisches Talent und vor allem finanzielle Mittel entscheidend sind. Doch es gibt einen anderen Weg zum eigenen Unternehmen: Unternehmensnachfolge. Genau diesem Thema widmete sich gestern das neue Festival „Hessen macht Zukunft“, das auf dem Campus der Hochschule Fresenius in Wiesbaden stattfand. Über 160 Interessierte wollten ein Teil der neuen hessischen Nachfolge-Community sein.

Der Hausherr Prof. Dr. Dennis Lotter, Professor für Unternehmertum und Leiter der PioneerLab Entrepreneur Academy an der Hochschule Fresenius war begeistert, dass gerade viele junge Menschen gekommen sind und Interesse an dem Thema haben. Es muss ein Element der Ausbildung werden, um gut gerüstet die Herausforderungen einer Nachfolge meistern zu können. Denn „bei der Nachfolge betritt ein neuer Kapitän die Bühne ohne Probezeit. Daran wachsen und reifen Unternehmerpersönlichkeiten wesentlich schneller als bei Trockenübungen“, sagte Lotter.

Unter dem Motto „Home of Nachfolge“ und warum der Weg einer Nachfolge eine echte Alternative zur klassischen Neugründung ist, präsentierte sich „Hessen macht Zukunft“ als lockeres Festival für junge Menschen. Es ist ein neues Format, das mit alten Klischees aufräumt und frische Impulse für die Unternehmensnachfolge setzt. Es bot eine im wahrsten Sinne „bewegende“ Plattformen für spannende Nachfolgegeschichten, inspirierende Pitches, viele Vernetzungsmöglichkeiten und auch einen Austausch auf der „Blauen Bank“.

Experten aus dem Bereich Politik, Bank und Wirtschaft nahmen Platz und diskutierten über neue Wege und Chancen. Dr. Mandy Pastohr vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum betonte die Bedeutung des Themas für den Wirtschaftsstandort Hessen. Laut Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn stünden allein in Hessen in den Jahren 2022-2026 rund 14.600 Unternehmen für eine Übergabe an. „Mit Blick auf diese Dimension ist es uns wichtig, dass Gründerinnen und Gründer neben der Umsetzung eigener Ideen auch die Übernahme eines existierenden Unternehmens als echte Alternative und Möglichkeit sehen, unternehmerisch aktiv zu werden. Deswegen engagiert sich das Land Hessen auch sehr fokussiert in diesem Bereich, indem es beispielsweise den Tag der Nachfolge und das HMZ-Festival fördert. Nicht zuletzt geht es darum, etablierte Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen und die große Anzahl der damit verbundenen Arbeitsplätze zu sichern“, so Mandy Pastohr.

Experten-Talk bei der Veranstaltung "Hessen macht Zukunft". © Foto Diether von Goddenthow
Experten-Talk bei der Veranstaltung „Hessen macht Zukunft“. © Foto Diether von Goddenthow

Aus Finanzierungssicht betonte Sven Volkert, Geschäftsführer der Bürgschaftsbank Hessen, dass „Nachfolge oft besser ist als Neugründung, da bereits ein funktionierendes Geschäftsmodell vorhanden ist. So ist es für Hausbanken und auch Sicherheitsgeber leichter die Finanzierung durch Kredite und Bürgschaften zu begleiten. Und für Nachfolgerinnen und Nachfolger besteht neben dem belegten Geschäftsmodell ein riesiger Vorteil darin liegt, dass auch Mitarbeiter i.d.R. übernommen werden, was gerade in Zeiten von Fachkräftemangel immer bedeutsamer ist.“

Das bestätigte auch Maximillian Rübner, Gewerbekundenbetreuer der Taunus Sparkasse. Er unterstrich die Wichtigkeit des Austauschs gleich zu Beginn des Nachfolgeprozesses. Es ist das Wertvollste ein bestehendes, gut funktionierendes Netzwerk durch die Unternehmensnachfolge und vorhandenes Know-how (Kompetenzen) zu gewinnen. Kombiniert mit neuen Ideen und Impulsen schafft man eine unschlagbare Synergie.“

„Eine gründliche, breit aufgestellte Vorbereitung ist wichtig“ rät Katja Harder de Farfan, Leiterin Digitales, Technologietransfer und Startups von HESSENMETALL. Gemeinsam mit Isabelle Himbert, Geschäftsführerin und selbst Nachfolgerin von Arno Arnold, möchte sie Türen öffnen und so die Welten zwischen Mitgliedsunternehmen und Gründer:innen verbinden. Dabei betonte sie: „Unternehmensnachfolge ist immer eine Herausforderung für alle Seiten, aber es ergeben sich auch viele gute Chancen in der Zusammenarbeit mit jungen Gründungsinteressierten“. Und Isabelle Himbert ergänzt: „Im besten Fall endet der Prozess in einer erfolgreichen Nachfolge und der Fortführung des Unternehmens mit frischen, innovativen Ideen.“

Diese Expertenstimmen verdeutlichen die Vielschichtigkeit des Themas und zeigen die Bedeutung einer größeren Sichtbarkeit, Offenheit und Vernetzung zwischen den Abgebern und Nachfolgern.

Natürlich durften beim Festival praktische Beispiele nicht fehlen. So stellte sich unter anderem Zukunftsmacher Daniel Peplau von Landwehr + Schultz Trafo als erfolgreiche Nachfolgestory vor. Der Gewinner des Hessischen Gründerpreises 2023 in der Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolge“ brennt für das Thema Unternehmensnachfolge. Er hat sich dafür entschieden, „denn um den Unterschied in unserem Land zu machen und Veränderung zu bewegen, muss man Verantwortung übernehmen und ins Tun kommen“, so Peplau. Daher war die Nachfolge für ihn ein Weg ins Unternehmertum und in die Verantwortung. Wie erfolgreich dieser Weg ist, zeigt sich darin, dass er bereits mit L+S eine weitere Marke im Human Centric Light Bereich übernommen hat und dies ausbaut mit Handelspartnern.

„Das ‚Hessen macht Zukunft‘-Festival war ein großer Erfolg und hat gezeigt, dass Unternehmensnachfolge inspirierend sein kann“, sagte Dirk Lünzer, Geschäftsführer der KIZ SINNOVA gGmbH, der das Thema in den letzten Monaten mit großer Leidenschaft vorangetrieben hat. „Wir freuen uns darauf, auch in Zukunft neue Impulse für die Unternehmensnachfolge in Hessen zu setzen, Angebote zu bündeln und junge Menschen auf ihrem Weg dafür zu sensibilisieren.“

Über „Hessen macht Zukunft“

„Hessen macht Zukunft“ ist eine Initiative zur Förderung der Unternehmensnachfolge in Hessen. Ihr Ziel ist es, die Bedeutung von Nachfolgelösungen zu stärken, Arbeitsplätze zu sichern und die Wirtschaftskraft in der Region zu erhalten.

„Tod und Teufel – Faszination des Horrors“ vom 1.März bis 2. Juni 2024 im Landesmuseum Darmstadt

Die Ausstellung "Tod und Teufel. Faszination des Horror" vom 1.März bis 2.Juni 2024 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt zeigt mit Meisterwerken vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert den Ursprung der Darstellung des Grauens in Kunst und Kulturgeschichte. Arnold Böcklins "Charon", 1876, zeigt den greisen Fährmann, der die Toten mit einem Bott in die Unterwelt bringt. © Foto Diether von Goddenthow
Die Ausstellung „Tod und Teufel. Faszination des Horror“ vom 1.März bis 2.Juni 2024 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt zeigt mit Meisterwerken vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert den Ursprung der Darstellung des Grauens in Kunst und Kulturgeschichte. Arnold Böcklins „Charon“, 1876, zeigt den greisen Fährmann, der die Toten mit einem Boot in die Unterwelt bringt. © Foto Diether von Goddenthow

Gruseln hat Tradition. Die Faszination des Horrors ist  Teil der Kulturgeschichte des Menschen von Anfang an und war immer auch schon Thema künstlerischer Auseinandersetzung, sagt  Dr. Martin Faass, Direktor des Hessischen Landesmuseums Darmstadt, welches sich vom 1. März bis 2. Juni 2024 in der neuen Ausstellung „Tod und Teufel. Die Faszination des Horrors“ der Geschichte des Schreckens widmet. Auf 480 qm zeigen über 100 Meisterwerke vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert  den Ursprung der Darstellung des Grauens in Kunst und Kulturgeschichte bis zur heutigen Goth- Szene.  Die Schau entstand in Kooperation mit dem Museum Kunstpalast Düsseldorf.

Ob die Gorgonen in der griechischen Mythologie, die apokalyptischen Reiter im Neuen Testament, die Totentänze der Knochenmänner des Mittelalters oder die Todessehnsüchte in der schwarzen Romantik  – all diese Epochen erzählen von Endzeitangst und Grusellust. Insbesondere in Zeiten von Kriegen,  Hungersnöten oder Epidemien wie der Pest und Cholera war der Tod realer täglicher Begleiter:   „Memento mori“,  „Sei dir stets deiner Sterblichkeit bewusst!“ Bilder vom bevorstehenden Weltuntergang und drohender ewiger Verdamnis mahnten insbesondere das Christenvolk zu einem gottesfürchtigeren Leben.

Impression der Ausstellung "Tod und Teufel - Faszination des Horrors" vom 1. März bis 2. Juni 2024 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, im Vordergrund eine  Arbeit von Mary Audres Ramirez . © Foto Diether von Goddenthow
Impression der Ausstellung „Tod und Teufel – Faszination des Horrors“ vom 1. März bis 2. Juni 2024 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, im Vordergrund eine Arbeit von Mary Audres Ramirez . © Foto Diether von Goddenthow

Mit  der Aufklärung und der sich im 18. Jahrhundert anschließenden Romantik als Gegenbewegung zur säkularen Welt der reinen Vernunft, veränderten sich die  vor allem  christlich-mittelalterlich geprägten Schreckens-Vorstellungen von Tod und Teufel. In der säkularisierten gottesferneren  Welt  hatten unerklärliche  Erscheinungen, Aberglauben, Naturphänomene, spiritistische Sitzungen, Satanismus, Geister- und Monstergeschichten,  sowie sentimentale, melancholische Gemütszustände, Grenzerfahrungen  und Todessehnsüchte  wachsende Konjunktur.  Infolge dieser  schwarzen Romantik in Literatur und Kunst  entstanden  zu  Beginn des 20. Jahrhunderts regelrechte Gruselkabinette bis hin zu blutrünstigen Shows in Gruseltheatern wie dem Grand Guignol in Paris. Diese befeuerten und stillten zugleich die wachsende Lust am Schaudern. Heutige Geisterbahnen sind noch Relikte aus jener Zeit. Mit der Erfindung des Films  entwickelten erste Horrorfilme die bizarren Hauptfiguren und düsteren Handlungsstränge  spannungsgeladener und schauriger visualisierter Erzählkunst.

Horror – ungewöhnliches  für eine Museum?

Impression der Ausstellung "Tod und Teufel. Faszination des Horrors" vom 1.März bis 2.Juni 2024 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt. © Foto Diether von Goddenthow
Impression der Ausstellung „Tod und Teufel. Faszination des Horrors“ vom 1.März bis 2.Juni 2024 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt. © Foto Diether von Goddenthow

Für eine Kulturinstitution wie ein Museum sei es ein ungewöhnliches Thema. Doch „es war mir wichtig, eben dieses Vorurteil, Horror sei oberflächlich und abgedroschen, aufzubrechen, um die Wertigkeit, die wirkliche Tiefe und  Vielfalt sowie die Allgegenwärtigkeit des Horrors in unserer Kultur zu zeigen“, erläutert die in USA geborene Kunsthistorikerin und Kuratorin Westrey Page vom Kunstpalast ihre Intention zu dieser „Horror-Show“. Gemeinsam mit Co-Kurator Dr. Oliver Sandrock vom Landesmuseum Darmstadt hat Page eine kompakte Darmstädter Version mit den BestOff- Stücken der zuvor in Düsseldorf gezeigten Ausstellung entwickelt. Es sei „ein Potpourri mit vielen Impressionen von Malerei, Skulpturen, Fotografie, Werbung bis hin zu Installationen, also für jeden Geschmack etwas dabei. Das mache diese Ausstellung so charmant“, freut sich Dr. Oliver Sandrock. „Wir definieren Horror“, denn es „waren Menschen, die dem Teufel eine Gestalt gegeben haben.“,  Man glaube heutzutage nicht mehr an den Teufel, weil man wisse:  „Das wahre Böse sind wir!“

Ausstellungs-Schwerpunkt Goth- u. Popkultur

Der Schwerpunkt der Ausstellung, so Page, liege  auf den aktuellen Motiven unserer Zeit mit Arbeiten der letzten zwanzig Jahre von Künstlern wie Alexander McQueen, den Chapman Brothers, Billie Eilish, Lars von Trier, Berlinde de Bruyckere, Mary Sibande und vielen anderen. Death Metal und die blutgefüllten Turnschuhe von MSCHF treffen auf Beiträge von Andres Serrano und Eliza Douglas. Sie alle rufen mit ihren Werken ambivalente Gefühle von Angst, Unbehagen, aber auch stimulierende Begeisterung mit kommerziellem sowie identitätsstiftendem Potential hervor, wie die rasante Entwicklung der monsteraffizierten Goth-Bewegung zeigt.

Prolog – Horror und Schaudern in der  Kunstgeschichte

(v.r.n.li.) Kuratorin Westrey Page vom Museum Kunstpalast, hatte die Idee zu dieser zunächst in Düsseldorf gezeigten Schau. Gemeinsam mit Co-Kurator Dr. Oliver Sandrock (nebenstehend ) hat sie mit den BestOff-Werken  aus Düsseldorf die Darmstädter Schau "Tod und Teufel - Faszination des Horrors"entwickelt. Links Dr. Martin Faass, Museumsdirektor,. Hintergrund: Die "Hölle" von Friedrich Wilhelm von Schadow u. seinen Schülern, 1848-1852. © Foto Diether von Goddenthow
(v.r.n.li.) Kuratorin Westrey Page vom Museum Kunstpalast, hatte die Idee zu dieser zunächst in Düsseldorf gezeigten Schau. Gemeinsam mit Co-Kurator Dr. Oliver Sandrock (nebenstehend ) hat sie mit den BestOff-Werken aus Düsseldorf die Darmstädter Schau „Tod und Teufel – Faszination des Horrors“entwickelt. Links Dr. Martin Faass, Museumsdirektor,. Hintergrund: Die „Hölle“ von Friedrich Wilhelm von Schadow u. seinen Schülern, 1848-1852. © Foto Diether von Goddenthow

Der Prolog, der erste Teil der Ausstellung, mit dem Titel „Die Schönheit der Finsternis“, sei ihr  sehr wichtig, so Page, um  die Wurzeln der künstlerischen Auseinandersetzung mit Horror und Schaudern in der älteren Kunstgeschichte zu zeigen. Gemälde und Stiche von Albrecht Dürer, Wilhelm von Schadow, Johann Heinrich Füssli, Max Klinger, Arnold Böcklin, Baldung Griens und anderen bekannten Künstlern sowie ein reichlich verzierter historischer Sarg, eine Totenmaske, Totentanz-Figuren sowie die auf ihre Opfer lauernden expressiven Gestalten der ersten Horrorfilme zu Beginn des 20. Jahrhunderts  führen die Besucher ins Thema ein und zeigen die künstlerischer Herkunft vieler Horror- und Gruselmotive moderner  Goth- und  Metal-Kultur.

 Friedrich Wilhelm von Schadow und Schüler Ausschnitt aus "Hölle" 1848 - 1852 © Foto Diether von Goddenthow
Friedrich Wilhelm von Schadow und Schüler Ausschnitt aus „Hölle“ 1848 – 1852 © Foto Diether von Goddenthow

Empfangen werden die Besucher vom Teufel in Friedrich Wilhelm von Schadows  Werk „Hölle“. Es handelt sich hierbei um eine der monumentalen Tafeln seines letztem Hauptwerkes „Purgatorium – Paradies – Hölle“ (1848 – 1852), das er – im gerade von den Preußen annektiertem Rheinland –  für den Neubau des Landgerichts Düsseldorf anfertigen sollte. Da seine Kräfte nachließen, vollendeten das Bild seine Schüler.  Von Schadows Höllenfürst erscheint hier  nicht wie in den gängigen Satansdarstellungen seiner Zeit als verschlagener vollhaariger Dämon mit Hufen. Sein Höllenfürst  schaut erhaben, beinahe heroisch, an Helden erinnernd. Er ist so ganz  anders als in  Dantes Alighieris Göttlicher Komödie, von Schadows  literarischer Vorlage zu diesem Werk.

"Danse Macabre" - Aus der Figurenfolge des Zizenhausner Totentanz, nach einer 60 Meter langen Friedhofs-Darstellung von 1440. Hier tanzt der Tod mit der Kaiserin, ein anderes Mal mit dem Papst. Der Tod ist respektlos und kümmert sich nicht um Rang und Titel, er holt jeden. © Foto Diether von Goddenthow
„Danse Macabre“ – Aus der Figurenfolge des Zizenhausner Totentanz, nach einer 60 Meter langen Friedhofs-Darstellung von 1440. Hier tanzt der Tod mit der Kaiserin, ein anderes Mal mit dem Papst. Der Tod ist respektlos und kümmert sich nicht um Rang und Titel, er holt jeden. © Foto Diether von Goddenthow

Gleich zu Beginn, linkerhand in einer kleinen länglichen Wandvitrine zu sehen,  wartet die Ausstellung mit einem besonderen Highlight spätmittelalterlicher Todesvorstellungen auf,  mit  Anton Sohns farbigen „Terrakotta-Figurenfolge „Zizenhausener Totentanz – Kaiserin, Narr, Papst und Dame“. Die um 1822 entstandenen vier Figurenpaare gehen zurück auf eine 60 Meter lange – auch als „Danse Macabre“ bekannte – Bemalung einer  Baseler Friedhofsmauer von 1440.  Sie zählt zu einer den einflussreichsten Darstellungen des Totentanzes. Matthäus Merian d.Ä. hatte dieses allmählich bröckelnde Friedhofsgemälde in einem  Kupferstich gesichert. Nach dieser Vorlage hat Anton Sohn vor gut 200 Jahren diese Figuren modellierte. Sie symbolisieren den Tod als  großen gesellschaftlichen „Gleichmacher“, der – ohne Ansehen auf  Rang und Titel – jeden früher oder später  umarmt. Hier tanzt der Knochenmann  mit Kaiserin,  Narr, Papst und Dame.

Ausschnitt aus Albrecht Dürers Kupferstich "Das Sonnenweib und der siebenköpfige Drache", 1498. Das Blatt aus Dürers Apokalypse zeigt den Kampf zwischen Gut und Böse, hier als Drache figuriert. © Foto Diether von Goddenthow
Ausschnitt aus Albrecht Dürers Kupferstich „Das Sonnenweib und der siebenköpfige Drache“, 1498. Das Blatt aus Dürers Apokalypse zeigt den Kampf zwischen Gut und Böse, hier als Drache figuriert. © Foto Diether von Goddenthow

Eine Fülle makabrer Darstellungen früherer Zeiten finden Besucher auch auf den zahlreichen historischen  Stichen,  beispielsweis bei Albrecht Dürer,  in seinen  apokalyptischen Darstellungen von 1498: „Michaels Kampf mit dem Drachen“ und „Das Sonnenweib mit dem siebenköpfigen Drachen“. Mit solcherart Motiven wurden einst  die Menschen angesichts des  nahenden Weltunterganges  zu mehr Gottesfürchtigkeit  ermahnt, um eventuell einer ewigen Verdammnis zu entgehen. Auch vertreten  ist Dürers berühmter Kupferstich „Der Reiter – Tod und Teufel“ von 1513. Der Werk zeigt einen einsamen Ritter auf steinigem Weg, nur begleitet von den zwei unheimlichen Gestalten Tod und  Teufel.

Max Klinger: Der Tod als Pflasterer. Opus III, Blatt 6: Eva und die Zukunft, Dritte Zukunft. Radierung 1889. © Foto Diether von Goddenthow
Max Klinger: Der Tod als Pflasterer. Opus III, Blatt 6: Eva und die Zukunft, Dritte Zukunft. Radierung 1889. © Foto Diether von Goddenthow

Hans Baldung Griens Holzschnitt greift mit  „Hexensabbat“ 1510 ein allseits beliebtes Thema aus dem Spektrum der  Hexenverfolgung auf. Gezeigt wird die Umkehrung einer heiligen Messe,  eine  Versammlung nackter Hexen, umgeben von Menschen- und Tierknochen, die den Teufel verehren. Mit derartigen Schmäh-Bildern wurde in der Bevölkerung entsprechend Stimmung gemacht.

Ganz im Stile der Schwarzen Romantik lässt Max Klingers Stich „Der Tod als Pflasterer“ (1889)  breitbeinig ein Skelett über den Köpfen der Menschen stehen und erbarmungslos eine Ramme auf ihre Schädel niedersausen. Haut und Haare sind verzerrt. Und aus den zermatschten Menschenhirnen steigt Rauch (ihre Seelen) gen Himmel.  In „Die Cholera“ von Arnold Böcklins  um 1876, metzelt der auf einem ungeheuerlichen Drachenwesen reitende Tod die Menschen mit einer Sense nieder.

In dieser Zeit hatte auch  der schweizerisch-englische Maler Johann Heinrich Füssli, Meister der Darstellung psychischer Abgründe, Hochkonjunktur. Er ist in der Ausstellung vertreten mit dem bösartig-voyeuristischem Grusel-Gemälde „Wolfram beobachtet seine Gemahlin in der Kerkerzelle“ (1812/20). Die Szene handelt von  Wolframs bestialischer Rache an seiner Ehefrau für ihren Seitensprung. Der zutiefst gekränkte Wolfram ermordete zunächst ihren Geliebten und  anschließend sperrte er seine treulose Frau mit  der Leiche ihres Liebhabers ein, dargestellt, wie  sie  sein Skelett umarmt.

Anfänge des Horrorfilms

Eine Szene des laufenden Horrorfilms "Dr. Caligari" von Robert Wiene. Sein expressionistischer Horrorfilm hat starke surreale Züge. Er handelt von zwei Männern, die sich in einer Irrenanstalt die Geschichte eines Schlafwandlers erzählen, der von dem zwielichtigen Dr. Caligari auf dem Jahrmarkt vorgeführt wird. Nachts verübt dieser anscheinend  unbewusst grausame Morde. Ein Spiel zwischen Illusion und Wahrheit, lässt offen, wer Täter und wer wahnsinnig ist. © Foto Diether von Goddenthow
Eine Szene des laufenden Horrorfilms „Dr. Caligari“ von Robert Wiene. Sein expressionistischer Horrorfilm hat starke surreale Züge. Er handelt von zwei Männern, die sich in einer Irrenanstalt die Geschichte eines Schlafwandlers erzählen, der von dem zwielichtigen Dr. Caligari auf dem Jahrmarkt vorgeführt wird. Nachts verübt dieser anscheinend unbewusst grausame Morde. Ein Spiel zwischen Illusion und Wahrheit, lässt offen, wer Täter und wer wahnsinnig ist. © Foto Diether von Goddenthow

Einen Übergang zu den neuzeitlichen Ausstellungsabschnitten bildet der Videoinstallationsbereich über die Entstehung des  Horrorfilms. Zu Beginn des Mediums drehte der Franzose George Méliès 1896 den ersten Horrorfilm „Das Schloss des Teufels“. Entscheidend für die Entwicklung des Horrors im Kino waren aber die 1920er Jahre, etwa mit dem Film „Das Kabinett des Dr. Caligari“ (1920). In diesem  meisterhaften ersten Psychothriller überhaupt, geht es um Wahrnehmungstäuschungen, kognitive Verzerrungen, Traumwelten und  krankhafte Geisteszustände, wobei nicht aufgelöst wird, wer nun irre und wer „normal“ ist.  Als  weiterer Meilenstein des Horror-Genres gilt  „Nosferatu“ von Friedrich Wilhelm Murnau. Es ist der  erste Draculafilm, basierend Bram Stokers Roman. Dieser Film war vor allem durch seine äußerst gespenstische Hauptfigur bahnbrechend für die weitere Entwicklung dieses Genre.

Aus Monstern wurden Sympathieträger des modernen Horrors

Im Ausstellungsbereich "Identität und Widerstand" geht es um Goth-Mode und -Design. Hier strahlt den Besuchern meterhoch  der schon ein wenig furchteinflößende "Zombi-Boy" entgegen, dessen "Ganzkörpertätowierung", so Kuratorin Page, "die Ästhetik einer verwesenden Leiche verkörpere". Linker Hand eine interessante Kollektion von Goth-Mode, rechts finden Besucher Vitrinen mit besonderen abschreckenden Accessoirs, bis hin zur Barbie-Horrorpuppen für's Kinderzimmer. © Foto Diether von Goddenthow
Im Ausstellungsbereich „Identität und Widerstand“ geht es um Goth-Mode und -Design. Hier strahlt den Besuchern meterhoch der schon ein wenig furchteinflößende „Zombi-Boy“ entgegen, dessen „Ganzkörpertätowierung“, so Kuratorin Page, „die Ästhetik einer verwesenden Leiche verkörpere“. Linker Hand eine interessante Kollektion von Goth-Mode, rechts finden Besucher Vitrinen mit besonderen abschreckenden Accessoirs, bis hin zur Barbie-Horrorpuppen für’s Kinderzimmer. © Foto Diether von Goddenthow

Westrey Page sieht zwischen den „Bildern“ des Horrors der Vergangenheit und Gegenwart einen gravierenden Unterschied: Während die Teufel und Dämonen von einst überwiegend fiese und  wenig sympathische Figuren waren, wäre es heutzutage genau umgekehrt: „In unserer Zeit sind es genau diese Outsider, die Monster, die  Sympathieträger sind, weil sie eben diese besondere Individualität des selbst-ermächtigten Andersseins ausstrahlten.“  Rick Genest, auch „Zombie Boy“ genannt, gehört wohl zur Gruppe der sympathischen Antihelden, beziehungsweise zu den „Außenseitern“, die Standpunkte außerhalb der Norm verkörpern, was sie attraktiv erscheinen lässt. Raumhoch erschaudert  Ricks furchteinflößende  Erscheinung  „Normalos“ im Raum der Moderne des Horrors mit dem Titel „Widerstand und Identität“. Rick war ein kanadischer Performer und Künstler, auf dessen gesamten Körper ein Skelett tätowiert war.

Die Kuratorin Westrey Page erläutert Mode und Design der 1980 in England entstandenen Goth-Kultur. © Foto Diether von Goddenthow
Die Kuratorin Westrey Page erläutert Mode und Design der 1980 in England entstandenen Goth-Kultur. © Foto Diether von Goddenthow

Diese  „Ganzkörpertätowierung“, so die Kuratorin, „verkörpere die Ästhetik einer verwesenden Leiche“.   2011 entdeckte  Lady Gaga Rick als „Zombie Boy“für ihr Musikvideo Bron This Way. Im selben Jahr machte das Modelabel Mugler „Zombie Boy“ zum Gesicht der Werbekampagne, was einmal mehr zeigt das große Interesse der  Mainstream-Kultur an einer dunklen, alternativen Ästhetik, aber auch an  der Inspiration, die viele aus Zombie-Boys Überzeugung zogen: „Normalität ist eine Illusion“.

Drei weitere Portäts von  Outside- Sympathieträgern der Goth-Kultur, aufgenommen beim Goth-Treffen in Leipzig, strahlen links von Rick Besuchern entgegen.

Die morbide Mode der Gothic-Szene

Ein blau-graues Gewand für moderen "Hexen" von der japanischen Designerin Comes des Barcons, 2016 präsentiert durch Modells mit rotgefärbten Haaren, die zu einer nach oben zeigenden Spitze gezirbelt waren und gruftigen Charme versprühten.  © Foto Diether von Goddenthow
Ein blau-graues Gewand für moderen „Hexen“ von der japanischen Designerin Comes des Barcons, 2016 präsentiert durch Modells mit rotgefärbten Haaren, die zu einer nach oben zeigenden Spitze gezirbelt waren und gruftigen Charme versprühten. © Foto Diether von Goddenthow

In einer Langvitrine verbreitet eine   Goth-Kleiderkollektion  den düster-schwarzen  Dresscode-Charme einer ganzen Szene. Gerade in Gesellschaften, die Vernunft, Zurückhaltung und lebensbejahende Einstellungen fördern, gelten theatralische, übermäßige und makabre Kleidungselemente als rebellisch und identitätsstiftend. Die aus dem konservativen England 1980 hervorgehende Goth-Szene legte den Grundstein für eine Ästhetik des Grauens. Diese Subkultur, so Page, hat eben den gängigen Schönheitswahn abgelehnt, um eine Ästhetik zu behaupten, die eben exzessiv, künstlich und morbide war. Diese war  beeinflusst von  der gotischen Literatur und der viktorianischen Trauerkultur. Schwarze Kleidung, blasses Make-up sowie morbide Themen sind bis heute ihr Markenzeichen, erläutert die Kuratorin am Beispiel von Commes des Garcons Hexen-Look 14, aus der Frühjahrskollektion 2016. In Blau- und Grautönen habe sich die japanische Designerin des Hexenthemas angenommen.  Hexe seien für des Garcons  Frauen mit Macht, die aufgrund ihres Andersseins – vor allem in der Neuzeit – missverstanden und verfolgt wurden.  Sie habe sich den Monsterfiguren Hexe angenommen, weil diese ähnlich wie Zombies und Vampire, die ihr Anderssein lebten,  eigentlich  Empowering- Figuren seien, erläutert die Kuratorin.

Schwarze Kleidung und blasses Make-up,  Markenzeichen der Goth-Ikonen, werden erweitert um Elemente aus Fantasy, Pop und Sportswear. Im Gegenzug halten Anregungen aus der Goth-Subkultur in die High Fashion Einzug: Alexander McQueen hat seine Kollektionen mit Narrativen von Trauma und Mysterium angereichert, Rick Owens und Rei Kawakubo haben die klassische Silhouette mit fremden, fast monströsen Anhängseln versehen und John Galliano sowie Jean Paul Gaultier haben den dunklen Glamour historischer Designs zum Vorschein gebracht. Junge (Mode-)Designer wie MSCHF, Fantich & Young und Thom Browne finden in der Auseinandersetzung mit der Bildwelt des Horrors neue Wege, um zu rebellieren. Die Ablehnung von gängigen ästhetischen Normen ist  zum Mainstream geworden.

Gegenüber der Grufti-Bekleidungs-Vitrine sind die  Accessoires einiger der genannten Designer zu besichtigen. Besonders hervorhebenswert sind vielleicht zwei bizarre Schmuckstücke von McQueen, der den stilisierten Totenkopf zu seinem Markenzeichen erkor.

Eine "Damen"halskette mit Totenkopf vom Goth-Designer McQueen. Er wolle, so die Legende, dass andere vor Frauen Angst bekommen.  © Foto Diether von Goddenthow
Eine „Damen“halskette mit Totenkopf vom Goth-Designer McQueen. Er wolle, so die Legende, dass andere vor Frauen Angst bekommen. © Foto Diether von Goddenthow

McQueen habe wohl mal gesagt, so Page, dass er mit seiner Totenkopf-Halskette für Frauen  wollte, „dass Menschen Angst vor den Frauen haben, die er kleidet“.  Und eine Person, die Angst verursachen kann, habe Macht. Dieser Aspekt gehört zur   Monsterdynamik, dass sich  Menschen durch  Anlegen von Monster-Accessoirs  sichtbarer machen und zum Anderssein selbst ermächtigen können. McQueen hilft ihnen  mit seinen speziellen Asseccoires, sich als Outsider von der normativen Gesellschaft besser abgrenzen  und hieraus identitätsstiftende Kraft schöpfen zu können.

Einmal vom jährlichen Halloween-Trubel abgesehen, reicht die Angebotspalette alltäglichen „Monster-“ und „Grusel-Designs“  bis hin zum Spielzeug für den Monster-Nachwuchs. Die Kleinen können mit  Barbie-ähnlichen Puppen wie  „Draculara“  oder   „Frankie Stein“ aus der Monster-High-Serie von Mattel spielen. Diese Figruen verkörpern Nachkommen von bekannten Ungeheuern wie Dracula und Frankenstein oder von Mumien und Werwölfen. Als Inspirationen dienten den Spielzeugherstellern vor allem Horrorfilme und Gruselliteratur. Diese Spielzeugkollektionen mit Gruseleffekt wurden zu Verkaufshits, getreu dem Motto:  „Sei du selbst, sei einzigartig, werde ein Monster und fange so früh, wie möglich damit an!“.

Musik der Goth-Kultur

Musik - Überblick der einschlägigen Band und Genres in  der  Ausstellung "Tod und Teufel. Faszination des Horror" vom 1.März bis 2.Juni 2024 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt. © Foto Diether von Goddenthow
Musik – Überblick der einschlägigen Bands und Genres in der Ausstellung „Tod und Teufel. Faszination des Horror“ vom 1.März bis 2.Juni 2024 im Hessischen Landesmuseum Darmstadt. © Foto Diether von Goddenthow

Der dritte Ausstellungsabschnitt „Subversion und Macht“ gibt anhand einer recht vollständigen Zusammenstellung von Schallplattenhüllen  Einblicke darüber, wie ab dem späten 20. Jahrhundert verschiedene Musikgenres die unterschiedlichsten  Motive und Aspekte des Horrors  als grundlegende Stilelemente ihrer Musik verwendeten. Die wichtigsten Bands der Geschichte des Metal und der Gothic-Musik sind vertreten. Während Metal und Rock, die einst mit Tod und Goth-Kultur assoziiert wurden, Elemente aus Pop und Hip-Hop übernehmen, verleihen sich Hiphop Künstler wie Lil Nas X und Sängerin Billie Eilish durch die Verwendung einer Ästhetik des Schreckens ein neues Image. Die prägenden Cover-Darstellungen, unter anderem  von Don Bräutigam (Metallica), Larry Carrel (Slayer), Derek Riggs (Iron Malden) und Michael Whelan (Sepultura), dominieren weiterhin den Bildkanon der Covergestaltung mit: mysteriösen Landschaften, Fabelwesen, dunklem Mittelalter, Blut und esoterischen Symbolen.

Gruselige Filme 

Im 21. Jahrhundert haben Filmemacher neue Strategien und Inhalte entwickelt, die zu einer Konjunktur des Horrors führen, in der sich die strengen Grenzen zugunsten einer neuen Vielfalt des Genres auflösen. Die Kuratorin Westrey  erläutert die Vielfalt des Horrorfilm-Genres. © Foto Diether von Goddenthow
Im 21. Jahrhundert haben Filmemacher neue Strategien und
Inhalte entwickelt, die zu einer Konjunktur des Horrors führen, in der sich die strengen Grenzen zugunsten einer neuen Vielfalt des Genres auflösen. Die Kuratorin Westrey erläutert die Vielfalt des Horrorfilm-Genres. © Foto Diether von Goddenthow

Der nächste Ausstellungs-Abschnitt baut auf, an die im Prolog thematisierte cineastische Entwicklung des Horrorfilms à la „Dr. Caligari“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts. An einer an Leuchtreklame erinnernden Wand sind die Plakate legendärer Grusel- und Horrorfilme versammelt wie etwa  „Tanz der Vampire“, „Rosemaries Baby„,  „Der Exorzist“,. „Basic Instinct“, „The Shining“ oder „Das Schweigen der Lämmer“. Auch Zombies wie in Serien a la »The Walking Dead« haben ihren Platz gefunden. Mehr als Hintergrundfolie gedacht, wollen sie den Menschen in überhöhter Weise ein wenig augenzwinkernd den Spiegel der  “ Bestie in ihnen“ vorhalten.
Im Bereich Film, so die Kuratorin, gäbe es sehr viele unterschiedliche Interpretationen von Monstern, nicht nur die schaurigen Figuren, sondern auch sexy  Figuren, wie etwa aus der Twilight-Serie (Biss zum Morgengrauen). Aber es gäbe auch Francis Dracula und Vampire, die durchaus witzig  sein könnten wie etwa in „What We Do in the Shadows“, eine Serie, die eine WG von Vampiren thematisiert, so Page. Man sehe, dass ein sehr vielfältiger Kanon von Horrorfiguren verwendet würden, um ganz unterschiedliche Zwecke zu bedienen. Es können Komödien sein, aber auch Filme, die auf Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft hinweisen, wie etwa Getout von Jordan Peele 2017, der den tiefverwurzelten Rassismus in den USA auf den Schirm gehoben habe, so die Kuratorin.

Der Horror  in der Kunst

Impression der Ausstellung "Tod und Teufel - Faszination des Horrors" hier mit Kunstpositionen von Eliza Douglas "Farbige Arbeiten" © Foto Diether von Goddenthow
Impression der Ausstellung „Tod und Teufel – Faszination des Horrors“ hier mit Kunstpositionen von Eliza Douglas „Farbige Arbeiten“ © Foto Diether von Goddenthow

Im letzten Abschnitt der Ausstellung können Betrachter anhand bizarrer, mitunter witziger, aber auch abartig empfundener Positionen erleben, wie  Künstler Schönheit und Ekel  zusammengeführt haben.  Es fängt relativ harmlos an mit den Positionen von Mary-Audres Ramirez und Eliza Douglas, die sich in ihren großflächig farbigen Arbeiten mit der Verbreitung, Kommerzialisierung und Darstellung dieses Kunst-Genres beschäftigen. Dabei spielt Eliza Douglas  in ihren farbenstarken Werken mit der  „Künstlichkeit im Gothic“  und „Bedeutungskonstruktion“. Ihre ausgestellten komponierten Gemälde seien entstanden, so Kuratorin Page, indem Douglas eigene T-Shirts von Metal-Bands, auf einer Tischplatte ausgebreitet, leicht in sich verdrehte und abfotografiert habe. Die Fotos ließ sie dann von einer Assistentin auf Leinwand abmalen, signierte  diese mit ihren eigenen Namen.

Die luxemburgische Künstlerin Mary-Audrey Ramires ist mit zahlreichen bizarren aufblasbaren Horror-Skulpturen an Wänden und am Boden vertreten, die hummer- und skorpionähnlichen Wesen haben von Grunde her für uns Menschen wohl schon immer etwas Unheimliches und kommen, hier in überdimensionierter Größe, recht gruselig rüber. Das sollen sie auch, und uns dabei anregen, zu hinterfragen, was niedlich und skurril, Mensch- und Fremdsein oder Realität und Fiktion sei. Zugleich sollen sie demonstrieren, auf welche Art und Weise unheimliche Welten in der Popkultur verstanden und verwendet werden. Letztlich entscheidet der Betrachter, wie alles auf ihn wirkt.

Humorvoll abtreten mit Lewandowskys  Selbsttoetungsmaschine. © Foto Diether von Goddenthow
Humorvoll abtreten mit Lewandowskys Selbsttoetungsmaschine. © Foto Diether von Goddenthow

„Humorvoll sterben“, könnte das Motto der Selbsttötungsmaschine von Via  Lewandowskys lauten  , die er aus Haushaltsgegenständen gefertigt hatte. Sie macht den potenziellen, überall lauernden Tod auf absurde Weise „greifbar“. Ihre Funktion wurde noch nicht getestet, aber die Vorstellung ist wohl viel spannender, vor allem da wiederholbar.  Mit solcher Art Nonsens-Installation wird  dem in westlichen Gesellschaften als Tabuthema geltenden Tod erfolgreich die Leichtigkeit der Komik entgegengesetzt.

Realer Horror und Abjektionen

Mit morbider Heiterkeit ist spätestens Schluss bei einigen Positionen gegen Ende der Ausstellung, in der wahrer Horror als politische Anklage gezeigt wird. Wahrer  Horror fasziniert  nicht. Er ist abstoßend. Anders als die bisherigen Darstellungen  fiktionalen Grauens in Meisterwerken der Kunstgeschichte und  der Goth- und Popkultur,  beruhen die   politisch deklarierten  Positionen  der Ausstellung auf realem Grauen  echter Menschen. Etwa  prangerte  der britische Künstler Mat Collishawse   in der 2010 entstandenen Fotoserie  „Letzte Mahlzeit im Todestrakt“  mit ähnlich sorgfältig komponierten Stillleben wie man sie  aus dem 17. Jahrhundert kennt, die Todesstrafe in den USA an.

An anderer Stelle  erinnern Original-Blutspuren auf schmutzigen Fliesen-Boden aus Mexiko, auf dem  die Leiche des bei einem Raubüberfall ermordeten Künstlers Luis Miguel Suro  fiel, an das sinnlose Morden dieser Region. Mit ihrer Position „32 Jahre“ von 2006 klagt die Freundin des Ermordeten Teres Margolles die ungezügelte Gewalt-Kriminalität  in Mexiko an.

Nicht mehr lustig ist auch die Position „Alles hat seine Zeit“: Auf zwei wandhohen identisch erscheinenden Fotos sitzen vor einer Art gotischem Buntglasfenster je eine weiß gekleidete und mit roten Eingeweiden übergossene Frau mit Strick um den Hals. Damit will die Künstlerin Mary Sibandes unter anderem auf die generationsübergreifenden Traumata  und gespaltenen Identitäten  infolge fortbestehender wachsender  Ungleichheit nach der Apartheid Südafrikas.

King Cobra – Rotes Gestell der Geschändeten und Unwilligen“

Realer Horror und Abjektionen: Doreen Garners Extremposition "King Cobra - Rotes Gestell der Geschändeten und Unwilligen" von 2018, zeigt nachempfundene  Leichenteile von  durch medizinische Experimenten ohne Betäubung grausam zerstückelten schwarzen Sklavinnen des 19. Jahrhunderts. Garner hat diese an Metzgerhaken aufgehängt.  © Foto Diether von Goddenthow
Realer Horror und Abjektionen: Doreen Garners Extremposition „King Cobra – Rotes Gestell der Geschändeten und Unwilligen“ von 2018, zeigt nachempfundene Leichenteile von durch medizinische Experimenten ohne Betäubung grausam zerstückelten schwarzen Sklavinnen des 19. Jahrhunderts. Garner hat diese an Metzgerhaken aufgehängt. © Foto Diether von Goddenthow

Wohl am schockierendsten ist Doreen Garners 2018 entstandene Kunstinstallation „King Cobra – Rotes Gestell der Geschändeten und Unwilligen“.   Doreen Garner ist eine amerikanische Künstlerin, die sich mit Medizingeschichte auseinandersetzt, und in diesem Fall vor allem mit der Geschichte von dem berühmt-berüchtigten US-Arzt  James Marion Sims. Dieser hatte, so Kuratorin Page, „im 19. Jahrhundert brutalste gynäkologische Experimente  an schwarzen versklavten Frauen ausgeübt,  und zwar ohne Betäubung, weil er  der Meinung war, dass schwarze Frauen kein Schmerz empfinden könnten“. Dieser Arzt sei teilweise  heute noch anerkannt als der Vater der modernen Gynäkologie. Doreen Garner hat diese Arbeit „King Cobra“ geschaffen, um auf diese grausamen, perversen Experimente aufmerksam zu machen und den Arzt James Marion Sims posthum vom Sockel zu stoßen. In ihrem Kunstwerk „King Cobra“ spiegeln sich die an den Frauen begangenen bestialischen Grausamkeiten in künstlerisch nachempfundenen zusammengenähten „Fleischpaketen“ wider. Immer wieder sieht man Teil von Rippen, Brüsten usw,  die mit Fleischerhaken wie in einer Metzgerei   aufgehängt sind und von Neoröhren angestrahlt werden. Die Oberfläche der Körperteile hat  Doreen Garner mit Perlen geschmückt und mit Nadeln gespickt, vielleicht als eine Geste rückwirkender Wertschätzung, spekuliert die Kuratorin.

Man könne an „King Cobra“ nicht vorbeischauen, so Page. Und was vielleicht, wer es weiß,  noch schockierender  ist: Der private Leihgeber hatte  dieses Kunstwerk  in seinem Esszimmer aufgestellt, worin er und  seine beiden Kinder, drei und fünf Jahre alt, täglich verkehrten. Laut Auskunft des Leihgebers hätten die  vermeintlichen Körperteilen seine Kinder gar nicht interessiert. In ihrem Fokus lagen allein die  glitzernden Perlen.

Man sieht also wohl nur, was man weiß. So betrachtet, liegt der größte Schrecken  wohl letztlich im Auge des Betrachters.

(Dokumentation: Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)
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