Kategorie-Archiv: Unternehmerverbände Südhessen (UVSH)

Neues „Hessen macht Zukunft“-Festival bringt frischen Wind in die Unternehmensnachfolge

Hessen macht Zukunft - Begrüßung der Gäste. © Foto Diether von Goddenthow
Hessen macht Zukunft – Begrüßung der Gäste. © Foto Diether von Goddenthow

Die Gründung eines Unternehmens ist eine große Herausforderung, bei der innovative Ideen, unternehmerisches Talent und vor allem finanzielle Mittel entscheidend sind. Doch es gibt einen anderen Weg zum eigenen Unternehmen: Unternehmensnachfolge. Genau diesem Thema widmete sich gestern das neue Festival „Hessen macht Zukunft“, das auf dem Campus der Hochschule Fresenius in Wiesbaden stattfand. Über 160 Interessierte wollten ein Teil der neuen hessischen Nachfolge-Community sein.

Der Hausherr Prof. Dr. Dennis Lotter, Professor für Unternehmertum und Leiter der PioneerLab Entrepreneur Academy an der Hochschule Fresenius war begeistert, dass gerade viele junge Menschen gekommen sind und Interesse an dem Thema haben. Es muss ein Element der Ausbildung werden, um gut gerüstet die Herausforderungen einer Nachfolge meistern zu können. Denn „bei der Nachfolge betritt ein neuer Kapitän die Bühne ohne Probezeit. Daran wachsen und reifen Unternehmerpersönlichkeiten wesentlich schneller als bei Trockenübungen“, sagte Lotter.

Unter dem Motto „Home of Nachfolge“ und warum der Weg einer Nachfolge eine echte Alternative zur klassischen Neugründung ist, präsentierte sich „Hessen macht Zukunft“ als lockeres Festival für junge Menschen. Es ist ein neues Format, das mit alten Klischees aufräumt und frische Impulse für die Unternehmensnachfolge setzt. Es bot eine im wahrsten Sinne „bewegende“ Plattformen für spannende Nachfolgegeschichten, inspirierende Pitches, viele Vernetzungsmöglichkeiten und auch einen Austausch auf der „Blauen Bank“.

Experten aus dem Bereich Politik, Bank und Wirtschaft nahmen Platz und diskutierten über neue Wege und Chancen. Dr. Mandy Pastohr vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum betonte die Bedeutung des Themas für den Wirtschaftsstandort Hessen. Laut Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn stünden allein in Hessen in den Jahren 2022-2026 rund 14.600 Unternehmen für eine Übergabe an. „Mit Blick auf diese Dimension ist es uns wichtig, dass Gründerinnen und Gründer neben der Umsetzung eigener Ideen auch die Übernahme eines existierenden Unternehmens als echte Alternative und Möglichkeit sehen, unternehmerisch aktiv zu werden. Deswegen engagiert sich das Land Hessen auch sehr fokussiert in diesem Bereich, indem es beispielsweise den Tag der Nachfolge und das HMZ-Festival fördert. Nicht zuletzt geht es darum, etablierte Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen und die große Anzahl der damit verbundenen Arbeitsplätze zu sichern“, so Mandy Pastohr.

Experten-Talk bei der Veranstaltung "Hessen macht Zukunft". © Foto Diether von Goddenthow
Experten-Talk bei der Veranstaltung „Hessen macht Zukunft“. © Foto Diether von Goddenthow

Aus Finanzierungssicht betonte Sven Volkert, Geschäftsführer der Bürgschaftsbank Hessen, dass „Nachfolge oft besser ist als Neugründung, da bereits ein funktionierendes Geschäftsmodell vorhanden ist. So ist es für Hausbanken und auch Sicherheitsgeber leichter die Finanzierung durch Kredite und Bürgschaften zu begleiten. Und für Nachfolgerinnen und Nachfolger besteht neben dem belegten Geschäftsmodell ein riesiger Vorteil darin liegt, dass auch Mitarbeiter i.d.R. übernommen werden, was gerade in Zeiten von Fachkräftemangel immer bedeutsamer ist.“

Das bestätigte auch Maximillian Rübner, Gewerbekundenbetreuer der Taunus Sparkasse. Er unterstrich die Wichtigkeit des Austauschs gleich zu Beginn des Nachfolgeprozesses. Es ist das Wertvollste ein bestehendes, gut funktionierendes Netzwerk durch die Unternehmensnachfolge und vorhandenes Know-how (Kompetenzen) zu gewinnen. Kombiniert mit neuen Ideen und Impulsen schafft man eine unschlagbare Synergie.“

„Eine gründliche, breit aufgestellte Vorbereitung ist wichtig“ rät Katja Harder de Farfan, Leiterin Digitales, Technologietransfer und Startups von HESSENMETALL. Gemeinsam mit Isabelle Himbert, Geschäftsführerin und selbst Nachfolgerin von Arno Arnold, möchte sie Türen öffnen und so die Welten zwischen Mitgliedsunternehmen und Gründer:innen verbinden. Dabei betonte sie: „Unternehmensnachfolge ist immer eine Herausforderung für alle Seiten, aber es ergeben sich auch viele gute Chancen in der Zusammenarbeit mit jungen Gründungsinteressierten“. Und Isabelle Himbert ergänzt: „Im besten Fall endet der Prozess in einer erfolgreichen Nachfolge und der Fortführung des Unternehmens mit frischen, innovativen Ideen.“

Diese Expertenstimmen verdeutlichen die Vielschichtigkeit des Themas und zeigen die Bedeutung einer größeren Sichtbarkeit, Offenheit und Vernetzung zwischen den Abgebern und Nachfolgern.

Natürlich durften beim Festival praktische Beispiele nicht fehlen. So stellte sich unter anderem Zukunftsmacher Daniel Peplau von Landwehr + Schultz Trafo als erfolgreiche Nachfolgestory vor. Der Gewinner des Hessischen Gründerpreises 2023 in der Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolge“ brennt für das Thema Unternehmensnachfolge. Er hat sich dafür entschieden, „denn um den Unterschied in unserem Land zu machen und Veränderung zu bewegen, muss man Verantwortung übernehmen und ins Tun kommen“, so Peplau. Daher war die Nachfolge für ihn ein Weg ins Unternehmertum und in die Verantwortung. Wie erfolgreich dieser Weg ist, zeigt sich darin, dass er bereits mit L+S eine weitere Marke im Human Centric Light Bereich übernommen hat und dies ausbaut mit Handelspartnern.

„Das ‚Hessen macht Zukunft‘-Festival war ein großer Erfolg und hat gezeigt, dass Unternehmensnachfolge inspirierend sein kann“, sagte Dirk Lünzer, Geschäftsführer der KIZ SINNOVA gGmbH, der das Thema in den letzten Monaten mit großer Leidenschaft vorangetrieben hat. „Wir freuen uns darauf, auch in Zukunft neue Impulse für die Unternehmensnachfolge in Hessen zu setzen, Angebote zu bündeln und junge Menschen auf ihrem Weg dafür zu sensibilisieren.“

Über „Hessen macht Zukunft“

„Hessen macht Zukunft“ ist eine Initiative zur Förderung der Unternehmensnachfolge in Hessen. Ihr Ziel ist es, die Bedeutung von Nachfolgelösungen zu stärken, Arbeitsplätze zu sichern und die Wirtschaftskraft in der Region zu erhalten.

Wirksamer Bürokratieabbau und mehr Respekt für Unternehmer – Klartext beim Jahresauftakt der Unternehmerverbände Südhessen

Dirk Widuch, Geschäftsführer der Unternehmerverbände Südhessen begrüßte bei der Jahres­auftakt­veranstaltung „2024 OPENING“ die Gäste und den Referent des Abends Steffen Kampeter, Geschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. © Foto: Diether von Goddenthow
Dirk Widuch, Geschäftsführer der Unternehmerverbände Südhessen begrüßte bei der Jahres­auftakt­veranstaltung „2024 OPENING“ die Gäste und den Referent des Abends Steffen Kampeter, Geschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. © Foto: Diether von Goddenthow

Bei der Jahres­auftakt­veranstaltung „2024 OPENING“ der Unternehmerverbände Südhessen (UVSH), am 29. Januar 2024 im Haus der Wirtschaft Südhessen, forderte UVSH – Geschäftsführer Dirk Widuch vor rund 150 Gästen aus Politik, Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung, Hochschule, Gerichtsbarkeit und Kammern einen raschen wirksamen Bürokratieabbau und nachhaltige Einsparungen zur Verschlankung des aufgeblähten Staates.   Steffen Kampeter, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. (BDA) entwarf in seinem Vortrag „Mehr Bock auf Arbeit“ wichtige Thesen, welche Weichenstellungen jetzt nötig seien, um die „Deutschland AG“ wieder flott zu kriegen.

„Wir sind ein reiches Land. Doch unser Staatsapparat ist aufgebläht und zu kompliziert geworden und funktioniert an entscheidenden Stellen deswegen nicht mehr. Unsere Verkehrsinfrastruktur muss saniert werden, ebenso wie unsere Schulen. Und unser Bildungssystem muss international konkurrenzfähig werden. Die Ergebnisse der letzten PISA-Studie machen unseren Nachholbedarf schmerzhaft sichtbar. Diese grundlegenden Hausaufgaben müssen wir erledigen, um unserem eigenen Anspruch gerecht zu werden, ein führender Wirtschaftsstandort zu bleiben. Und dafür müssen wir unsere finanziellen Mittel einsetzen, nicht für überbordende Bürokratie.“, unterstrich Widuch in seiner Einführung.

Mit 27 parlamentarischen Staatssekretären (mittlerweile jeder 11. Bundestagsabgeordnete), 46 Beauftragten und 1800 neuen Ministerialbeamten seit Beginn der Ampelregierung, habe allein der Verwaltungskostenetat der Bundesverwaltung sich seit 2015 auf die Rekordmarke von 24 Milliarden Euro fast verdoppelt. „Gleichzeitig verfallen unsere Brücken, Fernstraßen, Schulen“, ärgert Widuch diese Entwicklung. Er mahnte an, dass auch der Staat wie jeder Unternehmer „in der Verantwortung, klug und sparsam zu haushalten“ habe.

Vor allem aber frustriere und lähme die Unternehmen zusehends „die Bürokratie“ und der  „wachsende personelle und finanzielle Aufwand, der dafür einzusetzen ist.“ Das finge an mit den Regelungen „bei Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland“. Ein Übriges „täte das Hinweisgeberschutzgesetz“. Und die „Spitze des Regulierungswahnsinns“ sei das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzt (LkSG)“.* Laut BDI-Umfrage, so Widuch, bringe der „enorme bürokratische Aufwand insbesondere kleine und mittlere Betriebe an den Rand der Verzweiflung.“ Jedes zweite Unternehmen müsse inzwischen „Leistungen externer Berater oder von Anwaltskanzleien in Anspruch nehmen, um die bürokratischen Anforderungen des Gesetzes erfüllen zu können. Das ist Wahnsinn!“, so der UVSH -Geschäftsführer.

„Nicht nur, dass Berichts- und Nachweispflichten zunehmen, sie werden auch immer komplizierter und sind frei von einem Mehrwert. Beispielsweise habe es Im „Bereich des Arbeitsrechtes „kein überflüssigeres Gesetz mehr gegeben, als das Nachweisgesetz.“

Das Kosteneinsparungspotential sei riesig beim Bürokratieabbau. „Es muss nur endlich einmal angepackt werden.“, so Widuch. Stattdessen nehme die Bürokratie ständig zu. Beispielsweise sei allein für die Umsetzung der „Kindergrundsicherung“ von 5000 zusätzlich benötigten Stellen die Rede, und da die bisherige Familienkasse in Familienservice umbenannt werden soll, kosteten allein neue Logos und Behördenschilder etc. rund einen sechsstelligen Betrag, rechnete der UVSH–Geschäftsführer vor.

Zu begrüßen sei zwar die Entscheidung des Arbeitsministers, zukünftig Pflichtverletzung oder Totalverweigerer beim Bürgergeld wieder zu sanktionieren. „Dass diese Regelung aber nur auf zwei Jahre befristet werden soll, ist völlig unverständlich. Die Anreize zur Arbeitsaufnahme müssen dauerhaft gesetzt werden „. Die 170 Millionen Ersparnis, die das einbringen soll, sei allerdings „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Wichtig sei: „Nicht das Nicht-Arbeiten darf belohnt werden, sondern die Arbeitsaufnahme. Und zwar, indem Bürgergeldempfängern im Falle der Aufnahme oder Ausweitung einer Beschäftigung mehr Geld bleibt, damit sie am eigenen Geldbeutel erfahren, dass sich Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes lohnt“.

Arbeit sei zudem mehr als bloßer Lebenserwerb, so der UVHS-Geschäftsführer. Arbeit bedeute: „Steigerung des Selbstwertgefühls“, bringe gesellschaftliche Anerkennung, und sei „im besten Fall erfüllend und sinnstiftend, und macht Freude oder Bock, je nach Ausdrucksweise oder Generation.“ , so Widuch abschließend.

„Mehr Bock auf Arbeit“ – Welche Weichenstellungen nötig sind?

Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), sprach Klartext.© Foto: Diether von Goddenthow
Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), sprach Klartext.© Foto: Diether von Goddenthow

„Mehr Bock auf Arbeit und auch mehr Bock auf wichtige Entscheidungen und zukunftsfähige Weichenstellungen“ forderte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in seinem Vortrag.

„Während der Arbeits- und Fachkräftemangel branchenübergreifend die Wirtschaft lahmlegt, schlagen auf der anderen Seite Diskussionen über Begrifflichkeiten wie Work-Life-Balance oder die Einführung einer Viertagewoche große Wellen in den Debatten über die Organisation von Arbeit in der Zukunft.“ Vielmehr wäre es „die Aufgabe, die Verfügbarkeit von Arbeitskraft in unterschiedlichen Talentgruppen zu aktivieren“.
„Ich bin der Meinung: Ein Land wie Deutschland wird seinen Wohlstand, sein sozialstaatliches Niveau und seine geopolitische Sicherheit nicht halten können, wenn wir uns nicht mehr anstrengen. Die Politik denkt viel zu viel darüber nach, wie das Geld ausgegeben wird. Dabei wäre eine Debatte darüber hilfreich, wie wir in Zukunft Geld verdienen wollen. Wie wir den Standort Deutschland umbauen – und welche Weichenstellungen die Politik vornehmen sollte“, so Kampeter.

Der BDA-Geschäftsführer kritisierte, dass wir  einst „von unserer Arbeitskraft, von unserer Arbeitsbereitschaft, von den ausgebildeten Menschen in unserem Land gelebt“ hätten. Wir hätten uns „verlassen können, auf die funktionsfähige leistungsfähige Infrastruktur: Züge waren pünktlich, LKWs standen bereit, so wie es Just-in-Time erforderlich war. Und wir hatten eine Verwaltung, mit der man verhandeln konnte, die das zu dem Zeitpunkt auch erledigt hat, was man erledigt haben wollte, um unternehmerisch erfolgreich sein zu können.“, erinnert sich Kampeter etwas wehmütig  an die Zeiten, als hierzulande der Konjunkturmotor noch rund lief.

Momentan aber, so Kampeter, funktioniere ja praktisch nichts mehr: „Brücken werden gesprengt, weil sie nicht mehr befahrbar sind.“ Und wer in NRW nahe „der Sauerlandlinie logistische Dienstleistungen erbringen will, der ist in den nächsten Jahren noch verraten und verkauft. Wir haben keine zuverlässige Verwaltungserfüllungen mehr“, weiß er als Wahl- Berliner  von der  „dysfunktionalen Verwaltung“ der Landeshauptstadt zu berichten.

Ein Kipp-Punkt in der Wirtschaft wären schließlich die explodierenden Energiepreise gewesen, die bei vielen wirtschaftlich Verantwortlichen so etwas wie „Jetzt reicht’s“ ausgelöst hätten, und die wir insbesondere auch „durch weitergegebene Inflation in allen Bereichen“ spürten. Große Sorge bereitet Kampeter, dass sich „unsere wöchentliche Arbeitszeit negativ entwickelt.“ Als Beispiel führte er die Diskussion bei der Bahn an, „wo es darum geht, die Personalkosten in den betroffenen Betrieben um 40, 50 Prozent zu erhöhen, indem  Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich plus Lohnsteigerung plus dann dem zusätzlich benötigten Personal für die Unternehmen, zu der erheblichen Kostensteigerung führen wird“.

Kampeter verglich den wirtschaftlichen Riesen Deutschland, der durch ein immer dichteres Geflecht aus Bürokratie, Regelungswut, planwirtschaftlichen Klima- und Energievorschriften gefesselt werde, mit dem Riesen Gulliver, als dieser, von Liliputanern mit Zwirn fixiert, am Strand gefangen danieder lag. Man müsse dringend einige Elemente dieses Zwirns lösen, damit dieser Riese Deutschland AG wieder aufstehen könne und so leistungsfähig und leistungsstark werde, wie er in den vergangenen Jahrzehnten war.

Für ein Umsteuern in der gegenwärtigen Lage machte Kampeter konkrete Vorschläge:
Erstens würde er der Politik raten, „Abschied zu nehmen von der Illusion“, dass „jedes Problem mit Geld gelöst“ werden könne. Weniger Vorschriften und Regulierungen, würde schon helfen, dass die Unternehmen wieder tun könnten, was zu tun sei.

Zweitens müsse man die Illusion aufgeben, dass der Staat immer Problemlöser sei. Das sei er eben nicht, oftmals im Gegenteil. „Das eigentliche Problem“, so der BDA-Geschäftsführer, sei, dass der Staat sich immer weniger als Dienstleister verstehe, „sondern dass wir immer mehr Menschen haben, die, wenn sie erst einmal bei Staat angestellt sind, eigentlich uns eher mehr Probleme machen, als dass sie Probleme lösen“. Kampeter untermauerte seine These am Beispiel des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Früher war das BAFA dafür zuständig, „uns, die wir ja über viele Jahre Exportweltmeister gewesen sind, in schwierigen Fragen zu helfen, um uns zu erleichtern, zu exportieren.“ Jetzt sei das BAFA auch zuständig für die Kontrolle des sogenannten nationalen Lieferkettensorgfaltpflichtengesetz (LkSG).* Um das aber hinzubekommen, sollten erst mal 50 bis 200 neue Stellen eingerichtet werden, um die neue Aufgabe erfüllen zu können. Das Ergebnis sei gewesen, „dass die ersten, die da beschäftigt wurden, die Sache so kompliziert gemacht haben, dass keiner diesen Bericht in irgendeiner Art und Weise abgibt, und dass mir ein Kollege gesagt hat, dass wir immer mehr Leute in der Beratung haben, statt sich darum zu kümmern, wie sie Kunden zufriedenstellen mit Gütern und Dienstleistungen‘.“

Und so wie beim BAFA „erleben wir dass in vielen anderen Bereichen. Jede Ausweitung des Staates führt dazu, dass sich durch die Bürokratie neue Pflichten für Arbeitgeberinnern und Arbeitgeber, für Unternehmerinnen und Unternehmer ergeben“ erläutert der BDA-Präsident. Die staatliche Bürokratie sei „der größte Hemmschuh für Arbeitgeber, hier entsprechend produktiv die Zeitenwende zu gestalten. Das ist meine feste Überzeugung“, sagte Kampeter.

Drittens müsse stärker ins Bewusstsein dringen, dass die Finanzierung des Sozialstaats kein Selbstläufer sei. „Mehr als 50 Prozent des Bundeshaushaltes sind Sozialausgaben. Wir brauchen eine Neuorientierung des Sozialstaates stärker auf Aktivierung.“ Dafür müsse mehr Netto vom Brutto für Mitarbeiter bleiben, „etwa durch Senkung der Sozialversicherungs-Abgabenlasten – das würde Anreize für mehr Leistung und Innovation setzen.“

Gestärkt werden müsse auch „die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in zwei Aspekten: Erstens in der Kinderbetreuung, zweitens bei der Pflege von Älteren, was vorrangig eine staatliche Aufgabe sei.

Wichtig, um mehr junge Menschen in den Beruf zu bringen, wäre auch, durch eine Verbesserung des Bildungssystems die Ausbildungsfähigkeit junger potentieller Berufseinsteiger zu erhöhen. So würden sich momentan die Probleme bei Lesen, Rechnen und Schreiben verschärfen. „Wir wollen aber keine Bürgergeldkarrieren aus dem Bildungssystem befördert bekommen, sondern Erwerbskarrieren.“ Auch müsse die Berufsvorbereitung verbessert werden und verstärkt „schlaue Frauen in Mintberufe gebracht werden“, in denen sie absolut unterrepräsentiert seien. „Qualitätssicherung im deutschen Bildungssystem schafft mehr Bock auf Arbeit, verringert Frust.“, so Kampeter.

Auch der Ausbau höherer Arbeitszeitflexibilität könne mehr Bock auf Arbeit schaffen: „Ich glaube, dass wir sehr unterschiedlich betriebsindividuell Arbeitszeitmodelle für unterschiedlich gestrickte Bedürfnisse unserer Beschäftigten anbieten müssen. Das setzt aber staatlicherseits voraus, dass wir das auch dürfen“

Zudem müssten die Betriebe wegkommen von ihren Frühverrentungsprogrammen und stattdessen mehr tun für ältere Beschäftigte, um sie länger in Unternehmen zu halten. „Wir brauchen eine Offensive, die mehr Bock auf Arbeit bei älteren Beschäftigten fördert“, fordert Kampeter.

Gleichfalls bedürfte es einer qualifizierten Zuwanderung in Arbeit, was allerdings voraussetze, „dass wir den Teil von Zuwanderung, der nicht ins Beschäftigungssystem kommt, genauso klar adressieren“. Hierzu bedürfe es funktionaler und digitaler Verfahren, statt langer Visawartezeiten und zeitraubender Prozesse, die Menschen anderer Länder eher abschreckten in Deutschland zu arbeiten.

Mehr Respekt für Unternehmer  – Regulierung bedeutet Misstrauen

Ein weiterer großer Hemmschuh für mehr Bock auf Arbeit, nämlich auf selbständige Tätigkeit, etwa in der  „Unternehmensnachfolge“, der  „Selbständigkeit“ und bei  „Existenzgründung“ sei aber der zunehmende mangelnder Respekt für Unternehmer. Was Kampeter besonders ärgere, sei, „dass in der Politik sehr viel von ‚Respekt für alle‘, aber sehr wenig vom Respekt gegenüber Selbständigkeit gesprochen wird“. Man müsse ja „für alle Respekt haben – vom „Pronomen bis zu einer besonderen Situation – überall sagt die Politik, der Bundeskanzler ja auch: Man brauche Respekt.“ Kampeter habe aber „den Eindruck, dass dieser Respekt in der Politik ein Stück weit verloren gegangen ist.“ Denn „wenn Sie mit politischen Verantwortungsträgern reden, oder wenn Sie die ganze Gesetzgebung anschauen, ist der unternehmerisch, der selbständige Tätige der potentielle Rechtsbrecher“, resümiert Kampeter.

Hinter vielem, was Selbständige als Regulierung nervt, stecke ja ein Grundgedanke, nämlich, „dass der Gesetzgeber und die Exekutive Sie, den Unternehmer, kontrollieren möchte, weil Sie sich möglicherweise nicht an das Recht halten“, so der BDA-Geschäftsführer. Regulierung sei in der Regel eine Misstrauenserklärung gegenüber dem unternehmerischen Handeln. Und wenn wir da nicht einen anderen Mindset hinbekommen, wird die Sache schwierig, neue Selbständige und Nachfolger zu gewinnen, weil keiner Bock mehr Bock hat,  sich dem wachsenden Misstrauen auszusetzen.
Es sei dringend notwendig auch gesellschaftlich mal zu hinterfragen, was Regulierung eigentlich für die davon Betroffenen bedeute.

(Dokumentation Diether von Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

* Folgende Sorgfaltspflichten werden im LkSG genannt:

  • Definition interner Prozesse und Zuständigkeiten
  • Abgabe einer Grundsatzerklärung
  • Durchführung von Risikoanalysen und Einführung eines Risikomanagements
  • Verankerung  von Präventions- und Abhilfemaßnahmen
  • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens
  • Dokumentation und Regelmäßiges Publizieren eines Jahresberichts,

(Quelle: Bundesanzeiger Verlag)