Sie rennt und rennt und rennt und tritt doch auf der Stelle. Die junge Frau mit Pferdeschwanz im blauen Kleid am hinteren Rand des Tanzgeschehens ist während der gesamten Dauer der Vorstellung ganz für sich allein in Bewegung und kommt doch nicht vom Fleck. Ihr unendlicher Lauf scheint als Sinnbild für ein Israel, dem Heimatland der Tanzproduktion LAST WORK der Batsheva Dance Company, zu stehen, in dem politisch und gesellschaftlich unaufhörlich viel in Bewegung ist, ohne jedoch die Verhältnisse wirklich zu verändern. Die anderen Tänzerinnen und Tänzer Ohad Naharins Choreographie „Last Work“, welches bei der gestrigen Premiere im Großen Haus des Hessischen Staatstheaters mit frenetischem Applaus und Standing Ovations gefeiert wurde, wirken gleichfalls traumatisiert: Ihr Tanz erzählt wohl vom zwangsläufig schmerzhaften Verlust und der Veränderung der ursprünglichen Ideale des seit Jahrzehnten von Kriegen, Raketenangriffen und Terrorismus erschütterten jüdischen Staates im Nahen Osten.
Ohad Naharin polarisiert gern, und das ist ihm und seiner Truppe einmal mehr gestern in Wiesbaden herausragend gelungen, wobei der „Guru des modernen Tanzes“ betont, nicht politisch zu arbeiten. Mit seiner Batsheva Dance Company hat Ohad Naharin eine komplett neue Bewegungssprache entwickelt: „Gaga“. Dabei handelt es sich um eine innovative Bewegungssprache, die einen bewussten Umgang mit der Empfindung und ihrem Zugang zur Bewegung in den Mittelpunkt stellt. Diese Methode ist nicht nur die vorherrschende Trainingsmethode der Batsheva-Tänzerinnen und –Tänzer, sondern hat inzwischen weltweit ihre Anhängerschaft gefunden.
Im Kern der „Gaga-Tanzmethode“ soll die Bewegung des Körpers als menschlichste und ergreifendste Ausdrucksform der darstellenden Künste erforscht und vorangebracht werden, was zu sensationellen, fast nicht mehr darstellbaren Einzel- und Gruppen-Figuren führt. Mal in Slow-Motion-Manier, mal mit Breakdance-Elementen, mal als Menschen „ohne Knochen“ oder als „Schwarmbildner“ verstehen die Batsheva-Tänzerinnen und –Tänzer Zustände von Freude, Schmerz, Aufbruch, Wahnsinn und animalischer Leidenschaft als reinen Zustand des Seins im eigenen Körper zu transportieren, sowohl separat als auch gemeinsam, mal als Menschenknäuel, mal als Truppe , mit- und gegeneinander.
Als alles auf die rasante Schluss-Szene hinausläuft, mutet die Kulisse durch dezente Maschinengewehrsalven, weiße Flagge und ein aus Klebeband improvisiertes Zelt doch recht militärisch an. Dieses letzte Bühnenbild symbolisiert wohl, dass der Frieden, insbesondere in Israel, immer auch militärisch verteidigt werden muss. Die durch Gewaltereignisse kollektiv erfahrene Nötigung zu potentiell permanenter erhöhter Wehrhaftigkeit zur Verteidigung von Frieden und Freiheit scheint schließlich der kleinste gemeinsame Nenner zu sein, der die Menschen Israels verbindet, dramaturgisch dargestellt durch ein Klebeband, mit dem alle Tänzerinnen und Tänzer in der Schluss-Szene zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verbandelt werden.
Diether v.Goddenthow
Die nächste Aufführung findet im Rahmen der Internationalen Maifestspiele statt am heutigen Donnerstag, 19.05.2016, von 19.30 bis 20.35 Uhr im Großen Haus des Hessischen Staatstheater Wiesbaden.
Wiesbaden: Kunst- und Kulturminister Boris Rhein gab heute gemeinsam mit dem Oberbürgermeister Sven Gerich bekannt, dass Patrick Lange ab der Spielzeit 2017/18 für zunächst drei Spielzeiten neuer Generalmusikdirektor am Hessischen Staatstheater Wiesbaden werden wird.
Kunst- und Kulturminister Boris Rhein: „Der 35-jährige frühere Chefdirigent der Komischen Oper Berlin kann bereits auf eine beeindruckende internationale Karriere verweisen. Ich bin deshalb sehr froh, dass er nun dem Ruf an das traditionsreiche Hessische Staatstheater folgen möchte.“
Patrick Lange konnte sich gegen insgesamt fünf Kandidaten durchsetzen. Sein Probedirigat der Oper „Der fliegende Holländer“ überzeugte sowohl die 6-köpfige Findungskommission als auch Presse und Publikum mit einer starken Gestaltung, die präzise und mit straffen Tempi das musikalische Drama ausdeutete.
Oberbürgermeister Sven Gerich: „Mit Patrick Lange erhält Wiesbaden einen jungen Dirigenten, der bereits hohes internationales Renommee genießt. Die Theaterfreunde Wiesbadens und der Region dürfen sich auf spannende musikalische Jahre mit ihm freuen.“
Der neue Generalmusikdirektor tritt sein Amt zum Beginn der Spielzeit 2017 in Wiesbaden an. Er folgt damit auf Zsolt Hamar, der insgesamt vier Jahre die musikalische Leitung am Staatstheater innehatte und auf eigenen Wunsch ausscheidet.
„Ich danke Zsolt Hamar für sein Engagement und seine Verdienste um das Musiktheater und das Hessische Staatsorchester Wiesbaden und wünsche ihm auf seinem weiteren beruflichen Weg alles Gute und weiterhin viel Erfolg“, so Kunst- und Kulturminister Boris Rhein.
Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz ergänzte: „Das Musiktheater und das Orchester verfügen über ein hervorragendes künstlerisches Niveau, auf dem der neue Generalmusikdirektor aufbauen kann. Diese Qualität ist auch ein Verdienst der Arbeit Zsolt Hamars, für die ihm die Landeshauptstadt Wiesbaden sehr dankbar ist.“
Vita
Der 1981 in der Nähe von Nürnberg geborene Patrick Lange zählt zu den vielversprechenden Talenten der jüngeren Dirigentengeneration und verfügt bereits über ein umfangreiches Opern- und Konzertrepertoire.
Er studierte an den Musikhochschulen in Würzburg und Zürich und wurde 2005 in das Dirigenten-Forum des Deutschen Musikrates aufgenommen. Claudio Abbado ernannte ihn im selben Jahr zum Assistenzdirigenten des Gustav Mahler Jugendorchesters. Als Assistent Abbados arbeitete er auch mit den Berliner Philharmonikern, dem Orchestra Mozart Bologna und dem Lucerne Festival Orchestra. 2007 erhielt Patrick Lange den Europäischen Kulturpreis in der Kategorie Förderpreis für junge Dirigenten, 2009 das erstmals verliehene Eugen-Jochum-Stipendium des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks.
Seine Laufbahn als Operndirigent begann er in Zürich und in Luzern. Mit „Le Nozze di Figaro“ gab er 2007 sein erfolgreiches Debüt an der Komischen Oper Berlin. Ab 2008/09 wirkte er dort als Erster Kapellmeister, im Mai 2010 erfolgte seine Ernennung zum Chefdirigenten des Hauses, an welchem er ein breit gefächertes Repertoire betreut hat. Die Spielzeit 2010/11 eröffnete er erfolgreich mit der Neuproduktion „Die Meistersinger von Nürnberg“, später folgten u. a. die Neuproduktionen von „Rusalka“, „Der Freischütz“ und „Idomeneo“. Im November 2010 gab er mit „Madama Butterfly“ sein Debüt an der Wiener Staatsoper, wo er seitdem ein regelmäßiger und gern gesehener Gast ist. Weitere Engagements führten ihn u. a. nach Dresden an die Semperoper, den Londoner Covent Garden, die Hamburgische Staatsoper und die Opera Australia Sydney, nach Glyndebourne, an die Bayerische Staatsoper, ans Opernhaus Zürich, an die Oper Frankfurt, an die Korea National Opera Seoul und an die Canadian Opera Company Toronto. Mit Mahlers „Lied von der Erde“ (Choreographie von John Neumeier) debütierte er mit großem Erfolg an der Opéra National de Paris, wo er in der Folge auch Wiederaufnahmen von „Die Zauberflöte“ und „Don Giovanni“ dirigierte.
In Konzerten, Rundfunk-, Fernseh- und CD-Produktionen hat Lange u. a. die Staatskapelle Dresden, die Wiener Philharmoniker, die Hamburger und Düsseldorfer Symphoniker, das Beethoven-Orchester Bonn, die Bamberger Symphoniker, das Orchester de Chambre de Genève, das Münchner Rundfunkorchester, die Essener Philharmoniker, das Mahler Chamber Orchestra, das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart und das WDR Sinfonieorchester Köln, das Tonkünstler Orchester Niederösterreich, das Grazer Philharmonische Orchester und das Simón Bolívar-Jugendorchester in Venezuela geleitet. Mit dem ORF Radio-Symphonieorchester (RSO) Wien gab er sein Debüt im Wiener Musikverein und absolvierte kürzlich eine sehr erfolgreiche China-Tournee. Auf Tourneen dirigierte er außerdem die Academy of St Martin-in-the-Fields, die Stuttgarter Philharmoniker und das deutsche Bundesjugendorchester, dem er sich besonders verbunden fühlt. Patrick Lange gastierte u. a. beim Rheingau Musik Festival, beim Richard Strauss Festival Garmisch-Partenkirchen, den Sommerkonzerten zwischen Donau und Altmühl, und dem Sommets Musicaux de Gstaad.
Als nächstes stehen „Eugen Onegin“ und „Hänsel und Gretel“ an der Wiener Staatsoper, „Fidelio“ in Stuttgart, „Tosca“ in Dresden sowie „Arabella“ in Toronto in seinem Kalender. In Paris wird er außerdem eine weitere Ballett-Neuproduktion zu Musik von Poulenc und Schönberg leiten.
Premiere am 2. Juni um 18:00 Uhr im Kleinen Haus // die beiden nächsten Vorstellungstermine am 4. Juni um 16:00 Uhr sowie am 21. Juni um 11:00 Uhr
Bosse hätte gerne so einen Vater wie seine Freundin Benka. Stattdessen kennt er nur seine lieblosen Adoptiveltern. Bis er eine geheimnisvolle Botschaft aus dem Land der Ferne bekommt – und ein Flaschengeist ihm den Weg dorthin zeigt. Er trifft seinen Vater, den König, der seit tausenden und abertausenden Jahren auf seinen Sohn Mio gewartet hat. Mio ist glücklich und entdeckt mit Jum-Jum, die seiner Freundin Benka erstaunlich ähnlich sieht, sein neues Reich. Doch das Böse ist auch hier nahe: Kato vom Lande Außerhalb raubt die Kinder aus dem Land der Ferne. Mio macht sich auf den gefahrvollen Weg die Kinder zu retten.
Regie Aurelina Bücher Bühne & Kostüme Katarzyna Szuksta Dramaturgie Luisa Schumacher
Bosse / Mio Cain Van Cauwenbergh Benka / Jum-Jum Magdalena Baltz Tante Edla / Tante Lundin / Weberin / Nonno / Lollo / Späher II Sophie Pompe Onkel Sixten / Geist / Eno / Späher I / Kato Thomas Jansen Benkas Vater / König / Schwertschmied Carsten Kochan
Wir würden uns freuen, Sie bei der Premiere oder einer der anderen Vorstellungen begrüßen zu dürfen. Weitere Vorstellungstermine und mehr Informationen finden Sie unter
Genuss im Sinne eines klassischen Balletts kam nun wirklich nicht auf: Es gab weder einen Handlungsrahmen, noch großartige Bühnenbilder, Requisiten oder Kostüme, noch Spitzenschuh – und der Betrachter fragte sich recht bald: „Was soll dies eigentlich?“ Und eben genau diese Frage, nämlich eine Metapher auf die Sinnfrage nach der menschlichen Existenz in der Moderne, brachte Martin Schläpfers Düsseldorf-Duisburger Ballett am Rhein mit der Choreografie „7“ beim Gastspiel am 7. und 8. Mai 2016 im Großen Haus des Wiesbadener Staatstheater bravourös auf den Punkt. Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 7 e-Moll bot den musikalisch-philosophischen Hintergrund der Inszenierung. Mahlers Sinfonie entführte in eine ruhelose, dunkle Welt ohne Auswege, hervorragend dargeboten in einer Bühneninterpretation vom Hessischen Staatsorchester Wiesbaden unter Leitung des eigens mitgebrachten Dirigenten Wen-Pin Chien.
Gustav Mahler (1860 – 1911) fühlte sich zeit seines Lebens getrieben, gehetzt und heimatlos – überall „ist man Eindringling, nirgends ‚erwünscht‘“. Martin Schläpfer hat Gustav Mahlers existentielles Dilemma aufgegriffen und musikalisch aus dem „Mahler-Kosmos“ geschöpft, die Musiksprachen des Komponisten in seine Tanzsprachen adaptiert. Er hat dabei eine neu akzentuierte Dramaturgie mit collagenhafter Verknüpfung unterschiedlicher Bilder geschaffen, die die Einsamkeit menschlich entfremdeter Ruhelosigkeit moderner Hamsterrad-Menschen, Smartphone-Höriger und ewig unbefriedigter Parshipper spiegeln. Stets getrieben nach Erfolg, Anerkennung und Zugehörigkeit, nach Liebe und Verlässlichkeit bleibt die Reise des Lebens letztlich immer nur ein weltfernes einsames Getriebensein. Letztlich scheint es gar unwesentlich, ob du einen Menschen oder einen Hocker umarmst: Deine innere Leere bleibt so oder so, egal auch, wie schnell du wechselst. Bei Gustav Mahler gibt es keine Erlösung, so auch nicht in Martin Schläpfers Choreografie „7“. Zum Schluss hetzen alle TänzerInnen in Anspielung auf das Gesellschaftsspiel „ Reise nach Jerusalem“ um die im Kreise gestellten Hocker. Und selbst wer es noch einmal geschafft hat, seinen Platz zu finden, weiß nicht für wie lange, und ob er in der nächsten Runde nicht aus dem Spiel ist.
„Das war die anstrengendste Oper meines Lebens!“, so eine Stimme aus der Menge der noch etwas benommen wirkenden Premierengäste der grandios und mächtig von Ingo Kerkhof inszenierten Oper „Die Soldaten“ von Bernd Alois Zimmermann. Diese wurde gestern Abend zum Auftakt der Mai-Festspiele 2016 erstmals im Großen Haus des Hessischen Staatstheater in Wiesbaden aufgeführt. Die Musikalische Leitung hatte Zsolt Hama.
Das Parkett wurde zur zentralen Bühne des wuchtigen, einst als unaufführbar eingestuften Zwölfton-Musik-„Spektakels“ nach Jakob Michael Reinhold Lenz (1751 – 1792) gleichnamigen Schauspiel. Für die meisten Zuschauer bedeutete das von vornherein Ausnahmezustand: Die Inhaber von Karten im Parkett erhielten nur Einlass über den relativ dunklen Bühnen-Hintereingang mit „Not-„Garderobe – fast Bunker-Atmosphäre schon im Vorfeld! Dort wurden die Premierengäste auf die zum Zuschauerraum umfunktionierte Bühne gebeten mit Behelfs-Bestuhlung, aber einzigartiger neuer Perspektive ins Theater. Zwei Stunden lang, ohne Pause, spielte das großartige Ensemble mit enormer Statisterie perfekt die mitunter absurd bis surreal wirkende expressionistische Antikriegs-Oper. In vier Akten mit Film-Einblendungen auf Leinwänden, pantomimischen Spiel und Tanz gelang es allen Schauspielern, ganz voran den hochkarätigen Sängerinnen und Sängern, das Publikum durch viele Abgründe des menschlichen Seins vor dem Hintergrund unaufhörlicher kriegerischer psychischer und physischer Zerstörungen von Seelen und Leben mitzunehmen.
Vordergründig wirkt die Handlung völlig antiquiert: Die eigentliche Story spielt im feudalen Russland des 18. Jahrhunderts, verlegt nach Lille und Armentières in Belgien, und bühnenbildnerisch in ein „Zweite Weltkrieg“-Szenario verwamdelt. Vor dieser Kriegsmetapher in der Fremde stationierter, sich im permanenten Ausnahmezustand zwischen Krieg und Feiern befindlicher Soldaten, handelt das Stück von der Verführung eines naiven jungen Mädchens, Marie, durch den adligen Offizier, Baron Desportes, obgleich Marie einem anderen, Stolzius, versprochen war. Marie gefallen die Schmeicheleien des „Herrn Baron“ und die hiermit geglaubten potentiellen Chancen ihres gesellschaftlichen Aufstiegs, Sie verfällt ihm. Als Deportes standesbewusste Mutter, Gräfin de la Roche, von der Liebschaft ihres einzigen Sohnes zu Marie erfährt, torpediert sie jedoch die Liaison der beiden, indem sie ihren Filius aus der Stadt schickt und ihm verspricht, sich um Marie zu kümmern. Diese lehnt jedoch eine ihr von der Gräfin angebotene Anstellung zur „Gesellschafterin“ als Entschädigung für die verbotene Liebe ab, Fortgelaufen von der Gräfin und aus dem eigenen Elternhaus, entledigt sich Baron Desportes ihr obendrein, indem er Marie seinem Jäger preisgibt. Und so nimmt das Übel seinen weiteren Lauf und endet in einer Katastrophe: Stolzius vergiftet schließlich Baron Deportes, der ihm Marie ausgespannt hat, und sich selbst. Der gute Ruf des Mädchens ist für immer ruiniert, sie landet unweigerlich in der Gosse und bettelt einen Mann an, der sie für eine Hure hält und zurückweist: „Ihr lüderliche Seele“. So abgestürzt und von der Not gezeichnet, erkennen nicht mal Vater und Tochter einander. Marie ist als Mensch zerstört.
Die Zerstörung des Menschen, seiner Träume und seines Lebens wird in „Die Soldaten“ gleich auf mehreren Ebenen, der militärischen, gesellschaftlichen und persönlichen, dargestellt: Verursacher menschlicher Zerstörung sind nicht allein „roboterhaft aggressiv agierende Militärs“. Ebenso brutal vermögen auch gesellschaftliche Konventionen, illusionäre Erwartungen und persönlich berechnender Egoismus zuschlagen. Vor dem Hintergrund des brutalen Krieges, agiert Marie nicht wirklich so naiv, als sie sich für den „wertvolleren“ Baron entscheidet, und ihren braven Stolzius wie eine heiße Kartoffel fallen lässt mit all den sie zerstörenden Folgen. Marie ist nicht nur Opfer, sondern auch Täterin. Es gibt letztlich keine Gewinner, alle sind irgendwie Opfer und Täter zugleich. Selbst die in ihren Konventionen gefangene hochnäsige und mächtige Gräfin de la Roche wird mit Brachialgewalt von marodierenden Soldaten erniedrigt, dargestellt durch die Vergewaltigung auf dem Balkon. In „Die Soldaten“ scheint es für die Menschen kein Entrinnen aus den miteinander verwobenen äußeren und inneren Gewalt-Prozessen zu geben. Das war 1775 so, es war 1965, und es ist immer noch so. In „Die Soldaten“ sind „Raum und Zeit aufgehoben, weil sich im Grunde nichts ändert: Soldaten bleiben Soldaten, und der Menschen ist, 1775 bis 1965 oder 1940, des Menschen Wolf“, (Albert Gier, Begleitheft S. 11), auch sein eigener.
So flehen zum Schluss Rudimente aus Bach-Chorälen vergeblich um Erbarmen. Die Bitte »Sed libera nos a malo« – »Erlöse uns von dem Bösen« – fällt einfach ins Leere, und lässt zurück überwältigt betroffene Zuschauer. „Die Soldaten“ sind schwerer Tobak, ja! Aber sie sind absolut inspirierend und empfehlenswert!
Neue Highlights bietet das Wiesbadener Staatstheater allen Theater-, Opern-, Ballet- und Konzert-Freunden schon jetzt für die Zeit nach den „Internationalen Maifestspielen“ an. Am besten schauen Sie im neuen Spielplan Juni /Juli 2016:
Highlights
Donizettis »Liebestrank« ist sowohl die romantischste als auch komischste aller italienischen Buffa-Opern des 19. Jahrhunderts. Ab 16. Juni ist sie im Großen Haus zu erleben. Nach »Hamlet, Prinz von Dänemark« und »Otello« betritt ab 25. Juni mit »Falstaff« in dieser Spielzeit eine dritte große Gestalt Shakespeares die Wiesbadener Bühne.
Im Schauspiel inszeniert Tina Lanik »Ungeduld des Herzens« nach dem Roman von Stefan Zweig in einer Theaterfassung von Thomas Jonigk. Premiere ist am 26. Juni im Kleinen Haus.
Drei Monologe von Laura Naumann werden als Uraufführung ab dem 4. Juni in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main im Rahmen der Hessischen Theaterakademie auf die Studiobühne gebracht: »Ich warte schon seit drei Fantas auf meinen Auftritt«.
Das JUST bietet für alle ab acht Jahren Astrid Lindgrens Klassiker »Mio, mein Mio« ab 2. Juni im Kleinen Haus. Die Schultheatertage 2016 finden vom 6. bis 10. Juni statt.
Kurz vor Abschluss der Saison steht das Partizipationsprojekt des Hessischen Staatsballetts »Odyssee_21« am 3. Juli im Großen Haus auf dem Spielplan. Menschen jeden Alters und jeder Herkunft werden unter der künstlerischen Leitung von Ballettdirektor Tim Plegge sowie Nira Priore Nouak und Valérie Sauer auf der Bühne stehen.
Für das Ballett-Gastspiel »… it’s only a rehearsal« der Kompanie ZERO VISIBILITY CORP im Rahmen der Internationalen Maifestspiele 2016, ist das Hessische Staatstheater Wiesbaden auf der Suche nach einem präparierten Hirsch, der Teil des Bühnenbildes der Vorstellungen am 10. und 11. Mai im Kleinen Haus sein soll. Die Kompanie leiht sich für ihre Auftritte regelmäßig in Museen oder bei Sammlern in der jeweiligen Stadt einen präparierten Hirsch, der auf einer Bühnenseite im hinteren Teil platziert wird, jedoch nicht in das Geschehen involviert ist.
Weitere Informationen und Angebote bitte an Linda Brodhag:
Mit der Wiesbaden Biennale eröffnet das Hessische Staatstheater die neue Spielzeit 2016/17 und wagt den Aufbruch in die Zukunft. Unter dem Titel „This is not Europe“ präsentiert die Wiesbaden Biennale vom 25.8. bis 4.9.2016 über zwanzig internationale Avantgarde-Künstlerinnen und Künstler, Kollektive und Ensembles, die mit unterschiedlichsten künstlerischen Strategien Narrationen von Europa schaffen.
Kuratiert von Maria Magdalena Ludewig und Martin Hammer sind neun Gastspiele auf allen Bühnen des Staatstheaters zu sehen, darunter eine Uraufführung, eine Europa-Premiere und zahlreiche Deutschland-Premieren. Zugleich produziert das Festival erstmals in seiner Geschichte Neuproduktionen. Im Programmschwerpunkt „Asyl des Müden Europäers“ entwickeln internationale Residenzkünstler zehn eigens für Wiesbaden entwickelte Projekte an unterschiedlichsten Orten in der Stadt. Sie alle sind Abbild eines vielstimmigen und widersprüchlichen Dialogs. Wie wollen wir leben? Was macht Europa in Zukunft aus?
Ab dem 25. August macht die Wiesbaden Biennale die Landeshauptstadt zum Schauplatz von Performances, Installationen und internationalem Schauspieltheater. Sie lädt dazu ein, utopische Formen von Gemeinschaft zu erproben. Sei es beim Verweilen und Feiern mit den internationalen Künstlern, Aktivisten, Studenten und Gästen im Festivalzentrum am Warmen Damm, beim Übernachten im temporären Grandhotel oder bei Diskurs, Konzerten und Partys in den langen Festivalnächten des Wiesbadener Spätsommers.
„Mit Martin Hammer und Maria Magdalena Ludewig tritt eine neue junge Generation das Erbe dieses traditionsreichen Festivals an und wird Wiesbaden für elf Tage zum vibrierenden Versammlungsort vieler innovativer und gesellschaftlich relevanter Künstler Europas machen“, so Uwe Eric Laufenberg, Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, über die Wiesbaden Biennale.
THIS IS NOT EUROPE
Die Wiesbaden Biennale versteht sich als Fortschreibung des traditionsreichen Festivals „Neue Stücke aus Europa“. Mit Maria Magdalena Ludewig und Martin Hammer übernimmt eine junge Generation die kuratorische Leitung und konzeptionelle Ausrichtung. Als Wiesbaden Biennale entwerfen sie das Festival neu und besinnen sich gleichzeitig auf dessen Ursprünge. Als 1992 das Festival „Neue Stücke aus Europa“ entstand, befand sich Europa in einer Zeit des Aufbruchs. Die Biennale wurde zu einem der wichtigsten Austauschorte europäischer Autoren und Übersetzer. Heute, 24 Jahre später, steckt Europa in der Dauerkrise. Es ist eine Krise der Institutionen und der Narrationen – eine Identitätskrise. Wie lässt sich eine Narration von Europa neu schreiben? Und wer sind die Autoren dieser Erzählung?
„Künstler und Künstlerinnen sind Autoren von Narrationen, sie schaffen Identitäts-Erzählungen auf vielfältigste Weisen, die unsere Sicht auf die Wirklichkeit herausfordern. Sie sind Provokateure dessen, was möglich ist, Seismographen von Ängsten und Hoffnungen, aber vor allem Experten für das spekulativ Ungewisse. This is not Europe. – Das ist die Lust am Widerspruch und die Aufforderung zur kritischen Infragestellung dessen, was wir Europa nennen.“ (Maria Magdalena Ludewig & Martin Hammer)
GASTSPIELE
Eine Uraufführung, eine Europa-Premiere, eine Wiesbadener Neuproduktion, eine internationale Koproduktion und drei Deutschland Premieren
Die Angst geht um in Europa und ist zum beherrschenden Gefühl geworden. Julian Hetzel fasst in seiner Arbeit „Sculpting Fear“ in kraftvolle Bilder, was zum diffusen Hintergrundgeräusch unseres Alltags geworden ist und setzt an zum stürmischen Befreiungsschlag.
In seiner neuen Theaterarbeit „So Little Time“, die in Wiesbaden zur Uraufführung kommt, untersucht der libanesische Künstler Rabih Mroué Mythen, Selbstdarstellungen und Abbilder von Märtyrern. Was passiert mit einem Menschen, der seinem Abbild als überlebensgroßem Mythos wieder begegnet? Eine feinsinnige Untersuchung moderner Mythen zwischen Reproduktion und Manipulation.
Der russische Regisseur Dmitry Krymov wirft in „Russian Blues. Auf der Suche nach Pilzen“ einen Blick voller Melancholie und tiefgründigem Witz auf die Lebensrealität in einem Land, in dem nicht nur die Freiheit der Kunst zusehends in Bedrohung gerät. Ein quietschbuntes Satire-Märchen mit virtuosen Schauspielern, zu sehen als Europa Premiere – nur in Wiesbaden!
Silvia Calderoni ist eine Ausnahme-Performerin, die ihresgleichen sucht. Sie ist die schillernde Protagonistin von „Mdlsx“, der neuesten Produktion von Motus, einer der innovativsten und mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichneten Theater-Kompanien Italiens, die diese Arbeit zum ersten Mal in Deutschland zeigt. Mit umwerfendem Charme und beeindruckender Chuzpe zeigt uns Calderoni eine Neuerzählung der eigenen Identität, eine Hymne auf die Freiheit von ausnehmend berührender Zartheit und Zerbrechlichkeit.
Der italienische Künstler Romeo Castellucci wurde 2013 von der Biennale in Venedig für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Er habe die Fähigkeit, „eine neue Sprache für die Bühne zu schaffen, die Theater, Musik und Bildhauerei ineinander verwebt.“ Mit „The Parthenon Metopes“ zeigt er uns ein raffiniertes Spiel um Kunst und Realität, das die großen Menschheitsfragen aufruft: Woher kommen wir, wohin gehen wir? Und was geschieht mit uns, wenn wir das Leiden Anderer betrachten? Die Wiesbaden Biennale zeigt diese außergewöhnliche Arbeit erstmals in Deutschland in Kooperation mit der Stadt Rüsselsheim im Opelwerk Rüsselsheim.
Lustvoll und radikal schön – Jérôme Bel porträtiert in der Performance „Gala“ Individuen, Köper, eine Stadt. Er unterläuft gängige Systeme der Repräsentation und gibt dem Einzelnen die Chance zur Autonomie. Neuinszeniert für Wiesbaden mit Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und der Rhein-Main Region in Kooperation mit dem Künstlerhaus Mousonturm.
Der junge griechische Regisseur Anestis Azas reinszeniert den Gerichtsprozess zum Fall „Farmakonisi“, in dem ein junger Syrischer Flüchtling zu 145 Jahren Haft verurteilt wurde, weil er für den Tod von elf Menschen auf einem 2014 gesunkenen Flüchtlingsboot verantwortlich gemacht wurde. Dabei wurde das Unglück mutmaßlich von griechischen Grenzbeamten verursacht. Ein radikal persönliches und schonungslos ehrliches mitten aus der griechischen Krise. Auch diese Arbeit ist erstmals in Deutschland zu sehen.
Auch der ungarische Regisseur Kornel Mundruczó, international gefeiert für seine in Cannes und Locarno preisgekrönten Filme, entwickelt „Imitation of Life“ mit seiner ungarischen Gruppe „Proton Theatre“ vor dem Hintergrund realer Fakten: Im Frühjahr 2005 wurde in Ungarn ein junger Roma von einem gleichaltrigen Mann mit einem Schwert ermordet. Schnell ging man in der aufgeheizten Stimmung von einer rassistischen Tat aus, doch der wahre Täter war selbst Roma. Mundruczós Arbeiten sind große Erzählungen und entfalten filmischer Sogwirkung.
Einer großen Erzählung widmet sich auch das berühmte britisch-deutsche Performance-Kollektiv Gob Squad. Sie stellen sich der Herausforderung und bringen ihre ganz eigene Version von Leo Tolstois Monumentalwerk „Krieg und Frieden“ auf die Bühne des Kleinen Hauses.
ASYL DES MÜDEN EUROPÄERS
12 internationale Residenzkünstler- und Künstlerinnen an 10 Orten in Wiesbaden
Neben den Gastspielen bildet „Das Asyl des müden Europäers“ den programmatischen Schwerpunkt des Festivals. Mit Rabih Mroué, Dries Verhoeven, Thomas Bellinck, Tiago Rodrigues, Ingo Niermann, Dora Garcia, Margarita Tsomou, Arkadi Zaides, Thomas Hirschhorn und Markus Öhrn, Rainer Casper und Jan Liesegang werden einige der wichtigsten Impulsgeber der neuen europäischen Künstler- und Autorengeneration Wiesbaden zu ihrer temporären künstlerischen Heimat machen. Gemeinsam entwerfen sie die exemplarischen Institutionen einer utopischen Gemeinschaft und machen die alte Kurstadt zu einem künstlerischen Brennpunkt, um an der Zukunft zu arbeiten: Was macht die europäische Identität heute aus? Wer wollen wir sein, wer gehört zu uns und wer schreibt alles an der „Erzählung Europa“ mit?
Täglich um 18 Uhr begrüßt der niederländische Künstler Dries Verhoeven die Besucher an den Türen der St. Augustine’s Church. Die Glocken läuten, ein Sarg ist aufgebahrt, der Kirchenchor singt und eine uns lieb gewonnene Idee, ein Wert oder auch ein Teil unserer Gesellschaft wird feierlich zu Grabe getragen. In seinem Projekt „Die Beerdigung“ orientiert sich Verhoeven mit großer Ernsthaftigkeit an christlichen Ritualen und lenkt den Blick auf sterbende Ideen.
Im Alten Gericht durchstreifen die Besucher einzeln das dunkle Gebäude voller merkwürdiger Exponate, Schrifttafeln und angestaubter Landkarten. Aus der Zukunft schauen sie durch die Augen des belgischen Künstlers Thomas Bellinck zurück auf unsere Gegenwart. Denn im „Domo de Eŭropa Historio en Ekzilo“, dem Haus der europäischen Geschichte im Exil, lässt Bellinck die alte Idee vom vereinten Europa noch einmal aufleben, als wäre sie längst vergangen.
Der portugiesische Künstler Tiago Rodrigues lädt ein in seine Bibliothek ohne Bücher. Zwei leere Räume, acht Performer. In ihren Köpfen gespeichert: literarische Fetzen, Bücher und Dokumente. Die Performer teilen ihr Wissen mit den Besuchern und erschaffen einen wachsenden Schatz gespeicherten Wissens: Abhörsicher und spurlos – weitergegeben von Einem zum Anderen.
Mit „By Heart“ ist zudem in der Wartburg eine weitere Arbeit von Rodrigues zu sehen. Ein intensiver, berührender Abend über fast verlorene Schriften, die Asyl in unserer Erinnerung finden.
Im Kino des Asyls des müden Europäers zeigt Rabih Mroué, künstlerischer Grenzgänger zwischen Performance und Bildender Kunst, seine Videoarbeit „Footnotes of an unwritten text about war, body and theatre“.
Fragmente der langjährigen Beschäftigung mit seinem Heimatland, dem Libanon, mit dem Krieg und seinen Abbildern, mit den Spuren und Erzählungen, die er in Körpern und Biographien hinterlässt. Zur Eröffnung des Kinos und an ausgewählten Abenden zeigt Rabih Mroué außerdem die Uraufführung seiner neuen Theaterarbeit „So Little Time“ (s. Gastspiele).
„Azdora“ ist die Bezeichnung für die Herrin des Hauses, die Mutter der Familie. Der schwedische Künstler Markus Öhrn erarbeitete mit zehn italienischen „Azdore“, elf Rituale voll abgründiger Kraft, befreiender Energie und mitreißendem Mut. Nun wird der „Hausfrauen-Club“ um weitere zehn Wiesbadener „Azdoras“ erweitert!
Die Agora ist ein partizipatives Parlament unter freiem Himmel. Frei nach dem altgriechischen Vorbild entwickelt die griechische Aktivistin und Publizistin Margarita Tsomou einen Marktplatz des kritischen Dialogs, der die Repräsentations-mechanismen unseres politischen Alltags hinterfragt.
Für seine neue Arbeit „Talos 2“ beschäftigt sich der israelische Performer und Choreograph Arkadi Zaides mit dem Zusammenhang von Grenzen und Bewegungen. Am Beispiel der europäischen Außengrenze und eines einst von der EU entwickelten Grenzroboters untersucht er, wie Grenzen nicht nur Bewegungen unterbinden, sondern selbst zu Zonen ethischer Konflikte und physischer Auseinandersetzung werden.
Thomas Hirschhorn, dessen Werke u.a. bei der documenta in Kassel und der Biennale in Venedig ausgestellt wurden, entwirft mit seiner neuesten Arbeit „Sperr“ ein temporäres Monument in Wiesbaden, ein Denkmal ohne Dauerhaftigkeit: Eine prekäre Skulptur, für zehn Tage aufgebaut, belebt und danach wieder verschwunden.
Der Schriftsteller Ingo Niermann und die Künstlerin Dora García kommen nach Wiesbaden, um neue Liebes-Aktivisten für ihre „Armee der Liebe“ zu rekrutieren. Eine utopische Bewegung, die daran arbeitet, dass Liebe endlich gerecht verteilt wird.
Das Programmheft zur Wiesbaden Biennale ist gerade erschienen und liegt im Staatstheater sowie an den bekannten Vorverkaufsstellen aus. Der Vorverkauf startet am 25.4.2016.
In der dritten Saison 2016.2017 unter der Intendanz Uwe Eric Laufenbergs erwarten das Publikum in der Opernsparte zehn Neuinszenierungen und sieben Wiederaufnahmen. Das Schauspiel bietet vier Uraufführungen, eine Deutschsprachige Erstaufführung, weitere zehn Premieren und acht Wiederaufnahmen. Das Hessische Staatsballett wird fünf neue Ballettabende zeigen, von denen vier Uraufführungen sind und eine Wiederaufnahme. Im JUST werden eine Uraufführung, sechs weitere Premieren und fünf Wiederaufnahmen für Kinder und Jugendliche geboten. Darüber hinaus ist das Junge Staatsmusical mit drei Premieren und zwei Wiederaufnahmen im Programm vertreten. Neben acht Sinfoniekonzerten und sieben Kammerkonzerten ist das Hessische Staats-orchester bei Sonderkonzerten, dem Neujahrskonzert und zahlreichen Kinder- und Familienkonzerten zu erleben.
Den Spielzeitauftakt bildet die erste Ausgabe der Wiesbaden Biennale vom 25. August bis 4. September 2016 mit dem Titel »This is not Europe«. Das gesamte Programm des Festivals wird am 22. April veröffentlicht.
Oper
In der Spielzeit 2016.2017 wird Wiesbaden zur Wagner-Stadt. Die neue Spielzeit bietet eine echte Herausforderung: Von November bis April wird in einem einzigen Wiesbadener Wagner-Winter das Weltengebäude der ganzen »Ring«-Tetralogie zu errichten sein. Während der Internationalen Maifestspiele 2017 krönen dazu zwei komplette zyklische Aufführungen die »Ring«-Saison. Sowohl neue als auch erfahrene internationale Wagner-Stimmen zeichnen die Wiesbadener Tetralogie aus. Das Inszenierungsteam wird angeführt von Uwe Eric Laufenberg, der zu den Festspielen 2016 sein Bayreuth-Debüt als »Parsifal«-Regisseur gibt. Die Musikalische Leitung übernimmt der britisch-wienerische Dirigent Alexander Joel.
Eröffnet wird die Saison 2016.2017 mit Operette vom Feinsten: »Die Fledermaus« wird von Gabriele Rech inszeniert, Michael Helmrath gibt den Melodien den Walzerschwung, das Bühnen-bild entwirft Dieter Richter. Und Heute-Show-Politikerschreck Lutz van der Horst wird als Gefängniswärter Frosch diesmal das Operettenpersonal interviewen.
Mit »Die Zauberflöte« setzt Konrad Junghänel seinen Wiesbadener Mozart-Zyklus fort. Operalia-Gewinner Ioan Hotea, frisch nominiert für den London Opera Award, singt seinen ersten Tamino, Katharina Konradi als Pamina ihre erste große Mozart-Bühnenrolle. Regisseur Carsten Kochan wird mit seinem Ausstatterteam Matthias Schaller und Susanne Füller das aufklärerische Cross-over-Singspiel in Szene setzen.
Mit »Peter Grimes« kommt nach den geheimnisvollen Geschehnissen in »The Turn of the Screw« ein zweites Meisterwerk von Benjamin Britten in den Spielplan. Der spektakulär schwebende Bühnenraum von Rolf Glittenberg macht die empfindliche Balance von öffentlicher Wahrnehmung und subjektiver Wahrheit in einer Gesellschaft sichtbar, in der Lance Ryan in der Titelpartie Täter wie Opfer ist. Regie führt der Wiener Philipp M. Krenn, Albert Horne übernimmt die Musikalische Leitung.
Tschaikowskis »Eugen Onegin« wird vom russischen Regisseur Vasily Barkhatov (»Die Soldaten«) zusammen mit Daniela Musca als Dirigentin für Wiesbaden neu erarbeitet. Christopher Bolduc singt erstmals die Titelpartie. Die geheime Heldin der Oper, Tatjana, übernimmt Asmik Grigorian, die, ebenfalls bei den Londoner »Opern Oscars« nominiert, in dieser Partie kürzlich in Berlin große Aufmerksamkeit erregte.
Auch wenn Oper kein Museum sein will, sucht sie doch die Berührung mit den Bildern der Vergangenheit. Anlass für die Ausgrabung der hoch-dramatischen Drei-Personen-Barockoper »La Giuditta« von Alessandro Scarlatti ist neben der Fortsetzung unserer Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Mainz die Sonderausstellung »Caravaggios Erben« im Museum Wiesbaden.
In ihrer dritten Saison hat sich die Opernsparte des Hessischen Staatstheaters zudem eine Galerie an eigenen Wiederaufnahmen erspielt, die, teils in der Premierenbesetzung, teils mit neuen Sängern, den Spielplan bereichern.
Gastspielaufführungen aus Darmstadt mit »Carmen« werden im Austausch mit »Eugen Onegin« die erfolgreiche künstlerische Kooperation beider Staatstheater fortsetzen.
Hessisches Staatsballett
Dem Hessischen Staatsballett stehen in der dritten Saison einige wichtige Choreografinnen und Choreografen der internationalen Tanzwelt zur Seite. Wayne McGregor betrachtet menschliche Beziehungen unter der Oberfläche und blickt gleichermaßen nach innen und außen. Sein »Infra« wird gemeinsam mit einer Uraufführung von Ballettdirektor Tim Plegge und Alexander Ekmans beliebtem »Left Right Left Right« die erste Ballettpremiere der Saison feiern.
»Dreaming is good for you« ist Plegges Motto für sein Ballett»Sommernachtstraum«, das einen anarchischen Blick auf die Gesellschaft und einen bezaubernden Blick in die Untiefen unsererTraumwelten wirft. Er behandelt damit, nach »Aschenputtel«, das bereits in die dritte Spielzeit übernommen wird, und »Kaspar Hauser«, erneut einen Klassiker.
Es folgt ein Doppelabend, für den der Israeli Itamar Serussi eigens für das Ensemble eine Neu-kreation beisteuern wird.
»Transparent Cloud«, ein Stück für junges Publikum von Marguerite Donlon, das während der letzten Spielzeit in Darmstadt für ein ständig ausverkauftes Haus sorgte, feiert nun Premiere in Wiesbaden.
Mit dem neuen Format »Startbahn 2017« ermöglicht das Hessische Staatsballett Tänzerinnen und Tänzern eigene choreografische Erprobung und fordert sie auf, ein Konzept zu entwickeln, das Tanz außerhalb bekannter Sehgewohnheiten zeigt und erfahrbar macht.
Im Rahmen von »Das Hessische Staatsballett lädt ein« wurden in der Vergangenheit unter-schiedlichste Residenzarbeiten und Gastspiele präsentiert. Der Fokus liegt in dieser Saison auf Produktionen und Choreografinnen und Choreografen, die sich durch soziales Engagement auszeichnen und mitunter auch provozieren und unbequem werden.
Die Kooperation mit dem Mousonturm, der Tanzplattform Rhein-Main, nimmt konkrete Formen an und bringt neue spannende Formate in die Region, wie etwa regelmäßig stattfindende Tanz-Klubs als Fortführung von »Odyssee_21«und ein Tanz-Festival im November 2016.
Schauspiel
In der neuen Spielzeit wird die Sparte Schauspiel Fragen nach Sinnsuche, Ideologiebildung und Bedingungen gesellschaftlichen Zusammenlebens nachgehen.
Persönliche Moral im Konflikt mit rechtsstaatlichen Prinzipien untersucht Ferdinand von Schirachs »Terror«. Bedingungslose Hingabe oder radikale Austauschbarkeit in Liebesbeziehungen thematisieren Kleists »Käthchen von Heilbronn« und Schnitzlers »Reigen«. Basierend auf Heinrich Hoffmanns »Struwwelpeter« deckt »Shockheaded Peter« komödiantisch-schrill die schwarzpädagogische Ursuppe unserer Erziehung auf, während Bov Bjerg in seinem Erfolgsroman »Auerhaus« eine Gruppe junger Menschen herzzerreißend unsentimental auf die Suche nach dem Sinn ihres Lebens schickt.
Die Verquickung von Religion, Politik, Freiheit und persönlichsten Empfindungen ist ein wesentlicher Gedankenfaden der kommenden Spielzeit. Angesichts des Näherrückens einer gewalttätigen und von Fanatismus geprägten Realität ein bedrückend aktuelles Thema. In höchst unterschiedlichen Ausprägungen begegnen wir ihm in den niederländisch (-protestantischen) Freiheitskämpfen gegen die spanisch (-katholische) Herrschaft sowohl in Goethes »Egmont!« als auch in Schillers »Don Karlos«, aber auch am israelisch-palästinensischen Dauerkrisenherd: Amos Oz’ aktueller Roman »Judas« beleuchtet die Staatsgründung Israels und verknüpft die politische Dimension des Konflikts mit einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte und zugleich mit einer religionsgeschichtlichen Reflexion. Thomas Jonigks »Das Neue Testament (at)« schließlich versucht herauszufinden, welche Gültigkeit christliche Prinzipien in unserer konfliktgeladenen Gegenwart noch (oder gerade wieder?) haben.
Wie wollen wir leben – und warum so?
JUST 20 Jahre JUST (September 1996 – September 2016)
Das Junge Staatstheater Wiesbaden geht in seine 21. Spielzeit. Seit September 1996 ist in der Schauspielsparte für junges Publikum viel passiert: Insgesamt 106 Produktionen waren von »Glückspeters Reise« bis »Mio, mein Mio« zu erleben. In 2.898 Vorstellungen* fanden in allen Spielstätten und Winkeln des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden statt. Geschichten von 94 Autorinnen und Autoren, von Andersson über Ende bis Zadow wurden für 1.138.131 Zuschauerinnen und Zuschauer* von 1 bis 99 Jahren erzählt.
Auch in der Jubiläums-Spielzeit widmet sich das JUST den Themen, die bewegen, berühren, Augen, Ohr und Kopf ansprechen und das Herz weit machen. Verstärkt durch die beiden vor zwei Jahren hinzugekommen Sparten »Junges Staatsmusical« und »Theaterwerkstatt« bleibt es auch in Zukunft hochaktuell (»Jihad Baby!«), hoch- und tiefbegabt (»Rico, Oskar und das Herzgebreche«), interaktiv (»Theaterwerkstatt«), gruselig (»The Addams Family« als Musical), philosophisch (»Der kleine Prinz«), mystisch (»Lohengrin: Unterwegs mit Schwan!«) und vieles mehr.
»Der Zauberer von Oz« ist die diesjährige Weihnachtsproduktion.
*Zuschauerstatistik bis zum 29. Februar 2016
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden
Am Pult des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden werden Dirigenten stehen, mit denen aktuell in Konzert und Oper eine prägende und bereichernde Zusammenarbeit besteht: Zsolt Hamar, Generalmusikdirektor des Hessischen Staatstheaters von 2012 bis 2016, wird drei Konzerte gestalten und bleibt somit als Konzertdirigent dem Haus verbunden. Er widmet das 1. Sinfoniekonzert dem 80. Geburtstag des Wiesbadeners Hans Zender und setzt mit der 4. Sinfonie seinen Brahms-Zyklus fort. Mit dem Verdi-Requiem bringt er im traditionellen Chorkonzert ein Saison-Highlight ins Kurhaus. Im 5. Sinfoniekonzert folgt ein spätromantisches Konzertprogramm mit »Faust«-Vertonungen sowie dem Klavierkonzert von Clara Schumann (Solistin: Annika Treutler).
Vier weitere Dirigenten wechseln aus dem Graben im Opernhaus für je ein Sinfoniekonzert auf das Podium im Kurhaus: Mozart-Spezialist Konrad Junghänel mit einem Barock- und Frühklassik-Programm aus Werken von Mozart, Telemann, Händel und zwei Bach-Generationen; Michael Helmrath (Musikalische Leitung bei »Hänsel und Gretel« 2015, »Die Fledermaus« 2016) dirigiert Bruckners Meisterwerk, die 8. Sinfonie; Chordirektor Albert Horne (am Pult bei »Candide« 2014, »Madama Butterfly« 2016, »Peter Grimes« 2017) setzt mit einem Programm zum »Romeo und Julia«-Stoff besondere Akzente; Alexander Joel wird neben seinem Engagement für Wagners monumentale »Ring«-Tetralogie ein Konzert mit Dmitri Schostakowitschs 10. Sinfonie geben.
Das Hessische Staatsorchester Wiesbaden vereint in einem Klangkörper über 80 individuelle Ausnahmemusiker. Zwei von ihnen, 1. Solo-Klarinettist Heiner Rekeszus und 1. Solo-Bratschist Thomas Hoffmann, geben mit dem hinreißend-romantischen Konzert für Klarinette, Viola und Orchester von Max Bruch eine Kostprobe ihres Könnens als Solisten. Geleitet wird dieses Konzert, das als Kernstück Mahlers 1. Sinfonie bringt, von Patrick Lange, dem 2015 ein dynamisches »Holländer«-Debüt in Wiesbaden gelang.
Internationale Maifestspiele 2017
Die Internationalen Maifestspiele 2017 stehen ganz im Zeichen des »Ring des Nibelungen«: Wagners vierteiliges Hauptwerk wird, besetzt mit internationalen Starsängerinnen und -sängern, in zwei kompletten Zyklen zur Aufführung kommen. Für das Wagner-Konzert zur festlichen Eröffnung kehrt Catherine Foster gemeinsam mit Klaus Florian Vogt und René Pape zurück auf die Bühne des Großen Hauses. Mit weiteren Gala-Aufführungen der Opernproduktionen des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden sind Maria Bengtsson, Gerald Finley, Catherine Foster, Gerd Grochowski, Evelyn Herlitzius, Johannes Martin Kränzle, Hanna-Elisabeth Müller, Michael Nagy, Albert Pesendorfer und Andreas Schager zu erleben.
Der Vorverkauf für einige Veranstaltungen der Internationalen Maifestspiele 2017 beginnt bereits am 13. April 2016. Karten für alle Vorstellungen sind ab Februar 2017 erhältlich.
Ticket-Kasse im Großen Haus
Christian-Zais-Str. 3, 65189 Wiesbaden
Eingang über die Kolonnaden
Telefon 0611.132 325
Fax 0611.132 367
vorverkauf@staatstheater-wiesbaden.de
Wegen der großen Kartennachfrage hat das Hessische Staatstheater Wiesbaden eine Zusatzvorstellung der Oper »Madama Butterfly« für Samstag, den 4. Juni 2016, um 19.30 Uhr im Großen Haus eingerichtet.
Weitere Vorstellungen finden außerdem am Mittwoch, den 15. Juni, Dienstag, den 28. Juni und Montag, den 4. Juli jeweils um 19.30 Uhr statt.