Maifestspiele: Martin Schläpfers Ballett „7“ pointiert meisterhaft „die“ Ruhelosigkeit „des“ Erfolgsmenschen

Ballett am Rhein Dusseldorf Duisburg. Choreografie von Martin Schläpfer. Musik: Sinfonie Nr. 7 e-Moll von Gustav Mahler. Musikalische Leitung Wen-Pin Chien. Bühne Kostüme: Florian Etti. Licht Volker Weinhart. Hessisches Staatsorchester Wiesbaden. Foto: Gert Weigelt
Ballett am Rhein Dusseldorf Duisburg. Choreografie von Martin Schläpfer. Musik: Sinfonie Nr. 7 e-Moll von Gustav Mahler. Musikalische Leitung Wen-Pin Chien. Bühne Kostüme: Florian Etti. Licht Volker Weinhart. Hessisches Staatsorchester Wiesbaden. Foto: Gert Weigelt

Genuss im Sinne eines  klassischen Balletts kam nun wirklich nicht auf: Es gab weder einen Handlungsrahmen, noch großartige Bühnenbilder, Requisiten oder Kostüme, noch Spitzenschuh – und der Betrachter fragte sich recht bald: „Was soll dies eigentlich?“ Und eben genau diese Frage, nämlich eine Metapher auf die Sinnfrage nach der menschlichen Existenz in der Moderne, brachte Martin Schläpfers Düsseldorf-Duisburger Ballett am Rhein mit der Choreografie „7“ beim  Gastspiel am 7. und 8. Mai 2016 im Großen Haus des Wiesbadener Staatstheater bravourös auf den Punkt. Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 7 e-Moll bot den musikalisch-philosophischen Hintergrund der Inszenierung. Mahlers Sinfonie entführte in eine ruhelose, dunkle Welt ohne Auswege, hervorragend  dargeboten  in einer Bühneninterpretation vom Hessischen Staatsorchester Wiesbaden unter Leitung des eigens mitgebrachten Dirigenten Wen-Pin Chien.

Gustav Mahler (1860 – 1911) fühlte sich zeit seines Lebens getrieben, gehetzt und heimatlos – überall „ist man Eindringling, nirgends ‚erwünscht‘“. Martin Schläpfer hat Gustav Mahlers  existentielles Dilemma aufgegriffen und musikalisch aus dem „Mahler-Kosmos“ geschöpft, die Musiksprachen des Komponisten in seine Tanzsprachen adaptiert. Er hat dabei eine neu akzentuierte Dramaturgie mit collagenhafter Verknüpfung unterschiedlicher Bilder geschaffen, die die Einsamkeit menschlich entfremdeter Ruhelosigkeit moderner Hamsterrad-Menschen, Smartphone-Höriger und ewig unbefriedigter Parshipper spiegeln. Stets getrieben nach Erfolg, Anerkennung und Zugehörigkeit, nach Liebe und Verlässlichkeit bleibt die Reise des Lebens letztlich immer nur ein weltfernes einsames Getriebensein. Letztlich scheint es gar unwesentlich, ob du einen Menschen oder einen Hocker umarmst: Deine innere Leere bleibt so oder so, egal auch, wie schnell du wechselst. Bei Gustav Mahler gibt es keine Erlösung, so auch nicht in Martin Schläpfers Choreografie „7“. Zum Schluss hetzen alle TänzerInnen in Anspielung auf das Gesellschaftsspiel „ Reise nach Jerusalem“ um die im Kreise gestellten Hocker. Und selbst wer es noch einmal geschafft hat, seinen Platz zu finden, weiß nicht für wie lange, und ob er in der nächsten Runde nicht aus dem Spiel ist.

Diether v. Goddenthow