Kategorie-Archiv: Buchkultur

Robert Gernhardt Preis 2023 geht an Ulrike Almut Sandig und Leona Stahlmann Roman und Erzählung im Entstehen mit hessischem Literaturpreis ausgezeichnet

Wiesbaden. Ulrike Almut Sandig und Leona Stahlmann erhalten den Robert Gernhardt Preis 2023. Diese Entscheidung der Jury hat Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn heute bekannt gegeben. Den Preis loben das Land Hessen und die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank) gemeinsam aus. Die Preisträgerinnen teilen sich das von der WIBank gestiftete Preisgeld in Höhe von 24.000 Euro.

„Ich gratuliere Ulrike Almut Sandig und Leona Stahlmann herzlich zum Robert Gernhardt Preis 2023 und wünsche ihnen, dass die Auszeichnung ihnen dabei hilft, die im Entstehen begriffenen Texte zu vollenden“, erklärt Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn. „Beide Frauen präsentieren uns den weiblichen Blick auf die Herausforderungen unserer Zeit, von der Klimakrise bis zur gesellschaftlichen Spaltung – unglaublich facettenreich, experimentell und überraschend: Ulrike Almut Sandig, in Dresden geboren, führt uns auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs, in die Zeit, als er längst Löcher hatte; spannend ist zudem, wie sie Poesie und Klangperformance miteinander verknüpft. Leona Stahlmann verwebt in ihren Texten Sprache, Handlung und philosophische Gedanken zu Gesamtkunstwerken, die uns aufgewühlt zurücklassen.“

„Der Robert Gernhardt Preis wird 2023 zum 15. Mal verliehen. Mich erfüllt die Auszeichnung jedes Jahr aufs Neue mit Dankbarkeit und Vorfreude. Dankbar bin ich dafür, dass die WIBank mit ihrem Preisgeld einen Beitrag zu kreativen Schaffensprozessen und kultureller Vielfalt leisten kann. Anlass für meine Vorfreude sind die großartigen Exposés, die auch in diesem Jahr auf einen intensiven Lesegenuss der finalisierten Werke hindeuten. Ich gratuliere den Gewinnerinnen von Herzen und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg“, sagt Dr. Michael Reckhard, Mitglied der WIBank-Geschäftsleitung.

Ulrike Almut Sandig wird für ihr Romanprojekt „Die Düne“ ausgezeichnet. Darin erzählt sie von einer Familie in einer postsowjetischen Großstadt, in der nichts für immer verschwindet – auch nicht die Angst. In einer leichten, zwanglos wirkenden Sprache, so die Jury, entwickele Sandig mit großem Können spannende Charaktere und eine phantastisch-unheimliche Atmosphäre. Sandig, Jahrgang 1979, wuchs in Dresden auf und lebt in Berlin. Sie verfasst Lyrik, Prosa und Hörspiele und brachte ihren ersten Roman „Monster wie wir“, der in den späten Jahren der DDR spielt, 2020 heraus. Gemeinsam mit dem ukrainischen Dichter und Musiker Grigory Semenchuk betreibt sie das Bandprojekt Landschaft und arbeitet an Nachdichtungen aus dem Ukrainischen. Ihre Bücher erscheinen seit 2010 im Frankfurter Schöffling-Verlag.

Leona Stahlmann erhält den Preis für ihre Erzählung „Siebeninselsommer“. Das Projekt widmet sich der Beziehung zwischen einer Mutter und einer Tochter, die in unterschiedlichen Welten und sozialen Verhältnissen leben. Zwischen einem Haus an einem bayerischen See und einer Tankstelle im Norden von Island entsteht eine Spannung, die weit über das Persönliche hinausgeht. „Leona Stahlmann zeigt in einer ruhigen Sprache, wie festgefügte Verhältnisse ins Wanken geraten“, lobt die Jury. Leona Stahlmann, Jahrgang 1988, ist in Fulda geboren und aufgewachsen. Sie lebt als freie Schriftstellerin und Drehbuchautorin am Staffelsee. Ihre Arbeit wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, zuletzt mit einer Nominierung für den Ingeborg Bachmann-Preis 2022.

Um den Robert Gernhardt Preis 2023 konnten sich Autorinnen und Autoren bewerben, die aktuell an einem größeren literarischen Projekt arbeiten und einen Bezug zu Hessen im Lebenslauf oder im geplanten literarischen Projekt haben. Der Preis wird am 14. September 2023 in Frankfurt verliehen. Informationen zum Preis finden Sie unter  http://www.robert-gernhardt-preis.de

„Acht Orte – Acht Autor’innen“ – Frankfurter Architektur literarisch erleben. Kooperation des Deutschen Architekturmuseums und des Literaturhauses Frankfurt

Autorin Anna Yeliz Schentke, die 2022 mit  „Kangal“ im S. Fischer Verlag debütiert und es  auf die Longlist des Deutschen Buchpreises schaffte, wird ihr ganz besonderes Verhältnis zu den Paternostern im I.G. Farbengebäude der Goethe-Universität literarisch aufgreifen, "einem Ort, der sich fast ein wenig anfühlt, als sei die Zeit stehen geblieben."  © Foto Diether von Goddenthow
Autorin Anna Yeliz Schentke, die 2022 mit „Kangal“ im S. Fischer Verlag debütierte und es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises schaffte, wird ihr ganz besonderes Verhältnis zu den Paternostern im I.G. Farbengebäude der Goethe-Universität literarisch aufgreifen, „einem Ort, der sich fast ein wenig anfühlt, als sei die Zeit stehen geblieben.“ © Foto Diether von Goddenthow

Initiiert vom Literaturhaus Frankfurt und dem Deutschen Architekturmuseum Frankfurt und  inspiriert von acht bedeutsamen Frankfurter Orten, werden acht deutschsprachige Autorinnen und Autoren fortlaufend bis Ende September 2024 acht literarische Texte verfassen und im Deutschen Architekturmuseum zu Lesungen mit vorherigen Ortserkundungen einladen. Die Abschlussveranstaltung mit allen Autorinnen und Autoren und Präsentation ihres Sammelbandes findet dann im März 2025 im Literaturhaus Frankfurt statt.

Die ins literarische Fadenkreuz geratenen  Orte reichen von der Jahrhunderthalle ganz im Westen Frankfurts bis zur Riederwaldsiedlung im Frankfurter Osten, von allseits bekannten, nahezu auratischen Orten wie der Kleinmarkthalle oder dem Nitribitt-Haus zu weniger vertrauten und noch weitgehend unbeschriebenen Plätzen wie dem Europa-Viertel, vom kleinen Kristallisationspunkt Paternoster im I.G. Farben-Haus zum vielschichtigen Bahnhofsviertel. Bei Konzeption und Inhalte der Texte sind die Autoren frei. Einzige Vorgabe war, dass die Ausführungen jeweils ungefähr eine Vorlesezeit von 20 Min füllen sollen. Es werden bei den Lesungen dann jeweils zwei Autoren ihre Texte präsentieren.

Hauke Hückstädt, Leiter des Frankfurter Literaturhauses, Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architektur-Museums, und Oliver Elser, Kurator des Deutschen Architekturmuseums, stellten gestern das literarische Kooperationsprojekt „Acht Orte – Acht Autor*Innen“ vor. Mit diesem Projekt, so Hückstädt, „wollen wir Kultur unterhaltsam vermitteln“. Denn man fände es eine sehr spannende Idee, architektonische Orte auch einmal „literarisch zugänglich zu machen“, sagte Schmal. So soll ein Dialog zwischen Ort und Autoren, zwischen Stadt und Betrachtern eröffnet werden. „An dem Projekt reizt mich die Möglichkeit der literarischen Auseinandersetzung mit einer mir bekannten Umgebung im urbanen Raum, der für mich bisher in erster Linie einen funktionalen Charakter hatte“, unterstrich die Frankfurter Autorin Anna Yeliz Schentke, die als erste Autorin ihren Text bereits in ein paar Wochen vorlegen muss, damit genügend Vorlauf bis zur ersten Lesung am 22.11.2023 in dieser neuen „Acht-Orte“-Reihe bleibt. Die anderen sieben Autoren sind Zsuzsa Bánk, Britta Boerdner, Jan Brandt, Amanda Lasker-Berlin, Eckhart Nickel, Jakob Nolte undManja Präkels.

„Das Architekturmuseum ist ein Wissensspeicher voller Geschichten und Erfahrungen. Wir haben unsere Best-of-Liste der für uns interessantesten Orte der Stadt zusammengestellt, jetzt freuen wir uns auf die Reaktionen der Autor*innen. Von denen einige ihre eigenen Favoriten mitgebracht haben“, sagt Oliver Elser. Ihre literarischen Ortsbetrachtungen präsentieren die Autorinnen und Autoren in vier Premierenlesungen zwischen November 2023 und September 2024 im DAM. Besonders spannend dabei ist zudem: Jede Veranstaltung beginnt gegen 18.30 Uhr mit einer gemeinsamen Busfahrt zu den ausgewählten Orten. Man kann aber auch ohne Exkursion direkt zur Lesung gegen 19.30 Uhr ins DAM  kommen. „Mit Literatur erreicht man Stellen, da kommt man mit dem Internet gar nicht ran. Mit den Autorinnen und Autoren, die wir für ACHT ORTE gewinnen konnten, kurven wir gemeinsam mit dem Bus durch Frankfurt und schauen auf Reizendes dieser Stadt“, so Hauke Hückstädt.

Im Frühjahr 2025 erscheinen alle Texte der „ACHT ORTE“ in einer Publikation bei Henrich Editionen. Die Buchpremiere mit allen Autoren und Autorinnen findet zum Abschluss des Projekts am 4. März 2025 im Literaturhaus statt.

Veranstaltungsvorschau:

ACHT ORTE im Deutschen Architekturmuseum:
22.11.2023 DAM Ostend
Eckhart Nickel – Campus Bockenheim
Anna Yeliz Schentke – Paternoster I.G. Farben-Haus

30.01.2024 DAM Ostend
Amanda Lasker-Berlin – Riederwaldsiedlung
Jakob Nolte – Kleinmarkthalle

23.04.2024 DAM Ostend
Zsuzsa Bánk – Bar in der Jahrhunderthalle
Britta Boerdner – Europaviertel

10.09.2024 DAM Museumsufer
Jan Brandt – Nitribitt-Haus
Manja Präkels – Bahnhofsviertel

Veranstaltungen im DAM: Start der Bustour: 18 Uhr // Veranstaltungsbeginn: 19.30 Uhr

Buchpremiere im Literaturhaus Frankfurt:
04.03.2025, 19.30 h: Epilog und Premiere: Das Buch ACHT ORTE und die acht Autor*innen

Karten für alle Veranstaltungen unter www.literaturhaus-frankfurt.de. Der VVK läuft!
Kombiticket Bustour & Veranstaltung: 14 / 10 Euro // Veranstaltungsticket: 9 / 6 Euro

Salman Rushdie erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2023

Sir Ahmed Salman Rushdie ist ein indisch-britischer Schriftsteller. Er gehört zu den bedeutendsten anglo-asiatischen Vertretern der zeitgenössischen englischen Literatur. © Foto Diether von Goddenthow
Sir Ahmed Salman Rushdie ist ein indisch-britischer Schriftsteller. Er gehört zu den bedeutendsten anglo-asiatischen Vertretern der zeitgenössischen englischen Literatur. © Foto Diether von Goddenthow

Der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat den in Mumbai (Indien) geborenen Schriftsteller Salman Rushdie zum diesjährigen Träger des Friedenspreises gewählt.

In der Begründung des Stiftungsrats, dessen Vorsitzende Börsenvereins-Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs ist, heißt es:
„Seit seinem 1981 erschienenen Meisterwerk ,Mitternachtskinder‘ beeindruckt Salman Rushdie durch seine Deutungen von Migration und globaler Politik. In seinen Romanen und Sachbüchern verbindet er erzählerische Weitsicht mit stetiger literarischer Innovation, Humor und Weisheit. Dabei beschreibt er die Wucht, mit der Gewaltregime ganze Gesellschaften zerstören, aber auch die Unzerstörbarkeit des Widerstandsgeistes Einzelner. Weil der iranische Ajatollah Chomeini 1989 eine Fatwa gegen ihn ausgesprochen hat, lebt Salman Rushdie in ständiger Gefahr. Dennoch ist er nach wie vor einer der leidenschaftlichsten Verfechter der Freiheit des Denkens und der Sprache – und zwar nicht nur seiner eigenen, sondern auch der von Menschen, deren Ansichten er nicht teilt. Unter hohen persönlichen Risiken verteidigt er damit eine wesentliche Voraussetzung des friedlichen Miteinanders. Kurz vor Veröffentlichung seines jüngsten Romans ,Victory City‘ wurde er im August 2022 Opfer eines Mordanschlags. Trotz massiver körperlicher und psychischer Folgen, mit denen er noch immer ringt, schreibt er weiter: einfallsreich und zutiefst menschlich. Wir ehren Salman Rushdie für seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert.“

Salman Rushdie, der heute, am Tag der Verkündung, seinen 76. Geburtstag feiert, zu der Entscheidung: „Ich fühle mich sehr geehrt und bin dankbar für diese wichtige Auszeichnung. Ich kann der Jury nur für ihre Großzügigkeit danken. Ich weiß, wie bedeutsam dieser Preis ist, und ich bin ein wenig eingeschüchtert von der Liste der bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger, zu der sich mein Name nun gesellen wird. Ich freue mich wirklich sehr.

Sir Salman Ahmed Rushdie, geboren am 19. Juni 1947 in Bombay (heute Mumbai, Indien), gehört zu den bedeutendsten Schriftsteller*innen der englischsprachigen Gegenwartsliteratur. Seine Romane, die in über 40 Sprachen übersetzt wurden, verknüpfen häufig magischen Realismus mit historischer Fiktion. Sie handeln von Verbindungen, Migration und Brüchen zwischen östlichen und westlichen Zivilisationen und sind oft auf dem indischen Subkontinent angesiedelt. Rushdie schreibt neben Romanen auch Kurzgeschichten, Reiseberichte, Essays und journalistische Beiträge.

Darstellungen des Propheten Mohammed in Rushdies viertem Roman „Die Satanischen Verse“ nahm der damalige Oberste Führer des Iran, Ruhollah Chomeini, 1989 zum Anlass, den Schriftsteller mittels einer Fatwa zum Tode zu verurteilen. Rushdie und sein berufliches Umfeld wurden seitdem zum Gegenstand zahlreicher Morddrohungen und Attentate durch Extremisten. Er selbst lebte jahrzehntelang unter Polizeischutz im Untergrund. Wirkungsvoll beteiligt er sich an Debatten über Zensur, Meinungsfreiheit und religiös motivierte Gewalt. Er setzt sich in seinem Schaffen für die friedliche Koexistenz von Kulturen ein.

Von 2004 bis 2006 war Rushdie Präsident des PEN American Center und anschließend für zehn Jahre Vorsitzender des PEN World Voices International Literary Festival. Für sein literarisches Schaffen und sein gesellschaftliches Engagement wurde Salman Rushdie mit zahlreichen internationalen Preisen bedacht. Im Jahr 2007 erhob Queen Elizabeth II. den Schriftsteller als Knight Bachelor in den Ritterstand.

Kurz nach der Vollendung seines Romans „Victory City“ wurde Salman Rushdie am 12. August 2022 bei einer Veranstaltung im Bundesstaat New York von einem Angreifer auf der Bühne niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Rushdie überlebte, verlor aber ein Auge, und seine Schreibhand blieb nachhaltig beeinträchtigt. Die Veröffentlichung von „Victory City“ Anfang 2023, einer matriarchalischen Utopie, die Themen wie Machtmissbrauch und Liebe behandelt und vom Aufstieg und Fall einer wundersamen Stadt berichtet, erhielt angesichts des Attentats eine zusätzliche, in die heutige Realität weisende bedrückende Dimension.

Anfang Juni 2023 kündigte Salman Rushdie an, ein Buch über das auf ihn verübte Attentat schreiben zu wollen.

Dem Stiftungsrat gehören an: Klaus Brinkbäumer, Prof. Dr. Raphael Gross, Prof. Dr. Moritz Helmstaedter, Dr. Nadja Kneissler, Prof. Dr. Ethel Matala de Mazza, Prof. Bascha Mika, Dr. Mithu Sanyal, Christiane Schulz-Rother sowie Karin Schmidt-Friderichs.

Die Verleihung des Friedenspreises findet am Sonntag, 22. Oktober 2023, in der Frankfurter Paulskirche statt und wird live um 11 Uhr im ZDF übertragen. Der Friedenspreis wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert.

Weitere Informationen sind abrufbar unter www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de.

Der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2023, Slowenien präsentiert spannendes Literatur- u. Kulturprogramm „Waben der Worte“


Slowenien, das Land zwischen Alpen, Adria und der Pannonischen Tiefebene, rund 700 Jahre unter den Habsburgern, später Jugoslawien zugeschlagen, seit 1991 unabhängig, seit 2004 EU-Mitglied,  ist nicht nur ein literatur- und kulturstarkes Land mit der höchsten Zahl von Buch-Neuerscheinungen pro Einwohner. Slowenien ist in diesem Jahr auch  Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2023 (18.-22. Oktober), und das dürfte ein Glücksfall sein. Denn Slowenien, das Durchreise- und Nachbarland von Kroatien, Österreich und Italien, wurde so auch zum einem Knotenpunkt von vier europäischen Sprachgruppen, nämlich den slawisch-slowenischen, den romanischen, germanischen und finno-ugrischen Sprachgruppen. An diesem einzigartigen europäischen Schnittpunkt von Sprachen und Kulturen haben Dramatiker, Dichter, Schriftsteller, Journalisten, Lehrer, Priester und alle, die Slowenisch schreiben und sprechen, im Laufe der Jahrhunderte ihre Sprache zu einem dynamischen Kommunikationsmittel geformt. Dabei sprechen relativ wenige Menschen Slowenisch, sie seien mehrsprachig,  aber man könne in dieser Sprache Liebessonette, Kriminalromane und Romane schreiben oder über Quantenmechanik und Psychoanalyse diskutieren, so, Katja Stergar, Direktorin der Slowenischen Buchagentur JAK, die auf der gestrigen Pressekonferenz gemeinsam mit den Kuratoren Matthias Göritz, Miha Kovač und Amalija Maček einen Einblick in die Themen und Highlights des slowenischen Ehrengastauftritts auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse gab. Der slowenische Architekt Jure Sadar stellte das Konzept und Design des Ehrengast-Pavillons vor.

Von links nach rechts: Matthias Göritz, Juergen Boos, Amalija Maček, Miha Kovač, Katja Stergar, Jure Sadar und Torsten Casimir © Foto Diether von Goddenthow
Von links nach rechts: Matthias Göritz, Juergen Boos, Amalija Maček, Miha Kovač, Katja Stergar, Jure Sadar und Torsten Casimir © Foto Diether von Goddenthow

Die Idee hinter dem Motto „Waben der Worte“
Aufgrund der geringen Anzahl Slowenisch sprechender Menschen und der Durchzugslage waren slowenische Intellektuelle und Schriftsteller traditionell mehrsprachig, und viele von ihnen schrieben auch in mindestens einer Fremdsprache. „Daher unsere Begeisterung für Waben der Worte: So wie die Bienen – angesichts ihrer Größe – unermesslich weit in die Welt hinausfliegen, um mit einem Tropfen Nektar und einem Pollenkorn heimzukehren, so kamen auch verschiedene kulturelle, künstlerische und intellektuelle Einflüsse in die slowenische Sprache und die slowenische Kultur mit zahlreichen Übersetzungen. Dazu kamen noch die Beiträge von Autoren, die von anderswo nach Slowenien kamen, um hier zu leben.

Amalija Maček,Dozentin an der Philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana © Foto Diether von Goddenthow
Amalija Maček,Dozentin an der Philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana © Foto Diether von Goddenthow

Diese Einflüsse haben die in der slowenischen Sprache schreibenden Autoren in eine vielfältige, aber gleichzeitig einzigartige, dynamische und originelle Welt geformt. So entstand eine Kultur, die die europäische Vielfalt widerspiegelt und zugleich einzigartig und originell ist. Es ist eine eigenständige Zelle, die weiß, dass sie ihre Existenz und Entwicklung der Eingebundenheit in die Wabe der Menschheit verdankt,“ erklärt Amalija Maček, Dozentin an der Philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana, wo sie Dolmetschen und Übersetzen aus dem Deutschen ins Slowenische unterrichtet. Sie ist akkreditierte Konferenzdolmetscherin und Literaturübersetzerin. Und sie fügt hinzu: „Slowenien wirkt klein und marginal, so wie auch Bienen auf den ersten Blick klein und marginal erscheinen.
Doch bei beiden trügt der Schein: Die Welt ist groß, schön und bunt, vor allem dank marginaler Lebewesen und Kulturen.“

„Nachbarn auf der Wolke“

Matthias Göritz Autor, Übersetzer und Literaturdozent © Foto Diether von Goddenthow
Matthias Göritz Autor, Übersetzer und Literaturdozent © Foto Diether von Goddenthow

Aufgrund seiner Lage war (gute) Nachbarschaft in Slowenien stets ein zentrales Thema, was den mehrfach preisgekrönten Autor, Übersetzer und Literaturdozent Matthias Göritz mit solwenischen Kollegen während einer Bahnfahrt auf die Idee zu dem Werk „Nachbarn auf der Wolke“ brachte: Vom avantgardistischen Genie Srečko Kosovel, der bereits Anfang des 20. Jahrhunderts die Krise Europas prophezeite, über den katholischen Partisanen Edvard Kocbek, bis hin zur Poesie der jungen Lyrikszene, die zwischen Techno und grenzüberschreitenden
Revolutionen ihren Ausdruck findet, sind in dieser umfassenden Anthologie „Mein Nachbar auf der Wolke“ (Hanser) die wichtigsten Stimmen der slowenischen Lyrik von der Jahrhundertwende bis in unsere Tage versammelt. Für sie wurde eine gute Nachbarschaft in Gedanken (Seelenverbundenheit über dogmatische Grenzen hinweg) oftmals zu einer regelrechten Überlebensstrategie. Göritz, gleich mit einem ganzen Koffer spannender slowenischer Publikationen und Kulturhinweisen angereist, präsentierte das Werkt in diesen Tagen erschiene Werk.

Flucht in die Literatur

Miha Kovač, Professor für Buchwissenschaft an der Universität Ljubljana © Foto Diether von Goddenthow
Miha Kovač, Professor für Buchwissenschaft an der Universität Ljubljana © Foto Diether von Goddenthow

Slowenien präsentiere sich in Frankfurt als ein modernes, kulturell entwickeltes, politisch dynamisches und touristisch attraktives Land mit einer reichen Buchkultur. Diese habe in Slowenien eine lange und wichtige Tradition, was auch damit bezeugt wird, dass auf den „nationalen“ Euromünzen zwei wichtige slowenische Persönlichkeiten dargestellt seien, die beide eng mit Büchern verbunden sind: Primož Trubar (ein Priester), der Autor des ersten slowenischen Buches, der im 16. Jahrhundert wirkte, und France Prešeren, ein ausgezeichneter Dichter, Hüter der slowenischen Sprache, ansonsten Kritiker des slowenischen Provinzialismus, der die zentrale slowenische Figur des 19. Jahrhunderts war. Aufgrund der politischen Situation Österreichs/ Österreich-Ungarns und Jugoslawiens (insbesondere des zweiten sozialistischen Jugoslawiens) beschäftigten sich im größten Teil der slowenischen Geschichte die talentiertesten, besten slowenischen Intellektuellen lieber mit Literatur bzw. Kultur als mit Politik, unterstrich Miha Kovač, Professor für Buchwissenschaft an der Universität Ljubljana und slowenischer Kurator.

Das slowenische Literatur- und Kulturprogramm „Waben der Worte“

Katja Stergar, Direktorin der Slowenischen Buchagentur JAK © Foto Diether von Goddenthow
Katja Stergar, Direktorin der Slowenischen Buchagentur JAK © Foto Diether von Goddenthow

Mit 70 slowenischen Autoren und Autorinnen, die nach Frankfurt kommen, ist die Liste der Anreisenden lang. Unter dem Motto „Waben der Worte“ werden sie sich auf der Buchmesse und in umfangreichen Rahmenprogrammen in Kooperation mit 30 renommierten Frankfurter Kulturinstitutionen den internationalen Fachbesuchern und deutschen Lesern im Oktober präsentieren. „Es sind mehr Frauen als Männer“, die kommen, sagt Katja Stergar augenzwinkernd, als käme es bei guter Literatur auf die Geschlechterfrage an.
Beispielsweise lädt die SCHIRN Kunsthalle die slowenische bildende Künstlerin Maruša Sagadin ein, um neue Arbeiten von ihr zu zeigen. Das Deutsche Romantik-Museum zeigt eine Kabinettausstellung zu France Prešeren. Im Fotografie Forum Frankfurt wird ausgewählte Fotokunst aus Slowenien ausgestellt. Das Ensemble Modern präsentiert im September und Oktober slowenische zeitgenössische Musik. Kurz vor der Frankfurter Buchmesse lädt die Villa Clementine in Wiesbaden zum Wochenende der slowenischen Literatur, während das Ensemble Modern am 7. Oktober 2023 in der Alten Oper Frankfurt einen Einblick in die überraschend vielfältige Neue-Musik-Szene Sloweniens gibt. Am 19. Oktober gibt die slowenische Band Laibach ein exklusives Deutschlandkonzert in der Frankfurter Jahrhunderthalle. In Kooperation mit dem iranischen Kollektiv a/political präsentieren sie die Geschichte von „Alamut“, das auf einer berühmten Erzählung aus dem Persien des elften Jahrhunderts basiert; das gleichnamige Buch von Vladimir Bartol ist in Slowenien ein Bestseller.

Die Partner des kulturellen Programms des Ehrengastes der Frankfurter Buchmesse 2023 (in alphabetischer Reihenfolge):
Archäologisches Museum Frankfurt, Batschkapp, Deutsches Filminstitut und Filmmuseum DFF, Deutsches Romantik-Museum, Ensemble Modern, Fotografie Forum Frankfurt, Goethe-Institut Ljubljana, Haus am Dom, Internationales Theater Frankfurt, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Kulturamt der Stadt Frankfurt, Kunstverein Familie Montez, Literaturhaus Kiel,  Literaturhaus Wiesbaden, Lyrik Kabinett München, MEK Berlin, Museum für Kommunikation Frankfurt, Künstler*innenhaus Mousonturm, Musil-Haus Klagenfurt, Portikus, Romanfabrik, SCHIRN Kunsthalle, Skica Berlin, Skica Wien, Stadtbücherei Frankfurt (Programm in verschiedenen Bibliotheken), Struwwelpeter Museum, Wiesbaden Stadtgalerie

Slowenischer Ehrengast-Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse

Entwurf des Slowenischen  Ehrengast-Pavillons auf der Frankfurter Buchmesse 2023 © Jure Sadar
Entwurf des Slowenischen Ehrengast-Pavillons auf der Frankfurter Buchmesse 2023 © Jure Sadar

Der Slogan des Ehrengasts Slowenien „Satovje besed“ („Waben der Worte“), der die Idee der Vernetzung, der Inklusivität und des Ideenaustauschs in Bezug auf Wissen, Kultur und Literatur verkörpere, sei in die räumliche wie kreative Gestaltung des slowenischen Ehrengast-Pavillons eingeflossen, sagte Jure Sadar, dessen Studio Sadar (Architektur- und Designbüro mit Sitz in Ljubljana) bei seiner Präsentation. „Der Pavillon ist räumlich in den offenen Raum der Ausstellungshalle und in halbtransparente Auditorien unterteilt. Diese befinden sich in den Ecken der Halle, während der offene Teil auf das natürliche Licht und die Aussicht ausgerichtet ist und so Teil des Erlebnisses wird.

Jure Sadar, gründete 2021 das Architektur- und Designbüro mit Sitz in Ljubljana © Foto Diether von Goddenthow
Jure Sadar, gründete 2021 das Architektur- und Designbüro mit Sitz in Ljubljana © Foto Diether von Goddenthow

Beim Betreten sehen die BesucherInnen nur einen Teil des Raumes, was die Neugierde wecken soll, die vielfältige Buchlandschaft Sloweniens zu erkunden. Tagsüber vermittelt der natürlich beleuchtete Pavillon den Eindruck einer riesigen Bücherlandschaft, während am späten Nachmittag und am Abend intimere Ecken mit künstlichem Licht entstehen. Der Weg durch den offenen Teil des Pavillons wird von „Wald“-Bücherregalen, „Open Book“-Elementen und „Canyon“-Sitzen bestimmt. Diese Elemente sind von den slowenischen Naturlandschaften inspiriert.“ Im Mittelpunkt des Pavillons stünden die Ausstellung „Books on Slovenia“, die auch hängende Kunstwerke enthielte, um ein einzigartiges und unvergessliches Erlebnis zu schaffen.

Hintergrund-Infos:

Über den Ehrengast 2023 Slowenien
Slowenien ist 2023 Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Organisatorin des Gastlandauftritts ist die slowenische Buchagentur JAK. Finanziert wird der Gastlandauftritt von der Republik Slowenien und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Die Frankfurter Buchmesse, die 2023 vom 18. bis zum 22. Oktober stattfindet, ist die weltgrößte Fachmesse für das Publishing. Das Gastland präsentiert seine Literatur und Kultur auf der Messe, in der Stadt Frankfurt und an vielen weiteren Orten in Deutschland. Sloweniens Ehrengastauftritt steht unter dem Motto „Waben der Worte“.

Über die Frankfurter Buchmesse
Die Frankfurter Buchmesse ist die größte Fachmesse für das internationale Publishing und ein branchenübergreifender Treffpunkt für Player aus den Bereichen Bildung, Filmwirtschaft, Games, Wissenschaft und Fachinformation. Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildet seit 1976 der jährlich wechselnde Ehrengast, der dem Messepublikum auf vielfältige Weise seinen Buchmarkt, seine Literatur und Kultur präsentiert. Die Frankfurter Buchmesse organisiert die Beteiligung deutscher Verlage an internationalen Buchmessen und veranstaltet ganzjährig Fachveranstaltungen in den wichtigen internationalen Märkten. Die Frankfurter Buchmesse ist ein Tochterunternehmen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. https://www.buchmesse.de/

Land und Hessischer Literaturrat vergeben Vor-Ort-Stipendien an Autorinnen und Autoren Inspiration im Ausland oder im ländlichen Raum Hessens

Wiesbaden. Das Land Hessen vergibt für die zweite Jahreshälfte 2023 insgesamt sechs Aufenthaltsstipendien an Autorinnen und Autoren mit Hessenbezug. Dabei geht es beim Programm „Hessisches Literaturstipendium – Schriftstelleraustausch mit hessischen Partnerregionen“ nach Litauen, Tschechien und Frankreich, bei „Land in Sicht – Autorenresidenzen im ländlichen Raum“ in hessische Regionen. Beschreibungen der Stipendien, Ausschreibungskriterien und Bewerbungsfristen gibt es auf der Website des Hessischen Literaturrats.

„Neue Umgebung, neue Menschen – und damit neue Impulse für das künstlerische Schaffen: Mit den Vor-Ort-Stipendien können Autorinnen und Autoren einen großen Sprung nach vorn machen“, erklärt Hessens Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn. „Wir ermöglichen ihnen mit unseren Stipendien für ein bis zwei Monate den Aufenthalt im Ausland oder im ländlichen Raum, um dort zu leben, zu schreiben und ins Gespräch kommen zu können. So können sie ihre kreativen Potenziale entfalten und sich auf ihr Schaffen konzentrieren.“

Das Hessische Literaturstipendium bietet zwei einmonatige Stipendien in Vilnius (Litauen) und Prag (Tschechien) sowie ein zweimonatiges Stipendium in der Nouvelle-Aquitaine (Frankreich); alle sind mit jeweils 2.000 Euro im Monat vergütet. Das Programm „Land in Sicht“ sieht drei zweimonatige Stipendien in Bad König im Odenwaldkreis, in Lorch im Rheingau-Taunus-Kreis und in Hofgeismar im Landkreis Kassel vor. Hier bekommen die Stipendiatinnen und Stipendiaten 2.500 Euro im Monat. Auch Unterkunft und Reisekosten gehören bei allen Stipendien jeweils zum Paket.

Deutscher Sachbuchpreis: Ein Hof und elf Geschwister Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben in Deutschland

Preisträger Ewald Frie (mit Buch) und seine Geschwister © Daniel Müller
Preisträger Ewald Frie (mit Buch) und seine Geschwister © Daniel Müller

Der Gewinner des Deutschen Sachbuchpreises 2023 ist Ewald Frie. Er erhält die Auszeichnung für sein Werk „Ein Hof und elf Geschwister. Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben in Deutschland“ (Verlag C.H.Beck).

Die Begründung der Jury:

„Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben geschieht überall. Eine persönliche und überraschende Perspektive auf diesen Veränderungsprozess nimmt Ewald Frie ein: Am Beispiel seiner Familie aus dem Münsterland beschreibt er Spannungen, die sich zwischen Stadt und Land entwickelt haben und uns gegenwärtig intensiv beschäftigen. In seiner verblüffend einfachen und zugleich poetischen Sprache schafft Frie Zugang zu einer Welt im Wandel – immer empathisch, aber nie nostalgisch. Auf der Basis von Interviews mit seinen Geschwistern hat Ewald Frie ein tiefes und gleichzeitig zugängliches und unterhaltsames historisches Sachbuch verfasst. Diese Alltagsgeschichte geht von leicht zu übersehenden Details aus und entwickelt große Gedanken. Ein inspirierendes Beispiel für innovative Geschichtsschreibung.“

Der Jury für den Deutschen Sachbuchpreis 2023 gehören an: Julika Griem (Kulturwissenschaftliches Institut Essen), Stefan Koldehoff (Deutschlandfunk), Michael Lemling (Buchhandlung Lehmkuhl), Markus Rex (Alfred-Wegener-Institut), Jeanne Rubner (Technische Universität München), Adam Soboczynski (Die ZEIT) und Mirjam Zadoff (NS-Dokumentationszentrum München).

„Der Deutsche Sachbuchpreis hat sich als wichtige Plattform für Sachbücher und die Themen der Zeit etabliert. Die von der Jury nominierten Titel sind ein Panoptikum aktuell relevanter Fragen. Sie zeigen mir auf, wo meine Weltsicht und mein Wissen Unterfütterung brauchen. Hier wird unsere Selbstverpflichtung als Buchbranche deutlich: Wir möchten vielfältige und qualitativ hochwertige Inhalte anbieten und Neugier und Interesse wecken, damit sie gerne geteilt werden“, sagte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, bei der Preisverleihung.

Für die Auszeichnung waren außerdem nominiert: Omri Boehm: Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität (Propyläen Verlag), Teresa Bücker: Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit (Ullstein), Judith Kohlenberger: Das Fluchtparadox. Über unseren widersprüchlichen Umgang mit Vertreibung und Vertriebenen (Verlag Kremayr & Scheriau), Meron Mendel: Über Israel reden. Eine deutsche Debatte (Verlag Kiepenheuer & Witsch), Hanno Sauer: Moral. Die Erfindung von Gut und Böse (Piper Verlag), Martin Schulze Wessel: Der Fluch des Imperiums. Die Ukraine, Polen und der Irrweg in der russischen Geschichte (Verlag C.H.Beck), Elisabeth Wellershaus: Wo die Fremde beginnt. Über Identität in der fragilen Gegenwart (Verlag C.H.Beck).

Frie erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die sieben Finalist*innen erhalten jeweils 2.500 Euro. Der Preisträger wurde in mehreren Auswahlstufen ermittelt. Die sieben Jurymitglieder haben seit Ausschreibungsbeginn 231 Titel gesichtet, die ab Mai 2022 erschienen sind. Aus diesen Sachbüchern hat die Jury eine acht Titel umfassende Nominierungsliste zusammengestellt. Die Preisverleihung fand im Kleinen Saal der Elbphilharmonie in Hamburg statt. Der Stream der Veranstaltung ist online abrufbar.

Mit dem Deutschen Sachbuchpreis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels das Sachbuch des Jahres aus. Ausgezeichnet wird ein herausragendes Sachbuch in deutschsprachiger Originalausgabe, das Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung gibt.

Hauptförderer des Preises ist die Deutsche Bank Stiftung, darüber hinaus unterstützen die Stadt Hamburg und die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius die Auszeichnung. Schirmfrau ist Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

Zum Buch:

Frie, Ewald: Ein Hof und elf Geschwister. Beck-Verlag, München 2023 191 Seiten. Hardcover 23,00 €,ISBN 978-3-406-79717-0
Frie, Ewald: Ein Hof und elf Geschwister. Beck-Verlag, München 2023 191 Seiten. Hardcover 23,00 €,ISBN 978-3-406-79717-0

Die stolze bäuerliche Landwirtschaft mit Viehmärkten, Selbstversorgung und harter Knochenarbeit ist im Laufe der Sechzigerjahre in rasantem Tempo und doch ganz leise verschwunden. Ewald Frie erzählt am Beispiel seiner Familie von der großen Zäsur. Mit wenigen Strichen, anhand von vielsagenden Szenen und Beispielen zeigt er, wie die Welt der Eltern unterging, die Geschwister anderen Lebensentwürfen folgten und der allgemeine gesellschaftliche Wandel das Land erfasste.

Zuchtbullen für die monatliche Auktion, Kühe und Schweine auf der Weide, Pferde vor dem Pflug, ein Garten für die Vorratshaltung – der Hof einträglich bewirtschaftet von Eltern, Kindern und Hilfskräften. Das bäuerliche Leben der Fünfzigerjahre scheint dem Mittelalter näher als unserer Zeit. Doch dann ändert sich alles: Einst wohlhabende und angesehene Bauern gelten trotz aller Modernisierung plötzlich als ärmlich und rückständig, ihre Kinder riechen nach Stall und schämen sich. Wege aus der bäuerlichen Welt weist die katholische Kirche mit neuer Jugendarbeit. Der Sozialstaat hilft bei Ausbildung und Hofübergabe. Schon in den Siebzigerjahren ist die Welt auf dem Land eine völlig andere. Staunend blickt man zurück, so still war der Wandel: «Mein Gott, das hab ich noch erlebt, das kommt mir vor wie aus einem anderen Jahrhundert.» Ewald Frie hat seine zehn Geschwister, geboren zwischen 1944 und 1969, gefragt, wie sie diese Zeit erlebt haben. Sein glänzend geschriebenes Buch lässt mit treffsicherer Lakonie den großen Umbruch lebendig werden.

Leseprobe

Literaturhaus: Tanja Raich und Kristof Magnusson über „Das Paradies ist weiblich“ – Lesung und Gespräch über feministische Zukunftsentwürfe

paradies-ist-weiblich-cover-250Die Anthologie „Das Paradies ist weiblich“ ist eine Einladung zum Perspektivwechsel und stellt in zwanzig literarischen Entwürfen eine Welt im Matriarchat vor. Die Herausgeberin Tanja Raich präsentiert den Band gemeinsam mit Kristof Magnusson, einem der beitragenden Autoren, am Mittwoch, 14. Juni, um 19.30 Uhr im Anderen Salon des Literaturhauses Villa Clementine, Frankfurter Straße 1. Mit der Journalistin und Moderatorin Marita Hübinger (ZDF) kommen sie ins Gespräch.

Die Veranstaltung ist Teil der Reihe „Der weibliche Blick“ im Anderen Salon, bei der feministische Diskurse aus unterschiedlichen Winkeln betrachtet werden. Weitere Informationen gibt es unter www.wiesbaden.de/literaturhaus. Veranstalter ist das Literaturhaus Villa Clementine/Kulturamt.

Zwanzig renommierte Autorinnen und Autoren, darunter Kübra Gümüşay und Feridun Zaimoğlu, stellen in „Das Paradies ist weiblich“ ihren ganz eigenen Blick auf eine feministische Zukunft vor. In ihren Beiträgen vertauschen sie genderbasierte Klischees, fordern radikale Reformen und hinterfragen Geschlechterrollen im Tierreich. Kristof Magnusson liest an diesem Abend seinen Text „Die Sache mit dem Namen“, in dem es um Schwierigkeiten der traditionellen isländischen Namensgebung geht.

Tanja Raich wurde 1986 in Meran geboren und lebt als Lektorin und Autorin in Wien. 2019 erschien ihr erster Roman „Jesolo“, für den sie für den Österreichischen Buchpreis Debüt sowie für den Literaturpreis Alpha nominiert war.

Kristof Magnusson wurde 1976 in Hamburg geboren und ist Autor und Übersetzer aus dem Isländischen. Er ist der Verfasser zahlreicher Romane, Theaterstücke und Hörbücher. Zuletzt erschien 2020 der Roman „Ein Mann der Kunst“. 2015 hatte er die Wiesbadener Poetikdozentur: junge Autor:innen inne.

Karten zu neun, ermäßigt sieben Euro gibt es im Vorverkauf bei der Tourist-Information, Marktplatz 1, Telefon (0611) 1729930 oder online über die Homepage des Literaturhauses.

Adriana Altaras kuratiert als nächste Gastgeberin vom 3. bis 9. September 2023 die Wiesbadener Literaturtage

Adriana-altaras-besser-allein-als-in-schlechter-gesellschaft-cover-250Adriana Altaras ist eine der derzeit erfolgreichsten Schauspielerinnen und Regisseurinnen im Film und auf deutschsprachigen Theater- und Opernbühnen. Ihr mitreißendes, literarisches Debüt „Titos Brille – Die Geschichte meiner strapaziösen Familie“, wurde vor einigen Jahren Bestseller. Bald wird sie eine Woche lang in Wiesbaden verschiedene Bühnen bespielen: Adriana Altaras kuratiert das Programm der 23. Wiesbadener Literaturtage, die vom 3. bis 9. September 2023 stattfinden werden.

Adriana Altaras vereine in ihrem literarischen Werk, in dem sich in großen Teilen auch ihre Herkunftsgeschichte widerspiegelt, bedeutsame Themen unserer Zeit, so Kulturdezernent Axel Imholz. Ihre bewegte Biografie als Tochter von Shoa-Überlebenden, die aus dem damaligen Jugoslawien nach Italien fliehen musste und schließlich in Deutschland aufwuchs, mache sie nicht nur zu einer wichtigen Stimme der gegenwärtigen jüdischen Kultur unseres Landes, sondern auch zu einer Botschafterin des innereuropäischen Dialogs.
Bisherige Gastgeberinnern und Gastgeber der Wiesbadener Literaturtage waren

Mainzer Minipressen-Messe – Internationale Buchmesse der Kleinverlage und Künstlerbücher in der Rheingoldhalle eröffnet – noch bis 21.05.23

Der größte Handelsplatz für Kleinstverlage und Handdruckpressen-Werke mit besonderem persönlichem Flair hat gestern in der Mainzer Rheingoldhalle nach vierjähriger Corona-Zwangspause wieder seine Pforten geöffnet. Noch bis zum 21. Mai können sich die Besucher in der Rheingoldhalle über 209 Verlage informieren. © Foto Heike von Goddenthow
Der größte Handelsplatz für Kleinstverlage und Handdruckpressen-Werke mit besonderem persönlichem Flair hat gestern in der Mainzer Rheingoldhalle nach vierjähriger Corona-Zwangspause wieder seine Pforten geöffnet. Noch bis zum 21. Mai können sich die Besucher in der Rheingoldhalle über 209 Verlage informieren. © Foto Heike von Goddenthow

Nach vierjähriger Pause ist das Mekka der Kleinverleger wieder zurück. Gestern öffneten die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse, Minipressenleiter Jürgen Kilb und Gutenberg-Museumsdirektor Ulf Sölter die 26. Mainzer Minipressen-Messe in der Rheingoldhalle.

Auch dieses Mal ist es Mister Buchmesse, Jürgen Kilb (r.) wieder gelungen nach vierjähriger Corona-Pause und (Kleinverlags-)Krise eine superspannende Minipressen-Messe auf die Beine zu stellen. Dafür dankten ihm Kulturdezernentin Marianne Grosse und Gutenberg-Museumsdirektor Ulf Sölter. © Foto Heike von Goddenthow
Auch dieses Mal ist es Mister Buchmesse, Jürgen Kilb (r.) wieder gelungen nach vierjähriger Corona-Pause und (Kleinverlags-)Krise eine superspannende Minipressen-Messe auf die Beine zu stellen. Dafür dankten ihm Kulturdezernentin Marianne Grosse und Gutenberg-Museumsdirektor Ulf Sölter. © Foto Heike von Goddenthow

Die Mainzer Minipressenmesse – Internationale Buchmesse der Kleinverlage und Künstlerbücher ist der größte Handelsplatz für Indie- und Kleinstverlage, Handdruck-Grafiken und Künstlerbücher. Rund 210 Aussteller präsentieren rund 5.000 Titel und etwa 1.000 Neuerscheinungen. Rund um die Messe gibt es zudem ein umfangreiches Programm aus Lesungen, Workshops, Performances, Filmen über Bücher, Seminaren, z.B. hinter die Kulissen des Büchermachens, und Ausstellungen.

Axel Dielmann, hier an seinem Stand erhielt den Stomps-Ehrenpreis. © Foto Heike von Goddenthow
Axel Dielmann, hier an seinem Stand erhielt den Stomps-Ehrenpreis. © Foto Heike von Goddenthow

Die Verleihung des V.O.Stomps-Preises an den Verlag rotopol aus Kassel sowie des Stomps-Ehrenpreises an Axel Dielmann, fand gestern Abend im Vortragssaal des Gutenberg-Museums statt.

 

 

Auf der Minipressenmesse können die Besucher sich noch bis zum 21. Mai in der Rheingoldhalle über das Angebot der 210 Verlage und Druckpressen-Grafik-Anbieter informieren über: https://www.minipresse.de/veranstaltungen/index.php

Impression von der Minipressenmesse. © Foto Heike von Goddenthow
Impression von der Minipressenmesse. © Foto Heike von Goddenthow

Rheingau Literatur Preis 2023 geht an Arno Geiger

aus dem Hanser-Verlag
aus dem Hanser-Verlag

Oestrich-Winkel, 03.05.2023 – Den Rheingau Literatur Preis 2023 erhält der Schriftsteller Arno Geiger für sein Buch „Das glückliche Geheimnis“. Die durch das Rheingau Literatur Festival initiierte Ehrung wird in diesem Jahr zum 30. Mal vergeben. Die Auszeichnung ist mit 11.111 Euro und 111 Flaschen besten Rheingau Rieslings dotiert. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Rheingau Musik Festival e.V. stiften je 5.000 Euro des Preises, der vom Relais & Chateaux Hotel Burg Schwarzenstein um 1.111 Euro ergänzt wird. Die erlesenen Weine stammen aus den herausragenden Kellern des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter Rheingau.

Arno Geiger, 1968 geboren, lebt in Wien und Wolfurt. Sein Werk erscheint bei Hanser, zuletzt „Alles über Sally“ (Roman, 2010), „Der alte König in seinem Exil“ (2011), „Grenzgehen“ (Drei Reden, 2011), „Selbstporträt mit Flusspferd“ (Roman, 2015), „Unter der Drachenwand“ (Roman, 2018), „Der Hahnenschrei“ (Drei Reden, 2019) und „Das glückliche Geheimnis“ (2023). Er erhielt u. a. den Deutschen Buchpreis (2005), den Hölderlin-Preis (2011), den Literaturpreis der Adenauer-Stiftung (2011), den Alemannischen Literaturpreis (2017), den Joseph-Breitbach-Preis (2018), den Bremer Literaturpreis (2019) und den in den Niederlanden vergebenen Europese Literatuurprijs (2019).

Der Rheingau Literatur Preis wird Arno Geiger im Rahmen des diesjährigen Rheingau Literatur Festivals am Sonntag den 24.9. um 11 Uhr auf Burg Schwarzenstein verliehen. Die Laudatio wird Andreas Platthaus (Künstlerischer Leiter des Rheingau Literatur Festivals) halten.

Die Jury begründet ihre Wahl folgendermaßen: „Arno Geigers ‚Mein glückliches Geheimnis‘ ist ein autobiographisches Buch. Das muss man betonen angesichts der Schwemme von autofiktionalen Publikationen. Geiger tritt mit dem Anspruch von unbedingter Wahrhaftigkeit auf, wenn er von einer über Jahrzehnte hinweg verborgen gehaltenen eigenen Leidenschaft erzählt: dem Durchstöbern der Altpapiercontainer in Wien. An den dabei getätigten handschriftlichen Funden schulte der Schriftsteller im Laufe der Zeit seinen Stil, um das Ideal einer möglichst lebensnahen Prosa zu erreichen. ‚Mein glückliches Geheimnis‘ ist nun selbst das beste Beispiel für die daraus resultierende Meisterschaft der lakonischen Schilderung geworden. Das Buch entwickelt übers Erzählen eine Poetik des gesamten Werks von Arno Geiger. Es ist zugleich Selbstauskunft und Gesellschaftsporträt, ein Lehrstück und ein Lesevergnügen.“

Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn erklärt: „Literatur hält uns einen Spiegel vor und bietet gleichzeitig einen Zufluchtsort vor Krieg und Krise; sie lässt uns lachen und betroffen zurück, sie bietet Raum für Diskussionen und Fantasie“, so Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn. „Mit ‚Das glückliche Geheimnis‘ hat uns Arno Geiger einen Roman geschenkt, der genau diese Vielfalt auf Seiten bannt. Anläufe und Enttäuschungen, Finden und Wegwerfen; Arno Geiger nimmt uns mit auf eine Fahrt durch das Menschsein. Ich gratuliere Arno Geiger herzlich zu dieser Auszeichnung.“

Die Jury des Rheingau Literatur Preises setzt sich unter der Leitung von Andreas Platthaus zusammen aus Prof. Dr. Heiner Boehncke, Dr. Viola Bolduan (ehemalige Feuilletonchefin des Wiesbadener Kuriers), Dr. Alf Mentzer (Literaturredakteur des Hessischen Rundfunks) und Shirin Sojitrawalla (Literatur- und Theaterkritikerin).

Die bisherigen Preisträger waren Stefanie Menzinger, Ulla Berkéwicz, Herbert Maurer, Thomas Meinecke, Hella Eckert, Thomas Lehr, Peter Stamm, Bodo Kirchhoff, Robert Gernhardt, Reinhard Jirgl, Ralf Rothmann, Gert Loschütz, Clemens Meyer, Antje Rávic Strubel, Ursula Krechel, Christoph Peters, Jochen Schimmang, Josef Haslinger, Sten Nadolny, Ralph Dutli, Stephanie Bart, Klaus Modick, Saša Stanišić, Ingo Schulze, Robert Seethaler, Dörte Hansen, Annette Pehnt, Judith Hermann und Katerina Poladjan.

Über das Rheingau Literatur Festival

Zur herbstlichen Weinlese hält zwischen dem 14. und 24. September 2023 wieder ein literarischer Jahrgang Einzug in einmalige Kulturstätten des Rheingaus. Zu den Veranstaltungsorten gehören in diesem Jahr Schloss Vollrads, Kloster Johannisberg, Burg Schwarzenstein, Weingut Baron Knyphausen und Weingut Balthasar Ress, wo die eingeladenen Schriftstellerinnen und Schriftsteller Kostproben aus ihren aktuellen oder noch unveröffentlichten Werken geben. Am 14. September wird das Rheingau Literatur Festival „WeinLese 2023“ unter der
Künstlerischen Leitung von Andreas Platthaus im Kloster Johannisberg in Geisenheim eröffnet.

Der Vorverkauf für das Rheingau Literatur Festival startet am: 10. Mai 2023
Karten- und Infoline: Tel. 0 67 23 / 60 21 70 | https://www.rheingau-literatur-festival.de