2022 findet das erste große Archäologie-Jahr in Hessen statt. Für das Projekt „KELTEN LAND HESSEN – Archäologische Spuren im Herzen Europas“ arbeiten Museen, Landesarchäologie, Stadt- und Kreisarchäologie, Forschungseinrichtungen und Vereine zusammen, um das reiche kulturelle Erbe der Kelten in Hessen sichtbar zu machen. Am 4. August 2021, ein halbes Jahr vor dem Start, informierten in Bad Nauheim Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn und die Beteiligten die Öffentlichkeit über das einzigartige landesweite Keltenprojekt vom 10. März bis 31.12.2022.
Zudem berichteten Projektpartner an zahlreichen Infotischen über ihre Themen und zeigten eine Auswahl an originalen Fundobjekten. Die Archäologische Restaurierungswerkstatt des Landesamt für Denkmalpflege zeigte Beispiele aus ihrer laufenden Restaurierungsarbeit keltischer Fundstücke für die geplanten Ausstellungen.
Begrüßung
Dr. Vera Rupp, Direktorin der Keltenwelt Glauberg, begrüßte gemeinsam mit Peter Krank, Erster Stadtrat und Kulturdezernent der Stadt Bad Nauheim, die Beteiligten des Keltenjahres und zahlreiche Gäste. Dabei machte die maßgebliche Initiatorin des Keltenprojektes einmal mehr deutlich, dass sämtliche Veranstaltungen im kommenden Jahr unter das Label „Keltenland Hessen – archäologische Spuren im Herzen Europas“ gestellt wurden, um ganz gezielt den Blick auf die bewegte Zeit zwischen 800 vor Christus und den Beginn der Römerzeit am Ende des ersten Jahrhunderts vor Christus zu lenken. Bereits vor drei Jahren beschlossen auf Anregung der Keltenwelt Glauberg hessische Museen, Vereine, Institutionen und zahlreiche ehrenamtlich in der Archäologie Tätige das gemeinsame Kelten-Projekt. Coronabedingt wurde das Keltenjahr dann jedoch um ein Jahr verschoben. Doch die Motivation habe darunter keinesfalls gelitten, im Gegenteil: Die Museumsleute brennen darauf, nach Zeiten des Lockdowns endlich wieder Besucher begrüßen zu dürfen und freuen sich auf das Keltenjahr 2022. Zahlreiche Aktionen seien geplant, darunter Exkursionen, Ausstellungen, Vorträge und Mitmachaktionen für jeden Geschmack und Alter.
Zu den wichtigsten Projekt-Partnern, so die Keltenwelt-Direktorin, gehören neben den Museen die „Archäologische Gesellschaft in Hessen“ mit sehr vielen Mitgliedern sowie die Wetterauer Archäologische Gesellschaft Glauberg mit ihrem „Keltenmobil“. Das Keltenmobil werde auch im kommenden Jahr mit von der Partie sein, „und mit ihrem bewährten Vermittlungsprogramm Schulen besuchen“. Das Keltenmobil der Wetterauer Archäologischen Gesellschaft sei das einzige Projekt dieser Art in Hessen, „das mobil ist, und in die Schulen fährt, und dort eben Archäologie und Geschichte vermittelt und ein wenig Werbung für Besuche in Museen und Kultureinrichtungen mache“, so Dr. Vera Rupp.
Programm-Highlights
Neben den geplanten drei zentralen Veranstaltungen in der Keltenwelt Glauberg (Eine neue Zeit beginnt), im Archäologischen Museum Frankfurt (Kelten in Hessen?) und im Vonderau Museum Fulda (Eisen verändert die Welt), wird es auch zahlreiche Präsentationen und Sonderausstellungen in anderen hessischen Museen geben. Beispielsweise plant das Vordertaunusmuseum in Oberursel die Sonderausstellung „Spuren aus keltischer Zeit im Hochtaunuskreis“ und zum Heide-Oppidum. Zeiteninsel – Archäologisches Freilichtmuseum Marburger Land verspricht „ die Eisenzeit zum Anfassen“ mit Rekonstruktionen von Haus, Hof und Gärten in Originalgröße. Das Museum Bensheim beteiligt sich mit der Sonderausstellung „Die Kelten an der Bergstrasse“ und das Oberhessische Museum Gießen stellt in den Fokus seiner Ausstellung „Gold im Grab“ das bekannte Muschenheimer Schwert mit seinen spektakulären Goldresten aus der frühen Eisenzeit. Die Städte und Kreise Offenbach, Hanau und Main-Kinzig-Kreis werden mit der Wanderausstellung „Mit dem Spaten ins Feld“ unterwegs sein.
Das Wiesbadener Stadtmuseum (SAM) wird von Anfang März bis Mitte August 2022 mit der Sonderausstellung „Hessen im Spannungsfeld der Kulturen“ an die keltischen Wurzeln Wiesbadens in römisch-germanischer Zeit erinnern. Das SAM wird zeigen, wie das Aufeinandertreffen von keltisch, germanisch und römisch geprägten Bevölkerungsteilen in der latènezeitlich geprägten Welt um 50 v. Chr. ein Prozess angestoßen wurde, aus dem neue kulturelle Formen und Traditionen entstanden, so Dr. Daniel Burger-Völlmecke, Kurator Sammlung Nassauischer Altertümer, Sammlungsbereich Archäologie.
Bad Nauheimer Kelten betrieben größte vorindustrielle Saline Europas
Wenig bekannt sei auch, dass Bad Nauheim nicht nur Jugendstil- und Sprudel-Bad, sondern auch Keltenstadt sei, weswegen er stolz sei, dass die Kick-off-Veranstaltung des Keltenjahres in Bad Nauheim stattfände, so Kulturdezernent Peter Krank bei seiner Begrüßung. Neben einem Rundweg auf den Spuren der Kelten in Bad Nauheim mit Infotafeln, gibt es einen Keltenpavillon am Gradierwerk I mit einem rekonstruiertem keltischen Siedeofen, Text- und Infotafeln sowie einen Film zum Thema „Keltische Saline“. Im dritten und zweiten Jahrhundert vor Christus haben die Kelten am Ufer der Usa auf der Länge von mehr als einem Kilometer die größte zeitgenössische Saline Europas betrieben. Obgleich die Kelten keine schriftlichen Zeugnisse hinterließen, sei ihr Tun durch archäologische Funde ausreichend belegt: Man fand beispielsweise flache gepflasterte Becken, in denen schwach salzhaltige Sole durch Verdunstung konzentrierte wurde, um den Siedeprozess zu verkürzen. Auch belegten tonnenweise Scherben von nach dem Sieden zerschlagenen Tongefäßen den Umfang der keltischen Salzgewinnung.
Europaweite Vernetzung frühkeltischer und mediterraner Kulturen
Kunst- und Wissenschaftsministerin Angela Dorn unterstrich in ihrem Grußwort mit Blick auf Bad Nauheim nochmals die Bedeutung der keltischen Salzgewinnung in Bad Nauheim. „Die Kelten geben der Wissenschaft bis heute Rätsel auf, da sie keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben. Wir wissen aber – unter anderem aus den Funden auf dem Glauberg –, dass schon die frühkeltischen Kulturen in Europa untereinander und mit den mediterranen Kulturen vernetzt waren“, erklärt Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn. „Die Archäologinnen und Archäologen haben die faszinierende, aber auch oft kleinteilige und zeitintensive Aufgabe, die Vergangenheit anhand der Ausgrabungsergebnisse zu rekonstruieren. Viele Thesen werden im Verlaufe der Forschungen aufgestellt und verworfen, neue Funde können ein ganz anderes Bild ergeben: So ist Wissenschaft. Möglichst viele Menschen in diese Arbeit mit hineinzunehmen, das macht für mich den ganz besonderen Reiz dieses Archäologie- Jahres aus. Es ist eine einmalige Gelegenheit, die reiche Fund- und Forschungslandschaft Hessens für Klein und Groß erlebbar zu machen und vermeintlich Bekanntes aus einer neuen Perspektive zu entdecken.“
Erstmals ein archäologisches Thema hessenweit im Fokus
Prof. Dr. Udo Recker, Landesarchäologe von Hessen unterstrich: Mit dem Projekt „Keltenland Hessen – Archäologische Spuren im Herzen Europas“ finden zahlreiche wissenschaftliche Vorhaben in gewisser Weise ein Ende. Gleichzeitig weise das Projekt aber auch in die Zukunft. „Dass wir wissenschaftliche Ergebnisse in Museen präsentieren ist jetzt nichts Außergewöhnliches. Das ist der klassische Auftrag eines Museums, das zu tun und die breite Öffentlichkeit zu informieren. Dass wir das fokussiert auf das Thema Kelten tun, und dass wir das in dieser Breite tun, und dass wir uns praktisch im ganzen Land mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten dem Thema nähern, das ist neu. Das ist das erste Mal der Fall. Und das ist, glaube ich auch, ganz gut gelungen, und das ist ganz toll“, weil es auch die Bedeutung und das Interesse aller an einem solchen Projekt einmal mehr unterstreiche, so der Landesarchäologe in seinem Grußwort.
Kelten seien die Menschen der Eisenzeit
In seiner Einführung ins „Keltenjahr“ machte Dr. Frank Verse, Direktor des Vonderau Museums Fulda, deutlich, dass es sich bei den Kelten nicht um eine eingewanderte Bevölkerungsgruppe handele: „Mit den Kelten wird die Bevölkerung der Eisenzeit, also die Bevölkerung des 8. bis 1. Jahrhunderts vor Christus, in Verbindung gebracht. Eisen bzw. Eisenerz, komme in der Natur deutlich häufiger vor als Kupfer und Zinn, den Metallen, aus denen Bronze legiert werde. „Dadurch ließ sich Eisen für die damalige Bevölkerung wesentlich leichter und in erheblich größeren Umfang beschaffen, was natürlich auch unmittelbare Auswirkungen auf die Herstellung von Waffen oder eisernen Geräte, und damit letztlich auch auf die Entwicklung der Kultur der Eisenzeit gehabt habe, so Dr. Frank Verse. Die Bedeutung dieses technologischen Wandels in der Eisenzeit für die Kulturentwicklung machte der Museumsdirektor an einem Beispiel deutlich:
„Noch in der Bronzezeit wurde mit hölzernen Pflügen der Boden bestellt. Und erst in der Eisenzeit kommt der metallene Pflug, die eiserne Pflugschar dazu. Der eiserne Pflug, bzw. der Pflug mit eiserner Schar, ist natürlich deutlich stabiler gewesen, so dass sie wesentlich größere Flächen pro Tag annehmen konnten, und gleichzeitig auch schlechtere Böden bearbeitet werden konnten. Dies führte wiederum zu einer Steigerung des Ertrags und bildete die Grundlage für die Bildung größerer Ansiedlungen. Diese größeren Ansiedlungen mit Menschenansammlungen führten natürlich wiederum dazu, dass mehr Eisen benötigt wurde, und auch mehr Salz zur Konservierung von Lebensmitteln, um auf diese Weise eine Ernährungssicherheit herzustellen. Dies wiederum führte zur Herausbildung früher Wirtschaftszentren wie hier etwa in Bad Nauheim zur Salzgewinnung oder im Bereich des Lahn-Tals zur Eisenproduktion“, erläuterte der Dr. Frank Verse.
Anhand dieses Beispiels ließe sich doch auch der Keltenbegriff grob erklären, nämlich „dass wir es bei den Kelten nicht mit einer neu eingewanderten Personengruppe zu tun haben, sondern, dass wir es mit einem materiellen und kulturellen Wandel zu tun haben, der im Wesentlichen durch die Eisentechnologie angestoßen wurde“, so Dr. Frank Verse . Dabei gäbe es innerhalb Hessens – mit einem erheblichen Nord-Südgefälle behaftet – deutliche regionale Unterschiede.
Wandel zur Eisenzeit vergleichbar mit digitalem Wandel
Man habe es zu Beginn der Eisenzeit mit derselben Menschengruppe zu tun, wie am Ende der Bronzezeit, so der Museumsdirektor. Das belegten auch die Gräberfelder, die einfach am Übergang dieser Zeit Grenzen durchlaufen. Das mache aber die Beschäftigung mit der Eisenzeit umso spannender, „weil es auch deutliche Parallelen zu unserer Gesellschaft der Gegenwart gibt. Wir selber leben am Anfang des digitalen Zeitalters, und erleben bereits jetzt wie sehr diese neue Technik unser Lebens- und Arbeitsumfeld bereits nach wenigen Jahrzehnten umgeändert hat. Auch unsere Kultur befindet sich – ähnlich wie die in der eisenzeitlichen Bevölkerung – in einem starken Umbruch“, so Dr. Frank Verse.
Es ist aber auch kein Zufall, dass sich die Forschung immer wieder mit der Eisenzeit und damit mit den Kelten beschäftigt hat. Das Land Hessen ist dabei besonders gut aufgestellt, da es mit der Keltenwelt am Glauberg sowohl über ein eigenes Spezialmuseum verfügt, also auch mit dem Forschungszentrum eine entsprechende Forschungseinrichtung zu dieser Zeit besitzt. Und es wurde schon erwähnt: Es ist auch tatsächlich das einzige im Bereich der Denkmalpflege mit diesem ausschließlichen Forschungsauftrag, was für die Entwicklung sehr wichtig ist.
Neben dem Glauberg mit der berühmten Statue eines Keltenfürsten sind der Dünsberg bei Wetzlar, der Altkönig und das Heidetränk-Oppidum im Taunus oder die Milseburg in der Rhön weitere bedeutende Zeugen keltischer Kultur in Hessen.
(Diether v. Goddenthow)
Informationen
Das Archäologie-Jahr umfasst Sonderausstellungen, Führungen, Mitmach-Aktionen und Vorträge vielerorts in Hessen. Der Veranstaltungskalender wird digital auf www.keltenland-hessen.de, Instagram und Facebook sowie gedruckt u.a. bei den Projektpartnerinnen und -partnern vor Ort zur Verfügung gestellt. Zudem wird es ein Begleitbuch zum Keltenjahr 2022 geben.
Projektbüro
KELTENWELT AM GLAUBERG
Achäologisches Landesmuseum Hessen
Am Glauberg 1
63695 Glauburg
E-Mail: kontakt@keltenland-hessen.de