Kategorie-Archiv: Frankfurter Museen

MuseumsuferCard und Kultur- und Freizeitticket werden kostenfrei um die Schließzeit der Museen und des Zoos verlängert

(ffm) „Die MuseumsuferCard wird, wie auch schon beim ersten Lockdown, um den Zeitraum der Schließung kostenfrei verlängert“, kündigt Kulturdezernentin Ina Hartwig an. „Gleiches gilt für die kostenpflichtige Version des Kultur- und Freizeittickets. Dank des auf den Karten befindlichen QR-Codes erfolgt die Verlängerung automatisch, die Abonnentinnen und Abonnenten müssen dafür nichts tun.“ Die Nutzerinnen und Nutzer werden in einem Schreiben darüber informiert. Seit dem 2. November sind die Frankfurter Museen und der Zoo auf Grundlage der Beschlüsse der Bundes- und Landesregierung erneut geschlossen, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Zu Beginn des Jahres betraf die coronabedingte Schließung den Zeitraum vom 14. März bis 4. Mai.

Die MuseumsuferCard der Stadt Frankfurt ermöglicht den Eintritt in 37 Museen für ein Jahr und lädt dazu ein, Dauer- und Sonderausstellungen zu besuchen. Mit dem Kultur- und Freizeitticket, kurz KUFTI, können junge Besucherinnen und Besucher unter 18 Jahren seit Mitte 2020 kostenfrei die Dauer- und Sonderausstellungen der Frankfurter Museen und den Zoo Frankfurt besuchen. Das Ticket ist seit Juni 2020 für Frankfurter Schülerinnen und Schüler, Kita-Kinder sowie Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren aus Haushalten mit einem Monatseinkommen unter 4500 Euro netto kostenlos zu bestellen. Für alle anderen Familien gilt, unabhängig vom Wohnort, ein Ticketpreis von jährlich 29 Euro. Weitere Informationen gibt es unter http://www.museumsufer.de im Internet.

„MUSEUM FÜR ZU HAUSE – LIVE“ STÄDEL UND LIEBIEGHAUS BIETEN NEUE KUNSTVERMITTLUNGSFORMATE ONLINE AN

Städel Museum Frankfurt © Foto Diether v. Goddenthow
Städel Museum Frankfurt © Foto Diether v. Goddenthow

INTERAKTIV UND MULTIMEDIAL DIE KUNST DES STÄDEL MUSEUMS UND DER LIEBIEGHAUS SKULPTURENSAMMLUNG ONLINE ERLEBEN

Ab heute starten das Städel Museum und die Liebieghaus Skulpturensammlung mit „Museum für zu Hause – Live“ Online-Formate für die Kunstvermittlung. Das neu entwickelte Angebot ermöglicht die Begegnung mit Kunst und den interaktiven Austausch darüber im digitalen Raum. Gerade in Zeiten, in denen das direkte Gespräch über die Kunst nicht vor Ort im Museum möglich ist, sind Momente der gemeinsamen Kunstbetrachtung selten. Mit innovativen Online-Touren und Online-Sessions schafft „Museum für zu Hause – Live“ einen sozialen Kunsterlebnisraum im Digitalen, der Kunstbegegnungen, Einführungen in die aktuellen Sonderausstellungen und überraschende Verbindungen zwischen den Themen unserer Zeit und den großen Meisterwerken des Städel Museums und der Liebieghaus Skulpturensammlung bietet.

Die Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittler des Städel Museums und der Liebieghaus Skulpturensammlung bringen an festen Terminen die aktuellen Sonderausstellungen „Schaulust. Niederländische Zeichenkunst des 18. Jahrhunderts“ und „BUNTE GÖTTER – GOLDEN EDITION. Die Farben der Antike“ zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ob zu Hause auf der Couch, am Schreibtisch in der Mittagspause oder mit der Familie im Wohnzimmer – von überall kann Kunst in Form einer Videokonferenz erlebt werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Online-Touren werden in die Themen und kunsthistorischen Inhalte der Ausstellungen eingeführt und haben darüber hinaus die Gelegenheit, gemeinsam mit allen über die präsentierten Kunstwerke zu diskutieren.

Bei den Online-Sessions wird es für die Teilnehmenden besonders interaktiv und multimedial: Die kommunikativen Möglichkeiten des Internets werden ausgeschöpft und die Grenzen des digitalen Erlebens von Kunst aufgehoben. Nicht nur die Digitale Sammlung des Städel Museums wird für die Kunstbetrachtung herangezogen, sondern auch Musik, Filme und weitere Onlineangebote. Im Städel finden die ersten Online-Sessions unter dem Thema „Die Macht der Bilder“ statt. Dabei spielen die Stars der Gegenwart genauso eine Rolle wie alltägliche Medienphänomene oder die Beeinflussung durch Propaganda. Klug und überraschend intensiv sind dabei die Verbindungen zu den großen Meisterwerken des Städel Museums.

Die Online-Sessions der Liebieghaus Skulpturensammlung stehen unter dem Motto „Weihnachten“. Sie eröffnen anhand der Sammlung des Museums einen neuen Blick auf das Weihnachtsfest und die damit verbundenen Bräuche: Wie feierten die Menschen im Mittelalter Weihnachten und wie feiern wir das Fest heute?

Das Historische Museum Frankfurt (HMF) wird in das Förderprogramm „dive in. Programm für digitale Interaktionen“ der Kulturstiftung des Bundes aufgenommen

Karsten Bott, Von Jedem Eins ©HMF, Wolfgang Günzel
Karsten Bott, Von Jedem Eins ©HMF, Wolfgang Günzel

Frankfurt 16.12.2020. Mit dem Programm will die Kulturstiftung des Bundes bundesweit Kulturinstitutionen darin unterstützen und motivieren, mit innovativen digitalen Dialog- und Austauschformaten auf die aktuelle pandemiebedingte Situation zu reagieren.

Das Historische Museum Frankfurt freut sich über die Förderung des Projektes „Von Jedem Eins – Digital“, das in Zusammenarbeit mit dem zeitgenössischen Frankfurter Künstler Karsten Bott entwickelt wird. Als eines von 68 ausgewählten Projekten, konnte es sich unter 564 eingegangene, gültige Förderanträge behaupten. Die Auswahl der Projekte erfolgte durch den Vorstand der Kulturstiftung des Bundes auf Empfehlung einer unabhängigen Expert*innenjury.

Das Kunstwerk des Frankfurter Künstlers Karsten Bott „Von Jedem Eins“ ist in der stadtgeschichtlichen Dauerausstellung „Frankfurt Einst?“ im HMF zu sehen. Bott sammelt Dinge, oftmals ähnliche Objekte, wie sie sich auch in der HMF-Sammlung befinden, und stellt sie in einer sehr kompakten Form aus: Seine künstlerische Installation bildet ein wandfüllendes Regal mit 45 Fächern, mit 1.492 Objekten der Alltagskultur unserer Gegenwart. Diese Objektarrangements, die Bott als „Puppenstuben“ bezeichnet, bilden jeweils ein Thema ab – wie Baumarkt, Theater oder Liebe.

Die wie ein großes Wimmelbild arrangierten Ensembles vermitteln ein besonderes ästhetisches Erlebnis. Besucher*innen werden im wahrsten Sinne des Wortes in ihrer eigenen Lebenswelt abgeholt und an Umgangsweisen oder Gewohnheiten im eigenen Haushalt oder in ihrer Familie erinnert. „Mir sind die Dinge zum Anfassen sehr wichtig, diese sammle ich und damit arbeite ich. Die Verschränkung von analog und digital ist sinnvoll, weil wir damit ein anderes Publikum erreichen als bisher“, so Karsten Bott.

Ziel des Förderprojektes ist, das Kunstwerk und dessen Vermittlung in den digitalen Raum hinein zu erweitern. Für eine Interaktion mit dem Publikum werden spielerische Zugänge entwickelt. Über verschiedene digitale Formate soll es möglich sein, zu einzelnen Objekten eigene Geschichten, Erinnerungen und Assoziationen zu teilen. Dies soll über eine Web-Anwendung vom heimischen PC aus möglich sein sowie an einer

© Foto Diether v. Goddenthow
© Foto Diether v. Goddenthow

Medienstation im Museum Zielgruppen sind Jugendliche und junge Erwachsene, Menschen mit kognitiven Einschränkungen sowie Senior*innen. Mit dem Projekt werden teilhabebeschränkte Menschen dabei unterstützt, Barrieren zu überwinden und an der digitalen Welt teilzunehmen und sie, den eigenen Bedürfnissen entsprechend, mitzugestalten.

Das Museum ist seit dem 2. November geschlossen. Eine Wieder-Öffnung wird zum 12. Januar 2021 erwartet mit diesen Ausstellungen:

Kleider in Bewegung – Frauenmode seit 1850
Bis 24. Januar 2021

Ich sehe was, was du nicht siehst. Rassismus, Widerstand und Empowerment
Stadtlabor-Ausstellung bis 28. Februar 2021

Werk*Stoff*Textil – Vom Faden zum Gewebe
Ausstellung im Jungen Museum bis 21. Februar 2021

Goldene Waage
Führungen durch das schönste Fachwerkhaus in der Frankfurter Altstadt, mit Anmeldung

Führungen in der der Goldenen Waage. Impression aus dem Bereich Dauerausstellung. © Foto Diether v. Goddenthow
Führungen in der der Goldenen Waage. . © Foto Diether v. Goddenthow

 

 

Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1
60311 Frankfurt am Main
Tel. +49 69 212-35599
info@historisches-museum-frankfurt.de
www.historisches-museum-frankfurt.de

Städel Museum Frankfurt zeigt Niederländische Zeichenkunst des 18. Jahrhunderts vom feinsten – vom 1. OKTOBER 2020 BIS 10. JANUAR 2021

Aert Schouman (1710–1792) Ein Rosalöffler (Platalea ajaja), um 1760 1780  Wasserfarben, über schwarzem Stift, auf Büttenpapier 251 × 375 mm Städel Museum, Frankfurt am Main Foto: Städel Museum – U. Edelmann
Aert Schouman (1710–1792) Ein Rosalöffler (Platalea ajaja), um 1760 1780 Wasserfarben, über schwarzem Stift, auf Büttenpapier 251 × 375 mm Städel Museum, Frankfurt am Main Foto: Städel Museum – U. Edelmann

Mit annähernd 600 Blättern verfügt das Städel Museum über eine der umfangreichsten Sammlungen niederländischer Zeichnungen des 18. Jahrhunderts außerhalb der Niederlande und Belgiens. Diesem wertvollen Bestand widmet das Städel vom 1. Oktober 2020 bis 10. Januar 2021 eine eigene Ausstellung. Präsentiert werden 81 repräsentative Zeichnungen von heute kaum mehr bekannten, in ihrer Zeit aber oft sehr erfolgreichen Künstlern. Sie veranschaulichen exemplarisch die Struktur des Sammlungsbestands, das inhaltliche Spektrum und die künstlerische Qualität. Die häufig bildmäßig vollendeten, oft auch farbigen Handzeichnungen bedienten die Schaulust der aufgeklärten Bürgerinnen und Bürger des 18. Jahrhunderts und ihr Bedürfnis nach Austausch und Information. Mit anderen Kunstinteressierten wurde eine Gesprächskultur über Bilder durch das gemeinsame Betrachten der Zeichnungen gepflegt.

In der Ausstellung sind Entwürfe für Wand- und Deckendekorationen von Jacob de Wit, Buchillustrationen von Bernard Picart, niederländische Topografien von Cornelis Pronk, Paulus Constantijn la Fargue oder Hendrik Schepper, stimmungsvoll komponierte Landschaftszeichnungen von Jacob Cats, den Brüdern Jacob und Abraham van Strij oder von Franciscus Andreas Milatz, dekorative Blumen- und Früchtestillleben von Jan van Huysum und dessen zahlreichen Nachfolgern sowie Darstellungen exotischer Tiere von Aert Schouman oder satirische Genreszenen von Cornelis Troost und Jacobus Buys versammelt. Die ausgewählten Werke verdeutlichen eindrucksvoll die Aufwertung und Emanzipation der Zeichnung in den Niederlanden des 18. Jahrhunderts ebenso wie die immer wieder gesuchte Auseinandersetzung mit der Kunst des 17. Jahrhunderts, des sogenannten niederländischen „Goldenen Zeitalters“.

Das Forschungs- und Ausstellungsprojekt wurde ermöglicht durch die Stiftung Gabriele Busch-Hauck, die sich seit Langem für die wissenschaftliche Erschließung der Bestände der Graphischen Sammlung des Städel Museums engagiert und bereits vor zwei Jahrzehnten den ersten Auswahlbestandskatalog der niederländischen Zeichnungen mit Werken des 15. bis 18. Jahrhunderts gefördert hat. An diesen Katalog knüpft das vorliegende Projekt mit seiner zeitlich konzentrierten Fragestellung an.

Mit dem ersten Besuchertag der Ausstellung ist auch der Studiensaal der Graphischen Sammlung nach Umbaumaßnahmen wieder zugänglich. Der Studiensaal bietet dem Publikum die Möglichkeit, sich Arbeiten aus dem über 100.000 Zeichnungen und Grafiken umfassenden Bestand des Städel Museums vorlegen zu lassen.

„Wir verbinden die niederländische Kunst des 18. Jahrhunderts heute zwar nicht mit bekannten Meisterwerken und berühmten Künstlernamen, dennoch erlebte sie in ihrer Zeit eine reiche Blüte und wurde auch außerhalb der Niederlande aufmerksam beobachtet und gesammelt. Das Städel Museum verfügt seit seiner Gründung über einen kunsthistorisch wertvollen Bestand an niederländischen Zeichnungen des 18. Jahrhunderts. Unsere jüngsten Forschungsergebnisse aus der Erschließung der Sammlung können wir nun in einer Ausstellung und einem Katalog für alle Besucherinnen und Besucher des Museums sichtbar machen. Gleichzeitig eröffnen wir mit der ‚Schaulust‘-Ausstellung auch den umgebauten Studiensaal für das Publikum, sodass nun die Räumlichkeiten der Graphischen Sammlung wieder vollständig zugänglich sind“, so Städel Direktor Philipp Demandt.

Außerhalb ihres Ursprungslandes ist die niederländische Kunst des 18. Jahrhunderts weit weniger bekannt und berühmt als die Kunst des „Goldenen Zeitalters“. Dennoch gab es im Jahrhundert der Aufklärung insbesondere in Zentren wie Amsterdam, Haarlem, Den Haag oder Dordrecht eine blühende Kunstproduktion. Dort entstanden neben Gemälden und Druckgrafiken in großem Umfang und auf hohem Niveau Zeichnungen, die vielfach als Kunstwerke für den Verkauf angefertigt und europaweit gesammelt wurden. Solche Zeichnungen wurden in Kunstbüchern oder Alben in den Bibliotheken wohlhabender Bürgerinnen und Bürger aufbewahrt und dienten dem Kunst- wie dem Wissens- und Bildungsbedürfnis. Auch der Stifter des Städel Museums, Johann Friedrich Städel (1728–1816), und der mit ihm befreundete Johann Georg Grambs (1756–1817) waren Sammler niederländischer Zeichnungen des 18. Jahrhunderts. Sie erwarben mit diesen Blättern Werke ihrer Gegenwart bzw. jüngsten Vergangenheit und damit zugleich eine Kunst, die besonders dem bürgerlichen Geschmack ihrer Zeit entsprach. Städels Sammlung wurde mit seinem Tod 1816 Eigentum seiner Stiftung; die Kunstwerke aus dem Besitz von Grambs, der dem ersten Vorstand der Städelschen Stiftung angehörte, kamen nur ein Jahr später dazu.

Rundgang durch die Ausstellung

Ausstellungsansicht "Schaulust. Niederländische Zeichenkunst des 18. Jahrhunderts" Foto: Städel Museum  Norbert Miguletz
Ausstellungsansicht „Schaulust. Niederländische Zeichenkunst des 18. Jahrhunderts“ Foto: Städel Museum Norbert Miguletz

Die Ausstellung „Schaulust. Niederländische Zeichenkunst des 18. Jahrhunderts“ gliedert sich in fünf thematische Kapitel. Den Anfang machen Werke, die die internationale Ausrichtung der niederländischen Kunst im frühen 18. Jahrhundert veranschaulichen und neben einer großen technischen Bandbreite die vielfältigen Funktionen von Zeichnung zeigen: Studienblätter und entwerfende Zeichnungen, etwa Figuren- und Kompositionsstudien, sowie ausgeführte Vorzeichnungen für großformatige barocke Wand- und Deckendekorationen sind vertreten, außerdem kleinformatige Buchillustrationen. Der wohl bekannteste Dekorationsmaler der Zeit, Jacob de Wit (1695–1754), verband die flämische Tradition von Rubens (1577–1640) und van Dyck (1599–1641) mit italienischen Vorbildern zu einem „holländischen Rokoko“. Seine zahlreichen und von ihm selbst sorgfältig aufbewahrten Vorzeichnungen und Studien wurden im Lauf des Jahrhunderts zu begehrten Sammelobjekten. Die Ausstellung zeigt beispielsweise den Deckenentwurf: Flora und Zephyr (um 1725). Weitere Zeichnungen, die internationalen Tendenzen folgen, sind ebenfalls in diesem Kapitel zusammengefasst. Mythologische Szenen, wie Aeneas rettet Anchises aus dem brennenden Troja (1687) von Willem van Mieris (1662–1747), oder klassisch-arkadische und italianisierende Landschaften von Jan van Huysum (1682–1749), wie Landschaft mit antiker Tempelarchitektur im Sturm (um 1721), aber auch Arbeiten von Abraham Rademaker (1677–1735) oder Isaac de Moucheron (1667–1744) zeigen vor allem einen von Frankreich beeinflussten Klassizismus.

Hendrik Kobell (1751–1779) Eine Antwerpener Pleit und andere Schiffe zwischen Noord Beveland und Wolphaartsdijk, 1775 Wasser- und Deckfarben, über schwarzem Stift, auf Büttenpapier 360 × 534 mm Städel Museum, Frankfurt am Main Foto: Städel Museum
Hendrik Kobell (1751–1779) Eine Antwerpener Pleit und andere Schiffe zwischen Noord Beveland und Wolphaartsdijk, 1775 Wasser- und Deckfarben, über schwarzem Stift, auf Büttenpapier 360 × 534 mm Städel Museum, Frankfurt am Main Foto: Städel Museum

Parallel dazu kam es im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts zu einer Hinwendung zum eigenen Land, die an niederländische Traditionen des 17. Jahrhunderts anknüpfte und diese mit einer empirisch registrierenden Sachlichkeit verband. Im zweiten Kapitel der Ausstellung werden Zeichnungen gezeigt, die sehenswerte und bedeutungsvolle Orte in den Niederlanden darstellen. In diesen Topografien vergewisserte man sich auf eine neue Art der Heimat und ihrer Geschichte. Grundlage solcher Darstellungen war das Zeichnen an Ort und Stelle, die genaue Aufnahme der Gegebenheiten; das Ergebnis wurde dann für druckgrafische Illustrationen oder autonome Zeichnungen bearbeitet. Zum führenden Künstler wurde hier Cornelis Pronk (1691–1759). Das Städel Museum besitzt unter anderem eine außergewöhnlich großformatige autonome Zeichnung des niederländischen Parlaments, das gleichzeitig die Residenz des Statthalters der Niederlande war: der Binnenhof in Den Haag (nach 1741). Topografien wurden nicht nur von professionell ausgebildeten Künstlern wie Pronk und seinen Schülern Abraham de Haen (1707–1748) und Jan de Beijer (1703–1780) angefertigt, sondern auch von wohlhabenden Amateuren wie Hendrik Schepper (1741–1794), der auf höchstem künstlerischem Niveau arbeitete. Eine Besonderheit stellt die Fantasieansicht einer niederländischen Stadt von Johannes Huibert Prins (1757–1806) dar (Ansicht einer niederländischen Stadt, 1790). Die einzelnen Bildelemente lassen sich auf einen nach der Natur gezeichneten Motivvorrat des Künstlers zurückführen, die gesamte Komposition gibt allerdings keinen realen Ort wieder.

Der Wissensdurst im 18. Jahrhundert erstreckte sich auf vielfältige Gebiete. Nicht nur Atlanten der heimatlichen Sehenswürdigkeiten wurden angelegt, es gab auch Kunst- und Naturaliensammlungen verschiedenster Ausrichtungen. Zeichnungen von Flora und Fauna waren wegen ihres künstlerischen Charakters ebenso gefragt wie als instruktive lehrreiche Abbildungen. Im Jahrhundert der Aufklärung trat die im 17. Jahrhundert noch so wichtige symbolische und religiöse Bedeutung der künstlerischen Darstellungen zugunsten wissenschaftlich-empirischer Genauigkeit, kunstgeschichtlicher Rückbesinnung und einer unmittelbar sinnlichen Freude an der Vielfalt von Farbe und Textur zurück. Das prachtvolle, auf Pergament ausgeführte Blumengebinde (1700) von Herman Henstenburgh (1667–1726) zu Beginn des Kapitels „Blumen, Früchte und Tiere“ steht für die bezeichnende Verbindung von dekorativer Wirkung und sinnlich-gegenständlicher Präsenz. Aert Schouman (1710–1792) schuf neben dekorativen Wandgemälden und Zeichnungen mit Vögeln in idealisierten Parklandschaften vor allem eine große Anzahl von zoologisch zuverlässigen Abbildungen einzelner Tiere, etwa Ein Rosalöffler (Platalea ajaja) (um 1760–1780). Aufgrund der Genauigkeit ihrer Ausführung und ihrer zeichnerischen Virtuosität waren die Blätter für naturwissenschaftlich Interessierte ebenso spannend wie für Kunstsammlerinnen und -sammler.

Die Zeichenkunst des 18. Jahrhunderts beschäftigte sich auch mit der zeitgenössischen Gegenwart, etwa in den satirischen Schilderungen eines der originellsten niederländischen Künstler dieser Zeit, Cornelis Troost (1696–1750). Mit seinen Genrekompositionen richtete er seinen Blick auf die Bürgerinnen und Bürger seiner Zeit und nahm diese in Darstellungen wie Suijpe Stein (1742) aufs Korn. Neben den Genre- und Theaterzeichnungen widmen sich die zumeist großformatigen Zeichnungen im vierten Kapitel der Ausstellung der Rückschau auf die Kunst des „Goldenen Zeitalters“. Es ist ein niederländisches Phänomen dieser Zeit, dass Sammler Nachzeichnungen nach Gemälden des 17. Jahrhunderts in Auftrag gaben, um bewunderte Kunstwerke aus fremdem Besitz selbst verfügbar zu haben. Beliebt waren pittoreske Bauernszenen von Adriaen van Ostade (1610–1685), häusliche Genredarstellungen von Gerard Dou (1613–1675) oder Porträts der Haarlemer Maler Frans Hals (1582/83–1666) und Cornelis Verspronck (1601/1603–1662).

Abschließend beschäftigt sich die Ausstellung mit einem immer wiederkehrenden Thema der niederländischen Kunst, der Landschaft. Die Landschaftszeichnungen waren eine persönliche Vorliebe von Johann Friedrich Städel und Johann Georg Grambs. Nach 1750 ist ein sich veränderter Umgang mit dem Thema der Landschaft zu erkennen. Die Darstellungen zeigen eine Tendenz zur stärkeren Rückbesinnung auf die eigene Geschichte und Kunstgeschichte. Das Landleben und die malerischen Bauernhäuser wie in Landschaft mit Burg im Schnee (Der Winter) (1788) von Jacob Cats (1741–1799) oder von Egbert van Drielst (1745–1818) sind erkennbar von Vorbildern des „Goldenen Zeitalters“ beeinflusst. Und auch in den Marinen des Rotterdamers Hendrik Kobell (1751–1779), etwa Eine Antwerpener Pleit und andere Schiffe zwischen Noord-Beveland und Wolphaartsdijk (1775), oder des Dordrechters Martinus Schouman (1770–1848) klingt das vorangegangene Jahrhundert an. Der Reiz der Landschaftszeichnungen konnte sich in dieser Zeit auf mehreren Ebenen entfalten: in der Vergewisserung der Schönheit des eigenen Landes, im Reflektieren der großen niederländischen Kunstgeschichte und ihrer Malerei, aber auch in der meisterhaften Beherrschung der verschiedenen zeichnerischen Techniken.

Die Graphische Sammlung – Neuer Studiensaal Die Graphische Sammlung im Städel Museum bewahrt über 100.000 Zeichnungen und Druckgrafiken vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Dank der hohen Qualität der Blätter gehört sie zu den bedeutendsten Sammlungen ihrer Art in Deutschland. Höhepunkte sind neben Werken von Dürer, Raffael oder Rembrandt u. a. nazarenische Zeichnungen, französische Blätter des 18. und 19. Jahrhunderts, Werke von Max Beckmann und des deutschen Expressionismus um Ernst Ludwig Kirchner sowie Arbeiten der US-amerikanischen Kunst nach 1945. Die Werke werden in Sonderausstellungen präsentiert oder im Studiensaal zu den gesonderten Öffnungszeiten vorgelegt.
Nach mehr als fünf Jahrzehnten wurde die Graphische Sammlung mit ihren Bereichen für Wissenschaft und Forschung sowie dem Studiensaal umgebaut. Die Neupräsentation der Räumlichkeiten gewährleistet eine zeitgemäße Präsentation der Bestände und sorgt für eine Verbesserung der klimatischen Bedingungen wie auch der Sicherheitsvorkehrungen gegen Brand und Einbruch.

SCHAULUST. NIEDERLÄNDISCHE ZEICHENKUNST DES 18. JAHRHUNDERTS
Ausstellungsdauer: 1. Oktober 2020 bis 10. Januar 2021

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

Ort: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main
Information: www.staedelmuseum.de
Besucherservice: +49(0)69-605098-200, info@staedelmuseum.de
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So + Feiertage 10.00–18.00 Uhr, Do 10.00–21.00 Uhr

Sonderöffnungszeiten: Sa, 3.10., 10.00–18.00 Uhr; Do, 24.12., geschlossen; Fr, 25.12., 10.00–18.00 Uhr; Sa, 26.12., 10.00–18.00 Uhr; Do, 31.12., geschlossen; Fr, 1.1.2021, 11.00–18.00 Uhr

Öffnungszeiten Studiensaal Graphische Sammlung: Mi, Fr 14.00–17.00 Uhr, Do 14.00–19.00 Uhr. Um die Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus (Covid-19) einzuhalten, ist eine vorherige schriftliche Anmeldung mit Angabe der Uhrzeit und Aufenthaltsdauer per E-Mail an graphischesammlung@staedelmuseum.de erforderlich.

Eintritt: 14 Euro; freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren
Überblicksführungen durch die Ausstellung: Do 18.00 Uhr, So 14.00 Uhr. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Tickets sind im Online-Shop für 5 Euro buchbar unter shop.staedelmuseum.de

Kleider in Bewegung – Frauenmode seit 1850 – Große Textilschau im Historischen Museum Frankfurt bis 24.01.2021 verlängert

Impression "Kleider in Bewegung", verlängert bis 24. januar 2021 Historisches Museum Frankfurt. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impression „Kleider in Bewegung“, verlängert bis 24. januar 2021 Historisches Museum Frankfurt. © Foto: Diether v. Goddenthow

Das Historische Museum Frankfurt hat seine zentrale Sonderausstellung zum  diesjährigen Leitthema Textil: „Kleider in Bewegung“ bis zum 24. Januar 2021 verlängert.

Die Ausstellung spannt einen großen Bogen von der Beschaffenheit der Kleider hin zu grundsätzlichen Aspekten von Bewegung und Mobilität, ihren Veränderungen und Anpassungen in einer für das Geschlechterbild entscheidenden Umbruchphase von 1850 bis in die frühen 1930er Jahre. Das Museum nimmt damit die großen Jubiläumsdekaden Bauhaus und Weimarer Republik in den Fokus. In den Räumen werden die verschiedenen Alltags- und Lebensbereiche (Haushalt, Arbeit, Sport, Freizeit und Politik) präsentiert, in denen sich Frauen Bewegung eroberten oder trotz bewegungseinschränkender Kleidung zu wirken begannen.
Öffnungszeiten:
Montag geschlossen
Dienstag bis Freitag: 10:00 — 18:00 Uhr
NEU! Mittwoch: 10:00 — 18:00 Uhr
Samstag und Sonntag: 11:00 — 19:00 Uhr

Öffentliche Führungen durch die Sonderausstellung immer sonntags um 12 Uhr:

So, 19. Juli, 12 Uhr
Führung mit Simone Arians

So, 26. Juli, 12 Uhr
Führung mit Nathalie Angersbach

Eintritt: 10 €/5 € ermäßigt + 3 € Führung

Um Anmeldung über den Besucherservice des Museums wird gebeten: Montag bis Freitag: 10 – 16 Uhr unter Tel. +49 69 212-35154, E-Mail: besucherservice@historisches-museum-frankfurt.de

Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1
60311 Frankfurt am Main

Werk*Stoff*Textil – Vom Faden zum Gewebe – Junges Museum öffnet am 7.06. erstmals nach Corona-Pause im Historischen Museum Frankfurt Werkstatt-Ausstellung zum Leitthema „Textilien“

In der neuen Werkausstellung "Werk*Stoff*Textil - Vom Faden zum Gewebe" können die jungen Besucher an sieben interaktiven Mitmachstationen handwerkliche Techniken selbst und mit Anleitung kennenlernen, Materialproben betrachten und erforschen sowie die Techniken selbst erproben. © Foto: Diether v. Goddenthow
In der neuen Werkausstellung „Werk*Stoff*Textil – Vom Faden zum Gewebe“ können die jungen Besucher an sieben interaktiven Mitmachstationen handwerkliche Techniken selbst und mit Anleitung kennenlernen, Materialproben betrachten und erforschen sowie die Techniken selbst erproben. © Foto: Diether v. Goddenthow

Das Historische Museum steht in diesem Jahr ganz im Zeichen von Mode und dem Stoff, aus dem sie überwiegend gefertigt wird: nämlich  Textilien, so Dr. Jan Gerchow, Direktor des Historischen Museums Frankfurt, beim gestrigen Pressegespräch zur Wiedereröffnung des Jungen Museums nach der Coronapause mit der Werk- und Mitmachausstellung „Werk*Stoff*Textil – Vom Faden zum Gewebe“ ( 7. Juni 2020 bis 21. Februar 2021. Als letzte der drei Ausstellungsformate ergänzt die neue Werkstatt-Ausstellung die große Wechselausstellung „Kleider in Bewegung – Frauenmode seit 1850“ (5. Mai 2020 – 24. Januar 2021) und „Bewegte Kleider. Ein modisches Stadtlabor“ (5. Mai bis 16. August 2020) im Ausstellungshaus des Historischen Museums. Entwickelt und übernommen wurde „Werk*Stoff*Textil – Vom Faden zum Gewebe“ vom Stadt- und Industriemuseum Rüsselsheim.

Dr. Ina Hartwig. © Foto: Diether v. Goddenthow
Dr. Ina Hartwig. © Foto: Diether v. Goddenthow

Frankfurts Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig ist fasziniert davon, dass das Historische Museum das Thema Stoff und Textil schwerpunktmäßig in diesem Jahr behandelt. Das Thema Mode sei ja neben soziologischen Betrachtungen nur ein Aspekt des Themas Stoff und Textil. Besonders Kinder fasziniere Mode ja besonders. Jeder, der sich an seine eigene Kindheit erinnere, denkt auch „an Verkleidungsspiele zurück, zum einen, weil es darum geht, Rollen auszuprobieren, also um Identitätsschablonen zu wechseln, aber auch, um sich als Kind gern auch als Erwachsener zu verkleiden. Und es geht auch beim Verkleiden um dieses Changieren der Rollen und der Identität“, so die Kulturdezernentin. Kinder bewiesen eben durch ihre Verkleidungsspiele, dass die Mode dabei auch an der Oberfläche eine Rolle spiele, die mit dem Inneren korrespondiere, was ja ein Leben lang so bleibe. Mode habe auch etwas Zeichenhaftes, sage etwas über Rollenbilder und soziale Klassen und über die Veränderung und Bewegungsfreiheit. „Frauen, die arbeiten konnten oder mussten, mussten sich auch bewegen. Also hat sich die Mode entsprechend verändert“, beleuchtet Dr. Ina Hartwig mit Blick auf die Hauptausstellung „Kleider in Bewegung“ den Aspekt der Mode. Sie habe jenseits reinen Konsums etwas Zeichenhaftes  und stünde für etwas.  Besonders fasziniere sie, dass die Ausstellung „Werk*Stoff*Textil – Vom Faden zum Gewebe“ so haptisch sei, dass sie nicht nur Kindern einen so einfachen Zugang zu diesem Thema erlaube.

Eine anregende und motivierende Lernumgebung herrscht an allen Mitmachstationen wie hier beim Stricken lernen" der Werkausstellung "Werk*Stoff*Textil - Vom Faden zum Gewebe" des Jungen Museums Frankfurt. © Foto: Diether v. Goddenthow
Eine anregende und motivierende Lernumgebung herrscht an allen Mitmachstationen wie hier beim Stricken lernen“ der Werkausstellung „Werk*Stoff*Textil – Vom Faden zum Gewebe“ des Jungen Museums Frankfurt. © Foto: Diether v. Goddenthow

In einer Werkstattausstellung wie der „Werk*Stoff*Textil – Vom Faden zum Gewebe“ kann „eine anregende und motivierende Lernumgebung geschaffen werden, erläutert die Leiterin des Jungen Museums und der Vermittlung, Susanne Gesser. So würden neben dem gestalterischen Tun ganz selbstverständlich Fachinformationen und historische Exkurse zum Thema angeboten und einfließen. „Diese Art der Ausstellung ist ausgesprochen beliebt, und kommt bei unserem Publikum sehr gut an“, skizziert Susanne Gesser einen der pädagogischen Ansätze.

Susanne Gesser (mitte) demonstriert Ina Hartwig (li) u. Dr. Jan Gerchow die Idee der Werkinseln.© Foto: Diether v. Goddenthow
Susanne Gesser (mitte) demonstriert Ina Hartwig (li) u. Dr. Jan Gerchow die Idee der Werkinseln.© Foto: Diether v. Goddenthow

Was einst schon schöpferisches Wohlbefinden förderte,  tut es auch heute noch: „Handwerkliche Geschicklichkeit, innere Erlebnisse und sinnenfrohe Wahrnehmungskraft und eine durch Einsicht beflügelte Gestaltungsfreude stellen eine dreifache Einheit menschlicher Wesensäußerung dar“. Dieser  aus einem 1970er Handarbeitsbuch zitierte, ein wenig altmodisch anmutende Text hat nicht an Aktualität verloren, und träfe „ganz gut die Idee, die hinter den Werkstattausstellungen des Jungen Museums steht“, so die Museumsleiterin. „Es geht darum, etwas Neues kennenzulernen, es auszuprobieren, möglicherweise sogar die eigene Kreativität zu entdecken. Dabei können manuelle Geschicklichkeit geschult, neue Anreize und Anregungen für Kreativität aufgenommen und Neugierde geweckt werden.“

Von Rüsselsheim nach Frankfurt – Einführung in die Ausstellung

Dr. Bärbel Maul. © Foto: Diether v. Goddenthow
Dr. Bärbel Maul. © Foto: Diether v. Goddenthow

Es sei beinahe wie ein Ritterschlag, dass das Historische Museum Frankfurt, eine der wichtigsten Institutionen seiner Art bundesweit, unsere Ausstellung aus Rüsselsheim übernommen habe. „Sie fragen sich vielleicht warum und weswegen sich die Rüsselsheimer überhaupt des Themas Textilien angenommen haben?“ begrüßte Dr. Bärbel Maul, Ausstellungsmacherin und Museumsleiterin des Stadt- und Industriemuseums Rüsselsheim.

Erst gab’s die Opel-Nähmaschine 

Man müsse wissen, so die Rüsselsheimer Museumsleiterin, dass noch bevor das 10.000ste Auto aus einer Werkhalle in Rüsselsheim rollte, Opel bereits eine Millionen Nähmaschinen produziert hatte. Die Nähmaschinenproduktion sei Beginn dieser wichtigen Geschichte Rüsselsheims gewesen. Adam Opel war,  als er 1858 auf der Pariser Weltausstellung die brandneue, von Elias Howe in Amerika (fertig-)erfundene Nähmaschine kennen lernte, so  fasziniert davon, dass er beschloss, diese in Rüsselsheim nachzubauen und zu produzieren.

Die ersten Nähmaschinen, die Adam Opel verkauft hat, hat er nicht nur an Schneidermeister verkauft, die  Kleider individuell gefertigt haben. © Foto: Diether v. Goddenthow
Die ersten Nähmaschinen, die Adam Opel verkauft hat, hat er nicht nur an Schneidermeister verkauft, die Kleider individuell gefertigt haben. © Foto: Diether v. Goddenthow

Nach der Erfindung der Spinnmaschine Mitte des 18. Jahrhunderts und des mechanischen Webstuhls Ende des 18. Jahrhunderts war die mechanische Nähmaschine „die dritte Maschine, die in der Lage war, die Textilproduktion zu revolutionieren“, so Dr. Bärbel Maul.
„Plötzlich ist Kleidung kein Luxus mehr. Kleidung und später auch bunte Kleidung ist massenhaft und billig verfügbar. Und das, was wir heute erleben und sehen in Bezug auf Kleidung, bahnt sich dort bereits an. Die ersten Nähmaschinen, die Adam Opel verkauft hat, hat er nicht nur an Schneidermeister verkauft, die die  „Kleider“   ihren Kunden individuell auf den Leib schneiderten. Er verkaufte auch Nähmaschinen für den Hausgebrauch, oftmals an Frauen, die unter härtesten Arbeitsbedingungen in der Konfektionsindustrie tätig waren“, erläuterte Dr. Bärbel Maul die Rüsselsheimer „Textilmaschinen-Geschichte“, die zur Entscheidung führten, sich intensiv den unterschiedlichsten Facetten von „Textilien“ und ihrer Entstehung zu widmen.

Einführung in die Ausstellung

Eine besondere Herausforderung war, dieses Thema "Textil" in einer Werkstatt- und Mitmachausstellung so zu präsentieren,  die   auch Kinder und Jugendliche anspricht. © Foto: Diether v. Goddenthow
Eine besondere Herausforderung war, dieses Thema „Textil“ in einer Werkstatt- und Mitmachausstellung so zu präsentieren, die auch Kinder und Jugendliche anspricht. © Foto: Diether v. Goddenthow

Eine besondere Herausforderung war, dieses Thema „Textil“ in einer Werkstatt- und Mitmachausstellung zu präsentieren, „die sich besonders auch an Kinder und Jugendliche richtet und die ohne erhobenen Zeigefinger auskommt, was uns ganz, ganz wichtig war“, erinnert sich die Kuratorin, die Entstehung der Rüsselsheimer Ausstellung. Gemeinsam mit dem Frankfurter Museums-Team  wurde diese an die  umfangreiche Frankfurter Textil- und Farben-Geschichte für die aktuelle Ausstellung angepasst.

Die Ausstellung „Werk*Stoff*Textil“ zeige zunächst einmal „welche Schritte es denn für die Herstellung eines Textils braucht. ‚Wie kommt man denn überhaupt von einer Faser zu einer textilen Fläche? Wie kommt man dann wieder von der Fläche zu einer farbigen Fläche? Vielleicht auch mit einem bunten Muster? Und wie dann eben auch zum fertigen Kleidungsstück?’“ Die Rüsselsheimer Erfahrungen mit Kindern und Jugendlichen zeige: Wer sich dies einmal vergegenwärtigt habe, mal selber ausprobiert habe,  könne erst verstehen, wie viel Ideen, Mühe, Sorgfalt und Arbeit in so einer Textilie stecke. Und dann würde man auch empfänglich für die Überlegung, ob wir der Kleidung, die wir tragen, eigentlich die Wertschätzung zukommen lassen, die sie haben sollte?

Werkinsel Roh- und Ausgangsstoffe

Die Ausstellung zeigt zunächst einmal „welche Schritte es denn für die Herstellung eines Textils braucht. Wie kommt man denn überhaupt zu einer Faser und  von der Faser zu einer textilen Fläche? © Foto: Diether v. Goddenthow
Die Ausstellung zeigt zunächst einmal „welche Schritte es denn für die Herstellung eines Textils braucht. Wie kommt man denn überhaupt zu einer Faser und von der Faser zu einer textilen Fläche? © Foto: Diether v. Goddenthow

Deswegen startet die Ausstellung „Werk*Stoff*Textil – Vom Faden zum Gewebe“ mit einer Werkstatt-Insel, die Antworten auf die Fragen gib, welche Textilfasern es gibt, wie sie sich anfühlen, wie daraus ein Faden wird und was diese Fasern können. Gezeigt werden tierische, pflanzliche und synthetische Fasern. Präsentiert zum Anfassen werden Roh- und Ausgangsstoffe, aus denen ein Faden/Garn entsteht. Die Besucher können tierische, pflanzliche und synthetische Fasern einer Materialprobe unterziehen und die verschieden Eigenschaften der Ausgangsstoffe vergleichen (Herkunft der Stoffe, visueller und haptischer Vergleich, Elastizität, Wolle kardieren, mit der Handspindel einen langen Faden spinnen).

Werkinsel Weben

Die Museumspädagogen zeigen auch wie manuelles Weben am großen Webstuhl funktioniert. © Foto: Diether v. Goddenthow
Die Museumspädagogen zeigen auch wie manuelles Weben am großen Webstuhl funktioniert. © Foto: Diether v. Goddenthow

Mit über 30.000 Jahren ist das Weben eine der ältesten Handwerkstechniken. Als die Menschen sesshaft wurden und Faserpflanzen anbauten, konnten sie immer besser durch Spinnen und Weben textile Flächen herstellen. In diesem Bereich sind große Rahmen mit Kettfäden versehen, an denen Besucher*innen mit Hilfe eines Schiffchens eigene gewebte Werke gestalten können. Verschiedene Gewebeproben mit unterschiedlichen Bindungen (unterschiedliche Anordnung von Kett- und Schussfäden) können untersucht werden. Unter Anleitung der Publikumsbetreuung können Besucher*innen an einem großen hölzernen Webstuhl an einem großen Webstück arbeiten

Werkinsel Stricken & Knüpfen

Bevor es losgehen kann, sollte die die Wolle entsprechend gewickelt werden. © Foto: Diether v. Goddenthow
Bevor es losgehen kann, sollte die Wolle entsprechend gewickelt werden. © Foto: Diether v. Goddenthow

Beim Stricken entsteht aus einem Faden Masche für Masche, Reihe für Reihe, ein Gestrick. Die ältesten Gestricke, die sich erhalten haben, sind knapp über 1.000 Jahre alt. Das Verschlingen des Fadens findet sich auch in verschiedenen Knüpftechniken wieder – mit dem Unterschied, dass der Faden fest verknotet wird. In diesem Bereich können verschiedene Techniken ausprobiert werden: Stricken mit der Nadel, mit den Fingern, Stricken mit Strickrahmen; gemeinsames Knüpfen eines Teppichs an der Knüpfwand, Netze knüpfen.

Werkinsel Filzen

Die gängigsten Filztechniken auf einen Blick. © Foto: Diether v. Goddenthow
Die gängigsten Filztechniken auf einen Blick. © Foto: Diether v. Goddenthow

Filzen gilt als eine der ältesten Kulturtechniken der Welt, um Stoff herzustellen. So sollen schon vor 8.000 bis 10.000 Jahren Menschen damit begonnen haben, die Wolle ihrer Hausschafe zum Filzen zu gebrauchen. Beim Filzen entsteht eine textile Fläche, deren Fasern durch verschiedene Techniken direkt miteinander verbunden sind. Dabei bedient sich die Technik der natürlichen Struktur von (Tier-) Haaren, die nicht nur unterschiedliche Oberflächen, sondern auch verschiedene stoffliche Qualitäten haben. Hier kann an Filztextilien die besondere Widerstandsfähigkeit des Materials erforscht werden.

Werkinsel Färben

Öffnet man an der "Färbestation" die  unteren Farbtafeln,  entdeckt man die  entsprechenden Roh- und Pflanzenstoffe der jeweiligen  Natur-Farbe. © Foto: Diether v. Goddenthow
Öffnet man an der „Färbestation“ die unteren Farbtafeln, entdeckt man die entsprechenden Roh- und Pflanzenstoffe der jeweiligen Natur-Farbe. © Foto: Diether v. Goddenthow

Der Ausstellungsbereich zum Färben stellt zwölf heimische Färberpflanzen vor, deren natürliche Inhaltsstoffe zum Färben genutzt wurden. Im Anschluss lassen sich naturfarbene Stoffstreifen aus Baumwolle oder Leinen mit verschiedenen Lösungen in unterschiedlichen Farbtönen einfärben. Besucher*innen sind eingeladen, an einer Mischstation einen neuen Farbton zu „erfinden“ und ihn in ein bereitliegendes Musterbuch einzuheften.

Werkinsel Drucken

Die wichtigsten manuellen Drucktechniken gleich zum Ausprobieren. © Foto: Diether v. Goddenthow
Die wichtigsten manuellen Drucktechniken gleich zum Ausprobieren. © Foto: Diether v. Goddenthow

Der Stoffdruck war lange Zeit ein anspruchsvolles Handwerk. Die Formenstecher schlugen mit hoher Genauigkeit die Muster in das Holz. Die „Zeugdrucker“ beherrschten das Färben der Stoffe und setzten die Modeln so kunstvoll auf den Stoff, dass das Muster sich genau fortsetzte und unendlich schien. Die Modeln waren zunächst aus Holz, später aus Metall. Dann wurden die Druckstöcke durch Walzen ersetzt, die später von Maschinen angetrieben wurden. Seit Einführung des Digitaldrucks 1995 sind keine festen Druckvorlagen mehr nötig, das Motiv wird direkt vom Computer übertragen. An einer Computer-Station kann ein eigenes Druckmuster entworfen und auf dem imaginären Stoff beliebig vervielfältigt werden. Darüber hinaus können Besucher*innen Stoffdruck mit Stempeln und Walzen ausprobieren.

Werkinsel Nähen

Auch eine  mechanische Nähmaschine wird an der großen Nahstation gezeigt. Zuschnitt, Schnittmusterbögen und Gebrauch von Nadel, Garn und Faden können  unter Anleitung am großen Tisch nebenan gemeinsam erprobt werden. © Foto: Diether v. Goddenthow
Auch eine mechanische Nähmaschine wird an der großen Nahstation gezeigt. Zuschnitt, Schnittmusterbögen und Gebrauch von Nadel, Garn und Faden können unter Anleitung am großen Tisch nebenan gemeinsam erprobt werden. © Foto: Diether v. Goddenthow

Nähen ist eine der ältesten Kulturtechniken, die Erfindung der Nähnadel aus Knochen oder Horn ist bereits für die Steinzeit belegt. Mit Nadel und Faden wird aus dem zweidimensionalen, flächigen Stück Stoff ein z.B. als Kleidung nutzbares dreidimensionales Textil. In diesem Bereich können an einer historischen Nähmaschine Wimpel genäht werden, die als sich als wachsende Wimpelkette durch die gesamte Ausstellung ziehen. Eine Informationswand verdeutlicht, wie viel Stoff und welche einzelnen Stoffteile in einer Jeans stecken und welche Arbeitsschritte in ihrer Produktion vollzogen werden.

Mensch & Umwelt

Das unbenutzte löchrige T-Shirt wird zur Tasche oder zum Badezimmerteppich. Aus ausgedienter Kleidung werden neue Accessoires.© Foto: Diether v. Goddenthow
Das unbenutzte löchrige T-Shirt wird zur Tasche oder zum Badezimmerteppich. Aus ausgedienter Kleidung werden neue Accessoires.© Foto: Diether v. Goddenthow

Dieser Themenbereich beschäftigt sich mit den Produktionsbedingungen von Textilien. Der umfangreiche Einsatz von Pestiziden bei Anbau und Produktion der Rohfasern, der enorme Wasser- und Energieverbrauch bei der Weiterverarbeitung, die ungeschützt vor giftigen Chemikalien tätigen Textilarbeiterinnen in China, Bangladesch oder Indien, Niedriglöhne und Kinderarbeit: Die europäische Textilbranche beruht auf Umweltverschmutzung und Ausbeutung, die anderswo passiert. An der Informationswand „Nachhaltigkeit“ und in der Upcycling-Werkstatt können sich Besucher*innen dem Umarbeiten und Wiederverwenden aussortierter Textilien widmen: Das unbenutzte löchrige T-Shirt wird zur Tasche oder zum Badezimmerteppich, aus ausgedienter Kleidung werden neue Accessoires.

Kleiderbügel-Objekte – die  sonstige vielfältige Verwendung von Textilien

Wussten Sie, dass in Rottweil die Fassade des 246 Meter hohen Testturms für Aufzüge der Firma thyssenkrupp Elevator aus Stoff besteht, nämlich aus einem beschichteten Glasgewebe. Solche und ähnliche Beispiele werden auf den Tafeln der vier „Kleiderbügel-Objekttafeln“ präsentiert, erläutert Dr. Bärbel Maul. © Foto: Diether v. Goddenthow
Wussten Sie, dass in Rottweil die Fassade des 246 Meter hohen Testturms für Aufzüge der Firma thyssenkrupp Elevator aus Stoff besteht, nämlich aus einem beschichteten Glasgewebe. Solche und ähnliche Beispiele werden auf den Tafeln der vier „Kleiderbügel-Objekttafeln“ präsentiert, erläutert Dr. Bärbel Maul. © Foto: Diether v. Goddenthow

Es gibt neben den Werkstatt-Stationen noch eine Rahmung dazu, so Dr. Bärbel Maul abschließend. Denn Textilien seien natürlich sehr viel mehr als das, was wir anziehen. Es gibt in unserem Alltag unglaublich viele Bereiche, in denen Textilien eingesetzt werden, an die man zuerst mal gar nicht denkt. Von der zurzeit „berühmten“ Mundschutzmaske bis hin zum industriellen Werkstoff, kämen Textilien überall zum Einsatz. An vier Garderobenständern im Raum werden Tafeln mit entsprechenden Objektbeschreibungen an Kleiderbügeln präsentiert. Die Kleiderbügel-Objekte zeigen unterschiedliche Textilien in verschiedensten Einsatzbereichen. Sie eröffnen eine Vorstellung davon, welche Bedeutung Textilien haben und erreichen können, an welchen neuen Materialien geforscht wird und welche alten und neuen Einsatzbereiche es für Textilien gibt. Man habe sich bei der Ausstellungsvorbereitung beim Deutschen Institut für Faserforschung und Textiltechnik in Denkendorf (Baden Württemberg) beraten lassen.

Es sei nicht nur eine Ausstellung, die ausschließlich  Kinder und Jugendliche begeistere: „Wir haben auch schon Erwachsene ohne Kinderbegleitung in der Ausstellung erwischt“.

UV-Desinfektionslampen im Einsatz

Karin Berrio, Leiterin der Museumskommunikation, demonstriert an der Webstation wie mit UV-Strahlung innerhalb kürzester Zeit auch Bereiche zu 99,9 Prozent desinfiziert werden können,  die man mit  Flächendesinfektionsflüssigkeiten nicht erreicht.© Foto: Diether v. Goddenthow
Karin Berrio, Leiterin der Museumskommunikation, demonstriert an der Webstation wie mit UV-Strahlung innerhalb kürzester Zeit auch Bereiche zu 99,9 Prozent desinfiziert werden können, die man mit Flächendesinfektionsflüssigkeiten nicht erreicht.© Foto: Diether v. Goddenthow

Neben den  lückenlosen Infektionsschutzmaßnahmen mit begrenzten Besucherzugangszahlen, „Einbahnstrassenverkehr“, Abstands- und Desinfektionsregeln  hat sich das Historische Museum   UV-Desinfektionslampen angeschafft. Mit deren Hilfe können die Museumsmitarbeiter sämtliche in der Werkausstellung befindlichen Materialien, ob Schafwollbürste oder Nähutensilien,  innerhalb weniger Minuten sterilisieren. Was in  OP’s für Keimfreiheit sorgt, funktioniert auch eben auch an Werktischen!

(Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Ort:

Immer der Wimpelkette nach.
Immer der Wimpelkette nach.

Junges Museum im
Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1
60311 Frankfurt am Main
Tel +49 69 212 35599
Fax +49 69 212 30702
E-Mail info@historisches-museum-frankfurt.de

Städel Frankfurt – ZURÜCK IN DIE GEGENWART NEUE PERSPEKTIVEN, NEUE WERKE – DIE SAMMLUNG VON 1945 BIS HEUTE

Miriam Cahn (*1949) Muttertier, 1998 Öl auf Leinwand 84 × 100 cm Städel Museum, Frankfurt am Main, Eigentum des Städelschen Museums-Vereins e.V. Erstmals präsentiert in den neu eröffneten Gartenhallen im Städel. © Foto: Diether v. Goddenthow
Miriam Cahn (*1949) Muttertier, 1998 Öl auf Leinwand 84 × 100 cm
Städel Museum, Frankfurt am Main, Eigentum des Städelschen Museums-Vereins e.V. Erstmals präsentiert in den neu eröffneten Gartenhallen im Städel. © Foto: Diether v. Goddenthow

Neupräsentation der Sammlung Gegenwartskunst ab dem 19. Mai 2020 in den Gartenhallen

Frankfurt am Main, 4. Mai 2020. Nahezu ein Jahrzehnt nach der Eröffnung der Gartenhallen wird die Sammlung Gegenwartskunst im Städel Museum ab dem 19. Mai 2020 zum ersten Mal neu präsentiert. Ausgehend vom zentralen Platz der rund 3.000 m² großen Gartenhallen und beginnend mit Hauptwerken der jüngeren und jüngsten Zeitgenossenschaft fächert sich eine Geschichte der Kunst nach 1945 auf. Rund 230 Arbeiten von 170 Künstlerinnen und Künstlern aus verschiedenen Schulen, Stilen und Gruppen eröffnen überraschende Vergleiche, Blickwinkel und Sichtachsen zwischen der unmittelbaren Gegenwart und ihren Wurzeln in den zurückliegenden Jahrzehnten. Aus diesem Anlass ist auch eine Vielzahl an jüngsten Neuerwerbungen und Schenkungen erstmals zu sehen, etwa Arbeiten von Miriam Cahn (*1949), René Daniëls (*1950), Carlos Cruz-Diez (1923–2019), Jimmie Durham (*1940), Asta Gröting (*1961) oder Victor Vasarely (1906–1997). Anhand unterschiedlichster Erzählstränge ermöglicht die Neupräsentation einen Zugang zur Kunst nach 1945, der die Sammlung bewusst nicht chronologisch, sondern thematisch erfahrbar macht. Die Auflösung des abgebildeten Gegenstandes in abstrakte, formlose Malereien wird ebenso Dekaden übergreifend vermittelt wie der sich gleichzeitig vollziehende Einzug der gestischen Malerei und deren Auswirkungen auf die nachfolgenden Jahrzehnte. Auch die immer wieder mit neuen Bedeutungen und Referenzen aufgeladene Ästhetik der Geometrie und der Dinge des alltäglichen Lebens wird in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und thematischen Bezugspunkten gezeigt. Im Gang durch die Räume und Plätze der Gartenhallen kann das Publikum nachvollziehen, wie die Figur wieder zurück ins Bild findet, die Malerei den – realen – Raum erobert oder die scheinbar konkurrierenden Medien Malerei und Fotografie zu einem wechselseitigen Austausch finden.

Impression der Neupräsentation "Zurück in die Gegenwart" der Sammlung Gegenwartskunst ab dem 19. Mai 2020 in den Gartenhallen. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impression der Neupräsentation „Zurück in die Gegenwart“ der Sammlung Gegenwartskunst ab dem 19. Mai 2020 in den Gartenhallen. © Foto: Diether v. Goddenthow

„Seit der Gründung des Städel Museums sammeln wir zeitgenössisch. Im Jahr 2012 hat die Sammlung Gegenwartskunst einen hervorragenden Platz in den neuen Gartenhallen gefunden. Seitdem ist viel passiert: In den letzten Jahren konnten wir durch das starke Engagement unserer Förderinnen und Förderer sowie durch zahlreiche bedeutende Schenkungen und eine entschlossene Ankaufspolitik die Sammlung Gegenwartskunst signifikant ausbauen. Diese neuen Werke und weitere bedeutende Arbeiten kann unser Publikum in einer veränderten Präsentation und einer Auswahl von 170 Künstlerinnen und Künstlern neu entdecken. Es ist eine Einladung, eine besondere Sammlung und sieben Jahrzehnte Gegenwartskunst mit anderen Augen zu sehen“, so Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums.

„Die offene Struktur der Städel Gartenhallen ermöglicht einen unabhängigen Blick auf die Kunst unserer Zeit, die vom jeweiligen Heute bis in die unmittelbare Nachkriegszeit zurückreicht. Die Plätze, Räume und Wege der Ausstellungsarchitektur eröffnen ungewohnte Blickachsen und Nachbarschaften, die Verbindungen herstellen, sichtbar machen und mühelos Kunst aus mehreren Jahrzehnten zusammenführen. Wir werden zum Flaneur und können die jüngste Kunstgeschichte nach unseren selbst gewählten Routen entdecken“, erklärt Martin Engler, Sammlungsleiter der Abteilung Gegenwartskunst im Städel Museum.

So tritt etwa Wolfgang Tillmans’ (*1968) abstrakte Fotografie Freischwimmer 54 (2004) in Dialog mit der Assemblage Zimbal (1966) von Gerhard Hoehme (1920–1989) oder Raymond Hains’ (1926–2005) Collage Coup de Pied (1960), die Skulpturen Jessica Stockholders (*1959) #358 (2001) und Isa Genzkens (*1948) Wind I (David) (2009) leiten über zu Blinky Palermos (1943–1977) Stoffbild (1970) oder Yves Kleins (1928–1962) Schwammrelief Relief éponge bleu (1960). Daniel Richters (*1962) abstrakt-figurative Malerei verknüpft sich mit Francis Bacons (1909–1992) Studie für die Kinderschwester in dem Film „Panzerkreuzer Potemkin“ (1957). Dirk Skrebers (*1961) fotorealistisch anmutende Malerei führt zu Thomas Demands (*1964) selbst gebauten und fotografisch festgehaltenen Räumen. Jenseits der scheinbar vertrauten Pfade der Kunst nach 1945 werden verschiedene Gegenwarten sichtbar: unterschiedlichste Lesarten und Zugänge zur Kunst dieser Zeit, die teilweise parallel verlaufen, sich überschneiden oder ergänzen, einander widersprechen und kommentieren. Das Ergebnis ist ein Parcours durch sieben Jahrzehnte Gegenwartskunst, der es dem Publikum ermöglicht, eine eigene Kunstgeschichte auf individuelle Weise und nach persönlichem Interesse zu begreifen.

Einblicke in die Neupräsentation
Die Neupräsentation der Sammlung Gegenwartskunst lässt sich ausgehend vom zentralen Platz der Gartenhallen erschließen. Unter der acht Meter hohen Kuppel vereinen sich aktuelle Positionen von Künstlerinnen und Künstlern der jüngsten Gegenwart. Arbeiten von Isa Genzken, Jessica Stockholder, Michel Majerus (1967–2002), Wilhelm Sasnal (*1972), Daniel Richter oder Dirk Skreber führen die vielschichtigen Erzählstränge der Sammlung zusammen. Sie zeigen die Heterogenität zeitgenössischer Kunstproduktion und definieren zugleich den ästhetischen Resonanzraum unserer Gegenwart. Von ihnen gehen strahlenförmig die Haupterzählstränge der Sammlungspräsentation aus. Anhand von Hauptwerken und Entdeckungen jenseits des Kanons wird eine Lesart der Kunstgeschichte betont, die eine lineare Entwicklung entkräftigt und vielmehr das Verbindende als das Trennende in der Kunst sucht.

Eines der zentralen Anliegen der neuen Dauerausstellung ist die Entwicklung einer verbindenden Erzählung zwischen der Kunst nach 1945 und der Moderne – der sogenannten ersten und zweiten Avantgarde. In der geometrischen Abstraktion der Nachkriegszeit zitieren, überarbeiten oder dekonstruieren Künstlerinnen und Künstler die Formensprache des Bauhauses oder des russischen Suprematismus.

Geometrische Abstraktionen. Im Hintergrund: Victor Vasarely (1906–1997) mit "Rey-Tey-Ket", 1969 Arcyl auf Leinwand 160 × 160 cm. © Foto: Diether v. Goddenthow
Geometrische Abstraktionen. Im Hintergrund: Victor Vasarely (1906–1997)
mit „Rey-Tey-Ket“, 1969 Arcyl auf Leinwand 160 × 160 cm. © Foto: Diether v. Goddenthow

In einer konzentrierten Zusammenstellung verdeutlichen Arbeiten von Victor Vasarely, Mary Heilmann (*1940), Carlos Cruz-Diez oder Josef Albers (1888–1976), wie der Verzicht auf eine persönliche Handschrift und auf Gegenständliches die visuelle Wahrnehmung von Farbe und Form schärfen. Robert Breer (1926–2011) oder Rupprecht Geiger (1908–2009) hingegen überführen die geometrische Abstraktion in eine Farbfeldmalerei.

Das europäische Informel wird in der Sammlung Gegenwartskunst im Städel als Konzept einer ganzen Epoche begriffen. Nach 1945 äußert sich darin neben dem Moment der Freiheit auch die Unmöglichkeit, das Ausmaß der Zerstörung mit einer gegenständlichen Bildsprache angemessen darzustellen. Eine abstrakte, gestische Malerei löst jegliche Form und menschliche Gestalt auf. Der Mensch ist nur noch als Spur der malerischen Handlung im Bild verankert. Doch schon in den 1920er- und 30er-Jahren, in den Arbeiten von Jean Fautrier (1898–1964) oder Fritz Winter (1905–1976), wird dieses vielfältige internationale Phänomen sichtbar. Arbeiten von Wolfgang Tillmans oder Michel Majerus veranschaulichen hingegen das Formlose als ästhetische Kategorie bis in unsere direkte Gegenwartskunst. Diese universelle Bildsprache weitet sich schließlich auch über die Grenzen der Malerei aus. Arbeiten von Raymond Hains oder Dieter Roth (1930–1998) vereinen sich auf überraschende Weise in der Auflösung einer geschlossenen Form hin zu medienübergreifenden Bildkonzepten.

Parallel zu dieser Entwicklung verdeutlichen auch unterschiedliche künstlerische Positionen – beispielsweise von Georg Baselitz (*1938), Eugen Schönebeck (*1936), Leon Golub (1922–2004) oder Pablo Picasso (1881–1973), Francis Bacon und Alberto Giacometti (1901–1966) mit ihren deformierten Körperdarstellungen – dass die Figur keineswegs vollkommen verschwindet. Vielmehr befinden sich Künstlerinnen und Künstler auf einer Suche nach neuen Ausdrucksformen. Zwischen Figuration und Abstraktion entsteht eine neue Gegenständlichkeit, eine neue Wahrnehmung und Darstellung des Menschenbildes. Dass diese Suche bis in unsere jüngste Gegenwart reicht, zeigen Arbeiten von Miriam Cahn oder Daniel Richter.

Die Malerei nach 1945 verlässt immer mehr die Leinwand – ohne aufzuhören, Malerei zu sein. Diese Erweiterung des Tafelbildes in den Raum kann in den Gartenhallen anschaulich nachvollzogen werden, ausgehend von den Nouveaux Réalistes, Zero oder der amerikanischen Minimal Art bis in unsere heutige Zeit. Yves Kleins Schwammreliefs, Günther Ueckers (*1930) Nagelbilder oder Dieter Roths Assemblagen knüpfen an die Moderne an und verweisen gleichzeitig auf Zukünftiges. In den Arbeiten John M. Armleders (*1948), Isa Genzkens oder Jessica Stockholders zeigt sich, wie der Raum immer mehr erobert wird und die Kunst bis in den Alltag dringt.

Impression der Neupräsentation "Zurück in die Gegenwart" der Sammlung Gegenwartskunst ab dem 19. Mai 2020 in den Gartenhallen. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impression der Neupräsentation „Zurück in die Gegenwart“ der Sammlung Gegenwartskunst ab dem 19. Mai 2020 in den Gartenhallen. © Foto: Diether v. Goddenthow

Auch das wechselseitige Verhältnis zwischen Malerei und Fotografie wird Dekaden übergreifend gefasst. Angefangen mit Bernd (1931–2007) und Hilla (1934–2015) Becher sowie ihren Schülerinnen und Schülern, wie Jörg Sasse (*1962) oder Andreas Gursky (*1955), bis hin zu Wolfgang Tillmans und Angela Grauerholz (*1952) wird ein vielschichtiges Spektrum an neuen Bildstrategien sichtbar: zwischen dokumentarischem Anspruch und Fotografien abseits jeglicher Realität. Dabei wird nicht die Unterschiedlichkeit der beiden scheinbar konkurrierenden Medien betont, sondern vielmehr der gegenseitige Einfluss. Die Fotografie, mit dem vermeintlichen Anspruch der Abbildung von Wirklichkeit, wird dann zum eigenständigen Medium, das seine Möglichkeiten ausschöpft. Insbesondere im Kontext eines digitalen Zeitalters gewinnt dieser Diskurs immer weiter an Relevanz. In diesem wechselseitigen Austausch eignen sich Fotografien die Bildstrategien der Malerei an und umgekehrt.

Die Sammlung Gegenwartskunst im Städel Museum
Seit seiner Gründung vor mehr als 200 Jahren erweitert das Städel Museum die eigene Sammlung kontinuierlich, stets auch im Hinblick auf die jeweilige künstlerische Gegenwart: sei es durch die Kunst der Nazarener zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder später durch Werke des Impressionismus und Expressionismus unter dem damaligen Direktor Georg Swarzenski (1876–1957). Mit der Gründung der Städtischen Galerie im Städel durch die Stadt Frankfurt erhielt die Kunst der Gegenwart einen festen Platz im Museum. Mit den Erwerbungen unter Direktor Klaus Gallwitz (*1930) zwischen 1974 und 1994 konnte der Grundstein der heutigen und im Umfang deutlich vergrößerten Sammlung der Kunst nach 1945 gelegt werden. Hauptwerke von Yves Klein, Francis Bacon, Jean Dubuffet (1901–1985), Anselm Kiefer (*1945), Georg Baselitz oder Gerhard Richter (*1932) gelangten so vergleichsweise früh in den Sammlungsbestand des Städel.
Im Jahr 2012 konnte die Sammlung Gegenwartskunst in den von Max Hollein (*1969) initiierten Gartenhallen erstmals umfassend präsentiert werden. Ermöglicht wurde dieser Erweiterungsbau durch die Unterstützung der Bürgerschaft und durch das Engagement des Städelschen Museums-Vereins, der Städte Frankfurt und Eschborn, des Landes Hessen, der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung sowie weiterer Stiftungen und zahlreicher Unternehmen, deren Engagement in Form einer Saalpatenschaft zum Ausdruck gebracht wird. Die Sammlung Gegenwartskunst im Städel Museum wird bis heute durch großzügige Schenkungen von privaten Mäzeninnen und Mäzenen erweitert und hat wichtige Werke aus den Unternehmenssammlungen der Deutschen Bank sowie der DZ BANK als Leihgaben erhalten. Einen wesentlichen Anteil an Qualität und Umfang der aktuellen Sammlung Gegenwartskunst haben die Erwerbungen des Städelkomitees 21. Jahrhundert.
Durch die kontinuierlichen Erweiterungen und eine konsequente Ankaufspolitik konnte die Sammlung nicht nur ihr Profil mit dem Schwerpunkt deutsche Malerei schärfen, sondern auch wichtige Querverbindungen innerhalb der Nachkriegskunst und darüber hinaus ziehen: Dabei gab es Neu- und Wiederentdeckungen, internationale Verbindungen wurden ausgebaut und hergestellt. Die Dauerausstellung bietet einen Blick auf eine Geschichte der Kunst nach 1945, die nicht für sich alleine steht, sondern im Kontext einer 700 Jahre umfassenden Erzählung europäischer Kunst am Städel Museum. Ganz im Sinne eines globalen Zeitgeistes wird daher die Gegenwartskunst am Städel nicht als geradlinig fortschreitender Prozess, sondern facettenreich und thematisch vernetzt präsentiert.

CLOSE UP. Gegenwart verstehen – Gegenwart vertiefen
Im Zuge der Neupräsentation haben die Abteilungen der Bildung und Vermittlung und der Sammlung Gegenwartskunst des Städel Museums einen innovativen Kunst- und Vermittlungsraum entwickelt. Er bietet den Besucherinnen und Besuchern individuelle Zugänge und Vertiefungsmöglichkeiten zu zentralen Themen der Gegenwartskunst. CLOSE UP spricht ein diverses Publikum mit seinen vielfältigen Erwartungen und Vorkenntnissen an.Die Werke der Gegenwartskunst sind der Lebensrealität der heutigen Besucherinnen und Besucher am nächsten. Dennoch haben die Erfahrungen in der aktiven Vermittlungsarbeit der letzten Jahre gezeigt, dass die Rezeption von Gegenwartskunst häufig mit Hemmschwellen verbunden ist. Der neue Kunst- und Vermittlungsraum des Städel Museums setzt an dieser Stelle an und ermöglicht den Besucherinnen und Besuchern sowohl einen individuellen, niedrigschwelligen und zum Teil spielerischen Zugang als auch eine intensive Beschäftigung, ein Selbststudium von Künstlerinnen und Künstlern, Themen und Diskursen. CLOSE UP verbindet die Präsentation von Einzelwerken mit verschiedenen insbesondere, ab Mitte Juni 2020, auch digitalen Formaten. Die im Raum gezeigten Arbeiten werden in soziokulturelle und historische Zusammenhänge eingeordnet, sodass Verbindungslinien zwischen Kunst und Gesellschaft deutlich werden. Den Auftakt im CLOSE UP zur Neupräsentation der Gegenwart bildet das Zusammenspiel von Fotografie und Malerei. Darüber hinaus ergänzt ein abwechslungsreiches Vermittlungsprogramm für Gruppen das Angebot der vertiefenden Auseinandersetzung mit Themen der Sammlung Gegenwartskunst. Auch in das reguläre Vermittlungsprogramm und die Angebote für Kita-Gruppen und Schulklassen wird der neue Bereich eingebunden.

Ort:

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main
Information: www.staedelmuseum.de
Besucherservice: +49(0)69-605098-200, info@staedelmuseum.de
Öffnungszeiten: Di, Mi, Sa, So + Feiertage 10.00–18.00 Uhr, Do + Fr 10.00–21.00 Uhr
Sonderöffnungszeiten: 21.5., 1.6., und 11.6.2020 (10.00–18.00 Uhr)
Eintritt: 14 Euro; freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren
Kartenvorverkauf: shop.staedelmuseum.de

Bestandskatalog: Sammlungsüberblick „Gegenwartskunst (1945–heute) im Städel Museum“, hrsg. von Martin Engler und Max Hollein. Mit einem Vorwort von Max Hollein, Einleitung von Martin Engler. Mit Texten von Martin Engler, Anna Fricke, Carolin Köchling und Charlotte Klonk sowie Gesprächen mit Klaus Gallwitz, Friedhelm Hütte, Sylvia von Metzler und Luminita Sabau.
368 Seiten, 379 Abbildungen, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2016, ISBN 978-3-941399-65-5 (dt. Ausgabe), 35,00 Euro

„EN PASSANT IMPRESSIONISMUS IN SKULPTUR“ ab 9. Mai 2020 im Frankfurter Städel Museum

Was für ein Glück, dass das Städelmuseum Frankfurt diese fulminante Überblicksausstellung „EN PASSANT IMPRESSIONISMUS IN SKULPTUR“ trotz Corona-Pandemie nunmehr ab 9. Mai 2020 doch noch zeigen kann. Was für ein großartiges Werk haben da Dr. Alexander Eiling (Leiter Kunst der Moderne, Städel Museum), Dr. Eva Mongi-Vollmer (Kuratorin für Sonderprojekte, Städel Museum) unter Mitarbeit von Dr. Juliane Betz und Fabienne Ruppen gemeinsam mit dem Städel-Team geschaffen. Diese Ausstellung ist ein Muss für jeden, nicht nur für Impressionisten-Fans und Kunstkundige. Denn „der“ Impressionismus fasziniert vor allem, da er einfach die Herzen der Menschen berührt. Impressionistische Malerei und Gestaltung sind nicht erklärungsbedürftig. Sie sind nicht verkopft,   sondern emotional. Die Werke berühren unsere Seelen durch ihre Lebendigkeit und Dynamik. Das gilt auch noch anderthalb Jahrhunderte nach Entstehung dieser Kunstrichtung als Ausdruck einer neuen, emanzipierten  Lebensweise.

Die impressionistische Malerei fasziniert besonders mit ihrem lockeren, skizzenhaft anmutenden Duktus, der hellen Farbpalette und den alltäglichen Motiven. Es glich Mitte des 19. Jahrhunderts einer kleinen Revolution als es zahlreiche junge Künstler aus ihren dunklen Ateliers ins Licht der Natur hinaus zog, und sie alles auf Leinwand bannten, was und wie sie es sahen. Das ist zumeist bekannt.

Ausstellungsansicht EN PASSANT. Impressionismus in Skulptur © Foto: Diether v Goddenthow
Ausstellungsansicht EN PASSANT. Impressionismus in Skulptur © Foto: Diether v Goddenthow

Bis heute weniger erforscht und einem breiten Publikum unbekannt ist hingegen die Vielfalt des Impressionismus in der Skulptur. Das Städel Museum geht in einer großen Ausstellung erstmals der Frage nach, wie sich Eigenschaften der impressionistischen Malerei wie Licht, Farbe, Bewegung – sogar Flüchtigkeit – in der Bildhauerei manifestiert haben. Im Mittelpunkt der Präsentation stehen fünf Künstler: Edgar Degas (1834–1917), Auguste Rodin (1840–1917), Medardo Rosso (1858–1928), Paolo Troubetzkoy (1866–1938) und Rembrandt Bugatti (1884–1916). Mit ihren Werken stehen sie stellvertretend für unterschiedliche Spielarten der impressionistischen Skulptur.

„EN PASSANT. Impressionismus in Skulptur“ wird durch die DZ BANK AG, die Art Mentor Foundation Lucerne und die Kulturfonds Frankfurt RheinMain gGmbH gefördert. Zusätzliche Unterstützung erfährt die Ausstellung durch die Stadt Frankfurt am Main und die Städelfreunde 1815.

Edgar Degas "Tänzerinnen auf der Bühne"  (ca. 1889). © Foto: Diether v Goddenthow
Edgar Degas „Tänzerinnen auf der Bühne“ (ca. 1889). © Foto: Diether v Goddenthow

Die Schau vereint herausragende Skulpturen der fünf Künstler und setzt sie in Dialog mit Gemälden, Pastellen, Zeichnungen, Druckgrafiken und Fotografien des Impressionismus. Es sind u. a. Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern wie Pierre Bonnard, Antoine Bourdelle, Mary Cassatt, Camille Claudel, Henri Matisse, Claude Monet, Auguste Renoir, Giovanni Segantini und John Singer Sargent zu sehen. Mit mehr als 160 Werken liefert die Ausstellung einen umfassenden Einblick in die Möglichkeiten und Herausforderungen des Impressionismus in der Skulptur.
Neben bedeutenden internationalen Leihgaben etwa aus dem Museum of Fine Arts, Boston, der Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen, der Tate Modern in London, dem Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid, dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Musée d’Orsay in Paris sowie zahlreichen privaten Sammlungen zeigt die Ausstellung auch den reichen Sammlungsbestand impressionistischer Kunst des Städel Museums.

Edgar Degas "Das Wannenbad". © Foto: Diether v Goddenthow
Edgar Degas „Das Wannenbad“. © Foto: Diether v Goddenthow

„Es mag verwundern, doch es gibt tatsächlich noch ‚blinde Flecken‘ in der international breit angelegten Forschung zur Kunst des Impressionismus. Ausgehend von unserer qualitätsvollen Sammlung impressionistischer Kunst und ergänzt durch herausragende Leihgaben europäischer und internationaler Museen zeigt sich, wie die Künstler die Bildhauerei an die Gegebenheiten ihrer Zeit anpassen wollten – parallel zu den Bestrebungen in der Malerei des Impressionismus. Die Ausstellung eröffnet unseren Besucherinnen und Besuchern einen eindrucksvollen Dialog zwischen Skulpturen und Gemälden, Papierarbeiten und Fotografien – wie sie auch damals von den Künstlern selbst mehrfach veranlasst wurde“, so Städel Direktor Philipp Demandt.

„Der Impressionismus wird heute wie damals überwiegend als zweidimensionale Kunst wahrgenommen. Die Ausstellung diskutiert die Existenz impressionistischer Skulptur und rückt mit Degas, Rodin, Rosso, Troubetzkoy und Bugatti fünf Künstler ins Zentrum, die mit ihren Werken neue Wege beschritten und von ihren Zeitgenossen als impressionistische Bildhauer bezeichnet wurden. Ihre Ansätze sind zu vielfältig, um nur von einer Form der ‚impressionistischen Skulptur‘ zu sprechen. Es finden sich aber spannende Ausprägungen einer ‚Skulptur im Impressionismus‘, die unseren Blick auf diese bislang durch Malerei, Druckgrafik und Zeichnung dominierte Stilrichtung erweitern“, erklären die Kuratoren der Ausstellung, Eva Mongi-Vollmer und Alexander Eiling.

Edgar Degas’ Plastik Kleine 14-jährige Tänzerin (1878/81, Privatsammlung, Europa) © Foto: Diether v Goddenthow
Edgar Degas’ Plastik Kleine 14-jährige Tänzerin (1878/81, Privatsammlung, Europa) © Foto: Diether v Goddenthow

Mit der Präsentation der berühmten Kleinen 14-jährigen Tänzerin (1878/81) von Edgar Degas auf der sechsten Impressionisten-Ausstellung im Jahr 1881 nahm die Diskussion über den Impressionismus in der Skulptur ihren Anfang. Es ist demnach keine Frage, ob es die impressionistische Skulptur gibt: Sie wurde zwar verhalten definiert und vorwiegend in Kritikerkreisen diskutiert, der Begriff galt aber bis nach der Jahrhundertwende als gesetzt.

Degas, Rodin, Rosso, Troubetzkoy und Bugatti wurden alle zu Lebzeiten als „impressionistische Bildhauer“ bezeichnet. Die Gründe dafür waren vielfältig: Zum einen wandten sich diese fünf Künstler mehr und mehr zeitgenössischen, häufig alltäglichen Themen zu. Zum anderen griffen sie auf Materialien jenseits des akademisch-klassischen Marmors zurück und verwendeten beispielsweise Wachs nicht nur für Entwürfe, sondern auch für ausgearbeitete Skulpturen. Anstatt die Oberflächen glatt und geschlossen anzulegen, arbeiteten sie lebhafte Strukturen heraus, in denen sich das Licht brechen konnte. Auch durch die Sichtbarkeit von Arbeitsspuren näherten sich ihre Skulpturen der Wirkung impressionistischer Gemälde an.

RUNDGANG DURCH DIE AUSSTELLUNG

Die Ausstellung beginnt im ersten Obergeschoss des Peichl-Baues und zeigt in überwiegend künstlermonografischen Räumen die unterschiedlichen Ansätze des Impressionismus in der Skulptur. Die Gegenüberstellung von Bildwerken, Gemälden, Zeichnungen, Druckgrafiken und Fotografien verdeutlicht die Wechselwirkungen zwischen den Medien.

Louis-Marie Ottin (1811–1890) , Skulptur "Junges Mädchen eine Vase tragend"  im Hintergrund Claude Monets (1840–1926) "Das Mittagessen" © Foto: Diether v Goddenthow
Louis-Marie Ottin (1811–1890) , Skulptur „Junges Mädchen eine Vase tragend“ im Hintergrund Claude Monets (1840–1926) „Das Mittagessen“ © Foto: Diether v Goddenthow

Eingangs präsentiert die Schau drei der insgesamt siebzehn Skulpturen, die zwischen 1874 und 1886 im Rahmen der acht Impressionisten-Ausstellungen in Paris zu sehen waren. Diese Skulpturen – zwei Arbeiten des neoklassizistischen Bildhauers Auguste-Louis-Marie Ottin (1811–1890) und eine von Paul Gauguin (1848–1903) – werden unter anderem zu Gemälden und Grafiken von Mary Cassatt (1844–1926), Claude Monet (1840–1926) und Pierre-Auguste Renoir (1841–1919) in Beziehung gesetzt. Sie überraschen die Besucherinnen und Besucher, da sie keines der Merkmale aufweisen, die heute mit dem Impressionismus in Verbindung gebracht werden. Dennoch waren sie Exponate in den namensgebenden Impressionisten-Ausstellungen.

 Edgar Degas

Edgar Degas’ Plastik Kleine 14-jährige Tänzerin (1878/81, Privatsammlung, Europa) © Foto: Diether v Goddenthow
Edgar Degas’ Plastik Kleine 14-jährige Tänzerin (1878/81, Privatsammlung, Europa) © Foto: Diether v Goddenthow

Mit Edgar Degas’ Plastik Kleine 14-jährige Tänzerin (1878/81, Privatsammlung, Europa) stellt das Städel ein Hauptwerk des Impressionismus in der Skulptur vor. Als sie 1881 auf der sechsten Impressionisten-Ausstellung gezeigt wurde, führte der Kritiker Jules Claretie erstmals den Begriff des „impressionistischen Bildhauers“ ein. Degas wählte mit der Darstellung einer jungen Ballettschülerin ein seinerzeit aktuelles Thema aus dem Schattenbereich des Pariser Unterhaltungsgeschäftes. Die Darstellung einer jungen Ballerina wurde vom damaligen Publikum mit dem Thema der Prostitution verknüpft. Die Neuartigkeit des Motivs unterstrich Degas mit der damals in der Kunst unüblichen Verwendung von Alltagsmaterialien. Den Hauptbestandteil der Figur bildete Wachs, das sich zu einer als modern und unkonventionell empfundenen Alternative zu Marmor und Bronze entwickelte.

Edgar Degas Impression von Tänzerinnen Skulpturen. © Foto: Diether v Goddenthow
Edgar Degas Impression von Tänzerinnen Skulpturen. © Foto: Diether v Goddenthow

Degas’ Skulptur steht prototypisch für eine Bildhauerei, die versuchte, mit neuartigen Materialien auf die Gegebenheiten einer sich grundlegend verändernden Gesellschaft zu reagieren. Während Degas’ Kleine 14-jährige Tänzerin die einzige Skulptur ist, die der Künstler zu Lebzeiten ausstellte, können die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung auf eine große Bandbreite an Kleinplastiken blicken. Nach Degas’ Tod 1917 ließen seine Erben die in seinem Atelier verwahrten zahlreichen Wachsfiguren in dauerhaftes Material überführen und eine limitierte Anzahl von Bronzegüssen anfertigen. Die Skulpturen stehen in direktem Zusammenhang mit den von Degas zeitlebens bevorzugten Motivkomplexen der Tänzerinnen und Badenden, Boudoir-Szenen sowie Darstellungen von Pferden und Jockeys. Sie waren für den Künstler Teil eines medienübergreifenden Werkprozesses. Ausdrucks- und Bewegungsmotive erprobte er im Zwei- sowie Dreidimensionalen und profitierte von den jeweiligen Wechselwirkungen.

Rembrandt Bugatti

Impression Arbeiten von  Rembrandt Bugatti. © Foto: Diether v Goddenthow
Impression Arbeiten von Rembrandt Bugatti. © Foto: Diether v Goddenthow

Der Rundgang leitet zu den Plastiken von Rembrandt Bugatti über. Diese entstanden in der Regel sur nature, also direkt vor seinen Modellen in den zoologischen Gärten von Paris oder Antwerpen. Bugattis Tierdarstellungen lösen sich von einer Tradition in der das Tier primär als Spiegel menschlicher Eigenschaften verstanden wurde. Vielmehr schuf er regelrechte Porträts von Panthern, Löwen oder Flamingos. Zugunsten der Wiedergabe von markanten Haltungen und Bewegungen verzichtete er auf Details.

Rembrandt Bugattis Fressende Löwin (1903, The Sladmore Gallery, London). © Foto: Diether v Goddenthow
Rembrandt Bugattis Fressende Löwin (1903, The Sladmore Gallery, London). © Foto: Diether v Goddenthow

Mitunter ist das Motiv kaum noch erkennbar, wie etwa Bugattis Fressende Löwin (1903, The Sladmore Gallery, London) verdeutlicht. Für Bugatti war das rasche Modellieren vor Ort maßgeblich für das Gelingen eines Werkes. Für seine ausgesprochen freie Modelliertechnik verwendete er unter anderem einen neuartigen Werkstoff, das Plastilin, das sehr geschmeidig und lange formbar war. Die Offenheit von Bugattis Formen und die Sichtbarkeit der Bearbeitungsspuren ähneln den Oberflächen impressionistischer Gemälde.

Rembrandt Bugatti Flamingo. © Foto: Diether v Goddenthow
Rembrandt Bugatti Flamingo. © Foto: Diether v Goddenthow

In der Ausstellung werden Bugattis frühe Arbeiten von Kühen und Ziegen Gemälden seines Onkels Giovanni Segantini (1858–1899) gegenübergestellt. Neben der motivischen Nähe der beiden Künstler wird auch ihr gemeinsames Interesse am Verweben von Figur und Raum durch eine übergreifende Struktur und Harmonie deutlich.

Medardo Rosso

Ausstellungs-Impression Medardo Rosso.  © Foto: Diether v Goddenthow
Ausstellungs-Impression Medardo Rosso. © Foto: Diether v Goddenthow

Im Erdgeschoss des Peichl-Baues setzt sich die Ausstellung mit den Arbeiten von Medardo Rosso fort. Die französische Presse bezeichnete den Künstler bereits 1886 als den Begründer der impressionistischen Skulptur. Seine figurativen Arbeiten versuchen das Vergängliche, Flüchtige zu erfassen und beziehen dabei auch den umgebenden Raum mit ein. Wie Rosso dies umsetzte, lässt sich eindringlich am Beispiel der Portinaia (1883/84, Guss 1887; Museum of Fine Arts, Budapest) sehen.

Medardo Rosso "Das goldene Zeitalter". © Foto: Diether v Goddenthow
Medardo Rosso „Das goldene Zeitalter“. © Foto: Diether v Goddenthow

Sie gilt in der Forschung als Schlüsselwerk. Dargestellt ist die Pförtnerin in Rossos Wohnhaus, an der er täglich vorbeiging. Diesen kurzen Augenblick des Wahrnehmens übertrug der Künstler in Form einer verwischten Kontur in das Objekt. Die entstehende Unschärfe lässt die Porträtierte nur von einer bestimmten Position erkennen und führt zu einer ungewöhnlichen Verschleifung von Figur und Raum. Mit diesem komplexen Ansatz und seinem Fokus auf die subjektive Wahrnehmung schloss Rosso an die Entwicklung des Impressionismus in der Malerei an. Rosso war selbst bestrebt, seine Werke zusammen mit Gemälden und Fotografien zu präsentieren. In der Ausstellung werden sie gemeinsam mit Arbeiten von Eugène Carrière (1849–1906) und Tranquillo Cremona (1837–1878) gezeigt.

Paolo Troubetzkoy

Ausstellungsansicht EN PASSANT. Impressionismus in Skulptur © Foto: Diether v Goddenthow
Ausstellungsansicht EN PASSANT. Impressionismus in Skulptur © Foto: Diether v Goddenthow

Mit den vibrierenden Bronzen von Paolo Troubetzkoy zeigt die Ausstellung eine weitere Facette des Impressionismus in der Skulptur. Hervorzuheben sind die Porträtplastiken des russisch-italienischen Bildhauers, bei denen er sein Hauptaugenmerk auf die bewegte Gestaltung von Kleidung und Haaren legte. Dies veranschaulicht u. a. die Darstellung Nach dem Ball (Adelaide Aurnheimer) (1897, Privatsammlung, London). Während das Gesicht der vermögenden Mäzenin Adelaide Aurnheimer glatt modelliert ist, gestaltete Troubetzkoy den Stoff ihrer Robe als eine überbordende Kaskade aus Falten mit zahlreichen Höhen und Graten, in denen die Fingerspuren des Künstlers sichtbar geblieben sind. Gussnähte und Reste von Gusskanälen bezog er bewusst als Gestaltungselemente in seine Werke ein. Selbst im anschließend angefertigten Bronzeguss ist dieser unmittelbare Zugriff des Künstlers auf den Werkstoff noch deutlich zu erkennen, sodass eine formale Ähnlichkeit zum lockeren Duktus der impressionistischen Porträtmalerei entsteht, wie etwa John Singer Sargents Gemälde der Lady Agnew of Lochnaw (1893, National Gallery of Scotland, Edinburgh) zeigt.

 Auguste Rodin

Auguste Rodin "Eva" (1881, Guss wahrscheinlich zwischen 1928 und 1942, Städel Museum © Foto: Diether v Goddenthow
Auguste Rodin „Eva“ (1881, Guss wahrscheinlich zwischen 1928 und 1942, Städel Museum © Foto: Diether v Goddenthow

Die Ausstellung schließt mit zentralen Werkgruppen von Auguste Rodin, die für die Zuordnung des Bildhauers zum Impressionismus ausschlaggebend waren. Die Gestaltung des Raumes orientiert sich an der von Rodin selbst im Jahr 1900 ausgerichteten umfangreichen Einzelausstellung im Pavillon de l’Alma. Auch wenn sich Rodin selbst nie als „impressionistischen Bildhauer“ bezeichnete, wurde er von der Kunstkritik neben Rosso als bedeutendster Vertreter dieser Richtung wahrgenommen. Den Auslöser bildete seine Skulptur Balzac (Verkleinerung, um 1892/93, Privatsammlung, London), bei der Rodin entgegen den akademischen Vorgaben für ein Denkmal keine Überhöhung des Schriftstellers anstrebte, sondern die ungeschönte Darstellung von dessen Person und Charakter.

Ausstellungsansicht EN PASSANT. Impressionismus in Skulptur © Foto: Diether v Goddenthow
Ausstellungsansicht EN PASSANT. Impressionismus in Skulptur © Foto: Diether v Goddenthow

Von Rodins Interesse an der Gestaltung von Oberflächen und dem Sichtbarmachen des Arbeitsprozesses zeugt seine Terrakottaplastik Das Haupt Johannes’ des Täufers (1878, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe). Eine Reihe von Bronzebüsten wiederum verdeutlicht, dass er das changierende Licht auf der Oberfläche miteinkalkulierte. Welch großen Wert Rodin zudem auf die Inszenierung seiner Werke legte, zeigt die Ausstellung mit der historisch nachempfundenen Präsentation seiner Eva (1881, Guss wahrscheinlich zwischen 1928 und 1942, Städel Museum). Rodin inszenierte den Bronzeguss im Salon de la Société Nationale des Beaux-Arts 1899 auf aufsehenerregende Weise, indem er die Plinthe der lebensgroßen Figur in Sand eingrub. Eva scheint dadurch barfuß und auf Augenhöhe der Betrachterinnen und Betrachter im Sand zu stehen. Rodin zielte damit bewusst auf die unmittelbare Begegnung mit der Skulptur.

STÄDEL MUSEUM
Dürerstraße 2,
60596 Frankfurt am Main,
Alle Informationen finden sich auch online unter www.staedelmuseum.de

Frankfurter Städtische Museen und das Institut für Stadtgeschichte ab heute wieder geöffnet

Endlich im Historischen Museum Frankfurt zu sehen:   „Kleider in Bewegung – Frauenmode seit 1850“ und  „Bewegte Kleidung – Ein modisches Stadtlabor“  Abbildung: Johann Heinrich Hasselhorst, Drei schreitende Frauen in Rückenansicht, Frankfurt um 1900 © HMF, Horst Ziegenfusz
Endlich im Historischen Museum Frankfurt zu sehen: „Kleider in Bewegung – Frauenmode seit 1850“ und „Bewegte Kleidung – Ein modisches Stadtlabor“
Abbildung: Johann Heinrich Hasselhorst, Drei schreitende Frauen in Rückenansicht, Frankfurt um 1900 © HMF, Horst Ziegenfusz

(ffm) Die städtischen Museen und das Institut für Stadtgeschichte öffnen ab dem heutigen Dienstag, 5. Mai, wieder ihre Türen für die Besucher. Das haben Oberbürgermeister Peter Feldmann und Kulturdezernentin Ina Hartwig während eines Pressegespräches am Montag, 4. Mai, im Historischen Museum Frankfurt bekannt gegeben, bei dem sie außerdem über die Schutz- und Hygienemaßnahmen in den Häusern informierten.

Oberbürgermeister Peter Feldmann sagte im Historischen Museum: „Nicht nur die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung nehmen durch die Öffnung der Museen endlich wieder zu – es ist auch ein unschätzbares Bildungsangebot, das hiermit wieder startet. Alle haben darauf gewartet. Kunst und Kultur berühren alle Menschen unserer Stadt – und ich freue mich, dass die Museen ihre vielfältigen Programme nun wieder einer breiten Öffentlichkeit zeigen können. Natürlich gelten die Regeln – vor allem das Abstandsgebot – weiter. Ein kleiner Preis für die wiedergewonnene Freiheit.“

„Es fühlt sich gut an, dass mit der Öffnung der Museen und des Instituts für Stadtgeschichte ein Stück Normalität zurückkehrt. Der heutige Gang durch die Ausstellung im Historischen Museum hat gezeigt, dass der Museumsbesuch mit den vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen wie Mundschutz und Abstandsregelung vereinbar ist. Ich danke allen Direktorinnen und Direktoren sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Häusern, die diese Maßnahmen in so kurzer Zeit umgesetzt haben und damit den Bürgerinnen und Bürgern den öffentlichen Raum wieder zugänglich machen“, sagt Kulturdezernentin Hartwig. Die Gültigkeit aller Museumsuferkarten wird um den Zeitraum der Schließung automatisch und kostenfrei über den QR-Code der Karte verlängert.

Historisches Museum Frankfurt Kleider in Bewegung – Frauenmode seit 1850″

Institut für Stadtgeschichte „Bewegte Zeiten: Frankfurt in den 1960er Jahren“

Ausstellungs-Highlights 2020 im Historisches Museum Frankfurt ab 19.3. „Kleider in Bewegung – Frauenmode ab 1850″ – ab 16.09. „Rassismus – die Erfindung der Rassen“

Johann Heinrich Hasselhorst, Drei schreitende Frauen in Rückenansicht, Frankfurt um 1900 © HMF, Horst Ziegenfusz
Johann Heinrich Hasselhorst, Drei schreitende Frauen in Rückenansicht, Frankfurt um 1900 © HMF, Horst Ziegenfusz

In diesem Jahr  zeigt das Historische Museum Frankfurt wieder mehrere spannende Highlights und weitere interessante Projekte, darunter: vom 19. März bis 19. Juli 2020 die  Ausstellung „Kleider in Bewegung – Frauen seit 1850″ sowie  vom 16. September 2020 bis 24. Januar 2021 die wissenschaftlich basierte Auseinandersetzung  mit „Rassismus – die Erfindung der Menschenrassen“.

Das diesjährige Programm schließt sich an, an das überaus erfolgreiche Museums-Jahr 2019 mit den Sonderausstellungen  „Damenwahl – 100 Jahre Frauenwahlrecht“ (40 000 Besucher), „Vergessen – warum wir nicht alles erinnern“ (21 000 Besucher)  und „Meisterstücke – Kunst kommt von Können“ (20 000 Besucher) sowie den Dauerausstellungen mit Stadtlabor, Bibliothek der Generationen  und Jungen Museum, den zentralen Standbeinen des Museums.

Impression aus der Dauerausstellung "Frankfurt Einst?" im EG des Erweiterungsbaus. Im OG die Fortsetzung: "Frankfurt Jetzt!" ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Impression aus der Dauerausstellung „Frankfurt Einst?“ im EG des Erweiterungsbaus. Im OG die Fortsetzung: „Frankfurt Jetzt!“ © Foto: Diether v Goddenthow

Neu ab 2020 ist das „triadische Konzept“, so Museumsdirektor Dr. Jan Gerchow. Das bedeutet, dass sich drei aufeinander bezogene Ausstellungen zu einem Themen-Ganzen ergänzen. Die großen Sonderausstellungen werden dabei zum einen durch Stadtlabor-Projekte komplettiert, die eine aktuelle Perspektive und Beiträge aus der Bevölkerung im Blick haben. Zum anderen bieten Ausstellungen im Jungen Museum neue Zugänge für die jungen Menschen, so Gerchow.

Eadweard Muybridge, Animal locomotion, Platte 483, 1887 ©Philadelphia University of Pennsylvania, Boston, Public Library.jpg
Eadweard Muybridge, Animal locomotion, Platte 483, 1887 ©Philadelphia University of Pennsylvania, Boston, Public Library.jpg

Das erste Beispiel für das triadische Konzept wird die am 19. März 2020 eröffnende Ausstellung „Kleider in Bewegung – Frauenmode seit 1850“ sein. Diese Hauptausstellung wird in einem zweiten Projekt ab Mai (30.April) durch die Stadtlabor-Ausstellung „Bewegte Kleidung – Ein modisches Stadtlabor“ thematisch ergänzt. Sie entsteht in Kooperation mit der Frankfurter Schule für Mode und Bekleidung und wird über aktuelle Bedingungen für Modeschaffende aufklären und eine Diskussionsplattform bieten. Teile der gegenwärtigen Ausstellung „Kein Leben von der Stange“ werden in die neue Schau integriert werden.

Werk-Stoff-Textil im Jungen Museum Frankfurt © HMF
Werk-Stoff-Textil im Jungen Museum Frankfurt © HMF

Als dritte Themen-Säule  startet schließlich ab 7. Juni 2020 im Jungen Museum die interaktive Werkstatt-Ausstellung „Werk*Stoff*Textil – Vom Faden zum Gewebe“. Sie richtet sich an Kinder ab 7 Jahre, Jugendliche und Familien.
Geht es bei der großen Sonderausstellung „Kleider in Bewegung“ um die Präsentation der Frauenmoden-Entwicklung seit 1850, auch unter dem wachsenden Einfluss der weiblichen Emanzipation,  und werden hierzu rund 300 Exponate, darunter 65 Kostüme in typischen Bewegungs- und Nutzungsposen inszeniert,  so ist die Werk-Stoff-Textil-Ausstellung handwerksorientiert. Sie führt interaktiv ein in die Gewinnung, Herstellung, Bearbeitung und Verarbeitung  textiler Werkstoffe. Dabei bietet sich viel Raum für Experimente.

„Rassismus- die Erfindung von Menschenrassen“ 

Das zweite große Ausstellungsprojekt, auch wieder ein Cluster, ist die Ausstellung „Rassismus- die Erfindung von Menschenrassen“ vom 16. September 2020 bis 24. Januar 2021. Die Ausstellung argumentiert historisch, und führt sozusagen zur Gegenwart, indem sie fragt, wie eigentlich Rassismus als Konzept, Wissenschaft beziehungsweise als Rassenlehre entstanden ist im 18. Jahrhundert, in welchen wissenschaftlichen Disziplinen der Gedanke/Ansatz von unterschiedlichen Menschenrassen entwickelt wurde, wie die Lehre /Erkenntnisse dann kommuniziert, propagiert und umgesetzt wurden. Dies geschieht vor allem mit dem Focus auf das  20. Jahrhundert, etwa wie die rassistische Ideologie kulminierte und was für Folgen sie hatte für das Handeln von Gesellschaften. Dabei wird zudem in besonderer Weise auf das Thema Kolonialgeschichte, aber auch auf Aspekte wie „entartete Kunst“ und vergleichbare Dinge eingegangen.

Historisches Museum Frankfurt   ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Historisches Museum Frankfurt © Foto: Diether v Goddenthow

Die Rassismus-Ausstellung wurde schon mal von 2018 bis 2019 acht Monate lang im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden gezeigt, erläutert Gerchow. Sie beleuchtete auch stark die Geschichte des Deutschen Hygiene-Museums selbst. Das Dresdner Hygiene Museum wurde 1911 gegründet und avancierte schon vor der NS-Zeit zu einem Leitinstitut für Erbbiologie und rassistische Vorstellungen. Der Dresdner Bezug wird in der Frankfurter Ausstellung ein wenig reduziert. Dafür werden zwei Frankfurter ideologische Leit-Institutionen der NS-Zeit in den Blick genommen, nämlich das einstige „Universitätsinstitut für Erbbiologie und Rassenhygiene“ (Verschuer-Institut) und das 1941 gegründete „Institut zur Erforschung der Judenfrage“, in welchem die ganzen enteigneten jüdischen Hypotheken konzentriert waren, und welches das perfide Ziel hatte, das Judentum zu erforschen, um es von innen heraus besser zerstören zu können, so der Museumsdirektor bei einem Pressegespräch.

Das Historische Museum Frankfurt wird diesen gegenwartsbezogenen Teil der Ausstellung durch ein Stadtlabor zum Thema „Decolonize Frankfurt“ (Arbeitstitel) ergänzen. Im Modus der Partizipation wird zusammen mit Initiativen und betroffenen Menschen in der Region Frankfurt Rhein-Main eine Ausstellung über Rassismus und koloniale Spuren heute erarbeitet und präsentiert.

Ein dichtes Veranstaltungsprogramm begleitet die beiden Ausstellungen und erzeugt über die gesamte Laufzeit hinweg Diskussionen und Öffentlichkeit.

Die Vorschau auf 2020 im Überblick
Ausstellungen im Historischen Museum auf einen Blick
Führungen zum Alt-Frankfurter Bürgerhaus zur Goldenen Waage

Führungen durch die original nachempfundenen Räume des rekonstruierten prachtvollen Altstadthauses Goldene Waage aus dem 17. Jahrhunderts. ©  Foto: Diether  v Goddenthow
Führungen durch die original nachempfundenen Räume des rekonstruierten prachtvollen Altstadthauses Goldene Waage aus dem 17. Jahrhunderts. © Foto: Diether v Goddenthow

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