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Strahlende Kinderaugen, volles Zelt, Akrobatik vom Feinsten – Der European Youth Circus Artistik Festival Wiesbaden startete in die erste Wettbewerbsrunde

Nina Sugnaux (17) atemberaubende Künste am Trapez. © Foto: Diether v. Goddenthow
Nina Sugnaux (17) atemberaubende Künste am Trapez. © Foto: Diether v. Goddenthow

Mit 12 grandiosen Artistik-Nummern der Wettbewerbsrunde Gruppe A  startete  heute vor rund 500 begeisterten Kindern und Jugendlichen in Beisein von Kulturdezernent Axel Imholz sowie der international besetzten Jury unter Vorsitz von Tigerpalast-Chef Johnny Klinke der 20. European Youth Circus auf dem Dernschen Gelände vor dem Wiesbadener Rathaus.  Die Sieger des heutigen Wettbewerbs A werden zusammen mit den Gewinnern der morgigen Gruppe B für Samstag Abend und Sonntag Nachmittag eine große Abschluss-Gala auf die Beine stellen.

Lange Schlangen bildeten sich heute Vormittag vor dem Einlass-Zelt. © Foto: Diether v. Goddenthow
Lange Schlangen bildeten sich heute Vormittag vor dem Einlass-Zelt. © Foto: Diether v. Goddenthow

Der Wiesbadener European Youth Circus  ist europaweit ein  absolutes Juwel, eine Plattform für junge hochbegabte Nachwuchs-Artisten und Varieté-Künstler, und, wie es Moderator Axel  Schiel treffend formulierte: „ein Symbol für ein gemeinsames Europa“.  Schirmherr ist kein Geringerer als Jean-Claude Junker, der Präsident der Europäischen Kommission. Er könne heute wegen dringender Brexit-Termine leider nicht persönlich dabei sein, ließe aber ganz herzlich grüßen, versicherte  der Moderator.

Bevor es dann richtig losging, erläuterte der Moderator, dass die 24 Artisten hinter der Bühne aus 12 verschiedenen Ländern kommen, unterschiedliche Sprachen sprechen,  entweder auf einer Artistenschule waren oder sich ihr Können selber beigebracht haben.  Sie könnten unterschiedlicher nicht sein, aber sie seien, so Schiel, von Anfang an ein großartiges, tolles Team.  Seit zirka 10 Tagen bereiten sich die Artisten gemeinsam auf den Wettbewerb in Wiesbaden vor,  an dessen Ende die Sieger-Gala steht. Die Regie der Abschluss-Show obliegt zum vierten Mal Sebastiano Toma, assistiert von Pegah Ghalambor.

1.832-e.y.c.18Für die herrlich mitreißenden wie berührenden  choreografischen Elemente bei Entrée, Pause und Finale des European Youth Circus ist wieder Sonia Bartuccelli, Tänzerin und Choreografin, verantwortlich.  Die grandiose Musik rund um die Wettbewerbsveranstaltungen  und Show geht erneut auf’s Konto  des  European Youth Circus Orchestras.

Zdenek Polách (22 © Foto: Diether v. Goddenthow
Zdenek Polách (22 © Foto: Diether v. Goddenthow

Als erster startete der Jongleur Zdenek Polách (22), Artist in der achten Generation einer Zirkusfamilie. Bereits im Alter von vier Jahren begann er mit dem Jonglieren. Wie aus der Begleitbroschüre zu entnehmen ist,  hält er sechs Weltrekorde im Bereich Jonglage und ist Preisträger des Golden Trick of Kobzov (Bronze 2015) und des Israeli International Circus Festival (Gold 2015). Mit Flic Flac ist ZEEJAY 2018 auf Tour, 2019 mit dem Circus Arlette Gruss (Frankreich). Er trat zum allerersten Mal  auf einem deutschen Circus-Festival auf, und meisterte sein Debüt mit Bravour. Das Publikum war begeistert.

Nina Sugnaux (17) atemberaubende Künste am Trapez.  © Foto: Diether v. Goddenthow
Nina Sugnaux (17) atemberaubende Künste am Trapez. © Foto: Diether v. Goddenthow

Als zweite Nummer präsentiert Nina Sugnaux (17) atemberaubende Künste am Trapez. Auch sie ist schon früh seit ihrem achten Lebensjahr dem Zirkus „verfallen“, und studiert aktuell an der Zirkusschule in Lausanne. Sie synchronisiert Ihre Bewegungen zum Rhythmus der Musik, und das in luftiger Höhe. Eine echt starke Performance, in der sich Bedrücktheit, Panik und Angst bewusst widerspiegeln.

Azamat Aldanbaev (22).© Foto: Diether v. Goddenthow
Azamat Aldanbaev (22).© Foto: Diether v. Goddenthow

Sein europäische Debüt gab Azamat Aldanbaev (22)mit seiner Equilibristikdarbietung mit Büchern, eine großartige Artistik-Nummer. Nach seinem Abschluss an der Staatlichen Zirkusschule in Moskau entwickelte Azamat Aldanbaev  gemeinsam mit Dmitry Chernov die Performance, mit der er auch an dem ersten Internationalen Zirkusfestival in Brasilien (Sao Paulo) teilnahm.

Sophia Dragala (20), Darbietung am Chinesischen Mast u. Pole Dance.© Foto: Diether v. Goddenthow
Sophia Dragala (20), Darbietung am Chinesischen Mast u. Pole Dance.© Foto: Diether v. Goddenthow

Beifallstürme erhielt Louisa Sophia Dragala (20), die schon als Kind mit dem Kunstturnen begann und im Alter von elf Jahren an die Staatliche Ballettschule und Schule für Artistik, Berlin, wechselte, wo sie eine neunjährige Ausbildung startete. Seit Sommer 2018 ist Louisa Sophia staatlich geprüfte Artistin und absolvierte die Prüfung mit ihrer Darbietung am Chinesischen Mast. Neben dem freistehenden Chinesischen Mast beherrscht Sophia weitere Disziplinen der Artistik wie Pole Dance und Equilibristik. Auch sie möchte die Artistik weiterhin zum Hauptberuf machen, hat aber auch einen Plan B für den Fall, dass es nicht so läuft: Physiotherapeutin. Doch nach dem heutigen Auftritt dürfte die eingeschlagene Profikarriere unausweichlich sein.

Valeriia Davydenko (13) mit ihrer Equilibristik wie aus dem "Schwansee".© Foto: Diether v. Goddenthow
Valeriia Davydenko (13) mit ihrer Equilibristik wie aus dem „Schwansee“.© Foto: Diether v. Goddenthow

Tosender Applaus  auch für die 13jährige ukrainische Artistin Valeriia mit ihrer Equilibristik-Darbietung. Wie ein weißer Schwan aus Tschaikowskis Ballett „Schwanensee“ entführte sie die Zuschauer in „Magic Dreams“, in eine Welt der Feinheit und Zerbrechlichkeit. „Sie formt während ihrer Handstände anspruchsvolle und ästhetische Figuren und geschmeidige Bewegungen. Bei den Festivals in Riga (Lettland), Kiew (Ukraine), Latina (Italien) und Warschau (Polen) gewann sie jeweils den goldenen Festivalpreis“.

Anna Plutakhina, mit 12 die jüngste Artistin.© Foto: Diether v. Goddenthow
Anna Plutakhina, mit 12 die jüngste Artistin.© Foto: Diether v. Goddenthow

Mit zwölf Jahren war Anna Plutakhina aus der Urkraine die jüngste Artistin, die die Herzen des Publikums mit einer gefühlvollen Performance an den Lufttüchern gewann. Bereits im Alter von fünf Jahren entschied sich Anna für das Artistenleben. Sie ist Schülerin des Jin Roh Zirkus in Kershon, Ukraine, Teilnehmerin an internationalen Zirkusfestivals und Fernsehshows, sowie mehrfache Preisträgerin. Außer an den Tüchern und dem Luftring arbeitet sie als Bodenakrobatin mit entsprechenden Choreographie-Elementen.

Four Sides mit ihrer Disziplin am Fangstuhl (Cradle) © Foto: Diether v. Goddenthow
Four Sides mit ihrer Disziplin am Fangstuhl (Cradle) © Foto: Diether v. Goddenthow

Sensationell und atemberaubend präsentierte sich die ungarische Gruppe Four Sides mit ihrer Disziplin am Fangstuhl (Cradle) und sorgte für höchste Spannung. Vor zwei Jahren begannen die vier Artisten von der Ungarischen Zirkusschule in Budapest mit ihrer Luftakrobatik, die höchstes gegenseitiges Vertrauen verlangt. Für Anna Bodi (17), Artur Salem Hema (17), Zsolt Peter Kevi (18) und Sophie Maria Alton (17) war Luftakrobatik-ihr Debüt außerhalb Ungarns.

Jeromy Zwick (25). © Foto: Diether v. Goddenthow
Jeromy Zwick (25). © Foto: Diether v. Goddenthow

Jeromy Zwick (25) überzeugte eindrucksvoll mit Jonglierkünsten. Ameli Bilyk (13) verzückte die Zuschauer mit ihrer Artistik auf dem Schlappseil. Sander Boschama (25) zeigte eine rhythmische, perfekte „Luft“-Performance an den Strapaten. Vladyslava Naraieva (13) inszenierte als kleiner „Springteufel“ unterschiedliche Formen der Equilibristik. Die beiden Absolventinnen der Kiewer Artistikschule- Anastasha Parkhomenko (22) und Elena Kharchenko (21) performten als Duo Skyline an den Tüchern. Den sensationellen Abschluss dieser ersten Wettbewerbsrunde bot die Gruppe Jump’n’Roll mit sportlich akrobatischen Kunststückchen, die sicher auch noch auf der Gala am Samstag-Abend und Sonntag-Nachmittag für Furore sorgen werden.

( Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst )

(Quelle und weitere Infos zu  Artisten und Beteiligten: Begleitbroschüre European Youth Circus)

Ministerpräsidentin Malu Dreyer: „Deutschland und Frankreich tragen Verantwortung für die Zukunft Europas“

(v.l.n.r.) Ministerpräsidentin Malu Dreyer, stv. Vorsitzende der ZIRP, Anne-Marie Descôtes, Botschafterin der Republik Frankreich, Christophe Braouet, Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft Frankfurt, Josef Janning, Head of ECFR Berlin Office und Senior Policy Fellow am European Council on Foreign Relations, Moderator des Abends Falk Heunemann, Wirtschaftsredakteur FAZ, sowie Heike Arend, Geschäftsführerin der ZIRP, die ein Schlusswort spricht. © Foto: Diether v. Goddenthow
(v.l.n.r.) Ministerpräsidentin Malu Dreyer, stv. Vorsitzende der ZIRP, Anne-Marie Descôtes, Botschafterin der Republik Frankreich, Christophe Braouet, Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft Frankfurt, Josef Janning, Head of ECFR Berlin Office und Senior Policy Fellow am European Council on Foreign Relations, Moderator des Abends Falk Heunemann, Wirtschaftsredakteur FAZ, sowie Heike Arend, Geschäftsführerin der ZIRP, die ein Schlusswort spricht. © Foto: Diether v. Goddenthow

Bei der Veranstaltung „ZIRP international: Frankreich zu Gast“ der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP) e.V. diskutierten am Mittwoch, 24. Oktober 2018, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, stv. Vorsitzende der ZIRP, und Anne-Marie Descôtes, Botschafterin der Republik Frankreich in Deutschland, über die Rolle des deutsch-französischen Tandems in Europa.

Zu Beginn unterstrich Ministerpräsidentin Malu Dreyer die gute und enge Beziehung zwischen Rheinland-Pfalz und Frankreich: „Verständnis wächst durch Verständigung. Das dokumentieren unter anderem zahlreiche Partnerschaften zwischen Kommunen, Schulen, Hochschulen und Verbänden aus Rheinland-Pfalz und Frankreich.“ Allein 430 Partnerschaften bestünden beispielsweise zwischen rheinland-pfälzischen und französischen Schulen.

Bezüglich der Rolle des deutsch-französischen Tandems in Europa machte Ministerpräsidentin Malu Dreyer in der Diskussion deutlich: „Es wäre eine Überfrachtung der deutsch-französischen Beziehungen, wenn wir erwarteten, dass all die kleinen und großen Krisen, die Europa zurzeit beschäftigen, durch dieses Gespann abgewendet werden könnten.“ Die Vorreiterrolle der beiden Staaten bringe jedoch eine große Verantwortung mit sich, derer sich die Länder bewusst seien.

Dies bekräftigte auch Josef Janning, einer der Mitdiskutanten und Head of ECFR Berlin Office und Senior Policy Fellow am European Council on Foreign Relations: „Frankreich und Deutschland bilden das politische Zentrum der EU, ob sie wollen oder nicht.“ Ohne ihr Engagement, so betonte er, ohne ihre Zusammenarbeit und ohne die Aktivierung weiterer Mitgliedstaaten könne Europa nicht vorankommen. „Gelingt es Frankreich und Deutschland nicht, verlässliche Gestaltungskoalitionen zu bilden, fällt die EU auseinander“, gab Janning zu bedenken.

Europa stehe derzeit vor großen Aufgaben, darin waren sich alle Podiumsgäste einig. Christophe Braouet, Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft Frankfurt, dazu: „Europa hat sich in den letzten Jahrzehnten Dank amerikanischem Schutz auf Binnenfragen konzentriert. Diese Zeit ist vorbei!“ Europa müsse sich, sagte Braouet, so aufstellen, dass es externen Bedrohungen eigenmächtig antworten könne. Dabei sei es unerlässlich und im ureigenen Interesse Deutschlands, die Vorschläge von Präsident Macron, beispielsweise zu einer gemeinsamen Verteidigung oder zum Thema Zuwanderung, zu beantworten. Den Brexit schätzte Braouet in dieser Hinsicht als förderlich ein: „Der Brexit zwingt uns regelrecht dazu, Europa neu aufzustellen.“

Dass Europa Veränderung brauche, betonte auch Anne Marie Descôtes, Botschafterin der Republik Frankreich in Deutschland: „Wir benötigen die Neubegründung eines souveräneren, geeinteren und demokratischeren Europas. Denn die Entscheidungen, die wir heute treffen, gestalten das Europa von morgen.“

Um die Zufriedenheit Europas in der Bevölkerung stehe es besser, als mancher denke, machte Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit Blick auf die Europawahl im Mai 2019 deutlich: „Die Europäer sind nicht europamüde. Im Gegenteil: 62 Prozent der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger befürworten die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU. Das ist der höchste Wert seit 25 Jahren.“ Diesen Höchststand in der Zustimmung zu Europa zeige das in der vergangenen Woche veröffentlichte Eurobarometer. In Deutschland gelte die Zustimmung sogar für 81 Prozent der Bürgerinnen und Bürger.

Die Veranstaltungsreihe „ZIRP international“ widmet sich jährlich wechselnden Gastländern und bietet internationale Perspektiven auf Themen, die für Rheinland-Pfalz wichtig sind. Dieses Jahr nahmen knapp 200 Gäste an der Veranstaltung in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei teil.

Der vergessene Mondrian: Museum Wiesbaden zeigt erste Mondrian-Retrospektive im Rhein-Main-Gebiet

Piet Mondrian, Komposition mit großer roter Fläche, Gelb, Schwarz, Grau und Blau, 1921. Sammlung Gemeentemuseum Den Haag, Den Haag, Niederlande
Piet Mondrian, Komposition mit großer roter Fläche, Gelb, Schwarz, Grau und Blau, 1921. Sammlung Gemeentemuseum Den Haag, Den Haag, Niederlande

Das Museum Wiesbaden zeigt vom 26. Oktober 2018 bis 17. Februar 2019 die erste groß angelegte Retrospektive zum Schaffen des niederländischen Malers Piet Mondrian im Rhein-Main-Gebiet. 49 Gemälde und 11 Grafiken zeichnen anhand von 8 thematisch gegliederten Ausstellungsräumen den Werdegang des niederländischen Malers nach, von den Anfängen in der naturalistischen Malerei bis zur absoluten Gegenstandslosigkeit. Arbeiten von Bart van der Leck und Friedrich Vordemberge-Gildewart sowie Korrespondenz Mondrians ergänzen die Schau.

„Ich konstruiere auf einer Fläche Linien und Farbkombinationen mit dem Ziel, die allgemeine Schönheit möglichst bewusst darzustellen. Die Natur (beziehungsweise das, was ich sehe) inspiriert mich; ich möchte jedoch der Wahrheit möglichst nahe kommen und deshalb alles abstrahieren, bis ich zum Fundament (einem immer noch äußerlichen Fundament!) der Dinge gelange.“ Piet Mondrian (1872–1944) beschreibt 1914 seinen Zwischenschritt hin zu den streng geometrischen, in Primärfarben ausgeführten Werken als Abstraktionen der Natur und seines Erfahrungsfeldes. Die Gemälde gelten heute als Ikonen der modernen Kunst; der niederländische Maler zählt zu den wichtigsten Künstlern der Klassischen Moderne.

Was im kollektiven Gedächtnis zu einem Œuvre moderner, rasterförmiger Arbeiten verschmilzt, ist das Ergebnis eines langen Prozesses der Rekonstruktion von Natur durch die Malerei. Mondrian vermochte es, in seinem Spätwerk die Essenz seiner weniger bekannten, naturalistischen Landschaftsmalerei auf Primärfarben und geometrische Raster und Formen zu reduzieren. Natur und Konstruktion beschäftigen den Künstler, der zunächst im Stil der Haager Schule, später angelehnt an sein zwischenzeitliches holländisches Vorbild Vincent van Gogh malte, sein ganzes Leben lang. Ansichten von Windmühlen, Bäumen und Bauerngehöften charakterisieren das künstlerische Schaffen Piet Mondrians vor seiner neoplastischen Schaffensperiode ab 1921. Doch auch im Spätwerk des Künstlers spiegeln sich diese frühen Arbeiten wider, die intensive Auseinandersetzung mit der Natur ist das Fundament der neoplastischen Rasterbilder – auch wenn der Naturbezug visuell nicht mehr nachvollziehbar ist. Die Natur und ihre Konstruktion bleiben trotz des hohen Grades der Abstraktion stets fest miteinander verbunden: „Um eine Harmonie zu erzielen, sollte die Kunst sich nicht nach der äußeren Erscheinung der Natur, sondern nach deren Wesen richten.“ Piet Mondrian, 1941

Das Museum Wiesbaden stellt mit „Piet Mondrian – Natur und Konstruktion“ (26. Oktober 2018 – 17. Februar 2019) in enger Kooperation mit dem Gemeentemuseum Den Haag einen Maler vor, der hinsichtlich des radikalen Umbruchs an der Schwelle des 19. und 20. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle spielt. Anhand von acht Stationen stellt die Retrospektive schrittweise alle Entwicklungsstufen Mondrians vor – ausgehend von der naturalistischen Malerei Mitte der 1890er-Jahre, über eine abstrahierende Phase zwischen 1908 und 1917 bis hin zur abstrakten, gegenstandslosen Malerei der 1920er- und 1930er-Jahre. Ausgewählte Arbeiten von Bart van der Leck treten mit den 47 Gemälden und 10 Zeichnungen und Aquarellen Mondrians in Diskurs. Darüber hinaus ermöglichen Briefe und Postkarten an seinen Freund Friedrich Vordemberge-Gildewart Einblicke in die Gedanken-welt des Malers.

Zur Ausstellung erscheint ein gleichnamiger Katalog beim Wienand Verlag, Köln (ISBN: 978-3-86832-463-1, Preis: 32,- €).

Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Wepke Kingma, Botschafter des Königreichs der Niederlande und wird gefördert durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain.
Laufzeit der Ausstellung: 26. Oktober 2018—17. Februar 2019
https://museum-wiesbaden.de/mondrian

KÖNIG DER TIERE WILHELM KUHNERT UND DAS BILD VON AFRIKA

Der in die Ferne blickende Löwe ist ein Hauptmotiv bei Kuhnert, dass er unzählige Male dargestellt und variiert hat. In diesem Gemälde wirkt der Löwe allein durch die Größe der Leinwand imposant. Vor perfekter Schönheit und Anmut, mit edlem, fast menschlichem Gesichtsausdruck blickt der "König der Tiere" über sein Reich. © Foto: Diether v. Goddenthow
Der in die Ferne blickende Löwe ist ein Hauptmotiv bei Kuhnert, dass er unzählige Male dargestellt und variiert hat. In diesem Gemälde wirkt der Löwe allein durch die Größe der Leinwand imposant. Vor perfekter Schönheit und Anmut, mit edlem, fast menschlichem Gesichtsausdruck blickt der „König der Tiere“ über sein Reich. © Foto: Diether v. Goddenthow

Mit „König der  Tiere“ des Malers Wilhelm Kuhnert  (1865–1926) ist der Schirn Kunsthalle Frankfurt eine wunderbare Ausstellung gelungen, die mit imposanten, faszinierenden, nostalgisch und zugleich modern  anmutenden meisterhaften Tier- und Naturmotiven die Seelen ihrer Betrachter tief berühren dürfte. Es sei ihm eine Herzensangelegenheit gewesen, so Direktor  Dr. Phil­ipp Demandt, der gemeinsam mit Dr. Ilka Voer­mann die Ausstellung geplant und kuratiert hat. Es ist die erste eigene seit er vor zwei Jahren die Leitung der drei Häuser „Schirn Kunsthalle“, „Städel Museum“ und „Liebieghaus Skulpturensammlung“  übernommen hat. Bereits  in Berlin, als er noch Leiter der Alten Nationalgalerie war,  sei es sein Traum gewesen, diesen vergessenen Malerfürsten  auszustellen. Und er musste erst in die Mainmetropole kommen, um diese hochkarätige Ausstellung mit Unterstützung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain und anderen Sponsoren realisieren zu können.  Kein anderer Künstler, außer vielleicht Adolph von Menzel, sei zu dieser Zeit zeichnerisch und malerisch in Präzision und Ausdruck so herausragend gewesen wie Wilhelm Kuhnert .

Krieger auf dem Pfad vor dem Kibo mit seiner schneebedeckten Spitze. Die Maasai-Krieger im Vordergrund unterstreichen die Größe des Kilimandscharo-Massivs und dienen dem Maler primär als Staffagefigueren. © Foto: Diether v. Goddenthow
Krieger auf dem Pfad vor dem Kibo mit seiner schneebedeckten Spitze. Die Maasai-Krieger im Vordergrund unterstreichen die Größe des Kilimandscharo-Massivs und dienen dem Maler primär als Staffagefigueren. © Foto: Diether v. Goddenthow

Wilhelm Kuhnert vermittelt uns einzigartige Tier- und Natur-Perspektiven eines Afrikas, dass es so nicht mehr gibt. Wie kein anderer Maler seiner Zeit hat Kuhnert Anfang des 20. Jahrhunderts unsere (idealisierte) Vorstellung von Afrika als Naturraum in Europa wie auch in den USA geprägt. Er war  einer der ersten europäischen Künstler die  Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts mehrmals die zu dieser Zeit noch weitgehend unerforschte damalige Kolonie Deutsch-Ostafrika bereiste.  Die auf diesen Reisen entstandenen Zeichnungen und Ölskizzen der dortigen Tier- und Pflanzenwelt dienten ihm als Vorlagen für monumentale Gemälde, die er nach der Rückkehr in seinem Atelier in Berlin anfertigte. Kuhnert stellte international mit großem Erfolg aus und wurde so zum führenden Interpreten der afrikanischen Tierwelt. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert vom 25. Oktober 2018 bis 27. Januar 2019 mit rund 120 Werken die erste große Retrospektive zum Leben und Werk des Künstlers. Die Ausstellung vereint neben Studien und Gemälden aus europäischen und amerikanischen Museen, Privatsammlungen und dem Nachlass Kuhnerts auch zahlreiche Druck und Werbegrafiken sowie Publikationen des Künstlers.

Ausstellungs-Impression © Foto: Diether v. Goddenthow
Ausstellungs-Impression © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Ausstellung beleuchtet Kuhnerts Werk sowohl vor dem Hintergrund der Kunst- und Naturwissenschaftsgeschichte als auch der deutschen Kolonialgeschichte. Der an der Königlich Akademischen Hochschule für Bildende Künste in Berlin ausgebildete Tier- und Landschaftsmaler interessierte sich bereits früh für afrikanische Wildtiere, deren Aussehen und Verhalten er zunächst nur im Berliner Zoo aus nächster Nähe studieren konnte. Zoologische Gärten waren bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden. Sie spiegelten Erkenntnisgewinn und wissenschaftlichen Fortschritt, Weltneugier und imperialistische Bestrebungen des bürgerlichen Zeitalters. Zeitgleich wuchs der Markt für Tiergemälde und -skulpturen, da die junge, aufstrebende Künstlergeneration des späten 19. Jahrhunderts mit diesem Thema ein Tätigkeitsfeld betreten konnte. Neben formalistischen Aspekten und dem Reiz des Neuen aber trafen diese Kunstwerke auch einen Nerv der Zeit: Besonders Darstellungen von Löwen, Tigern oder Elefanten galten als Sinnbilder für Stärke, Herrschaft und Überlegenheit und vermittelten das Lebensgefühl einer Gesellschaft, die nach ihrem machtpolitischen „Platz an der Sonne“ strebte. Die Vorstellung vom Tier wurde zum Vexierbild des Menschen: Einerseits war das Tier Vorbild natürlicher – und damit ebenso göttlicher wie gesellschaftlicher und politischer – Ordnung, andererseits Wunschbild unbewusster, wilder Freiheit, ein Gegenbild zur bürgerlichen Existenz. Die afrikanischen Wildtiere boten einen freien Assoziationsrahmen für Naturromantik und Exotik.

In Wilhelm Kuhnerts Werk klingen Aspekte der Moderne an: das Malen in der freien Natur, die experimentelle Bleistiftzeichnung, der Exotismus, der Wille zur Erkundung ferner Länder und die Reise als Erweiterung des Blick- und Erfahrungsraums, oft verbunden mit Eskapismus und Zivilisationskritik. Beim Malen folgte Kuhnert einem fast wissenschaftlichen Vorgehen und erfasste das Charakteristische der Tiere auf möglichst exakte Weise. Obwohl er kein Biologe oder Zoologe war, zeugen seine detaillierten künstlerischen und schriftlichen Studien von einem Interesse an der afrikanischen Tierwelt, das weit über malerische Fragen hinausging. Seine Tierdarstellungen wurden in zoologischen Büchern wie Brehms Tierleben und in Publikationen des Frankfurter Zoodirektors Wilhelm Haacke ebenso verbreitet wie auf Schulwandbildern. Selbst auf Schokoladenverpackungen der Firma Stollwerck fanden sich Abbildungen seiner Werke. Obwohl Wilhelm Kuhnert bis heute zu den meistgesammelten Malern gehört, ist sein Œuvre einer großen Öffentlichkeit weitgehend unbekannt.

„Wilhelm Kuhnert gehört zu den herausragenden Malern und Zeichnern seiner Zeit. Kuhnerts Bilder sind nicht nur Spiegel wie Mittel der Kunst- und Naturwissenschaftsgeschichte, sondern auch der Kolonialgeschichte. Wenn die Schirn Kunsthalle Frankfurt also nunmehr Wilhelm Kuhnert die erste Retrospektive überhaupt widmet, dann nicht trotz, sondern eben wegen jener ‚großen weißen Flecken‘, die Kuhnert in der Ferne suchte – und die heute noch in unserer kollektiven Erinnerung bestehen. Diese Geschichte, die wir erzählen wollen, lehrt uns so manches über die Mechanismen von Kunst und Wissenschaft, Gesellschaft und Politik, Gedenken und Vergessen – und in all dem über uns selbst“, so Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt und zugleich Kurator der Ausstellung.

Dr. Ilka Voermann, Kuratorin der Ausstellung erläutert: „Indem er sich in seinen Gemälden auf die Tier- und Pflanzenwelt beschränkt, stellt Wilhelm Kuhnert Afrika nicht als kulturellen, sondern als Naturraum dar. Es ist ein Naturraum, der vermeintlich keine eigene Geschichte hat und damit frei für Interpretationen und Sehnsüchte ist. Kuhnerts Werke sind nicht nur bloße Abbildungen afrikanischer Natur, sondern er eignet sich den Naturraum an und füllt ihn mit westlichen Vorstellungen und Werten. Diese koloniale Ästhetik und Darstellungsstruktur ist bis heute in zahlreichen Medien präsent. Von Tierreportagen, Spielfilmen, Filmplakaten über Buchcover bis hin zur Werbung im Tourismus wird sich eines auf die Natur- und Tierwelt beschränkten AfrikaBildes bedient, das die angebliche Ursprünglichkeit und Naturhaftigkeit des Kontinents betont. Kuhnert hat diese konstruierte Vorstellung von ‚Afrika‘ auf vielen Ebenen und in verschiedenen Medien mitgeprägt.“

Themen und Werke der Ausstellung

Ausstellungs-Impression © Foto: Diether v. Goddenthow
Ausstellungs-Impression © Foto: Diether v. Goddenthow

Den Auftakt der Ausstellung bilden monumentale Einzeldarstellungen afrikanischer Tiere, wie etwa Löwe am Ruaha, Tansania, Afrika (o. J.), Verhoffendes Zebra (o. J.), Kaffernbüffel in der Steppe (o. J.) oder Elefant am Tümpel (1907). Insgesamt reiste Kuhnert vier Mal nach Afrika, davon drei Mal in die damalige Kolonie Deutsch-Ostafrika (heute Tansania, Burundi, Ruanda und Mosambik): 1891/92, 1905/06 und 1911/12.

Als erster Freilichtmaler in Afrika zeichnete und malte Kuhnert die Tiere nicht bloß, sondern beobachtete sie und ihren Lebensraum eingehend, notierte Verhaltensweisen, mit dem Ziel, die natürliche Umgebung als elementaren Teil des Tierdaseins in das Bildwerk zu integrieren. Die Schirn zeigt zahlreiche Zeichnungen und Ölstudien sowie rasch hingeworfene Skizzen. Besonders Letztere zeigen eindrücklich, dass Kuhnert eine Situation schnell erfassen und mit wenigen Bleistiftstrichen wiedergeben konnte. Nicht nur die Tierwelt, sondern auch die Landschaft, die afrikanische Steppe, spielt in Kuhnerts Schaffen eine hervorgehobene Rolle – ausführlich beschrieben und geschildert in seinen Tagebüchern. Kuhnert fertigte auch Studien an, in denen es weniger um die exakte Wiedergabe der Tiere und Landschaft als auf die Atmosphäre ankam, wie etwa in Landschaft in der Abenddämmerung (o. J.), auf der er handschriftlich Details zur Farbe vermerkte. Kuhnerts Kunst zeigt Anklänge an den Impressionismus, etwa in Bezug auf die Freilichtmalerei. Allerdings blieben seine stilistischen Anleihen an den Impressionismus auf wenige Beispiele und vor allem auf Ölskizzen beschränkt. Der Künstler vollendete seine Gemälde meist im Atelier in Berlin und blieb der akademischen Malerei des Realismus verpflichtet. Eine der wenigen Ausnahmen ist das Werk Löwin mit Jungen (o. J.), in dem Kuhnert das Spiel von Licht und Schatten auf dem Blattwerk und dem Fell der Tiere in grob abgesetzten Farbflächen einfing.

Grundlage für die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Tier war für Kuhnert auf seinen Expeditionen die Jagd. Die Ausstellung beleuchtet darum den Aspekt des Jagens im Schaffen des Künstlers, u. a. mit dem Bild Die Strecke (Selbstporträt) (1915), zahlreichen vor Ort gefertigten Zeichnungen und historischen Fotografien – darunter eine Aufnahme seines Berliner Ateliers, das mit zahlreichen Jagdtrophäen ausgestattet war. Die Jagd diente vornehmlich zwei Zielen: der Nahrungsversorgung des Expeditionstrupps und dem künstlerischen Studium. Der Abschuss bot die einzige Möglichkeit, zum Malen nahe genug an das Tier heranzukommen. So zeugen Kuhnerts Reisetagebücher von seiner großen Bewunderung der Tier- und Pflanzenwelt Afrikas und zugleich von einer leidenschaftlichen Jagdtätigkeit. Nicht von ungefähr hat der Künstler auch zahlreiche, schriftliche Beschreibungen von Körperbau, Muskeln und Skeletten bestimmter Tierarten hinterlassen. Zugleich beklagte Kuhnert in seinen persönlichen Aufzeichnungen wie in seinen späteren Publikationen die unkontrollierte und systematische Großwildjagd – satirisch dargestellt in der Zeichnung Größenwahn (o. J.).

Ausstellungs-Impression aus dem Bereich "Kuhnert und Deutsch-Ostafrika" © Foto: Diether v. Goddenthow
Ausstellungs-Impression aus dem Bereich „Kuhnert und Deutsch-Ostafrika“ © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Ausstellung in der Schirn ordnet den Künstler und sein Werk in die deutsche Kunst- wie Kolonialgeschichte ein. Weder die Logistik seiner Expeditionen noch der Markterfolg seiner Kunst sind ohne den Kolonialismus denkbar, dessen Profiteur und Akteur Kuhnert war. Dabei blieb sein Verhältnis zum Kolonialismus ambivalent. Während seiner ersten Expedition 1891 hatte er sich in eine bewaffnete Strafexpedition unter dem Kommando des Reichskommissars und deutschen Kolonialisten Carl Peters (1856–1918) hineinziehen lassen. Der als „Fall Peters“ bekannt gewordene Skandal wurde 1897 vor einem kaiserlichen Disziplinargericht in Berlin verhandelt, wo Kuhnert als Belastungszeuge gegen Peters aussagte. Während seiner zweiten Expedition geriet Kuhnert in den sogenannten Maji-Maji-Krieg (1905–1908) und nahm auch kurzzeitig an Kampfhandlungen bei Mahenge teil. Die Erlebnisse des Krieges hat der Künstler in Bleistiftskizzen und einigen Ölgemälden festgehalten. In der Ausstellung sind aus dieser Zeit u. a. das Gemälde Schlacht von Mahenge (o. J.) und seltene Porträts, wie Askari (1906) zu sehen. Als Mitglied im Verein Berliner Künstler und im Verband deutscher Illustratoren beschränkte sich Kuhnerts Ausstellungstätigkeit in Deutschland weitgehend auf die jährlich stattfindende Große Berliner Kunstausstellung. Weitaus aktiver war der Künstler auf dem Gebiet der Jagd- und Kolonialausstellungen, auf denen koloniale Realität mit landwirtschaftlichen Produkten, Tiertrophäen, lokalem Kunstgewerbe und sogenannten Kolonialwaren wie Kaffee und Schokolade für ein breites Publikum in Szene gesetzt wurde. Kuhnert war oft der einzige oder einer der wenigen präsentierten Künstler. In Großbritannien wurden seine Werke ab 1911 regelmäßig in der Fine Art Society in London präsentiert. Auf der Weltausstellung in St. Louis, USA, wurde der Künstler 1904 mit einer Goldenen Medaille ausgezeichnet.

Die Ausstellung verdeutlicht, wie Kuhnerts Werk die allgemeine Vorstellung von der Tierwelt und Landschaft Afrikas im 19. Jahrhundert nachhaltig und zum Teil bis heute geprägt hat. Der Maler Kuhnert verstand und verbildlichte Afrika in erster Linie nicht als Kulturraum, sondern als Naturraum, der von wilden Tieren und weniger von Menschen bevölkert ist – eine natürliche Welt ohne eigene Geschichte und damit frei für Interpretationen und Sehnsüchte. Aufgrund der weiten Verbreitung seiner Motive durch Illustrationen in Naturkundebüchern, Werbebilder, Druckgrafiken oder Schulwandbilder fand dieses konstruierte Bild Afrikas Eingang in die Vorstellungswelt der bürgerlichen Gesellschaft. Kuhnert ging zahlreiche Kooperationen mit Wissenschaftlern ein, die seine Illustrationen für ihre Publikationen nutzten. Durch den Direktor der Berliner Zoogesellschaft Ludwig Heck (1860–1951) lernte er etwa den Naturwissenschaftler, Teilhaber des Bibliographischen Instituts Leipzig und Herausgeber von Brehms Tierleben Hans Meyer (1858– 1929) kennen. Dank Meyers Auftrag zu Illustrationen für die dritte Auflage des Buches konnte Kuhnert vermutlich seine erste Expedition nach Deutsch-Ostafrika antreten. In der Ausstellung sind ausgewählte Beispiele der Fachliteratur wie auch aus der Populärkultur zu sehen: So werden neben Illustrationen in Brehms Tierleben (1890–1893) auch weitere für Das Thierleben der Erde (1901) – herausgegeben von Wilhelm Haacke, dem damaligen Direktor des Frankfurter Zoos – und eigene Publikationen, wie Im Land meiner Modelle (1918) oder Meine Tiere (1925) präsentiert. Im Jahr 1900 entwarf Kuhnert seine erste Serie mit afrikanischen Wildtieren für die Firma Stollwerck. Seine Tierdarstellungen wurden im Kleinformat auf die Rückseiten der Schokoladenverpackungen gedruckt und als Sammelbilder für Kinder und Erwachsene vertrieben. Die Schirn zeigt Kuhnerts Entwürfe sowie die Sammelalben Stollwerck’s Tierreich (1903/04) und Das Tier im Dienste des Menschen (1910).

Die Verbindung von Tier und natürlichem Lebensraum gehört zu Kuhnerts zentralen Errungenschaften in der Tiermalerei. Zugleich berühren einige seiner Gemälde die malerische Tradition der anthropomorphen Tierdarstellung, welche seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Tier zum Spiegel menschlicher Gefühle und zum Identifikationsobjekt der bürgerlichen Gesellschaft gemacht hatte. Der letzte Teil der Ausstellung widmet sich darum dem „inszenierten Tier“ und präsentiert u. a. das Gemälde Afrikanische Löwen (um 1911), das weniger realistisches Tierverhalten abbildet als vielmehr ein gleichsam bürgerliches Familienidyll, das nicht zuletzt Moralvorstellungen seiner Entstehungszeit reflektiert.

KATALOG König der Tiere. Wilhelm Kuhnert und das Bild von Afrika, King of the Animals. Wilhelm Kuhnert and the Image of Africa, herausgegeben von Philipp Demandt und Ilka Voermann. Mit einem Vorwort von Philipp Demandt und Beiträgen von Felicitas Becker, Kathleen Chapman, Philipp Demandt, Alexander Gall, Bernhard Gissibl, Miriam Oesterreich und Ilka Voermann; Hirmer Verlag, deutsche und englische Ausgabe, je 264 Seiten, 24 x 29 cm (Hochformat), 170 Abb., Hardcover, 35,00 € (Schirn), 39,90 € (Buchhandel), ISBN: 90978-3-7774- 3128-4 (dt.), 978-3-7774-3129-1 (eng.).

BEGLEITHEFT König der Tiere. Wilhelm Kuhnert und das Bild von Afrika. Eine Einführung in die Ausstellung, herausgegeben von der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Auf 36 Seiten werden die wichtigsten Arbeiten der Ausstellung vorgestellt und die historischen und gesellschaftspolitischen Zusammenhänge dargelegt. Ab 12 Jahren, 7,50 € einzeln, im Klassensatz 1 € pro Heft (ab 15 Stück), ISBN: 978-3-89946-285-2.

PODIUMSDISKUSSION ZUR AUSSTELLUNG Unter dem Titel Ein Bild im Kopf: Wie präsent ist Kuhnerts Porträt von Afrika heute? veranstaltet die Schirn am 25. Oktober 2018, um 19 Uhr eine Podiumsdiskussion. Das mit Experten besetzte Panel diskutiert über die Aktualität des von Wilhelm Kuhnert maßgeblich geprägten Afrika-Bildes. Ins Gespräch kommen die Historikerin Felicitas Becker (Ghent University), der Kurator der Ausstellung und Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, Philipp Demandt, die Redakteurin des Magazins africa positive Dagmar Mundhenke, die stellvertretende Direktorin des Iwalewahauses in Bayreuth, Nadine Siegert sowie die Anthropologin, Journalistin und Filmemacherin Vanessa Wijngaarden (University of Johannesburg). Moderation: Bianca Schwarz (hr2). Im Schirn Café. Einlass mit gültigem Ausstellungsticket, Anmeldung unter Tel. +49 69 29 98 82-112 oder E-Mail fuehrungen@schirn.de.

AUDIOTOUR Zur Ausstellung ist eine Audiotour für 4 € erhältlich. Gesprochen von Axel Milberg, bietet sie wesentliche Informationen zu den wichtigsten Kunstwerken.

Ort:

Schirn Kunsthalle Frankfurt © Foto: Diether v. Goddenthow
Schirn Kunsthalle Frankfurt
© Foto: Diether v. Goddenthow

SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT, Römerberg, 60311 Frankfurt
Dauer: 25. Oktober 2018 – 27. Januar 2019
Information: www.schirn.de E-MAIL welcome@schirn.de TELEFON +49 69 29 98 820 FAX +49 69 29 98 82 240
Eintritt: 9 €, ermäßigt 7 €
Kombiticket mit der Ausstellung Wildnis 14 €, ermäßigt 10 €
Freier Eintritt für Kinder unter 8 Jahren VORVERKAUF Tickets sind online unter www.schirn.de/tickets erhältlich
Führungen: Di 15 Uhr, Mi 20 Uhr, Do 19 Uhr, Sa 15 Uhr, So 17 Uhr FÜHRUNGEN BUCHEN individuelle Führungen oder Gruppenführungen buchbar unter Tel. +49 69 29 98 82-0 und E-Mail fuehrungen@schirn.de

Stoltze-Museum der Frankfurter Sparkasse im Herzen der neuen Altstadt eröffnet

Eröffnung des Stoltze-Museums: (l-r) Petra Breitkreuz, OB Peter Feldmann, Boris Rhein, Robert Restani und Stephan Siegler schneiden das rote Band durch. ©   Frankfurter Sparkasse  Foto: Rainer Ruef
Eröffnung des Stoltze-Museums: (l-r) Petra Breitkreuz, OB Peter Feldmann, Boris Rhein, Robert Restani und Stephan Siegler schneiden das rote Band durch. ©
Frankfurter Sparkasse Foto: Rainer Ruef

(ffm) Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, der hessische Kultusminister Boris Rhein und Robert Restani, Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Sparkasse, haben am Dienstag, 23. Oktober, das neue Stoltze-Museum der Frankfurter Sparkasse eröffnet. Es ist dem Frankfurter Literaten und Satiriker Friedrich Stoltze gewidmet und befindet sich im Herzen der neuen Altstadt im Haus zum Weißen Bock, Markt 7. Hier und im Kaminzimmer der benachbarten Goldenen Waage im 1. Obergeschoss wird künftig die neue Dauerausstellung zu Leben und Werk Stoltzes zu sehen sein.

Peter Feldmann würdigte das politische Engagement des Satirikers: „Die Stadt Frankfurt ist die Wiege der Demokratie. Friedrich Stoltze hat sich immer wieder in schwierigen Zeiten und gegen Widerstände, wie etwa die Zensur seiner Werke, für Demokratie stark gemacht. Er war ein überzeugter Freiheitsdichter und kann uns damit auch heute ein echtes Vorbild sein. Es passt zu Frankfurt, dass das Stoltze-Museum diesem Engagement ein Denkmal setzt.“

„Friedrich Stoltze war zwar mit Leib und Seele Frankfurter, doch sein Wirken reichte weit über die Grenzen der Stadt hinaus“, betonte Boris Rhein. „Ich freue mich, dass das Stoltze-Museum die überregionale Bedeutung des Dichters aufgreift. Deutlich wird dies zum Beispiel durch die traditionelle Teilnahme des Museums an den Tagen für die Literatur in Hessen. Sogar in Berlin, Schwaben und der Schweiz schenkte man dem Frankfurter Stoltze Beachtung. Es freut mich besonders, dass die Ausstellung auch diesen Aspekt zeigt.“

„Friedrich Stoltze gehört zu Frankfurt und das Stoltze-Museum gehört zur Frankfurter Sparkasse“, verwies Robert Restani auf das langjährige Engagement des Kreditinstituts für den Satiriker. „Mit unserem neuen Museum kehrt der populäre Mundartautor an den Ort seiner Kindheit und Jugend zurück.“ Im Herzen der Altstadt sei Stoltze aufgewachsen, im väterlichen Gasthof ‚Zum Rebstock‘ erstmals mit den Idealen von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit in Berührung gekommen. „Ich bin sehr stolz, dass wir genau an diesem Ort mit einem architektonisch eindrucksvollen Gebäude und in einer zeitgemäßen Präsentation nachhaltig an Friedrich Stoltze erinnern können“, betonte Restani.

Die Dauerausstellung des Stoltze-Museums am neuen Standort ist mit modernster Medientechnik ausgestattet. Optisch erinnert die Präsentation im Zeitungslayout an Stoltzes satirisches Hauptwerk „Frankfurter Latern“. Herzstück der Ausstellung ist der multifunktionale Medientisch, der in Bild, Ton und Stoltzes Worten über historisch bedeutsame Örtlichkeiten in Frankfurt wie die Paulskirche oder den Römer informiert. Zusätzlich zur Dauerausstellung sind regelmäßige Sonderausstellungen geplant.

In den nächsten Wochen werden die letzten Bauarbeiten an und im Gebäude abgeschlossen. Voraussichtlich ab Ende November wird das Stoltze-Museum der Frankfurter Sparkasse täglich von 10 bis 18 Uhr für Besucher geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Dr. Martin Faass ist neuer Direktor des Hessischen Landesmuseums Darmstadt

Dr. Martin Faass Foto: Marisa Blume, HLMD
Dr. Martin Faass Foto: Marisa Blume, HLMD

Darmstadt. Kunst- und Kulturminister Boris Rhein hat heute Dr. Martin Faass als neuen Direktor des Hessischen Landesmuseums Darmstadt vorgestellt. Der Kunsthistoriker tritt seine Stelle zum 1. Januar 2019 an. Er folgt auf Dr. Theo Jülich, der im Januar dieses Jahres verstorben ist. Minister Rhein hatte mit Unterstützung einer Findungskommission, der renommierte Expertinnen und Experten mit verschiedenen kunsthistorischen und musealen Schwerpunkten angehörten, Dr. Faass als Nachfolger ausgesucht.

„Dr. Martin Faass bringt sowohl fachlich als auch persönlich die besten Voraussetzungen für seine neue Aufgabe mit“, so Kunst- und Kulturminister Boris Rhein. „Er hat uns mit seinen Erfahrungen und seinen klaren Vorstellungen zur Leitung und Weiterentwicklung des Landesmuseums Darmstadt überzeugt – und ist auch dem Land Hessen durch sein Studium in Marburg verbunden. Ich gratuliere Herrn Dr. Faass und wünsche ihm viel Erfolg bei seiner neuen Aufgabe. Gleichzeitig danke ich Dr. Gabriele Gruber und dem gesamten Team am Landesmuseum für ihren Einsatz, mit dem sie das Landesmuseum nach der traurigen Nachricht des Ablebens von Dr. Jülich weitergeführt haben.“

Dr. Martin Faass hat seit 1995 mehrere Stationen bei sehr renommierten Einrichtungen der deutschen Museumslandschaft durchlaufen und kann auf Berufserfahrungen als Kurator, Wissenschaftler und Museumsleiter zurückgreifen. Als Direktor der Liebermann-Villa in Berlin ist es ihm innerhalb weniger Jahre gelungen, das Haus zu einer international bekannten Museumsinstitution zu machen und nationale und internationale Museen als Partner und Leihgeber zu gewinnen.

„Ich freue mich sehr auf Darmstadt und das Hessische Landesmuseum, das mit seinen hochkarätigen Sammlungen über ein großes Potential verfügt. Mein Ziel ist, gemeinsam mit einem engagierten Museumsteam neue Impulse in Forschung, Bildung und Vermittlung zu setzen und unsere Besucher immer wieder aufs Neue für das Haus zu begeistern“, so Dr. Martin Faass.

Als neuer Direktor des Hessischen Landesmuseum Darmstadt übernimmt Dr. Faass die Leitung eines großen Universalmuseums mit hervorragendem Ruf. Es gehört zu den wenigen Museen in Deutschland, die ihren Besucherinnen und Besuchern eine enzyklopädische Sammlung von Natur-, Kunst- und Kulturgeschichte präsentieren. Das Hessische Landesmuseum Darmstadt umfasst die Abteilungen Naturgeschichte und Kulturgeschichte mit Beständen der Archäologie, der Vor- und Frühgeschichte, der Völkerkunde, der Volkskunde und der Kunstgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart.

Das historische Museumsgebäude wurde 2014 nach rund sechsjähriger Sanierung wiedereröffnet. In neu entstandenen Ausstellungsräumen werden seitdem unter anderem der internationale Jugendstil, die Vor- und Frühgeschichte, die japanische Kunst sowie die ägyptische und griechische Sammlung der Öffentlichkeit präsentiert.

„Das Landesmuseum Darmstadt ist nach seiner Sanierung eines unserer kulturellen Flaggschiffe in Hessen. Es ist gelungen, die Kunst und Natur – unser historisches Erbe – für jedermann erlebbar zu machen. Genau das ist es, womit wir die Menschen in die Museen locken wollen, gleichgültig, ob sie das Ziel haben, ihr Wissen zu erweitern – oder einfach nur einen interessanten Tag zu erleben. Ich bin sicher, dass Dr. Faass mit spannenden Konzepten diesen Anspruch umsetzen wird“, so Kunst- und Kulturminister Boris Rhein abschließend.

Zur Person
Dr. Martin Faass wurde am 5. Oktober 1963 in Karlsruhe geboren. Er ist mit der Journalistin und Fernsehautorin Almut Faass verheiratet und hat zwei Kinder. Dr. Martin Faass studierte Kunstgeschichte und Germanistik in Marburg und Berlin. Er realisierte zahlreiche Ausstellungen, unter anderem für die Hamburger Kunsthalle, das Museum Kurhaus Kleve, das Kunsthaus Apolda und das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Seit September 2006 ist er Direktor des Museums Liebermann-Villa am Wannsee in Berlin und Geschäftsführer der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V. sowie seit 2012 im Vorstand des Landesverbandes der Museen zu Berlin.

Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1
64283 Darmstadt

Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2018 liest auf Einladung der Deutsche Bank Stiftung in Frankfurt

Inger-Maria Mahlke liest aus ihrem prämierten Roman „Archipel“ / Lesung am 20. November 2018 bei der Deutschen Bank, Frankfurt. © Foto: Diether v. Goddenthow
Inger-Maria Mahlke liest aus ihrem prämierten Roman „Archipel“ / Lesung am 20. November 2018 bei der Deutschen Bank, Frankfurt. © Foto: Diether v. Goddenthow

Am 20. November 2018 liest Inger-Maria Mahlke in Frankfurt am Main aus ihrem Roman „Archipel“. Das Werk hat in diesem Jahr den Deutschen Buchpreis erhalten. Die in Lübeck und Teneriffa aufgewachsene Autorin liest auf Einladung der Deutsche Bank Stiftung, Hauptförderer des Deutschen Buchpreises, im Deutsche-Bank-Hochhaus.

Dr. Alf Mentzer, Moderator und Leiter der Literaturredaktion bei hr2, moderiert die Veranstaltung. Der Eintritt ist kostenlos, um Anmeldung unter deutsche-bank-stiftung.de/anmeldung-frankfurt bis zum 16. November 2018 wird gebeten. Aufgrund der begrenzten Kapazität werden die Plätze nach Eingang der Anmeldung vergeben.

Termin: 20. November 2018, 19 Uhr
Ort: Deutsche Bank, Taunusanlage 12, 60325 Frankfurt am Main
Anmeldung: bis 16. November 2018 unter deutsche-bank-stiftung.de/anmeldung-frankfurt

Wiesbadener exground filmfest 31 mit 180 Filmen aus 42 Ländern, darunter 58 Premieren


Das Programm zum exground filmfest 31 vom 16. bis 25. November 2018 in Wiesbaden steht: 180 Filme aus 42 Ländern mit 58 Premieren und Geld- und Sachpreisen im Wert von 20.000 EUR.

exground filmfest 31 präsentiert vom 16. bis 25. November ein außergewöhnliches Programm mit rund 180 unabhängig produzierten Lang- und Kurzfilmen aus 42 Ländern auf der großen Leinwand. Unter den über 2.600 Einreichungen aus 107 Ländern traf das Kuratorenteam seine Auswahl, darunter 21 Welt-, drei internationale, elf Europa- und 24 Deutschland-Premieren. Ausgesuchte Filme aus dem Länderschwerpunkt Philippinen sind nicht nur in Wiesbaden, sondern auch in Darmstadt und Frankfurt am Main zu sehen. In insgesamt sechs Wettbewerben werden Geld- und Sachpreise im Wert von rund 20.000 EUR vergeben.

Neben dem Filmprogramm öffnen die Wiesbadener Spielstätten Caligari FilmBühne, Murnau-Filmtheater und der Kulturpalast ihre Pforten für ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm aus Konzerten, Panels und Partys.

exground 31 Programm-PDF

exground youth days Programm-PDF

 

Anthony Ramos (li.) und John David Washington in MONSTERS AND MEN von Reinaldo Marcus Green © exground 31
Anthony Ramos (li.) und John David Washington in MONSTERS AND MEN von Reinaldo Marcus Green © exground 31
Programm-Highlights: Statement gegen Rassismus, Beziehungsstress in L.A. & Komödien aus Frankreich und Österreich.

In der Reihe „American Independents“ ist das preisgekrönte Drama MONSTERS AND MEN (Spezial-Jurypreis beim Sundance Film Festival) von Reinaldo Marcus Green als Deutschland-Premiere zu sehen. Ein weißer Polizist erschießt einen Afroamerikaner in Brooklyn. Green inszeniert die Folgen der Tat aus der Perspektive von drei Menschen: dem Augenzeugen Manny, einem afroamerikanischen Polizisten und einem Highschool-Basketballstar. Das intensive Schauspiel von Anthony Ramos (A STAR IS BORN), Kelvin Harris Jr. (MUDBOUND, MONSTER) und John David Washington (BLACKKKLANSMAN) macht MONSTERS AND MEN zu einem wichtigen Statement gegen Rassismus.

Von New York geht es bei den „American Independents“ in WE THE COYOTES (NOUS, LES COYOTES) von Hanna Ladoul und Marco La Via in die Stadt der Engel. Das Spielfilmdebüt begleitet das junge Paar Amanda und Jake bei ihren ersten 24 Stunden nach ihrer Ankunft in L.A. Ohne einen konkreten Plan und Geld in der Reisekasse wird die Beziehung der beiden schnell auf eine harte Probe gestellt. Hanna Ladoul und Marco La Via, die sich vom Abenteuer ihrer eigenen ersten Tage in L.A. inspirieren ließen, schaffen mit ihrem Film ein erfrischendes und zeitloses Porträt jugendlicher Energie. WE THE COYOTES feiert bei exground filmfest ebenfalls seine Deutschland-Premiere.

In der Sektion „International“ präsentiert exground filmfest die hochkarätig besetzte französische Komödie LIEBER ANTOINE ALS GAR KEINEN ÄRGER (EN LIBERTÉ) von Pierre Salvadori. Die junge Kommissarin Yvonne ist die Witwe des örtlichen Polizeichefs Santi, die langsam begreift, dass ihr Mann nicht der rechtschaffene Mensch war, für den ihn alle hielten. Sie beschließt, alles für den jungen Antoine zu tun, der statt Santi in den Bau wanderte. Mit einem tollen Cast (Adèle Haenel, Pio Marmaï, Audrey Tautou) schafft Regisseur Pierre Salvadori (BEZAUBERNDE LÜGEN) großes Kino, das gute Laune macht.

Eine weitere scharfsinnige Komödie erwartet die Zuschauer mit der österreichischen Produktion WOMIT HABEN WIR DAS VERDIENT? Diese Frage stellt sich die Wienerin Wanda (Caroline Peters), überzeugte Atheistin und Feministin, als ihre Teenagertochter Nina zum Islam konvertiert, von nun an Fatima heißen und Schleier tragen möchte. Mit viel Humor und spitzfindigen Dialogen gelingt Regisseurin Eva Spreitzhofer und ihrem grandiosen Ensemble eine herrlich bissige Gesellschaftskomödie über Toleranz und ihre Grenzen.

Adèle Haenel in LIEBER ANTOINE ALS GAR KEINEN ÄRGER von Pierre Salvadori. © exground 31
Adèle Haenel in LIEBER ANTOINE ALS GAR KEINEN ÄRGER von Pierre Salvadori. © exground 31
Wettbewerbe beim exground filmfest

In insgesamt sechs Wettbewerben vergibt das exground filmfest Geld- und Sachpreise im Wert von 20.000 EUR (Alle Preise und Preisstifter). Ein besonderer Dank geht an den Wiesbadener Kinofestival e. V., der im Rahmen der youth days den neuen Jugendjurypreis für den besten Kurzfilm stiftet, dotiert mit 500 EUR. Damit werden im Wiesbadener Jugendfilm-Wettbewerb und im Internationalen Jugendfilm-Wettbewerb Geld- und Sachpreise von insgesamt 4.650 EUR vergeben.

In der 17. Ausgabe des Internationalen Kurzfilm-Wettbewerbs konkurrieren 16 Filme aus 16 Ländern um den Jurypreis von 2.000 EUR, gestiftet vom exground-Freundeskreis. In der dreiköpfigen Jury sitzen: Dr. Catherine Colas, Redakteurin für kurz- und mittellange Filme bei ZDF/ARTE aus Mainz, Heleen Gerritsen, Festivalleiterin von goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films in Wiesbaden, und Raymond Red, Regisseur und Produzent aus Manila/Philippinen.

Im Deutschen Kurzfilm-Wettbewerb treten insgesamt zehn Produktionen im Rennen um die Geld- und zwei Sachpreise im Wert von 9.500 EUR an, darunter RIEN NE VA PLUS von Sophie Linnenbaum, die 2017 mit ihren Film PIX den zweiten Platz belegte.

Der Wiesbaden-Special – Kurzfilm-Wettbewerb findet zum 14. Mal statt. Ausgewählt wurden elf Filme, darunter zahlreiche Premieren, die entweder von hier geborenen oder lebenden Regisseuren oder in Wiesbaden gedreht wurden. Der vom Publikum bestimmte Gewinner wird am 25. November preisgegeben.

In der Reihe „Made in Germany“ wird der Preis DAS BRETT zum dritten Mal von Insassen der JVA Wiesbaden vergeben. Insgesamt konkurrieren sechs Produktionen um den Gefangenen-Jurypreis, dotiert mit mindestens 1.000 EUR, gestiftet von „Die WERFT“.

In der exground-Gong-Show heißt das Motto wieder: je trashiger desto besser! Mitmachen darf jeder, der seinen Film rechtzeitig auf einem Datenträger abgibt. Der Gewinnerfilm erhält „Goldene exground-Gurke“ und 50 EUR Preisgeld. Die Gong-Show ist bereits am 3. November um 21 Uhr zu Gast bei FILMZ in der Kunsthalle Mainz.

Alle weiteren Infos über https://exground.com/

Ohne diese Förderer und Sponsoren wäre das Filmfestival exground nicht zu stemmen!

„Smartphone-Epidemie“ – Kurzsichtigkeit, IQ-Verlust, Notenverschlechterung – Manfred Spitzer warnt dringend vor einer weiteren Digitalisierung von Kindergärten, Schulen und sonstigen Lernorten

Bärbel Schäfer talkt mit Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer im ARD-Forum auf der 70. Frankfurter Buchmesse am 10. Oktober 2018 über die Risiken und Nebenwirkungen  unkontrollierten Smartphone-Konsums bei Kindern und Jugendlichen. © Foto: Diether v. Goddenthow
Bärbel Schäfer talkt mit Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer im ARD-Forum auf der 70. Frankfurter Buchmesse am 10. Oktober 2018 über die Risiken und Nebenwirkungen unkontrollierten Smartphone-Konsums bei Kindern und Jugendlichen. © Foto: Diether v. Goddenthow

Manfred Spitzer warnt auf der diesjährigen Buchmesse beim Talk mit Bärbel Schäfer im ARD-Forum dringend vor einer weiteren Digitalisierung von Lernmedien und unkontrolliertem Smartphone-Konsum bis zum 25. Lebensjahr. Seine zentralen, wissenschaftlich abgesicherten Aussagen über Negativfolgen wie Kurzsichtigkeit, IQ-Verlust, Notenverschlechterung und Suchtentwicklung hat Spitzer in seinem neuen, im Klett-Cotta-Verlag erschienen Werk „Smartphone-Epidemie. Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft“ festgehalten. Das 360 Seiten umfassende Werk nennt allein 100 internationale Studien auf 45 Seiten, die belegen, wie gefährlich insbesondere für Kinder und Jugendliche ungezügelter Handykonsum und eine Verdigitalisierung ihrer Lernmittel sind.

Gefahr Kurzsichtigkeit
Die Studien zeigten insgesamt, „dass das Ding (Smartphone) wirklich massive Risiken und Nebenwirkungen macht“, so  der Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm und Neurowissenschaftler Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer. Beispielsweise wisse man seit drei, vier Jahren, „dass sich bei Heranwachsenden Kurzsichtigkeit entwickelt, wenn sie zu viel in die Nähe auf einen Bildschirm schauten. Wenn das heranwachsende Auge versuche scharf zu stellen, schaffe es das nur durch Längenwachstum, wodurch zwangsläufig Kurzsichtigkeit entstünde, und zwar nur im Alter zwischen 0 und 25 Jahren“, so Spitzer. Zudem sei das Dumme halt, dass das Smartphone, welches das am meisten benutzte digitale Endgerät sei, auch noch den kleinsten Bildschirm habe, „weswegen man es, um zu lesen, besonders nah vor die Augen hält“, so der Neurowissenschaftler.
In Südkorea wären bereits 95 Prozent der Unter20jährigen  kurzsichtig. „Das nennt man Epidemie, und zwar Sehbehinderungs-Epidemie, eine erworbene Sehbehinderung, die normalerweise ein bis fünf Prozent der Bevölkerung betrifft“, erklärt Spitzer. In Europa liege die Kurzsichtigkeitsrate bei den Unter20jährigen mittlerweile bei 30 Prozent und in China, einem ähnlich wie  Korea hoch digitalisiertem Land,  bei 80 Prozent.

Gefahr Suchtpotential
Woran es denn liege, hakt Moderatorin Bärbel Schäfer nach, dass wir sehenden Auges auf eine medizinische Katastrophe zusteuerten und dass junge Menschen ein so emotionales Verhältnis zu ihrem Gerät entwickelten und sagten „das ist mein Leben“?
Unter anderem läge es daran, so Spitzer, dass viele Anwendungen, die auf dem Smartphone laufen, Sucht erzeugten. Das haben Programmierer selbst publiziert. In Südkorea gäbe es bereits 30 Prozent Smartphone-Süchtige, so der Neurowissenschaftler.

Das Smartphone macht süchtig. Das sei auch seit Sommer 2017 von der WHO als Krankheit anerkannt. „Über Jahre hinweg war es nur für die Forschung anerkannt, um es weiter zu untersuchen. Mittlerweile sind Internet und Computersucht eine anerkannte Krankheit“ und die laufe zumeist über das häufigste benutzte digitale Endgerät, nämlich über das Smartphone, genauso wie die Facebook-Sucht untersucht und bestätigt sei. Es wäre nachgewiesen, dass bei der Facebook-Sucht die gleichen Hirnzentren wie bei der Kokainsucht beteiligt wären. „Wir wissen darüber ganz viel. Ich wollte das Buch schreiben, damit keiner mehr sagen kann: ‚Hey, Sie wussten das alles, und Sie haben nichts gesagt. Wäre doch wichtig gewesen!‘ Jetzt kann keiner mehr sagen: ‚Wir haben’s nicht gewusst!‘“, erklärt Spitzer sein kompromissloses Engagement gegen den leichtfertigen, vom allgemeinen Mainstream und der Bitkom-Industrie befeuerten  Smartphone-Konsum von Kindern und Jugendlichen.

smartphone-epidemie4Die Facebook-Sucht funktioniere beispielsweise über die Verstärkung von bestimmten Verhaltensweisen: „Wir sind neugierige Menschen vor allem auf soziale Sachverhalte“, so Spitzer, und bei Facebook gäbe man Zeit rein und kriege Likes raus! „Menschen mögen gemocht werden – das ist eines unserer Grundbedürfnisse. Genauso sind wir von Grund auf neugierig: wir wollen wissen, was die anderen machen. Und wenn die uns dauernd Nachrichten schicken, gucken wir auch dauernd rein.“, erklärt der Neurowissenschaftler.

Gefahr IQ-Verlust
Es sei mittlerweile sogar wissenschaftlich nachweisen, dass Leute dann einen wesentlich geringeren IQ haben, wenn sie bei ihrer Arbeit ein Smartphone neben sich auf dem Schreibtisch liegen haben, selbst, wenn es ausgeschaltet ist: „Sie könnten es ja einschalten und etwas nachgucken. Und sie müssen dauernd versuchen, aktiv das nicht zu tun. Und weil wir diesen Impuls dauernd unterdrücken müssen, fehlt ihnen der Gehirnschmalz, zum Beispiel, wenn Sie einen IQ-Test machen, was sich so auswirkt, dass einer, der mit einem IQ von Gymnasiasten sein Smartphone auf den Tisch legt, dann bloß noch einen IQ von einem Hauptschüler hat“, erklärt der Neurowissenschaftler. Das habe eine große amerikanische Studie herausgefunden.
Selbst wenn das Smartphone ausgeschaltet in einer Handtasche läge, könne es die Konzentration beeinträchtigen, aber nicht ganz so schlimm, als wenn es auf dem Tisch läge. Auch das wurde untersucht, so Spitzer. Am ‚sichersten‘ sei es natürlich das Smartphone ausgeschaltet im Nachbarzimmer zu lassen, damit man es gar erst nicht sähe.

Gefahr von Lernverhinderung
„Wenn ich mich dem jetzt entziehe, bin ich ja plötzlich gestrig, old school, old fashion und gar nicht mehr vorne, wo angeblich alles passiert“, so Bärbel Schäfer und fragt: „Was antworten Sie denn  denen, die sagen: Sei nicht von gestern, wir müssen nach vorne?“. „Die sollten besser ihre Hausaufgaben machen, so Spitzer, denn es könne doch nicht sein, „dass wir dieses Ding kaufen, nur weil es alle kaufen, nur weil jemand sagt, das sei die Zukunft!“, so der Neurowissenschaftler. Er habe zwar auch Smartphone und Computer, weil es „ein tolles Werkzeug ist, wenn man bestimmte geistige Arbeiten verrichten will“. Aber tauge nicht zum Lernen!  Denn gelernt werde ja nicht durch Downloaden: „Mein Gehirn macht sowas nicht, kann es nicht. Gehirne lernen, indem sie arbeiten. Denn Gehirne müssen arbeiten, und wenn sie dann arbeiten, dann ändern sich die Verbindungen zwischen den Nervenzellen. Die nennt man Synapsen, und die werden wirklich stärker. Und diesen Prozess nennen wir lernen“, erläutert Spitzer die neuronalen Basics des Lernens und legt noch ein Schippchen drauf: „alles, was ich dem Geist an Arbeit abnehme, verhindert Lernen. weswegen Computer Lernverhinderungsmaschinen sind!“, warnt der Neurowissenschaftler uns schimpft: Es sei daher ein Skandal, dass aber all unsere Schulen wider besseren Wissens dennoch digitalisiert werden sollen.

Gefahr von Notenverschlechterung

Längst sei nachgewiesen, dass, wenn Schulen digitalisiert würden, „der Lernerfolg um zirka 20 Prozent abnimmt“. Dazu gäbe es große, riesige Studien, die Spitzer alle in seinem Buch benennt. Wenn man Pisa-Daten der letzten 10 Jahre analysiere und schaue, wie sich Schüler der etwa 60 miteinander verglichenen Nationen in Pisa verändert haben und wie viel in jedem dieser Länder in digitale IT-Technik an Schulen investiert wurde, sähe man, dass überall dort, wo am meisten in die digitale schulische Infrastruktur gesteckt wurde, die Noten der Schüler am meisten heruntergegangen seien. Australien zum Beispiel investierte im Jahr 2008 rund 2,4 Milliarden mit der Folge, dass hier die Schüler in den PISA-Ergebnissen am heftigsten abgeschmiert sind und sich massiv verschlechtert hätten, so Spitzer. Der Neurowissenschaftler warnt dringend davor, hierzulande entgegen aller neuen Erkenntnisse der Neurowissenschaft   Kitas und Klassenzimmer digital aufrüsten zu wollen, während man in anderen Ländern aufgrund negativer Erfahrungen wie Verschlechterung der Schulnoten zurückrudere. So habe beispielsweise der französische Präsident Macron ab Herbst 2018 ein Smartphone-Verbot an Schulen durchgesetzt.

Marcron habe vielleicht eine große Londoner Studie von Wirtschaftswissenschaftlern über Telefonverbote zwischen 2002 und 2012 an 90 Schulen für 30 000 Schüler  gelesen. Der Effekt war, dass sich innerhalb der fünf Jahre nach dem Handyverbot die Notendurchschnitte im Vergleich der fünf Jahre vor dem Handybot deutlich verbessert hatten.

Gefahr, dass die Lernschwachen noch schwächer werden

Aber die Studie, die aufgrund der enormen Datenmenge Subgruppen-Analysen ermöglicht habe, hätte außerdem gezeigt, dass die Schwächsten, zirka 20 Prozent der Schüler, sich durch Smartphone-Verbot am meisten verbessert hätten. Der Notenschnitt der 20 Prozent besten Schüler änderte sich hingegen  nicht. In den Leistungsgruppen dazwischen ginge es mit der Notenverbesserung wie  in Treppchen. Es stimme also nicht, das man Bildungs-Gegerechtigkeit dadurch schaffe, indem man jedem Hartz-IV-Empfängerkind ein Smartphone oder anderes digitales Endgerät kostenlos zur Verfügung stelle, damit „ein Arbeiterkind den gleichen Zugang zur Bildung habe“, so der Neurowissenschaftler. Das wäre ideologisches Wunschdenken, da Fakt sei: „Wenn sie ‚den Schwachen‘ digitalisieren, wird der noch schwächer, und das ist das Unsozialste, was sie machen können!“
Mit Digitalisierung des Unterrichtes werde vor allem denen geschadet, „die sowieso schon schwach sind. Das ist nachgewiesen, nicht nur in der Studie, die ich gerade erwähnt habe, sondern in fünf, sechs anderen auch“, so Spitzer.

Vorwissen entscheidet über Digitalnutzen
Um überhaupt digitale Medien produktiv nutzen zu können, benötige man weder große Medienkompetenz noch einen Internet-Führer-Schein, sondern entsprechendes Vorwissen, so Spitzer. Denn „je mehr Sie wissen, desto besser können Sie auch googlen. Ihr Vorwissen hilft Ihnen, das, was ihnen Google auf den Bildschirm schmeißt, zu werten. Wenn Sie kein Vorwissen haben, dann nützt Ihnen Google null.“, so der Neurowissenschaftler.

Es sei daher ganz wichtig, dass in Kindheit und Jugend das Gehirn massiv auftrainiert werde, weil es nur so funktioniere. Das kindliche Sprachzentrum, lerne beispielsweise dadurch sprechen, dass mit dem Kind gesprochen werde. Es sauge sozusagen aus dem Gespräch die Information, die Bedeutung des Gesagten, was in den Synapsen abgebildet werde. Der Witz dabei sei, so Spitzer: „Wenn Sie dann noch eine zusätzliche Sprache lernen, werden die Sprachzentren noch trainierter, und wenn sie noch eine weitere Sprache lernen, noch trainierter. Und mein Punkt ist: Wenn einer fünf Sprachen kann, dann lernt er dann besser noch eine sechste, als einer, der nur die Muttersprache kann, weil er schon fünf Sprachen kann.“ Es sei ein Irrglaube, wenn man sage „Meine Sprachzentren sind langsam voll. Ich kann schon fünf Sprachen.“ Daraus folge, dass das Gehirn im Gegensatz zu einer Festplatte, die irgendwann voll ist, umso mehr noch weitere Informationen aufnehmen kann, „je mehr schon da drin ist“.

Es stimme einfach nicht, wenn gesagt werde, die Digital Natives seien gut dran, weil sie Informationen auslagerten und deswegen mehr Platz für anderes in ihrem Gehirn reservierten. „Wenn sie in der Schule kein Englisch lernen, dann haben sie nicht 20 Prozent mehr Platz für Chinesisch, das ist dummes Zeug.  Alles, was sie in ihrer Jugend nicht gelernt haben, erschwert Ihnen weiteres Lernen im Alter, weswegen es so wichtig ist, dass wir im Gegenteil in der Jugend nichts auslagern. Rechtschreiben, Kopfrechnen, auf Bäume klettern, Fußballspielen, sich mit den Händen beweisen, all das ist Lernen, ist wichtig zum Lernen“, so Spitzer. Es wäre zudem für die Hirnentwicklung ganz furchtbar, dass sich in den letzten 30 Jahren der Aktionsradius von Kindern auf 10 Prozent verringert habe.

Apple baut Haftungsansprüchen wegen Smartphone-Risiken vor

Selbst Apple-Chef Tim Cook empfiehlt zu einem maßvolleren Umgang mit Smartphones, weswegen auf den letzten Entwicklerkonferenzen Software vorgestellt wurde, „die uns besser erlaubt, auch unsere eigene Smartphone-Nutzung zu begrenzen und vor allem auch Eltern ermöglicht, den Smartphone-Konsum der Kinder besser zu kontrollieren.“ Der Hintergrund dieser Entwicklung sei gewesen, erläutert Spitzer,  dass im Januar 2018 Apple-Investoren  besorgt auf die gesundheitlichen Nebenwirkungen von Smartphones hingewiesen und angefragt hätten, was  Apple eigentlich täte, wenn 5 Milliarden Nutzer den Konzern verklagten: „dann seid sogar ihr, die reichste Firma der Welt, pleite. Apple hat das sehr ernst genommen, und hat tatsächlich reagiert: Daran sieht man ja auch, wie schlimm es schon ist“, unterstreicht der Neurowissenschaftler.

„Was ich sage, ist ja nur das, was in der medizinischen Literatur steht. Daten, die zeigen, dass Kinder in der Schule besserwerden, wenn sie Computer einführen oder Smartphone, Tablets, die gibt es nicht!“, resümiert Spitzer und schimpft mit Recht: „Wenn man weiß, dass dieses Ding (Smartphone) dem Lernen von Schülern massiv schadet, und andere digitale Medien an Schulen auch, dann bin ich doch dagegen, dass erstens die Regierung dafür 5 Mrd. in die Hand nimmt, zweitens, eine Grundgesetzänderung macht, um das Lernen zu stören und gleichzeitig noch die Bildungshoheit den Ländern zu entziehen und sie nach Kalifornien weiterreicht an die reichsten Firmen der Welt, die sich um unsere Kinder nicht kümmern, aber um ihren eigenen Profit. Das ist ein Skandal!“

Pflichtlektüre für alle, der die Lerngesundheit unserer Kinder ernsthaft am Herzen liegt:

smartphone-epidemie4 Manfred Spitzers höchst empfehlenswertes, fundiertes und trotzdem für interessierte Laien sehr lesbares und verständlich geschriebenes Werk „Smartphone-Epidemie. Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft“, Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 2018, sollte Pflichtlektüre werden für alle, die politisch, beruflich oder privat mit Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu tun haben, sei es in Kindergarten, Schule, Freizeit oder Zuhause.

(Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)

Zur Person des Autors

Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer. © Foto: Diether v. Goddenthow
Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer. © Foto: Diether v. Goddenthow

Manfred Spitzer, Prof. Dr. Dr., geboren 1958, studierte Medizin, Psychologie und Philosophie in Freiburg. Von 1990 bis 1997 war er als Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg tätig. Zwei Gastprofessuren an der Harvard-Universität und ein weiterer Forschungsaufenthalt am Institute for Cognitive and Decision Sciences der Universität Oregon prägten seinen Forschungsschwerpunkt im Grenzbereich der kognitiven Neurowissenschaft und Psychiatrie. Seit 1997 hat er den neu eingerichteten Lehrstuhl für Psychiatrie der Universität Ulm inne und leitet die seit 1998 bestehende Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm. Seit 1999 ist er Herausgeber des psychiatrischen Anteils der Zeitschrift Nervenheilkunde; seit Frühjahr 2004 leitet er zudem das von ihm gegründete Transferzentrum für Neurowissenschaft und Lernen in Ulm und moderiert eine wöchentlich in BR-alpha ausgestrahlte Fernsehserie zum Thema Geist und Gehirn.

Kleines Addendum:

Auch in den Niederlanden weiß man seit Sommer 2018, dass der „Traum von der digitalisierten Schule“ geplatzt ist. Hollands Digital-Schulen waren ein Flop: Was Deutschland aus den Fehlern lernen kann
Siehe auch Vortrag von Peter Hensinger, M.A. bei der GEW in Gelsenkirchen. Er weist nach, dass die Forderung nach digitalisiertem Unterricht nicht von der Erziehungswissenschaft, sondern von der Industrie kommt: Trojanisches Pferd „Digitale Bildung“: Big Brother ist teaching you!,

 

 

 

Erfolgreich und im Geiste von Menschenrechten und Meinungsfreiheit – das war die 70. Frankfurter Buchmesse

70. Frankfurter Buchmesse: internationale Beteiligung wächst / dynamisches Lizenzgeschäft / Menschenrechte im Fokus / BOOKFEST begeistert das Publikum. © Foto: Diether v. Goddenthow
70. Frankfurter Buchmesse: internationale Beteiligung wächst / dynamisches Lizenzgeschäft / Menschenrechte im Fokus / BOOKFEST begeistert das Publikum. Rechts im Bild der neue, futuristisch anmutende Pavilion der Frankfurter Buchmesse © Foto: Diether v. Goddenthow

 

Frankfurt, 14.10.2018 – Mit einem Besucherplus von 0,8 Prozent am Messewochenende und einem leichten Rückgang von 1,8 Prozent an den Fachbesuchertagen ist die 70. Frankfurter Buchmesse zu Ende gegangen. Die Zahl der Fachbesucher, die aus dem Ausland nach Frankfurt anreisten, ist deutlich gestiegen. 285.024 (2017: 286.425) Besucherinnen und Besucher kamen auf das Messegelände, das entspricht einem Rückgang von 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei den Ausstellern verzeichnete die Frankfurter Buchmesse einen leichten Anstieg: 7.503 Aussteller aus 109 Ländern nahmen in diesem Jahr teil. Das Literary Agents & Scouts Centre (LitAg) ist mit 528 gebuchten Tischen (2017: 500 Tische), 795 Agenten (788) und 337 Agenturen (321) aus 31 Ländern, davon 19 Neuaussteller, erneut gewachsen. 3000 Besucherinnen und Besucher nahmen an den Konferenzen und Workshops im THE ARTS+ Bereich teil, 125.000 Messegäste besuchten das innovative Areal in der Halle 4.1. Die Veranstaltungen des BOOKFEST im Frankfurt Pavilion und in der Stadt lockten 25.000 Besucherinnen und Besucher an.

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

Als internationalste Veranstaltung ihrer Art ist die Frankfurter Buchmesse der ideale Ort um über globalgesellschaftliche Themen zu diskutieren. Wir beobachten ein erkennbar wachsendes Bedürfnis an politischer Teilhabe; der Wunsch, die eigene Position zu bestimmen und am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen, nimmt zu. Gespräche über die Bedeutung der Menschenrechte, Flucht und Migration, Populismus und zivilgesellschaftliches Engagement prägten das Messegeschehen. An den Fachbesuchertagen standen internationale Buchmärkte und Branchentrends im Mittelpunkt“, sagte Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse.

v.l.n.r.:Prof. Dr. Carlos Collado Seidel, Generalsekretär des PEN-Zentrum Deutschland e.V., Günter Wallraff, Journalist und Schriftsteller und Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im "Weltempfang", Halle 3.1. vor der Veranstaltung Weltempfang  "Das freie Wort unter Druck? Selbstzensur in Deutschland"  © Foto: Diether v. Goddenthow
v.l.n.r.:Prof. Dr. Carlos Collado Seidel, Generalsekretär des PEN-Zentrum Deutschland e.V., Günter Wallraff, Journalist und Schriftsteller und Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im „Weltempfang“, Halle 3.1. vor der Veranstaltung Weltempfang
„Das freie Wort unter Druck? Selbstzensur in Deutschland“ © Foto: Diether v. Goddenthow

Heinrich Riethmüller, der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: „Die 70. Frankfurter Buchmesse war am Puls der Zeit. Die Buchbranche hat deutlich Flagge gezeigt für Menschenrechte, für Freiheit, Vielfalt und Respekt. Fünf Tage lang war Frankfurt der weltweit größte Handelsplatz für Inhalte und Geschichten. Die Buchmesse zeigte sich als ein Ort der Ideen und Debatten und ein großes Fest des Lesens zugleich. Die Begeisterung für Bücher und die Bedeutung der Literatur für die Menschen ließen sich deutlich erleben. Verlage und Buchhandlungen arbeiten intensiv an neuen Wegen zu den Kunden von heute, das war auf der Messe greifbar.“

Junge Leute aus aller Welt schreiben ihre Botschaften zur Aktion I'm on the same page auf das große weiße Brett im Foyer der Halle 4.0. © Foto: Diether v. Goddenthow
Junge Leute aus aller Welt schreiben ihre Botschaften zur Aktion I’m on the same page auf das große weiße Brett im Foyer der Halle 4.0. © Foto: Diether v. Goddenthow

Internationale Beachtung hat die Kampagne On The Same Page gefunden, die von der Frankfurter Buchmesse gemeinsam mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels initiiert wurde und in Kooperation mit ARTE/ZDF und DER SPIEGEL sowie mit Unterstützung der Vereinten Nationen und von Amnesty International durchgeführt wurde. Die Kampagne wird in den nächsten Monaten weiterentwickelt.

Lesung im Ehrengast-Pavillon mit der in Deutschland lebenden und schreibenden Georgischen Autorin Nino Haratischwill aus ihrem für den Deutschen Buchpreis 2018 nominierten Werk"Die Katze und der General". © Foto: Diether v. Goddenthow
Lesung im Ehrengast-Pavillon mit der in Deutschland lebenden und schreibenden Georgischen Autorin Nino Haratischwill aus ihrem für den Deutschen Buchpreis 2018 nominierten Werk“Die Katze und der General“. © Foto: Diether v. Goddenthow

Zum Ehrengastauftritt Georgiens sagte Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse: „Georgiens Auftritt in Frankfurt hat die Herzen der Buchmessebesucher berührt. . Eine Präsentation, in der das georgische Alphabet mit Leichtigkeit und Eleganz raumgreifend inszeniert ist, Performances, Musik, kulinarische Entdeckungen, Lesungen und vor allem eine beeindruckende Vielfalt literarischer Stimmen. Das Team um Medea Metreveli hat ein fulminantes Programm auf die Beine gestellt und uns in wenigen Tagen Georgiens ‚Characters‘ und ihre jahrtausendealte Kultur nahegebracht. Georgien hat uns auf eine Entdeckungsreise eingeladen – wir sind dieser Einladung sehr gern gefolgt.“ Nach einem literarischen Gespräch mit dem georgischen Autor Zurab Karumidze und der norwegischen Autorin Åsne Seierstad wurde heute Nachmittag die Gastrolle an Norwegen übergeben. Die Musiker Mathias Eick, Kjetil Bjerkestrand und Herborg Kråkevik aus Norwegen bereicherten die feierliche Übergabe mit Klängen aus dem hohen Norden.

Der neue Frankfurt Pavilion war Publikumsmagnet und ist neues Wahrzeichen der Frankfurter Buchmesse. © Foto: Diether v. Goddenthow
Der neue Frankfurt Pavilion war Publikumsmagnet und ist neues Wahrzeichen der Frankfurter Buchmesse. © Foto: Diether v. Goddenthow

Ein Publikumsmagnet war der neue Frankfurt Pavilion, der von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet wurde. Autoren von Weltrang machten die Frankfurter Buchmesse zu einem Fest für Literatur: Chimamanda Ngozi Adichie setzte den Ton mit ihrer eindrücklichen Rede zu brandaktuellen Themen wie Migration, Rassismus und Frauenrechten. An fünf Messetagen begeisterten Paul Beatty, Dmitry Glukhovsky, Ana Kordsaia-Samadischwili, Maja Lunde, Laksmi Pamuntiak, David Sedaris, Nguyen Ngoc Tu, Meg Wolitzer und viele andere Autoren ihr Publikum.