Themenwochenende in der Keltenwelt am Glauberg: Kleider machen Leute! Dieses Sprichwort galt auch schon bei den Kelten. Deshalb stehen die Stoffe und Bekleidung der Eisenzeit im Mittelpunkt der beiden Thementage im Museumsgarten der Keltenwelt. Ob allein, mit Freunden oder samt der ganzen Familie bietet das Wochenende die Möglichkeit in die Welt der keltischen Textilien und Kleidung einzutauchen. Im Rahmen experimenteller Archäologie wird gezeigt, wie Stoffe einst hergestellt und gefärbt wurden. An zahlreichen Ständen kann man sich in die Kunst des Spinnens, Färbens und Brettchenwebens entführen lassen und sich an den Infoständen über die spannenden wie faszinierenden Arbeitsweisen der Textilarchäologie informieren.
Ein besonderes Highlight sind die verschiedenen Modelle von Gewichtswebstühlen, darunter auch eine „neue Variante“, die mithilfe der experimentellen Archäologie überprüft wird. Die Experimentalarchäologinnen und -archäologen erklären Schritt für Schritt, wie sie zu ihren neuen Erkenntnissen gelangt sind und wie diese historischen Webgeräte funktionierten. Originalgetreu nach Funden gearbeitete Kleidungsstücke veranschaulichen dabei, dass die Rekonstruktion keltischer Kleidung weit mehr als eine handwerkliche Herausforderung ist.
Für Kinder und Erwachsene bietet die Keltenwelt am Glauberg an Veranstaltungswochenende ein umfangreiches Mitmachprogramm rund um historische textile Techniken an. Es wird gefärbt, gesponnen, geschwungen, gebrochen, gehechelt, kardiert und auch eine eigene Brettchenborte kann selbst gewebt werden – langweilig wird es ganz bestimmt nicht!
Ein spannendes Wochenende in der Welt der keltischen Textilkunst erwartet die Besucher und lässt die Geschichte authentisch lebendig werden.
Zudem erwartet die Besucher im Museum Keltenwelt die Sonder-Ausstellung „Wege durch die Zeit. Geschichte des Glaubergs“,
Infos: Veranstaltungsort: im Museumsgarten Veranstaltungszeit: von 10 Uhr bis 18 Uhr Kosten: Kinder/Jugendliche: 1 EUR, Erwachsene: 4 EUR, unter 6 Jahren frei
Der Blussus-Stein, ein ganz besonderer Grabstein einer durch den Handel mit Römern reich gewordenen keltischen Schiffersfamilie aus römischer Zeit, zeigt zugleich die älteste römische Schiffsdarstellung nördlich der Alpen. Dieser international bekannte Stein gehört zu den ganz besonderen Schätzen in den Sammlungen des Landesmuseums Mainz Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE). Er kann nun, dank einer großzügigen Spende des Freundeskreises des Museums restauriert werden. Wer den Restauratoren dabei einmal über die Schultern schauen möchte, ist bis zum 19. Juli 2024 herzlich in die Steinhalle des Landesmuseums Mainz eingeladen. Die Besichtigung ist im Eintrittspreis enthalten.
Bei einem Pressetermin in der Steinhalle unterstrich die Direktorin des Landesmuseums Mainz, Dr. Birgit Heide, einmal mehr wie notwendig es sei, dass das inzwischen vom Zahn der Zeit entsprechend gezeichnete Steindenkmal zur Erhaltung für nächste Generationen dringend restauriert werden muss: „Der Stein wurde 1848 in Mainz-Weisenau gefunden und hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, die ihre Spuren hinterlassen hat. Umso mehr freut es mich, dass wir dank der großzügigen finanziellen Unterstützung durch den Verein der Freunde des Landesmuseums Mainz den Blussus-Stein von renommierten Restauratoren mit modernsten Methoden reinigen, restaurieren und zugleich wissenschaftlich auf die ursprüngliche Farbfassung untersuchen lassen können.“
Blussus-Stein ist ein Zeugnis für die Verschmelzung keltischer mit römischer Kultur
Dr. Ellen Riemer, zuständige Archäologin für die Altertümer im Landesmuseum, erläuterte die einzigartige Bedeutung des aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts stammenden, doppelseitig verzierten Grabsteins des Schiffers Blussus und seiner Frau Menimane, die keine Römer, sondern Kelten waren, sich jedoch nach römischen Vorbild einen Grabstein setzen ließen. Sie demonstrierten damit römische Lebensweise. Vater Blussus habe für die damalige Zeit mit 75 Jahren ein biblisches Alter erreicht. Sohn Primus habe den Grabstein nach dem Tod seiner Mutter gesetzt, die nach ihrem Mann verstorben sei. „Man sieht so kleine Löcher um ihr Gesicht herum, deswegen nimmt man an, dass zu ihren Lebzeiten als der Mann schon tot war, das Gesicht verdeckt war, weil sie ja noch nicht unter diesem Grabstein gelegen hat.“, so die Archäologin.
Auf der Vorderseite, der Reliefseite, sitzt das Ehepaar bequem auf einer Art Sofa. Der Mann sei in einer typisch keltischen Tracht, dem Cucullus, einem Kapuzenmantel, dargestellt: “Er sitzt breitbeinig und behäbig da, und man sieht auch, dass er reich und stolz ist. Er hält in der Hand einen dicken fetten Geldbeutel“, so Riemer.
Die Tracht seiner neben ihm sitzenden keltischen Frau Menimane, sei in der Archäologie für einen Trachten-Typ, der Menimane-Tracht, namensgebend gewesen. Diese „besteht aus mindestens drei verschiedenen Gewändern, einem Untergewand, einem langen Obergewand und einem Mantel. Alles wird mit mindestens fünf Fibeln zusammengehalten, was man besonders schön sieht, „an der Schulter zum Beispiel und wo der Träger verrutscht ist“.
Menimane hat um den Hals einen Halsreifen, an dem eine Rosette als Schmuck hängt. Auf dem Schoss sind noch die beiden Vorderbeine des kleinen Hündchen zu erkennen. „In der Hand hält sie ein Wollknäuel und eine Spindel mit aufgesponnener Wolle als Zeichen für die Hausfrau.“, erläutert die Archäologin. Und hinter ihr steht ein Junge, wobei die Archäologen noch nicht genau wüssten, so Riemer, ob es der Sohn Primus oder der Sklave Satto sei, „der ja eigentlich auch unter dem Stein liegen müsste“.
Ein weiteres archäologisches Problem sei auch, dass dass der Junge eine sogenannte Bulla um den Hals trägt. „Das ist ein zweiteiliges Amulett. Das tragen aber nur freigeborene, römische Knaben bis sie 16 Jahre alt werden und dann zum Mann werden. Eigentlich dürfte weder Primus, weil er ja Kelte war, noch der Haussklave Satto ein solches Schmuckstück getragen haben“, läutert Riemer.
Bei all diesen Details werde ganz deutlich, „dass das Ehepaar nicht Römer waren, sondern Kelten. Für die Römer waren sie sogenannte „peregrini“ , also Fremde, die das römische Bürgerrecht nicht besaßen, obwohl es eigentlich Einheimische waren“. Sie haben aber versucht, sich ein bisschen an die Römer anzugleichen, einmal, „indem sie ihren Sohn den typisch römischen Namen Primus gaben, und indem sie auch die die Sitte, einen Grabstein auf ihr Grab zu setzen, von den Römern übernommen.“, so Riemer
Reich geworden ist die Familie in ersten Hälfte des 1 Jahrhunderts durch den Handel mit den Römern. „Denn Mainz ist ja aus dem Nichts quasi entstanden, und alle Vorräte mussten von außen herbeigeschafft werden. Und da war man als Schiffer, als Nauta, natürlich auf der richtigen Seite. Man konnte richtig ordentliche Geschäfte mit den Römern machen, und damit ist er wohl auch reich geworden und konnte sich dann einen solchen Grabstein leisten, beidseitig verziert, nochmal besser als die Grabsteine der Römer auf jeden Fall. Und er hat Lothringer Kalkstein verwendet, also einen teuren Import.“, so die Archäologin abschließend.
Behutsame Reinigung des Blussus-Steins
Die Restaurierung des Blussus-Steins hat die Firma Matthias Steyer aus Eppstein-Niederjosbach übernommen. Diplom Restaurator Matthias Steyer und sein Team hatten bereits die Restaurierung der Großen Mainzer Jupitersäule durchgeführt. Das Heikle bei der Reinigung dieses Grabsteins besteht unter anderem darin, nur den Schmutzfilm und nicht darunter liegende – für das menschliche Auge zwar nicht sichtbare aber für die Wissenschaftler wichtige – Farbpigmente mit zu beseitigen. Dafür setzt Diplom-Restaurator Matthias Steyer einen Hochleistungs-Laser, einen sogenannten Zeilenlaser mit einer Leistung von bis zu 1064 Nanometer. Hierbei sauste der Laserstrahl blitzschnell von links- nach rechts hin und her, so der Restaurator. Anhand verschiedener Parameter (Wattstärke von 1 bis 100, Pulsgeschwindigkeit, Breite des Strahls) ließe sich der Reinigungsgrad ganz sensibel ändern. „Es hängt natürlich auch davon ab, was man reinigt, welche Art Stein oder Untergründe, und da muss man die Parameter manchmal verändern, ob man mehr, einen schnelleren Impuls will, oder einen schnelleren Übergang. Damit kann man das genau steuern, was dann abgenommen wird.“, so Steyer. Er schätzt, dass er uns sein Team für die Reinigung dieses Steine eine Woche benötigten. Der Restaurator arbeitet mit einer Laser-Schutzbrille und der Arbeitsbereich ist aus Sicherheitsgründen abgehängt. Der verdampfte Schmutz wird direkt durch eine moderne Abzugsanlage mit Spezialfilter abgesaugt.
Ursprünglich war der Blussus-Stein farbig
Beim Restaurierungsprojekt mit dabei ist die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Klassische Archäologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Charleen Hack, die mit unterschiedlichen Techniken und einem Auflichtmikroskop mit bloßem Auge nicht mehr erkennbare Farbspuren an römischen Steinen auffindet. Tatsächlich soll der Blussus-Stein bei seiner Entdeckung vor 176 Jahren heute nicht mehr sichtbare Farbreste gezeigt haben, die nun wissenschaftlich untersucht werden, damit noch vor der Laser-Reinigung des Steindenkmals mögliche Auswirkungen des Lasers vorab getestet werden können.
Ohne die Freunde des Museums wäre die Restaurierung nicht möglich
„Der Blussus-Stein ist bis heute ein in der Fachwelt begehrtes Anschauungsobjekt und auch bei den Besucherinnen und Besuchern des Landesmuseums ein beliebter Anlaufpunkt. Wir freuen uns daher sehr, dass wir diesem wichtigen Monument durch unsere Förderung zu neuem Glanz verhelfen können,“ so die Vorsitzende des Vereins der Freunde des Landesmuseums Mainz, Elisabeth Kolz. Der Freundeverein, der nächstes Jahr sein 60-jähriges Jubiläum feiern wird, hat nicht nur die 2021 abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten an der Großen Mainzer Jupitersäule mit einem namhaften Beitrag unterstützt, sondern gerade in den letzten Jahren bedeutende Ankäufe für die Abteilung Kunstgeschichte ermöglicht. Diese Förderungen unterstützen die Arbeit im Museum auf vielfältige und äußerst wertvolle Weise.
Die Restaurierung findet noch bis zum 19. Juli 2024 bei laufendem Betrieb in der Steinhalle des Landesmuseums Mainz statt. Wir haben das bewusst als Schaurestaurierung für diese Woche vorgesehen, unterstreicht die Museumsdirektorin und freut sich, auf interessierte Besucher.
Mit zum Teil sensationellen Exponaten zeigt das sam – Stadtmuseum am Markt in Wiesbaden eine Sonderausstellung zu den keltischen und römischen Wurzeln im Rhein-Main-Gebiet .. Die Ausstellung ist eingebunden in das erste hessenweite Archäologie-Jahr. Gemeinsam mit acht weiteren Standorten wird der Öffentlichkeit die Welt der Kelten von 800 v. Chr. bis in das 1. Jahrhundert n. Chr. in einem ganz neuen Licht präsentiert.
„Für uns ist das eine ganz besondere Ausstellung, weil sie zum ersten Mal auch eine Ausstellung ist, die wir im großen Verbund mit anderen Archäologie-Museen begehen“, freut sich Museumsdirektorin Dr. Sabine Philipp, die eine Beteiligung an dem ersten Archäologie Jahr Hessen vor allem auch deswegen ganz toll findet, „weil wir über diese unglaubliche Sammlung Nassauer Altertümer verfügen“. Zudem habe es in der Tat noch nie zu den Kelten in Hessen eine Ausstellung gegeben, und, seit 2003 die Archäologie-Sammlung aus dem Hessischen Landesmuseum Hessen quasi verschwand und weggepackt wurde, habe es bald 20 Jahre lang in der Landeshauptstadt Wiesbaden keine Archäologie-Ausstellung mehr gegeben, am Sitz der Hessen-Archäologie im Landesamtes für Denkmalpflege. Also auch in dieser Hinsicht sei die Ausstellung im SAM nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für uns, für die Stadt Wiesbaden und HessenArchäologie natürlich etwas ganz Besonderes, so die SAM-Direktorin. „Die Wissenschaftliche Forschung weiß ja schon seit Langen, was sie für Schätze haben an diesen Sammlungen, aber die breite Öffentlichkeit eben nicht.“, so Dr. Philipp. Insofern hofften sie, dass die Sammlung eben auch im Verbund mit den vielen anderen großen archäologischen Museen (Frankfurt, Fulda, Gießen, Glauburg usw,) wieder mehr in den Blick der Öffentlichkeit gerate.
Eine besondere Herausforderung war, den Archäologischen Teil der quasi „eingemotteten“ Sammlung Nassauischer Altertümer auf Herz und Nieren hin zu prüfen, „welche Exponate für unsere Ausstellung besonders interessant sind“. Bei 240 000 Sammlungs-Teilen, davon zumeist wissenschaftlich noch unbearbeitete Funde von Archäologen, die bis 1902 gegraben haben, war das für Dr. Daniel Burger-Völlmecke, Kurator Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden, eine regelrechte Herkules-Aufgabe. Wochen hat er in Depots verbracht und in Kleinstarbeit recherchiert, bewertet und herausgefiltert. Dabei hat er auch Sensationelles entdeckt, etwa einen hochpolierten Schädel des in Hessen bis dato nicht nachweisbaren keltischen Schädelkultes. „Wir haben natürlich auch einige dieser Objekte verliehen. Sie können auch Teile der Sammlung in Glauberg oder auch Fulda besichtigen“, freut sich die SAM-Direktorin.
Im Spannungsfeld der Kulturen
„Im Grunde setzen wir dort an, wo das Keltenmuseum Glauberg aufhört“, so Kurator Dr. Daniel Burger beim Presse-Rundgang. Während die Keltenwelt am Glauberg einmal die komplette keltische Zeit abbilde, also die ältere Eisenzeit von 800 v. Chr. bis um Christi Geburt, betrachte das SAM, so Burger, die spätkeltische Zeit ungefähr von 200 v. Chr. bis ins 1 Jh n. Chr., insbesondere dabei auch, „wie die keltische Kultur im Römischen weiterleben durfte“.
Die keltische Zeit war vor allem geprägt von mächtigen Höhensiedlungen, wie auf dem Dünsberg bei Gießen in Mittelhessen, so Burger. Man habe auf Höhenrücken gewaltige Ringwallanlagen als große Zentralorte errichtet, die bereits weitreichende Verbindungen gehabt haben und Handel betrieben bis ins Mittelmeergebiet, bis nach Frankreich und nach Südosteuropa.
Obwohl es viele Vorurteile über Kelten gäbe, etwa sie „hätten lange Zottelhaare, ungepflegte Bärte, kämpften mit nacktem Oberkörpern usw.“ blieben Antworten, wer die Kelten eigentlich waren, eher diffus, so Burger. Deswegen sei andererseits das Thema Kelten auch so beliebt, „weil sie sehr mystisch daher kommen“. Ein Grund sei, dass die Kelten keine eigene Schriftkultur hatten, so dass alles Überlieferte, was wir von den Kelten wissen, durch die Brille Dritter, nämlich von griechischen und römischen Autoren stamme. In den ersten griechischen Quellen, etwa 500 v. Chr., wird ein Volk „Keltoi“ oder Galatai (Galater) beschrieben, dass jenseits der Alpen im Quellgebiet der Donau und im Hinterland der griechischen Kolonie „Massalia“, dem heutigen Marseille, siedelte. In der späteren lateinischen Hauptschriftquellen ist von „Galli“ oder „Celtae“ die Rede, etwa in den Beschreibungen der Kelten in Cäsars „Gallischen Krieg“. Dargestellt werden sie häufig mit den klassischen griechisch-römischen Vorurteilen gegenüber vermeintlich unterlegenen und primitiveren Kulturen. Zahlreiche Klischees haben sich bis heute gehalten: Asterix lässt grüßen!
Aus archäologischer Perspektive spricht man von keltischen Kulturen seit dem Aufkommen des neuen Werkstoffes Eisen um 800 v. Chr., der die Bronze als Hauptmetall ablöste und damit zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen führte. Benannt nach den bedeutenden Fundstellen Hallstatt in Österreich und Latène in der Schweiz, wird archäologisch in den älteren Abschnitt der Eisenzeit, in die sogenannte „Hallstattzeit“ (800 bis 450 v. Chr.) und in die jüngere Eisenzeit, in die Latènezeit (450 – 15 v Chr.), unterschieden. Dabei spricht man erst ab 500 v.Chr. von den Kelten, die mit der Latènezeit gleichgesetzt werden.
Charakterisiert wird die Latènezeit durch einen ganz bestimmten „sehr verspielten Kunststil mit Fabelwesen, mit Mischwesen und sehr, sehr viel Ornamentik“, so Burger. Diese Sachkultur ziehe sich von Irland bis Italien und von der Atlantikküste bis an das Schwarze Meer. Im Grunde weise ganz Mitteleuropa diesen latènzeitlichen Kunststil auf, so der Kurator. Die europäische Eisenzeit sei eine der spannendsten und facettenreichsten Epochen der europäischen Vor- und Frühgeschichte. Hessen liege mit den nördlichsten Keltensiedlungen bei Fulda und in der Rhön (Milseburg, Sünna, Hünfeld-Mackenzell) an der Peripherie dieses latènezeitlichen Stils, so Burger.
Die Kelten waren jedoch kein zusammenhängendes Volk. Sie stammten aus vielen, vielen verschiedenen Völkern, wie uns Cäsar überliefert hat. Und Cäsar hat, das prägt uns bis heute, in seinen Berichten vom Gallischen Krieg festgelegt: links des Rheins leben die Kelten, rechts des Rheins leben die Germanen. Dass das nicht so war, wusste Cäsar damals schon, so Burger. Von der Archäologie konnten wir nachvollziehen, dass sowohl rechts des Rheins auch Kelten lebten, Wir haben ja in Hessen keltische Funde. Und links des Rheins lebten genauso gut auch Germanen. Und der Rhein war keine starre Grenze gewesen.
„Cäsar brauchte aber aus propagandistischen Gründen, um seinen Militärfeldzug in Gallien zu rechtfertigen, ‚um die Stämme der Gallier und Kelten zu befrieden‘, wie er es genannt hat“, diese Legende, um zum Rhein vorzudringen zu können. „Das war seine Begründung, dass rechts des Rheins keine Kelten siedelten., erläutert Burger.
Kelten sahen sich selbst nicht als Kelten, sondern als Stammesmitglieder. Die Bezeichnung „Keltoi“ war stets die Zuschreibung Dritter auf diese in Stämmen organisierten angestammten Einwohner. Dennoch bildeten die keltischen Stämme in Sprache, Religion, Mythologie sowie Kunst und Kultur ein „Großgebilde“, eine Art mitteleuropäische latènezeitliche Völkerschaft, die aber in genetischer Hinsicht nicht unbedingt miteinander verwandt war. „Ob sie sich doch irgendwie als große Gemeinschaft identifiziert haben, wissen wir nicht genau“, so der Kurator.
Auf der Stufe zur Hochkultur
Wenngleich die Kelten in den klassischen griechisch-römischen Schriften oftmals mit abwertenden Vorurteilen dargestellt wurden, standen sie „ im Grunde auf der Stufe zur Hochkultur. Wir haben diese Zentralorte, diese sogenannten Opida, befestigte Höhensiedlungen. Wir haben ein sehr differenziertes Gesellschaftsbild. Wir haben weitreichende Handelsnetze, Aufbau des Straßensystems. Wir haben ein Münzwesen, das am Anfang stand. Im Grunde waren die Kelten wirklich auf der Stufe zur Hochkultur. Die Schriftkultur fehlte dafür. Vor allem wurde mündlich überliefert.“, so Burger.
Die frühesten keltischen Münzen wurden um 300 v. Chr. in Westfrankreich nach Heimkehr keltischer Söldner aus dem Mittelmeerraum als Duplikate von griechischen Herrschern wie Philipp II. von Makedonien (359 – 336 v.Chr.) oder Alexander dem Großen (356 – 323 v. Chr.) geprägt. Im Laufe der Zeit verfremdeten sie die Bildmotive bis zur Unkenntlichkeit im typischen keltischen Kunststil, wodurch eine eigene Formensprache entstand. Auch die Prägetechnik hatten die rückkehrenden Söldner aus dem Mittelmeerraum mit impoertiert.
Die Braubacher Keramik
Ein Highlight der Keltenausstellung im SAM Wiesbaden bilden die gezeigten Fundstücke aus frühkeltischen Brand- und Körper-Gräbern von Brauchbach (15 km südlich von Koblenz), darunter die Brauchbacher Schale, nach der eine ganze Keramikgattung benannt wurde. Die im SAM ausgestellten Grab-Beigaben stammen größtenteils aus dem Männergrab Nr. 22, das zu den bedeutendsten der Braubacher Gräber gehört und zwischen 260 und 190 v. Chr. datiert wird.
Sensationeller Fund zum keltischen Schädelkult in Hessen
Aus der antiken Literatur und aufgrund archäologischer Funde in Frankreich ist bekannt, dass die Kelten „einen“ Schädelkult hatten. „Die Kelten haben einmal einen Ahnenkult betrieben, und die Schädel ihrer Ahnen, entsprechend hergerichtet und präpariert, präsentiert. Aber andererseits haben sie auch, was brutal war, ihre Feinde öffentlich ausgestellt in Form einer Schädeltrophäe. Die Römer berichten ganz empört darüber“, so Burger. Dem Kurator gelang, wie gesagt, im Zuge der Ausstellungsvorbereitung beim unermüdlichen Sichten der unzähligen archäologischen Fundstücke der Sammlung Nassauer Altertümer ein Sensationsfund. Denn „in Hessen war der Schädelkult bisher nicht bekannt gewesen“, erläutert der Kurator: „Man hat es vermutet, man hatte aber keinen Nachweis dafür. Aber wir haben im Zug der Ausstellungsvorbereitung in einer Alten Kiste von Grabungen von 1902 diesen Schädel gefunden, so wie er damals verpackt wurde. Der ist hochpoliert, und die hintere Schädelkalotte wurde entlang der Kranznaht senkrecht entfernt. Wir können den Schädel, so wie er ist, in eine Nische hineinstellen oder sogar vielleicht als Schädelmaske tragen“.
Ein zweiter, 2008 bei Einhausen nahe Darmstadt gefundener Schädel kann als Foto oder vom 17. Juli bis 13. Nov. 2022 im Original als Teil der Kelten-Land-Hessen-Ausstellung im Museum Bensheim betrachtet werden kann. Da dieser Schädel auf einen Pfosten geschlagen war, wird vermutet, dass er als Trophäe eines getöteten Feindes zur Schau gestellt wurde.
Im Spannungsfeld der Kulturen
Der Schwerpunkt der SAM-Keltenausstellung zielt auf das Spannungsfeld der hierzulande aufeinandertreffenden Kulturen, nämlich, welche tiefgreifenden Veränderungen es für die keltischen Stämme bedeutete, als Rom aus dem Süden seinen Machtbereich stetig weiter ausdehnte und unter Julius Caesar erstmals das Gebiet des heutigen Hessens betrat, während aus dem Norden germanische Siedler einwanderten. Damit wurde ein Prozess von kulturellen Veränderungen angestoßen, der bis in das 1. Jahrhundert n. Chr. andauerte. Das Ergebnis war eine römisch-germanisch geprägte Welt mit keltischen Wurzeln.
Mit der Rheinüberquerung Caesars setzten römische Truppen erstmals 55 v. Chr. ihren Fuß auf hessischen Boden. Zwischen 12 u 9 v. Chr. gründete der römische Feldherr Drusus das „Castellum Mattiacorum“ im heutigen Mainz-Kastell und um 4 v.Chr. bei Waldgirmes (Lanau bei Wetzlar) die allererste römische Siedlung rechts des Rheins im heutigen Hessen. Diese wurde jedoch nach der verlorenen Varusschlacht gegen 16 n. Chr. wieder aufgegeben. Unter anderem wurde 2009 auf einem Acker der Pferdekopf des ehemaligen, beim Rückzug in einen Brunnen versenkten, Reiterstandbildes Kaiser Augustus entdeckt. Nach einer aufwändigen Restaurierung kann dieser seit 2018 in der Saalburg besichtigt werden.
Zahlreiche Fragmente germanischer Keramik sowie Häuser in einheimischer Bautechnik belegen das Zusammenlegen von Römern und Germanen in der Siedlung.
Man nimmt an, dass einige, mit den Römern kooperierende germanische Stämme, die etwa ab 17/20 n. Chr. bis ins Rhein-Main-Gebiet hinein siedelten, unter Aufsicht der römischen Verwaltung und vermutlich mit vertraglichen Vereinbarungen dort Schutzfunktionen des südmainischen Raums übernahmen. Sie dürften als römische Verbündete damit Teil der Vorfeldsicherung gegen feindliche Germanenstämme östlich dieser „Pufferzone“ gewesen sein. Der Bau des Limes als befestigte Grenzwall-Anlage begann erst Anfang/ Mitte des 2. Jh.
Wiesbaden älteste Stadt Hessens
In Wiesbaden finden sich die frühesten römischen Spuren einer Siedlung bzw. einer Befestigungsanlage um 6 und 15 n.Chr. auf dem sogenannten Heidenberg sowie im Umfeld des Mauritiusplatzes. Wegen des guten Ausblicks vermutet man auf dem etwa 50 Meter über der Innenstadt ragenden Heidenberg ein römisches Militärlager. Ende des 1. Jahrhunderts wurde an gleicher Stelle dann ein 2 Hektar großes Stein-Kastell errichtet. Zivile Siedlungen gab es zudem um den Mauritiusplatz herum. Um 1900 fanden sich davon Spuren in Form von hölzernen Plattformen, die auf Eichenpfosten im morastigen Quellwasser-Untergrund als Unterkonstruktion für die Bebauung errichtet waren. Zudem nutzten die Römer Wiesbadens zahlreiche warmen und heißen Quellen zur Entspannung und als Heilquellen.
Der Grabstein des Caius Valerius Crispus
Eines der bekanntesten Steindenkmäler aus dem römischen Deutschland, der Grabstein des Caius Valerius Crispus (Standstein, 80/90 n. Chr., Wiesbaden Kranzplatz) wird in einer eins-zu-eins Großaufnahme als Fotodruck gezeigt. Der berühmte Grabstein diente selbst Hollywood schon als Vorlage in Monumentalfilmen wie z.B. dem Gladiator (2000).
Wiesbadens keltische Wurzeln
Die wenigsten aber wüssten aber, so Burger, dass Wiesbaden eigentlich eine keltische Vergangenheit hat. Die Geschichte beginnt nicht mit den Römern, sondern eigentlich mit den Kelten. „Wir greifen die keltische Kultur über die Gräber in Wiesbaden“, so der Kurator. So gab es ausgedehnte Gräberfelder entlang der Rheinstraße und am Adenauer-Ring sowie im Bereich der Dotzheimer Straße. Zu den gezeigten Fund-Highlights gehören unter anderem ein Gürtelhaken in Entenkopfform (Bronze 450 bis 260 v.Chr., heutige Waldstraße), Fibeln (Bronze 3.-2.Jh v. Chr. Gräberfeld Konrad-Adenauer-Ring), Verschlussknopf eines Halsrings (Bronze 450 – 260 v. Chr. Dotzheimer Straße) u. weitere Funde aus-Wiesbaden-Erbenheim, Wiesbaden-Breckenheim-usw.
Die ältesten Bestattungen gehen bis in das 2.Jh v. Chr. zurück. Ein beeindruckender Armring aus Glas stammt aus einer dieser nachweisbaren frühesten Bestattungen. Er wurde aus einem Stück hergestellt. Er imitiert mit gelber Farbe so auf der Innenseite eine Goldwirkung. Diese vielfältigen Befunde keltischen Ursprungs machen Wiesbaden zur ältesten Stadt Hessens.
Germanische Fundstücke, etwa eine typische Germanische Fibel, Gewandschnallen, die einer heutigen Brosche gleichkommen, zeugen auch von germanischen Leben in Wiesbaden, sei es, dass sie direkt hier oder in der Umgebung siedelten und/oder lediglich mit den Römern Handel getrieben haben, oder ähnlich wie die keltischstämmige ins römische Reich integrierte Bevölkerung teilweise auch in römischen Diensten standen.
Als Göttervater Jupiter keltisch interpretiert wurde
Eine kulturelle Vermischung gab es bei soviel Nähe zueinander beinahe zwangsläufig. Sie war eine logische Folge und ist besonders eindrucksvoll nachzuvollziehen auch am Wandel von religiösen Bräuchen. „Rom hatte bekanntermaßen eine sehr liberale Religionsauffassung, solange sich der römische Staat von einer Religionsgruppe nicht bedroht sah. Rom war es völlig egal, welchen Gott Menschen verehrt haben, so dass es zu einer Religionsverschmelzung kam“, erörtert Burger. Dabei wurden Römische Götter mit einheimischen verknüpft, die Namen mitunter gedoppelt oder zu gallorömischen Göttern (wie z.B. Arvernus oder Arvernorix). Der hier gezeigte Jupiter, so Burger, sei ein Paradebeispiel für diese Verschmelzung gewesen. Dem keltischen Baumkult angelehnt, signalisere die Säule den Baum, und oben reitet Jupiter. „Jupiter im Kampf mit den Giganten, kennen wir aus der griechischen Mythologie. Ein Römer würde einen Jupiter, einen Göttervater, nie auf einem Pferd darstellen, das ist typisch keltisch“, erläutert Burger. Denn in der römischen Ikonographie wird Jupiter immer auf alten Thronen sitzend gezeigt. „Da haben wir im Grunde diese Verschmelzung“, so Burger, wobei das Schöne ist, dass „wir diese Statue aus Wiesbaden-Schierstein auf den Tag genau datieren können“
Diese und viele weitere interessante Entdeckungen bietet die noch bis zum 31.Juli 2022 gehende Ausstellung im SAM „Keltenland Hessen – Im Spannungsfeld der Kulturen“.
(Dokumentation Diether v. Goddenthow)
Ort:
sam – Stadtmuseum am Markt
Marktplatz
65183 Wiesbaden
Kontakt | Information | Anmeldung
(0611) 44 75 00 60 info@stadtmuseum-wiesbaden.de www.stadtmuseum-wiesbaden.de
Bitte beachten Sie auch
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Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 11–17:00
Donnerstag 11–20:00
Eintritt
6 € | 4 €*
Kombiticket
10 € | 6 €*
Das Kombiticket berechtigt zum Besuch der Ausstellung
»Vorhang auf! 125 Jahre Internationale Maifestspiele«
in den Kurhauskolonaden vom 1.5.–3.7.2022
Weitere Informationen
In der kostenlosen Begleit-Broschüre befinden sich nicht nur wichtige Infos zu allen hessenweit 9 Kelten-Sonderausstellungen. Zudem werden Ausflugs- und Wandervorschläge für die ganze Familie gemacht. Und als kleines Highlight ist am Cover eine Stempelkarte angehängt. Nach wenigstens drei Stempeln der Museen besuchter Keltenausstellungen gibt es als „Trophäe“ ein Replikat einer Keltischen Münze.
2022 findet das erste große Archäologie-Jahr in Hessen statt. Für das Projekt „KELTEN LAND HESSEN – Archäologische Spuren im Herzen Europas“ arbeiten Museen, Landesarchäologie, Stadt- und Kreisarchäologie, Forschungseinrichtungen und Vereine zusammen, um das reiche kulturelle Erbe der Kelten in Hessen sichtbar zu machen. Am 4. August 2021, ein halbes Jahr vor dem Start, informierten in Bad Nauheim Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn und die Beteiligten die Öffentlichkeit über das einzigartige landesweite Keltenprojekt vom 10. März bis 31.12.2022.
Zudem berichteten Projektpartner an zahlreichen Infotischen über ihre Themen und zeigten eine Auswahl an originalen Fundobjekten. Die Archäologische Restaurierungswerkstatt des Landesamt für Denkmalpflege zeigte Beispiele aus ihrer laufenden Restaurierungsarbeit keltischer Fundstücke für die geplanten Ausstellungen.
Begrüßung
Dr. Vera Rupp, Direktorin der Keltenwelt Glauberg, begrüßte gemeinsam mit Peter Krank, Erster Stadtrat und Kulturdezernent der Stadt Bad Nauheim, die Beteiligten des Keltenjahres und zahlreiche Gäste. Dabei machte die maßgebliche Initiatorin des Keltenprojektes einmal mehr deutlich, dass sämtliche Veranstaltungen im kommenden Jahr unter das Label „Keltenland Hessen – archäologische Spuren im Herzen Europas“ gestellt wurden, um ganz gezielt den Blick auf die bewegte Zeit zwischen 800 vor Christus und den Beginn der Römerzeit am Ende des ersten Jahrhunderts vor Christus zu lenken. Bereits vor drei Jahren beschlossen auf Anregung der Keltenwelt Glauberg hessische Museen, Vereine, Institutionen und zahlreiche ehrenamtlich in der Archäologie Tätige das gemeinsame Kelten-Projekt. Coronabedingt wurde das Keltenjahr dann jedoch um ein Jahr verschoben. Doch die Motivation habe darunter keinesfalls gelitten, im Gegenteil: Die Museumsleute brennen darauf, nach Zeiten des Lockdowns endlich wieder Besucher begrüßen zu dürfen und freuen sich auf das Keltenjahr 2022. Zahlreiche Aktionen seien geplant, darunter Exkursionen, Ausstellungen, Vorträge und Mitmachaktionen für jeden Geschmack und Alter.
Zu den wichtigsten Projekt-Partnern, so die Keltenwelt-Direktorin, gehören neben den Museen die „Archäologische Gesellschaft in Hessen“ mit sehr vielen Mitgliedern sowie die Wetterauer Archäologische Gesellschaft Glauberg mit ihrem „Keltenmobil“. Das Keltenmobil werde auch im kommenden Jahr mit von der Partie sein, „und mit ihrem bewährten Vermittlungsprogramm Schulen besuchen“. Das Keltenmobil der Wetterauer Archäologischen Gesellschaft sei das einzige Projekt dieser Art in Hessen, „das mobil ist, und in die Schulen fährt, und dort eben Archäologie und Geschichte vermittelt und ein wenig Werbung für Besuche in Museen und Kultureinrichtungen mache“, so Dr. Vera Rupp.
Das Wiesbadener Stadtmuseum (SAM) wird von Anfang März bis Mitte August 2022 mit der Sonderausstellung „Hessen im Spannungsfeld der Kulturen“ an die keltischen Wurzeln Wiesbadens in römisch-germanischer Zeit erinnern. Das SAM wird zeigen, wie das Aufeinandertreffen von keltisch, germanisch und römisch geprägten Bevölkerungsteilen in der latènezeitlich geprägten Welt um 50 v. Chr. ein Prozess angestoßen wurde, aus dem neue kulturelle Formen und Traditionen entstanden, so Dr. Daniel Burger-Völlmecke, Kurator Sammlung Nassauischer Altertümer, Sammlungsbereich Archäologie.
Bad Nauheimer Kelten betrieben größte vorindustrielle Saline Europas
Wenig bekannt sei auch, dass Bad Nauheim nicht nur Jugendstil- und Sprudel-Bad, sondern auch Keltenstadt sei, weswegen er stolz sei, dass die Kick-off-Veranstaltung des Keltenjahres in Bad Nauheim stattfände, so Kulturdezernent Peter Krank bei seiner Begrüßung. Neben einem Rundweg auf den Spuren der Kelten in Bad Nauheim mit Infotafeln, gibt es einen Keltenpavillon am Gradierwerk I mit einem rekonstruiertem keltischen Siedeofen, Text- und Infotafeln sowie einen Film zum Thema „Keltische Saline“. Im dritten und zweiten Jahrhundert vor Christus haben die Kelten am Ufer der Usa auf der Länge von mehr als einem Kilometer die größte zeitgenössische Saline Europas betrieben. Obgleich die Kelten keine schriftlichen Zeugnisse hinterließen, sei ihr Tun durch archäologische Funde ausreichend belegt: Man fand beispielsweise flache gepflasterte Becken, in denen schwach salzhaltige Sole durch Verdunstung konzentrierte wurde, um den Siedeprozess zu verkürzen. Auch belegten tonnenweise Scherben von nach dem Sieden zerschlagenen Tongefäßen den Umfang der keltischen Salzgewinnung.
Europaweite Vernetzung frühkeltischer und mediterraner Kulturen
Kunst- und Wissenschaftsministerin Angela Dorn unterstrich in ihrem Grußwort mit Blick auf Bad Nauheim nochmals die Bedeutung der keltischen Salzgewinnung in Bad Nauheim. „Die Kelten geben der Wissenschaft bis heute Rätsel auf, da sie keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben. Wir wissen aber – unter anderem aus den Funden auf dem Glauberg –, dass schon die frühkeltischen Kulturen in Europa untereinander und mit den mediterranen Kulturen vernetzt waren“, erklärt Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn. „Die Archäologinnen und Archäologen haben die faszinierende, aber auch oft kleinteilige und zeitintensive Aufgabe, die Vergangenheit anhand der Ausgrabungsergebnisse zu rekonstruieren. Viele Thesen werden im Verlaufe der Forschungen aufgestellt und verworfen, neue Funde können ein ganz anderes Bild ergeben: So ist Wissenschaft. Möglichst viele Menschen in diese Arbeit mit hineinzunehmen, das macht für mich den ganz besonderen Reiz dieses Archäologie- Jahres aus. Es ist eine einmalige Gelegenheit, die reiche Fund- und Forschungslandschaft Hessens für Klein und Groß erlebbar zu machen und vermeintlich Bekanntes aus einer neuen Perspektive zu entdecken.“
Erstmals ein archäologisches Thema hessenweit im Fokus
Prof. Dr. Udo Recker, Landesarchäologe von Hessen unterstrich: Mit dem Projekt „Keltenland Hessen – Archäologische Spuren im Herzen Europas“ finden zahlreiche wissenschaftliche Vorhaben in gewisser Weise ein Ende. Gleichzeitig weise das Projekt aber auch in die Zukunft. „Dass wir wissenschaftliche Ergebnisse in Museen präsentieren ist jetzt nichts Außergewöhnliches. Das ist der klassische Auftrag eines Museums, das zu tun und die breite Öffentlichkeit zu informieren. Dass wir das fokussiert auf das Thema Kelten tun, und dass wir das in dieser Breite tun, und dass wir uns praktisch im ganzen Land mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten dem Thema nähern, das ist neu. Das ist das erste Mal der Fall. Und das ist, glaube ich auch, ganz gut gelungen, und das ist ganz toll“, weil es auch die Bedeutung und das Interesse aller an einem solchen Projekt einmal mehr unterstreiche, so der Landesarchäologe in seinem Grußwort.
Kelten seien die Menschen der Eisenzeit
In seiner Einführung ins „Keltenjahr“ machte Dr. Frank Verse, Direktor des Vonderau Museums Fulda, deutlich, dass es sich bei den Kelten nicht um eine eingewanderte Bevölkerungsgruppe handele: „Mit den Kelten wird die Bevölkerung der Eisenzeit, also die Bevölkerung des 8. bis 1. Jahrhunderts vor Christus, in Verbindung gebracht. Eisen bzw. Eisenerz, komme in der Natur deutlich häufiger vor als Kupfer und Zinn, den Metallen, aus denen Bronze legiert werde. „Dadurch ließ sich Eisen für die damalige Bevölkerung wesentlich leichter und in erheblich größeren Umfang beschaffen, was natürlich auch unmittelbare Auswirkungen auf die Herstellung von Waffen oder eisernen Geräte, und damit letztlich auch auf die Entwicklung der Kultur der Eisenzeit gehabt habe, so Dr. Frank Verse. Die Bedeutung dieses technologischen Wandels in der Eisenzeit für die Kulturentwicklung machte der Museumsdirektor an einem Beispiel deutlich:
„Noch in der Bronzezeit wurde mit hölzernen Pflügen der Boden bestellt. Und erst in der Eisenzeit kommt der metallene Pflug, die eiserne Pflugschar dazu. Der eiserne Pflug, bzw. der Pflug mit eiserner Schar, ist natürlich deutlich stabiler gewesen, so dass sie wesentlich größere Flächen pro Tag annehmen konnten, und gleichzeitig auch schlechtere Böden bearbeitet werden konnten. Dies führte wiederum zu einer Steigerung des Ertrags und bildete die Grundlage für die Bildung größerer Ansiedlungen. Diese größeren Ansiedlungen mit Menschenansammlungen führten natürlich wiederum dazu, dass mehr Eisen benötigt wurde, und auch mehr Salz zur Konservierung von Lebensmitteln, um auf diese Weise eine Ernährungssicherheit herzustellen. Dies wiederum führte zur Herausbildung früher Wirtschaftszentren wie hier etwa in Bad Nauheim zur Salzgewinnung oder im Bereich des Lahn-Tals zur Eisenproduktion“, erläuterte der Dr. Frank Verse.
Anhand dieses Beispiels ließe sich doch auch der Keltenbegriff grob erklären, nämlich „dass wir es bei den Kelten nicht mit einer neu eingewanderten Personengruppe zu tun haben, sondern, dass wir es mit einem materiellen und kulturellen Wandel zu tun haben, der im Wesentlichen durch die Eisentechnologie angestoßen wurde“, so Dr. Frank Verse . Dabei gäbe es innerhalb Hessens – mit einem erheblichen Nord-Südgefälle behaftet – deutliche regionale Unterschiede.
Wandel zur Eisenzeit vergleichbar mit digitalem Wandel
Man habe es zu Beginn der Eisenzeit mit derselben Menschengruppe zu tun, wie am Ende der Bronzezeit, so der Museumsdirektor. Das belegten auch die Gräberfelder, die einfach am Übergang dieser Zeit Grenzen durchlaufen. Das mache aber die Beschäftigung mit der Eisenzeit umso spannender, „weil es auch deutliche Parallelen zu unserer Gesellschaft der Gegenwart gibt. Wir selber leben am Anfang des digitalen Zeitalters, und erleben bereits jetzt wie sehr diese neue Technik unser Lebens- und Arbeitsumfeld bereits nach wenigen Jahrzehnten umgeändert hat. Auch unsere Kultur befindet sich – ähnlich wie die in der eisenzeitlichen Bevölkerung – in einem starken Umbruch“, so Dr. Frank Verse.
Es ist aber auch kein Zufall, dass sich die Forschung immer wieder mit der Eisenzeit und damit mit den Kelten beschäftigt hat. Das Land Hessen ist dabei besonders gut aufgestellt, da es mit der Keltenwelt am Glauberg sowohl über ein eigenes Spezialmuseum verfügt, also auch mit dem Forschungszentrum eine entsprechende Forschungseinrichtung zu dieser Zeit besitzt. Und es wurde schon erwähnt: Es ist auch tatsächlich das einzige im Bereich der Denkmalpflege mit diesem ausschließlichen Forschungsauftrag, was für die Entwicklung sehr wichtig ist.
Neben dem Glauberg mit der berühmten Statue eines Keltenfürsten sind der Dünsberg bei Wetzlar, der Altkönig und das Heidetränk-Oppidum im Taunus oder die Milseburg in der Rhön weitere bedeutende Zeugen keltischer Kultur in Hessen.
(Diether v. Goddenthow)
Informationen Das Archäologie-Jahr umfasst Sonderausstellungen, Führungen, Mitmach-Aktionen und Vorträge vielerorts in Hessen. Der Veranstaltungskalender wird digital auf www.keltenland-hessen.de, Instagram und Facebook sowie gedruckt u.a. bei den Projektpartnerinnen und -partnern vor Ort zur Verfügung gestellt. Zudem wird es ein Begleitbuch zum Keltenjahr 2022 geben.
Wiesbaden. Vielen Familien fällt in der Corona-Krise die sprichwörtliche Decke auf den Kopf, weil Sport, Kino und viele andere Freizeitbeschäftigungen derzeit wegfallen. Was also tun, wenn nach dem Home Schooling die Langeweile dräut? Alternativen zu Fernsehen, Computerspielen und TikTok-Gealber bieten die hessischen Landesmuseen, Schlösser und Gärten an – vom virtuellen Besuch per 360-Grad-Aufnahme über Mitmachaktionen bis zur kuratierten Führung per YouTube. Und viele der Parks und Gärten kann man auch noch ganz in echt besuchen.
„Digitale Formate können vielen Menschen gerade jetzt in der Pandemie den Zugang zu Kulturgütern erleichtern oder neu eröffnen, weil sie unabhängig von Zeit und Raum zugänglich sind. Zugleich helfen neue Formate, Zusammenhänge zu erklären – das ist ein wichtiger Schwerpunkt unserer Strategie für eine Digitalisierung mit Sinn und Verstand im Kulturbereich“, erklärt Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn. Hessen hat zur Unterstützung der Digitalisierung in den Museen, denkmalgeschützten Gebäuden und Gärten sowie den Archiven des Landes 2020 zehn neue unbefristete Stellen eingerichtet und drei Millionen Euro für die Digitalisierung dieser Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Weitere Stellen und Mittel sind für 2021 geplant.
„Unsere Bündelungsfunktion bei der Digitalisierung zeigt sich auch im Kulturbereich. Aufgrund des fortschreitenden digitalen Wandels erwarten die Bürgerinnen und Bürger aber auch unabhängig von der aktuellen Situation entsprechende digital gestützte Angebote der Kultureinrichtungen und deren kontinuierlichen Ausbau. Ich freue mich sehr, dass es dank der geschaffenen Stellen gelingt, die Kultureinrichtungen dabei zu unterstützen, auch zukünftig ihre Angebote fortzuführen und ausbauen zu können“, betonte Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus.
Das Hessische Landesmuseum Darmstadt,
gerade 200 Jahre altgeworden, zeigt in der Videoserie „Museum A bis Z“ kurze Clips zu jedem Buchstaben des Alphabets mit spannenden Fakten von A wie Architektur über I wie Insekten bis Z wie Zeitalter. Zur Ausstellung über den Künstler Tomás Saraceno gibt es ein virtuelles Rahmenprogramm, unter anderem mit der Filmreihe „Tomás Saraceno im Gespräch mit…“. Und alle zwei Monate lädt das Museum zum Plausch auf dem Grünen Sofa ein: ein Podcast mit Museumsdirektor Dr. Martin Faass, Künstlerinnen und Künstlern und vielen Expertinnen und Experten. hlmd.de/vermittlung
Die Museumslandschaft Hessen Kassel (mhk) bündelt im digitalen Kulturlieferdienst „Kultur & Co“ viele Reisewege durch die Kunstgeschichte über Social-Media-Kanäle und Website der mhk. So lädt die mhk in der weltweiten Mitmach-Aktion #tussenkunstenquarantaine dazu ein, Kasseler Kunstwerke zuhause nachzustellen. 360-Grad-Aufnahmen beamen Userinnen und User vor Schloss Wilhelmshöhe oder die Orangerie, und sie können durch eine 3D-Rekonstruktion des Marmorbades wandeln. Die Augmented-Reality-App bringt umgekehrt den Apoll aus der Antikensammlung ins heimische Wohnzimmer. Die Parks der MHK laden zu abenteuerlichen Spaziergängen ein. Dafür gibt es Entdecker-Karten und Rallyes mit spannenden Aufgaben, Spielen und Infos gerade für Familien – mit Abstand zu anderen Parkbesuchern, versteht sich. museum-kassel.de
Auch die Staatlichen Schlösser und Gärten bieten interaktive Rallyes an, so genannte „Bounds“. Im Prinz-Georg-Garten Darmstadt etwa zu den Themen „Geometrie im Garten“, „Mein Essen wächst im Supermarkt“ und „Blüte, Biene, Birne!“ Dass Schülerinnen und Schüler hier ihre Geometriekenntnisse trainieren, ihr Wissen zur Bestäubung von Pflanzen vertiefen oder sich mit der Frage beschäftigen, wo unser Essen herkommt, merken sie bei all dem Spaß gar nicht. Ende Februar kommt ein Bound zu Bienen und Blüten im Konventgarten des Klosters Seligenstadt hinzu. All das funktioniert per Smartphone oder Tablet über die kostenfreie App Actionbound. schloesser-hessen.de/darmstadt/actionbound-ralleys.html
Das Museum Wiesbaden lädt dazu ein, passend zur ab März
geplanten naturhistorischen Ausstellung „Kristalle – Von Diamant bis Gips“ Fotos von Höhlen einzusenden, die zuhause aus Kissen und Decken, Stühlen, Tischen und Kartons entstehen. Auch Alexej von Jawlenskys berühmtes Gemälde „Dame mit Fächer“ regt zum Nachbau an, ob aus Gemüse, Tüchern, Papierschnipseln oder in Verkleidung aus der Karnevalskiste (museum-wiesbaden.de/familien). Ernsthafter ist die Online-Kuratorenführung durch die Winterausstellung „August Macke – Paradies! Paradies?“ mit Kurator Dr. Roman Zieglgänsberger am 4. Februar per YouTube. Zuschauerinnen und Zuschauer können im Chat Fragen stellen. museum-wiesbaden.de/macke
Das Landesamt für Denkmalpflege Hessen gehört zur Vereinigung der Landesdenkmalpfleger (VDL), die eine umfangreiche Website für Kinder und Jugendliche erarbeitet hat. Die crossmediale Ausstellung denkmal-europa.de ermöglicht es allen, spielerisch im eigenen Tempo das baukulturelle Erbe zu erforschen. Im Hintergrund steht die Frage: Was hat das alles mit mir zu tun? Die zum Weltkindertag im September 2020 präsentierte Seite hat den Europa Nostra Award und den Grimme Online Preis erhalten. Als analoge Ergänzung gibt es ein Workbook zum Selbermachen und Weiterlesen, auch im Klassensatz. www.denkmal-europa.de
Die Keltenwelt am Glauberg präsentiert schon seit Dezember 2020 unter dem Navigator „Keltenwelt-digital“ einen Teil ihrer Objekte in 3D. Langfristig sollen hier neben den Funden vom Glauberg auch Fundstücke aus ganz Hessen zu sehen und zu betrachten sein – das ist für die Forschung interessant, lädt aber auch einfach zum Stöbern und Staunen ein. keltenwelt-glauberg.de/
Auch das Römerkastell Saalburg zeigt seine Sammlung digital auf der Website. In 3D-Modellen, hochauflösenden Fotos und Videos wird die Welt der Römerinnen und Römer lebendig – für Asterix-Fans hochinteressant.www.saalburgmuseum.de
Bild: Experimentelle Anfertigung einer Steinsäule auf einer nach antikem Vorbild rekonstruierten römischen Stein-Drechselbank.
„Bewahren – präsentieren – erforschen
Das Archäologische Museum Frankfurt präsentiert, bewahrt und erforscht die Archäologie und Geschichte der Stadt Frankfurt und seines Umlandes – vom Neolithikum bis zur frühen Neuzeit.
Die bedeutenden regional- und stadtgeschichtlichen Funde stammen aus umfangreichen archäologischen Ausgrabungen. Hierzu zählen unter anderem die großen Flächengrabungen in der römischen Stadt NIDA (Frankfurt-Heddernheim), der Frankfurter Altstadt und im ehemaligen jüdischen Ghetto am Börneplatz.