Kategorie-Archiv: Bundespräsidialamt

„Kollegen reiht euch ein, wir wollen freie Menschen sein“ – Politiker und Medien gedenken an die blutige Niederschlagung des Volksaufstands in der DDR von 1953

Am 17. Juni 1953 protestiert das Volk gegen Arbeitsnormen und das Regime der DDR. © Foto Haus der deutschen Geschichte, Bonn.
Am 17. Juni 1953 protestiert das Volk gegen Arbeitsnormen und das Regime der DDR. © Foto Haus der deutschen Geschichte, Bonn.

Man stelle sich einmal vor, welches Elend Millionen Menschen im DDR-Unrechtsstaat erspart geblieben wäre, hätten die russischen Besatzer den antistalinistischen Volksaufstand am 17. Juni 1953 nicht mit Panzern blutig niedergewalzt!
Hätte der Freiheitswille der Arbeiter und des daraus erfolgten breiten Volksaufstandes   1953 in der DDR  gesiegt, wäre es erst gar nicht gekommen zur jahrelangen SED-Herrschaft mit Stasi-Überwachungssystem, Folterknast für Andersdenkende / politische Gefangene,  zu Berufsverboten, (Bauern-)Enteignung, Einheits-Presse, Mauerbau, zu Grenzschließungen, Schießbefehl, Kinderumerziehung,  Mangelwirtschaft und  Verfall von Infrastruktur und ganzer Städte (Leipzig, Görlitz, Halberstadt usw.).  Vor allem aber: Es hätte keine SED-Opfer gegeben, die, wie es aus dem Bericht der SED-Opfer-Beauftragten Evelyn Zupke hervorgeht, zum Teil bis heute noch vergeblich auf  Rehabilisierung, Anerkennung als SED-Opfer und  Entschädigung warten. Zudem ist eine Gedenkstätte an die SED-Opfer des 17. Junis 1953 längst überfällig, angesichts der Tatsache, dass viele  Millionen Menschen unter dem DDR-Faschismus litten, die meisten eher unauffällig, von der Stasi bespitzelt, eben in einem totalitär angelegten Überwachungsstaat.   

Frank Walter Steinmaier sagte heute bei einer Gedenkveranstaltung in Berlin unter Bezug auf das einzige noch als Original-Zeugnis des DDR-Volksaufstandes von 1953 erhaltene Tondokument der Belegschaft des Elmowerks Wernigerode, dass die protestierenden Arbeiter nichts anderes als  „Freie und geheime Wahlen in ganz Deutschland“ wollten.
Ihre Parole lautete „Kollegen, reiht euch ein, wir wollen freie Menschen sein“ (ZDF Momente der Zeitgeschichte). Seit seiner Gründung 1949 baute der ostdeutsche Staat den Sozialismus auf. Die Bürger sollten der kommunistischen Ideologie folgen. Auch wirtschaftlich wollte das System Überlegenheit demonstrieren – doch die Ziele waren zu hoch gesteckt. Denn während die kommunistische DDR mit ihrer Planwirtschaft und Enteignung von Betrieben und Landwirten immer tiefer in die Krise rutschte, begann der freie Westen unter Ludwig Erhards System der freien sozialen Marktwirtschaft zusehends zu einem  Wirtschaftswunderland aufzublühen.

Aufgestanden für Freiheit und Selbstbestimmung gegen Planwirtschaft und Diktatur

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier Archivbild Paulskirchenfest. © Foto Diether von Goddenthow
Bundespräsident Frank Walter Steinmeier Archivbild Paulskirchenfest. © Foto Diether von Goddenthow

Das Tondokument aus dem Elmowerk, so Steinmeier, sei ein einzigartiges Zeugnis des Volksaufstandes in der DDR. „Es zieht uns mitten hinein in die Ereignisse jener Tage, Wir hören und spüren, was die Menschen überall in der DDR in den Streik und auf die Straße trieb: der Zorn über Unrecht, Unterdrückung und Gewalt. Die Sehnsucht nach Freiheit und Einheit. Die Hoffnung auf eine bessere, eine selbstbestimmte Zukunft.
Hunderttausende hatten im Juni 1953 den Mut, der SED-Diktatur die Stirn zu bieten. Sie riskierten ihr Leben. Die Mitarbeiter des Elmowerks erfuhren noch während ihrer Versammlung, dass der sowjetische Militärkommandant den Ausnahmezustand über Wernigerode verhängt hatte. Und als sie den Saal verließen, war ihr Werk von bewaffneten Soldaten umstellt.
Die Mitglieder der Streikleitung wurden festgenommen, abtransportiert, ins Zuchthaus nach Magdeburg gebracht: Karl Wernicke, Heinz Jäschke, Martin Buth, Ursula Sophie Herynk, Heinz Bormann, Heinz Lüdecke, Karl Brämer, Kurt Köhler und Georg Herrmann. Manche von ihnen wurden allein in dunklen Kellern eingekerkert, mussten in ihrer Zelle im Wasser stehen, litten unter Demütigungen, Ungewissheit und Todesangst. Alle neun wurden erst Wochen später wieder freigelassen, manche gezeichnet von der Haft. Fünf von ihnen flohen noch im Sommer 1953 in die Bundesrepublik.“

Hier in Berlin, auf den Baustellen am Krankenhaus Friedrichshain und in der damaligen Stalinallee, nahm der Aufstand 1953 seinen Anfang. Am 17. Juni breitete er sich über die gesamte DDR. An mehr als 700 Orten kam es zu Streiks, Demonstrationen oder Protesten – in Hennigsdorf, Ludwigsfelde und Lauchhammer; in Magdeburg, Halle und Bitterfeld; in Dresden, Leipzig und Niesky; in Jena, Gera und Hildburghausen; in Rostock, Wismar und Stralsund; in Städten, Industriebezirken und auf dem Land.

Männer und Frauen aus allen Teilen der Gesellschaft brachten ihren Unmut über die real existierende Diktatur zum Ausdruck: Bauarbeiter, Fabrikarbeiterinnen, Landwirte, Angestellte, Selbstständige, Lehrerinnen, Pfarrer, Auszubildende, Studentinnen und Schüler – sie alle protestierten gegen ein Regime, das ihnen immer mehr die Luft zum Atmen nahm. Was damals geschah, war eine Massenerhebung gegen die Diktatur und ein Volksbegehren für die Demokratie.

Der Aufstand des 17. Juni richtete sich eben nicht nur gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen, gegen niedrige Löhne, hohe Preise, leere Regale. Er richtete sich gegen die Normierung einer ganzen Gesellschaft – gegen Planwirtschaft und Zwangskollektivierung; gegen staatliche Überwachung, Propaganda und Zensur; gegen die Unterdrückung von Christen, Oppositionellen und Unangepassten; gegen die Diktatur einer „Einheitspartei“, die für sich beanspruchte, immer im Recht zu sein.

Allein in der ersten Hälfte des Jahres 1953 – stellen wir uns das vor! – flüchteten knapp 200.000 Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik. Und Mitte Juni waren es rund eine Million Männer und Frauen, die den Aufstand wagten! Überall im Land forderten Menschen freie und geheime Wahlen, die Freilassung der politischen Gefangenen und die deutsche Einheit. Ein Arbeiter hier in Berlin brachte es auf den Punkt, als er vor dem damaligen „Haus der Ministerien“ auf einen Tisch kletterte und der SED-Regierung zurief: „Wir wollen frei sein!“

Diese Kraft der Freiheit, sie traf die Diktatur unvorbereitet und mit voller Wucht. Erst als sowjetische Panzer in die Städte rollten, Soldaten mit Maschinengewehren aufmarschierten und den Aufstand blutig niederschlugen, erst dann gewann das SED-Regime wieder die Oberhand. Mehr als fünfzig Menschen wurden damals erschossen, hingerichtet, erlagen ihren Verletzungen oder starben in Haft.

Wir gedenken heute der Männer und Frauen des 17. Juni, die ihren Kampf für die Freiheit mit dem Leben bezahlten. Wir gedenken all jener, die damals verletzt, verhaftet, eingesperrt und zur Zwangsarbeit verurteilt wurden. Und wir gedenken der vielen, die nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehren durften, die zeitlebens überwacht, schikaniert, ihrer Zukunftschancen beraubt wurden, nur weil sie es gewagt hatten, ihre Menschenrechte einzufordern.

All diese Menschen kämpften vor siebzig Jahren für ein Leben in Würde in einem geeinten Deutschland. Sie waren Vorkämpfer unserer heutigen Demokratie! Und bis heute sind sie Vorbilder für den Kampf gegen Unrecht und Unterdrückung. Suchen wir ihre Namen, erzählen wir ihre Geschichten! Alle, die im Juni 1953 für Freiheit und Selbstbestimmung aufgestanden sind, verdienen unseren Dank und vor allem auch die Erinnerung.“, so der Bundespräsident.

Ministerpräsident Boris Rhein: 17. Juni 1953 war dennoch nicht umsonst

Ministerpräsident Boris Rhein, Archivbild. © Foto Diether von Goddenthow
Ministerpräsident Boris Rhein, Archivbild. © Foto Diether von Goddenthow

Der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein hob unter anderem hervor, dass der Aufstand des 17. Juni 1953 trotz Fehlschlag nicht umsonst gewesen wäre: Denn, obwohl der Volksaufstand von den damaligen Machthabern mit Gewalt niedergeschlagen wurde, blieb er nicht erfolglos, so Rhein. So habe er zur Stärkung des Widerstandsgeists in der Bevölkerung beigetragen, der gegen alle Repressalien der Staatsführung über Jahrzehnte aktiv blieb und letztlich zum Fall der Mauer und zur Wiedervereinigung Deutschlands beitrug. „Der Aufstand am 17. Juni legte den Grundstein für eine freie, demokratische Gesellschaft. Er mahnt uns, dass die Freiheit nicht selbstverständlich ist und jeden Tag aufs Neue verteidigt werden muss“, sagte Rhein.

Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Formate halte die Landesregierung die Erinnerung an diese prägende Phase deutscher Geschichte wach, sagte der Ministerpräsident. So organisiere die Hessische Landesvertretung in Berlin seit vielen Jahren regelmäßig Veranstaltungen, mit denen die SED-Diktatur aufgearbeitet werde. Mit der Etablierung eines Lern- und Erinnerungsorts für Schulen am ehemaligen Notaufnahmelager in Gießen leiste die Landesregierung außerdem über Hessen hinaus einen wichtigen Beitrag, um die Erinnerung an zentrale Ereignisse der deutsch-deutschen Geschichte wach zu halten.

Bild der Gedenkausstellung "30 Jahre Mauerfalls. Freiheit leben"  © Foto Diether von Goddenthow
Bild der Gedenkausstellung „30 Jahre Mauerfalls. Freiheit leben“ © Foto Diether von Goddenthow

Am Sonntag nimmt Ministerpräsident Rhein gemeinsam mit dem stellvertretenden thüringischen Ministerpräsidenten Bernhard Stengele an einer Gedenkveranstaltung im Grenzmuseum Schifflersgrund teil. Das Museum liegt auf der früheren innerdeutschen Grenze zwischen dem hessischen Bad Sooden-Allendorf und dem thüringischen Sickenberg. Es wurde 1991 eröffnet und war seinerzeit das erste Grenzmuseum im wiedervereinigten Deutschland. „Gedenkorte wie das Grenzmuseum Schifflersgrund sind ein wichtiger Bestandteil deutscher Erinnerungskultur“ sagte der Regierungschef und fügte hinzu: „Sie vergegenwärtigen uns, dass sich vor kaum mehr als drei Jahrzehnten Soldaten desselben Volkes – durch eine Mauer und Grenzanlagen getrennt – feindlich gegenüberstanden und misstrauisch beäugten. Auch Hessen trennte jahrzehntelang ein Todesstreifen vom Nachbarland Thüringen. Das friedliche Ende dieses Konflikts war und ist ein großes Geschenk.“

Siehe auch: „30 Jahre Mauerfall“ und Lemo (Lebendiges Online-Museum) sowie Wikipedia Aufstand vom 17. Juni 1953

In Frankfurt am Main wird vier Tage lang Deutschland Demokratie-Geschichte gefeiert – Paulskirchenfest noch bis 21.Mai 2023

Gelungener Auftakt am ersten  Tag des Paulskirchenfestes. Tausende Menschen haben die Großveranstaltung am Donnerstag, 18. Mai, besucht. Das viertägige Fest zum 175. Geburtstag des ersten gesamtdeutschen Parlaments läuft noch bis Sonntag, 21. Mai.© Foto Diether von Goddenthow
Gelungener Auftakt am ersten Tag des Paulskirchenfestes. Tausende Menschen haben die Großveranstaltung am Donnerstag, 18. Mai, besucht. Das viertägige Fest zum 175. Geburtstag des ersten gesamtdeutschen Parlaments läuft noch bis Sonntag, 21. Mai.© Foto Diether von Goddenthow

Bei Kaiserwetter begrüßte die Stadt Frankfurt tausende Bürger und Gäste aus der ganzen Republik, darunter zahlreiche Ehrengäste, zum  175. Geburtstag des ersten gesamtdeutschen Parlaments. Die viertägige Großveranstaltung läuft noch bis Sonntag, dem 21. Mai 2023, rund um die Paulskirche, auf dem  Römerberg und am Main-Kai mit zahlen Info-Zelten, Fressbuden und Bühnenprogrammen. Zudem laden 17 Museen der Innenstadt zum kostenfreien Besuch ein, und im Frankfurter Römer, im Rathaus,  gibt es Ausstellungen und zahlreiche Programme. 

Beim vorausgegangenem Festakt in der Paulskirche  feierten   über 600 geladene Gäste aus Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft die „Wiege der deutschen Demokratie“. Unter den Gästen waren Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, Hessens Ministerpräsident Boris Rhein, Hessens Landtagspräsidentin Astrid Wallmann, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Stephan Harbarth, Frankfurts neuer Oberbürgermeister Mike Josef,  Bürgermeisterin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg sowie Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner.

erste Reihe v.li.:  Hessens Landtagspräsidentin Astrid Wallmann, Ministerpräsident Boris Rhein,  Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Bundespräsident  Frank Walter Steinmeier, Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner,  Oberbürgermeister  Mike  Josef und Bürgermeisterin  Nargess Eskandari-Grünberg. © Foto Diether von Goddenthow
erste Reihe v.li.: Hessens Landtagspräsidentin Astrid Wallmann, Ministerpräsident Boris Rhein, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner, Oberbürgermeister Mike Josef und Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg. © Foto Diether von Goddenthow

Das Paulskirchenfest soll insbesondere einmal mehr darauf aufmerksam machen, dass unsere „westliche“ Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, sondern dass sie hart erkämpft wurde, und aktiv verteidigt werden muss, soll sie uns nicht wieder abhanden kommen.

Die Paulskirche ist sowohl ein zentraler Ort des Kampfes unserer Vorväter für die Freiheit und Menschenrechte, als auch Deutschlands bedeutendstes Symbol gelebter Demokratie.

Vor exakt 175 Jahren trat in der Paulskirche das erste frei gewählte gesamtdeutsche Parlament zusammen. 1848 sei ein entscheidendes Jahr gewesen – „und es muss in unserer Erinnerung lebendig bleiben. Märzrevolution und Paulskirche sind große und folgenreiche Ereignisse der deutschen Freiheits- und Demokratiegeschichte. Wir haben allen Grund, das zu feiern – auch als Zeichen gegen die Verächter unserer parlamentarischen Demokratie.“, so der Bundespräsident (die komplette Rede).

Der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein unterstrich: „Jede gesellschaftliche Entwicklung braucht Menschen, die für ihre Überzeugungen auch gegen Widerstände einstehen. Daran erinnert uns der mutige Kampf der Nationalversammlung und der visionären Frauen und Männer dieser Zeit. Der 18. Mai ist ein Festtag der Demokratie und des Parlamentarismus, der mit dem Paulskirchenfest einen würdigen Rahmen findet.“

„Wir freuen uns und sind sehr stolz, mit der Paulskirche einen Ort zu haben, der für Grundrechte und Demokratie steht“, betonte Oberbürgermeister Josef.

Zu den weiteren Programmpunkten in der Paulskirche gehörte ein moderiertes Podiumsgespräch, an dem Bundestagspräsidentin Bas, Landtagspräsidentin Wallmann und Stadtverordnetenvorsteherin Arslaner als Repräsentantinnen von Parlamenten unterschiedlicher Mitbestimmungsebenen teilnahmen. Historische Redeauszüge von 1848 ließen für die Gäste die Debatten der damaligen Nationalversammlung noch einmal lebendig werden.

Gemeinsame Eröffnung des Paulskirchenfestes

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier umringt von Frankfurtern auf seinem Weg von der Paulskirche zur Römerberg-Bühne. © Foto Diether von Goddenthow
Bundespräsident Frank Walter Steinmeier umringt von Frankfurtern auf seinem Weg von der Paulskirche zur Römerberg-Bühne. © Foto Diether von Goddenthow

Von der Paulskirche aus marschierten Bundespräsident und  Frankfurts Oberbürgermeister gemeinsam mit der Bundesinnenministerin und Bürgermeisterin über den Paulsplatz durch die große Menschenmenge zur Römerberg-Bühne.  Die  Bürger waren sichtlich von der unerwarteten unmittelbaren  Präsens des Bundespräsidenten  überrascht und hocherfreut. Steinmeier schüttelte unendlich viele Hände, ließ Selfies zu, und eröffnet anschließend gemeinsam mit Frankfurts Oberbürgermeister, der Bundesinnenministerin und Bürgermeisterin das Paulskirchenfest fürs Publikum.

„Der Charakter des Festes betont, dass in unserer Demokratie jede Einzelne und jeder Einzelne zum Mitmachen aufgefordert ist. Das ist mir besonders wichtig“, erklärt Oberbürgermeister Josef. Er fügt hinzu: „Ich freue mich bereits jetzt auf die Besucherinnen und Besucher der kommenden Tage.“

Oberbürgermeister Josef eröffnet gemeinsam mit Bundespräsident Frank Walter Steinmeier  auf dem Römerberg das Paulskirchenfest. © Foto Diether von Goddenthow
Oberbürgermeister Josef eröffnet gemeinsam mit Bundespräsident Frank Walter Steinmeier auf dem Römerberg das Paulskirchenfest. © Foto Diether von Goddenthow

Der Bundespräsident sagte: „Ich wünsche mir, dass dieser Ort, die Paulskirche, noch stärker als bisher zu einem lebendigen Erinnerungs- und Lernort für die Demokratie wird. Ein Ort, der zusammen mit einem künftigen Haus der Demokratie, dreierlei leistet: Erinnerung, Bildung und demokratische Debatte.“

Innenministerin Faeser betonte: „Ich wünsche mir, dass auch heute wieder von Frankfurt ein belebender Impuls für das demokratische Bewusstsein im ganzen Land ausgeht. Denn Freiheit und Vielfalt kommen nicht von allein und sie bleiben auch nicht von allein. Wir müssen unsere Demokratie und unsere Werte schützen.“

Impression von der Eröffnung des Paulskirchenfestes auf dem Frankfurter Römerberg am 18.5.2023  © Foto Diether von Goddenthow
Impression von der Eröffnung des Paulskirchenfestes auf dem Frankfurter Römerberg am 18.5.2023 © Foto Diether von Goddenthow

Oberbürgermeister Josef betonte: „Wir werden auf dieser Tradition aufbauen und an der Stärkung von Demokratie, Menschenrechten und soziale Teilhabe weiterhin arbeiten. Die vielen Angebote anlässlich des 175-jährigen Jubiläums der Nationalversammlung zeigen einiges davon.“

Frankfurt feiert das Jubiläum der Paulskirchenversammlung mit einem großen Bürgerfest mit 160 Angeboten in unterschiedlichen Teilen der Stadt.  Zu dem Programm gehören etwa Mitmachangebote, kulturelle Inszenierungen, Führungen und politische Diskussionen.

Die Brüder Grimm-Festspiele Hanau präsentieren ein Medley aus dem Musical Aschenputtel der 39. Spielzeit 2023. © Foto Diether von Goddenthow
Die Brüder Grimm-Festspiele Hanau präsentieren ein Medley aus dem Musical Aschenputtel der 39. Spielzeit 2023. © Foto Diether von Goddenthow

Nach der offiziellen Eröffnung begann am Römerberg das Bühnenprogramm. Unter anderem zeigten die „Brüder Grimm Festspiele Hanau“ ein spannendes Medley aus dem Musical „Aschenputtel“ der aktuellen 39. Spielzeit, sowie Soli aus dem Musical „Jacob und Wihelm – Weltenwandler“ .Auch am Mainkai war die Stimmung riesig, und der Römerplatz rammelvoll.

Bundespräsident Gast von Boris Rhein am Hessen-Stand

„Geballte“ Politprominenz am Info-Tresen im Hessen-Zelt anlässlich des Paulskirchenfestes „175 Jahren Demokratie-Geschichte“. (v.li.): Dr. Ina Hartwig, Frankfurter Kulturdezernentin, Nancy Faeser, Bundesinnenministerin, Astrid Wallmann, Hessische  Landtagspräsidentin, Frank Walter Steinmeier, Bundespräsident, Boris Rhein, Hessischer Ministerpräsident, Mike Josef, Frankfurter Oberbürgermeister u. Dr. Nargess Eskandari-Grünberg, Frankfurter Bürgermeisterin. © Foto Diether von Goddenthow
„Geballte“ Politprominenz am Info-Tresen im Hessen-Zelt anlässlich des Paulskirchenfestes „175 Jahren Demokratie-Geschichte“. (v.li.): Dr. Ina Hartwig, Frankfurter Kulturdezernentin, Nancy Faeser, Bundesinnenministerin, Astrid Wallmann, Hessische Landtagspräsidentin, Frank Walter Steinmeier, Bundespräsident, Boris Rhein, Hessischer Ministerpräsident, Mike Josef, Frankfurter Oberbürgermeister u. Dr. Nargess Eskandari-Grünberg, Frankfurter Bürgermeisterin. © Foto Diether von Goddenthow

Aus Sicherheitsgründen war nicht bekannt gegeben worden, dass der Bundespräsident noch ein Bad in der Menge nehmen und sich ein persönliches Bild vom Paulskirchenfest verschaffen würde.

Während Polizei und Bodygards bei diesem Gedränge fast am Rande des Nervenzusammenbruchs agierten, nutzte Steinmeier die Gelegenheit, um mit zahlreichen Bürgern direkt ins Gespräch zu kommen. Mit etwas Glück gelang sogar dem einen oder anderem, ein Selfie mit Deutschlands Staatsoberhaupt.

Der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein begrüßt gemeinsam mit Landtagspräsidentin Astrid Wallmann Bundespräsident Frank Walter Steinmeier und Oberbürgermeister Josef beim Paulskirchenfest  am Hessen-Stand. © Foto Diether von Goddenthow
Der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein begrüßt gemeinsam mit Landtagspräsidentin Astrid Wallmann Bundespräsident Frank Walter Steinmeier und Oberbürgermeister Josef beim Paulskirchenfest am Hessen-Stand. © Foto Diether von Goddenthow

An Hessens Informations-Zelt empfingen der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein und Landtagspräsidentin Astrid Wallmann den Bundespräsident , Frankfurts Oberbürgermeister und weitere Politprominenz. Ministerpräsident Boris Rhein würdigte wie zuvor in der Paulskirche den Zusammentritt der Nationalversammlung am 18. Mai 1848 in der Paulskirche in Frankfurt als den Ausgangspunkt des Parlamentarismus in Deutschland und sagte „Was sich vor 175 Jahren in der Paulskirche ereignet hat, war eine wichtige Etappe in der Geschichte der Demokratie unseres Landes. Die Erinnerung an diese Zeit ist uns ein wertvoller Kompass, denn sie führt uns eindrücklich vor Augen, wie wenig selbstverständlich unser heutiges Leben in Frieden und Freiheit ist. Es ist ein Leben, wie es uns allein die demokratische Verfasstheit unseres Landes ermöglicht. Hessen verfügt nicht nur über die älteste Verfassung in Deutschland, hier begann auch unsere parlamentarische Tradition. Darauf können wir stolz sein. Der 18. Mai ist ein Festtag der Demokratie und des Parlamentarismus, der mit dem Paulskirchenfest einen würdigen Rahmen findet“.

Landtagspräsidentin Wallmann unterstricht: „Mit der ersten frei gewählten deutschen Nationalversammlung wurde vor 175 Jahren mit dem Ruf nach Freiheit, Demokratie und Menschenrechten das Fundament unserer heutigen Bundesrepublik gelegt. Das Paulskirchenjubiläum ist für uns daher ein besonders wichtiger Anlass, die zentrale Bedeutung des Parlamentarismus für unsere Demokratie und damit für unser aller Zusammenleben zu würdigen. Der 18. Mai erinnert uns daran, dass wir uns immer wieder aufs Neue für die Demokratie einsetzen müssen.

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier.© Foto Diether von Goddenthow
Bundespräsident Frank Walter Steinmeier.© Foto Diether von Goddenthow

Der Bundespräsident Steinmeier wies auf einige Aspekte hin, die ihm „ am heutigen Tag besonders wichtig sind. Am aller wichtigsten ist für mich: Revolution und Paulskirche gehören zusammen. Ohne den entschiedenen Bürgermut, ohne die revolutionären Bewegungen an vielen Orten Deutschlands wäre es nicht zum Vorparlament, nicht zur Nationalversammlung in der Paulskirche gekommen. Diese Nationalversammlung war das Ergebnis eines demokratischen, freiheitsverlangenden Aufbruchs aus dem Volk. Es ist gut, dass das Gedächtnis für den untrennbaren Zusammenhang zwischen Revolution und dem erwachenden Parlamentarismus im deutschen Südwesten immer lebendig geblieben ist, auch in Zeiten, in denen das im übrigen Deutschland in den Hintergrund gedrängt wurde.“, so der Bundespräsident.

Boris Rhein, Astrid Wallmann, Mike Josef, Frank Walter Steinmeier, . Dr. Nargess Eskandari-Grünberg betrachten gespannt die Revolutions-Performance "La Revólution". © Foto Diether von Goddenthow
Boris Rhein, Mike Josef, Frank Walter Steinmeier, . Dr. Nargess Eskandari-Grünberg betrachten gespannt die Revolutions-Performance „La Revólution“. © Foto Diether von Goddenthow

Für einen anschließenden kleinen Höhepunkt sorgt die Street-Act-Performance „La Révolution“, bevor der Tross weiterzog, unter anderem zum Info-Zelt der Bundeszentrale für Politische Bildung visavis des Hessen-Infozeltes.

Zahlreiche Angebote

Zu den Mitmachangeboten gehören etwa die gelben, historischen Telefonzellen auf dem Paulsplatz.Wer sie betritt und 50 Cent einwirft, kann mit bedeutenden Persönlichkeiten aus der deutschenDemokratiegeschichte sprechen. Ein weiteres Angebot auf dem Paulsplatz ist der „Hain derDemokratie“.

Die 43 Platanen des Paulskirchenplatzes   dienen während des Festes als „Freiheitsbäume". © Foto Diether von Goddenthow
Die 43 Platanen des Paulskirchenplatzes
dienen während des Festes als „Freiheitsbäume“. © Foto Diether von Goddenthow

Die 43 Platanen des Areals dienen während des Festes als „Freiheitsbäume“. Von ihren Ästenhängen schlanke, lange Fähnchen mit Auszügen von Gedichten zum Thema Demokratie. Diesehatten Frankfurterinnen und Frankfurter auf Einladung des verantwortlichen Künstlerinnenduos HSI,bestehend aus Katharina Zorn und Jasna Fritzi Bauer, eingesendet. Die Bürgerinnen und Bürgersollen so selber zu Wort kommen.

Diese Zitate und Textfragmente sind die Bausteine der „Ode an die Demokratie“ an den Abenden Donnerstag, 18. Mai, und Freitag, 19. Mai, einer Inszenierung einschließlich Lasershow auf dem Main. Schauspielerin Bauer leitet mit ihrer Stimme durch die Inszenierung und dient dabei als Sprachrohr für all die Bürgerinnen und Bürger, für all die Gesichter der Stadt, für all die Meinungen und Emotionen.

Um die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an demokratischen Prozessen geht es auch beim„ Tag der Zivilgesellschaft“ am Freitag, 19. Mai, um 17 Uhr in der Paukskirche. „Demokratie – aber wie?“ lautet das Motto des Abends. Im Mittelpunkt steht dabei die Übergabe der „Charta der Demokratie“ an Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg. „Zivilgesellschaft ist der organisierte Ausdruck des demokratischen Bewusstseins. Sie folgt ihren Idealen. Für die Zivilgesellschaft kommt nicht die Wirtschaft zuerst, sondern Menschenrechte, Demokratie und Freiheit“, sagt Eskandari-Grünberg.

Beste Stimmung am Main-Kai © Foto Diether von Goddenthow
Beste Stimmung am Main-Kai © Foto Diether von Goddenthow

„Römer Open“ lässt hinter die Türen des Rathauses blicken

Im Römer laden die „Escape Bubbles“ vom Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt dazuein, verschiedene Rätsel und Aufgaben rund um die Themen Demokratie und soziale Polarisierung zu lösen. Es handelt sich um eine Kooperation im Rahmen eines Seminars der Goethe-Universität.

 48 Revolutionärinnen im Kaisersaal des Frankfurter Römers. © Foto Diether von Goddenthow
48 Revolutionärinnen im Kaisersaal des Frankfurter Römers. © Foto Diether von Goddenthow

Das Paulskirchenfest hat nicht nur Erwachsene im Blick. Auf der Mainkai-Bühne stehen etwa Mitmach-Songs für Kinder auf dem Programm. Dazu bindet es auch viele nichtstädtische Beteiligte ein. Die Galerie Lachenmann-Art, Hinter der Schönen Aussicht 9, etwa präsentiert die Gesprächsveranstaltung „Female Perspectives – Auf der Suche nach der Demokratie in der Kunst“.Wer sich lediglich mit Live-Musik einige schöne Stunden machen möchte, ist auf dem Fest mitseinem umfassenden Kultur-Angebot ebenfalls bestens aufgehoben. Von Leslie Clio über dieKultband Crackers bis zum Poetry-Slam wird auf beiden Bühnen für jeden Geschmack etwasgeboten. Zur Eröffnung sangen Musiker wie Joy Denalane und Max Herre.

Frankfurter Römer mit zahlreichen Ausstellungen und Angeboten. © Foto Diether von Goddenthow
Frankfurter Römer mit zahlreichen Ausstellungen und Angeboten. © Foto Diether von Goddenthow

Um alltäglich gelebte Demokratie und den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern geht es von 11bis 19 Uhr am Samstag, 20. Mai, beim „Römer Open“, dem Tag der offenen Tür des Rathauses. Die politischen Römerfraktionen und 27 städtischen Ämter, Betriebe und Gesellschaften – angefangen vom Amt für multikulturelle Angelegenheiten (AmkA) bis hin zum Zoo Frankfurt – laden ein, ihre tägliche Arbeit und ihre Serviceangebote kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen. Aber auchein Blick in das Goldene Buch der Stadt oder das Dienstzimmer des Oberbürgermeisters ist am„Römer Open“ möglich.

Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner empfängt in ihrem Dienstzimmer. Arslaner ist gespannt auf die Begegnungen mit den Besucherinnen und Besuchern im Römer. „Transparenz ist unabdingbar in einer Demokratie und deshalb ist wichtig, dass die Frankfurterinnen und Frankfurter nach vier Jahren wieder einmal ganz direkt erfahren können, wie Kommunalpolitik und Verwaltungineinander greifen und so das Leben in unserer Stadt gestalten.“ Die Erste Bürgerin freut sich auchauf viele Besucherinnen und Besucher im Plenarsaal, „dem Herzstück unserer Demokratie inFrankfurt“.

Zum Abschluss der Feierlichkeiten des Paulskirchenfestes veranstalten die Mitgliedsgemeinden des Rates der Religionen am Sonntag, 21. Mai, ab 18.30 Uhr auf Einladung des Magistrats einemultireligiöse Feier unter dem Motto „Freiheit – Demokratie – Diversität in den Religionen” in derPaulskirche. Weitere Informationen zum Paulskirchenfest finden sich unter frankfurt-tourismus.de/Entdecken-und-Erleben/Feste-Veranstaltungen/demokratiefest-paulskirchenversammlung-1848.

Aktuelle Nachrichten des HR im Überblick zu 175 Jahre Paulskirche Demokratiegeschichte

Festakt mit Bundespräsident Gauck zum Auftakt der 40. Interkulturellen Woche in Mainzer Staatskanzlei am 27.09.15

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Der im Anschluss an den Ökumenischen Gottesdienst im Mainzer Dom stattfindende Festakt in der  Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz war zugleich der bundesweite Auftakt der 40. bundesweiten Interkulturellen Woche. Festredner war Bundespräsident Joachim Gauck. Weitere Beiträge leisteten Gastgeberin Malu Dreyer,  Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Michael Ebling, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Mainz sowie Gabriele Erpenbeck, Vorsitzende des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses.  Über interkulturelle Perspektiven sprach Moderatorin  Hadija Haruna-Oelker mit dem türkischstämmigen deutschen Bestseller-Autor Feridun Zaimoglu. Zurzeit ist er auch Mainzer Stadtschreiber. Das Duo Benyonca umrahmte musikalisch den Festakt.

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ganz links Feridun Zaimoglu, übernächste Position: Michal Ebling, OB, Kardinal Lehmann, Mitte: Joachm Gauck mit Malu Dreyer, Ministerpräsidentin und vielen anderen hohen Amts- und Würdenträgern © massow-picture

„Die Interkulturelle Woche tut unserem Land gut, vor allem aber ist sie gut für das Miteinander der Menschen“, betonte die Ministerpräsidentin. Gemeinsam mit Gabriele Erpenbeck, der Vorsitzenden des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses der Interkulturellen Woche und dem Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling begrüßte die Ministerpräsidentin die Gäste, Repräsentanten aus Gesellschaft, Politik, Kirche und der Migrationsarbeit.

Gastgeberin war Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. © massow-picture
Gastgeberin war Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. © massow-picture

Das Motto „Vielfalt statt Einfalt“ der Interkulturellen Woche bezeichnete Ministerpräsidentin Malu Dreyer als treffend gewählt, weil es dazu auffordere, die gesellschaftliche Vielfalt und die Erfolge und Vorzüge einer Einwanderungsgesellschaft stärker in den Blick zu  nehmen. „Das im Bewusstsein der Menschen zu verankern, ist gerade angesichts des Flüchtlingszustroms nach Deutschland unabdingbar. Nichts ist so wichtig wie Aufklärung und Integration“, betonte die Ministerpräsidentin. Schon 1975, als die erste Interkulturelle Woche noch als Woche des ausländischen Mitbürgers ausgerichtet worden sei, ging es darum, die Notwendigkeit einer aktiven gesellschaftlichen Teilhabe zu verstehen und sie umzusetzen. Zahlreiche Impulse hierfür seien in den vergangenen vier Jahrzehnten aus den Interkulturellen Wochen heraus gegeben worden.

Für Ministerpräsidentin Malu Dreyer ist es eine zutiefst menschliche Verpflichtung, Flüchtlinge aufzunehmen. Sie empfinde größte Hochachtung für das Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger. „Rheinland-Pfalz leistet, was immer möglich und nötig ist. Vieles ist jedoch noch zu beschleunigen, bei den Verfahren, bei der Unterbringung und vor allem bei der Finanzierung, wie das auch die Beschlüsse vom Bund-Länder-Treffen am vergangenen Donnerstag zeigen. Es kommt darauf an, dass wir diese Situation als Gemeinschaftsaufgabe begreifen. Es geht um deutsche und europäische Solidarität“, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Die Gesellschaft und das Land würden daran wachsen, wenn diese Bewährungsprobe gemeistert werde. Der Beitrag der Kirchen und Religionsgemeinschafen, die Botschaft und das Engagement in der Interkulturellen Woche sind dabei für die Ministerpräsidentin heute und auf lange Sicht unverzichtbar.

Bundespräsident Joachim Gauck hält die Festrede zur 40. IKW als Auftakt zur bundesweiten Aktion. © massow-picture
Bundespräsident Joachim Gauck hält die Festrede zur 40. IKW als Auftakt zur bundesweiten Aktion. © massow-picture

Im Anschluss an die Rede der Gastgeberin  folgte die zentrale Ansprache der Festveranstaltung von Bundespräsidenten Joachim Gauck.  Er betonte, dass „wir alle in den vergangenen Wochen viel über die deutsche Gesellschaft gelernt  haben. Die Ruhe und die kreative Tatkraft, mit der die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf diese Krise reagiert hat, wie zuvor schon auf andere Herausforderungen, das stellt ihr ein Reifezeugnis aus, mit dem sie auch kommende Prüfungen bestehen wird.“ Und weiter: „Lassen Sie mich zunächst sagen: Mit wem ich in diesen Tagen auch spreche, ob mit Bürgern oder Amtsträgern, ob ich Flüchtlingsunterkünfte besuche oder politische Versammlungen, überall sind die Menschen, wie ich, tief beeindruckt von der Hilfsbereitschaft und dem Engagement der vielen tausend freiwilligen und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer, auch der Kommunen und Länder.“ Doch was Gauck zugleich auch sorgt, ist ein zusehend entstehendes Dilemma zwischen „Helfenwollen“ und einer nicht unendlichen  Leistungsfähigkeit. Wörtlich sagte er:  „Aber zugleich treibt viele die Sorge um: Wie kann Deutschland auch in Zukunft offen bleiben für Flüchtlinge, wenn zu den vielen, die schon da sind, viele weitere hinzukommen? Wird der Zuzug uns irgendwann überfordern? Werden die Kräfte unseres wohlhabenden und stabilen Landes irgendwann über das Maß hinaus beansprucht? Mir geht der Satz eines Vertreters der nordrhein-westfälischen Kommunen nicht aus dem Kopf. Er sagte: „Die Profis und Ehrenamtler können nicht mehr. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand.“Und er fügte hinzu, 2016 sei für die Gemeinden ein vergleichbar hoher Zustrom wie in diesem Jahr nicht mehr zu verkraften. Inzwischen trauen wir uns, das fundamentale Dilemma dieser Tage offen anzusprechen: Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich.“

 Rede des Bundespräsidenten

Oberbürgermeister Michael Ebling, freute sich darüber, dass die 40. IKW, die einst in Mainz begründet wurde, auch hier ihr Jubiläum feiern kann. Er betonte, wie sehr "wir durch" die Migranten aus 160 Nationen in Mainz, einer traditionell von Zuwanderern getragenen Stadt, profitiert hätten.  © massow-picture
Oberbürgermeister Michael Ebling, freute sich darüber, dass die 40. IKW, die einst in Mainz begründet wurde, auch hier ihr Jubiläum feiern kann. Er betonte, wie sehr „wir durch“ die Migranten aus 160 Nationen in Mainz, einer traditionell von Zuwanderern getragenen Stadt, profitiert hätten. © massow-picture

Auch der Mainzer Oberbürgermeister würdigte die Erfolgsgeschichte der Interkulturellen Woche. „Sie macht besonders deutlich: Integration gelingt nur in den Kommunen, nicht im Bundestag und nicht im Landtag. Sie gelingt in den Städten, in den Kreisen und in den Dörfern – und sie gelingt nur gemeinsam mit den Menschen, die in diesen Städten und Dörfern leben. Wir dürfen das von den Menschen in unserem Land fordern, und wir fordern viel in diesen Tagen. Und wir bekommen noch mehr, als wir je zu fordern gewagt hätten“, sagte der Oberbürgermeister.

Im kleinem Zwischen-Talk  über interkulturelle Perspektiven zwischen  Hadija Haruna-Oelker und Feridun Zaimoglu forderte der 1964 im anatolischen Bolu (Türkei) geborene Bestseller-Autor die Kinder bzw. die Enkel der ersten Gastarbeitergeneration auf, ihren „Arsch hoch zu kriegen“.

Der türkischstämmige Feridun Zaimoglu ruft den jungen Migrantengenerationen zu: Statt sich in Scharmützeln zu verlieren sollen sie tatkräftig handeln, so wie es ihre Eltern bzw. Großeltern taten als sie in den 60er /70er Jahren nach Deutschland kamen.
Der türkischstämmige Feridun Zaimoglu ruft den jungen Migrantengenerationen zu: Statt sich in Scharmützeln zu verlieren sollen sie tatkräftig handeln, so wie es ihre Eltern bzw. Großeltern taten als sie in den 60er /70er Jahren nach Deutschland kamen.

. Sie hätten großartiges geleistet. Isolation, Abgrenzung sei das reinste Gift. Raus aus der Isolation, nur so  gelinge es, neue Heimatliebe zu entwickeln. Das Wort Integration träfe nicht den Kern, es ginge darum, neue Liebe zu entwickeln.  Feridun Zeimoglu, studierter Mediziner,  ist Mitgründer von Kanak Attack und nahm als ein Vertreter der Zivilgesellschaft an der ersten deutschen Islamkonferenz teil und wurde 2009 als Wahlmann der Schleswig-Holsteiner Grünen benannt.

Gabriele Erpenbeck, Vorsitzende des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses (ÖVA): "Einstehen für die Menschenwürde, Offenheit, Demokratie, Respekt und Eintreten für eine friedliches Zusammenleben seien die Grundwerte, die dieses Land trage. Und es gelte, dass die Wertegemeinschaft lebendig und für alle Menschen erlebbar gemacht werden müsse."© massow-picture
Gabriele Erpenbeck, Vorsitzende des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses (ÖVA): „Einstehen für die Menschenwürde, Offenheit, Demokratie, Respekt und Eintreten für eine friedliches Zusammenleben seien die Grundwerte, die dieses Land trage. Und es gelte, dass die Wertegemeinschaft lebendig und für alle Menschen erlebbar gemacht werden müsse.“© massow-picture

In ihrem Schlusswort erklärte Gabriele Erpenbeck, Vorsitzende des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses (ÖVA), dass das momentan große Engagement zu Gunsten von Flüchtlingen ein deutlicher Hinweis darauf sei, dass Deutschland sich in den letzten 40 Jahren grundlegen verändert habe. Die sogenannten Gastarbeiter-innen der ersten Generation gelten als größte Einwanderungsgruppe nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Flüchtlinge stehen heute vor den gleichen Problemen: Spracherwerb, medizinische Versorgung, Wohnen und natürlich Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung und Ausbildung. Abseits der aktuellen und manchmal aufgeregten Debatten müssten wir uns die Frage stellen, wie miteinander Wege gefunden werden könnten, unsere Gesellschaft für alle lebenswert zu machen, hob Gabriele Erpenbeck hervor und mahnte: „Dabei müssen wir wachsam bleiben gegenüber rassistischen und rechtsradikalen Bewegungen und Aktionen in Deutschland, die die Menschenwürde mit Füßen treten und unsere Gesellschaft bedrohen!“.

Duo Benyonca © massow-picture
Duo Benyonca © massow-picture

Musikalisch umrahmten den Festakt das Duo Benyonca mit „Enerji“ (Energie).

 

 

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Bischof Heinrich Bedford-Strohm im Gespräch mit Julia Klöckner, CDU-Fraktionsvorsitzende des Landestags Rheinland-Pfalz. "Einanander annehmen gelte aber in beide Richtungen. Dass das nicht immer funktioniert, erfuhr unlängst Juliane Klöckner, als sich ein Imam weigerte ihr als Frau die Hand zu geben. "Das Denken, das hinter der Verweigerung eines Handschlags an Frauen stecke, könne man nicht hinnehmen“, waren sich beide einig. Inzwischen hat jemand von der Moscheegemeinde angerufen und sich entschuldigt. © massow-picture
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Bischof Heinrich Bedford-Strohm im Gespräch mit Julia Klöckner, CDU-Fraktionsvorsitzende des Landestags Rheinland-Pfalz. „Einanander annehmen gelte aber in beide Richtungen. Dass das nicht immer funktioniert, erfuhr unlängst Juliane Klöckner, als sich ein Imam weigerte ihr als Frau die Hand zu geben. „Das Denken, das hinter der Verweigerung eines Handschlags an Frauen stecke, könne man nicht hinnehmen“, waren sich beide einig. Inzwischen hat jemand von der Moscheegemeinde angerufen und sich entschuldigt. © massow-picture

Zum vierzigsten Mal sind in diesem Jahr Kirchen, Kommunen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, Integrationsbeiräte und -beauftragte, Migrantenorganisationen oder Initiativgruppen sowie alle Engagierten und Interessierten aufgerufen, die Interkulturelle Woche mitzugestalten. Sie ist eine gemeinsame Initiative der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie und findet seit 1975 mittlerweile in mehr als 500 Städten und Gemeinden in ganz Deutschland statt.

Bericht über den Ökumenischen Gottesdienstes im Mainzer Dom!