Krieg und Krisen vor 6000 Jahren: Ältester Grabhügel Mitteleuropas auf dem Kapellenberg bei Hofheim/Ts. gibt weitere Erkenntnisse preis

Mainz/Hofheim. Neun Jahre nach den ersten Untersuchungen am ältesten Grabhügel Mitteleuropas finden derzeit erneut Grabungen auf dem Kapellenberg bei Hofheim am Taunus statt. Ziel der diesjährigen Kampagne ist, die Datierung des jungsteinzeitlichen Grabmonuments weiter einzugrenzen sowie den Aufbau und seinen raschen Verfall zu verstehen. Das Forschungsprojekt zur Besiedelung des Kapellenbergs ist Teil einer langjährigen Kooperation zwischen dem RömischGermanischen Zentralmuseum, Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie (RGZM), der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der hessenARCHÄOLOGIE und der Stadt Hofheim. Studierende der Mainzer Universität absolvierten auf der Grabung ihr Praktikum.

Erstmals 2013 war es dem Team aus Archäologen gelungen, die gewaltigen Ausmaße des künstlichen Hügels mit einem Durchmesser von 90 Metern und einer erhaltenen Höhe von etwa sechs Metern der Oberfläche korrekt zu bestimmen. Lange blieb unklar, um was es sich gehandelt hatte. Prof. Detlef Gronenborn, der seit über 10 Jahren die Ausgrabungen auf dem Kapellenberg bei Hofheim im Taunus leitet und Archäologe am RGZM ist, erklärt: „Erst mit Hilfe eines LiDAR-Scans der Oberfläche des Höhenrückens konnte die Erhebung in ihren Dimensionen erkannt werden. Des Weiteren konnten wir dank Archivstudien und die Aufarbeitung von Altgrabungen auf dem Kapellenberg Rückschlüsse auf die Datierung des Monuments ziehen. Wir gehen davon aus, dass der Hügel irgendwann zwischen 4500 und 3750 v. Chr., und damit zeitlich bereits vor der inneren Besiedlung, errichtet wurde. Diese These wollen wir nun untermauern.“

Von großem Interesse ist auch der Verfall des Grabhügels: Gronenborn möchte herausfinden, ob der Hügel durch natürliche Ursachen wie Erosion zerfiel oder ob er absichtlich eingeebnet wurde. „Wenn wir nachweisen können, dass der Grabhügel absichtlich zerstört wurde, deutet das auf eine interne Krise zu dieser Zeit hin.“, erläutert er.

Zeit der Besiedlung auf dem Kapellenberg vermutlich von Krisen geprägt
Neueste Ergebnisse aus einer Studie zum Milchkonsum der letzten 9000 Jahre in Europa, die Ende Juli 2022 in der Fachzeitschrift Nature erschien, können diese These stützen. Denn sie lassen vermuten, dass Menschen in vergangenen Krisenzeiten häufiger Milch und Milchprodukte konsumierten. Für die Studie hatte ein internationales Forscherteam unter anderem DNA- und archäologische Proben aus menschlichen Hinterlassenschaften untersucht und ausgewertet. Das RGZM hatte Proben archäologischer Keramikgefäßen aus der Kapellenberg-Siedlung zur Verfügung gestellt. Diese wiesen sehr oft Rückstände von Milch auf.

„Dieser Anstieg der Milchnutzung sowie Hinweise auf eine klimatische Veränderung können Indizien dafür sein, dass es zu Beginn der Höhensiedlung zu einer Krise gekommen ist. Auch die Befestigung der Siedlung durch eine Palisade und einen Wall deutet auf unruhige Zeiten hin, denn sie wurden mehrmals zerstört und wiederaufgebaut. Wenn der Grabhügel nun auch mutmaßlich zerstört worden wäre, passt das ins Bild“, so Gronenborn.

Der Kapellenberg als archäologisches Highlight im Rhein-Main-Gebiet

Ausgrabungssituation am Kapellenberg: Im Bereich des Grubenhauses am Meisterturm wurde auch dieses Jahr wieder weiter gegraben. Unter der Steinpackung fanden sich Keramikscherben. Der Befund zeigt, wie vielschichtig die Fundlage im Zentrum der Siedlung ist; Foto: D. Gronenborn/RGZM.
Ausgrabungssituation am Kapellenberg: Im Bereich des Grubenhauses am Meisterturm wurde auch dieses Jahr wieder weiter gegraben. Unter der Steinpackung fanden sich Keramikscherben. Der Befund zeigt, wie vielschichtig die Fundlage im Zentrum der Siedlung ist; Foto: D. Gronenborn/RGZM.

Unterstützt von der Stadt Hofheim untersucht das RGZM, und der Arbeitsbereich Vor- und Frühgeschichte des Instituts für Altertumswissenschaften der Johannes Gutenberg Universität in Mainz in Zusammenarbeit mit der hessenARCHÄOLOGIE die archäologische Fundstätte aus der Jungsteinzeit. Auf dem Kapellenberg in Hofheim am Taunus sind Grabhügel und eine einzigartige Wallanlage aus der Jungsteinzeit erhalten. Der Wall wurde in der Zeit zwischen 4300 und 3600 v. Chr. errichtet und bislang kaum durch menschliche Eingriffe zerstört oder überbaut. In einem gemeinsamen Projekt mit der Stadt Hofheim und weiteren Partnern ist 2020 ein archäologischer Rundweg auf dem Kapellenberg eingeweiht worden. Dieser verdeutlicht die Spuren der Besiedlung, die bis in die Jungsteinzeit zurückreichen. Ein Höhepunkt ist die 6000 Jahre alte Wallanlage aus der Zeit der Michelsberger Kultur, die noch deutlich zu erkennen ist. Der Rundweg mit seinen Informationstafeln liefert Interessierten viele Hintergründe zum Kapellenberg in den verschiedenen Epochen. „Dazu haben wir jetzt ganz neu einen Flyer herausgebracht“, berichtet Bürgermeister Christian Vogt. „Darin bekommt man einen guten ersten Eindruck von den Highlights des Rundwegs – besonders von der Wallanlage.“ Der Weg hat eine Länge von 4,2 Kilometern. „Etwa zwei Stunden sollte man sich Zeit nehmen“, so Vogt. Den Flyer gibt es – so wie auch den neuen Film zum Kapellenberg – unter den Stichwörtern „Tourismus“ und „Archäologischer Rundweg auf dem Kapellenberg“ auf der Homepage der Stadt Hofheim unter www.hofheim.de. Außerdem ist er erhältlich im Bürgerbüro, im Tourismusbüro, bei der Stadtinformation im Stadtmuseum und in der Gaststätte „Meisterturm“.

(Text: E.Esmen/RGZM)

Das RGZM informiert über den Fortlauf der Untersuchungen unter
www.rgzm.de/kapellenberg
Archäologischer Rundweg
https://www.hofheim.de/tourismus/Archaeologischer_Rundweg/archaeologischer-rundweg.php