Kategorie-Archiv: Wiesbadener Literaturtage

20. Wiesbadener Literaturtage starten am 5. Nov. 2017 – spartenübergreifendes Programm

wsbn.littage5.-9.11.17wDas spartenübergreifende Festival Wiesbadener Literaturtage – veranstaltet vom Kulturamt Wiesbaden / Literaturhaus Villa Clementine mit Unterstützung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain – feiert in diesem Jahr sein 20. Jubiläum.

Der Auftakt der Literaturtage findet am Sonntag, 5. November, um 18 Uhr im Museum Wiesbaden, Friedrich-Ebert-Allee 2, statt. Das Museum ist einer der Orte, die Frank Witzel bereits als Jugendlichen geprägt haben. Besonders die Gemälde von Jawlensky haben einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen. Zum Auftakt der Literaturtage kann sich der Besucher mit Frank Witzel auf einen virtuellen literarischen Rundgang mit dem Titel „Wiesbadener Heimsuchung“ begeben. Dabei offenbart sich sein individueller Zugang zu bildender Kunst, jenseits von kunsthistorischen Bildbetrachtungen. Seine Geschichten zu zwei Dutzend Gemälden der umfangreichen Sammlung hat Frank Witzel in einem literarischen Text festgehalten, der auch als Mediaguide in Kooperation mit dem Museum und hr2 produziert worden ist. Musikalisch wird der Auftakt der Literaturtage von dem Gitarrenvirtuosen Volkmar Zimmermann untermalt. Geboren in Wiesbaden, lebt dieser seit langer Zeit in Kopenhagen und gehört zu den besten Interpreten zeitgenössischer Gitarrenmusik.

Am Tag darauf – Montag, 6. November, um 19.30 Uhr – kann man Frank Witzel zusammen mit dem Posaunisten Uwe Dierksen vom Ensemble Modern im Literaturhaus unter dem Motto „Grund unter Grund“ erleben. Witzel liest im ersten Teil des Abends aus seinem neuen Roman „Direkt danach und kurz davor“. Das Gespräch mit ihm führt Shirin Sojitrawalla, DLF und taz. Im zweiten Teil verbindet sich Witzels Lyrik mit den Klängen von Uwe Dierksen. Ein Chor unterschiedlicher Stimmen fragt in Frank Witzels neuem Roman „Direkt danach und kurz davor“ nach dem, was wirklich geschah. So steigt der Leser in die Bodenlosigkeit von Geschichte und sieht hinab in das Grauen des Menschenmöglichen. Mit dem Roman war Frank Witzel für die Longlist des Wilhelm Raabe-Literaturpreises nominiert. Im zweiten Teil des Abends trifft Witzel auf den Posaunisten Uwe Dierksen vom Ensemble Modern. Für die Frankfurter Lyriktage haben die beiden ein Projekt erarbeitet, das die Gründe und Untergründe aufzeigt, die sich durch das Aufeinandertreffen, Ineinandergreifen, Ergänzen und Kontrastieren von Musik und Lyrik ergeben.

Ein ganz besonderes Gastspiel findet am Dienstag, 7. November, um 19.30 Uhr im Kleinen Haus des Hessischen Staatstheaters statt: Zum ersten Mal bringen die Schauspielerinnen Jule Böwe, Julia Riedler und Julischka Eichel das ihnen von Frank Witzel gewidmete Stück „Jule, Julia, Julischka“ zu Gehör. Darin geraten drei Schauspielerinnen auf einer Probebühne derart aneinander, dass bald nicht mehr zu sagen ist, wo ihre Rollen anfangen und ihre Figuren enden. Jule Böwe ist Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne. Außerdem kann man sie in vielen Hörspielen und Filmen erleben. Julischka Eichel gehört zum Ensemble im Schauspiel Stuttgart. Neben ihrer Theaterarbeit spielt sie in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen. Julia Riedler ist Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele. Außerdem wirkt sie in Film- und Fernsehproduktionen sowie als Sprecherin in Hörspielen mit. Eingerichtet wurde das Stück von Thomas Martin. Er war von 2010 bis 2017 Chefdramaturg und Hausautor der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.

Der Eintritt für den Auftakt frei. Für die Veranstaltung am Montag, 6. November, Literaturhaus Villa Clementine, Frankfurter Straße 1, kostet der Eintritt 12 Euro, ermäßigt 9 Euro zuzüglich Vorverkaufsgebühr. An der Abendkasse kostet der Eintritt 16 Euro, ermäßigt 13 Euro. Karten gibt es im Vorverkauf bei: Tourist-Information Wiesbaden, Marktplatz 1, Telefon (0611) 1729930; TicketBox in der Wiesbadener Galeria Kaufhof, Kirchgasse 28, Telefon (0611) 304808; Frankfurt Ticket, Frankfurt Hauptwache (B-Ebene), Telefon (069) 1340400; online unter www.wiesbaden.de/literaturtage.

Für die Veranstaltung am Dienstag, 7. November, im Staatstheater Wiesbaden, Kleines Haus, Christian-Zais-Straße 3, kostet der Eintritt 18 Euro, ermäßigt 12 Euro. Kartenvorverkauf: An der Kasse im Theater oder online unter www.staatstheater-wiesbaden.de; Tourist-Information Wiesbaden, Marktplatz 1, Telefon (0611) 1729930; TicketBox in der Wiesbadener Galeria Kaufhof, Kirchgasse 28, Telefon (0611) 304808; online unter www.wiesbaden.de/literaturtage.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.wiesbaden.de/literaturtage.

20. Wiesbadener Literaturtage vom 5. bis 11. November 2017

wsbn.littage5.-9.11.17wZu einer Tour d’horizon durch das „BRD noir“ der Vorwendezeit wie durch das Museum Wiesbaden lädt Frank Witzel, Autor und Kurator der 20. Wiesbadener Literaturtage ein. Das spartenübergreifende und traditionsreiche Festival findet in seinem Jubiläumsjahr vom 5. bis 16. November in Wiesbaden sowie mit Begleitveranstaltungen in Darmstadt und Frankfurt statt und wird vom Kulturamt Wiesbaden unter Federführung des Literaturhauses Villa Clementine veranstaltet.

Wie es bei einem so vielseitigen Kurator und Künstler wie Frank Witzel nicht anders zu vermuten war, erwartet die Besucherinnen und Besucher zum 20. Jubiläum der Wiesbadener Literaturtage ein ungewöhnliches und spannendes Programm, das verschiedene Künste miteinander wie in einer Collage verbindet. „Als mich im letzten Jahr die Anfrage erreicht hat, die Wiesbadener Literaturtage zu kuratieren, habe ich mit meiner Zusage keinen Moment gezögert“, erläuterte Frank Witzel am Mittwoch bei der Vorstellung des Programms im Literaturhaus Villa Clementine. „Mich hat es besonders gereizt, Bereiche wie Kunst und Musik – die auch für meine eigene Arbeit wichtig sind – neben der Literatur in die Gestaltung des Festivals miteinbringen zu können“, so Witzel.

Auch Wiesbadens Kulturdezernent Axel Imholz schätzt den Cross-Over-Gedanken: „Auf diese Weise erreichen wir unterschiedliche Interessen und ein breitgefächertes Publikum“. Besonders spannend sei in diesem Jahr, dass Frank Witzel als gebürtiger Wiesbadener nicht nur Brücken zu anderen Künsten schlage, sondern auch zur Wiesbadener Geschichte.

So begibt sich der Kurator des Festivals zum Auftakt an einen Ort, der für ihn eine Art künstlerische Initiation darstellt: Am Sonntag, 5. November, lädt Frank Witzel um 18 Uhr im Museum Wiesbaden zu einem virtuellen literarischen Rundgang mit dem Titel „Wiesbadener Heimsuchung“ ein. Dabei offenbart sich sein individueller Zugang zu bildender Kunst, jenseits von kunsthistorischen Bildbetrachtungen. Ähnlich wie bei Lesern eine erzählte Geschichte innere Bilder entstehen lässt, so löst bei Frank Witzel das assoziative Betrachten von Gemälden literarische Geschichten und Reflektionen aus. Seine Geschichten zu zwei Dutzend Gemälden der umfangreichen Sammlung hat Frank Witzel in einem literarischen Text festgehalten. Der literarische und virtuelle Rundgang verspricht dabei ein ganz neues Seherlebnis und ist in Kooperation mit dem Museum und hr2 auch als Audioguide produziert worden. Für Museumsdirektor Dr. Alexander Klar stellt das Projekt die Verwirklichung eines „musée imaginaire“ dar. Am Donnerstag, 9. November, kann man bei Frank Witzels Rundgang mit dem Museumsdirektor Alexander Klar der Entstehungsgeschichte und Entwicklung des Projektes folgen.

Der neue Roman von Frank Witzel „Direkt danach und kurz davor“ steht am Montag, 6. November, im Literaturhaus Villa Clementine auf dem Programm und deckt die Gründungsmythen der BRD auf. Das neue Buch wendet ein ähnliches collagierendes Verfahren an wie sein mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnetes Opus Magnum „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“. Im zweiten Teil des Abends präsentiert sich Frank Witzel zusammen mit dem Komponisten und Posaunisten Uwe Dierksen vom Ensemble Modern als Lyriker und Musiker.

Am Dienstag, 7. November, gastieren die Literaturtage im Kleinen Haus des Hessischen Staatstheaters, wenn es heißt: „Jule, Julia, Julischka“. Die drei Schauspielerinnen Jule Böwe, Julia Riedler und Julischka Eichel bringen dort zum ersten Mal Frank Witzels Theaterstück zu Gehör, das er ihnen gewidmet hat.

Am Mittwoch, 8. November, stellt Frank Witzel im Wiesbadener thalhaus die für ihn „innovativste Gitarristin im Bereich improvisierter Musik“ vor: „Thumbscrew“, das Trio um die gefeierte amerikanische Gitarristin Mary Halvorson gehört zur legendären Jazz-Avantgarde der USA.

Der Philosoph Marcus Steinweg verwandelt am Donnerstag, 9. November, das Philosophieren in einen performativen Akt und widmet sich dem Vorgang des Schreibens. Im Mittelpunkt seiner Lecture-Performance wird das Werk der bekannten französischen Schriftstellerin Marguerite Duras stehen.

In ein dunkles Kapitel deutscher und Wiesbadener Geschichte taucht Frank Witzel mit seinem Gesprächspartner Philipp Felsch am Freitag, 10. November, in der Caligari Filmbühne: Am Beispiel eines Films der DDR Sendereihe „Kriminalfälle ohne Beispiel“ aus dem Jahr 1966 spricht er mit Philipp Felsch, Juniorprofessor für Humanwissenschaften aus Berlin, über den Wiesbadener Entführungsfall Timo Rinnelt.

Zum Abschluss der Literaturtage in Wiesbaden ist der große österreichische Schriftsteller Gerhard Roth im Literaturhaus zu Gast, der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert. Im Gespräch von Lektor Jürgen Hosemann vom S. Fischer Verlag und Frank Witzel mit dem Autor geht es um das Werk Gerhard Roths. Auszüge liest der bekannte Sprecher Christian Brückner, der selbst im Jahre 2015 Gastgeber der Wiesbadener Literaturtage war.

Dank der großzügigen Förderung dieses Festivals durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain ist es möglich geworden, nicht nur ein umfangreiches Jubiläumsprogramm in Wiesbaden, sondern auch Gastspiele im Rhein-Main-Gebiet zu realisieren: Ein besonderes Augenmerk ist der zeitgenössischen Lyrik bei Gastspielen in Darmstadt und Frankfurt gewidmet. Am 8. November stellt der Lyriker Ulf Stolterfoht in Darmstadt seinen neuen Gedichtband „neu-jerusalem“ und sein Projekt „fachsprachen“ vor und am 16. November findet im Hessischen Literaturforum im Mousonturm in Frankfurt ein lyrischer Abend mit Sabine Scho, Sebastian Unger und Levin Westermann statt.

Das ausführliche Programm liegt in Buchhandlungen und Kultureinrichtungen in Wiesbaden, Frankfurt, Mainz und Darmstadt aus und ist online verfügbar unter www.wiesbaden.de/literaturtage.

Der Vorverkauf findet statt: Tourist Information Wiesbaden, Marktplatz 1, Telefon (0611) 1729930; Ticketbox in der Wiesbadener Galeria Kaufhof, Kirchgasse 28, Eingang Friedrichstraße, Telefon (0611) 304808; Frankfurt Ticket

Frankfurt Hauptwache (B-Ebene), Telefon (069) 1340400; Karten für den Abend im Kleinen Haus des Staatstheaters gibt es auch an der Kasse im Theater oder online unter www.staatstheater-wiesbaden.de; Karten für den Abend in der Caligari Filmbühne gibt es nur an der Kinokasse im Caligari: täglich 17 bis 20.30 Uhr, reservierung-caligari@wiesbaden.de und in der Tourist-Information (plus VVK-Gebühr).

Was ist Liebe? Friedensbuchpreisträger Navid Kermani las auf den 19. Wiesbadener Literaturtagen

Literaturtage-Gastgeber Christian Brückner (m.) begrüsste Friedenspreisträger Navid Kermani (l) und den Moderator des Abends FAZ-Redakteuer Hubert Spiegel im Veranstaltungsraum des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst anläßlich der 19. Wiesbadener Literaturtage.© massow-picture
Literaturtage-Gastgeber Christian Brückner (m.) begrüsste Friedenspreisträger Navid Kermani (l) und den Moderator des Abends FAZ-Redakteur Hubert Spiegel im Veranstaltungsraum des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst anläßlich der 19. Wiesbadener Literaturtage.© massow-picture

„Was ist Liebe?“ fragte der neue Friedens-Preisträger des Deutschen Buchhandels Navid Kermani seine gut 250 Zuhörer im Veranstaltungsraum des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst gestern Abend, 19. Juni 2015, auf seiner Lesung anlässlich der 19. Wiesbadener Literaturtage, um sogleich eine Antwort selbst zu geben: Die Frage mutete seltsam an, „obwohl – nein, nicht obwohl – gerade weil sie zu jenen wenigen Fragen gehört, vielleicht sogar wie sonst nur die Frage nach dem Tod, die jeden Menschen ungeachtet seiner Herkunft oder seines Glaubens, seiner Eigenschaften und Neigungen schon einmal persönlich beschäftigt hat oder fortwährend beschäftigt: Was ist Liebe? Es ist eine Frage, die notwendig das Private berührt, insofern jeder,
der sie ernsthaft zu beantworten sucht, von seinen individuellen und also je spezifischen Erfahrungen bewegt ist. Das ist dann doch anders als bei der Frage nach dem Tod, deren Antworten in der Regel absolut erfahrungslos sind oder jedenfalls in den monotheistischen Traditionen für erfahrungslos gehalten werden. Liebe ist maximal empirisch. Das Sonderbare ist nur: Je mehr wir – nein, schon hier verbietet sich die Verallgemeinerung – je mehr ich erfahre, desto weniger weiß ich. Je länger, tiefer, glücklicher oder schmerzhafter ich sie empfinde, über sie nachdenke, sie in meiner Umgebung beobachte, desto schwerer fällt es mir, die Frage zu beantworten: Was ist Liebe?“

Literaturtage-Gastgeber Christian Brückner (m.) begrüsste Friedenspreisträger Navid Kermani (l) und den Moderator des Abends FAZ-Redakteuer Hubert Spiegel im Veranstaltungsraum des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst anläßlich der 19. Wiesbadener Literaturtage.© massow-picture
Friedensbuchpreis-Träger Navid Kermani. „In allen göttlichen Eigenschaften gibt es Barmherzigkeit, nur nicht in der Liebe!“. © massow-picture

Nein, dieser Text entstammt nicht seinem, im Programm der Literaturtage angekündigten Roman „Große Liebe“. Anlässlich des Friedenspreises, der Kermani zum Abschluss der Buchmesse im Oktober in der Frankfurter Pauls-Kirche verliehen wird, hatte sein langjähriger Freund und Lektor, der FAZ-Redakteur Hubert Spiegel vorgeschlagen, zunächst einen Text aus dem Werk seiner west-östlichen literarischen Erkundungen „Zwischen Koran und Kafka“, zu lesen. Was jedoch mit dem gewählten Kapitel daraus „Schmutz meiner Seele. Kleist und die Liebe“ wiederum schnurstracks zur „Liebe“ führte, so poetisch hinterfragt und beschrieben, wie selten ein Autor, obgleich jedoch die grundlegenden Gedanken von den Klassikern zitiert, komprimiert und aus orientalisch-mystischem Erfahrungsschatz erweitert.

9_Kafka_Koran„Denn“, so der Friedenspreisträger Kermani weiter, „die Antworten der Dichter, so begeistert ich sie als junger Mensch las, befriedigten mich mit den Jahren immer weniger, schlimmer noch: führten mich in die Irre, soweit ich das als Irregeführter zu beurteilen vermag. Die Dichter – nun doch eine Verallgemeinerung, zu allem Überfluß eine, die literaturhistorisch grotesk ist, jedoch in der Not gerade des jungen, des beginnenden Lesers sich unvermeidlich einstellte – die Dichter besangen die Liebe als eine Verheißung. Sie sprachen vom Leiden, ja, beschrieben das Beißen ihrer Sehnsucht, das Brennen ihrer Eifersucht, die Prügel ihrer Enttäuschung. Und doch schien die Liebe über alle Abgründe der Verzweiflung, des Verlassenseins, des unstillbaren Verlangens das herrlichste, das höchststehende aller menschlichen Gefühle zu sein. Des Menschen Glück – noch so ein Wort, das man auf Anhieb zu begreifen glaubt und eben deshalb zwischen den Fingern zerrinnt: Glück – des Menschen Glück schien untrennbar von ihr abzuhängen, genauer: schien mit der Liebe zu korrelieren, deren Erfüllung den Liebenden als Beschwingtheit, als Schweben, als Schwerelosigkeit erhebt und ihn damit geradezu physisch spürbar dem Himmel nähert, während die Liebesnot seine 2 Beine buchstäblich so schwermacht, daß er sich durch den Alltag allenfalls noch schleppt, wenn er nicht gleich im Bett bleibt, niedergedrückt auf die Erde.“

„Im nachhinein habe ich den Eindruck“, sagte Navid Kermani, „daß viele Dichter gar nicht von der Liebe sprachen, sondern von der Verliebtheit, deren Symptome so viel leichter zu benennen sind – nachweislich waren es schon vor fünftausend Jahren dasselbe Leeregefühl im Magen, der beschleunigte Pulsschlag, das rasante Auf und Ab der Stimmung, und auch in Zukunft werden es dieselben Torheiten sein, zu denen sich der Liebende hinreißen läßt, die Schwüre, die sämtlich für die Ewigkeit gegeben werden, um häufig doch nur ein paar Wochen zu halten. Wohl deshalb sprachen die Dichter zu mir, der ich auch erst die Verliebtheit kennengelernt hatte. Überhaupt hat die Literatur einen durchaus beträchtlichen Anteil daran, daß sich eine Vorstellung von immerwährender Bezauberung herausgebildet hat, die in der engen Bezogenheit zweier Menschen in der bürgerlichen Kleinfamilie beinah zwangsläufig überfordert und eben irreführt. Die meisten Ehen – auch das gehört zu den Beobachtungen, die mich verwirren – die meisten Ehen scheinen keineswegs an einem Zuwenig an Liebe zu scheitern, sondern einem Zuviel an Erwartungen.“

„Daß die Liebe selbst ein Abgrund sein kann und gerade ihr Übermaß zerstört, das fand ich in der Literatur nirgends“, sagte Navid Kermani, weswegen er diese Lücke literarisch schließen wollte. „Allerdings“, räumte der Orientalist ein „gehörte Heinrich von Kleist nicht zu den Dichtern, die ich als junger Mensch las; oder wenn ich ihn las, dann konnte ich ihn noch nicht auf das eigene Erleben beziehen. Heute glaube ich, daß in deutscher Sprache niemand das Wesen der Liebe tiefer, umfassender, auch illusionsärmer bezeichnet hat als jener Dichter, der mit dem 3 „Ach!“ der Alkmene den berühmtesten Ausdruck für die totale Verwirrtheit der Liebenden geschaffen hat.“ Und so entstand unter anderem auch sein Essay „Schmutz meiner Seele. Kleist und die Liebe“, zu finden in Zwischen Koran und Kafka, 2. Aufl. Beck-Verlag, München 2015.

navid-kermani-liebeEine wunderbare Überleitung zu Kermanis Werk „Große Liebe“, Hanser-Verlag, München 2014, welches vor allem nicht nur über die – eigentlich hoffnungslose – große Lebens-Liebe eines 15jährigen pubertierenden Friedensaktivisten Anfang der 80er Jahre zu einer 19jährigen Studentin handelt, sondern in 100  Kapiteln etliche Facetten von Liebe – mitunter  aus dem Blickwinkel orientalischer gewitzter Weisheit – erscheinen lässt.

Aus Kapitel 1:

Ein König reist durchs Land, in seinem Gefolge Minister, Generale, Soldaten, Beamte, Diener und die Damen seines Harems. Am Wegrand sieht er einen alten, zerlumpten Mann kauern, einen Narren vielleicht. ≫Na, du wurdest wohl auch gern ich sein≪, ruft der Konig spottisch von seinem Elefanten herab. ≫Nein≪, antwortet der Alte, ≫ich mochte nicht ich sein.≪

Aus Kapitel 3

Weshalb denke ich seit vorgestern an den Fünfzehnjahrigen, nein, weshalb schrieb ich gestern über ihn, denn gedacht habe ich seiner oft, vielleicht sogar täglich, seit ich vor dreißig Jahren der Junge war, der die Pausen in der Raucherecke verbrachte, obwohl er weder rauchte noch einen der älteren Schüler kannte, verzagt, sehnsüchtig und mit einem Herzen, das so laut schlug, das er an manchen Tagen erschrocken seine rechte Hand auf die Brust legte? Als ich vorgestern bei dem persischen Dichter Attar die Anekdote von dem Alten las, der nicht ich sein mochte, überfiel mich der Gedanke, das eben darin, in dem Wunsch, sich loszuwerden, meine erste, niemals grössere Liebe gegründet sei.  Später nämlich, später, wenn man sich gefunden zu haben meint, will man sich doch oder wollte jedenfalls ich mich behalten, bestand ich auf mir und erst recht in der Liebe. Der Leser wird einwenden, ein unbedarfter Junge sei nicht mit einem heiligen Narren zu vergleichen, der Ichverlust, den er als Pubertierender womöglich anstrebe – einmal beiseite gelassen, dass man die Pubertät gewöhnlich gerade im Gegenteil als eine Ichsuche beschreibt –, der Ichverlust grundsätzlich anderen Gehalts als auf dem mystischen Weg, gänzlich banal. In der Hoffnung habe ich gestern zu schreiben begonnen, das ich den Leser widerlege.

Der Leser darf sich den Jungen nicht eigentlich befangen, verwirrt, schwachmutig vorstellen. In seiner eigenen Klasse bewegte er sich mit breiter Brust, galt manchen Mitschülern als überheblich, den Lehrern als aufmüpfig, das Wort der Eltern missachtete er oft. Auch war er nicht ganz ohne Erfahrung, zog mit seinen langen dunklen Locken durchaus die Blicke auf sich. Mit gleichaltrigen Mädchen war er schon mehrmals ≫gegangen ≪, wie es noch hieß. Das er mit keiner geschlafen hatte, war für das Alter nicht ungewöhnlich, beunruhigte ihn jedenfalls kaum. Sosehr ihn das Geheimnis beschäftigte, das die Vereinigung zweier Körper ihm war, ahnte er zugleich dessen Bedeutung im Leben und hatte sich vorgenommen, auf eine Verbindung zu warten, die den Namen Liebe verdiente. An die Schönste des Schulhofs dachte er nicht. Als er die Pausen bereits in der Raucherecke verbrachte, dachte er nicht im Traum oder genau gesagt ausschließlich unter der Bettdecke daran, sie jemals zu küssen, sie nackt vor sich zu sehen. So viel Wirklichkeitssinn besaß er, um zu erkennen, das die Schönste sich nicht für jemanden interessieren wurde, der noch zu jung für die Raucherecke war. Der Leser darf eine plausible Erklärung erwarten, warum es den Jungen dennoch zwischen die breiteren Rucken zog, wo er sich tatsachlich so befangen, verwirrt und schwachmutig fühlen musste, wie ich es auf der gestrigen Seite beschrieb. Seit vier Tagen versuche ich mir den Hergang zu erklären, meine Erinnerung ähnelt hier einem Film, aus dem ein Zensor die entscheidenden Szenen herausgeschnitten hat. Ich habe vor Augen, wie der Junge in einem langen Gang, der zwei Gebäude des Gymnasiums verband, auf die Schönste zulief, wie ihre Blicke sich trafen und sofort wieder trennten, sich ein zweites und drittes Mal begegneten; ich vergesse nie das Lächeln, das er auf ihren Lippen wahrzunehmen meinte, bevor sie aus dem Sichtfeld trat; ich erinnere mich vage der süßlichen Phantasien, denen er sich auf den restlichen Metern des Gangs und noch im Unterricht überlies, ohne länger als Sekunden an die Erfüllung zu glauben, er als ihr Geliebter, sie beide Hand in Hand, die erstaunten Blicke seiner Klassenkameraden. Danach steht er im Film, den der Zensor geschnitten hat, bereits zwischen den breiteren Rücken. Nur mutmaßen kann ich, wieviel Überwindung es ihn kostete, sich in die Raucherecke zu stellen und, mehr noch: jede Pause wiederzukehren, sofern keiner der strengen Lehrer Aufsicht führte, jede Pause die Blicke zu ertragen, die über die Schultern geworfen wurden, jede Pause dem getuschelten Spott zu trotzen, den er zu hören glaubte, zwei oder drei Schritte von der Schönsten entfernt, unter dem Schattendunkel ihres Haars – gut, sie war blond – ihr Gesichtchen eine Lampe oder war auch eine Fackel, umflattert von Rabengefieder, wie der Dichter Nizami im 12. Jahrhundert über die sagenhafte Leila schrieb: ≫Wessen Herz hatte beim Anblick dieses Mädchens nicht Sehnsucht gefühlt? Aber Madschnun fühlte mehr! Er war ertrunken im Liebesmeer, noch ehe er wusste, dass es Liebe gibt. Er hatte sein Herz schon an Leila verschenkt, ehe er noch bedenken konnte, was er da weggab.≪“

Gelesen aus Navid Kermani: „Große Liebe“, Hanser-Verlag, München 2014,

Andrea Volland kommt kaum nach beim Verkauf Navid Kermanis Werke © massow-picture
Andrea Volland kommt kaum nach beim Verkauf Navid Kermanis Werke © massow-picture

Bücher und Hörbücher, gesprochen von Christian Brückner und Schauspielerin Eva Mattes (am 21.6.15 in Villa Clementine), fanden über einen Büchertisch der Alpha-Buchhandlung,  Schwalbacher Strasse 9, 65185 Wiesbaden(hier Andrea Volland voll in Action) reißenden Absatz.

19. Wiesbadener Literaturtage 2015 mit Ror Wolfs Collagen über zerschnetzeltes Leben eröffnet

Weiteres Programm der 19. Wiesbadener Literaturtage bis zum 21. Juni 2015

Umrahmt von den Jazzmusikern Michael Wollny (li) Piano und Heinz Sauer (Saxophon) wurden am vergangenen Sonntag feierlich die 19. Literaturtage in der Aula des Kunsthauses am Schulberg 10 eröffnet.
Umrahmt von den Jazzmusikern Michael Wollny (li) Piano und Heinz Sauer (Saxophon) wurden am vergangenen Sonntag feierlich die 19. Literaturtage in der Aula des Kunsthauses am Schulberg 10 eröffnet.

Gestern Vormittag, am 14. Juni 2015, wurden in der Aula des Kunsthauses am Schulberg 10 die 19. Wiesbadener Literaturtage eröffnet mit einer fulminanten Rede des Schriftstellers Michael Lentz anlässlich der Vernissage zur Collagen-Ausstellung Spaziergänge in der zerschnetzelten Welt des Mainzer Schriftstellers Ror Wolf. Die Ausstellung ist bis zum 5. Juli zu sehen.
Gegen 19. 30 Uhr las Kulturtage-Gastgeber Christian Brückner aus den literarischen Werken Ror Wolfs. Beide Veranstaltungen zu den beiden Sprachen Ror Wolfs wurden musikalisch umrahmt vom Jazz-Duo Michael Wollny (Piano) und Heinz Sauer (Saxophon).

Rose-Lore Scholz, Kulturdezernentin wies nochmals auf den Kunstsparten übergreifenden Ansatz hin. © massow-picture
Rose-Lore Scholz, Kulturdezernentin wies nochmals auf den Kunstsparten übergreifenden Ansatz hin. © massow-picture

In ihren Eröffnungsgrußworten skizzierten Kulturdezernentin Rose-Lore-Scholz und Dr. Helmut Müller, Geschäftsführer des Kulturfonds Frankfurt RheinMain, das künstlerische Sparten übergreifende Konzept von Literatur, bildender Kunst, Musik und Hörbuch, das den Wiesbadener Literaturtagen 2015 zugrunde liege. Bei der Vermittlung von Literatur, Darstellung von bildender Kunst oder Darbietung von Musik ginge es immer auch um den Transit, nämlich um das, was

Dr. Helmut Müller, Geschäftsführer des Kulturfond Frankfurt
Dr. Helmut Müller, Geschäftsführer des Kulturfond Frankfurt RheinMain erläuterte das Konzept des Transit, den Geschichten zwischen den Geschichten.© massow-picture

passiere, wenn nicht nur Menschen, sondern auch Gedanken zueinander kommen, schnell zueinander kommen. Und was daraus entstünde, gelte natürlich auch für die Künste: „das was jemand sagt, entspricht ganz selten dem, was jemand versteht. Der Punkt der Vermittlung, der Transit dazwischen, ist das Spannende“, zitierte Dr. Helmut Müller den Gastgeber der Literaturtage Christian Brückner, einer der wohl bekanntesten und zur Zeit besten Synchron- und Hörbuchsprecher, der noch bis zum 21. Juni durch die 19. Wiesbadener Literaturtage führen wird.

Literaturtage-Gastgeber Christian Brückner eröffnet die 19. Wiesbadener Literaturtage
Literaturtage-Gastgeber Christian Brückner eröffnet die 19. Wiesbadener Literaturtage in Beisein von Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz, Dr. Helmut Müller, Geschäftsführer des Kulturfond Frankfurt RheinMain, Schriftsteller Michael Lentz (Laudator), Susanne Lewalter (Leiterin des Literaturhauses Villa Clementine) u.a.© massow-picture

„Als ich die Einladung erhielt und zusagte, fragte ich mich sofort, wer kommen sollte. Für mich gab es keine Frage: Ror Wolf sollte dabei sein!“, eröffnet Christian Brückner die Literaturtage. Erster tosender Applaus eines kundigen Publikums. Denn bei Insidern zwar gefeiert, habe Ror Wolf, so Christian Brückner, nicht die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erfahren, die er hätte erfahren müssen. Wolf sei ein Ausnahmekünstler, ein Monolith, ein Solitär in dieser literarischen Landschaft, glorifizierte Brückner den Mainzer Autor mit Recht. „Aber vielleicht sei Ror Wolf auf den ersten Blick nicht so einfach zu verdauen. Er ginge einen nicht so runter, „sondern es bedarf dessen, was insgesamt fehlt in unserer Kultur, in unserer Gesellschaft: Den zweiten Blick, die Beschäftigung, das Wiederlesen, das Wiederhören, das Wiedersehen, das Hingucken, das Sich-nicht-damit-Zufriedengeben“ und das Fragen „Vielleicht ist doch etwas dran?“.

Ror Wolf, 1932 in Saalfeld/Thüringen geboren und nach 34 Umzügen seit vielen Jahren in Mainz lebend, konnte aus gesundheitlichen Gründen persönlich nicht anwesend sein, bedauerte Christian Brückner, hoffte aber, oder war sich fast ganz sicher, „dass er auf alle Fälle daran teilnimmt, was hier geschieht.“ In beiden Veranstaltungen ginge es letzten Endes um die selbe Geschichte, nämlich um die zwei Sprachen des Ror Wolfs, die Sprache der Literatur und die Sprache seiner Collagen.

Was seien Ror Wolfs Collagen anderes als unter anderem Sprache. Sie seien nicht Literatur, aber Sprache. „Gucken Sie hin, machen Sie die Ohren auf, und dann hören Sie, was gesagt wird, was mitgeteilt wird! Dass ist das, was Sie selbst sozusagen aufnehmen können, was Sie selbst machen, dazu machen, zu etwas, was so intensiv ist und so die Menschen erreichen kann , nicht muss“, lud Brückner ein, sich auf Ror Wolfs bizarre zerschnetzelte Welten einzulassen.

Ror Wolfs Collagen seien keine Illustrationen zu dem, was Ror Wolf schreibt. Diese Collagen, so Brückner, seien in ihrer Weise so total selbständig, dass sie auch in den Büchern, wo sie auftauchten, die Geschichten eben nicht illustrierten, sondern daneben ein wiederum anderes Leben führten.

Das Thema der Geschichte, hieße genau wie das Thema dieser Woche: „Wie Sprache geht und wie Geschichten kommen!“, unterstrich Brückner und fragte ins Publikum: „Und was alles ist Sprache?“, „Hier diese wohlwollenden Worte in freundlicher Sprache (anspielend auf Scholz, Müller), die Musik dieser beiden Gentlemen (Pianist Wollny, Tenorsaxophonist Heinz Sauer), diese unglaubliche Musik, was für eine Sprache, unter anderem.“ Und leitete über zur bevorstehenden kenntnisreichen sprachlichen Einführung Michael Lentz in die Werke Ror Wolfs, „wieder eine andere Sprache“. Und seine eigene Sprache als Gastgeber pointierte Brückner mit der Bemerkung: „Ich mache ein paar galante Gedanken mit Sätzen uns so (…), auch wieder eine Sprache, und dann das Entscheidende: Die Wolf’sche Sprache.“ Und wenn die zu Worte käme, so Brückner, und wenn die eine Resonanz fände an diesem Tage und vielleicht sogar bei einzeln – es ginge nur um einzelne, denen etwas imponiere, für die Legionen funktioniere das nicht – und wenn das passiere, das ein einzelner von Ror Wolfs Sprache ergriffen würde, „dann wäre eigentlich schon alles erreicht, was wir hier in unserer Ansprache gerne hätten erreichen wollen“.

Michael Lentz Einführung zu Ror Wolfs Zerschnetzeltwelten

 

Schrifsteller Michael Lentz hielt die Laudatio auf Ror Wolf und führte ins graphische wie literarische Werk des Ausnahmekünstlers gekonnt und mitreißend  ein. Lentz gilt als der derzeit beste Kenner Ror Wolf'scher Werke. © massow-picture
Schrifsteller Michael Lentz hielt die Laudatio auf Ror Wolf und führte ins graphische wie literarische Werk des Ausnahmekünstlers gekonnt und mitreißend ein. Lentz gilt als der derzeit beste Kenner Ror Wolf’scher Werke. © massow-picture

„Man könnte das, was Ror Wolf macht in Text und Bild, nennen: zwischen Mechanik und Metaphysik“ fasste der Schriftsteller und derzeit beste Ror Wolf Experte, Michel Lentz, Wolfs Arbeit in einen ersten Leitgedanken als kleine Orientierungshilfe vorweg zusammen. Mit Veröffentlichungen in der Frankfurter Studentenzeitung Diskus habe es angefangen. Ror Wolf habe Collagen veröffentlich, „von deren Herstellung er seitdem nicht lassen kann.“ Das habe er in erster Linie zur Entspannung gemacht, um sich ein wenig vom Schreiben zu erholen. Inzwischen seien auf diese Weise rund 5000 Collagen entstanden, Zerschnetzelwelten, von denen nur eine kleine Auswahl gezeigt werden kann.
„Bis heute gewinnt Ror Wolf das Material zu diesen Collagen überwiegend aus Illustrierten, Enzyklopädien, populärwissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften, vorwiegend der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in denen die Holzschnitt- und Stahltechnik zur Anwendung kamen“. Auch Trivialromane dienten ihm, so Michael Lentz, als Material-Reservoir.

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Buchtipp: Ror Wolf, alias Raoul-Tranchirers: Notizen-aus-dem-zerschnetzelten-Leben

„Mit seiner jüngsten Unternehmung Raoul Tranchirers Notizen aus dem zerschnetzelten Leben, schließe Raoul Tranchirer, alias Ror Wolf, seine Enzyklopädie für unerschrockene Leser in zweihundert Notizen genannten Prosastücken von A wie Abbildung bis Z wie Zusammensinken und knapp 300 visuellen Collagen ab.“ Ror Wolf, so Lentz weiter, befreie „die Ordnungsinstanz Enzyklopädie von der sich bürgerlich selbstvergewissernden Funktion: Wissen zu sammeln, und zum Teil unter populärer Aufbereitung einer interessierten geneigten Allgemeinheit zur Einsicht zu geben“. Gleichzeitig schaffe die Wolf‘sche Enzyklopädie emanzipatorische Kraft: Sie könne „das Reale vom ‚nur‘ Aktuellen befreien, und widerständig gegen alle Hoffnungslosigkeit dem geneigten Leser zur Verfügung stellen“, pointierte Lentz. „Die Enzyklopädie für Unerschrockene Leser kombiniere die miteinander konkurrierende systematische und die alphabetische Anordnung einer Enzyklopädie, indem unter der thematischen Zentral-Chiffre, also zum Beispiel zerschnetzeltes Leben, alle für Ror Wolf, alias Raoul Tranchirer, relevanten Sachen nicht nach ihrer Wichtigkeit, sondern alphabetisch gelistet seien.“

Die stabile Instabilität bei Ror Wolf
So seien Roul Wolf’s Enzyklopädien nach Prinzip selbst zerschnetzelt. Seine Erzählwelten machten, so Michael Lentz, „das Zufällige, das Unwahrscheinliche, aber auch das völlig Belanglose zum Fundament einer imaginären Science als Lese-, Seh- und Hörerfahrung, deren einzige Stabilität das Instabile sei. Stabil sei das Erscheinen der den Leser vertrauten Dinge, mit denen die Figuren in Berührung kämen wie Tische, Teller, Boden, Spiegel, Waschbecken, Fenster und Caféhaus, ein Teil des irdischen Inventars, der ersten beiden Seiten, aus dem vor zwei Jahren erschienenen Horrorroman „Die Vorzüge der Dunkelheit . 29 Versuche, die Welt zu verschlingen.“

Stabile Instabilität sei auch das Kennzeichen von Ror Wolfs Bildcollagen. „Instabilität würde auf der inhaltlichen Ebene durch die dem Prinzip Collage verpflichteten Verknüpfungen paradoxer Unwahrscheinlichkeiten erzeugt. Kompositorisch aber als Großes und Ganzes wirkten diese Gebilde ungeheuer stabil. Diese Erfahrung, das inhaltliches Nichts zur Form durchschlagen müsse, gleichwohl durch eine kompositorische raffinierte instabile Form prägnanter herausgestellt werde als eine Welt umgekehrter Kapriolen und funkelnder Figuren, mache das reizvoll Naive von Ror Wolfs Kunst aus“, konstatierte Michael Lentz höchst amüsant.
Lentz rief seinen Zuhörern zu: „Hier können sie Kind sein und staunen, und eines Umstandes sicher sein, dessen metaphysische Ungesichertheit uns aus den Träumen schrecken lässt, sollten wir denn je geträumt haben und erwacht sein. Wir sind nun mal in der Welt, und schnell fallen wir nicht aus ihr heraus, wir fallen, falls, durch sie hindurch und in sie hinein, zumindest nicht runter (…) von Ror Wolfs Welten“.

Das Plötzliche im Zerschnetzelten
Das große Thema Ror Wolfs sei das „Plötzliche“, Roul Tranchirers, alias Wolfs, Notizen aus dem Zerschnetzelten Leben sei gar eine Hommage an das Plötzliche, wovon folgender Text Wolfs zeugte: „Plötzlich nachts stand ich auf, und dachte nichts. Alles, was ich beobachtete, verschwand sofort. Ich bemerkte plötzlich, dass ich in meiner Wohnung herumstand, und offenbar etwas suchte, aber ich hatte vergessen, was ich suchte. Plötzlich fiel mir ein, dass ich schon lange in meiner Wohnung herumstand, also suchte ich schon auch lange nach Etwas, das ich vergessen hatte. Plötzlich hatte ich auch das Suchen vergessen, ich hatte auch plötzlich das Stehen vergessen, aber plötzlich bemerkte ich, dass ich lief, dass ich herumlief. Plötzlich bemerkte ich mein Herumlaufen und sagte: „Wenn ich herumlaufe, muss ich etwas suchen! Aber was ist es? Was suche ich?, sagte ich“. Michael Lentz verdeutlichte hiermit, wie das vom ihm zitierte „Ich“ aus Roul Tranchirers Notizen aus dem Zerschnetzelten Leben plötzlich seine raumzeitliche Orientierung verloren hat, nämlich, dass Rouls Ich über bloße situative Bewusstseinsreste hinaus keinen Zugriff mehr auf Gedächtnisinhalte habe. Rouls „Ich“ hielte sich nur so beisammen, wie die Artikulation des Ich-Sagens.

Das Plötzliche – Metapher menschlicher Demenzphobie?
Rouls Text „Plötzlich“ erinnert uns an eigene erste erschütternde Vergesslichkeits- oder gar Blackout-Episoden, an gedächtnisverlustbedingte Existenzbedrohung oder gar an eine juvenale Demenz, deren Charakter für Betroffene im Erleben ja darin liegt, immer öfters selbst Alltagsroutinen als neue Ereignisse zu erleben, da die Zusammenhänge dazwischen, der Transit zwischen dem dem davor oder daneben, vergessen wurden. Mit wachsender Demenz erleben Menschen ihr Leben gewissermaßen ähnlich zerschnetzelt, wie in Rouls, alias Wolfs, Notizen über das Plötzliche aus einem zerschnetzelten Leben, Ror Wolfs intensive Thematisierung des „Plötzlichen“ im „Zerschnetzelten Leben“ dürfte, gemessen an seinem Text „Plötzlich“, somit auch explizit eine Metapher menschlich diffuser Demenzphobien sein, mit denen er, eventuell aus eigener Erfahrung selbst auf der Grenze balancierend, gerne spielt, und uns Betrachter, jedenfalls mich, wohl mehr gruselt als mit all seinen bizarren, blutrünstigen collagierten Abgrundszenarien, die auf eine zerrissene, höchst instabile Welt hinweisen. Denn was wäre bedrohlicher als der allmähliche oder plötzliche Verlust von „Kontrolle“ über uns selbst und unsere Bezüge in unsere Welt.

Ein Hauch von Thanatos
„Tritt man näher heran an die Collagen“, erläuterte Lentz, „sieht man die avatar-ertastbare Erhabenheit der einzelnen Elemente vor ihrem neuen Hintergrund, auf den sie aufgeklebt wurden. Betrachtet man die Collagen nicht ganz aus der Nähe, verschwinden diese Grenzen des Heterogenen.“ Ror Wolf wollte nicht, das man die Schnittkanten seiner zu Collagen auf den Untergrund geklebten „Schnetzel“ sieht, und man muss schon sehr nah herangehen, um winzige Schattenkanten zu erspähen.

Wir erfassen die Collagen ohnehin als Einheit, als ein ganzes Bild, und nicht in ihren Fragmenten, in Schnetzeln. Die besondere Spannung der Kollagen entsteht durch ihre Täuschung, nämlich dass sie zunächst beruhigend zu wirken scheinen. „Wir haben die Figuren, Gegenstände, Landschaften und Situationen schon einmal irgendwo gesehen, in Büchern, im Leben, sie sind uns in ihrer Eigenart vertraut, wir können sie zeitlich und topographisch ungefähr zuordnen.“, erklärt Lentz, aber manches, so in seiner Einführung weiter, habe Ror Wolf mit Bedacht so angeschnitten, dass Wiedererkennbarkeit und Zuordnung nicht ohne weiteres gewährleistet seien. Beispielsweise rage an den Rändern ein Kopf, eine halbe Figur, oder ein Teil einer merkwürdigen Maschine ins Bild. Sei der Torso bedrohlich, oder kann der Fremdkörper nicht genau identifiziert werden, und vorbei sei es mit der Stabilität des „Bekannten“. Wir würden überrascht, dass die Dinge auf den zweiten oder dritten Blick bei weitem nicht sind, was sie zunächst zu sein scheinen. Unsere Referenzrahmen seien zerstört, und es sei die Kunst Roul Tranchirers, alias Ror Wolf, „einen neuen Referenzrahmen als Regulativ der Bildkomposition von vornherein zu imaginieren. Und so finden sich Referenzrahmen im Bildelement, mit innerer Unendlichkeit. Das eine (Bildelement) ist ohne das andere nicht zu denken.“

Die Komplementarität der Bildschnetzel in Wolfs Collagen verdeutlichte Michael Lentz an einer kleinen Collage (siehe Abbildung links): „Die Dunkelheit der Frau im Brautkleid, die auf einem Kissen auf Schnee zu liegen scheint, der Sonnenuntergang am Horizont des Meeres, oder ist das eine Schneelandschaft, die Schwarze Hand, die von unten rechts ins Bild eingreift, sie bilden eine Dreiecksbeziehung, die fortan unverbrüchlich ist. Feuer, Wasser, Hitze und Kälte, ein Hauch von Thanatos, und diese Hand, die soeben möglicherweise voller Inbrunst vom Leben in den Tod befördert hat, und sich nach der kalten Schönheit sehnt, die Hand dirigiert die Vergänglichkeit der Schönheit“ beschreibt Michael Lentz Wolfs Collage und weist auf den Titel eines Sonetts des Barockdichters Hofmann von Hofmannswaldau aus dem 17. Jahrhundert hin, dessen erste vier Zeilen bei dieser Collage Pate gestanden haben könnten, wenn es dort heißt:
„Es wird der bleiche Tod mit seiner kalten Hand
Dir endlich mit der Zeit um deine Brüste streichen,
Der lieblich Korall der Lippen wird verbleichen;
Der Schultern warmer Schnee wird werden kalter Sand.“

Alle Collagen Ror Wolfs geben Rätsel auf. „Diese Rätsel, die sich mit jedem Betrachter neu stellen, sind von
der Art, dass sie nicht gelöst werden müssen“, beruhigte Michael Lentz. Im Gegenteil: Die Rätselhaftigkeit der Collagen begründeten wohl erst das ästhetische Wohlgefallen, und das Bedrohliche, das man in den Collagen fände, so Lentz, dessen zweites Collagenbeispiel (siehe Abbildung) an „Abgrundtiefe“ der ersten „Schneztelei“ in nichts nachsteht: „Ein Specht von der Vertikalen in die Horizontale verlagert, eine sitzende Frau die den Kopf auf die Tischplatte gelegt hat, die linke Hand vielleicht auch die rechte verdeckt ihr Gesicht, vielleicht wähnt sie sich nicht alleine und will ihre Tränen verbergen, ein tatsächlich noch im Koffer platziertes Kofferradio, was sehr schön mittig platziert wird, ein Geistertrio, das sich hier wie selbstverständlich zusammengefunden hat, beschienen von einer Petroleumlampe. Die Rückenlinie der Frau korrespondiert mit der Rückenlinie der mit einer Linksdrehung in die Horizontale beförderten Buntspechts, dessen Kopfzeichnung etwas Dachshaftes hat.“, seziert Michael Lentz Wolfs Collage und wirft zugleich allerlei anregende Fragen auf: wie der Specht auf die Frau kommt, wieso der Vogel so groß ist, oder ob die Frau ihn mit einem Schnabelhieb ins Jenseits befördert habe, was das denn für ein Licht sei, welches den Specht und die Tischplatte von oben anstrahle, und was die Petroleumlampe unten rechts bedeute.

Ja, man könne vor manchen Collagen einen halben Tag verbringen, um ihren Geheimnissen näher zu kommen. Und jeder wird eine eigene Beziehung zur Bilder-Sprache Ror Wolfs entwickeln, wird seine eigenen Geschichten dazu finden.

Auch die anderen Autoren im Programm der noch bis zum 21. Juni veranstalteten Wiesbadener Literaturtage an verschiedenen Veranstaltungsorten der Landeshauptstadt versprechen spannende Momente und die Entdeckung neuer Welten.

Programm der 19. Wiesbadener Literaturtage bis zum 21. Juni 2015

Abend-Lesung: Die wundersamen Welten des Ror Wolf

Am Abend las Christian Brückner unter dem Titel Die wundersamen Welten des Ror Wolf aus Wolfs Büchern. © massow-picture
Am Abend las Christian Brückner unter dem Titel Die wundersamen Welten des Ror Wolf aus Wolfs Büchern. © massow-picture

Am Abend würdigte Literaturtage-Gastgeber Christian Brückner inmitten der Collagen-Ausstellung den ebenso sprachmächtigen wie fabelhaften Schriftsteller Ror Wolf in einer Lesung. Ursprünglich hieß Ror Wolf Richard Wolf. Er veröffentlichte, wie beispielsweise seine Notizen aus dem geschnetzelten Leben, auch unter dem Pseudonym Raoul Tranchirer.

Jazzlegende Heinz Sauer am Saxophon.  © massow-picture
Jazzlegende Heinz Sauer am Saxophon. © massow-picture

Der Pianist Michael Wollny und der Tenorsaxophonist Heinz Sauer begleiteten den Abend mit großartigen Eigenkompositionen – ein Duo, das nicht nur der Jazzkenner Ror Wolf besonders schätzt.

 

 

 

Weiteres Programm der 19. Wiesbadener Literaturtage bis zum 21. Juni 2015

Diether v. Goddenthow (rhein.main.eurokunst.com)

Ror Wolfs Werke und Enzyklopädie für unerschrockene Leser

Ror Wolfs Werke gibt es in guten Buchhandlungen. Foto: Büchertisch der Buchhandlung Dr. Vaternahm An den Quellen   © massow-picture
Ror Wolfs Werke gibt es in guten Buchhandlungen. Foto: Büchertisch der Buchhandlung Dr. Vaternahm An den Quellen © massow-picture

Ror Wolf Werke (RWW)

Band 1: Friedmar Apel (Hrsg.): Im Zustand vergrößerter Ruhe. Die Gedichte. Schöffling & Co., 2009.
Band 2: Kai U. Jürgens (Hrsg.): Prosa I: Fortsetzung des Berichts. Schöffling & Co., 2010, ISBN 978-3-89561-921-2
Band 3: Kay Sokolowsky (Hrsg.): Prosa II: Pilzer und Pelzer. Schöffling & Co., 2010.
Band 4: Kai U. Jürgens (Hrsg.): Prosa III: Die Gefährlichkeit der großen Ebene. Schöffling & Co., 2012, ISBN 978-3-89561-922-9.
Band 5: Kai U. Jürgens (Hrsg.): Prosa IV: Nachrichten aus der bewohnten Welt. Schöffling & Co., 2014, ISBN 978-3-89561-924-3.
Band 7: Hans Burkhard Schlichting (Hrsg.): Die Einsamkeit des Meeresgrunds. Die Hörspiele. Schöffling & Co., 2012, ISBN 978-3-89561-917-5.
Band 9: Thomas Schröder (Hrsg.): Raoul Tranchirers Enzyklopädie für unerschrockene Leser. Band II, Schöffling & Co., 2009.

Enzyklopädie für unerschrockene Leser

Band 1: Raoul Tranchirers vielseitiger großer Ratschläger für alle Fälle der Welt. Anabas-Verlag 1983; erw. Neuausgabe Schöffling & Co. 1999.
als Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2009,
Band 2: Raoul Tranchirers Mitteilungen an Ratlose. Haffmans 1988; erw. Neuausgabe Anabas 1997.
Band 3: Raoul Tranchirers Welt- und Wirklichkeitslehre aus dem Reich des Fleisches, der Erde, der Luft, des Wassers und der Gefühle. Anabas 1990.
Band 4: Tranchirers letzte Gedanken über die Vermehrung der Lust und des Schreckens. Anabas 1994.
Band 5: Raoul Tranchirers Enzyklopädie für unerschrockene Leser & ihre überschaubaren Folgen. Anabas 2002.
Band 6: Raoul Tranchirers Bemerkungen über die Stille. Schöffling & Co. 2005.
Band 7: Raoul Tranchirers Notizen aus dem zerschnetzelten Leben. Schöffling & Co, Frankfurt am Main 2014

Wiesbadener Literaturtage starten am 14. Juni im Kunsthaus mit Ausstellungseröffnung: Collagen von Ror Wolf

Am Sonntag, dem 14. Juni findet um 11.00 Uhr im Kunsthaus aus dem Schulberg die kostenfreie Auftaktveranstaltung mit Collagen von Ror Wolf und ab 19.30 Uhr (kostenpflichtig) liest Christian Brückner Texte Ror Wolfs (siehe unten)

ror-wolf-collagencoverDie Wiesbadener Literaturtage werden am Sonntag, 14. Juni, um 11 Uhr mit der Ausstellung „Spaziergänge in der zerschnetzelten Welt“ in der Aula des Kunsthauses, Schulberg 10, eröffnet. Ausgestellt werden Collagen des Mainzer Schriftstellers Ror Wolf. Der Schriftsteller Michael Lentz gibt eine Einführung in die Ausstellung und das Jazzduo Michael Wollny, Pianist, und Heinz Sauer, Saxophon, begleiten die Einführung musikalisch.

Ror Wolf ist nicht nur Autor,sondern auch Collagist. Für Ror Wolf ist das in erster Linie eine schöne Entspannungsübung, die ihm Erholung vom Schreiben gewährt. Im Laufe seines Lebens sind rund 5000 Collagen entstanden, von denen eine kleine Auswahl in der Ausstellung zu sehen ist. Als Grundlage dient ihm hauptsächlich Material aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, illustrierte Zeitschriften der damals üblichen Holzschnitt- oder Stahlstich-Technik, illustrierte populärwissenschaftliche Bücher und ebensolche Trivialromane, wobei er stets Wert darauf legt, dass man die Schnittkanten nicht sieht.

Der Autor und Schriftsteller wurde 1932 in Saalfeld/Thüringen geboren und lebt seit vielen Jahren in Mainz. Er studierte in Frankfurt am Main Literatur, Soziologie und Philosophie und begann dort Ende der 50er Jahre zu veröffentlichen: Lyrik, Prosa, Kritiken und Bildcollagen. Für sein reichhaltiges Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der schönen Künste und dem Friedrich-Hölderlin-Preis. Anfang Juli 2015 erhält er zudem den Günter-Eich-Preis.

Die Ausstellung ist vom 14. bis 5. Juli bei freiem Eintritt im Kunsthaus zu sehen. Die Öffnungszeiten sind von Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr und Donnerstag von 11 bis 19 Uhr. Weitere Informationen gibt es unter

http://www.wiesbaden.de/literaturhaus.

Abendveranstaltung in Kunsthaus zum Auftakt der Wiesbadener Literaturtage
Christian Brückner liest Ror Wolf

pr-literaturtage160Zum Auftakt der Literaturtage liest der diesjährige Gastgeber Christian Brückner am Sonntag, 14. Juni, um 19.30 Uhr im Kunsthaus, Schulberg 10, aus Texten von Ror Wolf. Begleitet wird die Lesung „Die wundersamen Welten des Ror Wolf“ von den Jazzmusikern Michael Wollny und Heinz Sauer. Darüber hinaus sind Wolfs Collagen im Kunsthaus zu sehen.

Der Schriftsteller Ror Wolf hieß ursprünglich Richard Wolf und hat auch unter dem Pseudonym Raoul Tranchirer veröffentlicht.
Getroffen haben sich Tenorsaxophonist Heinz Sauer und Pianist Michael Wollny bereits im Jahr 2000: Wollny stellte sich damals dem Jazzensemble des Hessischen Rundfunks vor und Sauer wurde auf den jungen Jazzer aufmerksam.

Die Karten kosten im Vorverkauf 14,10 Euro, ermäßigt 11,10 Euro, und an der Abendkasse 16 Euro, ermäßigt 13 Euro. Karten sind im Vorverkauf in der Tourist Information Wiesbaden, Marktplatz 1, Telefon 0611 1729930, bei Galeria Kaufhof, Telefon 0611 304808, oder 0611 376444 sowie online unter http://www.wiesbaden.de/literaturtage erhältlich. Unter dieser Internetadresse gibt es auch weitere Informationen zu den Literaturtagen.

Spannende 19. Wiesbadener Literaturtage vom 14. bis 21. Juni 2015

Rose-Lore Scholz, Kulturdezerentin der Landeshauptstadt Wiesbaden stellt den Gastgeber der diesjährigen 19. Wiesbadener Literaturtage, den bekannten Hörbuch- und Filmsynchronsprecher Christian Brückner vor.
Rose-Lore Scholz, Kulturdezerentin der Landeshauptstadt Wiesbaden, stellt den Gastgeber der diesjährigen 19. Wiesbadener Literaturtage, den bekannten Hörbuch- und Filmsynchronsprecher Christian Brückner, vor. © massow-picture

 

Die 19. Wiesbadener Literaturtage vom 14. bis 21. Juni stehen an. Gastgeber ist erstmals kein professioneller Schriftsteller, sondern eine  prominente Stimme der Literatur, der Hörbuch- und Filmsynchronsprecher Christian Brückner. Mit ihm versprechen sich die Veranstalter, das Kulturamt  und das Literaturhaus  eine ideale Umsetzung des erweiterten, künstlerische Sparten übergreifende  Konzept: „Christian Brückner steht mit seiner künstlerischen Arbeit für einen Transit zwischen Buch, dem Hörbuch, der medialen Inszenierung von Literatur, der Musik und der bildenden Kunst. Dies prädestiniert ihn für die Gastgeberrolle bei den Wiesbadener Literaturtagen“, stellte gestern Rose-Lore Scholz, Kulturdezernentin der Landeshauptstadt Wiesbaden,  den Gastgeber der 19. Wiesbadener Literaturtage der Presse im Literaturhaus vor.

Der mit vielen Lese- und Hörbuch-Preisen überhäufte Christian Brücker gilt derzeit als Deutschlands prominenteste Stimme (The Voice). Der 71jährige ist ein stimmlicher Darsteller, der „gern nach Wiesbaden kommt“. Gemeinsam mit Susanne Lewalter, Leiterin des Literaturhauses, hat er ein achttägiges spannendes spartenübergreifendes Veranstaltungs-Programm mit Lesungen, Vorlesungen, Konzerten und Kunstausstellungen zusammengestellt, „welches“, so Brückner, nicht bloß prominente Namen und Höhepunkte aneinanderreihe oder zusammensappere, sondern sich aus einer inneren Notwendigkeit heraus ergebe“. Er möchte erkunden wie „Sprache geht und die Geschichten kommen“, die Sprache der Worte, der Musik, die Sprache der Kunst, die Sprache des Miteinanders, und wie wir mit Sprache arbeiteten, sie bisweilen überwölbten, gar überwucherten, sie zurückstutzten. Sprache bedeute kulturelle Wurzeln, Wurzeln mit vielen Verzweigungen, für das auch das vielfältige Programm der Literaturtage stehe:

Auftakt bildet am 14. Juni 2015, 11 Uhr,  die Ausstellung einzigartiger Collagen des eigensinnigen Ausnahmekünstlers Ror Wolf in der Aula des Kunsthauses. Am Abend, 19.30 Uhr, eröffnet dort Christian Brückner gemeinsam mit dem Duo Michael Wollny (Pianist) und Heinz Sauer (Tenorsaxofonist) das Programm mit Ror Wolfs Texten, die er in der Literaturszene zur Zeit für einzigartig hält (das komplette Programm, siehe unten).

Da solch spartenübergreifender Ansatz der Literaturtage exakt die Idee des Transit-Gedankens des Kulturfonds Rhein-Main trifft, nämlich Brücken baut von der Literatur zur Musik, zur bildenden Kunst und  zum Theater, begrüßte dessen Geschäftsführer Dr. Helmut Müller das Veranstaltungs-Programm.  Der Kulturfond Rhein-Main wird die Literaturtage  mit 37.000 Euro unterstützen. Dieses Geld erlaubt gar zwei weitere Veranstaltungen außerhalb Wiesbadens: So wird der ukrainische Romancier Juri Andruchowytsch auch in der Romanfabrik Frankfurt lesen und ein Auftritt der Jazzmusiker-Legende Jerry Granelli im Literaturhaus Darmstadt finanzierbar sein. Besonders spannend findet der ehemalige Wiesbadener Oberbürgermeister auch den politischen Schriftsteller Navid Kermani, der im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst aus seinem jüngsten Roman „Große Liebe“ lesen wird.

Die weiteren Veranstaltungen der Literaturtage, mit vielen Höhepunkten wie Auftritte Eva Mattes und Heribert Prantls, entnehmen Sie bitte dem aktuellen Programm!

Zudem liegen Programmhefte  ab sofort in der Stadt aus. Karten erhalten Sie in allen bekannten Vorverkaufsstellen. Weitere Infos: www.wiesbaden.de/literaturtage.