Rheinischer Karneval im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes

Foto: Diether v. Goddenthow  © atelier-goddenthow
Foto: Diether v. Goddenthow © atelier-goddenthow

Tausende Kulturtalente in ganz Deutschland erhalten kulturelle Traditionen und gestalten das Immaterielle Kulturerbe. Die Deutsche UNESCO-Kommission stellt ausgewählte Kulturtalente vor, im Monat Februar: den 32-jährigen Jecken Thomas Mende aus Köln. Gemeinsam mit Millionen weiterer Närrinnen und Narren feiert er jährlich den Rheinischen Karneval. Im Interview erklärt Mende, was den Rheinischen Karneval ausmacht, wo die Unterschiede zwischen dem traditionellen und dem alternativen Karneval liegen und wie Karnevalsvereine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Seit 2015 ist der Rheinische Karneval mit all seinen lokalen Varianten im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes eingetragen.

„Karneval bedeutet, gemeinsam mit Freunden und der Familie, mit Jung und Alt, mit Mann und Frau über alle Schichten hinweg im Kostüm gemeinsam zu schunkeln und den Ernst des Lebens zu vergessen. Beim Karneval gibt es keine Berührungsängste – man kommt sofort in Kontakt mit anderen Leuten. Die Karnevalstradition hat eine integrative Kraft“, erklärt Thomas Mende. „Ich bin stolz, dass durch diese Auszeichnung des Rheinischen Karnevals eine wunderbare Verbindung zwischen dem materiellen und dem immateriellen Kulturerbe sichtbar wird. Der Kölner Dom als UNESCO-Welterbe und der Rheinische Karneval als wichtige immaterielle Kulturform in unserer Stadt gehören untrennbar zusammen. Der Kölner Dom wird in vielen Karnevalsliedern begeistert besungen und ist als Wahrzeichen der Stadt in vielen Karnevalsumzügen präsent. Im Dom bekommen die Karnevalisten schließlich auch  den Segen für eine gesunde und friedliche Session“, so Mende weiter.

Der bis Anfang des 13. Jahrhunderts zurückreichende Festkomplex des Rheinischen Karnevals ist ein Schwellenfest unmittelbar vor der vorösterlichen Fastenzeit im christlichen Jahreslauf. Das gemeinschaftliche Verzehren von vor allem verderblichen Lebensmitteln vor der Fastenzeit ist die ideelle und inhaltliche Grundlage für den Karneval. In vielen Teilen Deutschlands wird er auch unter Begriffen wie „Fasnet“, „Fastnacht“ oder „Fasching“ gefeiert. Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurde die Fastnacht als sündhaftes, endliches Leben interpretiert. Vor diesem Hintergrund trat die Figur des gottesfernen Narren mit der Fastnacht in Verbindung – mit Narrenmasken und Kostümen wurde fortan symbolisch die gesellschaftliche und religiöse Ordnung in Frage gestellt.

Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ausgehend von Köln eine bürgerliche Form des Karnevals. Um die vielfältigen Festformen zu reorganisieren und zu koordinieren, wurde 1823 ein Festordnendes Komitee eingerichtet. Am Fastnachtsmontag wurde ein Maskenzug als Höhepunkt des Festes durchgeführt, der jahrtausendealte Herrschereinzüge nachahmte und persiflierte. Dazu traten der Held, später Prinz, „Karneval“ als Personifikation des karnevalistischen Frohsinns sowie Karnevalsgesellschaften, Karnevalssitzungen und Maskenbälle als weitere Elemente hinzu. Die Lieder und Büttenreden auf diesen Veranstaltungen sind geprägt vom Dialekt und von einem hohen Maß identitätsstiftender Inhalte. Andere Städte und Regionen übernahmen im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts diese Festgestaltung und gaben ihr ein spezifisches lokales oder regionales Gepräge.

Mit den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts wurde die Karnevalszeit deutlich ausgedehnt. Beginn des Rheinischen Karnevals ist nun der 11. November mit der Vorstellung des Prinzen, Prinzenpaares oder Dreigestirns. Der Tag der Heiligen Drei Könige – 6. Januar – entwickelte sich zum Auftakt des Sitzungskarnevals, die Weiberfastnacht zum Auftakt des Straßenkarnevals und der Rosenmontag löste den Karnevalsdienstag als zentraler Festtag ab. Im Kontext der Märzrevolution 1848/49 und der einhergehenden Politisierung der Gesellschaft wurde der organisierte Karneval für alle sozialen Schichten geöffnet. Die Thematisierung von politischen Entwicklungen in den Büttenreden, in Liedern und in Motivwagen wurde fester Bestandteil des Festes. Seit dieser Zeit haben sich weitere Rituale und Spielweisen im Rheinischen Karneval entwickelt. Er ist heute gleichermaßen Ort der Begegnung, Wirtschaftsfaktor und Aushängeschild für die Region in der ganzen Welt.

Hintergrundinformationen zum Immateriellen Kulturerbe

Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Formen Immateriellen Kulturerbes sind entscheidend von menschlichem Wissen und Können getragen. Sie sind Ausdruck von Kreativität und Erfindergeist, vermitteln Identität und Kontinuität. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben und immer wieder neu gestaltet.

Seit 2003 unterstützt die UNESCO den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt dieser Kulturformen. Einzelne Elemente aus den nationalen Verzeichnissen der Vertragsstaaten können für eine von drei UNESCO-Listen des Immateriellen Kulturerbes vorgeschlagen werden. 429 Bräuche, Darstellungskünste, Handwerkstechniken und Naturwissen aus aller Welt werden derzeit auf diesen Listen geführt, darunter die Genossenschaftsidee und –praxis aus Deutschland, die Rumba aus Kuba, die traditionelle chinesische Medizin und die italienische Geigenbaukunst. Bis heute sind 172 Staaten dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beigetreten. Deutschland ist seit 2013 Vertragsstaat.