Kategorie-Archiv: UNESCO

Deutschlands Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes erweitert

© UNESCO/Acervo PCR
© UNESCO/Acervo PCR

Ob Capoeira in Brasilien, Yoga in Indien oder Reggae in Jamaika – sie alle gehören zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit.

13 Neuaufnahmen zeigen kulturelle Vielfalt der Bundesrepublik

Die Kulturministerkonferenz hat heute gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien die Auswahlempfehlungen des Fachkomitees Immaterielles Kulturerbe der Deutschen UNESCO-Kommission bestätigt. Das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes wird damit um 13 Einträge erweitert. Aufgenommen wurden unter anderem die Hip-Hop-Kultur in Heidelberg, der Zirkus als eine Form Darstellender Kunst und der Bau des Spreewaldkahns. Darüber hinaus wurden zwei Modellprogramme gewürdigt, die beispielhaft zeigen, wie das Immaterielle Kulturerbe bewahrt werden kann. Das Bundesweite Verzeichnis umfasst damit insgesamt 144 Formen gelebter Kultur in Deutschland.

„Der internationale Ruf Deutschlands beruht nicht nur auf herausragenden Ingenieurleistungen und Erfindergeist, sondern auch auf dem in Jahrhunderten gewachsenen kulturellen Erbe. Mit der Neuaufnahme von 13 Kulturformen in das Bundesweite Verzeichnis wird einmal mehr die kulturelle Vielfalt Deutschlands deutlich. Sie gibt den Menschen die Möglichkeit, ihre Kultur und ihre Traditionen zu leben und weiterzuentwickeln. Solche Räume stiften Identität und Heimat und damit die Grundlage für ein gutes Zusammenleben in einer modernen offenen Gesellschaft“, betont der Vorsitzende der Kulturministerkonferenz und niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur Falko Mohrs.

„Ich freue mich, dass das Immaterielle Kulturerbe in Deutschland heute Zuwachs bekommen hat. Kultur zu leben bedeutet, Gemeinschaft zu stiften. Das ist eine Auszeichnung für all diejenigen, die ihr Wissen und Können weitergeben und sich damit Tag für Tag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt stark machen. Dass dieses großartige Engagement seit mittlerweile zehn Jahren von Bund und Ländern gewürdigt wird, zeigt uns, wie vielfältig und kreativ das kulturelle Leben in Deutschland ist“, erklärt Christoph Wulf, Vorsitzender des Fachkomitees Immaterielles Kulturerbe in Deutschland und Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission.

Die UNESCO unterstützt seit 20 Jahren die Weitergabe, die Dokumentation und den Erhalt lebendiger Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, Naturwissen, von Handwerkstechniken und mündlichen Überlieferungen. Deutschland gehört dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes seit zehn Jahren an. Das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes zeigt exemplarisch, welche lebendigen kulturellen Traditionen und Ausdrucksformen in Deutschland praktiziert und weitergegeben werden.

Elf lebendige Traditionen wurden ins Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulterbes aufgenommen:

Zwei gute Praxisbeispiele zum Erhalt Immateriellen Kulturerbes werden ins Bundesweite Verzeichnis eingetragen:
Hintergrund

Das Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes wurde 2003 von der Generalkonferenz der UNESCO in Paris verabschiedet. Bis heute haben 180 Staaten den Vertrag ratifiziert. Deutschland gehört der UNESCO-Konvention seit 2013 an.

Das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes würdigt kreative, inklusive und innovative Kulturformen, die von der Zivilgesellschaft dem Fachkomitee Immaterielles Kulturerbe der Deutschen UNESCO-Kommission vorgeschlagen werden. Über Aufnahmen in das Verzeichnis wird regelmäßig in einem mehrstufigen Verfahren entschieden.

Einzelne Elemente aus den nationalen Verzeichnissen der Vertragsstaaten können für eine von drei internationalen UNESCO-Listen des Immateriellen Kulturerbes vorgeschlagen werden. Dazu gehören etwa die Saunakultur in Finnland, der Reggae aus Jamaika und das Bauhüttenwesen, das auf Vorschlag von Frankreich, Norwegen, Österreich, der Schweiz und Deutschland in das internationale UNESCO-Register guter Praxisbeispiele für den Erhalt Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.

Weitere Informationen:

Große Freude über UNESCO-Welterbe-Status für „Mathildenhöhe Darmstadt“ – Komitee nimmt Kulturdenkmal auf Welterbeliste

Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein gründete 1899 auf der Mathildenhöhe Darmstadt eine Künstlerkolonie als Zentrum der damals neu entstehenden Reformbewegung in Architektur, Kunst und Handwerk. Die experimentelle Wohn- und Arbeitsstätte wurde von den Künstlern selbst gestaltet und im Zuge von vier internationalen Ausstellungen 1901, 1904, 1908 und 1914 erweitert. Das Ensemble der Mathildenhöhe ist ein außerordentliches Zeugnis von Architektur und Landschaftsgestaltung an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. © Foto Diether v. Goddenthow
Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein gründete 1899 auf der Mathildenhöhe Darmstadt eine Künstlerkolonie als Zentrum der damals neu entstehenden Reformbewegung in Architektur, Kunst und Handwerk. Die experimentelle Wohn- und Arbeitsstätte wurde von den Künstlern selbst gestaltet und im Zuge von vier internationalen Ausstellungen 1901, 1904, 1908 und 1914 erweitert. Das Ensemble der Mathildenhöhe ist ein außerordentliches Zeugnis von Architektur und Landschaftsgestaltung an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. © Foto Diether v. Goddenthow

Wiesbaden/Darmstadt. Die „Mathildenhöhe Darmstadt“ ist UNESCO-Welterbe. Das hat das Welterbekomitee der Kulturorganisation der Vereinten Nationen am heutigen Samstag in seiner 44. Sitzung entschieden. Hessens Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn, und der Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Jochen Partsch, nahmen die Nachricht gemeinsam in Darmstadt entgegen.

„Die ,Mathildenhöhe Darmstadt‘ zeigt mit ihren Bauten, aber auch mit ihrer Geschichte, dass ein gutes Leben möglich ist – aber nicht abgehoben für wenige, sondern demokratisch und gerecht für alle. Heute entfaltet sie ihre inspirierende Kraft als integraler Bestandteil der lebendigen und vielfältigen Wissenschaftsstadt Darmstadt. Mit ihrer Anerkennung als Welterbe hat ein Projekt seinen glücklichen Abschluss gefunden, das durch intensive Arbeitsphasen, aber auch Warten und Hoffen gekennzeichnet war. Wir freuen uns riesig mit der Wissenschaftsstadt Darmstadt und sind froh, dass das Land Hessen durch die inhaltlichen Impulse und die konzeptionellen Ideen des Landesamts für Denkmalpflege Hessen maßgeblich zum Erfolg der Nominierung beitragen konnte“, erklärt Hessens Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn. „Mit der ,Mathildenhöhe Darmstadt‘ darf sich Hessen über seine siebte Welterbestätte freuen. Ich bin sehr stolz, dass das reiche und vielfältige Kulturerbe Hessens nun auch im Hinblick auf die Moderne international als außergewöhnlich und weltweit bedeutend anerkannt wird. Ich gratuliere allen Beteiligten und danke ihnen für ihr langjähriges, herausragendes Engagement. Mein Glückwunsch gilt auch allen anderen neuen Welterbestätten.“

„Darmstadt, seine Bürgerinnen und Bürger können stolz sein, dass die „Mathildenhöhe Darmstadt“ als Welterbe anerkannt und damit als Ort von einzigartiger Bedeutung weltweit gewürdigt wird“, erklärte Oberbürgermeister Jochen Partsch. „Gewürdigt wird damit eine doppelte Leistung – die Schaffung dieses Ortes selbst, der sich vor genau 120 Jahren erstmals der Welt präsentierte, aber auch die Arbeit der zurückliegenden Jahre, in denen es darum ging, den Wert dieses kulturellen Erbes in einen überzeugenden Antrag für die UNESCO zu fassen. Ein Erbe, das wir seit jeher nicht museal aufgefasst haben, sondern als Auftrag, Darmstadt als Stadt der Kultur zu stärken, seine Vielfalt und seine Innovationskraft zu unterstreichen. Die Mathildenhöhe als Ort des Aufbruchs und die Impulse einer umfassenden Reform aller Aspekte des Lebens als lebendigen Teil dieser Stadt, als Lebens- und Arbeitsort vieler Menschen zu erhalten und weiterzuentwickeln: Dies ist der Kern unseres Antrags. Die Anerkennung als Welterbe bedeutet gleichermaßen Ehre und Verpflichtung.“

Die Entscheidung über die Aufnahme der „Mathildenhöhe Darmstadt“ in die Welterbeliste hatte sich zuletzt pandemiebedingt um ein Jahr verzögert, da die 44. Sitzung des Welterbekomitees im vergangenen Jahr nicht stattfinden konnte. Neben der „Mathildenhöhe Darmstadt“ wurde in die Welterbeliste auch die transnationale Bewerbung unter deutscher Beteiligung „The Great Spas of Europe“ aufgenommen. Weitere Nominierungen aus Deutschland, die zur Entscheidung anstehen, sind die „SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz“ sowie die Erweiterung der transnationalen Stätte „Grenzen des Römischen Reiches“, in der mit dem Obergermanisch-Rätischen Limes auch Hessen vertreten ist, um zwei Abschnitte (Donaulimes, Niedergermanischer Limes).

Auf der „Mathildenhöhe Darmstadt“ wurde zwischen 1899 und 1914 in international einzigartiger Weise die künstlerische und erstmals ganzheitliche Vision des „modernen“ qualitätvollen Lebens in die Realität umgesetzt. Auf einem markanten Plateau oberhalb der Altstadt gestalteten damals ambitionierte Künstler auf Initiative des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein das Ensemble einer „neuen Stadt“. 1901 zeigte die erste große Schau unter dem Titel „Ein Dokument Deutscher Kunst“ künstlerisches und kunsthandwerkliches Schaffen am Beginn des neuen Jahrhunderts. Die Impulse der Darmstädter Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe beeinflussten Generationen von Architektinnen und Architekten, Landschaftsplanerinnen und Landschaftsplanern und strahlen bis in die Gegenwart aus. Mit dem Hochzeitsturm, dem Ausstellungsgebäude, den Künstlerhäusern, dem Gelände der vier bedeutenden Ausstellungen und den in die Planungen einbezogenen Freiflächen hat sich die vorbildhaft gestaltete Stadtkrone Darmstadts bis heute als unvergleichliches städtebauliches Zeugnis erhalten. Einflüsse von der Arts-and-Crafts-Bewegung und der Wiener Secession bis hin zu Beispielen des Jugendstils und Entwicklungen zur Moderne lassen sich hier nachvollziehen.

Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde schon 1951, zur fünfzigsten Wiederkehr der ersten Mathildenhöhe-Ausstellung, mit dem Darmstädter Gespräch „Mensch und Raum“ sowie den daraus hervorgegangenen Darmstädter Meisterbauten erneut ein kultureller Meilenstein gesetzt, der international Beachtung fand. In der Folge siedelten sich zahlreiche bedeutende Kultureinrichtungen auf der Mathildenhöhe an: der Deutsche Werkbund, die Akademie für Sprache und Dichtung, das Deutsche PEN-Zentrum, der Rat für Formgebung, das Institut für Neue Technische Form, Hessen-Design sowie der Fachbereich Gestaltung der Hochschule Darmstadt. Mit der Ausstellung zum 75. Jubiläum der Mathildenhöhe begann in den 1970er-Jahren auch die Instandsetzung und Restaurierung oder Neuinterpretation der historischen Bauten, die bis heute andauert. Derzeit wird das zentrale Ausstellungsgebäude neben dem Hochzeitsturm den heutigen technischen und denkmalpflegerischen Anforderungen auch angesichts wachsender Besucherzahlen angepasst, ebenso Olbrichs eigenes, im Krieg stark beschädigtes Wohnhaus, nunmehr Sitz der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Die Welterbeliste der UNESCO ist das bedeutendste Instrument der Völkergemeinschaft zum Schutz ihres kulturellen und natürlichen Erbes. Über die Aufnahme entscheidet das Welterbekomitee in der Regel einmal pro Jahr. Voraussetzung ist, dass der entsprechende Vertragsstaat sie nominiert. Die „Künstlerkolonie Mathildenhöhe Darmstadt“ wurde 2014 von der Kultusministerkonferenz auf die Tentativliste künftiger Nominierungen eingetragen.

Sechs Welterbestätten liegen in Hessen: das „Kloster Lorsch“ (1991), die „Grube Messel“ als erstes Weltnaturerbe Deutschlands (1995), das „Obere Mittelrheintal“ (2002), die „Grenzen des Römischen Reichs“ – Obergermanisch-Raetischer Limes (2005), die „Alten Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ – Kellerwald-Edersee (2011) und der „Bergpark Wilhelmshöhe“ (2013).

Ausbruch des Laacher-See-Vulkans neu datiert

Laacher-See Vulkaneruption fand vor 13.077 Jahren statt – Neues Datum liefert entscheidende Erkenntnisse über Klimaschwankungen am Ende der letzten Eiszeit. Subfossile Kiefernscheibe gefunden in Zürich, Schweiz: Die Kalibrierung der Radiokarbonmessungen an Holzproben aus den Laacher-See-Ablagerungen gegen eine Schweizer Referenzchronologie basierend auf solchen Kieferproben ergab die präzise Datierung. Foto/©: Daniel Nievergelt
Laacher-See Vulkaneruption fand vor 13.077 Jahren statt – Neues Datum liefert entscheidende Erkenntnisse über Klimaschwankungen am Ende der letzten Eiszeit. Subfossile Kiefernscheibe gefunden in Zürich, Schweiz: Die Kalibrierung der Radiokarbonmessungen an Holzproben aus den Laacher-See-Ablagerungen gegen eine Schweizer Referenzchronologie basierend auf solchen Kieferproben ergab die präzise Datierung. Foto/©: Daniel Nievergelt

Der Ausbruch des Laacher-See-Vulkans in der Eifel zählt zu den größten Eruptionen, die sich in Mitteleuropa ereignet haben. Der Vulkanausbruch förderte rund 20 Kubikkilometer Asche zutage und die Eruptionswolke reichte über 20 Kilometer in die Höhe, vergleichbar mit dem Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991. Technische Fortschritte und Funde von Baumresten, die im Zuge der Eruption begraben wurden, ermöglichen nun eine genaue Datierung des Ereignisses mit einer nur sehr geringen Unsicherheit. Demnach ist der Ausbruch des Laacher-See-Vulkans vor 13.077 Jahren erfolgt und damit 126 Jahre früher als bisher angenommen. Dies wirft ein neues Licht auf die Klimageschichte des gesamten nordatlantischen und europäischen Raums und erfordert eine Anpassung der europäischen Klimaarchive. „Wir können damit einen Temperatursturz am Ende der letzten Kaltzeit genau datieren, sodass sich die Angaben jetzt mit denen von Bohrkernen aus dem Grönlandeis decken“, sagt Dr. Frederick Reinig, Dendrochronologe an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). An dem Projekt war ein internationales Forschungsteam aus der Archäologie, Klimatologie, Ökologie, Radiokarbondatierung und Vulkanologie beteiligt. Die Forschungsergebnisse wurden in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature publiziert.

Verkohlte Holzreste von Birken und Pappeln sind bis heute erhalten
Der Ausbruch des Laacher-See-Vulkans war eine Naturkatastrophe, die weite Teile Europas betroffen hat. Der Ascheregen gelangte bis nach Norditalien im Süden und nach Sankt Petersburg im Nordosten. In der unmittelbaren Umgebung und im benachbarten Rheintal bildeten sich mächtige Ablagerungen aus Asche und Bims, die alles Leben unter sich begruben. „Pyroklastische Ströme haben bei dem Ausbruch damals die Vegetation um den Laacher-See-Vulkan verschüttet. Die Bäume wurden in den Ascheablagerungen teilweise verkohlt und bis heute konserviert“, beschreibt Reinig das Ausbruchsgeschehen, das sich im späten Frühling bis frühen Sommer ereignet hat und das vermutlich mehrere Wochen andauerte – und das heute den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die genaue Datierung des Ereignisses ermöglicht. „Diese hölzernen Zeitzeugen sind allerdings sehr selten und sie sind schwierig zu bergen“, so Reinig, Erstautor der Studie.

„Die regionalen Auswirkungen des Vulkanausbruchs sind gut erforscht. Was uns bisher gefehlt hat, ist die Sicherheit, wann genau dies passiert ist“, erklärt Prof. Dr. Ulf Büntgen, Co-Autor der Nature-Publikation von der University of Cambridge. Dies konnte nun anhand der Proben von verschütteten Birken und Pappeln ermittelt werden.

Analyse der Baumringe gibt Aufschluss über das genaue Datum der Eruption
Die vulkanischen Sedimente haben nicht nur die Holzstücke über 13.000 Jahre lang konserviert, sondern damit blieben auch die Jahrringe der Bäume erhalten. „Die Jahrringe geben uns die Möglichkeit, das Alter der Proben genau zu bestimmen“, sagt Prof. Dr. Jan Esper von der JGU. In einer gemeinsamen Initiative der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Birmensdorf, Schweiz, mit dem Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution MONREPOS in Neuwied wurden sowohl neu entdeckte Proben als auch ältere Fundstücke analysiert. Dazu hat das Labor für Ionenstrahlphysik der ETH Zürich Radiokarbonmessungen an 157 einzelnen Jahrringen der untersuchten Bäume vorgenommen. Die Kalibrierung dieser Ergebnisse gegen eine Schweizer Referenzchronologie ergab dann die präzise Datierung. „Die stetigen Fortschritte bei der Radiokarbon-Messtechnik und bei den verwendeten Kalibrierverfahren sowie die sorgsame Handhabung der empfindlichen Proben waren der Schlüssel, damit wir diese Datierung mit einer Unsicherheit von weniger als zehn Jahren etablieren konnten“, so Dr. Lukas Wacker von der ETH Zürich.

Neudatierung des Vulkanausbruchs hat Folgen für die Synchronisierung europäischer Klimaarchive und das Verständnis der großräumigen Klimadynamik

Die Eruption des Laacher-See-Vulkans erfolgte der Darstellung in Nature zufolge 13.006 Jahre vor 1950 mit einer Unsicherheit von 9 Jahren. Das ist 126 Jahre früher als die bisher allgemein akzeptierte Datierung anhand von Sedimenten im Meerfelder Maar.

Diese Differenz hat weitreichende Folgen für die Synchronisierung europäischer Klimaarchive und das Verständnis der nordatlantischen und europäischen Klimageschichte. Der Ascheregen, der infolge des Vulkanausbruchs über große Gebiete Mittel- und Nordeuropas niederging, ist ein wichtiger Zeitmarker für Paläoumweltarchive. Aufgrund der Neudatierung müssen nun die europäischen Archive angepasst werden. Gleichzeitig wurde damit eine bislang bestehende Differenz zu den Daten der grönländischen Eisbohrkerne geschlossen.

Dies bedeutet, dass der massive Kälteeinbruch zu Beginn der Jüngeren Dryaszeit – dem letzten, rund 1.300 Jahre dauernden eiszeitlichen Intermezzo vor der aktuell herrschenden Warmphase, dem Holozän – auch in Mitteleuropa bereits 130 Jahre früher, also vor circa 12.870 Jahren begann. Dies zeigen auch die Eisbohrkerne aus Grönland für den nordatlantischen Raum an. Während der Jüngeren Dryaszeit sanken die Temperaturen in Mitteleuropa um bis zu 5 Grad Celsius. „Diese starke Abkühlung vollzog sich nicht, wie bislang gedacht, zeitlich versetzt über einen längeren Zeitraum, sondern verlief über den gesamten nordatlantischen Raum und Mitteleuropa synchron“, sagt Frederick Reinig. Die Ergebnisse des interdisziplinären Forschungsteams legen damit nicht nur ein präzises Datum für den Ausbruch des Laacher-See-Vulkans in der Eifel fest. Das revidierte Alter der Ascheablagerungen und die damit verbundene Verschiebung der europäischen Klimaarchive wirft nun ein neues Licht auf die Klimageschichte des gesamten nordatlantischen und europäischen Raums.

UNESCO zeichnet Bauhüttenwesen aus

Experimentelle Archäologie: Im Wald  von  Guédelon (Frankreich) errichten seit über 20 Jahren zirka 35   Steinbrecher, Steinmetze, Maurer, Holzarbeiter, Zimmerleute, Schmiede, Ziegelmacher, Fuhrleute, Korbflechter, Seiler und Helfer mit mittelalterlichen Werkzeugen eine Burg im 13. Jahrhundert. Seit dem frühmittelalterlichen Burgen- und Kirchenbaus entstanden die ersten Bauhütten. © Foto Diether v. Goddenthow
Experimentelle Archäologie: Im Wald von Guédelon (Frankreich) errichten seit über 20 Jahren zirka 35 Steinbrecher, Steinmetze, Maurer, Holzarbeiter, Zimmerleute, Schmiede, Ziegelmacher, Fuhrleute, Korbflechter, Seiler und Helfer mit mittelalterlichen Werkzeugen eine Burg im 13. Jahrhundert. Seit dem frühmittelalterlichen Burgen- und Kirchenbaus entstanden die ersten Bauhütten. © Foto Diether v. Goddenthow

 

Die UNESCO hat heute das Bauhüttenwesen in das Register guter Praxisbeispiele zum Erhalt Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Damit würdigt die UN-Kulturorganisation den internationalen Modellcharakter der Bauhütten, die als fest eingerichtete Werkstätten seit Jahrhunderten für den Erhalt von Großbauten sorgen und dabei traditionelles Handwerk mit neuester Technik verbinden.

An der Nominierung waren 18 Bauhütten aus fünf Ländern beteiligt. Gemeinsam mit Frankreich, Norwegen, Österreich und der Schweiz hatte Deutschland die Aufnahme in das UNESCO-Register beantragt. Der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe tagt noch bis zum 19. Dezember online.

Europäisches Erfolgsmodell
Zur Auszeichnung des Bauhüttenwesens sagt Michelle Müntefering, Staatsministerin für internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt: „Die auf das Mittelalter zurückgehende Tradition der Bauhütten dokumentiert, wie wichtig der grenzüberschreitende Kulturaustausch und die Zusammenarbeit von Künstlern und Handwerkern für gesellschaftliche und baukünstlerische Entwicklungen in Europa waren und sind. Ich freue mich sehr über die Anerkennung der UNESCO für das gemeinsam von Frankreich, Norwegen, Österreich, der Schweiz und Deutschland vorgeschlagene Bauhüttenwesen. Die Aufnahme in das Register guter Praxisbeispiele unterstreicht die Zukunftsfähigkeit traditioneller Handwerkstechniken, ihre Weitergabe trägt zur Erhaltung des europäischen Kulturerbes bei.“

In den Bauhütten werden traditionelle Techniken, Bräuche und Rituale verschiedenster Gewerke bis heute gepflegt. Unter der Leitung einer Dombaumeisterin oder eines Dombaumeisters arbeiten dort vor allem Steinmetze und Bildhauerinnern, aber auch Dachdecker, Tischlerinnen, Gerüstbauer, Malerinnen, Elektriker, Schlosserinnen, Schmiede und Glasmalerinnen für den Erhalt historischer Bauwerke.

Wissensspeicher des Handwerks
Die Bauhütten zeugen von der Effizienz und Qualität traditioneller handwerklicher Arbeit. Sie bewahren Wissen und tragen so zu einem umfassenden Verständnis komplexer Großbauwerke bei: Historische Pläne, Hüttentagebücher, Wetteraufzeichnungen, persönliche Notizen, Fotografien, Gutachten und Rechnungsbücher helfen den Fachleuten heute dabei, Restaurierungsmaßnahmen vorausschauend und denkmalgerecht zu planen.

Dazu erklärt Kulturstaatsministerin Monika Grütters: „Das Bauhüttenwesen ist vielen vor allem durch die europäischen Dombauhütten ein Begriff. UNESCO-Welterbestätten wie der Kölner, der Aachener oder der Naumburger Dom zeugen von der großen Bedeutung der Bauhütten: Als international vernetzte Orte der Forschung und Ausbildung bringen sie großes Fachwissen mit außergewöhnlichen Handwerksfertigkeiten zusammen. Ohne das Bauhüttenwesen wäre die Restaurierung der großen europäischen Kirchenbauten gar nicht denkbar. Dies wirkt weit über den kirchlichen Raum hinaus und hat etwa bei der Rekonstruktion der barocken Fassade des Humboldt Forums im Berliner Schloss eine wichtige Rolle gespielt. Umso verdienter ist die heutige Auszeichnung durch die UNESCO.“

Historisch eng vernetzt
Bauhütten gelten seit dem Mittelalter als Innovationsbetriebe, deren Wissen und Fertigkeiten durch die hohe Mobilität der Bauleute im gesamten europäischen Raum Verbreitung fanden. Bis heute sind sie eng miteinander vernetzt. So beteiligten sich an der UNESCO-Nominierung Bauhütten aus Basel, Linz, Straßburg, Trondheim und Wien sowie aus Aachen, Bamberg, Dresden, Freiburg, Köln, Lübeck, Mainz, Passau, Regensburg, Schwäbisch Gmünd, Soest, Ulm und Xanten.

Bernd Sibler, Vorsitzender der Kulturministerkonferenz und Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, betont: „Die erfolgreiche Einschreibung der Bauhütten würdigt deren Vorbildfunktion bei der Weitergabe traditioneller Gewerke. Besonders beeindruckend ist die sehr fruchtbare Vernetzung und der fachliche Austausch zwischen den deutschen Bauhütten – 13 von ihnen beteiligen sich am Modellprogramm. Dom- und Münsterbauhütten in ganz Deutschland bewahren einmalige Sakralbauten wie den Kölner und Regensburger Dom, die Kirchen des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg und das Freiburger Münster. Aber auch der Dresdner Zwinger als Profanbau unterhält eine eigene Bauhütte. Hier zeigt sich nicht nur die Vielfalt der Bauhüttenlandschaft in Deutschland, sondern auch ihre große Bedeutung für den Erhalt unseres kulturellen Erbes.“

Gelebte Tradition
Der Erfolg der Bauhütten beruht auf ihrer Fähigkeit, alte Handwerkstechniken systematisch von Generation zu Generation weiterzugeben und sie mit neuen Erkenntnissen aus Forschung und Technik innovativ zu kombinieren. Zugleich fördern die Werkstätten den kollegialen Austausch von Wissen und Können. Davon zeugt etwa die bis heute in vielen Gewerken lebendige Walz, die im Bauhüttenwesen ihren Ursprung hat.

Christoph Wulf, Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission und Vorsitzender des Expertenkomitees Immaterielles Kulturerbe in Deutschland, macht deutlich: „Das Bauhüttenwesen zeigt uns, wie wir traditionelle Handwerkstechniken erfolgreich bewahren, fördern und weitergeben können. Die enge Verzahnung der unterschiedlichen Berufe in den Werkstätten ist historisch faszinierend und ein Modell für die Zukunft des Bauens. Dass so viele Bauhütten von Trondheim über Dresden bis Wien gemeinsam auf die Aufnahme ins UNESCO-Register hingearbeitet haben, ist ein hervorragendes Beispiel dafür, was das Immaterielle Kulturerbe leistet: Es bringt Menschen zusammen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, allen sprachlichen und gesellschaftlichen Unterschieden zum Trotz. So geht Europa!“

Hintergrund
Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Seit 2003 unterstützt die UNESCO den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt dieser Kulturformen. Bis heute sind 180 Staaten dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beigetreten. Deutschland gehört dem Vertrag seit 2013 an.

Einzelne Elemente aus den nationalen Verzeichnissen der Vertragsstaaten können für eine von drei UNESCO-Listen des Immateriellen Kulturerbes vorgeschlagen werden. Dazu gehören bereits der Tango aus Argentinien und Uruguay, die traditionelle chinesische Medizin, Reggae aus Jamaika und der Blaudruck in Deutschland, Österreich, Tschechien, der Slowakei und Ungarn.

Der Zwischenstaatliche Ausschuss setzt sich aus 24 gewählten Vertragsstaaten der Konvention zusammen. Er entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen auf die UNESCO-Listen des Immateriellen Kulturerbes.

25 neue UNESCO-Biosphärenreservate weltweit Erstmals Biosphärenreservat im Nachbarland Luxemburg ausgezeichnet.

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

 

Der Internationale Rat des UNESCO-Programms „Der Mensch und die Biosphäre“ (MAB) hat heute 25 neue Biosphärenreservate in das Weltnetz aufgenommen. In fünf Staaten hat der UNESCO-Rat erstmals Gebiete ausgezeichnet: in Andorra, Kap Verde, auf den Komoren, in Luxemburg sowie in Trinidad und Tobago.

Im Süden von Luxemburg umfasst das neue UNESCO-Biosphärenreservat Minett elf Gemeinden und eine Fläche von etwa einem Zehntel des gesamten Landes. Mehrere ehemalige Tagebaue und frühere Standorte der Schwerindustrie gehören zu dem Gebiet. Das Biosphärenreservat soll eine wissensbasierte Wirtschaft im Einklang mit der Natur fördern.

Damit gibt es nun 714 UNESCO-Biosphärenreservate in 129 Länder. Mehrere Gebiete in Australien, Bulgarien, der Demokratischen Republik Kongo und Mexiko sind aus dem Weltnetz ausgeschieden, da sie die erforderlichen Kriterien nicht mehr erfüllen konnten. Der Internationale Rat tagte wegen der Corona-Pandemie verkürzt per Videokonferenz am 27. und 28. Oktober 2020.

Die neuen Biosphärenreservate
Ordino (Andorra)
W-Arly-Pendjari (WAP, grenzüberschreitend: Benin, Burkina-Faso, Niger)
Unterlauf des Oueme-Flusses (Benin)
Asterousia-Gebirge (Griechenland)
Panna (Indien)
Bunaken Tangkoko Minahasa (Indonesien)
Karimunjawa-Jepara-Muria (Indonesien)
Merapi Merbabu Menoreh (Indonesien)
Fogo (Kap Verde)
Maio (Kap Verde)
Almaty (Kasachstan)
Westlicher Altai (Kasachstan)
Mohéli (Komoren)
Minett (Luxemburg)
Addu-Atoll (Malediven)
Fuvahmulah (Malediven)
Toson-Khulstai (Mongolei)
Hadejia Nguru Bade (Nigeria)
Oban (Nigeria)
Okangwo (Nigeria)
Wälder von Neblina (Peru)
Insel Porto Santo (Portugal)
Gishwati Mukura-Landschaft (Ruanda)
Kologrovskij-Wald (Russische Föderation)
Nordost-Tobago (Trinidad und Tobago)

Hintergrund
UNESCO-Biosphärenreservate sind international repräsentative Modellregionen. Sie bewahren die biologische Vielfalt und funktionierende Ökosysteme als Grundlage einer zukunftsfähigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Dabei steht nicht der Schutz im Vordergrund, sondern die angepasste Nutzung von gewachsenen Kulturlandschaften. Streng geschützt sind die im Verhältnis kleinen Kernzonen. Auf den übrigen Flächen erproben die Biosphärenreservate nachhaltige Nutzungskonzepte und fördern naturverträgliche Wirtschaftsformen. Aktuell gibt es weltweit 714 Biosphärenreservate in 129 Ländern, 16 davon in Deutschland. Der Internationale MAB-Rat setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern von 34 Staaten zusammen, darunter Deutschland. Er tagt einmal jährlich.

Weitere Informationen
Die neuen UNESCO-Biosphärenreservate

UNESCO-Biosphärenreservate

UNESCO-Webseite zum Internationalen Rat „Der Mensch und die Biosphäre“

Friedhofskultur in Deutschland zum immateriellen Kulturerbe ernannt

Impression Lindenallee im Wiesbaden-Biebricher Friedhof. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impression Lindenallee im Wiesbaden-Biebricher Friedhof. © Foto: Diether v. Goddenthow

Der Südfriedhof der Landeshauptstadt Wiesbaden, als zweitältester städtischer Hauptfriedhof nach dem Nordfriedhof, in den Jahren 1908 bis 1909 entstanden, steht nun im Zeichen des immateriellen Kulturerbes Friedhofskultur: Vertreter des Grünflächenamtes brachten am Freitagmorgen, 18. September, ein entsprechendes Schild am Haupteingang des Südfriedhofs im Siegfriedring 25 an, um so auf die wichtige Bedeutung der Friedhofskultur aufmerksam zu machen.

Wiesbaden ist damit Teil eines bundesweiten Netzwerks von über 100 Städten, die den diesjährigen Tag des Friedhofs am Sonntag, 20. September, der Ernennung der Friedhofskultur in Deutschland zum immateriellen Kulturerbe widmen. „Mit der Ernennung der Friedhofskultur zum immateriellen Kulturerbe werden nicht die Friedhöfe an sich, sondern all das, was Menschen auf den Friedhöfen tun, gewürdigt“, betont Andreas Kowol als zuständiger Dezernent des Grünflächenamtes der Landeshauptstadt Wiesbaden. „Dazu gehört das Trauern, Erinnern und Würdigen ebenso wie das Gestalten, Pflegen und Weiterentwickeln auf unseren 21 städtischen Friedhöfen.“ Den Rahmen hierfür schaffen Friedhofsverwalterinnen und Friedhofsverwalter, Bestatterinnen und Bestatter, ebenso wie Gärtnerinnen und Gärtner sowie Steinmetze und viel weitere ehrenamtlich Tätige in christlichen, jüdischen oder muslimischen Gemeinden.

Die Kruftanlagen aus Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem Hauptfriedhof Mainz © Foto: Diether v. Goddenthow
Die Kruftanlagen aus Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem Hauptfriedhof Mainz © Foto: Diether v. Goddenthow

Bereits im März 2020 beschloss die Kultusministerkonferenz auf Empfehlung der Deutschen UNESCO-Kommission, die Friedhofskultur in Deutschland in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufzunehmen. Leider fiel dieses Ereignis genau in die Zeit des Corona-Lockdowns, was dazu führte, dass die Ernennung medial völlig unterging. Mit dem bundesweiten Aktionstag „Friedhöfe auszeichnen“ wurde nun nochmal auf die Bedeutung aufmerksam gemacht. Mit der Aktion soll vor allem auch auf den vielfältigen Wert der Friedhofskultur für unsere Gesellschaft hingewiesen werden, was sowohl in kultureller, historischer oder sozialer Hinsicht aber auch in Hinblick auf Klima- und Naturschutz, Völkerverständigung oder Integration zum Ausdruck kommt. Vor diesem Hintergrund soll der Friedhof vor allem auch stärker als Ort der Lebenden wahrgenommen werden, der weit über die persönlichen Trauerrituale hinaus identitätsstiftende Bedeutung für unsere Gesellschaft hat. Hervorzuheben ist beispielsweise die historische Dimension der Denkmäler. Der Kulturraum Friedhof bildet zudem den größten Skulpturenpark unserer Städte und ist zugleich Inspirationsfläche für vielfältige Kunstformen. Besonders bedeutsam ist seine soziale Funktion: Der Friedhof erweist sich als Treffpunkt für Familien oder Angehörige und wirkt auch sozialer Vereinsamung von Hinterbliebenen entgegen. Nicht zuletzt zeigt sich dieser Kulturraum über kulturelle und religiöse Unterschiede hinweg als ein Ort der Integration und des Friedens. Nicht zu vergessen ist die Bedeutung der Friedhöfe für den Naturschutz, zum Beispiel auch als Ort der Biodiversität, gerade in Zeiten des Klimawandels.

Grundvoraussetzung für die Ernennung der Friedhofskultur in Deutschland zum immateriellen Kulturerbe war für die UNESCO „die Lebendigkeit der kulturellen Ausdrucksform, die vom menschlichen Wissen und Können getragen, von Generation zu Generation weitervermittelt und stetig neu geschaffen und verändert wird“, wie es die deutsche UNESCO-Kommission auf Ihrer Webseite formuliert. Es geht also nicht darum, das Friedhofswesen in seiner jetzigen Form zu mumifizieren, sondern um deren zeitgerechte Weiterentwicklung.

Mausoleen Mainzer Hauptfriedhof. © Foto: Diether v. Goddenthow
Mausoleen Mainzer Hauptfriedhof. © Foto: Diether v. Goddenthow

Initiator der Aktion ist das „Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur“, das sich der Pflege und Weiterentwicklung dieses Kulturerbes verschrieben hat. Umfangreiche Informationen über die Friedhofskultur in Deutschland, die Ernennung zum immateriellen Kulturerbe und deren Bedeutung für unsere Gesellschaft sind auf der der Internetseite des Kuratoriums unter www.kulturerbe-friedhof.de abrufbar. Weitere Informationen zum Südfriedhof und den anderen Friedhöfen in Wiesbaden sind auch auf der Website www.friedhoefe-wiesbaden.de zu finden.

UNESCO-Welterbeantrag „Die SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz“ wird in Worms am 29. Jan. 2020 vorgestellt

Der Wormser Synagogenplatz © GDKE Rheinland-Pfalz (Foto: Jürgen Ernst)
Der Wormser Synagogenplatz
© GDKE Rheinland-Pfalz (Foto: Jürgen Ernst)

Veranstaltung im Kultur- und Tagungszentrum gibt detaillierte Einblicke in den Antrag für die SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz

Nun ist es vollbracht. In dieser Woche hat das Land Rheinland-Pfalz den UNESCO-Welterbeantrag „Die SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz“ im Welterbezentrum in Paris eingereicht. Bereits am 13. Januar wurde der UNESCO-Antrag von Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Mainz feierlich unterzeichnet. Nachdem Dreyer mit ihrer Unterschrift die Bewerbung der SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz offiziell besiegelt hat, wird der Antrag am 29. Januar um 19 Uhr im Wormser Kultur- und Tagungszentrum vorgestellt. Mitglieder des SchUM-Projektteams geben anhand der Themen „Einzigartige Zeugnisse einer kulturellen Tradition – Die SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz und ihr außergewöhnlicher universeller Wert“ sowie „Unersetzliches Erbe für die gesamte Menschheit – Perspektiven für den Schutz und Erhalt der nominierten SchUM-Stätten“ Einblicke in ihre Arbeit in den vergangenen Jahren. Ebenfalls zu Wort kommen Adolf Kessel, Oberbürgermeister der Stadt Worms, Anna Kischner, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mainz, sowie ein Vertreter/eine Vertreterin des Ministeriums für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz.

Bereits seit 2014 bereitete eine Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dem SchUM-Verein, der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) und dem Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur in Abstimmung mit den Städten und der Jüdischen Gemeinde Mainz den umfangreichen UNESCO-Antrag vor.

Die SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz bildeten im Mittelalter ein europaweit bedeutendes Zentrum jüdischen Lebens und gelten als Wiege des aschkenasischen Judentums. Bis heute sind dort mit Synagogen, Fraunschuln, Mikwaot, Jeschiwot und Friedhöfen einzigartige Zeugnisse aus dieser Zeit erhalten.

Die Veranstaltung „Schritt für Schritt zum UNESCO-Weltkulturerbe – Vorstellung des UNESCO-Welterbeantrages SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz“ startet am Mittwoch, 29. Januar, um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.

3. Mai: Welttag der Pressefreiheit

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Am 3. Mai ist Welttag der Pressefreiheit. Er steht in diesem Jahr unter dem Motto „Medien für Demokratie: Journalismus und Wahlen in Zeiten der Desinformation“. In über 50 Veranstaltungen setzen sich Expertinnen und Experten weltweit für das Recht auf Meinungsfreiheit und den Zugang zu Informationen ein. Auf der zentralen Veranstaltung in Addis Abeba, Äthiopien, wird der UNESCO/Guillermo Cano-Preis für Pressefreiheit an die inhaftierten Journalisten Kyaw Soe Oo und Wa Lone aus Myanmar verliehen.

Prof. Dr. Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission betont anlässlich des Welttags: „Journalistische Berichterstattung spielt eine zentrale Rolle bei der politischen Meinungsbildung, insbesondere im Vorfeld von Wahlen.“ Sie solle neutral die Vielfalt der Positionen vermitteln, um Bürgerinnen und Bürgern informierte Entscheidungen zu ermöglichen. „Weltweit, auch in Europa und Deutschland, beobachten wir einen erschreckenden Anstieg von Desinformationskampagnen, besonders über soziale Medien. Das ist eine gefährliche Entwicklung für die Demokratie. Unabhängiger und professioneller Journalismus ist hier mehr denn je gefordert, um Meinungen Fakten gegenüberzustellen und Transparenz zu schaffen“, so Böhmer weiter.

Auszeichnung von Kyaw Soe Oo und Wa Lone aus Myanmar

Aufgrund ihres Einsatzes für die Presse- und Meinungsfreiheit und eine transparente Berichterstattung erhalten in diesem Jahr Kyaw Soe Oo und Wa Lone aus Myanmar den UNESCO/Guillermo Cano-Preis für Pressefreiheit. Die beiden Journalisten wurden nach ihrer Festnahme in Yangon am 12. Dezember 2017 zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt, nachdem sie für die Nachrichtenagentur Reuters über mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen in Myanmars Teilstaat Rakhine berichtet hatten. Thema ihrer Dokumentation waren Verbrechen an den Rohingya. Der Preis wird am 2. Mai in Addis Abeba verliehen.

Der Guillermo Cano-Preis für Pressefreiheit wird seit 1997 jährlich von der UNESCO vergeben. Er zeichnet Personen oder Organisationen aus, die oft unter hohem Risiko einen herausragenden Beitrag zur Verteidigung oder Förderung der Pressefreiheit geleistet haben. Der Preis ist nach dem kolumbianischen Journalisten Guillermo Cano Isaza benannt, der 1986 vor dem Redaktionsgebäude seiner Zeitung in Bogotá hingerichtet wurde.

Hintergrund

Die UNESCO hat als einzige Sonderorganisation der Vereinten Nationen das Mandat, die Meinungs- und Pressefreiheit zu schützen. Sie unterstützt den Aufbau unabhängiger und pluralistischer Medien. Besonders in Krisen- und Konfliktregionen hilft die UNESCO freien und unabhängigen Medien dabei, Prozesse der Konfliktlösung, der Demokratisierung und der Friedenssicherung voranzutreiben und zu gestalten. Mit zahlreichen regionalen Projekten fördert sie die Aus- und Fortbildung von Journalisten. Auch die Sicherheit von Journalisten ist ein Aspekt der Meinungs- und Pressefreiheit: Die UNESCO prangert die Ermordung von Journalisten an und fordert verstärkte Maßnahmen zur Aufklärung von Verbrechen an Journalisten.

Weitere Informationen

UNESCO-Webseite zum Welttag der Pressefreiheit
Veranstaltungen zum Welttag der Pressefreiheit
Veranstaltung in Leipzig zum Welttag der Pressefreiheit
DUK-Webseite zur Meinungs- und Pressefreiheit

SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz: „Wir sind auf der Zielgeraden!“

Informations-Abend in der Steinhalle im Landesmuseum Mainz über den aktuellen Stand des UNESCO-Welterbeantrags für die SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz. © Foto: Diether v. Goddenthow
Informations-Abend in der Steinhalle im Landesmuseum Mainz über den aktuellen Stand des UNESCO-Welterbeantrags für die SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz. © Foto: Diether v. Goddenthow

Kulturminister Wolf und Generaldirektion Kulturelles Erbe informierten heute Abend im Landesmuseum Mainz über den aktuellen Stand des UNESCO-Welterbeantrags für die SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz.

„Nach vielen Jahren der Vorbereitung und der akribischen Detailarbeit sind wir nun auf der Zielgeraden. Im September dieses Jahres werden wir den UNESCO-Welterbeantrag für die SchUM-Stätten zur Vollständigkeitsprüfung vorlegen“, so Kulturminister Prof. Dr. Konrad Wolf heute bei einem Vortragsabend im Landesmuseum Mainz der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE). Die Prüfung ist die letzte Hürde vor der offiziellen Antragstellung, die im Januar 2020 erfolgen soll. Wolf unterstrich erneut, welche große kulturhistorische Bedeutung die SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz besitzen: „Sie sind nicht nur einzigartige Monumente der Bauarchitektur, sondern auch eindrückliche Zeugnisse, welche die Tradition des aschkenasischen Judentums, der Jüdinnen und Juden aus Mittel-, Nord- und Osteuropa und deren Nachfahren, fortbestehen lassen. Die vorliegenden Ergebnisse der wissenschaftlichen Expertisen bekräftigen unsere Einschätzung, mit den SchUM-Stätten ein außergewöhnliches Welterbe in Rheinland-Pfalz zu haben.“

Damit die Orte als UNESCO-Welterbe anerkannt werden, muss laut Dr. Stefanie Hahn, die den Antrag auf Seiten des Kulturministeriums betreut, vor allem der universelle Wert nachgewiesen werden. Die Bedeutung muss internationalen Rang besitzen und sowohl für gegenwärtige als auch für künftige Generationen der Menschheit von Wert sein. „Die einzigartigen Monumente in Speyer, Worms und Mainz sind zugleich materielle Überreste der Wiege des aschkenasischen Judentums – der mittelalterliche Verbund dieser Städte prägt unser Land in vielen Bereichen noch bis heute. Die wissenschaftlichen Arbeiten belegen, dass die einzigartigen Synagogen, Mikwen, Gemeindebauten und Friedhöfe der drei jüdischen Gemeinden die materielle Kultur der jüdischen Minderheit in Zentraleuropa grundlegend und nachhaltig geprägt haben. An keinem Ort in Europa gibt es ein vergleichbares Spektrum jüdischer Monumente und Stätten aus dem 10. bis 13. Jahrhundert. Sie lassen die kulturelle Leistung europäischer Juden in der Formationsphase des aschkenasischen Judentums in besonderer Weise anschaulich werden“, betont Hahn.

Bereits seit 2006 engagiert sich das Land Rheinland-Pfalz mit seiner Denkmalfachbehörde, der GDKE, gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde Mainz, dem Verein SchUM-Städte e.V. und den drei Städten Speyer, Worms und Mainz für die Anerkennung der SchUM-Stätten als UNESCO-Welterbe. „Es ist ein langer und steiler Weg, den wir hier schon seit 13 Jahren gehen. Aber dank der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten bin ich sehr optimistisch, dass der Antrag Erfolg haben wird“, so Thomas Metz, Generaldirektor der GDKE, der bei der heutigen Veranstaltung von den Tätigkeiten und Aufgaben der Denkmalpflege im Hinblick auf die jüdischen Bauwerke in Speyer, Worms und Mainz berichtete.

Neben Kulturminister Prof. Dr. Konrad Wolf, Dr. Stefanie Hahn und Thomas Metz unterstrichen auch die Bau- und Kulturdezernentin der Stadt Mainz Marianne Grosse, Dr. Christoph Cluse von der Universität Trier, Prof. Dr. Matthias Untermann von der Universität Heidelberg und PD. Dr. Peter Waldmann von der Jüdischen Gemeinde Mainz die herausragende Bedeutung der SchUM-Stätten, indem sie geschichtliche, architektonische und kulturelle Aspekte der Stätten beleuchteten.

Die SchUM-Gemeinden Speyer, Worms und Mainz bildeten im Mittelalter ein europaweit bedeutendes Zentrum jüdischen Lebens, in dem wesentliche Grundlagen für das aschkenasische Judentum gelegt wurden. Die drei Gemeinden mit ihren bis heute verehrten Rabbinern gelten als die Wiege des aschkenasischen Judentums. Zu den einzigartigen baulichen Zeugnissen, die aus dieser Zeit erhalten sind, gehören unter anderem: in Speyer die nahezu vollständig erhaltene Mikwe sowie die Reste der 1104 eingeweihten Synagoge, in Worms die 1938 zerstörte, bis 1961 auf Ruinenmauern aufgebaute Synagoge, die Mikwe von 1185/86 sowie der in situ erhaltene und eine einzigartige Kontinuität aufweisende Friedhof „Heiliger Sand“ und in Mainz der 1926 eröffnete Denkmalfriedhof.